Johanneische Perspektiven: Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984-2003 9783666530821, 352553082X, 9783525530825

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Johanneische Perspektiven: Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984-2003
 9783666530821, 352553082X, 9783525530825

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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Christopher Tuckett und Steven McKenzie

Band 215

Vandenhoeck & Ruprecht

Jens-W. Taeger

Johanneische Perspektiven Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003

herausgegeben von

David C. Bienert und Dietrich-Alex Koch

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 10: 3-525-53082-X ISBN 13: 978-3-525-53082-5

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Vorwort

Schon bald nach dem frühen Tod von Jens-W. Taeger, der während der letzten 10 Jahre seines Wirkens an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Münster/W. tätig war, entstand der Plan, seine verstreut veröffentlichten Aufsätze zur Johannesoffenbarung und den Schriften des johanneischen Kreises gesammelt zu veröffentlichen – ein Plan, der dank der Bereitschaft des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht auch alsbald in Angriff genommen werden konnte. Die Aufsätze wurden formell vereinheitlicht und Druckversehen in den Originalen stillschweigend beseitigt. Für die Erteilung der Abdruckrechte danken wir den Verlagen J.C.B. Mohr (P. Siebeck), Tübingen, W. de Gruyter, Berlin und Cambridge University Press, Cambridge. Ein besonderer Dank gilt den Fachkollegen Martin Karrer/Wuppertal und Friedrich Wilhelm Horn/Mainz, die die Beiträge von Jens-W. Taeger in einen forschungsgeschichtlichen Rahmen gestellt und ihre Bedeutung für die künftige Forschung gewürdigt haben. Dankbar sind die Herausgeber auch für die Mühe der Herren Alexander Becker und Nikolai Kiel, die bei der Erstellung der Druckvorlage wesentlich mitgeholfen haben, sowie dem alttestamentlichen Kollegen Dr. Jakob Wöhrle für satztechnische Hinweise.

David C. Bienert Münster, im Februar 2006

Dietrich-Alex Koch

Inhalt

Jens-W. Taeger als Neutestamentler und Theologe von Dietrich-Alex Koch................................................................................11 Die Apokalypse – eine fulminante Streitschrift unter Einfluss des johanneischen Gemeindeverbandes Jens-W. Taegers Beitrag zur Erforschung der Apk und der joh Theologieentwicklung von Martin Karrer........................................................................................17

Jens-W. Taeger Aufsätze Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes ...............29 Der konservative Rebell Zum Widerstand des Diotrephes gegen den Presbyter ................................59 „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften...............81 Eine fulminante Streitschrift Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes .............................................105 Begründetes Schweigen Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse ...................121 Hell oder dunkel? Zur neueren Debatte um die Auslegung des ersten apokalyptischen Reiters .............................................................................139 Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift...............................157

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Inhalt

Predigtexegesen Exegesen zum Johannesevangelium: Joh 1,1–5(6–8)9–14; 2,13–22; 3,1–8(9–15); 3,16–21; 4,46–54; 6,1–15; 10,11–16(27–30).......................177 Exegesen zur Johannesoffenbarung: Offb 1,4–8; 1,9–18; 2,8–11 .............199 Predigt Predigt zu Offb 5,1–5.................................................................................211

Anhang Johannesapokalypse und johanneischer Kreis Zu Jens-Wilhelm Taegers Methode des motivgeschichtlichen Vergleichs innerhalb des Corpus Johanneum von Friedrich Wilhelm Horn......................................................................219 Bibliographie Prof. Dr. Jens-W. Taeger erstellt von David C. Bienert......................................................................241 Stellenregister erstellt von David C. Bienert und Nikolai Kiel ..........................................243 Autorenregister erstellt von David C. Bienert und Nikolai Kiel ..........................................252

Jens-W. Taeger

16.2.1945–7.12.2004

Jens-W. Taeger als Neutestamentler und Theologe von Dietrich-Alex Koch (Münster/W.)

Als ich mir im Jahre 2003 bei einer gemeinsamen Studienreise ein für mich wichtiges Gebäude am Forum von Pompeji gründlich angesehen hatte, fragte mich Jens-Wilhelm Taeger ganz unvermittelt: „Ist es nun so, wie Du Dir das vorgestellt hast?“ Natürlich war es so. Denn ich kannte ja die Pläne und hatte Fotografien gesehen. 1 Und doch war es neu, anders, eben: die Wirklichkeit. Hätte man Jens-W. Taeger an seinem 60. Geburtstag, den er ja nicht mehr erleben konnte, gefragt: „Ist es nun so mit der Theologie, wie Du Dir das vorgestellt hast, als Du nach einigen Semestern Jura zu diesem Fach gewechselt hast?“ Er hätte dann vermutlich so geantwortet, wie er es vor wenigen Jahren in seinem autobiographischen Rückblick tatsächlich getan hat, 2 in dem er sagte, bei diesem Wechsel „hatte ich keinen blassen Schimmer von dem, was mich erwartete“. Das ist im Rückblick sicher etwas zugespitzt formuliert. Denn irgendeine Vorstellung mußte er ja bei diesem Schritt schon gehabt haben. Aber das, was er dann tatsächlich erlebte, eben: die Wirklichkeit, die war noch einmal etwas ganz anderes, so faszinierend und so aufregend, daß es ihn nicht mehr losgelassen hat. JensW. Taeger war Theologe aus Leidenschaft, begeisterter Exeget, der sich hingebungsvoll mit einzelnen Texten beschäftigen konnte und gleichzeitig immer auch die hermeneutische Verantwortung für die Sache der Theologie im Blick hatte, was für ihn eigentlich wie zwei Seiten ein und derselben Sache war, weil sich für ihn im Fach Neues Testament die Sache der Theologie bündelte. Natürlich war nicht alles von Anfang an restlos klar – und jeder Schritt vorwärts mußte wohl erwogen werden. Auf das Studium in Genf, Berlin, Münster, Zürich und dann wieder Münster folgte 1971 das 1.Theologische Examen vor der Evangelischen Kirche von Westfalen und nach dem Vika1 Es handelte sich um das antike macellum, die Markthalle von Pompeji, vgl. dazu meinen 1999 (!) erschienenen Aufsatz „Alles, was ejn makevllw/ verkauft wird, eßt ...“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1 Kor 10,25, ZNW 90, 1999, 194–219. 2 J.-W. TAEGER, Die neutestamentliche Wissenschaft als theologische Disziplin, in: E.-M. Becker (Hg.), Neutestamentliche Wissenschaft. Autobiographische Essays aus der Evangelischen Theologie, Tübingen 2003, 374–382, dort 375.

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riat 1973 das 2.Theologische Examen und 1974 die Ordination. 1978 wurde er in Münster promoviert. Dazwischen lag natürlich die Entscheidung, das faszinierende Fach Neues Testament auch in wissenschaftlicher Hinsicht als Herausforderung anzunehmen – aber dies nicht als Alternative zur kirchlich-theologischen Aufgabe, denn es folgte zunächst eine pfarramtliche Tätigkeit, von der zu Beginn ja nicht abzusehen war, daß sie bald durch ein Angebot, am Neutestamentlichen Seminar in Münster als Wissenschaftlicher Assistent zu arbeiten, abgelöst wurde. Neugier war, wenn ich recht sehe, schon damals eine wesentliche Triebfeder im Handeln von Jens-W. Taeger. Schon die ungewöhnlichen Stationen des Studiums, Genf, Berlin, Zürich und Münster, zeigen das. Neugier hat ihn auch aufnahmefähig gemacht für vieles, was er von seinen Lehrern gelernt hat, und im Rückblick wundert er sich selbst, wie es möglich war, ohne all die heute üblichen Methoden- und Arbeitsbücher, einfach durch die Anleitung des Lehrers im Proseminar die Fähigkeit und die Freude am Umgang mit den Texten zu erwerben. 3 Ein Stück Neugier ist sicher auch darin zu sehen, sich dem Thema der Offenbarung, dem letzten Buch des neutestamentlichen Kanons, zuzuwenden. War die Wahl des Dissertationsthemas über das Verständnis des Menschen bei Lukas noch eher im Rahmen des damals Gängigen, so verließ Taeger mit der Habilitation über die Lebenswasserworte im Johannesevangelium und der Johannesoffenbarung endgültig ausgetretene Pfade und schwamm auch mutig gegen den mainstream der Forschung. Im Johannesevangelium bzw. der Theologie des johanneischen Kreises faszinierte ihn die Eschatologie dieser Gruppe, die ja innerhalb der frühchristlichen Minderheit ihrerseits eine Minderheit darstellte; und dann war es dieser in vieler Hinsicht sperrige Nonkonformist, der Verfasser der Offenbarung, der Jens-W. Taeger regelrecht in seinen Bann gezogen hatte, ein Autor, der wort- und bildgewaltig vor allen faulen Kompromissen und jeder noch so verlockenden Anpassung an die Machtstrukturen dieser Welt warnte. Und trotz der auffälligen Unterschiede sah Taeger, gegen den damaligen Konsens der kritischen Forschung, der er ja selbst angehörte, zwischen der im engeren Sinne johanneischen Literatur und der Offenbarung eine untergründige Beziehung und bestimmte sie im Verhältnis zum 4. Evangelium als „tritojohanneisch“. Innerer Kompaß war für ihn gleichwohl die paulinische Kreuzestheologie und die sich daraus ergebende Sicht des Menschen, trotz der wechselseitigen Spannungen, die zu Lukas und auch zu Offenbarung bestanden. Allerdings: Jens-W. Taeger blieb nicht in Münster, sondern sein Horizont weitete sich, wie z.Zt. des Studiums, so auch nach der Habilitation. Von 1986–1989 war er an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Uni3

TAEGER, Wissenschaft (s.o. Anm. 2), 377.

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versität Aachen und der Justus-Liebig-Universität in Gießen jeweils mit befristeten Aufgaben betraut, dann ab 1989 unbefristet als Professor an der RWTH Aachen tätig, jeweils damit beauftragt, Bibelwissenschaften mit Schwerpunkt Neues Testament zu lehren. Das waren keine klassischen theologischen Fakultäten, es ging um die Ausbildung von Lehramtsstudierenden, auch von künftigen Berufsschullehrern, und – besonders interessant für ihn – auch um allgemeinbildende Studienangebote für völlig fachfremde Studierende. In diesen Zusammenhängen Exegese, Arbeit am Text, als theologische Entdeckungsreise zu vermitteln, das war eine Herausforderung, der er sich mit Begeisterung stellte. Und das ging weit über das Pflichtgemäße hinaus, so wenn er als theologischer Leiter und Dozent einen dreijährigen Kurs der „Laien-Universität“ der Erwachsenenbildung der Ev. Kirche des Rheinlandes mitinitiierte. 4 Neugier auf die dabei sich ergebenden oft unerwarteten Begegnungen war für ihn kennzeichnend. Das galt nicht nur innerhalb der eigenen Wissenschaft. Ob es die kalbenden Gletscher in Patagonien oder die imposanten Ruinen von Palmyra in der syrischen Wüste waren, die ehemaligen Homelands in Südafrika oder der Norden Alaskas, immer war er offen für Neues, gespannt darauf, Unerwartetes zu erleben. Die Weite des Horizonts zeigte sich auch, als er in Münster den Lehrstuhl übernahm, den zuvor Günter Klein innehatte, bei dem er selbst Wissenschaftlicher Mitarbeiter gewesen war, wo er promoviert wurde und sich dann auch habilitiert hatte. Mit Energie widmete er sich den neuen Aufgaben und suchte dabei gezielt den Dialog mit den Kollegen, den Mitarbeitern und den Studierenden. Sein Ziel war es dabei, im Doktorandenkolloquium und in vielen Seminaren, Übungen und begleitenden Gesprächen die Studierenden wie auch die Doktorandinnen und Doktoranden zu selbständigem Umgang mit den Texten des Neuen Testaments zu befähigen, und er war bereit, sie auf den Entdeckungsreisen, die man dabei machen kann, geduldig zu begleiten. Und so rief er nicht nur das Doktorandenkolloquium als exegetische Experimentierwerkstatt ins Leben, er beteiligte sich auch gern an interdisziplinären Lehrveranstaltungen mit Kolleginnen und Kollegen sowohl der Evangelisch-, wie auch der Katholisch-Theologischen Fakultät. Dabei verteidigte er das Recht engagierter Exegese, etwa materialistischer, feministischer oder literaturwissenschaftlicher Ansätze. Das einzige, was er konsequent ablehnt war das, was er die „kulinarische Exegese“ nannte. Diese beschrieb er mit der ihm eigenen Ironie als Verfahren, die Texte „zurechtzumachen und zu würzen, bis sie munden, sie sich einzuverleiben und an4

Dazu vgl. die erhellenden Ausführungen bei TAEGER, Wissenschaft (s.o. Anm. 2), 379–381.

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Dietrich-Alex Koch

zuverwandeln, bis oder soweit sie einem schmecken, [...] sich herauszupicken, was gefällt. [...] Täte man das, betröge man sich und andere um das Neue Testament.“ 5 Innerer Kompaß dabei war für Jens-W. Taeger die historisch-kritische Methode, bzw. das Methodenbündel, das man abgekürzt darunter zusammenfaßt. Und für ihn war gerade die kritische Methode engagierte Exegese, engagiert für den Text, gegen alle Vereinnahmungen, durch wen auch immer, und gegen alle Versuche, die verändernde Kraft dieser Texte stillzustellen. Genau deshalb konnte er seinen eigenen Fachkollegen auch einige kritische Sätze ins Stammbuch schreiben: „Über längere Zeit hat sie [die neutestamentliche Wissenschaft] [...] zu gering von sich gedacht, sich immer seltener auf ihre ureigene theologische Dimension besonnen und sich statt dessen viel zu eilfertig dorthin zurückgezogen, wo sie einige Vertreter und erst recht andere Disziplinen der Theologie ohnehin am liebsten sehen, auf das Feld des (nur) Historischen und des (nur) Literarischen.“ 6

Die Verantwortung für die Vertretung der neutestamentlichen Wissenschaft im Konzert der theologischen Disziplinen insgesamt hat er dabei nicht nur gefordert, sondern selbst praktiziert, indem er von 1996 bis 2002 Sprecher der Fachgruppe Neues Testament in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie und damit Mitglied in deren Vorstand war. Das Engagement für die Sache des Textes bedeutete für ihn zugleich, auch die homiletische Verantwortung, die sich aus einer am Gegenstand orientierten Begegnung mit dem Neuen Testament ergibt, ernst zu nehmen. Seinen autobiographischen Rückblick beschloß er nicht zufällig mit Überlegungen gerade zu dieser Seite eines verantwortlichen Umgangs mit dem Neuen Testament: „Unsere Lehrer haben uns gelegentlich gesagt, der Prozess der Auslegung neutestamentlicher Texte sei zum Ziel gekommen, wenn der Text zur Predigt nötige. Damit sollte (ohne jede Frömmelei) festgehalten werden, die Auslegung sei der ‚Sache‘ der Texte verpflichtet. Wie diese pauschale Aussage auch im Einzelnen zu entfalten sein mag, ich denke, die neutestamentliche Wissenschaft nimmt ihre Aufgabe als theologische Disziplin wahr, wenn sie nicht nur beharrlich an den Ursprung des Christentums erinnert und dessen Grundurkunde nach allen Regeln der Kunst erklärt, sondern auch den reformatorischen Grundsatz sola scriptura von einem bloß behaupteten zu einem immer wieder plausiblen werden lässt und schließlich – ja, das auch – den dazu Berufenen und Befähigten Lust zur Predigt macht.“ 7

5 J.-W. TAEGER/S. SCHEWE, Neues Testament, in: W. Marhold/B. Schröder (Hg.), Evangelische Theologie studieren, Münsteraner Einführungen: Theologie 2, Münster 2001, 63–79, dort 73. 6 TAEGER, Wissenschaft (s.o. Anm. 2), 376. 7 TAEGER, Wissenschaft (s.o. Anm. 2), 382.

Jens-W. Taeger als Neutestamentler und Theologe

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Diese „Lust zur Predigt“ hat ihn auch selbst bestimmt, und wer seine Predigten gehört hat, wird sich an eindrückliche Begegnungen mit der Sache des Textes erinnern. Daher bildet, zusammen mit den von ihm verfaßten Predigtexegesen, bewußt eine Predigt zu einem Text aus der Offenbarung den Abschluß dieser Aufsatzsammlung. 8

8 Eine umfangreichere Sammlung von Predigten wird bei Vandenhoeck & Ruprecht unipress erscheinen.

Die Apokalypse – eine fulminante Streitschrift unter Einfluss des johanneischen Gemeindeverbandes Jens-W. Taegers Beitrag zur Erforschung der Apk und der joh Theologieentwicklung von Martin Karrer (Wuppertal)

Da „die Frage nach dem ‚Material‘“ des Apk-Autors nur zu oft „die nach dem daraus geformten Entwurf und seiner Theologie überlagert, schiene mir demgegenüber die Ermutigung angebracht, sich noch stärker als bisher dem ‚Christianum‘ zuzuwenden.“ So schloss der früh verstorbene Jens-W. Taeger, den dieser Band ehrt, seinen ersten Beitrag zur Apk1 und formulierte sein entscheidendes Interesse: Welchen Ort nimmt die Apk im frühen Christentum ein, und welchen theologischen Akzent setzt sie dort? Die Vorgaben, unter denen Taeger seine Forschung begann, sind schnell benannt: Seit bald einem Jahrhundert herrschte die durch eine Notiz des Irenäus 2 angeregte Datierung der Apk auf die domitianische Zeit und war doch brüchig. 3 Die einstige literarkritische Auflösung der Apk 4 war obsolet geworden, indes ein literarisches Wachstum zu ihrer vorfindlichen, klaren literarischen Struktur nach wie vor nicht ausgeschlossen.5 Theologisch schließlich schwankte die Forschung zwischen einer Abwehr johanneischer

1 J.-W. TAEGER, Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes, VF 29, 1984, 50–75, 74 (in diesem Bd. S. 57). 2 Irenäus, haer. V 30,3; vgl. Euseb, hist. eccl. III 18,1–4; V 8,6. 3 Zugunsten einer Frühdatierung (68/69; bevorzugt im 19. Jh., z.B. bei F. ENGELS, Das Buch der Offenbarung, MEW 21, 1962, 9–15) plädierte A.A. BELL, The Date of John’s Apocalypse. The Evidence of Some Roman Historians Reconsidered, NTS 25, 1979, 93–102 (danach bes. J.C. WILSON, The Problem of the Domitianic Date of Revelation, NTS 39, 1993, 587–605); eine Spätdatierung (jüngste Schicht der Apk mit den Sendschreiben erst um 110) erwog dagegen H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 93f u.ö. 4 Mit ihrem Höhepunkt bei F. SPITTA, Die Offenbarung des Johannes, Halle 1889. 5 International legte eine U. VANNI, La struttura letteraria dell’Apocalisse, Aloi. 8, Rom 1971 eine bes. wichtige Arbeit über die literarische Struktur der Apk vor. Inzwischen lehnt H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997 zwar alle literarkritischen und Quellenthesen zur Apk ab (auch zu 11,1f und Kap. 12: 243, 276–299), doch ist fraglich, ob sich das durchsetzen kann.

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Martin Karrer

Bezüge der Apk und ihrer Einordnung in eine größere, johanneische oder johanneisch beeinflusste Theologieentwicklung. 6 Taeger gab unter diesen drei Komponenten der innerjohanneischen Entwicklung den Vorrang. Das führte ihn in ein überaus komplexes Diskussionsfeld. Die heute gelegentlich vertretene (unwahrscheinliche) Frühdatierung des Joh (bzw. seines Grundbestandes) 7 spielte noch keine Rolle. Aber G. Strecker eröffnete 1986 die neue und bis heute unabgeschlossene Debatte über die Anordnung der Johannesbriefe im Verhältnis zum Evangelium.8 Taeger hielt gegen ihn an der Auffassung fest, die Johannesbriefe seien spät (vergleichbar der Redaktion des Evangeliums) und die kleinen Briefe nach dem 1Joh entstanden, 9 nur die kanonische Abfolge zwischen 2 und 3Joh sei fraglich. 10 Mit einer markanten These über die Auseinandersetzung zwischen Diotrephes und dem Presbyter des 3Joh mischte er sich 1987 in die theologische Erörterung ein. 11 Diotrephes und der Presbyter gehörten nicht (wie mehrheitlich vermutet) unterschiedlichen kirchlichen Richtungen an (Diotrephes als Vertreter des Episkopats o.ä.), sondern beide dem johanneischen Gemeindeverband. Diotrephes aber vertrete innerhalb dieses Kreises eine konservative Position, die die vom Geist geleitete Gemeinde hoch hält, während der Presbyter auf persönliche Autorität setze, um den Bestand der joh Gemeinden in einer Krise zu sichern. So gelesen, treibt nicht Diotrephes die Geschichte voran (er ist, das braucht kaum gesagt zu werden, kein Ver6 Nur Spuren johanneischer Traditionen mochte E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Quest for the Johannine School: The Apocalypse and the Fourth Gospel, NTS 23, 1977, 402–427 ausmachen. O. BÖCHER dagegen erwog in mehreren Beiträgen einen Schul- oder Theologie-Zusammenhang (Das Verhältnis der Apokalypse des Johannes zum Evangelium des Johannes, in: J. Lambrecht [Hg.], L’Apocalypse johannique et l’apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Leuven 1980, 289–301; Johanneisches in der Apokalypse des Johannes [1981], in: DERS., Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, Neukirchen 1983, 1–12; Die JohannesApokalypse, EdF 41, Darmstadt 41998 [11975], 29–35). Die wichtigste Materialsammlung und Erörterung zur Frage in der Folgezeit neben J.-W. Taeger legte J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum (in: M. HENGEL, Die johanneische Frage: ein Lösungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 67, Tübingen 1993) vor. 7 Vgl. K. BERGER, Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums, Gütersloh 22003 und die Diskussionsbeiträge in P. Hofrichter/P. Anderson (Hg.), Für und Wider die Priorität des Johannesevangeliums. Symposion in Salzburg am 10. März 2000, Theologische Texte und Studien 9, Hildesheim 2002. 8 G. STRECKER, Die Anfänge der johanneischen Schule, NTS 32, 1986, 31–47; vgl. DERS., Die Johannesbriefe, KEK 14, Göttingen 1989. 9 J.-W. TAEGER, Der konservative Rebell. Zum Widerstand des Diotrephes gegen den Presbyter, ZNW 78, 1987, 267–287, 272 mit Anm. 27 (in diesem Bd. S. 64); vgl. DERS., Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, Berlin/New York 1989, 18f und 9 Anm. 48. 10 TAEGER, Rebell (s.o. Anm. 9), 272 mit Anm. 28 (= S. 64). 11 TAEGER, Rebell (s.o. Anm. 9), passim.

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treter des Episkopats), sondern der Autor des 3Joh, ein Johanneer, der sich die Bezeichnung „der Älteste“ zulegt, um die Funktion des ehrwürdigen Hauptes des joh Gemeindeverbandes auszuüben (ohne dass er selbst der langjährige Leiter des Kreises wäre).12 Er trägt gegen die „Rebellion des konservativen Johanneers Diotrephes und seiner Anhänger“ den Sieg davon. 13 Taegers These wurde nicht zum Mainstream der Forschung. Gewiss hat die späte Datierung und Verbindung der Johannesbriefe untereinander nach wie vor gute Gründe für sich und ist das alte Schema, den Konflikt des 3Joh mit der Durchsetzung der Großkirche zu verbinden, durch die Einsicht in frühchristliche Kommunikationsstörungen abzulösen. 14 Doch hält sich in der Forschung mehrheitlich die Auffassung, der Presbyter sei der joh Purist und Diotrephes Vertreter einer starken Hand mit persönlicher Autorität, erwachsen etwa aus seiner Position als Hausvorstand (was den Anachronismus der Episkopatsthese erspart). 15 Sichtbar wird die große Schwierigkeit, ein klares, konsensfähiges Bild über die joh Gemeindegeschichte zu erstellen, eine Schwierigkeit, die durch die wachsende Aufmerksamkeit für die selbstreferentielle Konstruktion von Gegnern in der joh Literatur 16 in jüngster Zeit nochmals wächst. Der Anregung Taegers, eingefahrene Ansichten über die johanneische Gemeindegeschichte kritisch zu überdenken, nimmt das nichts von ihrem Wert. In seiner Habilitationsschrift 17 ordnete Taeger die Apk gleichfalls einem jungen geschichtlichen Stadium zu. Er untersuchte schwerpunktmäßig die Entwicklung der Thematik vom Lebenswasser, die in Israel breit vorbereitet ist (Jer 2,13; 17,13; Ps 36,10; Jes 49,10; vgl. 1QH VIII 4ff; OdSal 6; 11; 30) und doch spezifische Zusammenhänge zwischen Joh (4,10.13f; 7,37–39) und Apk (7,16f; 21,6; 22,1.17) zu erwägen erlaubt. Da die sachlichen Berührungen zwischen der Apk und dem Joh durch gravierende sprachliche Differenzen überlagert werden, sah er sich zum Schluss veranlasst, die Apk gehöre zur „Nachgeschichte der johanneischen Worte“. 18 Seine These über das Christianum der Apk nahm Konturen an: Die Apk stellt sich ihm als ein überaus wesentlicher Zeuge christlicher Theologie im frühen 2. Jh. dar, 12

TAEGER, Rebell (s.o. Anm. 9), 287 mit Anm. 90 (= S. 78f). TAEGER, Rebell (s.o. Anm. 9), 287 (= S. 79). 14 S. z.B. H.-J. KLAUCK, Der zweite und dritte Johannesbrief, EKK 23/2, Zürich/NeukirchenVluyn 1992, 23. 15 Vgl. z.B. KLAUCK a.a.O. (Anm. 8) 109f u.ö. und J. BEUTLER, Die Johannesbriefe, RNT, Regensburg 2000, 171–174. 16 S. z.B. H. SCHMID, Gegner im 1. Johannesbrief? Zu Konstruktion und Selbstreferenz im johanneischen Sinnsystem, BWANT 159, Stuttgart 2002. 17 J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis, 1986, veröffentlicht 1989 (s. Anm. 9). 18 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 17), 85[ff]. 13

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näherhin als Zeuge für die Spät- oder besser Nachgeschichte des joh Gemeindeverbandes. Die gravierende Konsequenz für die zeitliche Ansetzung der Apk – sie konnte nicht mehr unter Domitian entstanden sein, sondern passte frühestens in trajanische Zeit 19 – machte Taeger zum Bahnbrecher für die Spätdatierung der Apk, die sich inzwischen weiter verbreitet. 20 Taeger war bewusst, dass er die Argumentationsbasis verbreitern musste; denn die These, dass Joh und Apk am Ende des 1. Jh. parallel aufgegriffene Tradition verschieden fortentwickelt hätten, blieb eine relevante Alternative. 21 Er weitete die Betrachtung deshalb schon in seiner Habilitationsschrift auf die Eschatologie aus (deren komplexe Eigenheiten um Chiliasmus und himmlisches Jerusalem sich allerdings schwerlich „deuterojohanneisch“ einfügen) 22 und verwies weiterhin auf die Logos-Motivik und die Rolle des nika`n (Siegens) in der joh Literatur. 23 Die Logos-Motivik verfolgte er nicht weiter; anderweitig wird Apk 19,13 aber wegen der Tendenz, lovgo~ als Namen zu gebrauchen, heute einem johanneischen Soziolekt zugeschrieben (unbeschadet des inhaltlichen Zwiespaltes zu Joh 1,1). 24 Taeger konzentrierte sich auf das Motiv des nika`n und widmete ihm einen eigenen wichtigen Aufsatz: 25 Das Verb findet sich jenseits der joh Literatur (Joh, 1Joh; nicht 2/3Joh) und der Apk nur selten im Neuen Testament. 26 Im Joh trägt es einen christologischen (Joh 16,33), im 1 Joh bes. einen ekklesiologisch-ethischen Ton (1Joh 2,13f; 4,4; 5,4f). Die Apk aber verbindet beide Akzente unter Berührung zu einer Traditionsentwicklung in apokalyptischer Literatur (vgl. 4Esr 7,127f nach 7,90ff) im „Gedanken, daß der Sieg Christi im Sieg der Glaubenden fortwirkt.“ Für Taeger liegt auf der

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TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 17), 20–22, 204f. S. etwa die Rezeption Taegers bei FREY, Erwägungen (s.o. Anm. 6), 427 mit Anm. 530f trotz dessen teils scharfer Kritik an Einzelargumenten (Erwägungen, 413f.416). Vgl. Anm. 51. 21 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 17), 20 verband diese These vor allem mit O. Böcher (s. Anm. 6). 22 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 17), 120–205 (Zitat 204 u.ö.). Wieder hängt das Problem nicht alleine an der Apk, sondern auch an der Einschätzung der anderen joh Texte, so der Zuordnung von Joh 5,28f zur Redaktion des Joh und der Bewertung von 1Joh 4,17 als einziger Gerichts-Stelle der Joh-Briefe (bes. 180–185). Den Stand der Diskussion um die Vorstellung des Himmels und der Eschatologie der Apk spiegeln Beiträge im eben erscheinenden JBTh 20 (2005): „Der Himmel“, hg. v. D. Sattler und S. Vollenweider (bes. die Beiträge dort von M. FRENSCHKOWSKI, J. FREY und M. KARRER). 23 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 17), 206–212. 24 Bekanntlich setzt Apk 19 nicht bei der ajrchv ein, sondern formuliert eschatologisch-richtend. Zur Soziolekt-These s. G. SEGALLA, Gesù Cristo, ho logos: un socioletto della comunità giovannea, in: E. Bosetti/A. Colacrai/C.M. Martini (Hg.), Apokalypsis. Percorsi nell’Apocalisse di Giovanni (FS U. Vanni), Assisi 2005, 245–255. 25 J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85, 1994, 23–46 (in diesem Bd. S. 81–104). 26 Einmal bei Lk (11,22) und dreimal bei Paulus (ausschließlich Röm: 3,4; 12,21bis). 20

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Hand, dass diese „Sicht [...] im Wirkungsbereich des johanneischen Christentums entstanden sein (wird)“. 27 Taegers weite Auffassung über die Ausstrahlungen des johanneischen Gemeindebereichs gestattet der Apk neben den johanneischen Gemeinsamkeiten auch unjohanneische Eigenheiten, etwa die kollektive Rezeption von Ps 2 in einem der Siegersprüche (Apk 2,26f), die sich nicht nur in der joh Literatur, sondern im ganzen Neuen Testament einzigartig darstellt, 28 und das Bild des ersten, siegreich triumphierenden Reiters in Apk 6,2. 29 Letzteres führt uns unversehens zu einem nächsten Thema. Taeger entschied sich in seinem 1994 erschienenen Beitrag, diesen ersten apokalyptischen Reiter mit fast der ganzen neueren Exegese kritisch, „in der Art des erbarmungslosen Antichrists“ 30 zu lesen. Zu dieser Zeit hatte M. Bachmann freilich bereits begonnen, die altkirchlich-mittelalterliche Auslegung von Apk 6,2 zu erneuern, die den Reiter auf Christus verweisen sah. 31 Würde man diese Kombination in der Nachwirkung des joh Gedankenfeldes einfügen, gewönne der joh Sieg Christi über den Kosmos (Joh 16,33) Züge eines gewagten Triumphes. J. Herzer beschleunigte den Forschungswandel aus anderem Blickwinkel. 32 Taeger wog darauf die Argumente (die Hervorhebung des ersten Reiters durch die weiße Farbe, sein von vornherein siegreiches Auftreten, sein Tragen des Bogens, ohne ihn zu handhaben etc.), verweigerte sich 1999 der christologischen Interpretation, korrigierte seine Auffassung jedoch zugunsten einer mittleren Linie: Der erste Reiter verkörpere das unaufhaltsam wirksame „endzeitliche(n) [...] Handeln(s) Gottes [...], das der Sieger Christus inauguriert, der nicht dieser erfolgreiche Reiter ist, [...] ihn jedoch als der zur Öffnung des versiegelten Buches allein Würdige auf den Weg gebracht hat“. 33 Taegers Kompromiss verlangt in der 27 TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 25), 42 (beide Zitate [in diesem Bd. S. 100]) und passim (zu Joh und 1Joh: 25–33 [= S. 83–91], zu 4Esr: 35 [= S. 93]). 28 Die Diskussion zu Ps 2 und seiner Rezeption wird intensiv geführt; Lit. bei D. Sänger (Hg.), Gottessohn und Menschensohn. Exegetische Studien zu zwei Paradigmen biblischer Intertextualität, BThSt 67, Neukirchen-Vluyn 2004. 29 Zur Rezeption im Fortgang der Apk-Forschung s. etwa K. SCHOLTISSEK, „Mitteilhaber an der Bedrängnis, der Königsherrschaft und der Ausdauer in Jesus“ (Offb 1,9). Partizipatorische Ethik in der Offenbarung des Johannes, in: K. Backhaus (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 172–207, bes. 192f (mit Anm. 100f). 30 TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 25), 46 (= S. 104). 31 M. BACHMANN, Die apokalyptischen Reiter. Dürers Holzschnitt und die Auslegungsgeschichte von Apk 6,1–8, ZThK 86, 1989, 33–58 nach DERS., Der erste apokalyptische Reiter und die Anlage des letzten Buches der Bibel, Bib. 67, 1986, 240–275; seine Argumente verstärkte Bachmann in: Noch ein Blick auf den ersten apokalyptischen Reiter (von Apk 6.1–2), NTS 44, 1998, 257–278. 32 J. HERZER, Der erste apokalyptische Reiter und der König der Könige. Ein Beitrag zur Christologie der Johannesapokalypse, NTS 45, 1999, 230–250. 33 J.-W. TAEGER, Hell oder dunkel? Zur neueren Debatte um die Auslegung des ersten apokalyptischen Reiters, in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Ge-

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fortdauernden, inzwischen in manchem fast verworrenen Debatte Beachtung. 34 Vom Detail zum Gesamtbild geleitet uns der Aufsatz von 1994 mit der programmatischen Überschrift „Eine fulminante Streitschrift.“35 Kurz zuvor hatte L.L. Thompson das Dilemma der herkömmlichen domitianischen Datierung der Apk öffentlichkeitswirksam aufgedeckt: Da keine umfassende Christenverfolgung Domitians feststellbar und seine Regierung überhaupt besser als früher zu bewerten ist, fällt die Herrschaftskritik der Apk bei ihrer Datierung unter Domitian unter schärfsten Ideologieverdacht.36 Das Problem lässt sich durch die Relevanz des Herrscherkultes 37 und die Erwartung künftiger Martyrien abfedern. Aber ein „Legitimationsnotstand“ für die Forderung der Apk, aus der Welt auszuziehen (prägnant 18,4), dauert an. H.-J. Klauck sah in dieser Begründungslücke eine Wurzel für die „Wahl der apokalyptisch-visionären Form“. 38 Taeger konnte das Problem noch pointierter angehen: Die Apk fällt frühestens unter die Herrschaft Trajans, unter dem sich die Situation zuspitzt (und den nebenbei das Trajaneum in Pergamon ehrt, ein guter Anwärter für den „Thron des Satans“ aus Apk 2,13). 39 Trotzdem veranlasst den Seher nicht die konkrete Lage der christlichen Gemeinden zu seiner Schärfe, 40 sondern eine theologische Entscheidung. Er vertritt die Überzeugung, das Imperium verdanke sich dem Drachen. Es sei satanisch (Apk 13 folgt auf Apk 12), wie viel auch immer es an Koexistenz in der Realität erlaube. Weil der „Antagonismus schichte (FS J. Becker), Berlin/New York, 1999, 369–389, 387 (in diesem Bd. S. 154f; Zitat dort teilweise hervorgehoben). 34 Keinen rechten Fortschritt bedeutet M.-E. HERGHELEGIU, Siehe, er kommt mit den Wolken! Studien zur Christologie der Johannesoffenbarung, EHS.T 785, Frankfurt a.M. 2004, 176–186 (Verweis auf Taeger 178.182, doch Bevorzugung einer Deutung als „Metapher des messianischen Krieges und [...] messianischen Sieges“). 35 J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: W. Kurz/R. Lächle/G. Schmalenberg (Hg.), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS M. Greschat), Gießen, 1994, 293–311 (in diesem Bd. S. 105–120). Erwachsen ist dieser Aufsatz aus einem Vortrag an der Universität Aachen 1993 (Vgl. 295 Anm. 10 [= S. 106]). 36 L.L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York/Oxford 1990. 37 Betont etwa von K. WENGST, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit. Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus und im Urchristentum, München 1986, 151. 38 H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib. 73, 1992, 153–182 (Zitat 181). TAEGER rezipiert Klauck auch in späteren Beiträgen, bes. in dem Aufsatz: Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 187–204, 201 (in diesem Bd. S. 134f). 39 Vgl. TAEGER, Streitschrift (s.o. Anm. 35), 300 (= S. 111). 40 Diese Lage wird in den Sendschreiben differenziert betrachtet (Streitschrift [s.o. Anm. 35], 297–303 [= S. 108–113). Zusätzliche Aufmerksamkeit verdiente dabei die Auseinandersetzung mit der Synagoge, d.h. die Israelthematik (vgl. etwas später P. HIRSCHBERG, Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der Johannesoffenbarung, WMANT 84, Neukirchen-Vluyn 1999, 31–127).

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von Gemeinde und Weltmacht [...] den fundamentalen Gegensatz zwischen Gott und Satan abbildet“, verbietet sich „jede Möglichkeit friedlicher Koexistenz“, 41 wird die Apk zu einer „fulminante(n) Streitschrift“ gegen jedes Arrangement mit der Welt. 42 Diese These Taegers besticht durch ihre theologische Konsequenz und schlägt – ohne dass Taeger dem seine Aufmerksamkeit zuwendet – eine wesentliche Brücke zur harten Beurteilung des Kosmos in Joh 12,31; 14,30; 16,11 (wobei jedoch das Joh keinen „combat myth“ wie in Apk 12 artikuliert; 43 die Berührungen zum Joh werden stets von Differenzen durchkreuzt). Gleichzeitig wird von Taeger klar zwischen dem Streit der Apk mit dem römischen Imperium und der Position des Paulus unterschieden, der unbeschadet der prekären Herrschaft Neros Röm 13,1–7 formulierte; nicht das Imperium wandelt sich – so Taeger – zwischen Paulus und der Apk, sondern die theologische Position. 44 In Anbetracht dessen aktualisiert Taeger 1998 die alte Debatte über den Antipaulinismus der Apk, die im Verschweigen des Namens Pauli sowie dem Bau des himmlischen Jerusalem auf die 12 Apostel Apk 21,14 (ohne Berücksichtigung Pauli) ihre klassischen Anhaltspunkte besitzt. 45 Taeger findet in der Apk paulinische Traditionen (angefangen bei der brieflichen Rahmung bis hin zur Vorstellung der Gemeinde als Braut) ebenso wie die Spuren eines Paulinismus in den von der Apk kritisierten Erscheinungen, 46 beides indes überlagert von der grundlegenden Differenz, dass die Apk „den Auszug aus der Welt zu verlangen (scheint), den Paulus in 1Kor 5,9f als Missverständnis abweist“.47 Jahrzehnte nach Paulus bilden die Past ein exponiertes Gegenüber (Tit 3,1; 1Tim 2,2). Das Weltverhältnis ihres Paulinismus und das der Apk sind nicht kompatibel. Eine theologische Differenz bricht auf, die die Apk nicht 41

Beide Zitate aus TAEGER, Streitschrift (s.o. Anm. 35), 310 (= S. 119). Vgl. TAEGER, Streitschrift (s.o. Anm. 35), 293.311 (= S. 105.119f). Das Titelmotiv der „fulminante(n) Streitschrift gegen ein herrschendes System“ entnimmt Taeger dabei dem Leitkommentar des 20. Jh., W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 1966 (= 61966), 137. 43 Der „combat myth“ in Apk 12 (ein Terminus, den A. YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, HDR 9, Missoula, Mont. 1976 in der Apk-Forschung populär machte) bildet bis in jüngste Zeit ein wesentliches Kriterium für ihre Zuweisung zur apokalyptischen Form gegen die (übrige?) joh Literatur; Stand der Gattungsdiskussion bei B. McGinn/J.J. Collins/S.S. Stein (Hg.), The Continuum History of Apocalypticism, New York 2003 (Einleitung durch die Herausgeber IX–XV, zur Apk YARBRO COLLINS 195–217 [Lit.]). 44 TAEGER, Streitschrift (s.o. Anm. 35), 308f mit Anm. 57 (= S. 118). 45 Die Debatte bricht seit F.C. BAUR, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, Tübingen 21860, 80–83 immer wieder auf, verläuft allerdings in der Regel in der Forschung untergründig. 46 Man vgl. z.B. den Heilsenthusiamus von Apk 3,17 und 1Kor 4,8; soweit s. TAEGER, Schweigen (s.o. Anm. 38), 189–195 und 195–198 (= S. 123–129 und 129–132). 47 TAEGER (s.o. Anm. 38), Schweigen, 201 (= S. 135). 42

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überspielt; sie schweigt begründet, nämlich als Ausweis ihrer Distanz, von der Person des Paulus. Der Plausibilität dieser Beobachtung kann sich ein Leser schwer entziehen. Wie immer wir die Apk datieren – nach wie vor neigt die Mehrheit der Ausleger zur domitianischen Zeit 48 – und wie locker oder eng wir sie in die johanneische Gemeindeentwicklung einbinden, in Kleinasien herrscht zur Zeit der Abfassung der Apk eine spannungsreiche Dynamik, die nicht minder zur Beschäftigung mit dem Paulinismus (und mit allgemeinkirchlichen Traditionen) 49 zwingt. 50 Damit ist der letzte Diskussionsschritt vorgezeichnet, den Taeger in seinen Studien zur Apk vollzieht. Die späte Datierung der Apk und ihre Distanzierung zum kleinasiatischen Paulinismus haben um 2000 ungeachtet divergenter Positionen deutlich an Boden gewonnen.51 Indes fällt es dem mainstream der Forschung unverändert schwer, das visionäre, apokalyptische Corpus nahe beim johanneischen Denken anzusiedeln. 52 In dieser Situation versucht Taeger nochmals, den gordischen Knoten zu durchschlagen, nun mit einer neuen literarkritischen These: Er hält daran fest, dass die Apk in vielfältiger Weise „Johanneisches bewahrt oder fortentwickelt“ 53 48 S. unter den Kommentatoren z.B. D.E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52, Dallas 1997, LVI– LXX und G.K. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, Mich. 1999, 4–27, für die deutsche Diskussion K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannes-Offenbarung, in: ders., Theologie als Vision (s. Anm. 29), 10–53, hier 19. 49 Hierher gehört das komplexe Problem der eijdwlovquta. Taeger widmet sich dem in Schweigen, 196f (= S. 129f). Zum Fortgang der Forschung neben und nach ihm s. J. WEHNERT, Die Reinheit des „christlichen Gottesvolkes“ aus Juden und Heiden. Studien zum historischen und theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets, Göttingen 1997 und R. PENNA, Il caso degli „idolotiti“. Un test sulla sorte del cristianesimo da Paolo all’Apocalisse, in: FS Vanni (s. Anm. 24) 225–244. 50 Die künftige Diskussion muss die allgemeine Situation in Kleinasien (vgl. bes. P. TREBILCO, The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004 [Lit.]) ebenso berücksichtigen wie die komplexen Wirkungen des Paulus (samt Kontinuitäten: s. z.B. G. DAUTZENBERG, Die siebte Posaune. Beobachtungen zur Eschatologie und Offenbarung des Johannes in ihrem Verhältnis zur paulinischen und zur frühjüdischen Eschatologie, in: M. Ebner/B. Heininger (Hg.), Paradigmen auf dem Prüfstand, Exegese wider den Strich (FS Karlheinz Müller), NTA NF 47, Münster 2004, 1–15). 51 In Diskussionen wird inzwischen gelegentlich vorgeschlagen, Apk 13,16f ließe sich am besten unter Hadrian erklären. Dann würde die Apk (neben dem 2Petr) zur spätesten Schrift im Neuen Testament überhaupt. Vgl. dazu TH. WITULSKI, Ein neuer Ansatz zur Datierung der neutestamentlichen Johannesapokalypse, SNTU.A 30, 2005, 39–60. 52 S. paradigmatisch die Stellungnahme U.B. MÜLLERS in der Neuauflage seines Kommentars (Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 21995, 389): „Taegers Bestreben, die Offb in die innerjohanneischen Zusammenhänge einzugliedern, ist allemal interessant und anregend. Doch bleibt die Frage nach wie vor unentschieden, ob ein gesicherter Nachweis möglich ist.“ 53 Exemplarisch dafür nennt er nun (Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift, NTS 49, 2003, 176–192, 192 [in diesem Bd. S. 172]) den Dualismus der Apk, Segmente des Kosmosverständnisses (vgl. Joh 15,18f; 17,11.14f; 18,36; 1Joh 5,19) sowie die Warnung vor Fremdkulten in 1Joh 5,21 neben vergleichbaren Warnungen der Sendschreiben (zu

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und sieht das von einigen neueren Studien unterstützt.54 Gleichzeitig gerät sie durch ihre skizzierte Position einer radikalen, streitbaren Aufklärung aber in eine strikte Außenseiterrolle gegenüber den dominierenden Strömungen des Christentums ihrer Zeit (vgl. neben den Past auch 1Petr und Lk/Apg). Daraufhin autorisiere sie – schlägt Taeger vor – ein Redaktor aus dem johanneischen Bereich durch nachträgliche Vorschaltung des ungewöhnlichen Eröffnungstextes Apk 1,1–3. Dessen Aorist „Johannes bezeugte (ejmartuvrhsen), was er sah“ spiegle den Rückblick (und sei nicht, wie üblich gedeutet, Aorist des Briefstils). 55 Der Redaktor erwähne Johannes in der Mitte des Textes (am Ende von V. 1), um ihn als Mittelpunkt und höchste Autorität zu kennzeichnen. 56 Ob dies die Probleme wirklich löst, wird man fragen müssen. Johanneische Begriffe (marturei`n, threi`n) begegnen in unserem Incipit nicht minder als anderswo in der Apk in einer johanneisch querliegenden Dynamik (der auffällige Deuteengel u.a. sind joh schwer zu erklären), und die herkömmliche Rückführung von 1,1–3 auf den Autor der Apk umgeht die methodische Komplikation der literarkritischen These. Dennoch ist die Provokation produktiv. Die einst lebhafte literarkritische Diskussion um die Apk kann sich neu und mit Gewinn für die Geschichte des frühen Christentums beleben. Blicken wir zurück, treiben die Studien Taegers Schritt um Schritt eine zentrale Forschungsfrage voran: Wohin gehört die Apk in der Geschichte des frühen Christentums und welche Autorität verdient sie? Sein Herz schlägt dafür, sie unter dem Dach des späten johanneischen Christentums anzusiedeln und sich – in dieser Zuordnung – für ihre theologische Relevanz stark zu machen. Denn sie, die religiös, politisch und ökonomisch schonungslos weltkritisch aufklärt und den Streit mit staatlicher Macht wie mit dem Satan verlangt, verdient es, auf diese Weise aus ihrer theologischen Isolierung gerissen zu werden.

letzterem vgl. H.-J. KLAUCK, Der erste Johannesbrief, EKK 23/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1991, 343). 54 TAEGER, Offenbarung 1.1–3 (s.o. Anm. 53), 192 (= S. 172f). Vgl. A. HEINZE, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, BWANT 142, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, 291–354 und J.U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes. Traditionsgeschichtliche Studien zu Apokalypse 12, WMANT 93, Neukirchen-Vluyn 2001, 235– 273. 55 TAEGER, Offenbarung 1.1–3 (s.o. Anm. 53), 183 (= S. 164). 56 TAEGER, Offenbarung 1.1–3 (s.o. Anm. 53), 181 (= S. 162). Er wendet sich damit gegen andere Ausleger, die in der Apk eher einen Autoritätsverzicht des Sehers zugunsten der Christologie ausmachen (Offenbarung 1.1–3, 188 Anm. 41 [= S. 169], so z.B. M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 74).

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Der Weg, auf dem Taeger das angeht, besitzt beträchtlichen Reiz. Er lässt die Vielfalt des Christentums nach der Jahrhundertwende nicht in Segmente zerfallen, sondern weist sie (ohne Aufhebung der Vielfalt) übergreifenden Gemeindeentwicklungen zu, die sich besonders aus (nach-) johanneischen und (nach-)paulinischen Impulsen speisen. Die von ihm mit initiierte Spätdatierung der Apk löst etliche Probleme der Apk und besitzt darum die Chance, sich in der Forschung weiter zu verbreiten. Andererseits gibt es in der Schlüsselproblematik unverändert eine offene Naht: Die Apk berührt in vielen einzelnen Zügen johanneische und paulinische Literatur und steht gleichzeitig in fast ebenso vielen Zügen nicht nur paulinischen Eigenarten fern. Auch die Statik der nachjohanneischen Dachkonstruktion ist – um ein Bild zu gebrauchen – noch nicht gesichert. Jens Taeger prüfte ihre Fundamente und errichtete Streben. Für das Geleistete ist ihm sehr zu danken. Dass der Tod ihn hinderte, die Arbeit an Fundamenten und Streben noch weiter zu treiben, ist schmerzlich zu beklagen. Vielleicht würde Taeger angesichts dessen noch einmal auf die aufklärende Kraft der Apk verweisen. Christus macht, legte er in einer Meditation zu Apk 1,9–18 dar, irdisch selbst unter ärgsten Bedrängnissen frei und garantiert durch die Überwindung des Todes (1,18), „daß mit dem Ende des physischen Lebens die Beziehung zu ihm nicht abbricht“. 57 Die Apk erlaubt fulminant, nicht allein dem Leben, sondern gleichfalls dem Sterben zu begegnen.

57 Exegese zu Offb 1,9–18, in: Gottesdienstpraxis Serie A, Bd. IV/4, Gütersloh 1993, 46–48, 48 (in diesem Bd. S. 205).

Jens-W. Taeger Aufsätze

Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes

KURT ALAND, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Neuen Testament und den Aussagen des 2. Jahrhunderts, in: DERS., Neutestamentliche Entwürfe, TB 63, Chr. Kaiser München, 1979, 26–123 (vgl. DERS., Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Frühzeit, in: ANRW II 23/1, Walter de Gruyter Berlin/New York 1979, 60– 246, hier 163ff). – DERS., Das Ende der Zeiten. Über die Naherwartung im Neuen Testament und in der Alten Kirche, in: a.a.O., TB 63, 124–182. – DAVID E. AUNE, The Social Matrix of the Apocalypse of John, BR 26, 1981, 16–32. – ALBERT A. BELL JR., The Date of John’s Apocalypse. The Evidence of some Roman Historians Reconsidered, NTS 25, 1979, 93–102. – ROLAND BERGMEIER, Altes und Neues zur „Sonnenfrau am Himmel (Apk 12)“. Religionsgeschichtliche und quellenkritische Beobachtungen zu Apk 12,1–17, ZNW 73, 1982, 97–109. – OTTO BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, XVII + 154 S. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1975 (19802). – DERS., Zur Bedeutung der Edelsteine in Offb 21, in: Kirche und Bibel, FS E. Schick, Ferdinand Schöningh Paderborn/München/Wien/Zürich 1979, 19–32. – DERS., Das Verhältnis der Apokalypse des Johannes zum Evangelium des Johannes, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 289–301. – DERS., Bürger der Gottesstadt. Kirche in Zeit und Endzeit nach Apk 21f., in: Bewahren und Erneuern, FS Th. Schaller, Speyer, 1980, 69–81. – DERS., Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 310–321. – P.-M. BOGAERT, Les Apocalypses contemporaires de Baruch, d’Esdras et de Jean, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 47– 68. – MARIE ÉMILE BOISMARD, L’Apocalypse de Jean, in: A. George/P. Grelot (Hg.), Introduction à la Bible, Edition nouvelle, III/4, Desclee Paris, 1977, 13–55. – M. EUGENE BORING, The Apocalypse as Christian Prophecy: A Discussion of the Issues Raised by the Book of Revelation for the Study of Early Christian Prophecy, SBL 1974 Seminar Papers Vol. 2, 43–62. – JOHN J. COLLINS, Pseudonymity, Historical Reviews and the Genre of the Revelation of John, CBQ 39, 1977, 329–343. – JACQUES ELLUL, Apokalypse. Die Offenbarung des Johannes – Enthüllung der Wirklichkeit, VII + 263 S. Neukirchener Verlag Neukirchen-Vluyn, 1981. – KARL MARTIN FISCHER, Die Christlichkeit der Offenbarung Johannes, ThLZ 106, 1981, 165–172. – JOSEPHINE MASSYNGBERDE FORD, Revelation. Introduction, Translation and Commentary, AncB 38, XLVIII + 456 S. Doubleday & Company Garden City, New York, 1975. – DIETER GEORGI, Die Visionen vom himmlischen Jerusalem in Apk 21 und 22, in: Kirche, FS G. Bornkamm, hg. v. D. Lührmann u. G. Strecker, J.C.B. Mohr, Paul Siebeck, Tübingen, 1980, 351–372. – ALBERT GEYSER, The Twelve Tribes in Revelation. Judean and Judeo Christian Apocalypticism, NTS 28, 1982, 388–399. – LEONHARD GOPPELT, Theologie des Neuen Testaments, UTB 850, 669 S. Vanden

Zuerst veröffentlicht in: VF 29, 1984, 50–75.

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hoeck & Ruprecht Göttingen, 19783. – HANS WERNER GÜNTHER, Der Nah- und Enderwartungshorizont in der Apokalypse des heiligen Johannes, FzB 41, 315 S. Echter Verlag, Würzburg, 1980. – FERDINAND HAHN, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse. Ein Beitrag zur Bestimmung prophetischer Redeformen, in: Tradition und Glaube, FS K.G. Kuhn, hg. v. G. Jeremias, H.-W. Kuhn u. H. Stegemann, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 1971, 357–394. – DERS., Die Worte vom lebendigen Wasser im Johannesevangelium. Eigenart und Vorgeschichte von Joh 4,10.13f; 6,35; 7,37–39, in: God’s Christ and His People, FS N.A. Dahl, hg. v. J. Jervell u. W.A. Meeks, Universitetsforlaget Oslo/Bergen/Tromsö, 1977, 51–70. – DERS., Zum Aufbau der Johannesoffenbarung, in: Kirche und Bibel (FS E. Schick), Ferdinand Schöningh Paderborn/München/Wien/Zürich, 1979, 145–154. – DAVID HILL, Prophecy and Prophets in the Revelation of St John, NTS 18, 1971/72, 401–418. –NIKOLA HOHNJEC, ‚Das Lamm – to; ajrnivon‘ in der Offenbarung des Johannes. Eine exegetisch-theologische Untersuchung, 175 S. Herder Roma, 1980. – TRAUGOTT HOLTZ, Gott in der Apokalypse, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 247–265. – M. DE JONGE, The Use of the Expression oJ cristov~ in the Apocalypse of John, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 267–281. – | ERNST KÄSEMANN, Der Ruf der Freiheit, 261 S. J.C.B. Mohr, Paul Siebeck, Tübingen, 19725. – HELMUT KÖSTER, Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, GLB, XIX + 801 S. Walter de Gruyter Berlin/New York, 1980. – HEINRICH KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, 297 S. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen, 1974. – JAN LAMBRECHT, A Structuration of Revelation 4,1–22, 5, in: DERS. (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Éditions J. Duculot Gembloux/University Press Leuven, 1980, 77–104. – PETER LAMPE, Die Apokalyptiker – ihre Situation und ihr Handeln, in: Eschatologie und Friedenshandeln. Exegetische Beiträge zur Frage christlicher Friedensverantwortung, SBS 101, Katholisches Bibelwerk Stuttgart, 1981, 59–114. – EDUARD LOHSE, Der Menschensohn in der Johannesapokalypse, in: Jesus und der Menschensohn, FS A. Vögtle, hg. v. R. Pesch, R. Schnackenburg u. O. Kaiser, Herder Freiburg/Basel/Wien, 1975, 415–420. – GERHARD MAIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, IX + 676 S. J.C.B. Mohr, Paul Siebeck, Tübingen, 1981. – ULRICH B. MÜLLER, Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes, StNT 6, 230 S. Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn Gütersloh, 1972. – DERS., Prophetie und Predigt im Neuen Testament. Formgeschichtliche Untersuchungen zur urchristlichen Prophetie, StNT 10, 256 S. Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn Gütersloh, 1975. – DERS., Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n.Chr., 103 S. Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn Gütersloh, 1976. – PIERRE PRIGENT, L’Apocalypse: Exégèse historique et analyse structurale, NTS 26, 1980, 127–137. – DERS., Le temps et le Royaume dans l’Apocalypse, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 231–245. – AKIRA SATAKE, Sieg Christi – Heil der Christen. Eine Betrachtung von Apc XII, AJBI 1, 1975, 105–125. – DERS., Kirche und feindliche Welt. Zur dualistischen Auffassung der Menschenwelt in der Johannesapokalypse, in: Kirche, FS G. Bornkamm, hg. v. D. Lührmann u. G. Strecker, J.C.B. Mohr, Paul Siebeck, Tübingen, 1980, 329–349. – A.P. VAN SCHAIK, [Allo~ a[ggelo~ in Apk 14,

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in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 217–228. – HANS-MARTIN SCHENKE/KARL MARTIN FISCHER, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments II, 360 S. Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn Gütersloh, 1979. – ELISABETH SCHÜSSLER FIORENZA, The Eschatology and Composition of the Apocalypse, CBQ 30, 1968, 537–569. – DIES., Apocalyptic and Gnosis in the Book of Revelation and Paul, JBL 92, 1973, 565–581. – DIES., Religion und Politik in der Offenbarung des Johannes, in: Biblische Randbemerkungen, Schüler-FS R. Schnackenburg, hg. v. H. Merklein u. J. Lange, Echter Verlag, Würzburg, 19742, 261–272. – DIES., Redemption as Liberation: Apoc 1:5f. and 5:9f., CBQ 36, 1974, 220–232. – DIES., Composition and Structure of the Book of Revelation, CBQ 39, 1977, 344–366. – DIES., The Quest for the Johannine School: The Apocalypse and the Fourth Gospel, NTS 23, 1977, 402–427. – DIES., Apokalypsis and Propheteia. The Book of Revelation in the Context of Early Christian Prophecy, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 105–128. – SIEGFRIED SCHULZ, Die Mitte der Schrift. Der Frühkatholizismus im Neuen Testament als Herausforderung an den Protestantismus, 464 S. Kreuz Verlag Stuttgart/Berlin, 1976. – AUGUST STROBEL, Apokalypse des Johannes, in: TRE III, 1978, 174–189. – UGO VANNI, L’Apocalypse johannique. État de la question, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 21–46. – PHILIPP VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, GLB, 813 S. Walter de Gruyter Berlin/New York 1975. – ANTON VÖGTLE, Der Gott der Apokalypse, in: J. Coppens (Hg.), La Notion biblique de Dieu. Le Dieu de la Bible et le Dieu des philosophes, BEThL 41, Editions J. Duculot Gembloux/University Press Leuven, 1976, 377–398. – MAX WILCOX, Tradition and Redaction of Rev 21,9–22,5, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 205–215. – CHRISTIAN WOLFF, Die Gemeinde des Christus in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 186–197. – ADELA YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, Harvard Dissertations in Religion 9, XVI + 292 S. Scholars Press Missoula, Montana, 1976. – DIES., The Political Perspective | of the Revelation to John, JBL 96, 1977, 241–256. – DIES., Revelation 18: Taunt-Song or Dirge?, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 185–204. – DIES., Dating the Apocalypse of John, BR 26, 1981, 33–45. Nachtrag: Die Aufsätze von OTTO BÖCHER zur Offenbarung des Johannes sind jetzt zusammengefaßt in dem Band: Kirche in Zeit und Endzeit, Neukirchen, 1983.

In seinem 1963 erschienenen Forschungsbericht mußte A. FEUILLET noch beklagen, die Apokalypse des Johannes übe gegenwärtig auf die Fachexegeten einen geringeren Reiz aus als ehedem;1 doch nur gut eineinhalb Jahrzehnte später kann U. VANNI feststellen, glücklicherweise sei dies Urteil 1 A. FEUILLET, L’Apocalypse. État de la question, SN.S III, 1963, 109; er beschränkt sich auf die vier Jahrzehnte, die seit der Veröffentlichung des großen zweibändigen Kommentars von R.H. CHARLES (ICC; 1920) vergangen waren, und sichtet die Literatur von einem recht konservativen Standpunkt aus. Lesenswert sind immer noch der forschungsgeschichtliche Abschnitt in der Einleitung des Kommentars von W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, KEK XVI, 61906 (Neudruck 1966), 49–119, sowie E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes 1920–1934, ThR 6, 1934, 269–314; 7 (1935), 28–62.

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überholt, wovon sein breit angelegter und den Stand der Forschung in großen Zügen skizzierender Aufsatz beredtes Zeugnis ablegt. 2 Da dieser Beitrag sowie der TRE-Artikel A. STROBELS, der in Anm. 2 erwähnte Literaturüberblick H. KRAFTS und schließlich der von O. BÖCHER verfaßte Band in der Reihe „Erträge der Forschung“ leicht zu einer ersten Orientierung verhelfen, kann ich mich im folgenden auf Ausschnitte beschränken – das gilt für die ausgewählten Themenbereiche und die dazu herangezogene, oben genannte Literatur. O. BÖCHER stellt nach einem gezwungenermaßen knappen forschungsgeschichtlichen Längsschnitt (von 1700 an) in einem exegetischen Querschnitt zwölf Hauptprobleme der Apk (bedauerlicherweise sind die Sendschreiben Kap. 2f ausgenommen) im Spiegel von sieben Kommentaren vor (W. Bousset, R.H. Charles, E. Lohmeyer, W. Hadorn, J. Sickenberger, A. Wikenhauser, H. Kraft), jeweils abgeschlossen durch eine eigene abwägende Stellungnahme; abgerundet wird das kleine Buch durch eine 500 Titel umfassende Bibliographie, die leider in der 2. Aufl. nicht über 1974 hinaus weitergeführt wurde. Vom Ertrag der Forschung vermitteln allerdings die Kommentare kein zureichendes Bild; man tut deshalb gut daran, die vom Verfasser gegebenen Hinweise auf bedeutende Monographien und Aufsätze (23f) zu beachten und sich zusätzlich bei U. VANNI zu informieren.

1. Zur Auslegungsmethode Die Apokalypse des Johannes ist immer ein umstrittenes Buch gewesen; seine höchst wechselvolle „Geschichte ... in der christlichen Gemeinde von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (619) hat G. MAIER in exemplarischer Auswahl, doch | oft allzu großer Breite nachgezeichnet, und zwar in der Hoffnung, daraus seien auch „für den Ausleger des Neuen Testaments brauchbare Erkenntnisse und Anregungen zu gewinnen“ (Vorwort). Da das Vertrautwerden mit der Wirkungsgeschichte einer Schrift vorzüglich zur Reflexion des eigenen Vorverständnisses anleiten kann, ist diese Hoffnung insoweit begründet. Auch wer den wertenden Urteilen des Verfassers nur selten zuzustimmen vermag, wird in dem Werk, das durch die Register leicht zugänglich ist, nicht ohne Gewinn lesen. Die in einem Schlußkapitel dargebotenen „Ergebnisse und Folgerungen für die künftige ApokalypseAuslegung“ (619–624) lassen zugleich erkennen, welchen Beurteilungskri2 U. VANNI berichtet über die Forschung seit dem Erscheinen der Arbeit von Feuillet (vgl. Anm. 1). Hinzuweisen ist auch auf H. KRAFT, Zur Offenbarung des Johannes, ThR 38, 1973 (1974), 81–98, der eine Reihe (zumeist wichtiger) Kommentare und Monographien bespricht.

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terien die Ausleger in den 21 Kapiteln zuvor unterworfen werden: Die sachgemäße Deutung der Apk hat „dem geschichtlich vorwärtsschreitenden Gotteshandeln“ und damit „einem Grundanliegen“ der Apk gerecht zu werden. „So wird man – dem Gefälle der Texte selbst folgend – das heilsgeschichtliche Verständnis weiterentwickeln müssen, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“ (622f). Zu dieser Sicht findet, wer zu bestimmten „Vorentscheidungen“ (622) bereit ist, etwa mit dem Vorliegen „echter Prophetie“ in der Apk rechnet (worunter „nicht die vollmächtige Beurteilung der Gegenwart des ‚Propheten‘, sondern die göttlich bevollmächtigte Weissagung künftiger Ereignisse“ [623] zu verstehen ist) und vor allem die Überzeugung teilt, daß „die christliche Gemeinde […] auf den Versuch einer universalgeschichtlichen Schau nicht verzichten“ kann und „ihre Schau von der Geschichte unausweichlich immer wieder als Heilsgeschichte konzipieren“ wird (624). Wer sich diesem Dekret nicht fügen mag, wird auch der Forderung nach einer entsprechenden Apk-Deutung nicht ohne weiteres nachkommen wollen. Solange der Autor seine Sicht nur mit einem liebevoll herausgestellten Sektor der Wirkungsgeschichte belegt, besteht auch keine Notwendigkeit dazu. Wie viele vor ihm glaubt auch Maier, eine der Apk angeblich angemessene Deutungsweise propagieren zu müssen. Früher (und leider geschieht das bis heute) hat man diese Frage gern unter dem Stichwort der rechten „Auslegungsmethode“ erörtert (vgl. dazu BÖCHER, EdF, 1ff; GOPPELT, 511f; MAIER). Ohne Vollzähligkeit zu erstreben seien wenigstens genannt: die welt-, kirchen-, reichs-, end-, zeit-, religions-, traditionsgeschichtliche „Methode“. Wie an der Aufstellung leicht abzulesen ist, wird oft in diesem Zusammenhang nicht Vergleichbares in einen Topf geworfen; denn teils handelt es sich um im Bereich der Wissenschaft selbstverständliche, dem exegetischen Methodenfächer angehörende Fragehinsichten, teils um Deutungsweisen, die vermeintlich der auszulegenden Schrift allein adäquat sind, jedoch bestenfalls als Deutung das Ergebnis einer ApkExegese sein könnten, nicht aber bei der Auslegung anzuwendende „Methode“. Wer nach einer solchen eigens für die Apk sucht, weist damit dieser Schrift verglichen mit den anderen des neutestamentlichen Kanons eine grundsätzliche Sonderstellung zu. Die Apk fordert aber keine Spezialhermeneutik und keine nur oder vorzugsweise auf diese Schrift anzuwendende „Auslegungsmethode“. Bestünde darüber Einigkeit, wäre schon viel gewonnen.

Als Infragestellung der bisherigen Apk-Interpretation gleich welcher Provenienz ist das Werk von J. ELLUL zu verstehen, der bezeichnenderweise mit einer | Erörterung des „Methodenproblems“ einsetzt. Sofern er in der Apk nicht einfach nur ein historisches Dokument, Quellenmaterial zur Rekonstruktion einer bestimmten Phase der Kirchengeschichte oder des christlichen Denkens sehen und der gerade bei diesem Text naheliegenden Ge-

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fahr entgehen will, sich in Detailanalysen zu verlieren, kann sein Versuch von vornherein auf Interesse rechnen. ELLUL geht es „um die Frage nach dem Sinn“ (3), und weil „die klassische historisch-kritische Auslegung“ – die „nicht unnötig“ ist und deren Ergebnisse, „soweit sie genügend gesichert erscheinen“, nicht außer acht gelassen werden sollen – „wenig zur Erhellung der Sinnfrage bei(trägt)“, will er „andere, komplexere Wege“ gehen (10). Aus der Überzeugung heraus, „daß die Apokalypse des Johannes ein mit höchster Sorgfalt auf eine einzigartige, außerordentlich komplizierte Aussage hin durchkomponierter Text ist“, sie „einzig aufgrund der Bedeutung der Gesamtkomposition“ verstanden werden kann, kommt es für ELLUL darauf an, die „einzigartige Struktur zu entdecken“ (6), das „ganze Buch in seiner Bewegung und in seiner Struktur ins Auge [zu] fassen. Denn darin liegt in der Tat der Sinn, in der Beziehung der einzelnen Teile zueinander, in ihrer Abfolge und in dem in ihr angelegten inneren Fortschritt“ (9). Die Grundüberzeugung von der entscheidenden Bedeutung des Textes in seinem endgültigen Zustand und von seinem aus seiner Struktur ablesbaren Sinn teilt ELLUL mit der strukturalistischen Textinterpretation, doch weiß er sich nicht von einem Modetrend abhängig (9f Anm. 4) und beharrt gegen einige Vertreter jener Interpretation darauf, der Autor sei nicht einfach der Verfasser eines beliebigen Textes, sondern habe „etwas ganz Bestimmtes zu sagen“ (7). Es ist hier nicht der Ort, sich mit dem Strukturalismus auseinanderzusetzen, 3 der bei Ellul in einer milden Spielart begegnet. In diesem Fall genügt die Feststellung, daß das Ergebnis nicht überzeugen kann. Das gilt für die herausgearbeitete Struktur (vgl. u. S. 60ff [hier: S. 41ff]) und für die Interpretation im einzelnen, wo häufig Einfälle Argumente ersetzen und sich der Verzicht auf „das Vorgehen wissenschaftlicher Exegese“ (4) rächt. 4 Gleichwohl finden sich bei ELLUL – angeregt durch die Apk – interessante Ausführungen (z.B. zur Hoffnung [46ff] in Abgrenzung gegen J. Moltmann), die insgesamt aber mehr mit der Theologie

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Über das Recht (vgl. die behutsame Aufnahme bei E. SCHÜSSLER FIORENZA, Composition) und die Grenzen der strukturalistischen Analyse am Beispiel der Apk handelt P. PRIGENT, Exegese, und bezieht sich dabei u.a. auf J. CALLOUD, J. DELORME, J.-P. DUPLANTIER, L’Apocalypse de Jean: Propositions pour une analyse structurale, in: Apocalypses et théologie de l’espérance, Le Div 95, 1977, 351–381. Einen interessanten Versuch, textlinguistisch die ersten drei Kapitel und den Schluß der Apk zu analysieren, unternimmt L. HARTMAN, Form and Message. A Preliminary Discussion of „Partial Texts“ in Rev 1–3 and 22,6ff., in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse …, 129–149. Er arbeitet „Teiltexte“ heraus und untersucht deren Form und Funktion im Kontext. 4 Ein Beispiel soll das verdeutlichen; zu den beiden Zeugen (11,3ff) führt ELLUL aus: „es ist wohl schwer, klarer den Weg Jesu auf Erden zu beschreiben (und wir wollen die Vision doch von dem her zu verstehen suchen, was dargestellt wird, ohne uns von Nebensächlichkeiten, etwa der Zahl zwei, den Blick verstellen zu lassen). Denn in der Tat steht uns hier eine genaue Darstellung des Heilswerkes Jesu vor Augen. Die zwei Zeugen stellen mit Sicherheit die beiden Dimensionen Jesu Christi dar. Denken wir doch allein an den doppelten Namen: Jesus ist der Menschensohn, zugleich der Sohn Gottes. Die Doppelheit der beiden Personen […] erinnert uns an das, was die klassische Theologie die ,zwei Naturen‘ Jesu genannt hat“ (72).

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des Auslegers vertraut machen als zum Verständnis des Werkes des Johannes beitragen. |

Daß sich – wie auch ELLULS Versuch belegt – an der Apk immer wieder die Frage nach der angemessenen Interpretation entzündet, kommt natürlich nicht von ungefähr. In den Worten K.M. FISCHERS: „Es gehört geradezu zu dem Wesen dieses Buches, daß es sich rationalem Verstehen entzieht. Echte Wissenschaft wird die vielleicht von Anfang an gewollten Grenzen des Verstehens respektieren. In einem solchen apokalyptischen Buch soll gar nicht alles verstanden werden, sondern der Leser soll selbst dazu gereizt werden, mit den Bildern weiterzudenken und sie zu deuten“ (165). Die in der Apk – gelegentlich in sehr eigenwilligem, dissonantem Arrangement – begegnenden Bilder entfalten zweifellos eine eigene Aussagekraft, doch kann man ihrem Konstruktionsprinzip auf die Spur kommen, sie interpretieren (wie jede „Dichtung“ 5 ) – ohne sich der Illusion hinzugeben, eine Deutung könne das ihnen innewohnende Sinnpotential ausschöpfen – und braucht sich nicht den evozierten Gefühlen zu überlassen. Sicher sind die zu überwindenden Verstehensbarrieren bei der Apk besonders hoch, wird man sich hier der Abständigkeit des Textes sehr deutlich bewußt und ist die nachdrückliche Warnung vor hermeneutischer Naivität angebracht. In dieser Hinsicht kommt aber der Apk allenfalls ein gradueller, kein prinzipieller Sonderstatus zu. Das von MAIER gezogene Fazit: „Wir stellen nüchtern fest, daß dem Buche noch nicht sein ganzer Inhalt abgerungen ist“ (619), gilt ja keineswegs bloß für die Apk und ist zudem hermeneutisch eine Banalität. Umgekehrt erschöpft sich eine Apk-Auslegung nicht schon darin, nur zu sagen, „was Johannes gesagt hat und aus welchem Grund und zu welchem Zweck er es gesagt hat“ (KRAFT, ThRv 77, 1981, 470) – so sicher auch dies Ziel der Exegese ist –, und sie wird nicht einmal als Aufgabe wirklich ernst genommen, wenn der Text als Informationsquelle (beispielsweise über noch Ausstehendes) dienen soll, etwa „weil uns die Frage nach dem vaticinium mehr und mehr bedrängt“ (MAIER, Vorwort).

2. Der Kommentar von Heinrich Kraft Der neueste wissenschaftliche Kommentar in deutscher Sprache stammt von H. KRAFT. 6 Sein Interpretationsansatz läßt sich aus den folgenden, für das Verständnis dieser Auslegung entscheidenden Sätzen erschließen: „Wir können generell sagen, daß wir die Stellen nicht ausgelegt haben, in denen 5 In der von ihm zusammen mit H.-M. Schenke verfaßten Einleitung (vgl. die Literaturangaben) schreibt FISCHER: Die Apk müsse „primär als Dichtung“ verstanden werden, „die geprägte Metaphern ineinander verschlingt, ohne sie aufeinander abzustimmen. Ähnliches geschieht auch in der Lyrik“ (281f). 6 Neuere fremdsprachige Kommentare sind bei VANNI, 39f verzeichnet; zusätzlich zu erwähnen ist derjenige von P. PRIGENT, L’Apocalypse de Saint Jean, CNT[N] XIV, 1981.

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es uns nicht gelungen ist, die alttestamentliche Quelle für die apokalyptische Weissagung nachzuweisen. Der Verfasser erfindet niemals aus Eigenem; seine Weissagungen sind dadurch gerechtfertigt, daß sie der alttestamentlichen Prophetie entstammen. Er fühlt sich als Fortsetzer und abschließender Ausleger der alttestamentlichen Prophetie“ (16; vgl. z.B. 225f). Aus dem Ansatz beim vermeintlichen Selbstverständnis des Apk-Verfassers resultieren die Stärke und die Schwäche dieses Kommentars: KRAFT bie|tet eine – gut lesbare – Auslegung von erstaunlicher Geschlossenheit, aber ebensolcher Einseitigkeit, denn das Alte Testament, hier vor allem die prophetischen Bücher, fungiert nicht als ein, sondern als der sachgemäße Interpretationsrahmen. Bereits in seinem zuvor veröffentlichten Literaturüberblick hatte Kraft formuliert: „Wenn man einmal weiß, daß die Johannesapokalypse nichts sein will als Auslegung des Alten Testaments, dann wird man auch jede Erklärung und Darstellung von Einzelfragen danach beurteilen, ob sie dieser grundlegenden Beziehung hinreichend Rechnung trägt“ (ThR 38, 1973, 85; Hervorhebung von mir). Das geht über das vielzitierte Urteil A. FEUILLETS (L’Apocalypse [vgl. Anm. 1] 65) hinaus: „L’Apocalypse de saint Jean pourrait jusqu’à un certain point être définie: une relecture de l’Ancien Testament à la lumière de l’événement chrétien“ (ähnlich 86), und hat weitreichende Konsequenzen, die KRAFT an anderem Ort auch selbst nennt: In die „Kategorie ‚interessant aber belanglos‘ gehören fast alle Parallelen aus der jüdischen Apokalyptik, die nicht von Daniel verarbeitet sind, gehört das gesamte religionsgeschichtliche, gnostische und womöglich mandäische Material, gehört alles, was für Johannes nicht als Implikation atl Weissagung ableitbar und begründbar war. Um das zu begreifen, muß man nur in der Lage sein, den Unterschied zwischen einem Propheten und einem Wahrsager zu begreifen“ (ThRv 77, 1981, 470). Es ist viel, was somit als „belanglos“ für das Verständnis der Apk ausscheidet und z.B. in den Kommentaren von W. Bousset, R.H. Charles und E. Lohmeyer als durchaus belangvoll erachtet wird. Wenn Kraft Johannes in erster Linie als christlichen Propheten sieht, kann er einer gegenwärtig recht breiten Zustimmung gewiß sein (vgl. STROBEL, 176 u. S. 68f [hier: S. 50f]); ob dessen Beziehung zur alttestamentlichen Prophetie aber wirklich so eng und unmittelbar ist (20; vgl. auch D. HILL), wie er annimmt, wird man angesichts der vor und neben der Apk existierenden jüdischen und urchristlichen Apokalyptik fragen müssen, und nicht jeder wird seiner entsprechenden Verhältnisbestimmung zwischen „Prophetie“ und „Apokalyptik“ zustimmen (KRAFT, 145: in der Zeit der Apokalyptik lasse sich „eine wirkliche Grenze“ zwischen beiden „nicht angeben“, zu akzeptieren sei das „Selbstverständnis“ der Apokalyptik „als legitime Fortsetzung der Prophetie“). Zweifellos ist das Alte Testament eine „Quelle“ des Johannes, vielleicht seine wichtigste, doch kaum die einzige, und sein Umgang mit ihr läßt sich nicht einfach auf den Nenner „Auslegung“ bringen; er macht Gebrauch von ihr zur Ausformulierung seiner eigenen Botschaft. 7 Das mag man auch noch „Auslegung“ nennen, es darf aber nicht 7 Vgl. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Quest, 419; DIES., Apokalypsis, 108, jeweils gegen Krafts oben (zu Anfang des letzten Absatzes) zitierten Satz. Es überrascht etwas, wenn KRAFT andererseits –

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dazu führen, Johannes nun seinerseits strikt vom Alten Testament her auszulegen. KRAFT selbst rechnet damit, daß der Apk-Verfasser die Weissagungen der alttestamentlichen Prophetie auf seine eigenen Vorstellungen von der Endgeschichte anwendet (12; die zusammenhängende Schilderung des Ablaufs der Endereignisse sei die Absicht seines Buches [ebd.]). Es dürfte nur weniges geben, was für einen Autor nicht „als Implikation atl Weissagung ableitbar und begründbar“ (ThRv 77, 1981, 470) sein sollte, der dessen zur Legitimation seiner eigenen, wie und woher auch immer gewonnenen Einsichten bedarf und deshalb womöglich an das Alte Testament erst heranträgt, was er in ihm finden will und mit seiner Hilfe wiederum aussagt. Entsprechend bedient er sich dabei auch einer Sprache, die (womit einleuchtend das eigentümliche Griechisch 8 des Buches erklärt wird), fern davon, „Judengriechisch“ zu sein, diejenige der | alten Propheten nachahmt (15f). Außerdem paßt nicht ohne weiteres zu Krafts Sicht, was er selbst vermerkt (9; vgl. 14): Nirgendwo kommt das „prophetische“ Selbstbewußtsein des Verfassers der Apk – sieht man von wenigen verstreuten Sprüchen und dem Buchschluß ab – so stark zum Ausdruck wie in den Sendschreiben (Apk 2f); gerade hier jedoch äußert sich dieses kaum in einer „Auslegung“ der alttestamentlichen Prophetie (vgl. Kraft selbst: 12). Das Reservoir, aus dem Johannes schöpft (Altes Testament, jüdische und christliche Apokalyptik, andere christliche und auch heidnische Traditionen; Kenntnis der griechischen Religionsgeschichte traut Kraft dem Sendschreibenverfasser zu: 31.47), ist doch wohl größer, als es in diesem Kommentar erscheint, der zwar das Problem sieht (12) und die entsprechenden Bezüge notiert, aber diese nicht im möglichen Umfang für die Auslegung fruchtbar macht.

Von Krafts Auslegungsansatz her fast zwangsläufig tritt auch der Theologe Johannes zu sehr in den Hintergrund. Der Kommentator sieht im ApkVerfasser ähnlich den Verfassern der Evangelien einen Mann „der dritten Generation“, der „bei aller literarischen Selbständigkeit doch bestrebt (ist), dem Untergang der alten und echten Überlieferung im Wildwuchs dadurch Rechnung zu tragen, daß er die Überlieferung fixiert“ (9). Bedenkt man, wie der Verfasser im visionären Hauptteil des Buches die überbordende Fülle des Materials zu ordnen sucht, könnte man ihn tatsächlich in dieser Weise charakterisieren. So wenig aber die Evangelisten nur Überlieferungen fixieren, so wenig beschränkt sich Johannes darauf. Seine Komposition und Interpretation der Überlieferung und sein offenkundiges Bemühen, mit seinem Entwurf den den Gemeinden von innen und außen her erwachsenhier Schüßler Fiorenza zustimmend – schreiben kann, daß bestimmte atl. Texte „von Johannes zur Illustration für sein eignes Verständnis verwandt werden. Das ist in der Tat die Art, in der Johannes mit dem Alten Testament umzugehen pflegt“ (a.a.O. [Anm. 2] 90; Hervorhebung von mir). 8 Vgl. G. MUSSIES, The Morphology of Koine Greek as Used in the Apocalypse of St. John, NT. S 27, 1971 (dazu die Besprechung von W. Hamm, JAC 21, 1978, 198–204); DERS., The Greek of the Book of Revelation, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse […], 167–177. – Auch textkritisch kommt der Apk eine Sonderstellung zu. J. DELOBEL, Le texte de l’Apocalypse: Problèmes de méthode, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse […], 151–166, führt knapp in die Problematik ein und stellt am Beispiel von Apk 13,10 die textkritische Entscheidung bei Nestle-Aland26 in Frage.

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den Problemen zu begegnen, lassen nicht nur einen Schriftsteller und dessen literarische Selbständigkeit, sondern auch und vor allem einen Theologen erkennen. Erfreulicherweise beschränkt sich der Kommentar nicht darauf, das in kritischer Auswahl zusammenzutragen, was andere erarbeitet haben, sondern reiht sich mit seinem durchaus eigenen Profil in die Tradition der großen wissenschaftlichen Apk-Auslegungen ein, ergänzt sie, macht sie aber – wie auch das Zurkenntnisnehmen der übrigen bis 1974 erschienenen exegetischen Apk-Literatur – nicht überflüssig, zumal der Kommentator den Leser nur selten mit den Meinungen anderer Ausleger konfrontiert. So ist es für einen mit der Forschung wenig Vertrauten oft schwer zu erkennen, wo Kraft die (manchmal ja aus gutem Grund) ausgetretenen Pfade verläßt und eigene Wege einschlägt. |

3. Einzelprobleme 3.1 Verfasser und Abfassungszeit Nach dem Selbstzeugnis der Apk ist ein „Johannes“ (1,1.4.9; 22,8) ihr Verfasser. Nur vereinzelt hält man diese Angabe für ein Pseudonym (ernsthaft erwogen wieder von VANNI, 28 Anm. 26). KRAFT (9–11) gibt den kritischen Konsens der Forschung wieder, wenn er es für ausgeschlossen hält, daß es sich dabei um den Zebedaiden oder den Verfasser des vierten Evangeliums handelt, und er zögert (weniger zurückhaltend VIELHAUER, 502; SCHENKE/FISCHER, 300), diesen Johannes mit dem bei Papias erwähnten „Presbyter Johannes“ gleichzusetzen. Auch bei der Frage der Abfassungszeit sind sich die meisten Ausleger einig, denn das äußere Zeugnis des Irenäus („gegen Ende der Regierungszeit Domitians“) scheint gut zum inneren Zeugnis des Werkes zu passen (Verfolgungen der Christen, Konflikt mit dem Kaiserkult, Probleme in den Gemeinden). Bei näherem Zusehen jedoch erweist sich diese Datierung (also Anfang/Mitte der 90er Jahre) wohl als möglich, nicht aber als sicher. Sie ist jüngst wieder von A. YARBRO COLLINS (Dating) vertreten worden, die sich zu Recht gegen neuerliche Versuche der Frühdatierung (zuletzt A.A. BELL: zwischen Juni 68 und dem 15. Januar 69, oder einige Wochen später) wendet, doch mit Bell darin übereinstimmt und überzeugend zeigt, daß das Thema der Christenverfolgungen in der Apk (vereinzelt haben sie stattgefunden, Schlimmeres wird befürchtet) nicht zu einer Datierung unter Domitian zwingt. Wohl hat dieser Herrscher den Kaiserkult forciert, und die Apk läßt sich in weiten Teilen als Reaktion darauf verstehen. Dies nun jedoch erlaubt — bedenkt man KRAFTS Hinweis (11), „daß die literarische Pro-

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duktion gewöhnlich hinter den Ereignissen herläuft, auf die sie sich bezieht“ – die Annahme einer Abfassungszeit nach Domitian, womit der Rückgriff auf ältere Fragmente natürlich nicht ausgeschlossen ist. Kraft selbst (10.222) datiert – jedenfalls die Kapitel 13 und 17 – auf die Zeit zwischen Juli 97 und Frühjahr 98, was er aber nicht überzeugend begründen kann. 9 Zumindest erwägenswert ist sein vor dem Hintergrund eines Vergleichs des Gemeindebildes in den Ignatianen und in den Sendschreiben der Apk gemachter Vorschlag, diese Gemeindebriefe deutlich später anzusetzen; er denkt an etwa um 110 (93f). Auf jeden Fall gehören sie zur jüngsten Schicht des Werkes (KRAFT, 50: ihrem Verfasser, der „mit dem Verfasser des Ganzen möglicherweise identisch sein kann“ [15], ist die | abschließende Redaktion der Apk zu verdanken) und vermitteln nicht den Eindruck, als stellten Verfolgungen und Kaiserkult das Problem dar (YARBRO COLLINS, Dating; anders K. ALAND, Verhältnis, 82–84/215– 217, der in den Überwindersprüchen der Schreiben in nicht gerechtfertigter Einschränkung Verheißungen an Märtyrer, den eigentlichen Konflikt aber erst bevorstehen sieht) und seien von brennender Aktualität (wohl ist es durchaus möglich, daß die von Johannes in den Gemeinden bekämpften Strömungen auch bei der Beurteilung dieses grundsätzlichen Konflikts zu einer anderen Haltung als er tendieren). Dies könnte ebenfalls eher in die Zeit nach Domitian weisen, sollte jedoch nicht zu einer gegenüber dem Rest des Werkes früheren Ansetzung (so z.B. FEUILLET [vgl. Anm. 1] 79) verleiten.

3.2 Literarkritische Probleme Ungereimtheiten und Wiederholungen, die Sonderstellung der Sendschreiben, die Schwierigkeit, in weiten Partien des Buches einen einlinigen Handlungsablauf oder einsichtigen Gedankenfortschritt zu erkennen, eröffnen der Literarkritik, die eine Zeitlang die Apk-Forschung dominierte (hilfreich ist immer noch der entsprechende Abschnitt bei BOUSSET [vgl. Anm. 1] 108ff; vgl. auch FEUILLET [vgl. Anm. 1] 19ff; BÖCHER, EdF, 11f), ein weites Feld. Gegenüber vielfältigen Versuchen, das Werden der Schrift aus der (christlichen) Überarbeitung bzw. Erweiterung einer (oder mehrerer, christ9

Die Auflösung des Zahlenrätsels von Apk 13,18 bei KRAFT (222: M. NEROUA) kann zwar den Zahlenwert 666 ergeben, doch ist wohl mit der griechischen Namensform NEROUAS (darauf weist WOLFF, 194 Anm. 44 hin) oder NERBAS zu rechnen (vgl. Documents Illustrating the Principates of Nerva, Trajan and Hadrian, collected by E.M. Smallwood, 1966, 163 [Nr. 450]. 37 [Nr. 39] u.ö.). Auch sagt 13,18, die Zahl des Tieres sei die eines Menschen, nach 17,11 aber „ist“ das Tier nicht, weshalb 13,18 kaum auf Nerva als den gegenwärtig regierenden Kaiser weisen kann. KRAFT muß zu der Verlegenheitsauskunft finden, zwar sei jetzt das sechste Haupt (der sechste Kaiser), nicht aber das (die Feindschaft der Kaiser gegen das Christentum verkörpernde) Tier. Daß Johannes für seine Gegenwart den sechsten, nicht den siebten Kaiser annimmt, kann einfach bedeuten: das Ende steht zwar nicht unmittelbar bevor, ist aber absehbar, und muß nicht auf die Zeit Nervas weisen, dessen Nachfolger (sein Mitregent Trajan) bereits bekannt war (so 221f). Weder 17,9–11 noch 13,18 gestatten eindeutige Schlüsse.

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licher oder jüdischer) Grundschrift(en) oder der Verknüpfung mehrerer Quellen zu erklären, scheint sich weitgehend die sogenannte Fragmentenhypothese in der Form, die ihr W. BOUSSET (a.a.O., 129) gab, durchgesetzt zu haben: Ein Schriftsteller schuf in vielen Punkten nicht aus freier Hand, sondern verarbeitete ältere Fragmente und Überlieferungen. Unübersehbar ist aber auch eine gegenläufige Bewegung, von M.E. BOISMARD unter die Überschrift gestellt: „Retour à l’hypothèse des sources“. Boismard selbst will zwei ursprüngliche Texte unterscheiden, von demselben Autor zu verschiedenen Zeiten verfaßt, die eine andere Hand zu einem Text verschmolzen hat, 11,1–13.19 bilde eine eigene Einheit (31), gleiches gelte von den Sendschreiben, die der „compilateur final“ (28) der übrigen Apokalypse hinzugefügt habe. J.M. FORD (vgl. bes. 50ff) möchte im wesentlichen drei Schichten gegeneinander abgrenzen: Apk 4–11 (vorchristlich, auf den Täufer Johannes zurückgehend), 12–22 (zwischen 60 und 70 entstanden, von einem Täuferschüler stammend; in den beiden letzten Kapiteln ist mit Spuren von Redaktion zu rechnen) und eine davon deutlich abstechende judenchristliche Hinzufügung Apk 1–3 (und 22,16a.20b.21).

Bei Unsicherheiten im einzelnen lassen sich doch einige der „Fragmente“ verhältnismäßig eindeutig eingrenzen (vgl. die Aufstellungen bei VIELHAUER, 500f; SCHENKE/FISCHER, 289ff); neuere Arbeiten bestätigen das etwa für Apk 12 (mit im Detail unterschiedlicher Abgrenzung der jüdischen Quelle[n]: A. YARBRO COLLINS, Combat Myth; A. SATAKE, Sieg; R. BERGMEIER) und 21,9ff (M. WILCOX). Kann an der reichlichen Verwendung überkommenen Materials in der Apk kein Zweifel bestehen, muß jedoch manchmal unsicher bleiben, ob es sich um schriftlich fixierte Fragmente bzw. Quellen handelt oder nicht vielmehr um eigene, freilich weitgehend aus traditionellen Elementen geformte Kompositionen des Johannes (so | zu Apk 14 A.P. VAN SCHAIK, zu Apk 18 A. YARBRO COLLINS, Revelation, 18). Ein direkter Rückgriff auf uns bekannte jüdische Literatur nach dem Buch Daniel scheint nicht nachweisbar zu sein. (Allerdings will P.-M. BOGAERT engere Beziehungen als gemeinhin angenommen zwischen der Apk und ihr etwa gleichzeitigen Apokalypsen erkannt haben: Die Apk kenne den syrBar, 4Esra die Apk. „Dans les deux cas, il s’agit de répondre a une oeuvre préexistante par une oeuvre similaire.“[67])

3.3 Komposition Hat der Apk-Verfasser auch eine Fülle traditionellen Gutes aufgenommen und sollte ihm dabei, wie KRAFT vermutet, in allmählicher Erweiterung eines ursprünglichen Entwurfs (Siegelvision) „der Stoff unter den Händen gewachsen“ (14) sein, so ist sein Werk doch nicht bloß eine mehr oder

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weniger geglückte Kompilation vorgegebenen Materials (zu dieser Annahme könnten die als Ausgangspunkte literarkritischer Überlegungen genannten Beobachtungen verleiten, besonders die sogenannten „Doubletten“), sondern – wie heute weithin zugestanden wird – eine durchdachte Komposition, deren Erfassen wesentlich zum Verständnis des Werkes beiträgt. Allerdings ist die Struktur nicht auf Anhieb durchsichtig, und A. YARBRO COLLINS kann völlig zutreffend feststellen: „There are almost as many outlines of the book as there are interpreters“ (Combat Myth, 8). Man kann die vielen Beiträge zum Thema grob einteilen in solche, die versuchen, sich an den vom Apk-Verfasser selbst gegebenen Gliederungshinweisen genügen zu lassen, und andere. Zu den letzteren gehören etwa jene, die eine konzentrische Struktur des Buches zu erkennen glauben (z.B. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Composition; für sie ergibt sich folgende „surface structure of Revelation“: A: 1,1–8; B: 1,9–3,22; C: 4,1–9,21; 11,15–19; D: 10,1–15,4; C’: 15,1.5–19,10; B’: 19,11–22,9; A’: 22,10–21; J. ELLUL findet fünf symmetrisch angeordnete Teile: 2–4; 5–7; 8,1–14,5 [der „Schlußstein“]; 14,6–20,15; 21,1–22,5, jeder von ihnen enthält eine Christusvision und wird umrahmt und eingeleitet von Hymnen und Doxologien) oder über die vom Autor gezählten vier Siebener-Reihen (Briefe, Siegel, Posaunen, Schalen) hinaus weitere ausmachen (z.B. A. YARBRO COLLINS, Combat Myth, die zwei „unnumbered“ Siebener-Reihen erkennt [12,1–15,4; 19,11–21,8] und so ein „pattern“ findet, das sich bestens zu ihrer These fügt, „that the combat myth is the conceptual framework which underlies the book as a whole“ [231]). Im Blick auf die Unsicherheiten, mit denen solche und ähnliche Versuche behaftet sind, empfiehlt es sich, den von F. HAHN vorgeschlagenen Weg zu gehen: „man (sollte) sich ausschließlich von den Gliederungsprinzipien leiten lassen, die in dem Werk selbst erkennbar werden“ (Aufbau, 151). J. LAMBRECHT, der in seinem mehr in die Einzelheiten gehenden Beitrag zugleich mit einem Großteil der einschlägigen Literatur vertraut macht, kommt in einigen wesentlichen Punkten zu ähnlichen Ergebnissen wie Hahn. |

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Das betrifft zunächst die Grobgliederung der Apk: 10 Die Rahmenstücke (HAHN: 1,1–8 [LAMBRECHT: 1,1–3] / 22,6–21), deren Abgrenzung im ersten Teil davon abhängt, ob man den brieflichen Eingang 1,4ff – dem dann 22,21 als Schlußgruß entspräche – auf das ganze Buch bezieht (ein besonders von SCHÜSSLER FIORENZA betonter Gedanke) oder auf die folgenden Gemeindebriefe, umspannen zwei Hauptteile: 1,9–3,22, also die Berufungsvision (l,9ff) und die mit ihr eng verbundenen sieben Sendschreiben, und 4,1–22,5. Diese Art der Zweiteilung des Buches wird auch von der Mehrzahl der Exegeten vertreten. Die eigentlichen Schwierigkeiten ergeben sich dann bei der Frage, wie der große Visionsteil zu strukturieren ist. Folgt man der zitierten Aufforderung HAHNS, müssen die drei Siebener-Zyklen (6,1ff [Siegel]; 8,2ff [Posaunen]; 15,1ff [Schalen]) als das entscheidende Konstruktionsprinzip ernstgenommen werden. Diese nun sind auf eigenartige Weise einander zugeordnet und miteinander verschränkt: das jeweils letzte Glied setzt alles Folgende aus sich heraus (8,1–22,5; 11,15–22,5; 16,17–22,5). Dieses Ineinandergreifen der einzelnen Visionen (HAHN), die vom Verfasser angewandte „encompassing technique“ (LAMBRECHT), legt nahe, daß ein fortlaufendes Geschehen (HAHN, 153; LAMBRECHT, 104), eine zielgerichtete Entwicklung dargestellt werden soll; was in Apk 4f anhebt, kommt in den Schlußkapiteln zu seinem Abschluß. Die oft so genannten „Zwischenstücke“ (Apk 7; 10,1– 11,13; 12–14) sind sorgfältig in diesen Kontext integriert; ähnliches gilt von den Hymnen. Mit dieser vorwärtsschreitenden Bewegung einher geht deutlich eine Steigerung; unverkennbar aber sind zugleich – bei HAHN, der „Beobachtungen zur Gliederung“ sammeln will (145), spielt das kaum eine Rolle – die Wiederholungen (LAMBRECHT, 103: „the author of Rev combines recapitulation and progression“; beides wird häufig als Alternative verstanden). Ein Vergleich der auffallend parallel gestalteten Posaunen- und Schalen-Visionen läßt das besonders klar erkennen. 11 | 10 Aus dem dafür häufig herangezogenen Vers 1,19 (z.B. VIELHAUER, 497: Dreiteilung [1,9– 20; 2f; 4,1–22,5]; vgl. KRAFT, 49; GOPPELT, 510: Zweiteilung [2f; 4,1–22,5]) kann sie kaum hergeleitet werden (SCHÜSSLER FIORENZA, Composition, 362; LAMBRECHT, 79f), denn die drei (oder falls das erste kaiv epexegetisch ist: zwei) dort genannten Elemente (Vision, Gegenwart, Zukunft) lassen sich nicht jeweils auf eingrenzbare Teile des Werkes beziehen. – Ob das Verständnis des in 5,1 erwähnten Buches wirklich zur Erhellung der Apk-Komposition beitragen kann (so VIELHAUER, 498f im Anschluß an G. BORNKAMM, Die Komposition der apokalyptischen Visionen in der Offenbarung Johannis, in: ders., Studien zu Antike und Christentum, Ges. Aufs. II, BEvTh28, 31970, 204–222; zuvor in: ZNW 36, 1937, 132–149), ist doch sehr fraglich (vgl. nur KRAFT, 105; SCHENKE/FISCHER, 281 mit Anm. 2). 11 Vgl. vor allem BORNKAMM (vgl. Anm. 10), der die Forschung nachhaltig beeinflußte, indem er eine Form der Rekapitulationstheorie wiederbelebte: Die drei Reihen stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander, die Siegelvisionen seien einer Ouvertüre zu vergleichen, die Posaunenvisionen seien andeutend, vorläufig und fragmentarisch, die Schalenvisionen endgültig und vollständig. Eine erheblich weitergehende Verwendung des Rekapitulationsschemas behauptet A.

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Die meisten der ansonsten sehr unterschiedlichen Analysen der ApkKomposition stimmen jedenfalls in einem überein: einen „apokalyptischen Zeitplan für bevorstehende Ereignisse“ will die Apk nicht geben (HAHN, 154; vgl. LAMBRECHT; SCHÜSSLER FIORENZA; YARBRO COLLINS; GÜNTHER, 51ff). Das ist im Blick auf ein mögliches Mißverständnis des Buches keine unerhebliche Einsicht.

4. Die literarische Gattung Wenn umstritten ist, ob die „Apokalypse“ des Johannes selbst der Literaturgattung zuzuordnen ist, der sie den Namen gab, darf das nicht verwundern; denn es herrscht keine Übereinstimmung darüber, was eine Schrift zu einer „Apokalypse“ macht; 12 wohl können einige formale Eigentümlichkeiten und Elemente der Vorstellungswelt aufgezählt werden, die den meisten als Apokalypsen bezeichneten jüdischen Schriften gemeinsam sind (vgl. VIELHAUER, 487ff). Offensichtlich steht die Apk in beidem jenen Apokalypsen recht nahe, markante Unterschiede sind jedoch ebenfalls nicht zu übersehen. Von deren Bewertung, vor allem aber von der Einschätzung, inwieweit die Apk die in diesen Schriften vertretenen Grundüberzeugungen teilt, hängen Urteile ab wie etwa das H. KÖSTERS: „So sehr apokalyptische Vorstellungen und Traditionen in dieser Schrift Verwendung gefunden haben, so wenig paßt die Bezeichnung ‚Apokalypse‘ auf dieses christliche Buch“ (684), oder das D. GEORGIS, der meint, die Apk wolle eine „Antiapokalypse“ (362) sein. Zu einem ganz anderen Schluß gelangt J.J. COLLINS; er untersucht die Frage der „significance of the distinctive features of Revelation, whether they reflect a really distinct type of literature or are merely superficial variants such as we might find within the genre“ (329) mit dem Ergebnis: Die Unterschiede (das Fehlen von Pseudonymität, ex-eventu-Weissagungen und Versiegelung der Schrift) sind „superficial“ und „do not reflect a significant change of perspective. There is no reason to deny ‚that the Apocalypse is an apocalypse‘“ (342). Er kommt zu diesem Schluß, indem er nach der Funkti-

YARBRO COLLINS, Combat Myth, 32ff. – Jedenfalls ist der zweifellos grundlegende „forward thrust of the narrative“ in der Apk nicht ungebrochen (vgl. SCHÜSSLER FIORENZA, Composition, 360). 12 Vgl. den Versuch von J.J. COLLINS, Introduction: Towards the Morphology of a Genre, Semeia 14, 1979, 1–20; DERS., The Jewish Apocalypses, a.a.O., 21–59; entsprechend für das christliche Schrifttum einschließlich der Apk: A. YARBRO COLLINS, The Early Christian Apocalypses, a.a.O., 61–121.

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on fragt, die in jüdischen Apokalypsen die literarischen Mittel erfüllen, die in der Apk fehlen, um dann zu zeigen, daß die Apk deren nicht bedarf. Da es COLLINS zugleich fraglich ist, wieweit in dieser christlichen Adaption der Apokalyptik das spezifisch Christliche zum Zuge kommt (342f), ist sein Beitrag einer der vergleichsweise wenigen neueren, der R. BULTMANNS bekanntes Urteil gerechtfertigt erscheinen lassen könnte, „das Christentum der Apk“ sei „ein schwach christianisiertes Judentum“ (Theologie des Neuen Testaments, 19686, 525). Eigenartigerweise erwägt COLLINS nicht, ob die Besonderheiten der Apk vielleicht doch ein gebrochenes Verhältnis zum apokalyptischen Denken reflektieren, also tatsächlich ein „change of perspective“ stattgefunden hat. Demgegenüber | ist die Frage, ob das Werk noch der Literaturgattung zuzuzählen ist, mit der es viele Züge gemeinsam hat (oder ob man besser von einem prophetischen Buch sprechen sollte oder zwischen seiner literarischen – apokalyptischen – Einkleidung und seinem Inhalt bzw. seiner – prophetischen – Botschaft unterscheiden sollte; vgl. bei VANNI, 22.27f.35), von zweitrangiger Bedeutung, wenngleich die umfangreiche Aufnahme apokalyptischen Gutes und der Rückgriff auf Ausdrucksmittel der Apokalyptik bezeichnend genug ist. Erst ein Blick auf theologische Grundanschauungen der Apk läßt die Frage nach dem Verhältnis dieser Schrift zur Apokalyptik in angemessenem Licht erscheinen.

5. Zur Theologie der Apokalypse R. BULTMANN (Theologie, 526) hatte gemeint, in der Apk sei „der eigentümliche Zwischen-Charakter des christlichen Seins […] nicht erfaßt“. Neuere Arbeiten zur Theologie der Apk lassen berechtigte Zweifel an diesem Urteil aufkommen.

5.1 Geschichtsverständnis Das gegenüber der jüdischen Apokalyptik ganz andere Geschichtsverständnis zeigen nach K.M. FISCHER (167f) am deutlichsten die Hymnen, von denen das Buch durchzogen ist und die ihm sein besonderes Gepräge geben (4,8.11; 5,9f.12f; 7,10–12; 11,15–18; 12,10–12; 19,1ff u.ö.). Sie nehmen den Sieg Gottes und des Lammes vorweg und erklingen nicht – wie man erwarten könnte – erst am Ende, nach der Überwindung des letzten Feindes. Diese Schau, „bei der alles Grausige und Schreckliche nur ein Zwischenspiel ist“ (168), werde durch die Überzeugung ermöglicht, mit Tod und

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Auferstehung Christi sei schon die große Geschichtswende eingetreten. Ebenso erweist für L. GOPPELT (512–514.517f) der Einsatz des geweissagten Geschehens in Apk 4f, daß mit der Erhöhung Christi die Wende der Geschichte stattgefunden hat. Das dargestellte Geschehen habe einen anderen Charakter als in der Apokalyptik, da es von der bereits verborgen angebrochenen Gottesherrschaft bestimmt sei (5,9f; der „wohl zentralste Satz der Offenbarung“ [518]) und durch die sichtbar hereinbrechende vollendet werde. Auch für die Apk gelte demnach das Schon und Noch-Nicht des Eschatons. Sie wolle nicht ein durch das Eschaton abgeschlossenes Stück Weltgeschehen darstellen, sondern die Begegnung des Eschatons mit der Geschichte, zeichne keine Abfolge von Endereignissen nach, sondern entwerfe Wesenszüge der Endgeschichte. Einige Ausleger wollen von einem heilsgeschichtlichen Entwurf sprechen (u.a. W.G. KÜMMEL, 13 H.W. GÜNTHER, G. MAIER). Soll damit einerseits eine „Kontinui|tät der Endzeitgeschichte mit der ihr vorausgehenden Heilsgeschichte des atl. Bundesvolkes“ (GÜNTHER, 272) zum Ausdruck gebracht und andererseits eine „eminente Bedeutung der Zuordnung von Geschichte und Heil in der Konzeption der Endzeit der Apk“ (41) behauptet werden, wird gegen eine solche Sicht eingewandt, eine heilsgeschichtliche Kontinuität mit Israel spiele in der Apk keine Rolle (so m.E. zutreffend SCHENKE/FISCHER, 301f; vgl. bei [SCHÜSSLER] FIORENZA, Eschatology, 541 mit Anm. 23), 14 und unter Verweis auf die Naherwartung (1,1.3; 3,11; 6,11; 22,6f u.ö.) bestritten, daß in der Apk-Konzeption wirklich Raum für Geschichte bleibe, die Eschatologie sei „not conditioned by or deducible from history“ ([SCHÜSSLER] FIORENZA, Eschatology, 553; vgl. DIES., Apokalypsis, 110). H.W. GÜNTHER will allerdings zeigen, „daß der Naherwartungshorizont nur ein, wenn auch wesentlicher Aspekt in der Konzeption der Eschatologie der Apk ist“ (41), denn vor das erwartete Ende werde sich „noch eine ganze Reihe von eschatologischen Ereignissen schieben […], die nach traditioneller Vorstellung Zeichen und Vorboten desselben sind“ (5); dieser Enderwartungshorizont komme vor allem in den drei Plagen(Siebener-) Reihen zum Ausdruck. Diese stellten den Versuch dar, das Problem der Parusieverzögerung zu lösen. Die Absicht der Naherwartungs13 W.G. KÜMMEL, Einleitung in das Neue Testament, 201980, 407. Er beruft sich auch auf T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, 1962 (21971); vgl. aber dessen vorsichtige Erwägungen (bes. 217ff) in Auseinandersetzung mit einer „übergeschichtlichen“ (E. LOHMEYER) und einer „die Kontinuität der Zeit in naivem Verstande als konstitutiv für das Denken des Jo(hannes)“ (217) behauptenden (M. RISSI; O. CULLMANN) Sicht. 14 Will man die Apk und nicht in ihr verarbeitete Traditionen auslegen, dann sind z.B. auch die 7,1ff (vgl. 14,1–5) Versiegelten keine anderen als die 7,9ff Erwähnten, also nicht etwa die Gerechten aus Israel, zu denen die Erlösten aus den Heiden hinzukommen (so aber KRAFT, 126ff), und kann von einer „Ergänzung des Zwölfstämmevolks Israel durch christgewordene Heiden“ (BÖCHER, EdF, 120 zu Apk 21; diese Sicht auch bei A. GEYSER) nicht die Rede sein.

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aussagen, deren Zeitkategorien die Endzeit primär qualitativ charakterisierten, sei paränetisch. Dabei kenne die Apk keine „neutrale Zwischenzeit“; die Endzeit erstrecke sich seit dem Christusereignis und die Aussagen über sie seien nicht chronologisch aufzufassen, sondern „legen ihre ‚Tiefenstruktur‘ offen“ (280). Finden sich in der Apk auch tatsächlich Anzeichen der Parusieverzögerung und bleibt die „Botschaft vom ‚nahen‘ Ende […] bewußt in der Schwebe“ (A. STROBEL, 184; anders z.B. K. ALAND, Ende, 156: „unmittelbar steht das Weltende bevor“), so geschieht doch eine Zuordnung von Geschichte und Heil allenfalls in der Weise, daß die verbleibende Geschichtsspanne, die Gegenwart, für die Gläubigen nicht heillos ist und am Ende der Geschichte dies Heil offenbar sein wird.

5.2 Eschatologie und Ekklesiologie Die eschatologischen Aussagen können nicht von den ekklesiologischen getrennt werden. In einer kleinen Studie zur Ekklesiologie untersucht O. BÖCHER die Visionen Apk 21f mit dem Ergebnis: Sie „beschreiben beides zugleich: eschatologische Zukunft und kirchliche Gegenwart“ (Bürger, 79); denn von Vorstellungen der jüdischen Apokalyptik her lassen sie sich als Dokument futurischer Eschatologie lesen, von neutestamentlichen Parallelen her, die durch die „Spannung des ,noch nicht‘ und des ,schon jetzt‘“ (75) charakterisiert sind, aber auch als Dokument prä|sentischer Ekklesiologie. „So gewiß die letzte Vollendung noch aussteht, so gewiß repräsentiert schon die sichtbare Kirche etwas von Harmonie, Glanz und Herrlichkeit des neuen Jerusalem“ (79). Nun sind die ekklesiologischen Bezüge von Apk 21f kaum zu bestreiten (vgl. O. BÖCHER, Bedeutung), wohl aber Bedenken anzumelden gegen eine allzu direkte Deutung auf die „kirchliche Gegenwart“, die sich nach Johannes vielmehr unter den Bedingungen des ersten Himmels und der ersten Erde vollzieht, deren Vergehen Voraussetzung für das Kommen der Stadt aus dem Himmel ist (21,1–4). Und von neutestamentlichen Parallelen her kann man sich das Verständnis des Apk-Textes nicht vorgeben lassen; Belege für ein Schon des Heils finden sich in der Apk selbst hinreichend.

Auf anderem, nicht minder problematischem Weg kommt P. PRIGENT (Le temps), der die Unzulänglichkeit unserer Zeit- und Raumkategorien und auch der Rede von Schon und Noch-Nicht für das Erfassen der ApkAussagen betont (bes. 244f; vgl. DERS., Exegese), zu dem Schluß: „les trois présentations du ‚Royaume‘ (so bezeichnet er 21,1–8. 9–27; 22,1–5) n’offrent rien de totalement nouveau par rapport au présent de la foi“ (Le

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temps 238). Wie unzulänglich seine Ausgangsfrage („ce qui est ici décrit est-il nouveau par rapport aux affirmations contenues dans les 20 premiers chapitres?“ [233]) formuliert ist, um für das zitierte Urteil wirkliche Begründungen beibringen zu können, wird schlagartig deutlich, wenn z.B. zu 22,2 der Überwinderspruch 2,7 herangezogen wird und belegen soll, daß die Früchte des Lebensbaumes jetzt angeboten sind. Als Ort, wo diese Gewißheit gelebt werde, wird die Kirche bestimmt; sie „signifie par là le paradis transfiguré dans lequel s’accomplit toute l’histoire“ (237). Als ob nicht gerade in den Überwindersprüchen im strengen Sinne von noch ausständig Zukünftigem geredet würde, da doch der angesprochene Christ – anders als Christus (5,5) – noch nicht gesiegt hat. Zu Recht betont E. SCHÜSSLER FIORENZA (z.B. in den Arbeiten Apocalyptic; Redemption), 15 daß Johannes die futurische Eschatologie nicht nur in bezug auf die Welt, sondern auch im Blick auf die Kirche und die Existenz der Gläubigen thematisiert, also der „eschatologische Vorbehalt“ mitzubedenken ist (ob man dies allerdings an einem Vergleich von 1,5f mit 5,9f festmachen kann, scheint mir nicht so sicher). Freilich gilt – wie CHR. WOLFF in seinem dem Verhältnis von Christologie und Ekklesiologie gewidmeten Aufsatz zusammenfassend formuliert –: „Nicht das Warten auf das Kommen des Heils überhaupt ist in der Johannes-Apokalypse wesentlich für die Gemeinde, sondern das Warten auf die Vollendung des bereits angebrochenen und die Gemeinde in ihrem Leben verpflichtenden Heils“ (196f); schon „die gegenwärtige Existenz der Gemeinde […] (ist) grundsätzlich von der eschatologischen Heilstat Christi […] bestimmt“ (197). Damit nun ist zugleich – wie A. SATAKE (Kirche) zeigt – eine Aufteilung der Menschheit in zwei Gruppen, die Kirche und die ihr gegenüber feindliche Welt, begrün|det, wobei aber in dieser dualistischen Sicht zwischen den Sendschreiben und dem übrigen Buch eine gewisse Akzentverschiebung festzustellen sei, da, wie an der Behandlung der Häretikerproblematik in jenen Schreiben sichtbar werde, die Grenze teilweise inmitten der Gemeinde selbst verlaufe.

5.3 Christologie Die Gemeinde verdankt nicht nur ihren gegenwärtigen Stand der Tat des Christus (vgl. bes. 1,5f; 5,9f), er ist es auch, dessen Kommen und Aufrichten seiner Herrschaft noch aussteht (z.B. 19,11ff; zum Gebrauch von oJ 15 Die Verfasserin hat in einer Reihe von Aufsätzen Gedanken weiter entfaltet, die bereits in ihrer großen Monographie zum Priester- und Herrschaftsmotiv in der Apk enthalten sind: E. SCHÜSSLER FIORENZA, Priester für Gott, NTA NF 7, 1972.

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cristov~ in 20,4–6 sowie in 11,15–19; 12,10–12 vgl. M. DE JONGE) und der vollendend den Gläubigen das Heil zuwenden wird (vgl. z.B. die Überwindersprüche der Sendschreiben). Bereits daran ist ersichtlich, daß auch in der Christologie der Apk die Auffassung vom zugleich gegenwärtigen und zukünftigen Heil ihren Niederschlag gefunden hat. T. HOLTZ (vgl. Anm. 13) hat dem in seiner vor zwanzig Jahren erstmals erschienenen, immer noch grundlegenden Arbeit zur Christologie der Apk Rechnung getragen, indem er zwei Aussagereihen herausarbeitet: eine, die die Gegenwartsbedeutung des Christus und seines Werkes zum Inhalt hat, und eine, die das Werk Christi als ein sich erst in der Zukunft erfüllendes darstellt. HOLTZ sieht dadurch in der Apk die „Eigentümlichkeit“ des „christlichen Heilsverständnisses“, bestehend „in der dialektischen Spannung zwischen Noch-nicht und Schon“ (216), gewahrt; dies Urteil basiert auf der Gesamtheit der christologischen Aussagen als Teil eines Werkes. U.B. MÜLLER (Messias, 157ff) glaubt, Texte, in denen nicht von der gegenwärtigen Heilsbedeutung des Christus für die Gemeinde, sondern von seiner nur zukünftigen, vorwiegend im Gericht bestehenden Aufgabe die Rede ist, übernommenen jüdischen Traditionsstücken zuweisen zu können; deutlich davon geschieden seien die von der Lammeschristologie geprägten Aussagen, in denen sich die eigene Christologie des Johannes ausspreche. Eine Vermittlung dieser Christologie mit der Vorstellung des Messias bzw. Menschensohnes als Richter und Heerführer gegenüber den Mächten der Welt sei dem Seher nicht gelungen: „Nebeneinander stehen das Lamm und der jüdische kriegerische Messias“ (214). Abgesehen von den Unsicherheiten, mit denen die literarkritischen Urteile zwangsläufig belastet sind, selbst wenn mit Vorlagen ein anderes als das in der Lammeschristologie dominierende Christusbild in die Apk Eingang gefunden hat, so gilt es doch, dies als Element einer Konzeption zu begreifen. Das schon deshalb, weil Johannes auch dem Lamm eine Gerichtsfunktion gegenüber der Welt zuschreibt (6,16; 14,10; 17,14; MÜLLER [166] nimmt hier Überarbeitung von Vorlagen an), damit nicht „von seiner christologischen Generallinie“ abweichend (so Müller), vielmehr bewußt die Lammeschristologie um einen Zug jenes vermeintlich fremden Christusbildes anreichernd. 16 |

N. HOHNJEC ist überzeugt, daß „das Lamm“ – diese für die Apk typische Bezeichnung Christi (to; ajrnivon) ist als vorchristlich-jüdischer Messiastitel nicht belegt – „gleichsam die Schlüsselfigur“ der Apk „und Kurzformel 16 An anderer Stelle sieht denn auch MÜLLER, Theologiegeschichte, 43ff, die „Christologie des zukünftigen Menschensohnes“ im Dienste der von Johannes vertretenen Naherwartung stehen, also in dessen eigene Konzeption integriert. Übrigens ist auffallend selten explizit vom Menschensohn die Rede, und zwar im Blick auf seine gegenwärtige (1,13) und zukünftige (14,14) Vollmacht (vgl. E. LOHSE).

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ihrer ganzen Christologie (ist)“ (164). Er glaubt in der Behandlung der Lammthematik durch den Apk-Verfasser von Apk 5 bis 22 in Kontinuität und Entfaltung eine Steigerung aufzeigen zu können; das gelte für Aussagen über das Verhältnis von Gott und Lamm wie für diejenigen über das Verhältnis des Lammes als Bringer gegenwärtigen und zukünftigen Heils zu den Seinen. Beachtung verdienen m.E. weniger die Einzelergebnisse dieser Arbeit (in exegetischen Detailfragen wird man oft mit gutem Grund anderer Meinung sein können, auch „daß die Lammthematik ihren Sitz im liturgischen Leben hat“ [162], scheint mir für die Apk nicht evident) 17 als vielmehr der Versuch, dem Grundsatz zu folgen: „die Offenbarung des Johannes erklärt sich am besten durch die Offenbarung des Johannes selbst“ (168). Denn so wichtig die Frage ist, welche Vorstellungen auf diese Christusbezeichnung eingewirkt haben (zu den verschiedenen Ableitungsversuchen vgl. BÖCHER, EdF, 42ff; HOHNJEC, 11ff), die Eigenart der sich hier zu Wort meldenden Christologie – die sicher ganz wesentlich Schöpfung des Johannes ist – wird damit noch nicht erfaßt und erschließt sich erst im Rahmen der Apk, wobei dann eben auch möglicherweise aufgenommene Traditionen, doch in der Prägung, die sie in diesem Werk erhalten haben, mitgehört werden müssen.

5.4 Gottesbild Hierzu liegen zwei Untersuchungen vor, die zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen kommen. Geht es der alttestamentlich-jüdischen Apokalyptik „um die endliche Aufrichtung der Herrschaft Gottes über alle gott- und lebensfeindlichen Mächte“, könnte die Apk ebenso charakterisiert werden; entsprechend häufig redet sie von Gott und sie tut das, wie A. VÖGTLE zeigt, zunächst „so, wie es schon das AT tat“ (377), und „ihre meisten Aussagen (gelten) dem kommenden Heil“ (387). Allerdings kann Johannes „das Endheil Gottes nicht mehr verkünden, ohne zugleich von dem im Messias Jesus schon begründeten und gegenwärtigen Heil zu sprechen“ (389). Das Verhältnis von Gott und Christus sieht Vögtle zutreffend als „Aktionseinheit“ (391), wobei aber eindeutig am Primat Gottes festgehalten ist. T. HOLTZ betont in seiner detaillierten Darstellung zu Recht die die Apk prägende Theozentrik und das Vorherrschen der Aussagen, die von dem Welt17 Überhaupt werden m.E. die liturgischen Bezüge der Apk (vgl. bei VANNI, 33f) oft überschätzt, besonders gilt das hinsichtlich der Eucharistieliturgie (z.B. P. PRIGENT, Apocalypse et Liturgie, CTh 52, 1964, und noch extremer B. SANDVIK, Das Kommen des Herrn beim Abendmahl im Neuen Testament, AThANT 58, 1970); zu den Hymnen vgl. K.-P. JÖRNS, Das hymnische Evangelium, StNT 5, 1971.

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und Ge|schichtsübergreifenden (vgl. die Prädikationen 1,4.8; 21,6) als dem, der kommen wird, gemacht werden. Verdankt sich die zukünftige Welt allein Gott, erfüllt doch solche Zukunft nur, „was ihr aus Vergangenheit und Gegenwart zukommt“ (258). Das Bild des strafenden Richters darf nicht verkennen lassen, daß es das Heil Gottes ist, von dem bereits im Mittelteil der Apk geredet und das dann im neuen Jerusalem als dem Ort des eschatologischen Heils dargestellt wird. In diesen theozentrischen Rahmen wird „die einzigartige Stellung und Bedeutung Christi“ (265) eingezeichnet, der „der Gemeinde gegenüber gleichsam mit Gott zu einer Einheit sich zusammenfügt“ (262), die „als eine durchaus funktionale gesehen“ (263) ist, in der Gott dem Christus übergeordnet bleibt. Wird den Gemeindegliedern das Heil nicht durch Gott, sondern durch das Lamm zugewendet, ist an diesem entscheidenden Punkt „die Theozentrik der Apk christologisch aufgebrochen“ (260), freilich „nicht aufgehoben; sie wird vielmehr christologisch begründet“ (263).

6. Entstehungsbedingungen 6.1 Verhältnis zu Apokalyptik und Prophetie Wie an seinen theologischen Grundgedanken deutlich wird, ist das Verhältnis des Johannes zur Apokalyptik zweifellos ein christlich gebrochenes. Wenn er gleichwohl umfassend auf apokalyptisches Gedankengut zurückgreift, unterliegt das unterschiedlichen Einschätzungen. So meint P. VIELHAUER (504), Johannes wolle für apokalyptische Anschauungen werben, H. KÖSTER (684) dagegen, die Apk sei eine kritische Auseinandersetzung mit bereits bestehenden apokalyptischen Anschauungen, nicht deren Propagierung (vgl. W. MARXSEN, Einleitung in das Neue Testament, 19784, 282). Die nächstliegende Annahme dürfte sein, daß der Apk-Verfasser selbst an einer „Erneuerung der Apokalyptik“, die KÖSTER (ebd.) „gegen Ende des 1. Jh. im Umkreis der paulinischen Gemeinden Kleinasiens“ vermutet, teilhat und sich nicht nur kritisch mit ihr auseinandersetzt; denn das apokalyptische Element kann aus seiner theologischen Konzeption nicht herausgebrochen werden, ohne einen Torso zu hinterlassen, und ist weder aus einem Bedürfnis der Akkommodation heraus noch als bloße Einkleidung hinreichend erklärt. Nun beansprucht die Apk Äußerung der Prophetie zu sein (1,3; 22,7.10.18f; vgl. noch 22,9; 19,10; 10,7). Die dadurch für eine bestimmte Sicht des Verhältnisses von Prophetie und Apokalyptik entstehenden

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Schwierigkeiten 18 existieren für | E. SCHÜSSLER FIORENZA nicht; sie sieht in der Apk „a genuine expression of early Christian prophecy whose basic experience and self-understanding is apocalyptic“ (Apokalypsis, 113f; GOPPELT, 510: „das hervorragendste Dokument der urchristlichen Prophetie“), und will enge Berührungen mit der Gemeindeprophetie erkennen, wie sie bei Paulus in Erscheinung tritt. Ein besonderes Interesse beim Aufspüren prophetischer Elemente gilt natürlich den Sendschreiben (Apk 2f). F. HAHN (Sendschreiben) untersucht in einem sehr materialreichen Aufsatz ihre Form, bestimmt vier Hauptabschnitte (Botenformel, oi\daAbschnitt, Weckruf, Überwinderspruch), in denen jeweils eine geprägte Grundform vorliegt, weist umfassend Bezüge zur alttestamentlichen Prophetie, jüdischen Apokalyptik und urchristlichen Tradition auf und erkennt nicht nur im einzelnen Gattungen prophetischer Rede, sondern beurteilt „die Sendschreiben insgesamt als typisch prophetische Gattung“ und meint ihnen entnehmen zu können, „wie eine Rede urchristlicher Propheten an eine Gemeinde aussah und welcher Formelemente sie sich bediente“ (391f). U.B. MÜLLER (Prophetie, 57ff) sieht in seiner formgeschichtlichen Analyse vom Rahmen der Sendschreiben ab (Botenformel und Weckruf), sondert auch den Überwinderspruch aus und findet zwei jeweils variierte Schemata, die Bußparaklese (mit den Strukturelementen: Urteil über die Gemeindesituation [Anklage], Mahnung, bedingte Gerichtsdrohung) und das Heilswort (in 2,8–11; 3,7–13; vgl. 3,4), zeigt die Vorgeschichte dieser Redeformen auf und meint, der „Ursprung in der mündlichen Rede des Verfassers, d.h. in seiner Prophetie, dürfte feststehen“ (104). Ob man solche Schlüsse nachvollzieht, hängt davon ab, wie hoch man die Auswirkungen eines literarischen Gestaltungswillens nicht nur in der Stilisierung des Rahmens veranschlagt (beide Autoren sehen das Problem); denn die Schreiben sind von vornherein als Teil eines (brieflich gerahmten) Buches konzipiert worden. Daß der Verfasser dabei auf bestimmte Formen zurückgreift, die seinen Botschaften das Gewicht prophetischer Äußerungen verleihen sollen, ist möglich. Die Sendschreiben beanspruchen, Rede des erhöhten Christus bzw. des Geistes zu sein (z.B. 2,1.7). A.P. VAN SCHAIK möchte in Analogie zu solcher Christusrede im Blick auf Apk 14 von einer „Engelrede“ sprechen und bezeichnet dies Kapitel als „prophetische Predigt“.

Eine Zusammenstellung der Aussagen, die aus der Apk zur Prophetie zu gewinnen sind, bietet M.E. BORING; er ist sich aber der Problematik bewußt, Rückschlüsse auf die urchristliche Prophetie zu ziehen. Tatsächlich dürfte hier die Hauptschwierigkeit liegen. 18 Bezeichnend sind etwa P. VIELHAUERS Ausführungen (in: E. Hennecke – W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II, 41971, 426f), wonach in der Apk Prophetie und Apokalyptik eine Verbindung eingehen. „Aber die Propheten waren nicht hauptberuflich Apokalyptiker, sondern charismatische Leiter der Gemeinden, und der Seher Johannes hat die Apk. nicht in seiner Eigenschaft als Prophet verfaßt – denn die andern von ihm erwähnten Propheten schreiben keine derartigen Bücher –, sondern auf den direkten Befehl des Erhöhten, und d.h. nun doch: mit echt prophetischem Selbstbewußtsein“. Auch für ihn ist Johannes „echter Prophet“ (a.a.O., 439). Vgl. zum Problem G. DAUTZENBERG, Urchristliche Prophetie, BWANT VI/4 (104), 1975, 18ff.

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6.2 Gemeindesituation Sieht man in Johannes einen Propheten – obgleich er sich selbst nie so nennt –, bleibt offen, inwieweit er als typisch gelten kann (anders etwa als D. HILL sehen ihn z.B. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apokalypsis, und D.E. AUNE als eher repräsentativ an) und in welcher Beziehung er zu den in seinem Werk erwähnten (vgl. bes. 22,9) Propheten steht. Damit verbunden ist die Frage nach seinem Verhältnis zu den angeschriebenen kleinasiatischen Gemeinden (zu diesem ganzen Komplex vgl. jetzt D.E. AUNE), die wiederum überleitet zu derjenigen nach der traditionsgeschichtlichen Einordnung der Apk. | Nach A. SATAKE (Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, 1966) beansprucht der Verfasser der Apk eine einzigartige Autorität den Propheten (den einzigen Amtsträgern) und der Gemeinde gegenüber, die insgesamt vom prophetischen Geist geprägt ist und ein besonderes judenchristliches Konventikel darstellt. Die Gemeindeordnung passe nicht zu den uns bekannten im kleinasiatischen Raum und habe ihre Wurzeln im frühesten Stadium der palästinensischen Urgemeinde. U.B. MÜLLER (Theologiegeschichte) dagegen hält „das Gemeindebild des Propheten Johannes“ für eine Wiedergabe lediglich der „eigene(n) Anschauung“, nicht des wirklichen Zustandes (31); es werde nicht auf Propheten in den Gemeinden Bezug genommen, vielmehr interessierten die Propheten „nur als die Offenbarer schlechthin“ (32), sei die Prophetie für Johannes „die einzige relevante Gemeindefunktion, auf die die Kirche sich in der letzten Zeit stützen muß“ (33). Als Verkündigung treibender Wanderprophet sei Johannes in die ihm von der Verfassungsstruktur her fremden Gemeinden gelangt. Seine charakteristischen Anschauungen (Gemeindevorstellung, akute Naherwartung, Menschensohnchristologie) weisen nach MÜLLER in den „syrisch-palästinische(n) Raum“ (47; auch die soziologische Verwandtschaft mit dem Gemeindebild der JohBriefe [dazu vgl. SATAKE, a.a.O., 15ff] werde von daher verständlich); in Übereinstimmung mit Tendenzen des zeitgenössischen kleinasiatischen Christentums stünden allerdings der Traditionsgedanke, die Gesetzesvorstellung und die in den Sendschreiben bekämpften Gegner. Gegen Satake und Müller, der das Verhältnis des Johannes zu den Gemeinden als das einer „spannungsreiche(n) Konfrontation zweier verschiedener Formen des Urchristentums“ (50) sieht, will E. SCHÜSSLER FIORENZA zeigen, daß sich die Apk durchaus einfügen läßt in „the theological context of Asia Minor that was greatly determined by Pauline and Post-Pauline theology“ (Apokalypsis, 127). Das gelte für die futurisch-apokalyptische Eschatologie und die Christologie, auch imitiere der Apk-Verfasser bewußt das paulinische Briefformular und sein prophetischer Anspruch sei dem des

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Paulus verwandt. In den Gemeinden jenes Raumes und jener Zeit sei noch Platz gewesen für Propheten und man habe sich Johannes als Führer einer Prophetengruppe vorzustellen, die in der Gemeinde mit einer anderen Prophetengruppe, den eine „realized eschatology“ verfechtenden Nikolaiten (vgl. DIES., Apocalyptic), um Einfluß auf die Gemeinden konkurriere. Sicher sind in der Apk „Denkformen dieser Zeit und dieses Raumes“ (MÜLLER, Theologiegeschichte, 15) anzutreffen. Aber weder seine die Sicht Satakes erheblich modifizierende Zuordnung des Johannes zu einem durch Zugeständnisse in der Gesetzesfrage zur Einflußnahme auf das übrige Christentum fähigen, durch Wanderpropheten vertretenen Judenchristentum noch der Versuch, die Apk gegen die vorherrschende Meinung näher an den paulinischen und nach-paulinischen Traditionskreis heranzurücken, ohne sie freilich für die „Schule des Paulus“ reklamieren zu wollen (SCHÜSSLER FIORENZA), scheinen mir überzeugend begründet zu sein. Wie aussagekräftig kann in dieser Hinsicht etwa der Verweis auf die apokalyptisch geprägte Eschatologie sein? Welche eindeutigen Schlüsse erlauben Charakterisie|rungen der Gegner (eine einheitliche Front in allen Gemeinden?) als enthusiastisch, gnostisch, synkretistisch, doketisch o.ä. (zu den Gegnern vgl. z.B. B.M. NEWMAN, Rediscovering the Book of Revelation, 1968; KRAFT, 70ff.87ff; MÜLLER, 21ff; SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic), Strömungen, die doch nicht nur im Bereich der „Nachwirkungen paulinischer Theologie“ (MÜLLER, 26) festzustellen sind? Über die eigene Gemeindevorstellung des Johannes (und ob sie mit der tatsächlich existierenden kollidiert) läßt sich wenig sagen, über sein Verhältnis zu den sieben Gemeinden einigermaßen sicher kaum mehr, als daß er mit hohem Selbstbewußtsein (z.B. 22,18f) und unter Inanspruchnahme prophetischer Autorität Einfluß nehmen will, in den Gemeinden jedoch keineswegs unumstritten ist.

6.3 Beziehungen zum „johanneischen Kreis“ Die erwähnten Punkte gestatten es jedenfalls, die durch einen Teil der altkirchlichen Überlieferung vorgegebene Zuordnung der Apk zur übrigen johanneischen Literatur in die Erwägungen über den theologiegeschichtlichen Ort dieses Werkes einzubeziehen, was – da eine Verfasseridentität ausscheidet – nur in Form der Frage nach einer Beziehung der Apk zum johanneischen Kreis geschehen kann. Sofern man einerseits überhaupt signifikante Berührungen zugesteht, andererseits aber nicht durch die bloße Auflistung von „Gemeinsamkeiten“ unzureichend begründet die Apk pau-

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schal dem johanneischen Schrifttum zuweist, wird in der neueren Literatur Art und Weise dieser Beziehung recht unterschiedlich eingeschätzt. E. SCHÜSSLER FIORENZA (Quest), die einige häufig als besonders auffällig bezeichnete „linguistic and theological affinities“ (403) zwischen der Apk und dem JohEv untersucht (und sich, weil ein Vergleich des Vokabulars und des Stils wenig ergiebig ist, im wesentlichen auf die christologischen Titel „Lamm“ und „Logos“ sowie gemeinsame Bilder konzentriert), findet in der Apk zwar Spuren johanneischer Tradition, kann aber keine direkte literarische Abhängigkeit entdecken. Sie will den Apk-Verfasser nicht der johanneischen, sondern einer prophetisch-apokalyptischen Schule zuordnen, die auch Zugang vor allem zu paulinischer Tradition hatte. Da gegen Ende des 1. Jh. in Kleinasien mehrere Schulen nebeneinander bestanden hätten, könne johanneisches Gut über einen dialektischen Austausch theologischer Gedanken zwischen den Schulen in die Apk gelangt sein (vgl. auch SCHENKE/FISCHER 300f). Erheblich engere Verbindungen sieht O. BÖCHER (Verhältnis; Johanneisches), der auch die JohBriefe in die Betrachtung einbezieht. Für ihn „muß“ – geht man von unterschiedlichen Verfassern aus – „der Umfang der Übereinstimmungen und Parallelen überraschen“ (Johanneisches, 316), und „(a)m erstaunlichsten und vielleicht auch bedeutsamsten sind die Berührungspunkte im Bereich der Eschatologie“ (317; SCHÜSSLER FIORENZA spricht, wie viele andere, von gegensätzlichen eschatologischen Optionen). Tatsächlich bietet BÖCHER eine beeindruckend breite Materialsammlung, die allerdings Beobachtungen von höchst unterschiedlichem Ge|wicht vereint. Nicht zu leugnende Unterschiede „gerade im nahe Verwandten“ (Verhältnis, 293) glaubt er (ähnlich wie E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, 19703, 202f: Logos [JohEv] – Mythos [Apk]) auf die mehr abstrakt-begriffliche Darstellungsweise des Evangelisten und die mehr bildhaft-massive des Apk-Verfassers zurückführen zu können. BÖCHER rechnet mit einer aus einem „prophetisch-apokalyptische(n) Judenchristentum palästinischer Prägung“ stammenden gemeinsamen Tradition, „die von der Apokalypse offenbar treuer bewahrt, vom Evangelium jedoch stärker verändert wurde“ (Johanneisches, 319; KRAFT, 10 hält aufgrund „gewisse(r) Verwandtschaften“ „eine Herkunft aus demselben Kreis“ für wahrscheinlich, belegt das aber im Kommentar nur durch gelegentliche Verweise). Weder der Versuch SCHÜSSLER FIORENZAS noch der BÖCHERS können in methodischer Hinsicht befriedigen; sie bleiben letztlich jener Art des Vergleichens verhaftet, die an der Verfasserfrage orientiert war, und nehmen (aus unterschiedlichen Gründen) nicht die durch die Existenz des johanneischen Kreises – literarisch greifbar in den Schichten des JohEv und in den JohBriefen – neu eröffneten Fragemöglichkeiten wahr.

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Erkennt man „Johanneisches“ in (vielleicht ja nur einer [redaktionellen?] Schicht) der Apk, könnte und müßte gefragt werden, ob dieses in seiner Apk-Ausprägung mit den Tendenzen, die für den johanneischen Kreis charakteristisch sind, in Einklang zu bringen ist, in diesem Bereich aufweisbaren Stadien zugeordnet werden kann oder dort angelegte Linien auszieht. Daß dieser Weg erfolgversprechend sein kann, dürfte S. SCHULZ gezeigt haben, für den sich die Apk „sehr gut“ in jene theologiegeschichtliche Entwicklung einfügt (249), was er vor allem in bezug auf die Eschatologie einleuchtend darzustellen vermag. Unter diesem Aspekt wäre das bei SCHÜSSLER FIORENZA besprochene und (kritisch gesichtet) das von BÖCHER gesammelte Material zu überprüfen (solche unerläßlichen Einzeluntersuchungen des johanneischen Gutes der Apk hat sich Schulz erspart). Ob dann beispielsweise eine Analyse der Worte vom lebendigen Wasser bzw. Wasser des Lebens (Joh 4,10.13f; 7,37–39; Apk 7,16f; 21,6; 22,1.17) nur den Schluß zuließe, in der Apk sei ein traditionsgeschichtlich älteres Stadium erkennbar (F. HAHN, Worte), zumal wenn man bedenkt, daß eine im Vergleich traditionsgeschichtlich älter erscheinende Ausformung eines Motivkomplexes hinsichtlich ihrer – von bestimmten Interessen geleiteten – literarischen Verwendung durchaus jünger sein kann?

7. Zur „Politischen Theologie“ der Apokalypse Ist es die Absicht der Apk, die Christen „zu treuem Ausharren und bekennendem Zeugnis zu stärken“ (P. VIELHAUER, 504), und schildert sie „eine Entscheidungssituation der Gemeinde, nämlich eine Entscheidung zwischen Christus und Satan, christlicher Gemeinde und heidnischer Weltmacht“ (505), sind vor dem zeitge|schichtlichen Hintergrund die politischen Implikationen der von Johannes verfochtenen kompromißlosen Haltung evident. Aus diesem Grund ist der Apk „in den letzten Jahren eine etwas fragwürdige Rehabilitation zuteil“ geworden (J. ELLUL, 3). Mit neutestamentlich einzigartiger Schärfe wird die Weltmacht Rom attackiert (W. BOUSSET [vgl. Anm. 1] 137: „Selten wohl ist eine so entschlossene, fulminante Streitschrift gegen ein herrschendes System geschrieben wie in diesem merkwürdigen Buch.“). Die einschlägigen Äußerungen wären noch zu harmlos charakterisiert, würde man sie „als militante Fortsetzung von Apg. 5,29 verstehen“ (K. ALAND, Verhältnis, 82/215); denn der dortige Grundsatz will für mögliche Konfliktfälle gelten, denkt aber nicht – wie die Apk – von einem jegliche friedliche Koexistenz ausschließenden Gegensatz prinzipieller Art her.

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E. SCHÜSSLER FIORENZA (Religion) leitet aus dieser – sich auch im Gebrauch von „Herrschafts“-Ausdrücken (z.B. 5,10; 11,15/16,10; 17,17f) im Blick auf beide Antagonisten niederschlagenden – Sicht ab, Johannes könne „Erlösung und Heil in gesellschaftlich-politischen Kategorien begreifen“, und folgert, er versuche, „christliche Erlösung und christliches Heil als politische und irdische Realität zu verstehen“ (271). Das ist allzu verkürzt formuliert. Zwar proklamiert Johannes den bereits feststehenden Sieg Gottes und des Lammes und verpflichtet seine Leser auf das durch Christus erworbene Heil, er weiß aber sehr wohl, daß die Gläubigen gegenwärtig „im noch sichtbaren Triumph des Antichristen zu leben“ haben (E. KÄSEMANN, 241), dies ihre politische und irdische Realität ist, sie deshalb nur diejenigen sein können, „(d)ie da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“ (243). In dieser Situation kennt die Apk nur das Ausharren, die Geduld (14,12; vgl. 13,10). Zu „Wegbereitern“ einer neuen Erde (ebd.) werden die Christen allenfalls durch das zu erleidende Martyrium (findet man mit A. YARBRO COLLINS, Perspective, 252, in 6,9–11 einen „certain synergism“ ausgedrückt). Diese Ethik ist christologisch geprägt (P. LAMPE, 96ff); die Versicherung, in anderer Situation – wenn realistische Einschätzung der Verhältnisse nicht zur Erkenntnis der Ohnmacht führt – müsse die ApkChristologie „nicht automatisch wieder weitgehende Passivität implizieren“ (98) und würde etwa ein Aktiv-Werden „im Sinne der ‚Minimierung von Unfreiheit und Gewalt‘“ (109) gestatten, zeigt, wie wenig die Apk selbst irgendwelchen Konzeptionen der menschlichen Weltverbesserung entgegenkommt. D. GEORGI sieht in 21,9ff einen Beleg für eine von der Apk gebotene „politische Theologie“, näherhin „das Angebot einer heilen städtischen Welt“, bei dem es „nicht um die Beschreibung von Sankt Nimmerlein, sondern um die konkrete Herausforderung der Gegenwart durch das prophetische Perfekt“ gehe (352). Nur darf das nicht vergessen lassen, daß die Visionen des Johannes vom neuen Jerusalem im Rahmen eines Entwurfs angesiedelt sind, der – wie auch diese Visionen (21,8.27) – keineswegs „auf einen uneingeschränkten Heilsuniversalismus hinaus“ (358) will und dem zufolge die alte Welt die neue nicht aus sich heraussetzt, sondern zuerst vergehen muß (21,1ff). Wird so die Welt, der im Siegeslied auf Gott und das Lamm schon jetzt der Abgesang erklingt, von Johannes auf provozierende | Weise als etwas Vorletztes gesehen – und zugleich in ihrer (gottfeindlichen) Realität äußerst ernst genommen, könnte vielleicht darin ein bedenkenswerter Beitrag der Apk zur „Bildung eines theologisch gegründeten kritischen politischen Bewußtseins“ bestehen (woran nach 371 Anm. 90 dem Apk-Verfasser gelegen ist).

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8. Offene Fragen Der unverkennbare Aufschwung der Apk-Forschung in den letzten Jahren (der in seiner Breite auch gut in den 18 Beiträgen des von J. LAMBRECHT herausgegebenen Sammelbands abzulesen ist) hat es mit sich gebracht, daß kaum ein wichtiges Problemfeld unbearbeitet geblieben ist, allerdings oft mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet worden sind. An Aufgaben für die künftige Forschung herrscht deshalb kein Mangel; O. BÖCHER (EdF, 24f) und U. VANNI (43ff) haben einige genannt. Ich beschränke mich abschließend auf wenige, mir besonders wichtig erscheinende Punkte. Es besteht zunehmend die Tendenz, statt vom „Apokalyptiker“ vom „Propheten Johannes“ zu reden. Art und Umfang seiner Verwurzelung in der (urchristlichen) Prophetie können aber längst noch nicht als geklärt gelten; das trifft ebenso auf die Frage zu, wo er theologiegeschichtlich im Urchristentum zu lokalisieren ist, ob er überhaupt eindeutig einem, und wenn, welchem Traditionsbereich er zuzuordnen ist. Weil in sein Werk vielfältigste Überlieferungen aus mehreren Traditionsbereichen eingegangen sind, sollte man nur sehr behutsam von hier aus auf den Apk-Verfasser selbst zurückschließen. Dessen spezifisches theologisches Profil kommt am deutlichsten in den Passagen zum Vorschein, die einigermaßen sicher dem – wie man früher gern sagte – „Apokalyptiker letzter Hand“ zugeschrieben werden können, und in der von ihm verantworteten Gesamtkomposition. Sofern eine Unterscheidung von Tradition und Redaktion gelingt, die trotz neuerlicher Vorstöße in diese Richtung nicht mehr einfach in der Form der älteren literarkritischen Versuche erfolgen kann, müßte dem auch eine konsequente redaktionsgeschichtliche Apk-Auslegung entsprechen, die das Überlieferungsgut (auch das christliche) im Rahmen des vorliegenden Entwurfs würdigt und die genuinen Aussagen dieser Stoffe nicht unbesehen dem Apk-Verfasser unterstellt. Im Blick auf einen Großteil des von Johannes aufgenommenen und interpretierten „Materials“ ist die Warnung O. BÖCHERS verständlich, man dürfe „das Christianum der Apokalypse nicht zu früh entdecken wollen“ (EdF, 25). Da das Interesse der Exegeten immer schon in besonderem Maße religions- und traditionsgeschichtlichen Untersuchungen galt und dabei zumindest tendenziell die Gefahr besteht, daß die Frage nach dem „Material“ die nach dem daraus geformten Entwurf und seiner Theologie überlagert, schiene mir demgegenüber die Ermutigung angebracht, sich noch stärker als bisher dem „Christianum“ zuzuwenden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es vielen Christen (mit dem Luther der | Vorrede von 1522) schwerfällt, zu sehen, daß in diesem Buch tatsächlich Christus gelehrt und erkannt wird, wenn auch auf uns weithin fremde, mitunter befremdende Weise. Der sich hier zu Wort meldende theologische Entwurf, dem G. MAIER programmati-

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sche Bedeutung zumessen möchte (und zwar besonders dem selbst in der Apk am Rande stehenden Chiliasmus [20,1–6]; freilich verbunden mit der ein bemerkenswertes Sachkriterium offenbarenden Feststellung: „Das Interesse an der Apokalypse allein hat niemals eine revolutionäre Unruhe ausgelöst.“ [620]), ist kritischer Rückfrage nicht enthoben (vgl. K.M. FISCHER), gerade wenn man ihn als „christlich“ erkannt hat. (Abgeschlossen im Oktober 1982)

Der konservative Rebell Zum Widerstand des Diotrephes gegen den Presbyter* Günter Klein zum 12. Januar 1988

I. Es kann verlockend sein, sich in die Privatkorrespondenz anderer zu vertiefen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Doch häufig ist der Reiz nicht von langer Dauer, denn manches von dem, was man in fremden Briefen liest, ist banal, manches für den neugierigen Mitleser nur schwer oder gar nicht verständlich. Die kürzeste Schrift des Neuen Testaments, der 3Joh, ist ein solcher Privatbrief. Auch in diesem theologisch anspruchslosen Schreiben klingt einiges recht vertraut: Der Absender, ein namentlich unbekannter „Presbyter“, lobt den Empfänger Gaius, ermuntert ihn, in dem, was er tut, fortzufahren, empfiehlt ihm einen gewissen Demetrius und kündigt seinen eigenen Besuch an. Andererseits gibt es in dem der Form nach ganz konventionellen Brief 1 einen Passus, der den in die Zusammenhänge uneingeweihten späteren Leser vor besondere Verständnisprobleme stellt. In zwei Sätzen (V. 9f) berichtet der Presbyter von seinem Konflikt mit einem Mann namens Diotrephes, den er knapp charakterisiert und dessen Taten er schildert; in den Augen des Presbyters sind es gegen ihn und gegen die ihm verbundenen Brüder gerichtete Untaten. Was bei einem ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Allerweltsbrief die Lust an der Lektüre verleiden oder in Anbetracht der möglicherweise verhandelten „scandala intima“ 2 ein Gefühl der Peinlichkeit hervorrufen könnte, hat bei diesem Schreiben, das – wenn auch mit Mühe – in den Kanon gelangte, erst recht das Interesse der Exegeten erregt. Mit ebensoviel Scharfsinn wie Phantasie haben sie die spärlichen | Hinweise des Briefes zu bunten Szenarien ausgestaltet. Der Streit wurde als kirchenrechtliche oder als dogmatische Kontroverse oder eher als persönliche Querele oder aber einfach als Ergebnis eines * Geringfügig erweiterte und mit Anmerkungen versehene Probevorlesung, gehalten in Münster am 11. 7. 1986. (Zuerst veröffentlicht in: ZNW 78, 1987, 267–287.) 1 Vgl. dazu R.W. FUNK, The Form and Structure of II and III John, JBL 86, 1967, 424ff; R.E. BROWN, The Epistles of John, AncB 30, 1982, 788ff. 2 E. KÄSEMANN, Ketzer und Zeuge. Zum johanneischen Verfasserproblem, in: Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 41965, 172, der mit diesem Stichwort eine ältere Betrachtungsweise der im 3Joh thematisierten Vorgänge charakterisiert.

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Mißverständnisses gedeutet; und entsprechend hat man den beiden Protagonisten der Auseinandersetzung, dem Presbyter und Diotrephes, abwechselnd die Rollen mehr oder weniger bedeutender, anmaßend, vielleicht aber bloß pflichtbewußt agierender Amts- oder sonstiger Autoritätspersonen zugewiesen, zeichnete sie als Vertreter der Orthodoxie oder – zu Recht oder Unrecht – der Ketzerei Verdächtigte. Nicht alle Versuche, Licht in die dunkle Affäre zu bringen, können hier vorgestellt werden. 3 Ich beschränke mich auf Hauptstränge der angebotenen Problemlösungen. A. Harnack sieht in dem Presbyter den Leiter einer patriarchalischen, die Provinz Asien umfassenden Missionsorganisation, der nicht nur selbst die Gemeinden inspizierte, sondern auch durch von ihm ausgesandte und ihm berichtende Sendboten über sie die Aufsicht führte. 4 Gegen diese Organisation und die Herrschaft des Presbyters begehrte die Einzelgemeinde auf, „die zum Zweck ihrer Konsolidierung und strengen Abschliessung nach aussen den monarchischen Episkopat aus ihrer Mitte hervortreibt“. 5 Der „erste monarchische Bischof, dessen Namen wir kennen“, 6 sei jener Diotrephes. Harnacks kirchen- bzw. verfassungsrechtliche Erklärung wird heute nur noch in erheblich abgewandelter Form vertreten; denn die von ihm postulierte provinziale Missionsorganisation läßt sich aus den Texten nicht belegen, auch macht der Brief nicht den Eindruck, als reagiere hier jemand, der eine übergreifende und organisatorisch abgesicherte Funktion innehat, auf einen lokalen Aufstand. So vermuten umgekehrt H.-M. Schenke und K.M. Fischer, der Presbyter sei Gemeindeleiter in einer bedeutenderen Stadt, der die Einzelgemeinden seiner Region allererst organisatorisch verbinden wolle und dabei auf den Widerstand des lokalen Gemeindeleiters Diotrephes stoße, der sich gegen eine zentrale Reglementierung wehre. 7 Für E. Haen|chen dagegen ist der Presbyter lediglich „ein Gemeindeleiter, der sich […] für die Heidenmission auch auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde einsetzt und dabei mit deren Leiter Diotrephes in 3 Überblicke bei E. HAENCHEN, Neuere Literatur zu den Johannesbriefen, in: Die Bibel und wir, Ges. Aufs. II, Tübingen 1968, 282ff; BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 728ff; vgl. auch KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 170ff. 4 A. HARNACK, Über den 3. Johannesbrief, TU XV/3b, 1897, 16ff. 5 A.a.O., 21 (im Original hervorgehoben). Ob die von Harnack und anderen Autoren, deren Sicht ich im folgenden referiere, gebrauchte Wendung „monarchischer Episkopat“ die theologische Konzeption und tatsächliche Machtbefugnis des Bischofsamtes in den ersten drei Jahrhunderten zutreffend bezeichnet, muß bezweifelt werden; vgl. dazu G. SCHÖLLGEN, Monepiskopat und monarchischer Episkopat. Eine Bemerkung zur Terminologie, ZNW 77, 1986, 146–151. 6 HARNACK, ebd. (im Original hervorgehoben). 7 H.-M. SCHENKE/K.M. FISCHER, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments II, Gütersloh 1979, 226, die sich der Sicht von K.P. DONFRIED, Ecclesiastical Authority in 2 – 3 John, in: M. de Jonge (Hg.), L’Évangile de Jean, BEThL 44, 1977, 325–333, anschließen, der den Presbyter „not merely as a highly valued teacher, but as one in whom considerable ecclesiastical authority has been vested“, versteht (333).

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Konflikt gerät“, 8 jedoch, wie der Verzicht auf die Nennung seines Namens zeige, „sich als eine Autorität fühlt“.9 Diese Zurückstufung des Briefstellers verglichen mit der ihm bei Harnack zugeschriebenen hochrangigen Stellung geht einigen Auslegern zu weit. Sie betonen stärker das vom Presbyter beanspruchte gemeindeübergreifende Ansehen. Er schreibe den Brief nicht bloß als ein dem Diotrephes gleichrangiger Gemeindeleiter, sondern „als der Träger apostolischer Überlieferung, als den ihn alle kennen“,10 und der durchaus „noch diesseits jeder kirchlichen Verfassung“11 stehen könne. Herrscht hinsichtlich des Ranges und der Funktion des Presbyters kaum Einigkeit unter den Exegeten, so sind doch fast alle bereit, seinem Widersacher Diotrephes die zwar nicht unbedingt schon rechtlich verankerte, zumindest aber faktisch ausgeübte Stellung eines Gemeindeleiters zuzuerkennen. Diese Einschätzung teilt auch W. Bauer, der es allerdings für „sehr unwahrscheinlich“ hält, „daß es sich nur um persönliche Reibungen zwischen dem Ältesten und dem Diotrephes handeln sollte“. 12 Aus dem 2Joh, in dem der Verfasser entschlossen Irrlehrer bekämpft, und aus dem wiederholten Hinweis im 3Joh, die zum Absender haltenden Brüder befänden sich im Besitz der Wahrheit, schließt er auf eine dogmatische Auseinandersetzung, in der Diotrephes der Part des „Ketzerhauptes“ 13 zufällt. Doch im 3Joh ist nicht nur „keine deutliche Warnung vor Irrlehrern ausgesprochen“, wie Bauer einräumt; 14 hätte der Presbyter dem Diotrephes Irrlehre vorzuwerfen, müßte er gerade nach Ausweis des 2Joh ganz anders gegen ihn vorgehen, würde er sich nicht damit begnügen, ihm nur Abweisung und üble Nachrede anzukreiden, und dürfte nicht darauf hoffen, bei einem Besuch in der Gemeinde die Angelegenheit zu klären. | An diesem Schwachpunkt der Bauerschen Interpretation setzt E. Käsemann ein und läßt die beiden Kontrahenten ihre Plätze an der Front des Kampfes zwischen Orthodoxie und Häresie tauschen: Die Rechtgläubigkeit des Diotrephes sei offensichtlich nicht zu bezweifeln; seine drastischen Abwehrmaßnahmen gegen den Presbyter erwiesen ihn als monarchischen 8

HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 308. A.a.O., 310. 10 R. SCHNACKENBURG, Die Johannesbriefe, HThK XIII/3, 61979, 300. 11 Das vermutet H. V. CAMPENHAUSEN, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, BHTh 14, 1953, 132; ebenso z.B. G. BORNKAMM, ThWNT VI, 1959, 671f; I.H. MARSHALL, The Epistles of John, NIC, 1978, 13f. 12 W. BAUER, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BHTh 10,21964, 97. 13 Ebd. Daß der Sachverhalt in diese Richtung weise, wenngleich die These Bauers überzogen sei, meint auch H. THYEN, Entwicklungen innerhalb der johanneischen Theologie und Kirche im Spiegel von Joh. 21 und der Lieblingsjüngertexte des Evangeliums, in: M. de Jonge (Hg.), L’Évangile de Jean (s. Anm. 7), 298. 14 BAUER, ebd. 9

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Bischof, „der sich einem Irrlehrer gegenübersieht und dementsprechend handelt“. 15 In den Verdacht der Ketzerei sei der Briefautor als Vertreter der Johanneischen Theologie geraten, die dem Bischof als gnostisch suspekt erscheine; von diesem exkommuniziert, habe der Presbyter aber „dem Verdikt der Orthodoxie zum Trotz an seinem Titel wie an seiner Arbeit festgehalten und einen eigenen kirchlichen Verband mit eigener Heidenmission neben der rechtgläubigen Gemeinde organisiert, ohne die Hoffnung und den Willen fahren zu lassen, zu einem Ausgleich mit der Gegenseite zu gelangen“. 16 Käsemanns Rekonstruktion der Vorgänge mußte bei jenen Exegeten auf Ablehnung stoßen, die in dem Brief keinerlei Anhaltspunkte für einen dogmatischen Dissens der Parteien entdecken und sich nicht vorstellen können, daß der Presbyter in den Ruf eines Irrlehrers gekommen sei.17 Andere tragen nur Bedenken, Käsemanns „dramatische […] Ausgestaltung“ 18 des Konflikts nachzuvollziehen, meinen aber, die von Diotrephes ergriffenen Maßnahmen wiesen auf einen von diesem vorgebrachten Häresieverdacht. 19 Mit dieser Deutung kann auch der ältere kirchenrechtliche Lösungsansatz verbunden werden, sei es, daß man – wie P. Vielhauer – die dogmatische Kontroverse als den Hintergrund eines Streits um Einflußgebiete betrachtet, der dadurch erst seine Schärfe erhalte, 20 sei es, daß man – wie K. Wengst – damit rechnet, die Lehrdifferenzen seien vorgeschoben, weil die keine hierarchische Struk|tur kennenden Johanneer eine Herausforderung für den aufkommenden monarchischen Episkopat in der Person des Diotrephes dargestellt hätten. 21 Auch R.E. Brown vermutet im Irrlehrerproblem das auslösende Moment des Zwistes, doch sieht er beide, den Presbyter und Diotrephes, auf der gleichen, der johanneisch-rechtgläubigen Seite kämpfen. Der Presbyter, ein Mitglied des Kreises der Traditionsträger der johanneischen Schule, habe 15

KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 174. A.a.O., 177. 17 Z.B. HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 297ff; SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 299f; SCHENKE/FISCHER, a.a.O. (s. Anm. 7), 225; MARSHALL, a.a.O. (s. Anm. 11), 12f; BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 737. 18 P. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin/New York 1975, 479 Anm. 5. 19 Z.B. R. BULTMANN, Die drei Johannesbriefe, KEK XIV, (1)71967, 99f; VIELHAUER, a.a.O. (s. Anm. 18), 479f; vgl. noch mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung W. LANGBRANDTNER, Weltferner Gott oder Gott der Liebe, BET 6, 1977, 396ff; W. MARXSEN, Einleitung in das Neue Testament, Gütersloh 41978, 274f; K. WENGST, Der erste, zweite und dritte Brief des Johannes, ÖTBK 16, 1978, 234f; G. SCHUNACK, Die Briefe des Johannes, ZBK.NT 17, 1982, 110. – Läßt man sich auf diese Sicht des Konflikts ein, liegt es näher, wie WENGST, ebd., zu vermuten, der Presbyter werde von Diotrephes den durch 1 und 2Joh bezeugten johanneischen Irrlehrern zugeordnet, als zu unterstellen, Diotrephes denke über die johanneische Theologie wie manch späterer Ausleger (so VIELHAUER, a.a.O., 480). 20 VIELHAUER, ebd.; ähnlich BULTMANN, a.a.O. (s. Anm. 19), 99f. 21 WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 233ff. 16

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noch im 1Joh zur theologischen Auseinandersetzung mit den Häretikern aus den eigenen Reihen geraten, im 2Joh aber schon jede Berührung mit ihnen verboten. Diese Politik verfolge Diotrephes, Gastgeber einer johanneischen Hausgemeinde, weiter; um aber ganz sicher zu gehen, daß die Gemeinde von der gefährlichen Lehre völlig unbeeinflußt bleibe, verweigere er nun allen Wanderpredigern, darunter auch den mit dem Presbyter liierten, die Aufnahme und beanspruche damit zumindest implizit die Rolle eines Lehrers, für die in der reinen johanneischen Lehre kein Platz sei.22 Diese elegante Lösung Browns kommt ohne die Annahme eines grundsätzlichen Konflikts aus und ersetzt den despotischen, gerissen seine Stellung verteidigenden Bischof Diotrephes anderer Konzeptionen durch einen eher tumben, übereifrigen Praktiker der Ketzerabwehr, der mehr in ein bischöfliches Amt abgleitet, als daß er es erstrebt oder gar erkämpft. Diesen vielfältigen Lösungsvorschlägen eine weitere, auch nur einigermaßen plausible Variante hinzuzufügen, scheint kaum möglich zu sein und könnte zudem als Zeichen einer ungehemmten exegetischen Hypothesenfreudigkeit gewertet werden. Für den von mir trotzdem unternommenen Versuch sollen die anschließenden methodischen Erwägungen eine erste Rechtfertigung liefern.

II. Es wundert nicht, wenn die Ausleger geneigt sind, die knappen Angaben des 3Joh durch solche aus den übrigen johanneischen Schriften und aus anderer urchristlicher Literatur zu ergänzen. Das betrifft zunächst die Person des Presbyters. E. Käsemann z.B. fiel es leicht, ihn als jemanden darzustellen, der als Gnostiker verschrien war, weil er ihn mit dem Verfasser des JohEv identifizierte. 23 Daß dies zu Unrecht geschah, hat Käsemann | schon bald selbst erkannt. 24 Mit R.E. Brown und anderen zumindest auf den 1Joh als Ausdruck der vom Presbyter vertretenen johanneischen Lehre zurückzugreifen, ist mit kaum geringeren methodischen Risiken behaftet. Denn ob dies Schreiben vom gleichen Verfasser wie die beiden kleinen Briefe stammt, muß beim heutigen Forschungsstand als höchst zweifelhaft gelten.

22

BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 738. KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 174 mit Anm. 23. 177ff (177: „Meine These wird ja aufs stärkste von der Verkündigung dieses Mannes her gestützt. Sie fügt sich vortrefflich zum Nachweis des bedeutsamen gnostischen Einschlages in den johanneischen Schriften ...“). 24 E. KÄSEMANN, Zur Johannes-Interpretation in England, in: Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen 31968, 133 Anm. 1. 23

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M.E. überwiegen bei weitem die Indizien, die dagegen sprechen; 25 einige von ihnen werden später zur Sprache kommen. Das JohEv und der große Brief können deshalb nur als literarische Zeugnisse des theologisch keineswegs homogenen Gemeindeverbandes herangezogen werden, dem der Presbyter ohne Zweifel selbst angehört. Über ihn gibt neben dem 3 allein der 2Joh Auskunft, der ebensowenig wie der 3Joh ein fiktives Schreiben ist. Für ein Kunstprodukt ist sein Ziel zu begrenzt, sein Inhalt zu dürftig; 26 er setzt allerdings den 1Joh voraus. 27 Bei der Auswertung des anderen vom Presbyter verfaßten Schreibens zur Rekonstruktion der dem 3Joh zugrundeliegenden Situation ist aber Vorsicht geboten, weil völlig unsicher ist, ob die Abfolge beider Briefe im Kanon die ihrer Entstehung wiedergibt. 28 Deshalb ist es problematisch, davon auszugehen, Diotrephes vollziehe nur – vielleicht allzu konse|quent – die vom Presbyter selbst gegebene Anweisung zum Umgang mit Häretikern, bzw. zu schließen, die von ihm verfolgte Strategie der strikten Abgrenzung deute darauf, daß die Irrlehrerfrage in der Auseinandersetzung eine entscheidende Rolle spiele, 29 oder aber zu vermuten, Diotrephes und die Seinen verstießen gegen das im 2Joh formulierte Liebesgebot. 30 Freilich kann und muß der 2Joh dazu dienen, den theologischen Standort des Presbyters und die von ihm wahrgenommene Funktion zu bestimmen. Die eigentümliche Selbstbe25 Vgl. die Zusammenstellung der wichtigsten Argumente bei WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 230f, auch R. BERGMEIER, Glaube als Gabe nach Johannes, BWANT 112, 1980, 200–203; anders aber z.B. SCHENKE/FISCHER, a.a.O. (s. Anm. 7), 215f. 26 So zu Recht WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 229f; vgl. noch THYEN, a.a.O. (s. Anm. 13), 296; BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 16; dagegen sehen BULTMANN, a.a.O. (s. Anm. 19), 10.103f, und J. HEISE, Bleiben. Menein in den Johanneischen Schriften, HUTh 8, 1967, 164ff, den 2Joh als Fiktion an. U.H.J. KÖRTNER, Papias von Hierapolis, FRLANT 133, 1983, 198ff, hält wieder (ältere Vertreter dieser Auffassung: a.a.O. 330f Anm. 3) beide Briefe des Presbyters für fiktive Schreiben. Doch weder ist 2Joh geeignet, „in der Form eines echt wirkenden Briefes“ dem 1Joh (und dem JohEv) Anerkennung zu verschaffen, wie KÖRTNER (201) meint, noch schildert 3Joh „eine transparente Konfliktsituation“, nämlich die Ablehnung der „johanneischen“ Theologie (ebd.); vgl. dazu unten S. 274f (in diesem Bd. S. 65f). 27 Die kleinen Briefe sind nach dem 1Joh entstanden; darauf weisen die Unterschiede im sachlich Verwandten (mit WENGST, a.a.O. [s. Anm. 19], 230.235) und die deutliche Verhärtung in der Auseinandersetzung mit den Irrlehrern (vgl. unten S. 283f [= S. 74f]); anders G. STRECKER, Die Anfänge der johanneischen Schule, NTS 32, 1986, 34ff. 28 Zu dieser Frage vgl. BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 30f. Daß der 3Joh 9 erwähnte frühere Brief des Presbyters der 2Joh ist (so erneut STRECKER, a.a.O. [s. Anm. 27], 37), läßt sich nicht belegen, ist eher unwahrscheinlich (vgl. HARNACK, a.a.O. [s. Anm. 4], 10 Anm. 1; HAENCHEN, a.a.O. [s. Anm. 3], 307). Thyens anderslautende Meinung (a.a.O. [s. Anm. 13], 298) beruht auf der Vermutung, die Aufforderung zum Erweis gegenseitiger Liebe in 2Joh 4–6 müsse sich auf „deren Konkretion in der Aufnahme der Boten des Alten beziehen“ (ebd.; in Anlehnung an LANGBRANDTNER, a.a.O. [s. Anm. 19], 400–402; dazu vgl. aber unten S. 281 [= S. 72f]). Damit setzt er eine äußerst enge Beziehung zwischen beiden Briefen voraus, ohne sie jedoch aufweisen zu können. 29 So z.B. BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 738. 30 Vgl. z.B. SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 328; MARSHALL, a.a.O. (s. Anm. 11), 90.

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zeichnung „presbyteros“ ohne Zusatz eines Namens oder eines Ortes ist nur in diesem Zusammenhang aussagekräftig. Schließlich sollte man nicht voreilig die in anderen urchristlichen Traditionsbereichen bezeugten Gemeindeverhältnisse und -strukturen als Analogien heranziehen und insbesondere die Stellung des Diotrephes von dorther erklären. Erwägungen, ob man sich ihn etwa entsprechend dem PresbyterBischof der Pastoralbriefe oder eher im Sinne des Einzelbischofs der Ignatianen vorzustellen habe, 31 trüben leicht schon den Blick für den exegetischen Befund. Diesen methodischen Überlegungen Rechnung tragend, werde ich im folgenden beim 3Joh einsetzen und einige verbreitete Interpretationsmuster in Frage stellen, den 2Joh als eine Quelle betrachten, die weitere Aufschlüsse über den Absender auch des 3Joh gestattet, und beide Schriften als Dokumente der Geschichte des Johanneischen Kreises würdigen.

III. Für einige Ausleger zeigt die Haltung des Diotrephes an, daß er einer ganz anderen theologischen Tradition als der Presbyter verpflichtet ist, ihm dieser und dessen Wandermissionare suspekt erscheinen, weil sie Johanneer sind. 32 Ich halte diese Sicht bereits im Ansatz für verfehlt. Sie muß unterstellen, die Gemeinde, in der Diotrephes lebt, gehöre nicht dem Johanneischen Gemeindeverband an oder beherberge nur eine johanneische Minderheit. Für diese Auffassung darf man sich nicht auf die vom Presbyter in 3Joh | V. 9 und V. 10 verwendete 1. Pers. Pl. stützen: „er erkennt uns nicht an“ (V. 9) bzw. „er verleumdet uns“ (V. 10). Denn hier liegt ein schriftstellerischer Plural vor, 33 nicht anders als in V. 12b; dort ist das „und auch wir legen Zeugnis ab“ nach V. 12a („von allen ist Zeugnis abgelegt“) sicher nicht auf alle Mitglieder des johanneischen Gemeindeverbandes zu beziehen. Will man aber im Gebrauch des Plurals in V. 9f mehr als bloß ein Stilmittel sehen, wäre allenfalls erwägenswert, das „wir“ auf den Autor und diejeni31 Vgl. dazu das Referat bei BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 732ff, und sein Urteil: „Diotrephes is on his way to become a presbyter-bishop in the style of the Pastorals, or even the sole bishop in the style of Ignatius“ (738). Auch im Blick auf den Presbyter wird nicht selten nach urchristlichen Analogien gesucht, vgl. etwa HARNACK, a.a.O. (s. Anm. 4), 17f, und DONFRIED, a.a.O. (s. Anm. 7). 32 So KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 177ff, und jene, die Käsemanns These zumindest im Kern für zutreffend halten, wie die oben Anm. 19 Genannten. 33 Mit SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 327. A. HARNACK, Das „Wir“ in den Johanneischen Schriften, SPAW.PH 1923, 98f, denkt an einen Pl. autorit.

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gen seiner Gefolgsleute zu deuten, die von dem ausgebrochenen Konflikt in Mitleidenschaft gezogen sind; eine Ausweitung auf den ganzen johanneischen Kreis 34 jedoch ist durch nichts gerechtfertigt. Die Ablehnung gilt allein dem Presbyter und seinen Abgesandten. Die Vermutung, Diotrephes und der ihm ergebene Teil der Gemeinde sperre sich generell gegen Einflüsse des johanneischen Christentums, ist nicht hinreichend zu begründen; im Gegenteil: Diotrephes und seine Anhänger sind selbst Johanneer. 35 Darauf führt eine Reihe von Texthinweisen: Der Presbyter hat in der Vergangenheit der Gemeinde schon einmal geschrieben (V. 9a), ging also davon aus, auf sie einwirken zu können. Sein jetziger Adressat Gaius ist allem Anschein nach Glied dieser Gemeinde.36 Was der Autor von ihm erwartet, ist nichts anderes, als was er sich auch von der Gemeinde insgesamt erhoffte, aber von Diotrephes offenbar mit einigem Erfolg verweigert wird: die Aufnahme der wandernden Brüder (V. 5–8.10). Dabei handelt es sich um eine Verpflichtung, die nach Meinung des Presbyters von johanneischen Christen, den „wir“ von V. 8, 37 zu erfüllen ist. Außerdem glaubt er, bei einem Besuch in der Gemeinde die Angelegenheit in seinem Sinne klären und Diotrephes zur Rede stellen zu können; er will es offenkundig nicht zu einem endgültigen Bruch kommen lassen, auch nicht mit seinem Gegenspieler in der Gemeinde. Dies sind eindeutige Anzeichen, daß hier nicht ein Außenstehender auf ein theologisch anders geprägtes kirchliches Terrain vorstößt, vielmehr rechnet er damit, in der | ganzen Gemeinde, nicht nur bei seinem Vertrauten Gaius, Gehör zu finden. Der ihm entgegengebrachte Widerstand, personifiziert in Diotrephes, ist nicht „konfessioneller“ Art. Zwar kennzeichnet er in V. 11 ein Handeln wie das seines Gegners als defizient, gemessen an den Kriterien des johanneischen Christentums, was nach V. 8 nicht überrascht, vermeidet es aber zugleich, Diotrephes indirekt mit Irrlehrern und Weltmenschen auf eine Stufe zu stellen. 38 Alles weist demnach darauf hin, daß zwi34

So WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 248. Das setzt auch BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 736ff, voraus. 36 Gegen diese sich vom Kontext her nahelegende Sicht (vgl. VIELHAUER, a.a.O. [s. Anm. 18], 478) spricht nicht, daß „der Presbyteros den Gaius über das Verhalten des Diotrephes unterrichtet, das dieser doch aus eigener Anschauung besser kennen mußte als der Briefschreiber“ (ebd.). Warum sollte der Presbyter nicht seinen eigenen Kenntnisstand und seine Einschätzung ihn selbst betreffender Vorfälle resümieren, die sich im Lebensbereich des Adressaten zugetragen haben? Wenn er Gaius darüber hinaus zu einem Verhalten ermutigt, das Diotrephes bekämpft, muß auch dies nicht auf eine räumliche Distanz des Gaius zu der Gemeinde des Diotrephes weisen (gegen BROWN, a.a.O. [s. Anm. 1], 729f), sondern läßt sich vor dem Hintergrund der Verhältnisse in einer Gemeinde erklären (vgl. unten S. 276ff [= S. 67ff]). 37 BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 713, zu Recht: „we Johannine believers“. 38 Gegen H. BALZ, Die Johannesbriefe, in: Die „Katholischen“ Briefe, NTD 10, 1(11)1973, 215. Gaius soll nicht das Schlechte, sondern das Gute nachahmen (V. 11a), konkret: Er soll nicht wie Diotrephes handeln, die Wanderprediger nicht abweisen. Die anschließende Sentenz „Wer Gutes 35

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schen Diotrephes und dem Presbyter ein innerjohanneischer Konflikt ausgetragen wird. Ein Teil der Gemeinde entzieht sich der Einflußnahme des Presbyters, weshalb dieser sich seines Gefolgsmannes Gaius versichert und demnächst noch persönlich intervenieren will (V. 10.14). Hinsichtlich der Stellung des Diotrephes läßt sich ein weitreichender Konsens der Exegeten etwa folgendermaßen umschreiben: Diotrephes will nicht nur der Erste in der Gemeinde sein, er ist es auch tatsächlich, hat also das Amt eines Bischofs inne. Für diese Annahme beruft man sich auf die Bezeichnung oJ filoprwteuvwn aujtw`n, mit der der Presbyter seinen Kontrahenten belegt (V. 9), und auf die dem Diotrephes zugeschriebenen, in V. 10 geschilderten Maßnahmen. Doch m.E. nötigt beides nicht zu dem verbreiteten Urteil. 39 | Das Verb filoprwteuvein ist sonst nur bei Schriftstellern nachgewiesen, die von dieser Stelle im 3Joh abhängig sind. 40 R. Bultmann erwägt deshalb, ob es vielleicht eine Bildung des Verfassers sei, „durch die er herabsetzend den wirklichen Titel des Diotrephes vermeidet bzw. ersetzt, nämlich den Titel ejpivskopo~“. 41 Im Rahmen der Polemik eines Abgewiesenen soll das Wort sicher herabsetzen. Daß damit aber eine ausgeübte Gemeindeleiterfunktion attackiert wird, ist dem Ausdruck selbst nicht zu entnehmen; ob eine solche aus V. 10 zu erschließen ist, wird noch zu prüfen sein. Allerdings kritisiert der Presbyter die Rolle, die Diotrephes in der Gemeinde spielt, den Einfluß, den er hat und der ausreicht, die Bemühungen des Prestut, ist aus Gott, wer Schlechtes tut, hat Gott nicht gesehen“ (V. 11b) wertet das Verhalten, zu dem der Absender Gaius bewegen will, und dasjenige, dem er nicht nacheifern soll. Die Gegenüberstellung des „Aus-Gott-Seins“ und des „Gott-nicht-gesehen-Habens“ ist nur in ihrem ersten Teil johanneischer Tradition verpflichtet. Nach 1Joh 3,10; 4,4.6 wird damit der Täter des Guten als tadelloser johanneischer Christ charakterisiert. Die Formulierung im zweiten Teil dagegen überrascht in doppelter Hinsicht. Zum einen böte es sich hier entsprechend ähnlichen Aussagen im großen Brief an, als Alternative des „Aus-Gott-Seins“ von einem „Nicht-aus-Gott-Sein“ oder einem Sein aus dem Teufel (1Joh 3,8–10) oder aus der Welt (1Joh 4,4) zu sprechen. Zum anderen ist es in der johanneischen Tradition nicht vorgegeben, daß ein tatsächliches Gesehen-Haben Gottes durch einen Menschen behauptet werden könnte: vgl. 1Joh 4,12; Joh 1,18; 5,37; 6,46, auch 1Joh 3,6 (dazu WENGST, a.a.O. [s. Anm. 19], 250; SCHUNACK, a.a.O. [s. Anm. 19], 122). Mit dieser eigentümlichen Wendung, die der Tradition, der er und sein Adressat entstammen, ursprünglich fremd ist, gelingt es dem Briefautor, ein Handeln wie das seines Gegners im Kontrast zu dem von Gaius geforderten als falsch zu kennzeichnen, ohne aber Diotrephes den Irrlehrern oder Weltmenschen zuzuordnen; hielte er „ihn nicht für rechtgläubig, würde er ganz anders reden (vgl. 2Joh)“ (WENGST, ebd.). 39 Vgl. z.B. KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 173f; V. CAMPENHAUSEN, a.a.O. (s. Anm. 11), 133; BORNKAMM, a.a.O. (s. Anm. 11), 670,20ff; WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 233f; SCHUNACK, a.a.O. (s. Anm. 19), 110. 40 Vgl. W. BAUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin 51963, 1702; J.H. MOULTON/G. MILLIGAN, The Vocabulary of the Greek Testament, Nachdr. London 1952, 671. 41 BULTMANN, a.a.O. (s. Anm. 19), 99.

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byters zu konterkarieren. Das filoprwteuvein tadelt das Bestreben des Diotrephes, die Gemeinde einheitlich hinter sich zu bringen, 42 sie für seine Auffassung zu gewinnen. Er erkennt den Briefautor nicht an – das meint ejpidevcesqai in V. 9 43 – und agiert gegen ihn mit Wort – das Opfer spricht von Verleumdungen – und Tat. Er selbst nimmt die wandernden Brüder nicht auf (V. 10). Es dürfte kein Zufall sein, wenn hier in auffälligem Unterschied zu V. 8 der gleiche Begriff steht, der in V. 9 für die versagte Anerkennung gebraucht wird: Die Aufnahme der Brüder ist von der Anerkennung des Presbyters nicht zu trennen. Diotrephes begnügt sich nicht damit. Denjenigen, die zur Aufnahme willig sind, verwehrt er es und wirft sie aus der Gemeinde. Zwar ist nicht zu sagen, seit wann er so verfährt und wie oft dieser Fall eingetreten ist, 44 doch wird es kaum beim bloßen Versuch oder einer Drohung geblieben sein, wie manche Ausleger den Präsentia kwluvei und ejkbavllei entnehmen möchten, da die zuvor ebenfalls im Präsens erwähnte Nichtaufnahme der Brüder eine Tatsache bezeichnet.45 Andererseits ist aber der Briefadressat Gaius von solchen Schritten nicht betroffen, und der Presbyter mutet ihm sogar zu, seine von Diotrephes bekämpfte Praxis beizubehalten. Ganz offenkundig hat also Diotrephes einen Rückhalt in der Gemeinde, der es ihm gestattet, seiner Sicht Geltung zu verschaffen – bis | hin zum Ausschluß von Gemeindegliedern; 46 zugleich jedoch sind seinem Einfluß Grenzen gesetzt und glaubt der Presbyter bei einem Besuch etwas gegen Diotrephes bewirken zu können. Diesen eigenartigen Befund gilt es zu erklären. Dabei sollte man sich vor allzu raschen, einseitig an einer hierarchischen Betrachtungsweise orientierten Schlüssen hüten. Denn daß Diotrephes in der Lage ist, seine eigene Auffassung auch in der Gemeinde durchzusetzen, macht ihn noch nicht zum monarchischen Gemeindeleiter, allerdings zum Gegenspieler des Presbyters, den dieser deshalb namentlich 42

Mit LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 398. Vgl. dazu SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 327; BULTMANN, a.a.O. (s. Anm. 19), 99 Anm. 3; BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 718. 44 Das betont BULTMANN, a.a.O., 100. 45 So zu Recht SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 328, der in der ersten Auflage seines Kommentars auf Präsentia de conatu deutete; HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 302, vermutet allerdings: „Wahrscheinlich drückt dieses Präsens nur, rhetorisch übertreibend, eine Drohung aus.“ 46 Viele Ausleger sprechen von einer Exkommunikation; ejkbavllein ist freilich „nicht als Terminus technicus für den Kirchenbann oder die Exkommunikation bekannt“ (BALZ, a.a.O. [s. Anm. 38] 215). Das Verb kann in Joh 9,34f (neben V. 22) den Synagogenausschluß bezeichnen und steht 3Joh 10 sicher für eine harte Maßnahme der „Kirchenzucht“, meint aber vielleicht nicht viel mehr „als die Ausweisung aus der Versammlung der Ortsgemeinde“ (Schenke-Fischer, a.a.O. [s. Anm. 7], 225). Daß Diotrephes „als Amtsperson handeln (will) […] und die Gemeindeglieder […] durch eine Rechtspflicht gebunden sein (sollen)“ (W. DOSKOCIL, Der Bann in der Urkirche. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, MThS.K 11, 1958, 101; zustimmend WENGST, a.a.O. [s. Anm. 19], 249), ist jedenfalls eine kräftige Überzeichnung des Textbefundes. 43

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erwähnt und als Protagonisten schildert; und der Umstand, daß Diotrephes mit seinen Bemühungen nicht ausnahmslos erfolgreich ist, weist noch nicht auf einen Amtsträger, der seine Stellung mißbraucht und deswegen auf Widerstand in der Gemeinde trifft. 47 Dagegen fügen sich beide Aspekte nahtlos zueinander, wenn Diotrephes eben nicht aus der Position eines Amtsinhabers heraus handelt, der in jedem Fall seine Sicht zum Zuge bringen kann, sondern wenn er nicht mehr, aber auch nicht weniger als der Meinungsführer der in der Gemeinde dominierenden Anti-Presbyter-Partei ist. Viele Ausleger scheinen sich freilich eher ein auf das Prinzip von Befehl und Gehorsam als ein auf gemeinsame Überzeugungen gegründetes Gefolgschaftsverhältnis vorstellen zu können. Doch warum sollte Diotrephes seine Rolle in der Gemeinde nicht seinen vom Presbyter als „böse“ denunzierten Worten verdanken? Warum sollte er nicht auch ohne das Abstützen auf die Autorität eines Amtes Gemeindeglieder für die von ihm propagierte und praktizierte Ablehnung des Presbyters gewonnen haben? Umgekehrt hält sein Widersacher, der Presbyter, den Gaius ja keineswegs zur Befehlsverweigerung an, vielmehr wirkt er auf ihn ein, sein dissidentes Verhalten in der Gemeinde nicht aufzugeben, dem Briefautor und der von ihm vertretenen Sache, der Wahrheit, die Gefolgschaft nicht aufzukündigen. Beschränkt man sich auf die Angaben des Schreibens, zwingt nichts dazu, in Diotrephes einen – zudem in einer johanneischen Gemeinde ohnehin kaum zu erwartenden – Bischof zu sehen. Weder wird ihm vom | Presbyter diese Funktion zugeschrieben, noch ist sein Wirken in der Gemeinde nur unter dieser Voraussetzung erklärbar. Alle Modelle, in denen ihm diese Rolle zugewiesen wird, entbehren der sicheren Grundlage. 48 Ist es nicht ein Amt, sind es seine Ansichten, die Diotrephes zu seiner starken Position in der Gemeinde verhelfen, wird auch sofort verständlich, warum der Presbyter so merkwürdig schwach reagiert, nicht zum Angriff auf einen Amtsusurpator bläst, nicht einem Despoten Machtmißbrauch vorhält, sondern vor seinem Vertrauten seinen Gegner herabsetzt, die von diesem erhobenen Vorwürfe zu persönlichen Verunglimpfungen herunterspielt und schließlich die Hoffnung auf einen Ausgleich noch nicht aufgegeben hat. Der Brief zeugt nicht von liebevoller Zurückhaltung angesichts einer Provokation,49

47

Gegen BALZ, ebd.; ähnlich SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 328f. Vgl. jetzt auch STRECKER, a.a.O. (s. Anm. 27), 38. Ebensowenig geben 2 und 3Joh hinreichend Anlaß, gleichsam als Gegenbild zu Diotrephes den Presbyter zum Leiter einer Nachbargemeinde (HAENCHEN, a.a.O. [s. Anm. 3], 303f.308) oder zum Haupt mehrerer Gemeinden (so wieder DONFRIED, a.a.O. [s. Anm. 7], 331f) zu stilisieren. 49 So aber MARSHALL, a.a.O. (s. Anm. 11), 91 Anm. 17. 48

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sondern vom Taktieren eines Angegriffenen; 50 der sich seiner Sache nicht sicher sein kann – immerhin hat Diotrephes in dem ausgebrochenen Konflikt einen ersten Erfolg errungen – und der sich vorerst damit zufriedengeben muß, im Rahmen einer Schadensbegrenzung seinen Konfidenten Gaius weiterhin an sich zu binden. Bei dem Versuch, die Frage zu beantworten, welcher Art der Streit ist, der zwischen Diotrephes und dem Presbyter ausgetragen wird, ist also davon auszugehen, daß Diotrephes fähig ist, Johanneer gegen einen Johanneer zu mobilisieren. Scheidet die Möglichkeit aus, Diotrephes und seine Gefolgsleute den johanneischen Irrlehrern zuzuschlagen, so kann andererseits auch die These nicht überzeugen, der Presbyter werde von Diotrephes als johanneischer Irrlehrer ausgegeben. Zwei Argumente werden für diese im Kern noch dem Vorschlag Käsemanns verpflichtete Sicht ins Feld geführt: 51 1. Ein Ausschluß aus der Gemeinde sei nur beim – hier nicht in Betracht kommenden – Vorwurf grober sittlicher Verfehlungen oder dem der Häresie möglich. Doch entfernt werden aus der Gemeinde jene Glieder, die die Wanderprediger aufnehmen wollen. Es müßte demnach Diotrephes gelungen sein, diese in ihrer eigenen Gemeinde, in der sie bekannt sind, als johanneische Häretiker hinzustellen. Ob man ihm soviel böses Raffinement und der Gemeinde soviel arglose Willfährigkeit zutrauen darf? Selbst | wenn schon die fahrlässige Unterstützung einer häretischen Vereinigung strafbar sein sollte, müßte er doch wohl den Nachweis führen, daß eine solche Vereinigung in den Wanderpredigern tatsächlich am Werke ist, also auch in diesem Fall die Gemeinde arglistig täuschen. Vermag er die Gemeinde dahin zu beeinflussen, sich von denen zu trennen, die sich auf die Abgesandten des Presbyters und damit diesen selbst einlassen, können andere gewichtige Gründe im Spiel sein, 52 und zwar solche, die nicht bloß vorgeschoben sind. 2. Der Presbyter fühle sich von Diotrephes zu Unrecht angeklagt; seine Zuversicht, bei einem Besuch die Haltlosigkeit der Beschuldigungen darlegen zu können, weise auf eine dogmatische Verketzerung, denn Vorwürfe der Art, er mische sich in die Angelegenheiten anderer Gemeinden ein, seien von ihm nicht zu widerlegen, da er in der Tat Wandermissionare schicke. Doch besteht ja nicht nur diese referierte Alternative. Sind Tatsachen unbestreitbar, kann man über ihre Würdigung durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Ebensogut ist daher vorstellbar, daß der Presbyter einen Anspruch geltend macht, den er glaubt erheben zu dürfen, den Diotrephes 50 Den Eindruck, daß der Presbyter in die Defensive gedrängt ist, teilen z.B. auch KÄSEMANN, a.a.O. (s. Anm. 2), 173; LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 397; WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 249. MARXSEN, a.a.O. (s. Anm. 19), 275, urteilt: „er (ist) praktisch hilflos“. 51 Vgl. WENGST, a.a.O., 234; SCHUNACK, a.a.O. (s. Anm. 19), 110. 52 Vgl. V. CAMPENHAUSEN, a.a.O. (s. Anm. 11), 133 Anm. 9.

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aber meint zurückweisen zu müssen, und das nicht etwa, weil er als kleinlicher Gemeindepotentat sich jede Einmischung verbittet, um seine eigenen Machtgelüste ungestört auszuleben. Vor allem aber ist gegen die Interpretationen, die – wenn auch im einzelnen modifiziert – den Spuren W. Bauers und E. Käsemanns folgen, mit E. Haenchen schlicht einzuwenden: „Von Irrlehre ist im ganzen Brief nicht die Rede“. 53 Nicht nur wirft der Presbyter sie Diotrephes nicht vor, daß er sich selbst einer solchen Anklage ausgesetzt sieht, ist ebenfalls nicht erkennbar. Der Einwand, gegenüber seinem Freund Gaius habe er es nicht nötig, das Thema der Rechtgläubigkeit zur Sprache zu bringen, 54 verfängt nicht. Denn in diesem Schreiben rekapituliert der Absender die Konfliktsituation und schildert Vorfälle, die seinem Adressaten bereits bekannt sein müssen. Ausgerechnet das Wichtigste, den schlimmen Verdacht der Häresie, den Diotrephes angeblich gegen den Autor hegt und in der Gemeinde gegen ihn ausspielt, sollte er nicht erwähnen? Wovon ist aber im Brief tatsächlich die Rede? Diotrephes erkennt den Presbyter nicht an (V. 9). 55 Wenn er mit dieser Einstellung in einer johanneischen Gemeinde mehrheitsfähig ist und der Betroffene im Schreiben an den Freund dem nur Diffamierendes entgegenzusetzen hat, dürfte Diotrephes starke Argumente auf seiner Seite haben, müssen seine Bedenken gegen den Presbyter so gewichtig sein, daß sie sowohl seinen starken | Rückhalt in der Gemeinde als auch die Schärfe der Auseinandersetzung erklären. Das scheint mir nur möglich zu sein, wenn der Presbyter, obgleich kein Irrlehrer, doch ein johanneischer Neuerer ist. Deshalb kann er gar nicht auftrumpfen, sondern allenfalls von einem persönlichen Gespräch eine Beendigung der Kontroverse und die ihm bislang in weiten Teilen dieser Gemeinde versagte Anerkennung erwarten. Diese allein aus dem 3Joh gewonnene Annahme wird durch das andere vom Presbyter stammende Schreiben erhärtet.

IV. Der 2Joh ist an „eine auserwählte Herrin und ihre Kinder“ adressiert (V. 1), also eine Gemeinde und deren Mitglieder, doch kaum nur an eine einzige. R. Bultmann vermutet, das Schreiben sei „als sozusagen ‚katholische(r)‘

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HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 304. Dies Argument führen VIELHAUER, a.a.O. (s. Anm. 18), 480, und WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 234, an. 55 Vgl. dazu oben S. 276 mit Anm. 43. 54

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Brief gedacht“. 56 Allerdings richtet es sich nicht an die ganze Kirche; seine Adressaten sind Johanneer, wie V. 2 und besonders V. 6 zeigen. 57 Der Absender stellt sich wie im 3Joh nicht namentlich vor. Wenn er davon ausgeht, die Selbstbezeichnung oJ presbuvtero~ genüge, um sich nicht nur vor einem einzelnen, dem Gaius, sondern auch vor anderen Gemeinden auszuweisen, wird es sich um eine – zumindest im johanneischen Kreis – überörtlich bekannte, identifizierbare Person handeln. Der Autor beurteilt kritisch den Wandel fremder Gemeindeglieder (V. 4), schärft das von Anfang an gehörte Gebot ein (V. 5f), äußert sich über Irrlehrer, die nicht bei der überlieferten Lehre bleiben (V. 7.9), mahnt (V. 8) und gibt Anweisungen (V. 10). Dies verleitet leicht zu dem Schluß, der Verfasser schreibe „mit der Autorität eines allseitig von den johanneischen Gemeinden anerkannten ‚Vaters‘“. 58 Daß dies so nicht zutrifft, beweist der 3Joh, denn Diotrephes und die Seinen verweigern ja dem Presbyter die Anerkennung. In seiner eigenen Gemeinde, der auserwählten Schwester (2Joh 13), mag er unangefochten sein, 59 anderen Gemeinden gegenüber beansprucht er Autorität, die er durch Briefe, den vorliegenden und den in 3Joh 9 erwähnten, durch die Wanderprediger sowie durch eigene Besuche auszuüben sucht. | Der 2Joh läßt noch erkennen, daß sich der Autor selbst bewußt ist, einen Anspruch zu erheben, der keineswegs von vornherein mit allgemeiner Anerkennung rechnen kann, was im 3Joh – dort durch den schwelenden Konflikt nur verstärkt – auch in jener seltsamen Zurückhaltung des Verfassers zum Ausdruck kommt. Das eigentliche Thema des Briefes, das Verbot der Aufnahme von Irrlehrern, spricht er erst in V. 7–11 an; voraus geht in V.4– 6 eine „sehr vorsichtige […] Vorbereitung“,60 deren Funktion im Briefganzen auf Anhieb nicht leicht zu bestimmen 61 und die in Anbetracht der Kürze des Schreibens „ziemlich breit“62 geraten ist. Zwar läßt sich die in V. 4

56 BULTMANN, a.a.O. (s. Anm. 19), 104; vgl. auch H. WINDISCH/H. PREISKER, Die Johannesbriefe, in: Die Katholischen Briefe, HNT 15, 31951, 137; HEISE, a.a.O. (s. Anm. 26), 165. Wenn in V. 12 ein Besuch in Aussicht gestellt wird und in V. 13 Grüße von „den Kindern deiner auserwählten Schwester“ ausgerichtet werden, spricht das nicht gegen diese Sicht; denn der Presbyter pflegt offenbar Besuchskontakte zu mehreren Gemeinden (vgl. 3Joh 10.14), und die Bezeichnung der Gemeinde, in der er lebt, als „deine auserwählte Schwester“ betont nur deren Verbundenheit mit den (johanneischen) Adressaten(gemeinden). 57 Vgl. auch BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 654; er denkt aber an eine Adressatengemeinde. 58 BALZ, a.a.O. (s. Anm. 38), 205. 59 Vgl. das Urteil bei WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 232. 60 HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 305; vgl. den Eindruck von MARXSEN, a.a.O. (s. Anm. 19), 275: Der Presbyter muß im 2Joh „sehr vorsichtig sein Ziel ansteuern“. 61 Dazu vgl. jetzt U.C. V. WAHLDE, „The Theological Foundation of the Presbyter’s Argument in 2Jn (2 Jn 4–6)“, ZNW 76, 1985, 209–224. 62 LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 400.

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enthaltene Forderung nach dem Wandel in der Wahrheit 63 als ein Hinleiten zu den Aussagen über das den Irrlehrern gegenüber angebrachte Verhalten verstehen, das in V. 5 nach einem Neueinsatz und mit einer wiederholten Anrede („und jetzt bitte ich dich, Herrin“) eingeführte Gebot der gegenseitigen Liebe jedoch fügt sich nicht so glatt zum Hauptanliegen. Daß der Autor hier wie im 3Joh konkret an die Aufnahme von Christen denke, er mit dem Brief bitte, Gastfreundschaft zu gewähren und sie allein Ketzern zu versagen, nur „aus Höflichkeit“ nicht deutlicher werde,64 ist reine Spekulation. Demgegenüber hat die Erklärung, das Liebesgebot solle die Gemeinde angesichts der Bedrohung durch die Irrlehrer eng zusammenschließen, 65 größeren Anhalt am Text, reicht aber nicht aus, denn der Verfasser hält die Adressaten nicht einfach zur Liebe untereinander an. Es geht ihm um mehr: Er schließt sich selbst in das Liebesgebot mit ein („ich bitte dich, Herrin, […] ein Gebot, das wir von Anfang an hatten, daß wir einander lieben“). Weil er aber bereits in V. 1 seine Liebe zu der angeschriebenen Gemeinde bekundet hat, liegt nun das Gewicht zunächst auf dem Verhältnis der Gemeinde zu ihm, 66 das ebenso von Liebe geprägt sein soll. Deshalb setzt er mit einer Bitte und einer Anrede an die Herrin erneut ein, und deshalb vor allem findet er zu der eigenartigen eingeschobenen Kennzeichnung des Gebots: „nicht als ob ich dir ein neues Gebot schriebe, sondern das wir von Anfang an | hatten“. Damit signalisiert er den Adressaten, daß er nicht als Neuerer angesehen werden will, vielmehr in Treue zur johanneischen Überlieferung steht, 67 die im folgenden ausgegebenen Richtlinien zum Umgang mit Häretikern seiner Traditionsverbundenheit entspringen und zu befolgen sind. Die in der Johanneischen Literatur ungewöhnliche ausschließliche Betonung des Alters des Gebotes (vgl. dagegen Joh 13,34; 1Joh 2,7f) ist hier nicht als „Spitze gegen die Neuerungssucht der Irrlehrer“ 68 gemeint, da das Gebot im 2Joh – anders als im 1Joh – nicht gegen diese selbst zum Zuge gebracht wird. Das Herausstellen seines Alters soll auch nicht bloß seine Richtigkeit und Verbindlichkeit erweisen, 69 denn diese stehen außer Frage. Nicht selbstverständlich jedoch ist offenbar, daß der Autor respektiert wird und mit seinem Anliegen bei den Adressaten durchdringt. R. Schnacken63 V. WAHLDE, a.a.O. (s. Anm. 61), 221ff, sieht auch in V. 6b den Wandel in der Wahrheit angesprochen, doch bleibt der Rückbezug des ejn aujth/` auf ajlhvqeia in V. 4 höchst unsicher. 64 LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 400f, Zitat: 400; vgl. auch THYEN, a.a.O. (s. Anm. 13), 298. 65 So WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 239. 66 Vgl. auch M. RESE, Das Gebot der Bruderliebe in den Johannesbriefen, ThZ 41, 1985, 55. 67 Ich modifiziere hier Ausführungen bei BALZ, a.a.O. (s. Anm. 38), 207. 68 SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 311. 69 Diesen Aspekt heben WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 239, und SCHUNACK, a.a.O. (s. Anm. 19), 114, hervor.

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burgs Erwägung dürfte dem Text gerecht werden: „Wahrscheinlich ist die Liebesaufforderung absichtlich so formuliert, daß die Gemeindemitglieder nicht nur die Mahnung zum brüderlichen Verhalten untereinander, sondern auch zur warmherzigen Verbundenheit mit dem ‚Alten‘ heraushören müssen“. 70 Dieser erwartet bei den Adressaten möglicherweise ähnliche Schwierigkeiten, wie sie der 3Joh bezeugt. 71 Jedenfalls dient V. 5 als Teil der „sehr vorsichtigen Vorbereitung“ 72 in erster Linie der Selbstempfehlung des Presbyters. Ehe er die Sache zur Sprache bringt, die seiner Meinung nach einer Regelung bedarf, fordert er die johanneischen Christen zum Schulterschluß auf und bindet sie zugleich an sich.73 Das entspricht seinem Selbstverständnis, wie V. 4 belegt, wo er nicht zögert, den Wandel der Adressaten zu bewerten. Den Anlaß für sein autoritatives Auftreten bieten ihm die Irrlehrer. Er begegnet dem Problem, nicht indem er den Briefempfängern väterlich wohlgemeinte Ratschläge gibt, sondern ihnen mit paternalistischer Attitüde 74 Weisungen erteilt. Wer im johanneischen Kreis dies Recht für sich reklamiert, tut gut daran, mit Schwierigkei|ten zu rechnen und vorab zu versuchen, den Verdacht, er sei ein Neuerer, zu entkräften, zumal auch die befohlene Maßnahme gegen die Häretiker, ihnen die Aufnahme ins Haus, ja schon den Gruß zu verweigern, von den Adressaten ein Umdenken verlangt. Ein Vergleich mit dem 1Joh soll dies und die besondere Rolle, die der Presbyter für sich in Anspruch nimmt, verdeutlichen.

V. Die Auseinandersetzung, die im 1Joh mit den Irrlehrern geführt wird – es sind die gleichen, von denen im 2Joh die Rede ist –, 75 unterscheidet sich

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SCHNACKENBURG, a.a.O. (s. Anm. 10), 311. Schnackenburgs Vermutung: „Es ist möglich, daß dieser (sc. der ‚Alte‘) auch hier wie in 3Joh mit Schwierigkeiten in der Gemeinde zu kämpfen hat“ (ebd.), geht über den Textbefund hinaus. 72 HAENCHEN, a.a.O. (s. Anm. 3), 305. 73 RESE, a.a.O. (s. Anm. 66), 55, glaubt, der Verfasser wolle die Adressaten „stärker als bisher an sich […] binden“ (Hervorhebung von mir), und beruft sich auf V. 8; dort lese ich allerdings mit der Mehrzahl der neueren Kommentatoren anders als Nestle-Aland26 die 2. Pers. Pl. eijrgavsasqe. 74 BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 648, spricht im Blick auf den 3Joh von „(t)he clear paternalistic attitude“ des Presbyters, ohne dies abwertend zu meinen. 75 Die Charakterisierung der Irrlehre in 2Joh 7 entspricht sachlich der in 1Joh 4,2f (vgl. dazu SCHNACKENBURG, a.a.O. [s. Anm. 10], 312f; BROWN, a.a.O. [s. Anm. 1], 669f); anders STRECKER, a.a.O. (s. Anm. 27), 34ff, der das Part. Präs, ejrcovmenon (2Joh 7) futurisch deutet (und daraus weitreichende Schlüsse für seine Sicht der Anfänge der johanneischen Schule zieht: der Presbyter, Gründer der Schule, vertrete die chiliastische Vorstellung eines messianischen Zwischenreichs 71

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beträchtlich von dem, was dem Presbyter vorschwebt; dies nicht bloß, weil hier noch spürbar ist, welche Verunsicherung von der Tatsache ausgeht, daß die Häretiker der johanneischen Gemeinde selbst entstammen (2,18f), und auch nicht nur, weil der 1Joh erheblich umfangreicher ist und es sich bei ihm der Form nach eher um einen theologischen Traktat handelt. Angesichts der Spaltung der Gemeinde spricht der Verfasser die Adressaten als solche an, die das chrisma, den Geist, 76 besitzen, alle Wissende sind, die Wahrheit kennen (2,20f), es nicht nötig haben, daß irgendjemand sie belehrt, denn der Geist belehrt sie über alles (2,27). Gleichwohl belehrt natürlich auch der Autor die Adressaten, aber er versteht sein Einwirken auf die Gemeinde „als Erinnerung an das, was die Leser von Anfang an gehört haben, als erinnernde Erschließung dessen, was sie mit dem Bekenntnis schon haben und wissen“ 77 (vgl. 2,22–24). An die Gemeinde ergeht die Warnung, nicht jedem Geist zu glauben; es entspricht aber ganz dem Rekurs auf den Geistbesitz und das Wissen der Glaubenden, wenn diese anschließend aufgefordert werden, die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind (4,1). Die Schärfe des Dissenses, der bis an die Grundlage des Glaubens reicht, wird nicht verharmlost, der Gemeinde aber zugetraut, in der Debatte mit den Andersdenkenden selbst zu bestehen. 78 Das Beispiel gibt der Verfasser, der seinerseits sich theolo|gisch mit den Gegnern auseinandersetzt, sich auf ihre Thesen einläßt und mit ihnen um das rechte Verständnis des gemeinsamen Erbes ringt. Das überlieferte christologische Bekenntnis ist das Kriterium, mit dessen Hilfe die Geister zu unterscheiden sind (4,2f), und es gibt keinen Grund, der Konfrontation auszuweichen, ja den Adressaten, die aus Gott sind, kann zugesagt werden: Ihr habt die Irrlehrer besiegt; denn Garant ihres Sieges ist Gott (4,4). Im 2Joh wird der Sieg über die Häretiker auf andere Weise errungen. Der Presbyter nennt zwar auch ein dogmatisches Kriterium (V. 7), doch dient es ihm lediglich dazu, die Irrlehrer zu etikettieren und sie als eine tödliche Gefahr für den Heilsstand der Gemeinde zu brandmarken (V. 8f). Eine theologische Auseinandersetzung mit ihnen findet nicht statt, wird durch die vom Presbyter angeordnete totale Kontaktsperre (V. 10f) geradezu untersagt. Der Presbyter, der die johanneische Orthodoxie zu retten versucht, indem er die Gläubigen theologisch entmündigt, repräsentiert auch ein neues, an eine zeitgenössische Person gebundenes Autoritätsverständnis, das – soweit [36]; diese These läßt sich aber kaum mit Barn 6,9 stützen [ebd.], denn dort wird anders formuliert: ejlpivsate […] ejpi; to;n ejn sarki; mevllonta fanerou`sqai uJmi`n jIhsou`n). 76 Zur Deutung des chrisma auf den Geist vgl. BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 345-347. 77 WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 117; vgl. noch R. SCHNACKENBURG, Die Johanneische Gemeinde und ihre Geisterfahrung, in: Das Johannesevangelium, HThK IV/4, 1984, 50f. 78 Das unterstreicht zu Recht WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 231.

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erkennbar – im johanneischen Christentum keine unmittelbare Analogie hat. Die Ausführungen des 1Joh werden von einem „wir“ verbürgt, dem Kreis der ursprünglichen Zeugen (1,1–4.5). Das namenlose „ich“, das dann im folgenden (2,1.7 etc.) – mit einer Ausnahme im sekundären Anhang (5,16) – 79 immer nur in Verbindung mit dem Verb gravfein zu Wort kommt, bleibt an diesen Kreis rückgebunden, unterstellt sich dem „wir“ der johanneischen Traditionsträger und fungiert lediglich als dessen Sprachrohr. Der Verfasser dieses Schreibens will die johanneische Überlieferung authentisch interpretieren und kann deshalb nicht darauf verzichten, Autorität zu beanspruchen, doch leitet er sie von den Zeugen ab, denen er sich zuzählt, und legitimiert seinen Anspruch theologisch: Die Zeugen haben gesehen, bezeugen und verkündigen das ewige Leben, das ihnen erschienen ist (1,2); ihre Sonderstellung ist somit in der Sache selbst, für die sie einstehen, dem Offenbarwerden des Lebens, begründet. Das führt nicht zur Bevormundung, sondern zur Vergewisserung der Gläubigen, 80 die über die Gemeinschaft mit den Zeugen in die Gemeinschaft einbezogen werden, die jene mit dem Vater und seinem Sohn haben (1,3). In den Bemerkungen über den Geistbesitz der Gemeinde | greift der Briefautor zudem auf die Paraklet-Konzeption des Evangelisten zurück (vgl. 1Joh 2,20f.27 mit Joh 14,16f.26), parallelisiert das Zeugnis der Traditionsträger mit dem des Geistes 81 und ordnet sich damit bewußt der der Gemeinde vertrauten Anschauung vom Geist-Parakleten unter. Der Presbyter dagegen spricht in eigener, unabgeleiteter Autorität. Er sieht seine Empfindungen als repräsentativ für die johanneische Gemeinschaft insgesamt an (2Joh 1b) und verweist auf das von Anfang an Gehörte, um sich selbst zu empfehlen sowie zur Befolgung seiner Instruktionen anzuhalten (V. 5.6b). Vom mündlichen Austausch mit den Adressaten (V. 12) erwartet er die Vervollkommnung seiner 82 Freude, was die Zeugen im 1Joh für sich von der Verwirklichung ihrer mit dem Schreiben verfolgten 79 Daß es sich bei 1Joh 5,14–21 um einen sekundären Anhang von anderer Hand handelt (vgl. R. BULTMANN, Die kirchliche Redaktion des ersten Johannesbriefes, in: Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, ausgew., eingel. u. hg. von E. Dinkler, Tübingen 1967, 382ff), hat erneut WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 21.216ff, gezeigt und wird durch die im Text erwähnte Beobachtung unterstützt. 80 Das gilt auch für 4,6, selbst wenn dort die hJmei`~ nur die ursprünglichen Zeugen (1,1–4.5) sein sollten (zur Frage vgl. WENGST, a.a.O. [s. Anm. 19], 175; BROWN, a.a.O. [s. Anm. 1], 499); darauf weist der Zusammenhang V. 1ff. 81 Wie vom Bleiben des chrisma bei den Glaubenden (2,27) ist vom Bleiben dessen die Rede, was die Adressaten von Anfang an gehört haben (V. 24): das Bekenntnis (V. 21–23), das die Traditionsträger verkünden (vgl. 1,3 mit 2,24b) und – wie der Geist (5,6) – bezeugen (1,2; 4,14). 82 Die Lesart hJmw`n ist als die schwierigere vorzuziehen. Die 1. Pers. Pl. bezieht sich sicher nicht wie in 1Joh 1,4 auf die Zeugen, denn jener Kreis kommt im 2Joh nicht in den Blick. Es wird ein schriftstellerischer Plural vorliegen (mit SCHNACKENBURG, a.a.O. [s. Anm. 10], 318), nicht anders als 3Joh 9b.10a.12b (vgl. oben S. 274).

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Absicht erhoffen, die Adressaten an ihrer Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn teilhaben zu lassen (1Joh 1,3f). Der Verfasser der beiden kleinen Briefe besetzt den Platz, den noch der Autor des großen Briefes nur gebunden an das „wir“, im Schutz der ursprünglichen Zeugen, einzunehmen wagt. Indem der Presbyter die Hülle fremder Autorität abstreift, beansprucht er für seine Person eine Anerkennung, die im johanneischen Kreis sonst nur einer Person der Vergangenheit zugebilligt wird, dem Lieblingsjünger. Bei diesem handelt es sich – zumindest für die Redaktion des Evangeliums –83 um eine historische Gestalt, auf deren Tod man zurückblickt (21,20–23); sie wird zum Verfasser des (redigierten) Evangeliums erklärt (V. 24) und gilt als „die joh(anneische) Autorität schlechthin“, 84 als Garant der Tradition dieses Gemeindeverbandes. Daß die vom Presbyter in Anspruch genommene Autorität bei seinen johanneischen Adressaten Assoziationen an die Figur des Lieblingsjüngers wecken kann, ja solche Bezüge wahrscheinlich vom Presbyter selbst intendiert sind, belegt die in der Krisensituation der Kontroverse mit Diotrephes für Demetrius ausgesprochene Empfehlung, die in dem bekräftigenden Satz gipfelt: „Aber auch wir legen Zeugnis ab, und du weißt, daß unser Zeugnis | wahr ist“ (3Joh 12b). Dies „wir“ ist der Presbyter. 85 Vom Lieblingsjünger sagt die Redaktion des Evangeliums, daß er Zeugnis ablegt, „und wir wissen, daß sein Zeugnis wahr ist“ (Joh 21,24; vgl. 19,35). Mit der Formulierung im 3Joh meldet sich nicht die johanneische Schule zu Wort, die für sich den Wahrheitsanspruch erhebt, der ursprünglich dem Zeugnis des Lieblingsjüngers zugestanden wurde, 86 sondern der Presbyter stellt sich in die Tradition des Lieblingsjüngers, wie ihn die Redaktion des Evangeliums stilisiert hat.87 Nach Ausweis des 2Joh eignet er sich die johanneische Richtlinienkompetenz an. In seiner eigenen Gemeinde scheint er diese Führungsrolle wahrnehmen zu können, und er versucht, sie auf andere Gemeinden auszuweiten, wie der 2 und 3Joh zeigen. Bei Diotrephes stößt er auf Ablehnung; dieser verweigert ihm die Anerkennung (3Joh 9).

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Zur Figur des Lieblingsjüngers vgl. H. THYEN, Aus der Literatur zum Johannesevangelium, ThR 42, 1977, 213ff; J. BECKER, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 11–21, ÖTBK 4/2, 1981, 434ff; DERS., Aus der Literatur zum Johannesevangelium (1978–1980), ThR 47, 1982, 341ff. 84 BECKER, JohEv (s. Anm. 83), 438. 85 Vgl. oben S. 274 (in diesem Bd. S. 66). 86 So BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 724. 87 Auch LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 398f, vermutet, der Presbyter stelle sich in die Tradition des Lieblingsjüngers und des Redaktors. Andererseits wagt THYEN, a.a.O. (s. Anm. 13), 296, die Hypothese: „Im ‚Lieblingsjünger‘ des Evangeliums ist dem Verfasser der beiden kleinen Johannesbriefe, der sich selbst ‚der Alte‘ nennt, ein literarisches Denkmal gesetzt.“ Doch vgl. dazu BECKER, JohEv (s. Anm. 83), 438.

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VI. Vor dem skizzierten Hintergrund ist nun ohne weiteres einsichtig, warum der Presbyter in der schwachen Position dessen ist, der sich eine Rolle anmaßt, die auf die Anerkennung durch andere angewiesen ist, weil sie eine johanneische Neuerung darstellt, und warum es andererseits Diotrephes möglich ist, dem Anspruch des Presbyters entgegenzutreten und für sein Vorgehen in der eigenen Gemeinde Unterstützung zu finden; denn er kann sich darauf berufen, daß nach altem johanneischen Selbstverständnis ohne eine solche, an eine zeitgenössische Person gebundene gesamtjohanneische Autorität auszukommen ist. Genuin johanneisch nämlich ist der Geist das Subjekt der Gemeindeordnung; er leitet und lehrt die Gemeinde, die damit unter der Alleinherrschaft Christi steht, ist doch im Geist-Parakleten der Erhöhte gegenwärtig (Joh 14,16f.25f). 88 Auch der Verfasser des großen Briefes erkennt – wie gezeigt – diese Vorstellung an (1Joh 2,20ff), und die Redaktion des Evangeliums, die die Paraklet-Konzeption des Evangelisten aufgreift und fortentwickelt, betont in der Bildrede vom Rebstock und den Reben (Joh 15,1ff) die Unmittelbarkeit | jedes Gemeindegliedes zu Jesus. 89 Der Presbyter hingegen mutet den Gemeinden zu, sich seiner individuellen Führungs- und Lehrautorität zu unterwerfen, und gerät dadurch in Konflikt mit Gläubigen, für die dieser Anspruch mit dem traditionell-johanneischen Selbstverständnis einer geistregierten Bruderschaft unvereinbar ist. Diotrephes widersetzt sich nicht dem ehrwürdigen Haupt des johanneischen Gemeindeverbandes, sondern einem Johanneer, der diese Funktion ausüben möchte und sich aus diesem Grunde die Bezeichnung oJ presbuvtero~ zulegt. 90 Nicht Diotrephes, der Presbyter ist auf dem Weg, eine „monarchische“ Stellung einzunehmen, dies kaum aus Machthunger, sondern aus Sorge um den Bestand der johanneischen Gemeinden. Trifft er mit 88

Ich nehme hier Formulierungen von T. ONUKI, Gemeinde und Welt im Johannesevangelium, WMANT 56, 1984, 72ff, auf; vgl. noch H.-J. KLAUCK, Gemeinde ohne Amt? Erfahrungen mit der Kirche in den Johanneischen Schriften, BZ NF 29, 1985, 210ff, zum Selbstverständnis der Johanneischen Gemeinde. 89 Die Paraklet-Aussagen in Joh 15f sind wahrscheinlich ebenso der Redaktion zuzuweisen (vgl. U.B. MÜLLER, Die Parakletenvorstellung im Johannesevangelium, ZThK 71, 1974, 66ff; BECKER, JohEv [s. Anm. 83], 474) wie die Bildrede 15,1ff (vgl. BECKER, a.a.O., 477f.481ff). 90 VIELHAUER, a.a.O. (s. Anm. 18), 481, dagegen sieht im Presbyter den „langjährige(n) Leiter des johanneischen Kreises“, und MARXSEN, a.a.O. (s. Anm. 19), 275, hält „es nicht für ausgeschlossen, daß er das ‚Haupt‘ der johanneischen Schule war“. – Zu den verschiedenen Möglichkeiten, die Bezeichnung oJ presbuvtero~ zu verstehen, vgl. BORNKAMM, a.a.O. (s. Anm. 11), 670– 672; BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 647–651. Hält man mit BORNKAMM (671); BROWN (649); WENGST, a.a.O. (s. Anm. 19), 231f, und anderen die Deutung auf eine Amtsbezeichnung für sehr unwahrscheinlich, bietet es sich an, an einen Würdenamen zu denken. Mit der Selbstbezeichnung kann der Verfasser sowohl seinen Anspruch auf Autorität als auch die von ihm behauptete Traditionsverbundenheit unterstreichen.

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seinem Ansinnen auf Widerstand in den eigenen Reihen, ist es verständlich, wenn er dem Gegenspieler unterstellt, er wolle in seinem Bereich der Erste sein, und ihm Verleumdung vorwirft. In diesem innerjohanneischen Konflikt wird sich der Presbyter durchgesetzt haben, 91 da anderenfalls die von ihm stammenden kurzen Briefe von der johanneischen Gemeinde kaum tradiert worden wären. Er, nicht – wie man gelegentlich vermutet hat – 92 Diotrephes, trug dazu bei, daß das theologisch schon dem Denken der Großkirche angenäherte johanneische Christentum auch ekklesiologisch enger an diese herangeführt wurde.93 Die Rebellion des konservativen Johanneers Diotrephes und seiner Anhänger blieb eine Episode, von der nur ein Privatbrief des späteren Siegers zeugt.

91 Damit rechnen auch LANGBRANDTNER, a.a.O. (s. Anm. 19), 400, und THYEN, a.a.O. (s. Anm. 13), 298, die allerdings den Konflikt ganz anders deuten. 92 Z.B. BROWN, a.a.O. (s. Anm. 1), 738f; KLAUCK, a.a.O. (s. Anm. 88), 217ff. 93 Die Redaktion des Evangeliums hat dieser Entwicklung vorgearbeitet, indem sie Petrus das Hirtenamt zubilligt (Joh 21,15–17).

„Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften

I. Eine Kunde vom überraschend sich einstellenden Kriegsglück, auf die sich das Zitat 1 im Titel bezieht, mag denen, die irdisch nichts mehr zu hoffen wagten, „himmlisch“ anmuten. Mit noch größerem Recht aber kann dies von jenen Siegesbotschaften behauptet werden, die in den johanneischen Schriften des Neuen Testaments verkündet werden. Eine dieser Botschaften, in der Apokalypse des Johannes (12,11), erklingt sogar als Lied aus dem Himmel. Die Apk zu den johanneischen Schriften zu zählen gilt in der kritischen Forschung weithin als obsolet. Mit den Bemerkungen zum Siegesmotiv möchte ich jedoch beispielhaft zeigen, daß es zwischen der Apk, dem JohEv und den Joh-Briefen sachliche Verbindungen gibt, die es geraten sein lassen, dies Werk nicht allzu weit vom sog. johanneischen Kreis abzurücken. 2 Bei einer Beschäftigung mit dem Siegesgedanken sollte man sich vorab vergegenwärtigen, wie vielgestaltig, wie ambivalent und bisweilen rätselhaft das ist, was man Sieg und Siegen nennt. 3 Zumeist ist die offenkundige Überle|genheit in einer physischen oder geistigen Auseinandersetzung gemeint, im kriegerischen Kampf, im friedlichen Wettbewerb, im Rechts

Zuerst veröffentlicht in: ZNW 85, 1994, 23–46. F. SCHILLER, Die Jungfrau von Orleans I/8; auf den Satz verweist auch O. BAUERNFEIND, Art. nikavw ktl., ThWNT IV, 1942, 941–945, 943,35f.944,16, bei der Besprechung von Apk-Belegen (6,2; 21,7). 2 Beziehungen zwischen der Apk und dem johanneischen Kreis bin ich bereits in meiner Studie: Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, 1989, nachgegangen (dort finden sich schon Andeutungen zum Siegesmotiv [208–210], die ich hier näher ausführen und auf eine breitere Grundlage stellen möchte). Rezensenten haben das Aufgreifen dieser Frage, deren Klärung auch O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, 31988, 24.166; G. STRECKER, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, UTB 1682, 1992, 275, als Forschungsaufgabe in Erinnerung rufen, begrüßt (U. SCHNELLE, SNTU A 15, 1990, 197) und eine Erweiterung der Vergleichsbasis für sinnvoll erachtet (M. KARRER, ThLZ 114, 1989, 814). 3 Vgl. zum Folgenden die Belege für nikavw, nivkh bei W. BAUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg. v. K. Aland und B. Aland, Berlin/New York 61988, 1090f; BAUERNFEIND, Art. nikavw (s. Anm. 1), 941–943; R. LEIVESTAD, Christ the Conqueror. Ideas of Conflict and Victory in the New Testament, 1954, 22f. 1

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streit. Der Sieg scheint an den vor Augen liegenden Erfolg gebunden zu sein, an ein Sich-Durchsetzen gegen andere, Feinde oder Konkurrenten. Als Sieg gilt aber ebenso das Meistern widriger Lebensumstände und das Beherrschen der Leidenschaften. 4 Freilich: Der Sieger kann gelegentlich nicht auf Anhieb identifiziert werden, denn der Überlegene muß nicht immer zugleich der Sieger sein. 5 Manch ein vermeintlicher Sieger geht leer aus. Siege entpuppen sich als Niederlagen, Niederlagen als Siege. Sowenig einfach schon am unmittelbaren Erfolg abzulesen ist, ob es sich wirklich um einen Sieg handelt, sowenig ist dieser nur eine Frage der vorweisbaren Macht, wird er durch die eingesetzte Kraft und Leistung garantiert. Ist er gut vorbereitet, bestens geplant, stellt er sich doch nicht ein. Oft genug dagegen kommt er unerwartet und wird als Geschenk empfunden. Sind es in Wahrheit göttliche Mächte, die den Sieg verleihen? An sie richtet sich deshalb häufig die Bitte um und der Dank für den Sieg. 6 Die religiöse Dimension des Sieges, zumal in der kriegerischen Auseinandersetzung, können zwei antike Beispiele belegen. Sie sind ansonsten zwar kaum vergleichbar, aber Euseb erwähnt in seinem Bericht über einen wichtigen militärischen Erfolg beides in einem Atemzug (vgl. u. VI.). Das eine: Der zu den ältesten Texten der Bibel gehörende und der Prophetin Mirjam zugeschriebene Hymnus ist ein Siegeslied, das die Rettung Israels am Meer nicht auf die Kampfkraft Israels, sondern auf das Eingreifen seines Gottes | zurückführt: „Singet Jahwe, denn hoch erhob er sich / Roß und Wagenkämpfer warf er ins Meer“ (Ex 15,2l).7 – Das andere: Bei der Siegesfeier in der Form des römisch-hellenistischen Triumphes wird der siegrei4 In Texten des hellenistischen Judentums findet sich das ajgwvn-Motiv (dazu V.C. PFITZNER, Paul and the Agon Motif, NT.S 16, 1967, 23ff.38ff) und entsprechend das nika`n der ajrethv (SapSal 4,1f). Der logismov~ besiegt die pavqh (4Makk 6,33), von denen der Mensch jedoch überwältigt (besiegt) werden kann (Philo, Jos. 200) wie von Umständen, die eine bestimmte Handlungsweise erzwingen (Josephus, Ant. I 302). Zu stoischen Vorstellungen vgl. u. Anm. 14.19. 5 So siegen die vordergründig unterlegenen makkabäischen Märtyrer in ihrem Leiden, denn „unbesiegbar ist […] die fromme Einsicht“ (4Makk 11,21; vgl. u. Anm. 14 das Epiktet-Zitat); ihr Peiniger hingegen, der Tyrann, ist in seiner Gewaltanwendung „machtlos“ (11,26), erleidet eine Niederlage (11,25). Seine nicht zu bestreitenden militärischen Erfolge werden darauf zurückgeführt, daß er und seine Soldaten sich ein Beispiel nehmen an der Tapferkeit und Standhaftigkeit der Märtyrer (17,23f), die sogar als Ursache für die Überwindung des tyrannischen Regimes gelten (1,11). Auch zum Tode verurteilte Christen, die ihren Herrn verleugnen sollen, werden nicht besiegt (Diog 7,7); die Geschmähten und Verfolgten besiegen (überbieten) die Gesetze durch ihre besondere Lebensführung (5,10). 6 Der Gedanke, daß Gott den Sieg gewährt – auch gegen zunächst übermächtig erscheinende Feinde –, begegnet mehrfach in 1 und 2Makk, z.B. 2Makk 10,28.38; 15,8.21 (vgl. weiter u. IV.). Zur römisch-hellenistischen Siegestheologie vgl. J.R. FEARS, The Theology of Victory at Rome: Approaches and Problems, ANRW II 17.2, 1981, 736–826, bes. 740ff. 7 Zu diesem Vers vgl. F. CRÜSEMANN, Studien zur Formgeschichte von Hymnus und Danklied in Israel, WMANT 32, 1969, 19ff (Übersetzung: 19; vgl. noch 34), und den Überblick bei W.H. SCHMIDT, Exodus, Sinai und Mose. Erwägungen zu Ex 1–19 und 24, EdF 191, 1983, 60ff.

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che Feldherr in seiner Tracht mit Jupiter gleichgesetzt. Der Festzug führt zum Tempel dieses Gottes auf dem Kapitol. Hinter dem Triumphator steht ein Sklave, der zu ihm sagt: respice post te, hominem te esse memento. 8 Einige dieser knapp angedeuteten Aspekte spielen auch bei der Verwendung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften eine Rolle. Ich werde mich im wesentlichen auf die expliziten Siegesaussagen beschränken und setze beim JohEv ein, behandele dann den 1Joh und zum Schluß die Apk, weil – wie sich erweisen wird – diese Abfolge der Entwicklung des johanneischen Siegesdenkens entspricht.

II. Im JohEv kommt das Verb nika`n nur einmal vor, und zwar in der großen Redekomposition Joh 13–17, in der die Worte Jesu zusammengestellt sind, die er angesichts seines bevorstehenden Todes an seine Jünger richtet. Man nennt diesen Textkomplex gewöhnlich die „Abschiedsreden“ Jesu, doch darf diese Bezeichnung nicht zu dem Mißverständnis verleiten, als sei der endgültige Abschied Jesu von den Seinen das eigentliche Thema dieser Reden. Sie sind nämlich von der Einsicht bestimmt, daß das Ende des Bisherigen einem Anfang den Weg bahnt. Jesu Fortgang ist notwendig (vgl. 16,7), damit Neues auf den Plan treten kann, nun wirklich Endgültiges (14,16f). Zwar verläßt er die Jünger, doch sie werden nicht verlassen sein, denn der Geist vertritt bleibend den jetzt Scheidenden bei den Seinen (14,26; 15,26; 16,14). Von dieser Überzeugung her sind die Abschiedsreden gestaltet; sie thematisieren die nachösterliche Existenz der Gemeinde, geprägt vom Wirken des Parakleten und der dadurch verbürgten Gegenwart Jesu und seines Werkes. Dies geschieht in mehreren Redegängen. Sie sind von Hinweisen durchzogen, die textintern zunächst die Betroffenheit der Jünger durch den Fortgang Jesu und seine Worte widerspiegeln, damit aber zugleich illusionslos die Situation der christlichen Gemeinde in der Welt beschreiben. Zu Beginn ist noch verhalten von drohender Verwirrung und Verzagtheit die Rede (14,1.27), dann ausdrücklich von Trauer (16,6.20–22), von Weinen und Klagen (16,20). Die | Gemeinde sieht sich dem Haß der Welt ausgesetzt (15,18f; 17,14), erleidet Bedrängnis (16,33) und wird verfolgt (15,20) bis 8 Vgl. zu Bedeutung und Form des Triumphes W. EHLERS, Art. Triumphus. 1, PRE VII A, 1, 1939, 493–511; H. VRETSKA, Art. Triumphus, KP 5, 1975, 973–975. Die Tracht des Triumphators verweist doch wohl auf den Gott (VRETSKA, 974); die Worte des Sklaven sollen apotropäisch wirken (EHLERS, 507).

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hin zum Martyrium (16,2). Dabei wird auch auf ein bestimmtes, in seinen Auswirkungen schmerzhaftes Ereignis der johanneischen Gemeindegeschichte angespielt, den Ausschluß der Christen aus dem Synagogenverband (16,2), doch was der Gemeinde hier zustößt, ist nur deutlichster Ausdruck dessen, was sie in der Welt zu gewärtigen hat. Diese Aussagenreihe, die von einer bedrohten Gemeinde spricht, bildet aber bloß die Folie für Zusagen, die auf das verweisen, was den Glaubenden bereits in der Welt zugute kommt. Es entspricht ganz dem Denken des Evangelisten, die Präsenz des Heils zu betonen, freilich bezeichnet er nun erstmals in seinem Werk dies Heil als Frieden. Jesus sichert den Seinen zu: „Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch“ (14,27). Es handelt sich um eine Friedensgabe, keinen Friedenswunsch. 9 Dieser Friede greift dort Platz, wo der Geist wirkt, also nur in der Gemeinde (V. 16f.26), und das übereignete Heil ist anderer Art als das, was die Welt an vermeintlichen Wohltaten hervorzubringen vermag. Die anschließende Aufforderung Jesu („Euer Herz sei nicht verwirrt und verzage nicht“) führt zurück zum Ausgangspunkt der Rede (vgl. 14,1) und erinnert an jene Verfassung der Gemeinde, in die hinein der Friedenszuspruch erfolgt. Der Empfang des Friedens Christi darf aber nicht verwechselt werden mit dem Gewinn eines gegen weltliche Einwirkungen immunen Herzens- oder Seelenfriedens; 10 denn der Christusfriede ist vorgegeben, lebt nicht erst auf, wenn erregte Herzen zur Ruhefinden, und er enthebt nicht der Welt, sondern gewährt Leben in der Welt. In einem Nachtrag zu den Ausführungen des Evangelisten greift vermutlich ein anderer Johanneer 11 das Stichwort „Friede“ auf und beendet den Vgl. dazu R. SCHNACKENBURG, Das Johannesevangelium, HThK IV/3, 41982, 96. C.K. BARRETT, Das Evangelium nach Johannes, KEK Sonderband, 1990, 456: „Der Rest dieses Verses (scil. 27) zeigt, Friede bedeutet das Fernsein von Furcht und Unruhe des Herzens“. Gegen ähnliche, die Textaussage verkürzende Auslegungen wenden sich R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes, KEK II, 191968, 485f; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium (s. Anm. 9), 97. 11 Im Rahmen dieser Untersuchung ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Abschiedsreden insgesamt vom Evangelisten verfaßt sind oder vor allem in Kap. 15–17 mit einem oder mehreren Nachträgen der Redaktion zu rechnen ist. Gegenüber den verbreiteten literarkritischen Lösungsvorschlägen (z.B. J. BECKER, Die Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium, ZNW 61, 1970, 215–246; DERS., Das Evangelium nach Johannes, ÖTBK 4/1.2, 31991, 572f; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium [s. Anm. 9], 101ff) vertritt U. SCHNELLE, Die Abschiedsreden im Johannesevangelium, ZNW 80, 1989, 64–79, die Meinung, „(d)er Evangelist verarbeitet […] neben eigenen Texten zahlreiche Traditionen der joh Schule“ (78). Ob „die Jetztgestalt des Textes, sein Gewordensein und seine theologischen Aussagen“ (79) so wirklich einleuchtender erklärt werden können, wird zumindest dem fraglich bleiben, der anderenorts im JohEv die Option für das literarkritische Lösungsmodell für unausweichlich hält (abgesehen von Kap. 21 etwa in 5,28f), dies deshalb auch in den Abschiedsreden als Möglichkeit in Betracht zieht und nicht von vornherein ausblendet (wie SCHNELLE, 64f). Zudem geht jener Vorschlag mit einem m.E. höchst problematischen Urteil über die zeitliche Abfolge der literarischen Dokumente der johanneischen 9

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von | ihm gestalteten Redegang mit den Worten Jesu: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Bedrängnis, aber seid guten Mutes, ich habe die Welt besiegt“ (16,33). Die bekannte Übersetzung des zweiten Versteils durch Luther: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“, 12 trifft den Sinn des Textes nicht ganz. Qli`yi~ bezeichnet keine subjektive Empfindung, kein Gestimmtsein des Menschen, sondern das, was – von der Welt her – auf den Glaubenden eindringt und dann allerdings auch Angst evozieren kann. 13 Angesprochen ist die objektive Seite der Gefährdung, nicht primär die Art und Weise, wie der Mensch auf das In-der-Welt-Sein reagiert. Der Zuspruch „seid guten Mutes“ will dem Schrecken entgegenwirken, den die Bedrängnis hervorruft, und eine Zuversicht vermitteln, die sich auf den Sieg Christi über die Welt berufen kann. Die Übertragung „ich habe die Welt überwunden“ ist weniger als andere Übersetzungen geschützt davor, im stoischen Sinne verstanden zu werden: Jesus habe zur Distanz gegenüber der Welt gefunden, so, wie es etwa Epiktet als Sieg begreift, unabhängig zu werden von äußeren Einflüssen, Erfolg oder Mißerfolg, und sich auch von ungewöhnlichen Lebensumständen nicht verunsichern zu lassen.14 Doch nicht weil ihre Schrecknisse oder Lockungen ihn nicht zu | irritieren vermochten, erwies sich Jesus der Welt überlegen; der von ihm errungene Sieg besteht vielmehr darin, daß er, der in die Welt Gekommene und wieder zum Vater Zurückgekehrte (vgl. 16,28), diese grundsätzlich entmachtet hat. Schule einher: 2/3Joh, 1Joh, JohEv (U. SCHNELLE, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium, FRLANT 144, 1987, 53ff.249ff; vgl. dazu noch u. Anm. 61), weshalb die häufig beobachtete Nähe des paränetisch ausgerichteten Abschnitts Joh 15 (–17) zum Denken des 1Joh (vgl. z.B. H.-J. KLAUCK, Der erste Johannesbrief, EKK 23/1, 1991, 47, sowie das Literaturreferat bei F.F. SEGOVIA, Love Relationships in the Johannine Tradition, SBLDS 58, 1982, 82ff) dann natürlich auch nicht mehr dazu nötigt, ernsthaft die Frage redaktioneller Eingriffe in diesem Teil der Abschiedsreden zu erwägen. Die Redaktionsgeschichte gegen die Literarkritik auszuspielen ist unangebracht, wenn letztere den Text nicht – wie es mißbräuchlich gelegentlich geschieht – bloß als Fundgrube ausbeutet, in der literarische Bruchstücke anderer theologischer Konzeptionen aufzuspüren sind, sondern im Dienst der Erklärung seiner vorliegenden Gestalt steht. 12 WA DB 6, 395 (1546): „In der welt habet jr Angst, Aber seid getrost, Ich habe die welt vberwunden“. 13 Mit einigem Recht nennt J. BLANK, Das Evangelium nach Johannes, Geistliche Schriftlesung 4/2, 1977, 238, Luthers Übertragung, die „das subjektive Moment der Drangsal, die ‚Enge‘ und damit die Angst des Menschen besonders hervor(hebt)“, eine „geniale Übersetzung“. Doch die Konzentration auf das subjektive Moment, das für den heutigen Leser/Hörer stärker als noch für Luther mit dem Begriff „Angst“ verbunden ist, engt die Textaussage allzusehr ein. Auch in 16,20– 22 ist die qli`yi~ mit der luvph (V. 21) nicht einfach gleichzusetzen, obwohl einige wenige Textzeugen in V. 21b erneut luvph statt qli`yi~ lesen. 14 Epictet, diss. I 18,21–23 (hg. v. H. Schenkl, 21916, 69f): Tiv~ ou\n oJ ajhvtthto~; o}n oujk ejxivsthsin oujde;n tw`n ajproairevtwn […] tiv ou\n a[n doxavrion; tiv ou\n a]n loidorivan; tiv ou\n a]n e[painon; tiv d’ a]n qavnaton; duvnatai tau`ta pavnta nikh`sai […] tiv a]n melagcolw`n; […] ou|tov~ moiv ejstin oJ ajnivkhto~ ajqlhthv~. Vgl. noch Anm. 19.

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Zwar geht von ihr weiterhin Bedrängnis aus, aber es ist im Lichte von Ostern eine bereits entzauberte Macht, die die Glaubenden bedroht. Im erfochtenen Sieg Christi gründet die Möglichkeit gegenwärtigen Friedens für die Gemeinde. Der Grundgedanke des schon unter den nüchtern eingeschätzten Bedingungen einerfriedlosen Welt lebbaren Christusfriedens stimmt mit der zuvor besprochenen Aussage aus der Feder des Evangelisten (14,27) überein. Bei ihm finden sich durchaus auch Entsprechungen für die Vorstellung, Christus sei der der Welt Überlegene (z.B. 12,31; 14,30). Unverkennbar jedoch werden jetzt in diesem Redegang andere Akzente hinzugesetzt. Das Geschiedensein von Gemeinde und Welt kommt nun stärker unter dem Aspekt eines feindseligen Gegenübers in den Blick. Der Antagonismus zwischen Christus und den Seinen einerseits und der Welt andererseits erhält schärfere Konturen. Vorbereitet ist diese Sicht durch jene Redeabschnitte, die diesem zweiten Friedenswort vorangehen und der Welt Haß und unverhohlene Freude zuschreiben, den Jüngern dagegen Trauer, Weinen und Klagen (15,18f; 16,20–22). Der unter diesen Umständen gegebenen Zusage des Friedens Christi sind neue, kämpferischere Töne beigefügt, wie die im JohEv sonst nicht verwendeten Termini qli`yi~, qarsei`n und nika`n erkennen lassen. 15

III. Mit der Aufnahme der Vokabel „siegen“ in den theologischen Sprachschatz der johanneischen Literatur hat der Verfasser dieser Abschiedsrede Jesu direkt oder indirekt Schule gemacht. 16 Im 1Joh, der aus dem gleichen Kreis | hervorgegangen ist, aber von einem anderen Autor stammt, wird nika`n schon sechsmal gebraucht, außerdem einmal das Substantiv. Zumeist 15

Qli`yi~ findet sich schon zuvor einmal im gleichen Redegang (16,21); vgl. Anm. 13. Gehört Joh 16,33 zur Redaktionsschicht des Evangeliums (vgl. Anm. 11), läßt sich nicht sagen, ob die Rede vom Sieg Christi über die Welt – die ja seine Überlegenheit anders akzentuiert als die Worte 12,31; 14,30 (vgl. 16,11) – zu jenen johanneischen Traditionen gezählt werden kann, die der Verfasser des 1Joh gekannt hat, wie z.B. K. WENGST, Der erste, zweite und dritte Brief des Johannes, ÖTBK 16, 1978, 204, zu 1Joh 5,4 voraussetzt. Daß der Briefautor selbst der (oder ein) Redaktor des Evangeliums ist, was nicht selten vermutet wird (vgl. W. SCHMITHALS, Neues Testament und Gnosis, EdF 208, 1984, 106.115–117; skeptisch ist H.-J. KLAUCK, Die Johannesbriefe, EdF 276, 1991, 108f), muß nicht nur im Blick auf die Entfaltung der Siegesthematik (gegen die Erwägung bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium [s. Anm. 9], 188), sondern auch aufgrund anderer Beobachtungen, etwa der keineswegs deckungsgleichen eschatologischen Sicht und Terminologie (dazu vgl. TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 2], 131f mit Anm. 51, 134 Anm. 57), als höchst unwahrscheinlich gelten. 16

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verknüpfen die Ausleger die johanneischen Siegesaussagen miteinander – auch unabhängig vom Urteil in der Verfasserfrage – und verstehen diejenigen des 1Joh als Ausweitung oder sachliche Ergänzung des Wortes im Evangelium. 17 Doch damit nimmt man ihnen ihr eigenes Profil. Es ist kein Zufall, wenn im 1Joh von einem Sieg Christi über die Welt nichts verlautet und statt dessen vom Glaubenden gesagt wird, er besiege die Welt bzw. habe sie besiegt (1Joh 5,4f). Nicht nur die Welt, auch was zur Welt gehört, gilt als geschlagen: der Böse, der Teufel (2,13f; vgl. 3,12 neben V. 8.10), sowie die Pseudopropheten (4,4; vgl. V. 1). Gleicht man die Aussagen des Briefes mit der Proklamation des Sieges Christi im JohEv aus und erklärt, im Glauben lasse sich die Gemeinde auf den von Christus errungenen Sieg ein, sein Sieg werde so zu einem der Glaubenden, 18 wird man weder dem Brief noch dem Evangelium gerecht. Denn das | Wort vom Sieg Christi beansprucht den Sieg exklusiv für Christus. Eindringlich unterstreicht das auch die dem Wort unmittelbar vorangehende Anspielung auf das Versagen der Jünger (Joh 16,32); ihr Glaube (V. 30ff) ist zutiefst gefährdet. Einzig im Blick auf den Sieg Christi, nicht 17 So mit im einzelnen unterschiedlicher Auswertung des angeblichen Bezuges: E. GAUGLER, Auslegung neutestamentlicher Schriften 1: Die Johannesbriefe, 1964, 120–124.256f; R. SCHNACKENBURG, Die Johannesbriefe, HThK XIII/1, 61979, 255 Anm. 3 von 254.256 (zustimmend R. BULTMANN, Die drei Johannesbriefe, KEK XIV, 1(7)1967, 81 Anm. 5); H. BALZ, Die Johannesbriefe, in: Die „Katholischen“ Briefe, NTD 10, 1(11)1973, 150–216, 190, der 1Joh 5,4b sogar als „Nachsatz über den bereits errungenen Sieg Christi“ (!) bezeichnet (196); I.H. MARSHALL, The Epistles of John, NIC, 1978, 140f.229; WENGST, Johannes (s. Anm. 16), 204f; R.E. BROWN, The Epistles of John, AncB 30, 1982, 304.507.572.594f; für F. HAHN, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse, in: G. Jeremias u.a. (Hg.), Tradition und Glaube (FS K.G. Kuhn), 1971, 357–394, 387 Anm. 108 von 386, gehört die in Joh 16,33 dokumentierte johanneische Sicht zur „Voraussetzung“ der Siegesaussagen des 1Joh; nach G. STRECKER, Die Johannesbriefe, KEK XIV, 1989, 268, sagt der Verfasser des 1Joh in 4,4a „(d)as gleiche […] in der Zeitform der Gegenwart von den Glaubenden“ wie der Zuspruch in der Parallele Joh 16,33; die voneinander unabhängige Überlieferung im JohEv und 1Joh (vgl. das grundsätzliche Urteil zum Verhältnis der Schriften: 53) zeige an, daß „der johanneische Kreis weithin die Überwindung der Macht des Kosmos durch das Auftreten des Gottessohnes […] bezeugt“. Anders urteilen aber E. HAENCHEN, Neuere Literatur zu den Johannesbriefen, ThR 26, 1960, 1–43.267–291, 39f; G. KLEIN, Johannes 5,1–5, in: DERS., Bibelkritik als Predigthilfe, 1971, 109–117, 112f; P. BONNARD, Les Épîtres johanniques, CNT(N) XIIIc, 1983, 104f; vgl. noch F. VOUGA, Die Johannesbriefe, HNT 15/3, 1990, 39.61. 18 Vgl. z.B. BULTMANN, Johannes (s. Anm. 10), 457f. Er verweist auf Joh 17,13; 15,11 als Parallele: „Wie die Freude Jesu den Jüngern zu eigen werden soll […], so ist sein Sieg ihr Sieg“ (458). Doch fällt demgegenüber auf, daß sich eine wirklich entsprechende Feststellung über den Sieg im JohEv gerade nicht findet, allenfalls vom 1Joh her eingetragen werden kann (ebd.; auch gegen W. BAUER, Das Johannesevangelium, HNT 6, 31933, 202; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium [s. Anm. 9], 188). Zwar wird die luvph in die carav verwandelt werden (16,20b.22), der Friede in Christus hebt aber die weltliche Bedrängnis nicht auf, sondern wirkt in dieser. Deshalb tritt in 16,33 die eijrhvnh eben nicht an die Stelle der carav (so aber BULTMANN, 386), die ja die luvph ablöst. Natürlich hat die Gemeinde teil am Sieg Christi, doch nur insofern, als ihr die Frucht dieses Sieges, der Frieden, zugute kommt (zu BULTMANN, 459).

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auf sich selbst, kann die Gemeinde in der Bedrängnis der Welt Mut fassen und in Christus Frieden finden. 19 Umgekehrt verkündet der Autor des 1Joh den Sieg der Gemeinde über die Welt, spricht aber nicht von dem über die Welt siegreichen Christus. 20 Dieser Befund ist im Rahmen des 1Joh um so bemerkenswerter, weil der Verfasser in diesem Fall nicht auf eine Möglichkeit zurückgreift, von der er sonst mehrfach in seinem Schreiben Gebrauch macht, nämlich die Verbundenheit der Gemeinde mit Christus in der Form von Entsprechungen darzustellen (vgl. nur das kaqw;~ ejkei`no~ in 2,6; 3,3.7; 4,17 sowie z.B. 2,29). Im Brief liegt eine andere, neue johanneische Konzeption des Siegesmotivs vor. Die allgemeinste Aussage zum Thema bietet die neutrische und präsentische Formulierung „alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt“ (5,4a). Dieser Sieg über die Welt, den der aus Gott Gezeugte erringt, vollzieht sich dem Kontext nach in der Gebotserfüllung. Sie ist selbstverständlicher und unmittelbarer Ausfluß der Liebe zu Gott (V. 2f), somit für den, der Gott zugehört und sich gegen den Kosmos mitsamt seinen Werten entscheidet (2,15f), „nicht schwer“ (5,3b). Konkret denkt der Verfasser an das Gebot der Bruderliebe (vgl. V. 1bf). Doch der sentenzartige Satz greift darüber hinaus. Aus Gott gezeugt ist jeder, der glaubt, daß Jesus der Christus ist (V. 1a). Dies von Irrlehrern geleugnete Bekenntnis schärft der Autor seinen Adressaten ein. Zu den Siegern über die Welt gehören deshalb auch diejenigen, die am rechtgläubigen Bekenntnisfesthalten. So kann der Verfasser in der Erläuterung der Siegesaussageformulieren: „und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat, unser Glaube“ (V. 4b), um anschließend ganz in diesem Sinne die rhetorische Frage zu stellen: „Wer ist es, der die Welt besiegt, wenn nicht der, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (V. 5). Das Nebeneinander von Aussagen im Präsens (V. 4a.5) und Aorist (V. 4b) 21 folgt aus der Identifizierung des Siegenden mit dem Glaubenden | (V. 5): Als er das Bekenntnis übernahm oder es im schwelenden Konflikt bewahrte, eben nicht zur anderen Seite überlief, hat er die Welt besiegt, und er erweist sich (weiterhin) siegreich, indem er das Gebot befolgt und beim 19 BAUER, Johannesevangelium (s. Anm. 18), 201f, verweist zu Joh 16,33 auf „den begeisterten Preis des inneren Friedens, der aller äußeren Anfechtung spottet, durch den Stoiker“ und zitiert Epictet, diss. III 13,12 (bei Bauer versehentlich: 12,12). Dagegen wendet sich BULTMANN, Johannes (s. Anm. 10), 458 mit Anm. 5, zu Recht, doch nicht, weil in der „ständig zu ergreifende(n) Möglichkeit des gläubigen Existierens“ (458) der Sieg Christi zu einem der Jünger wird (vgl. o. im Text und Anm. 18), sondern weil die Möglichkeit des Friedens in Christus als Werk Christi an ihn gebunden bleibt, die eijrhvnh keine (bei Epiktet: im Hören auf die Lehre der Philosophen vernünftigerweise anzueignende) Haltung ist. 20 Vgl. u. im Text und zu 1Joh 3,8b bei Anm. 26f. 21 Zu den Verständnismöglichkeiten des Aor. in V. 4b vgl. bes. BROWN, Epistles (s. Anm. 17), 570f; KLAUCK, Johannesbrief (s. Anm. 11), 290.

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Bekenntnis bleibt (vgl. das Perfekt in 2,13f; 4,4). Keinesfalls aber kann der Aorist in 5,4b auf den „heilsgeschichtlichen, einmalig und grundsätzlich erfolgten Sieg Christi“ 22 verweisen, denn der Sieg wird hier ausdrücklich definiert als hJ pivsti~ hJmw`n. Die Zuspitzung der Siegesthematik auf die Frage des Bekenntnisses ist vor dem Hintergrund der in diesem Schreiben durchgehend betriebenen Abgrenzung gegen Irrlehrer bezeichnend, steht aber nicht in Spannung zu dem zuvor angesprochenen Gesichtspunkt des Haltens der Gebote. Denn für den Autor des 1Joh bilden Orthodoxie und Orthopraxie eine unauflösbare Einheit, und dort, wo sie Gestalt gewinnt, im Raum der rechtgläubigen Gemeinde, manifestiert sich der Sieg über die Welt. Sieger sind die Gläubigen, die sich von den Häretikern nicht irreleiten lassen und das Liebesgebot praktizieren. Entsprechend sichert der Autor der Gemeinde an anderer Stelle zu, sie habe die Irrlehrer besiegt (4,4a). Denn zwischen Gott, der in den Rechtgläubigen, und dem, der „in der Welt“ (V. 4b) wirksam ist und bei seinesgleichen Resonanz findet (V. 5), besteht kein Machtgleichgewicht. Im Kampf mit den vom Geist des Antichrists bestimmten Pseudopropheten (V. 1–3) hat die das Bekenntnis bewahrende Gemeinde schon gewonnen (nenikhvkate), weil sie auf der Seite Gottes steht. Sie siegt nicht erst, wenn sie sich gegen die falschen Propheten tatsächlich durchgesetzt und sie vertrieben hat. 23 In dieser theologischen Kontroverse, die in die umfassendere Auseinandersetzung zwischen Gott und seinem Widersacher eingezeichnet wird, 24 gilt die Siegesaussage auffälligerweise allein den Gläubigen. Der Verfasser hat ihnen in 2,13b.14c bereits ihre Überlegenheit über den Bösen zugesagt. Er behaftet dort seine Adressaten bei ihrem Christsein, erinnert sie an ihren Heilsstand und spricht sie nicht nur – wie in seinem Schreiben sonst üblich – als „Kindlein“ bzw. „Kinder“ an, sondern unter dem Ge|sichtspunkt des Kampfes auch als „junge Männer“. 25 Dieser Anrede

22 SCHNACKENBURG, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 254, der seine Auffassung mit dem Gebrauch des Aor. in Apk 3,21; 5,5 belegt und zusätzlich Joh 16,33 heranzieht (255 Anm. 3 von 254). Diese Interpretation wollen BROWN, ebd.; KLAUCK, ebd. (jeweils auch unter Berufung auf Joh 16,33), nicht ausschließen. 23 Zur Sicht von H. WINDISCH/H. PREISKER, Die Katholischen Briefe, HNT 15, 31951, 128, vgl. den Einwand bei BULTMANN, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 68 Anm. 4. 24 Schon deshalb liegt es nahe, zur Herkunft des Siegesmotivs vor allem auf die „dualistische... Sprache der jüdischen Apokalyptik“ zu verweisen (KLAUCK, Johannesbrief [s. Anm. 11], 134; vgl. BROWN, Epistles [s. Anm. 17], 304.594). Die „apokalyptische Komponente“ ist im 1Joh „noch andeutungsweise“ erkennbar (STRECKER, Johannesbriefe [s. Anm. 17], 268); weil sie in der Apk vermeintlich unmittelbarer hervortritt, erwähnen KLAUCK, ebd.; BROWN, 304, in diesem Zusammenhang das häufige Vorkommen von „siegen“ in diesem Werk. Das geschieht im Blick auf einen Teil der Apk-Belege sicher zu Recht (vgl. u. IV.). 25 Selbst wenn im Unterschied zu den „Kindlein“ mit den „Vätern“ und den „jungen Männern“ bestimmte Gemeindegruppen angeredet sein sollten (wie erneut STRECKER, Johannesbriefe [s.

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ordnet er die Aussage zu: „... ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen besiegt (nenikhvkate)“ (V. 14c). Weil die Gemeinde vom Wort Gottes bestimmt ist, eignet ihr jene jugendliche Stärke, der sie den Sieg über den Teufel verdankt. Sie hat ihn errungen, da sie ihr Sein in der Welt nicht an den Maßstäben der Welt ausrichtet, am Bekenntnis festhält und sich auf die Möglichkeit des Nichtsündigens einläßt (vgl. 3,6), die der Gottessohn eröffnet hat; dieser wurde offenbart, damit er die Werke des Teufels vernichte, die Sünden fortschaffe (3,8.5).26 Der Sieg der Gemeinde über den Bösen baut also auf einem Fundament auf, das sie nicht selbst gelegt hat. Doch, erneut reserviert der Verfasser für sie die Siegesaussage, wendet diese nicht auch auf Christus an, obgleich er sich ihr der Sache nach nähert. Denn mehr wird man im Blick auf 3,8b kaum sagen können, wo nicht von einem Sieg Christi über den Teufel die Rede ist (sowenig wie in 4,4b von einem Sieg Gottes über „den in der Welt“), sondern von der Zerstörung der teuflischen e[rga und damit von der Voraussetzung für die Sündenfreiheit der aus Gott Gezeugten (3,9). Nur wenn man die terminologische Differenzierung des Briefautors nivelliert und seinen Einsatz der Siegessprache sehr eigenartig gewichtet, kann man zu 2,13f formulieren: „Auf diesen schon errungenen Sieg (sc. den vermeintlich in 3,8b erwähnten) läßt sich der Glaube in der Tat ein, so daß es auch von ihm heißen kann, daß er schon gesiegt hat (5,4f; vgl. 4,4).“27 Vielmehr bestätigt 2,13b.14c in Verbindung mit 3,8b, daß der Verfasser des Schreibens offenbar kein Interesse daran hat, das Siegesmotiv christologisch einzusetzen. Bei ihm ist es ausschließlich ekklesiologisch geprägt. Der Grund dafür dürfte in der aktuellen Kampfsituation zu suchen sein. Die Front verläuft nicht mehr einfach zwischen Gemeinde und Welt, sondern auch quer durch das johanneische Christentum. In der Konfrontation mit den | aus den eigenen Reihen hervorgegangenen (2,19) Irrlehrern 28 wird Anm. 17], 115, meint), gelten doch die Aussagen in 2,13b.14c im Sinne des Verfassers nicht nur einer Gruppe (vgl. auch a.a.O., 117f). 26 Vgl. dazu WENGST, Johannes (s. Anm. 16), 91f. Erwägt BULTMANN, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 38, nur, daß in 2,13f „beim Sieg speziell an den rechten Glauben gedacht ist, der über die Irrlehre triumphiert“, so ist für HAENCHEN, Literatur (s. Anm. 17), 39, diese Deutung nicht zweifelhaft. Doch dürfte aufgrund der Charakterisierung des Teufels in 3,8, der der ponhrov~ (3,12) ist, der Sieg sich hier nicht nur auf das Glaubensbekenntnis, sondern auch auf den rechten Lebenswandel beziehen, in dem sich die „Kinder Gottes“ von den „Kindern des Teufels“ unterscheiden (3,9f). Die erste Siegesaussage im 1Joh wird demnach beide (in 4,4 und 5,4f entfalteten) Aspekte umfassen. Diese Zusammenhänge übersieht J.E. BRUNS, A Note on John 16,33 and I John 2,13–14, JBL 86, 1967, 451–453, wenn er in 1Joh 2,13f. Anklänge an den „widespread cult of Herakles […] as conqueror of death and evil“ (453) erkennen will. 27 WENGST, Johannes (s. Anm. 16), 92 (Hervorhebung von mir), im Anschluß an GAUGLER, Auslegung (s. Anm. 17), 121f. 28 Wer die Gegner im 1Joh sind, ja ob man sie überhaupt als „Gegner“ oder gar „Irrlehrer“ bezeichnen sollte, ist nach wie vor heftig umstritten (vgl. nur aus jüngster Zeit die entsprechenden

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der rechtgläubigen Gemeinde versichert, sie sei ihren Gegnern – Repräsentanten der Welt und Verkörperungen des Antichrists (vgl. 2,18) – überlegen, weil in ihr der Geist Gottes wirkt und sie der alten Überlieferung treu bleibt (2,20ff). Ob der Autor des 1Joh das Wort vom Sieg Christi über die Welt kannte, ist kaum zu entscheiden. 29 Sollte er es in seiner Tradition vorgefunden haben, so hat er es jedenfalls nicht aufgenommen, sondern das Siegesmotiv dem Bereich der Christologie entnommen und in der Ekklesiologie angesiedelt. Allerdings kommen die beiden johanneischen Ausformungen des Motivs darin überein, daß sie den Sieg – sei es der Christi, sei es der der Glaubenden – nur als Tatsache zur Sprache bringen.

IV. In der Apk nun scheint eine Konzeption vorzuliegen, die recht weit von jenem Siegesdenken wegführt. Für den Verfasser dieses Buches ist Siegen ein „zentrale(r) Leitbegriff“, 30 den er entsprechend häufig gebraucht (17mal). Er kennt neben schon errungenen noch ausstehende Siege, weiß sogar von solchen der irdischen Mächte über die Christen, denkt an das Resultat eines auch kriegerischen Kampfes und gelegentlich an die Überlegenheit im Rechtsstreit. Gewisse Berührungspunkte mit den erwähnten johanneischen Ausführungen des Motivs sind jedoch nicht zu übersehen, denn der Apk-Autor kann ebenfalls von Christus (5,5; vgl. 3,21) wie von den Christen (12,11) sagen, sie hätten bereits gesiegt. Freilich rücken bei ihm daneben andere Aspekte in den Vordergrund. Die facettenreiche Rede vom Sieg in der Apk ist aber als Fortführung und Kombination der beiden Sichtweisen zu erklären, die im JohEv und im 1Joh belegt sind. Den Blick für diese Zusammenhänge darf man sich nicht verstellen lassen durch jene Verwendungen des Motivs im Werk des Sehers, die deutlich von den dargestellten johanneischen unterschieden sind; sie entstammen Ausführungen von H. THYEN, Art. Johannesbriefe, TRE 17, 1988, 186–200, 189–195; STRECKER, Johannesbriefe [s. Anm. 17], 131–139; VOUGA, Johannesbriefe [s. Anm. 17], 46–48; KLAUCK, Johannesbrief [s. Anm. 11], 34–42, die zu einem jeweils anderen Ergebnis kommen). Die einleuchtendste Erklärung des Textbefundes ergibt sich m.E. aus der Annahme, daß die Auseinandersetzung um das johanneische Erbe geführt wird, das die einen „ultrajohanneisch“ (vgl. 2,19; 2Joh 9) auslegen (vgl. P. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, GLB, 1975, 472; KLAUCK, 40f), wodurch sie in den Augen des Verfassers des 1Joh tatsächlich zu Irrlehrern geworden sind. 29 Vgl. o. Anm. 11 und 16. 30 J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, 1984, 50; vgl. LEIVESTAD, Christ (s. Anm. 3), 212: „In Revelation nikavw is a key word.“

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alttestamentlichem und jüdisch-apokalyptischem Erbe. Das gilt, um nur das | Augenfälligste zu nennen, für die Erwartung einer letzten Entscheidungsschlacht, des Triumphes Gottes über seine Feinde und die seines Volkes sowie das Wirken des Messias als siegreicher Kämpfer gegen die bösen Mächte. 31 Auch wenn man in einigen Kreisen des Judentums der Beendigung der vorfindlichen Weltzustände nicht nur entgegenharrt, sondern selbst zu den Waffen greift, um die Gottlosen zu schlagen – ein Weg, der für den Apokalyptiker Johannes ausgeschlossen ist –, so weiß man doch wie der Krieger Judas Makkabäus: „Nicht auf der Größe des Heeres beruht der Sieg im Kampf, sondern vom Himmel kommt die Stärke“ (1Makk 3,19). Die Losung beim Aufstand gegen das gotteslästerliche Regime der Seleukiden heißt deshalb: „Gottes ist der Sieg“ (2Makk 13,15). Gleiches steht nach Ausweis der von apokalyptischem Geist durchdrungenen Kriegsrolle aus Qumran auch auf dem Feldzeichen derer, die vom endzeitlichen Kampf der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis heimkehren (1QM 4,13). 32 Charakteristischer aber noch als die weithin traditionellen Aussagen vom Kampfessieg Gottes und seines Christus ist für Johannes ein anderer, ebenfalls nicht analogieloser Gebrauch der Siegesterminologie in den sieben Sendschreiben der Apk. Zu jeder dieser an Gemeinden im westlichen Kleinasien gerichteten Botschaften, die der erhöhte Christus dem Seher diktiert und die dieser dem Hauptteil seines Buches vorangestellt hat, gehört ein abschließender, formal im wesentlichen gleichbleibender Spruch. Der erste dieser Sprüche lautet: „Wer siegt, dem werde ich (sc. Christus) vom Baum des Lebens zu essen geben, der im Paradies Gottes steht“ (2,7). Die Zusage erfolgt unter der Bedingung, daß der Christ siegt; nur dann hat er an der künftigen Herrlichkeit teil. Gegen Ende seines Werkes schildert Johannes, wie das neue Jerusalem aus dem Himmel herabkommt, und er hört, wie Gott selbst versichert: „Wer siegt, wird dies erben“ (21,7). Allein dem Sieger wird das Leben in der neuen Welt zufallen. Die Siegersprüche mahnen die Gemeinden, im Hinblick auf das kommende Heil ihren Glauben in der irdischen Wirklichkeit zu bewähren. 33 Der Autor denkt dabei an den Wider31 Vgl. dazu R. BAUCKHAM, The Book of Revelation as a Christian War Scroll, Neotestamentica 22, 1988, 17–40, und C.H. GIBLIN, The Book of Revelation, Good News Studies 34, 1991, bes. 25–34.222–231, dessen Apk-lnterpretation um den Nachweis bemüht ist, daß „a consistent thematic, that of God’s Holy War, pervades John’s entire composition“ (224). 32 la xcn übersetzen J. MAIER, Die Texte vom Toten Meer I, 1960, 129; T. HOLTZ, Art. nikavw, nivkh, EWNT II, 1981, 1148–1150: 1150, und andere zutreffend mit „Sieg Gottes“; vgl. sachlich z.B. 1QM 3,9; 11,4f. Zu Parallelen und Unterschieden zwischen 1QM und der Apk vgl. BAUCKHAM, ebd. 33 Vgl. HAHN, Sendschreiben (s. Anm. 17), 386. Er betont jedoch einseitig den Gesichtspunkt des Leidens (s. dazu in Anm. 53). D.E. AUNE, The Form and Function of the Proclamations to the Seven Churches (Revelation 2–3), NTS 36, 1990, 182–204, erkennt in den Siegersprüchen „state-

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stand gegen Irrlehrer (2,2.6.14f.20ff), | das rechte ethische Verhalten34 sowie das Bestehen in äußerer, letztlich vom Teufel bewirkter Bedrängnis (vgl. 2,9f.13 in Verbindung mit Kap. 12f). Er bezieht also das Siegen auf ganz ähnliche Kampfsituationen wie der Verfasser des 1Joh.35 Aber dieser Sieg wird nicht, wie im 1Joh, zugesprochen, er wird in den Siegersprüchen eingefordert. Ein vergleichbarer Gebrauch des Siegesmotivs ist im 4Esr bezeugt. Esra beklagt das traurige Schicksal der Sünder, die nach dem Tode statt der verheißenen Freuden Leid (vgl. 7,79ff) erwartet. Von einem Engel erhält er zur Antwort: „Das ist der Sinn des Kampfes, den der Mensch kämpft, der auf Erden geboren ist, daß er, wenn er unterliegt, das leiden muß, was du gesagt hast, wenn er aber siegt, das empfängt, was ich gesagt habe“ (7,127f); gemeint sind die zuvor beschriebenen Freuden (7,90ff). Die abschließende positive Aussage über den Sieg steht der paränetischen Verwendung des Motivs in den Siegersprüchen der Apk recht nahe. 36 | ments with a function similar to the sanctio or corroboratio“ (203), „end clauses whose purpose is to bring about the observance of the enactment“ (201). 34 Der sittliche Lebenswandel gehört zu den „Werken“, nach denen die Gemeinden beurteilt (2,2.19; 3,1.8.15) und auch die Christen gerichtet werden (20,11ff; 22,12; 11,18; 14,13b; dazu TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 2], 161–171), wie in den Sendschreiben 2,4f; 3,2.4 zeigen. Bezeichnend ist zudem 21,8 nach V. 7. Die zentrale und umfassende Bedeutung der e[rga unterstreicht erneut T. HOLTZ, Die „Werke“ in der Johannesapokalypse, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und Ethik (FS R. Schnackenburg), 1989, 426–441. 35 Das ist verkannt von G. SCHUNACK, Die Briefe des Johannes, ZBK.NT 17, 1982, 93. Liest man die Siegersprüche im Kontext der Gemeindebotschaften (und der Apk insgesamt), haben sie durchaus jene „kritische Ausrichtung“, die Schunack bei ihnen im Vergleich mit 1Joh 5,5 vermißt. SCHNACKENBURG, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 256, nennt als Unterschied, es werde im 1Joh „(n)icht zum Martyrium, dem Standhalten in äußerer Drangsal, sondern zur Abwehr der Irrlehre“ ermutigt. Doch das letztere ist auch ein Thema der Sendschreiben, für die es in anderer Situation als der des 1Joh „entscheidend auf die Reinheit des Glaubens, die Klarheit des Christusbekenntnisses“ (ebd. zu 1Joh 5,5) ankommt. Sieger sind aber hier wie dort nur diejenigen, die den jeweils aufgestellten Kriterien genügen, wobei Apk 12,11 (vgl. u. im Text) hinter der in 1Joh 5,5 bekundeten Siegesgewißheit nicht zurücksteht (zu BROWN, Epistles [s. Anm. 17], 572). 36 Auf 4Esr 7,127f wird häufig verwiesen: z.B. T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, 21971, 38; HAHN, Sendschreiben (s. Anm. 17), 385; E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Quest for the Johannine School: The Apocalypse and the Fourth Gospel, NTS 23, 1977, 402– 427, 424. Die feindliche Macht, die es zu besiegen gilt, ist allerdings eine andere (vgl. 4Esr 7,92: das im Menschen selbst wohnende Böse). Zieht man aus der Parallele (Verheißung künftigen Heils an den Sieger) den Schluß, „(d)ie Herkunft der Überwinderbegrifflichkeit liegt in der jüdischen Apokalyptik“ (U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, 1984, 95), muß aber beachtet werden, daß die Siegersprüche der Sendschreiben in eine umfassendere Konzeption eingebunden und erst in deren Rahmen angemessen zu würdigen sind. Nur wenn man davon absieht, kann man andererseits wie F. BOLL, Aus der Offenbarung Johannis, STOICEIA 1, 1914 Nachdr. 1967, 49 Anm. 1, die Vorstellung des Siegers in der Apk vom Kriegsdienst der Mysten (Isismysterien, Mithraskult) her begreifen (wenngleich sich in den Zusagen an den Sieger – z.B. in 2,17.28 – vereinzelt Elemente finden, die auch damit in Verbindung gebracht werden könnten). Zweifellos weist „(d)er Begriff nikw`n […] in einen großen religionsgeschichtlichen Zusammenhang“ (E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, 31970, 23), wie weitere herange-

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Johannes begnügt sich allerdings nicht damit, die Gläubigen nur als potentielle Sieger anzusprechen. Noch ehe das von ihm geschilderte endzeitliche Drama seinen Höhepunkt erreicht (vgl. 15,1; 16,1ff), schaut er sie im Himmel als tatsächliche Sieger, die der feindlichen Macht des Römischen Imperiums samt dessen Anspruch auf religiöse Verehrung widerstanden haben (15,2) und das Lied der Geretteten anstimmen (V. 3f). Fast hat es den Anschein, als sollten die bedrängten Christen durch diesen visionären Vorgriff auf ihre Vollendung nur zu äußerster Kraftanstrengung im Kampf um den Sieg angespornt werden. Gewiß will Johannes mit seinem Werk auch zu standhaftem Ausharren ermutigen, seine Rede vom Sieg der Christen wäre aber erst oberflächlich erfaßt, sähe man in ihr lediglich den Versuch, einen weder Tod noch Teufelfürchtenden Heroismus zu stimulieren. Denn der Kampf ist entschieden, die Sieger stehen fest und sind bekannt. Das ist die Botschaft, die der Seher im Mittelteil seines Buches verkündet. Hier spricht er von dem durch unerbittliche Härte gekennzeichneten Konflikt zwischen dem teuflischen Imperium und der Gemeinde. In Apk 12 stellt er einleitend mit Hilfe eines alten Mythos dar, wie es dazu kam und wer hier agiert. Es ist ein bereits tödlich getroffener und gerade deshalb so gefährlicher Gegner, der den Christen zusetzt: Aus dem Himmel auf die Erde hinabgestoßen, verfolgt der Teufel zornentbrannt die Gemeinde. Aber im Himmel erklingt ein Hymnus, der das Geschehen deutet (12,10–12). Seine erste Strophe proklamiert die Durchsetzung der Herrschaft Gottes und seines Christus, denn der Teufel ist entmachtet. Die zweite Strophe besingt den Sieg der irdischen Gemeinde über den Teufel, und die dritte Strophe ruft auf zum Jubel im Himmel, kündigt der Erde jedoch das Wüten des Hinabgestürzten an. Ins Zentrum des Liedes, das anläßlich des himmlischen Triumphes über den Satan erschallt, rückt der Seher die Kunde vom Sieg der irdischen Gläubigen. Der Text zur himmlischen Musik lautet: „Sie haben ihn besiegt (ejnivkhsan) durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode“ (12,11). Die Tragweite dieser Aussage wird verkannt, wenn man den betroffenen Personenkreis auf Märtyrer eingrenzt 37 und die Rede vom errungenen Sieg

zogene Parallelen belegen (vgl. BULTMANN, Johannes [s. Anm. 10], 434f, Anm. 7. 458 Anm. 4; M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief, FRLANT 140, 1986, 165 mit Anm. 118), die aber kaum zum Verständnis der Apk-Stellen beitragen. 37 W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, Göttingen 1966 (= KEK XVI, 61906), 358: „Verherrlichung des Martyriums“; A. YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, Harvard Dissertations in Religion 9, 1976, 142: „It is only those who have actually died for the faith whose eternal destiny is assured.“

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bloß antizipieren läßt, was erst zu verwirklichen sei.38 Angesprochen sind | diejenigen, die „ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tode“. Damit ist ihre „grenzenlose Unerschrockenheit“ 39 gemeint; sie sind bereit, das Leben hinzugeben, scheuen auch das Martyrium nicht (vgl. 13,10), das für einige zu erwarten steht (vgl. 2,10 mit dem bezeichnenden ejx uJmw`n). Doch weder die Siegersprüche der Sendschreiben (und 21,7!) noch die Darstellung der Sieger in 15,2 (vgl. 14,1–5) beziehen sich ausschließlich oder vornehmlich auf Blutzeugen. 40 Der Sieg der Christen ist zudem eine gegenwärtige Realität, nicht anders als der Sturz des Drachen (V. 9f) und das Austoben seines Zorns auf Erden (V. 12). 41 Sie können ihn freilich nicht primär eigener Kraftanstrengung zuschreiben, denn fundamentaler noch haben sie ihren Gegner überwunden „durch das Blut des Lammes“. In der Bindung an die Heilstat Christi und dem notfalls mit dem Tod besiegelten Bekenntnis dazu besteht also der Sieg über den irdisch noch Macht ausübenden Teufel (vgl. V. 17). 42 Diesen gegenwärtigen Sieg der in heftige Auseinandersetzungen mit dem Widersacher Gottes verwickelten Gemeinde verbürgt ein Ereignis der Vergangenheit. Von diesem grundlegenden Geschehen, das die Christen in ihrem Sieg aktualisieren, erfährt der Leser zu Beginn des apokalyptischen Hauptteils des Werkes (Apk 5). Johannes erblickt in der Rechten des inmitten seines Hof|staates thronenden Gottes ein siebenfach versiegeltes Buch. Weil niemand in der Lage ist, das Buch zu öffnen, bricht der Seher in heftiges Weinen aus, denn solange das Buch geschlossen ist, bleibt 38 BOUSSET, Offenbarung (s. Anm. 37), 342: „Da der eigentliche Kampf“ mit dem Drachen „noch bevorsteht, […] ist der Hymnus proleptisch zu verstehen. Der Sieg der Gläubigen ist dem Apok. so gewiß, daß er schon jetzt die Engel für denselben danken läßt.“ 39 K.-P. JÖRNS, Das hymnische Evangelium, StNT 5, 1971, 114. 40 Gegen die in der älteren Literatur verbreitete Auffassung, die Verheißungen in den Siegersprüchen der Sendschreiben gälten nur den Märtyrern, wenden sich zu Recht HOLTZ, Christologie (s. Anm. 36), 37 mit Anm. 4 (zu 12,11: 77f); A. SATAKE, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, 1966, 35 Anm. 1 (zu 12,11: 109 Anm. 2); ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 30), 51; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 36), 94f; auch LEIVESTAD, Christ (s. Anm. 3), 214f (zu 12,11: 215). 41 Deshalb ist V. 11 keineswegs – wie LEIVESTAD, Christ (s. Anm. 3), 224, meint – „out of place in this context“. 42 Zu der hier vorgetragenen Interpretation von 12,11 vgl. vor allem HOLTZ, Christologie (s. Anm. 36), 75–78; JÖRNS, Evangelium (s. Anm. 39), 114f. Auch MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 36), 238, und ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 30), 130f, unterstreichen, daß die Christen bereits zu Siegern geworden sind. V. 11c ist damit durchaus vereinbar (anders A. SATAKE, Sieg Christi – Heil der Christen. Eine Betrachtung von Apc XII, AJBI 1, 1975, 105–125, 110f mit Anm. 1), weil der Satz näher entfaltet, wie mutig die Gläubigen „das Wort ihres Zeugnisses“ (V. 11b; zum Verständnis der Wendung vgl. DERS., Gemeindeordnung [s. Anm. 40], 109–111) ausrichten. V. 11a unterstützt die Deutung auf einen bereits errungenen Sieg, denn er ruft den gegenwärtigen Heilsstand der Christen (1,5; 5,9; vgl. 7,14) in Erinnerung (gegen SATAKE, Sieg, 117: durch eigenes Leiden „bekommen Christen Anteil am Blut des Lammes und können dadurch den Sieg über den Drachen gewinnen“; auch gegen BAUCKHAM, Book [s. Anm. 3l], 27f, der in 1,5b; 5,9 eine andere Vorstellung als in 7,14; 12,11 finden will).

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der Geschichtsplan Gottes verhüllt, herrschen Trauer und Ratlosigkeit. Doch ein Mitglied des himmlischen Hofstaates vermittelt Johannes eine Einsicht, die das Weinen als unangemessen, als anachronistisch erscheinen läßt: „Weine nicht. Siehe, gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, um das Buch und seine sieben Siegel zu öffnen“ (5,5). Dieser Triumphator tritt auf in der Gestalt eines Lammes „wie geschlachtet“ (V. 6). Gesiegt hat Christus in seinem Tode, durch den er für Gott eine neue Heilsgemeinde schuf. Deshalb ist er allein würdig, das Buch aus der Rechten Gottes zu empfangen und zu öffnen (V. 9f). Alle Ereignisse nun, die der Seher im Folgenden schildert, die einzelnen Akte des Endgeschehens, sind Inhalt dieses von Christus geöffneten Buches und brechen an mit dem Lösen der einzelnen Siegel. Was der Gemeinde in der Gegenwart widerfährt und was sie und die Welt in der Zukunft erwartet, steht demnach unter dem Vorzeichen des Sieges Christi. Die entscheidende Geschichtswende hat bereits stattgefunden. Im Endgeschehen, das der Sieger Christus selbst inauguriert hat, waltet kein blindes Schicksal.

Dies Wissen ist kein nur auf den kommenden Tag der Abrechnung (vgl. z.B. 11,17f; 22,10–15) vertröstender Trost. Denn – wie jener himmlische Hymnus versichert –: So gewiß die Gemeinde ihre eigene Existenz dem von Christus errungenen Sieg verdankt, so gewiß partizipiert sie im Bekenntnis zu diesem Sieger an der Entmachtung des Teufels und hat darum diesen Widersacher überwunden, noch bevor sein irdisches Treiben beendet ist. In ihrem Sieg wirkt der für sie erfochtene Sieg weiter. Die den Sieger erwartende Herrschaftsstellung entspricht deshalb auch derjenigen, die Christus selbst aufgrund seines eigenen Sieges innehat (3,21). Mithin gilt für das Siegesdenken der Apk, was nicht wenige Ausleger zu Unrecht im Blick auf den 1Joh behaupten: Der Sieg Christi setzt sich in seiner Gemeindefort. In diesem Sinne erringt der Christ keine eigenständigen Siege. Durch diese grundsätzlichen Aussagen (5,5.9; 12,11) fällt neues Licht auf die Siegersprüche der Sendschreiben. 43 Sie mahnen die Gläubigen, um des verheißenen Endheils willen die himmlische Stimme beim Wort zu nehmen, also von der Siegeszusage her auch zu leben, nicht als erbitterte Kämpfer, die eine Entscheidung erst noch herbeizwingen müssen, vielmehr in der gestärkten Entschlossenheit jener, die in eine durch den Sieg Christi längst entschiedene Auseinandersetzung eintreten können. Sie kämpfen

43 Zutreffend urteilt H. RITT, Offenbarung des Johannes, NEB.NT 21, 1986, 68, im Blick auf Apk 12,11: „Von dieser Stelle aus werden die Überwindersprüche in den Sendschreiben […] verständlich: Die christliche Gemeinde ist in den Sieg Christi miteinbezogen.“ GIBLIN sieht auch eine Verbindung zwischen 12,11 und den Siegersprüchen, muß sie aber im Rahmen seines Interpretationsansatzes (s. Anm. 31) anders verstehen: „the dominant victory is that of Jesus Christ […] (5:5) as fully achieved in God’s Holy War (12:11 [gemeint: 12:10?]; 17:4 [gemeint: 17:14]). The faithful prove to be sharers in God’s victory (12:11; 15:2; 21:7). All the opening decrees (sc. die Sendschreiben), then, announce this triumph“ (Book [s. Anm. 31], 226; vgl. 29 Anm. 29. 52 Anm. 45. 128).

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noch und sind doch schon | Sieger, 44 ja sie kämpfen, weil sie Sieger sind. Der Sieg wird nicht „erst beim Ende des Kampfes, konkret beim Lebensende des bekämpften Christen sichtbar“, 45 sondern bereits im Leben des unbeirrt Kämpfenden. Dabei liegt dem Seher nichtsferner, als die irdische Wirklichkeit zu leugnen und die Christen in einen Siegesrausch zu versetzen, der den klaren Blick für die Gegebenheiten der Welt trübt. Gleich das erste der durch das Öffnen der Siegel ausgelösten Geschehen zeigt dies in aller Deutlichkeit. Johannes sieht ein weißes Pferd, und dessen Reiter, einem Bogenträger, wurde ein Kranz gegeben, „und er zog aus als Sieger und um zu siegen“ (6,2). Man hat diese eine Aura des Erfolgs verbreitende Gestalt unter anderem mit dem Evangelium und der Kirche identifizieren wollen. Als ob Johannes hier einem christlichen Triumphalismus das Wort redete! Gründlicher kann man ihn kaum mißverstehen. Andere Exegeten vermuten, der Seher habe sich bei der Schilderung des ersten apokalyptischen Reiters, der Unheil heraufführt, ebenso wie die drei, die ihm folgen, vom Kampfesruhm parthischer Reiterheere inspirieren lassen. 46 Diese waren zeitweise der 44 Insoweit ist der von F. BLASS/A. DEBRUNNER/F. REHKOPF, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, 151979, 322 Anm. 1, zu den Siegersprüchen geäußerte Eindruck berechtigt: „nikw`n Apk 2,7.11.17 us kann an den att. Gebr. von nikw` ‚bin Sieger‘ erinnern“. 45 So jedoch KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 36), 217, nach der Besprechung von 12,11 zu den Siegersprüchen. Die Erweiterung in 2,26 („wer siegt und wer bis zuletzt meine Werke bewahrt“) schärft ein, daß die folgende Heilszusage nur denen gilt, die sich tatsächlich beständig an die Werke Christi halten (vgl. die Aufforderung V. 25) und nicht zu Feigen und Treulosen werden (21,8). Richtig sieht Karrer (ebd.), daß der Christ nicht für „sein erst noch zu erringendes, sondern sein bereits errungenes Heil“ kämpft. Hinzuzufügen ist aber: Er kämpft auch um die Teilhabe an der Heilsvollendung. 46 Vgl. z.B. BOUSSET, Offenbarung (s. Anm. 37), 265f; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 36), 164ff; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 30), 80f. Gegen die in neuerer Zeit dominierende negative Deutung will M. BACHMANN, Der erste apokalyptische Reiter und die Anlage des letzten Buches der Bibel, Bib. 67, 1986, 240–275, der älteren Auffassung, die im ersten Reiter eine positive Gestalt – zumeist eine Anspielung auf Christus (vgl. den Reiter 19,11ff) – sieht, wieder zum Zuge verhelfen. Seine vielfältigen Argumente können hier nicht in der gebotenen Ausführlichkeit geprüft werden; ich beschränke mich auf einige Punkte. Der Verweis auf den Gebrauch von a[llo~ (6,4) in 14,15, der „engste(n) sprachliche(n) Parallele der Apokalypse“ (247), vermag nicht zu belegen, daß das zweite Pferd zum ersten in einer „Kontraposition“ (248) steht, sowenig in 14,14f der „andere Engel“ der ersten Gestalt „kontrapositorisch“ (ebd.) beigesellt ist. Vielmehr ist dort eindeutig von gleichgerichteter Absicht und Aktion der unterschiedlichen Figuren die Rede (14,14–20!). Wenn sich zudem die zweite szenische Einheit (6,3f) auf die erste (6,1f) chiastisch bezieht (248), braucht dies nicht eine „Gegenüberstellung“ (250) anzuzeigen, sondern kann als Verknüpfung der zweiten Gestalt (und damit der anderen Reiter) mit der ersten verstanden werden. Daß der erste Reiter schon Sieger ist (252f), spricht nicht dagegen, ihn auf die (christlich geurteilt) negative Seite zu rücken (vgl. die in Apk [12 und] 13 gegebene Gegenwartsdeutung: V. 7). Gleiches gilt für die ansonsten positiv besetzten Attribute (weiße Farbe, Kranz) des ersten Reiters (254ff) und den intransitiven Gebrauch von nika`n (257ff; vgl. u.), da sie den Aspekt des Siegens verstärken und in Apk 13 – wie bekannt – Aussagen über das (erste) Tier gemacht werden, die denen über Christus entsprechen. (Damit soll nicht gesagt sein, im ersten Siegel trete der Anti-

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Angstgegner Roms, das sich selbst die Sie|gesgöttin Victoria zu einem Symbol des Reiches erkoren hatte, häufig auf Münzen abgebildet als Sinnbild der römischen Herrschaft über den geeinten Erdkreis und zeugend von der Siegesideologie der Kaiserzeit. 47 Sicher aber weist das Bild über diesen möglichen zeitgeschichtlichen Bezug hinaus: In der angebrochenen Endzeit wird die Erde zum Schlachtfeld, auf dem die schiere Gewalt Triumphe feiert. Davon bleibt auch die christliche Gemeinde nicht verschont. Ihr Widersacher ist das Tier, der Agent des Teufels, der Antichrist im Gewand der römischen Staatsmacht, von dessen Erscheinung die Weltfasziniert ist und der es nicht hinnimmt, wenn ihm die Anbetung verweigert wird (Apk 13). Weil die Christen einem anderen Herrn verpflichtet sind, führt der Antichrist Krieg gegen die Dissidenten, und er besiegt sie (V. 7); es drohen Gefangenschaft und Hinrichtung (V. 10; vgl. z.B. 2,10). Johannes ist Realist, schließlich kann er auf erste Erfahrungen mit dem römischen Herrschaftsapparat zurückblicken (vgl. 2,13). Noch drastischer schildert er in Apk 11 das Geschick der christlichen Zeugen. 48 Das Tier bekämpft, besiegt und tötet sie (V. 7). An ihrem schmachvollen Ende weidet sich die ganze Welt; sie läßt es nicht zu, daß die Leichen der Märtyrer bestattet werden (V. 9f). Die Niederlage der Christen und der Siegestaumel der Bewohner der Erde sind allerdings nicht das letzte Wort. Die eben noch Siegestrunkenen müssen entsetzt erkennen, daß sie voreilig jubelten; denn Gott gibt die Seinen nicht dem | endgültigen Untergang preis (V. 11f). Daran zweifelt der Seher keinen Augenblick. Das Tier und seine Handlanger erringen deshalb lediglich vorläufige, bloße Scheinsiege. Aber auch solche Siege fordern ihre Opfer. Diese, die irdisch Unterlegenen, die ihre Glaubenstreue, wenn es sein muß, sogar mit dem Leben bezahlen, können jechrist auf – der Bogen ist keine „römische“ Waffe –, nur die Möglichkeit aufgezeigt werden, im Rahmen der Apk die Einzelaussagen von 6,2 nicht positiv zu deuten.) Erinnert die Erscheinung des Reiters auf dem weißen Pferd an Mithras (266 Anm. 79 von 265), kann das nicht nur seine „hervorgehobene Stellung“ (265 Anm. 79), sondern eher noch seine Zugehörigkeit zur anderen Seite, der der „Erdenbewohner“ (6,10), nahelegen. Die Sequenz der Siegel wird durch die positive Deutung des Bogenträgers auch nicht einleuchtender (so aber 267ff), denn die im sechsten Siegel aufgeworfene (6,17) Frage des Bestehenkönnens, beantwortet mit dem Hinweis auf die gegenwärtige Bewahrung in der Bedrängnis (durch Gott, nicht Christus [!]: 7,1ff; vgl. zur Apk-Sicht TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 2], 94f), setzt voraus, daß keineswegs schon vorweg angedeutet wurde, der erste Reiter beherrsche und begrenze die Plagen. Gerade weil in den ersten vier Siegeln Unheil entfesselt wird, ist das fünfte Siegel (6,9–11) höchst sinnvoll plaziert (zu den Ausführungen 267–269). Das i{na nikhvsh/ (6,2) muß freilich „einigermaßen enigmatisch...“ (271) dem erscheinen, der hier bereits eine Anspielung auf den Kampffinden will, von dem 19,11ff berichtet, zumal der Gegner ungenannt bleibt. Die Leidtragenden des Triumphes des ersten Reiters brauchen aber deshalb in 6,2 nicht ausdrücklich erwähnt zu werden, weil sie von den Opfern der anderen Plagen eben nicht prinzipiell unterschieden sind. 47 Vgl. dazu FEARS, Theology (s. Anm. 6), bes. 804ff. 48 Zur Deutung der beiden Zeugen von 11,3ff im jetzigen Apk-Kontext vgl. die Ausführungen bei MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 36), 208ff.

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doch als Sieger besungen werden, weil sie dem teuflischen Gegner nicht nachgeben und so den Sieg Christi bezeugen. 49 Der Sieg, von dem das himmlische Lied weiß, ist kein Phantasieprodukt, kein den Hirnen Machtloser entsprungener Wunschtraum, sondern gelebte Wirklichkeit. Diese durch Bedrohung, Verfolgung und Leid gekennzeichnete Zeit wird aber ein Ende haben, wenn Christus den erwarteten letzten Schreckenskaiser, in dem das antichristliche Wesen des Imperiums seinen krassesten Ausdruck findet, mitsamt seinen Vasallen vernichtet (17,14; vgl. 19,11ff). Im Gefolge des überlegenen Lammes befinden sich die „Berufenen“, „Auserwählten“ und „Treuen“, die an seinem Triumph teilhaben. 50 Wie in den zurückliegenden (5,5.9; 12,11), so sind sie auch in den noch ausstehenden Sieg Christi einbezogen, mit dem die Frist abläuft, die dem irdischen Wirken des Teufels gesetzt ist (vgl. z.B. 12,12c; 13,5b). Die Zwischenzeit, die Gegenwart, ist aber nicht nur eine Zeit des Wartens auf dies letzte Gefecht, das in Wahrheit ein Nachgefecht ist. Vielmehr kommt es darauf an, sich am schon errungenen Sieg Christi zu orientieren und damit den eigenen Sieg zu verteidigen, ihn „über die Zeit zu bringen“ und nicht zu verspielen. Dem entspricht es, wenn der parallel zum Siegerspruch (2,11b) dem bis in den Tod Treuen verheißene (Sieges-)Kranz des Lebens (V. 10c) nach 3,11b bereits gegenwärtig den standhaften Christen auszeichnet, der ihn sich nicht wegnehmen lassen soll. Dies Festhalten dessen, was man hat (V. 11a), und das analoge Bewahren der (Heils- 51 )Werke Christi (2,25f; nur hier ist der Siegerspruch durch kaiv mit dem Vorausgehenden verbunden) schützen vor dem Heilsverlust, wie denn der Name des Siegers nicht erst in das Buch des Lebens eingetragen, sondern aus diesem nicht gestrichen wird (3,5). |

V. Die skizzierte breitgefächerte Verwendung des Siegesmotivs in der Apk fußt also auf zwei Grundüberzeugungen: Christus hat in seinem Tode ge49 Zu diesem Aspekt vgl. auch J. COMBLIN, Le Christ dans l’Apocalypse, BT.B 6, 1965, 165f. (165: „La victoire est le témoignage lui-même. Les chrétiens sont vainqueurs quand ils témoignent.“). Er bezieht allerdings das Siegen Christi (bes. 166) wie das der Christen einseitig auf das Zeugnisgeben (und sieht darin die Verbindung ihres jeweiligen Sieges), womit weder der auf 5,5 zurückverweisende V. 9 (erst recht nicht 17,14) noch der Kontext der Sendschreiben hinreichend gewürdigt sind. K. WENGST, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit, 1986, 165, interpretiert den Sieg im Unterliegen als „deutliches Gegenbild zur römischen victoria“ (vgl. ähnlich COMBLIN, 164.167, zum Sieg Christi). 50 Vgl. C. WOLFF, Die Gemeinde des Christus in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 186–197, 192 mit Anm. 32, zum Verständnis von 17,14. 51 Vgl. dazu KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 36), 106 mit Anm. 77, 199f.

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siegt, und der Glaubende, der sich auf dies Heilsgeschehen einläßt, gewinnt Anteil an diesem Sieg, ist selbst zum Sieger geworden. Diese Sicht wird im Wirkungsbereich des johanneischen Christentums entstanden sein,52 denn in dessen Literatur, im JohEv und im 1Joh, sind die Einzelelemente nachzuweisen. Aber erst der Seher hat sie miteinander verknüpft zu dem Gedanken, daß der Sieg Christi im Sieg der Glaubenden fortwirkt. Das geht über Joh 16,33 hinaus, wo nicht ein Sieg der Gemeinde, sondern der Empfang gegenwärtigen Heils in aller Bedrängnisfrucht des Sieges Christi ist, und setzt eine ekklesiologische Ausformung des Motivs voraus, wie sie der 1Joh dokumentiert. 53 Der mögliche Einwand, ein Einwirken (deutero)johanneischer Überlieferung auf die Apk sei schon aus Gründen der Chronologie schwer vorstellbar, ist nicht durchschlagend. Selbst wenn der Seher Johannes etwa zur gleichen Zeit wie die Autoren des JohEv (bzw. dessen Redaktor) und des 1Joh sein Werk verfaßt haben sollte, kann er doch zu Traditionen, die jetzt im JohEv und im 1Joh fixiert vorliegen, Zugang gehabt und an der johanneischen Theo|logieentwicklung partizipiert haben; es sei denn, man legte sich trotz gegenteiliger Indizien von vornherein darauf fest, daß ein Kontakt zum johanneischen Kreis nicht bestand. 54 Bedenkenswert wäre die erwähnte 52 Anders muß allerdings urteilen, wer beim Vergleich der Siegesaussagen noch von der alten Fragestellung geleitet ist, ob die Schriften vielleicht auf einen Autor zurückgehen könnten (L. VAN HARTINGSVELD, Die Eschatologie des Johannesevangeliums, GTB 36, 1962, 183f; vgl. 180 mit Anm. 3. 185), oder den zentralen Beleg Apk 12,11 übersieht (so SCHÜSSLER FIORENZA, Quest [s. Anm. 36], 424), was auch z.B. bei KLAUCK, Johannesbrief (s. Anm. 11), 290, zu einer Fehleinschätzung des Textbefundes führt. BONNARD, Épîtres (s. Anm. 17), 104f, hingegen bezieht die Apk in die Ausfächerung des „thème spécifiquement johannique de la victoire“ mit ein (vgl. schon KLEIN, 1Johannes [s. Anm. 17], 112), verkürzt aber – wie KLEIN, ebd. – den ihr eigentümlichen Siegesgedanken, wenn er unter Berufung auf 12,11 vom Sieg im Martyrium spricht (104 Anm. 3). 53 Deshalb ist es m.E. nicht möglich, an dem von O. BÖCHER, Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 310–321, mehrfach erwähnten Siegesmotiv (bei der Christologie [312], Ekklesiologie [314] und Eschatologie [315]) aufzuweisen, daß „das Gemeinsame des Evangeliums, der Briefe und der Apokalypse […] nur in einer gemeinsam […] übernommenen Tradition bestehen (kann), die von der Apokalypse offenbar treuer bewahrt, vom Evangelium jedoch stärker verändert wurde“ (319). Ähnlich vermutet HAHN, Sendschreiben (s. Anm. 17), im JohEv und im 1Joh liege eine gegenüber der Apk „weiterentwickelte“ (386 Anm. 108) und „jüngere Auffassung“ (382 Anm. 88) vor. Er verkennt, daß in der Apk der heilschaffende Sieg Christi die Grundlage für den Sieg der Christen (12,11) und ihren andauernden Kampf bildet, und will die inhaltliche Bedeutung und den Gebrauch von nika`n in diesem Werk von der jüdischapokalyptischen Literatur her erklären (385). Die von ihm in diesem Zusammenhang vorgenommene Einengung der Aussagen auf den Aspekt des Leidens (vgl. 382f.386) kritisieren zu Recht HOLTZ, Art. nikavw (s. Anm. 32), 1150; KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 36), 217 Anm. 338. Ebenso greift die verbreitete Deutung auf ein bloßes „Standhalten“ oder „Ausharren“ (vgl. dazu Plutarch Apophth Lac 40 [mor. 239d]; IgnPol 3,1) zu kurz (mit KARRER, ebd.). 54 Datierungsprobleme führt KARRER, Rez. (s. Anm. 2), 813, ins Feld (vgl. zu dieser Frage schon TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 2], 20–22). Daß „chronological difficulties“ auch von M. HENGEL, The Johannine Question, 1989, 195 Anm. 11 von 194, angesprochen werden, überrascht; denn er zählt die Apk zum Corpus Johanneum im weiteren Sinn (81) und meint sogar:

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Einrede allerdings, ließe sich zeigen, daß der hier behauptete johanneische Charakter solchen Siegesaussagen der Apk zugeschrieben wird, die nicht auf die letzte gestaltende Hand, den eigentlichen Verfasser des Werkes, zurückgehen. Das ist aber nicht der Fall. Rechnet man nämlich mit älteren und jüngeren Schichten in der Apk, sind die entscheidenden Belege dieses Entwurfs (die Siegersprüche; 5,5; 12,11) sicher dieser letzten Hand zuzuweisen: Die Sendschreiben sprechen die Situation in den Gemeinden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches an; die christologische Aussage (5,5) nimmt in der Gesamtkomposition eine Schlüsselstellung ein und verweist sachlich auf V. 9f, jenes neue Lied, das „eindeutig eine Schöpfung des Verfassers der Apokalypse“ 55 darstellt, was zweifellos auch für den Hymnus 12,10–12 gilt. 56 Vereinzelt ist auch sonst im Neuen Testament annähernd vergleichbar vom Sieg als Überwindung der Weltmächte die Rede, doch ist nicht erkennbar, wie die Siegestheologie der Apk von dorther ihre entscheidenden Impulse erhalten haben könnte. Paulus formuliert in 1Kor 15,57 den Dank für die – durch die Auferweckung Christi verbürgte – Überwindung der Todesmacht und spricht vom Sieg, den Gott den Glaubenden gibt (Part. Präs.). Der Empfang dieses Sieges ist sicher, wird aber erst erhofft, wenngleich im Dank vergegenwärtigt. 57 Der Apostel kann andererseits sagen, daß Christus, der am Kreuz seine Liebe erwies, den Glaubenden die Kraft verleiht, in vielfältigen Leiderfahrungen den Sieg davonzutragen (Röm 8,37: uJpernikw`men), denn nichts ver|mag von der Liebe Christi zu trennen (V. 35; vgl. V. 39). Das führt jedoch nicht an die Aussagen der Apk vom errungenen Sieg der treuen Gläubigen und der gegenwärtigen Bewährung dieses eigenen Sieges heran. 58 Jedenfalls ist das Siegesdenken der Apk in „The Apocalypse was also published in this milieu as a Johannine ‚outsider‘, in my view later than the Gospel and the letters“ (51; Hervorhebung von mir). Allerdings könne sie in „central parts“ sehr viel älter sein (ebd.; vgl. aber 195 Anm. 11 von 194 mit anders gewichtetem Urteil über die Zeit der Entstehung bzw. Veröffentlichung der Apk). Hengel tendiert dazu, „to put the basic material of the Apocalypse more at the beginning of Johannine thought“ (195 Anm. 11; Hervorhebung von mir). 55 JÖRNS, Evangelium (s. Anm. 39), 52. 56 Vgl. nur YARBRO COLLINS, Myth (s. Anm. 37), 112–114. 57 G. SELLIN, Der Streit um die Auferstehung der Toten, FRLANT 138, 1986, 228f, zu V. 57: „allein aus der Tatsache, daß der Dank ausgesprochen wird, (geht) hervor, daß der Sieg ‚uns‘ schon gegeben ist. In knapper Form wird hier […] prägnant die Verbindung von präsentischem und futurischem Aspekt der paulinischen Eschatologie zum Ausdruck gebracht. Was in Zukunft geschieht (der Sieg über den Tod: V. 54f), dafür kann jetzt schon gedankt werden. Freilich gilt aber auch: Die Erlösung der sterblichen Leiber (Röm 8,11) steht noch aus.“ 58 Damit sollen Strukturparallelen zwischen den paulinischen Siegesaussagen und denen der Apk nicht in Abrede gestellt werden. Die Verbindung der präsentischen mit der futurischen Komponente in 1Kor 15,57 (vgl. das Zitat in der vorigen Anm.) kennzeichnet ebenso das Siegesdenken der Apk (und deren Eschatologie insgesamt: vgl. TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 2], 135ff) wie das für Röm 8,37 charakteristische Ineinandergreifen des subjektiven und objektiven Aspekts:

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seiner konkreten christologischen und ekklesiologischen Prägung sprachlich und sachlich erheblich enger dem johanneischen verbunden. 59 Hinzu treten aber nun beim Seher Johannes weitere Elemente. Zunächst ist an den Einsatz des Motivs in den Siegersprüchen zu erinnern. Sie halten die Gemeinden dazu an, gegenüber ihren Gegnern innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen sowie in ihrem Lebenswandel der Siegeszusage in der Tat zu entsprechen, das Sieger-Sein zu realisieren. Der Denkhorizont des zitierten jüdisch-apokalyptischen Wortes, das zu Kampf und Sieg auffordert, 60 ist in der Siegesparänese der Apk überschritten, denn sie ist Teil einer Konzeption, die auf der Vorstellung vom erfochtenen Sieg Christi und dem der Seinen basiert, also im johanneischen Erbe gründet. Wenn der Seher diesem Erbe gegenüber neu auch von zukünftigen Siegen spricht, ist darin eine Tendenz erkennbar, die ebenso jüngere Stadien der Theologie des johanneischen Kreises charakterisiert: Der futurische Aspekt tritt ergänzend neben den präsentischen, verdrängt diesen jedoch nicht. Im Zuge dieser Entwicklung wird dann verstärkt auf apokalyptische Traditionen zurückgegriffen; das läßt sich schon | im JohEv und in den Briefen beobachten. 61 Schließlich ist der Gedanke der von der Welt ausgehenden Bedrohung, in den Abschiedsreden Jesu im Evangelium mehrfach angesprochen, in der Apk derart gesteigert, daß jetzt sogar unverblümt von Siegen der Weltmächte über die Christen geredet wird, fraglos auch aufgrund leidDer Glaubende selbst tritt den Anfechtungen durch die Welt entgegen, siegt aber nicht aus eigener Kraft (vgl. dazu W. SCHMITHALS, Der Römerbrief. Ein Kommentar, 1988, 314). – In Abwehr des in Röm 3,3 formulierten Einwands greift V. 4 (Ps 51,6) auf die Vorstellung vom Rechtsstreit, den Gott gewinnt (nikhvsei~), zurück. Die Weisung 12,21 erinnert an TestBen 4,2f und hat „geprägten Charakter“ (HOLTZ, Art. nikavw [s. Anm. 32], 1149). 1Kor 9,24–27 verwendet Paulus Bilder aus der Welt des sportlichen Wettkampfs (vgl. PFITZNER, Paul [s. Anm. 4], 82ff) für den Gewinn des eschatologischen Heils: den Kampfpreis erringen (vgl. Phil 3,14), den (Sieges-)Kranz empfangen. 2Kor 2,14 spricht vom Triumph Gottes (dazu C. BREYTENBACH, Christologie, Nachfolge/Apostolat, BThZ 8, 1991, 183–198, bes. 185–190); vgl. noch Kol 2,15. 59 Johanneisch geprägt ist das Apk-Siegesdenken nicht in seiner ganzen Breite (vgl. u. im Text), aber in seinem theologischen Fundament: die explizite Aussage, Christus habe (in seinem Tode) gesiegt (Joh: Perf.; Apk: Aor.); die Rede vom Sieg der Christen über den Widersacher als Tatsache (1Joh: Perf., Aor. und Präs.; Apk: Aor., mit Rückwirkung auf das Präs. der Siegersprüche [vgl. o. im Text bei Anm. 44]). Für diesen begrenzten, doch signifikanten Bereich erweist sich, daß den erneut von KARRER, Rez. (s. Anm. 2), 814f, unter Berufung auf E. SCHÜSSLER FIORENZA beschworenen „Querlinien der Apk zu (deutero)paulinischer Literatur“ (815) kaum eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. 60 Vgl. o. im Text bei Anm. 36. 61 Damit setze ich voraus, daß das JohEv einer nachträglichen Redaktion unterzogen wurde (vgl. Anm. 11) und die Briefe jünger als das (vorredaktionelle) JohEv sind. Zu der von STRECKER, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 19ff.49ff (vgl. zuvor DERS., Die Anfänge der johanneischen Schule, NTS 32, 1986, 31–47), und ähnlich SCHNELLE (vgl. Anm. 11) vorgeschlagenen anderen Abfolge der johanneischen Schriften sei auf die abgewogenen Ausführungen bei KLAUCK, Johannesbriefe (s. Anm. 16), 105–109.125f (der aber – m.E. unzutreffend – die drei Briefe auf nur einen Autor zurückführt), sowie die Einwände bei BECKER, JohEv (s. Anm. 11), 52f, verwiesen.

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voller Konfrontationen mit der heidnischen Umwelt. In diesem Werk gelangt die „Kampf- und Siegessprache“ zur „vollen Entfaltung“.62 Der Seher bleibt aber der Grundeinsicht treu, daß Christus für den Sieg seiner bedrängten und machtlosen Anhänger einsteht, allein der von ihm gewonnene Sieg Leben unter allen Weltumständen ermöglicht, ohne sich ihnen zu beugen.

VI. Spätere christliche Generationen haben gemeint, den Sieg Christi, den des rechten Glaubens und den der Glaubenden, wie ihn die johanneischen Schriften verkünden, mit innerweltlichen Erfolgen belegen zu müssen. Von dem um die Macht kämpfenden Augustus Konstantin, der gerade erst statt Herkules den Sol invictus zu seinem Schutzgott gewählt hatte, berichtet die berühmte zeitgenössische Legende, er und sein Heer hätten am Himmel | ein leuchtendes Kreuz erblickt und die Worte touvtw/ nivka. 63 Die Soldaten, die dann an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms in blutiger Schlacht den Sieg erfochten, sollen das Christusmonogramm auf ihren Schilden getragen haben. 64 Euseb schreibt, daß „die, welchen Gott den Sieg verliehen, gleich den Gefährten des großen Dieners Moses, wenn nicht mit Worten, so durch die Tat das Lied (sangen), das jene gegen den gottlosen Tyrannen der alten Zeit gesungen, und sprachen: ‚Lasset uns singen dem Herrn! Denn wunderbar hat er sich verherrlicht. Pferd und Fahrer stürzte er ins Meer …‘ Solche und ähnliche Lieder sang Konstantin durch seine Taten 62

SCHNACKENBURG, Johannesbriefe (s. Anm. 17), 254, der an anderer Stelle (s. Anm. 9) zu Joh 16,33 festhält, in der Apk fehle aber „der charakteristische Gedanke, der Joh 16,33 und 1Joh verbindet: Sieg über die Welt“ (188 Anm. 68). Doch die Einschränkung ist unberechtigt, wenn man sich vergegenwärtigt, in welchen Kampfsituationen die Christen in der Apk dargestellt werden und wer ihr Gegner ist. Der Umstand, auf den z.B. VAN HARTINGSVELD, Eschatologie (s. Anm. 52), 184; MARSHALL, Epistles (s. Anm. 17), 230 Anm. 1; vgl. SCHÜSSLER FIORENZA, Quest (s. Anm. 36), 424; KLAUCK, Johannesbrief (s. Anm. 11), 290, hinweisen, daß anders als im 1Joh in der Apk das Verb für die Christen (zumeist, Ausnahme aber ist 12,11; vgl. noch 15,2) ohne Akkusativobjekt steht, ist deshalb kaum bedeutsam. Beachtung verdient außerdem der 12,10 sehr ähnliche Siegesruf 11,15 (dazu JÖRNS, Evangelium [s. Anm. 39], 92ff), in dem auffälligerweise auch die Herrschaft des Christus über den Kosmos proklamiert wird. Schließt der Sieg, von dem 5,5 spricht, „die Herrschaft über die Welt und damit den Sieg über sie“ ein (HOLTZ, Christologie [s. Anm. 36], 37 Anm. 3), ist es nicht von Belang, daß hier nika`n absolut gebraucht wird; Joh 16,33 kommt demnach durchaus als Parallele in Betracht (gegen HOLTZ, ebd., der in 1Kor 15,54ff die „nächste Parallele“ sehen will). Apk 5,5 ist so umfassendformuliert, weil es sich um die „Grundstelle“ (ebd. Anm. 2) für die übrigen christologischen Siegesaussagen handelt. 63 Euseb, vit. Const. I 28,2 (Eusebius Werke I/1, hg. v. F. Winkelmann, GCS, 1975, 30,5ff). 64 So Lactanz, mort. pers. 44,5 (SC 39/1, hg. v. J. Moreau, 1954, 127).

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dem allwaltenden Gott, dem Urheber seines Sieges, und rückte im Triumphe in Rom ein, wo ihn alle Bewohner […] als Erlöser, Heiland und Wohltäter unter Freudenrufen und unermeßlichem Jubel empfingen“ (hist. eccl. IX 9,8f). 65 Dieser Triumphzug führte freilich nicht mehr auf das Kapitol. Im Gefolge der Konstantinischen Wende hat die Kirche nicht selten die Rolle jenes ersten apokalyptischen Reiters übernommen, der „auszog als Sieger und um zu siegen“, und sich in der Art des erbarmungslosen Antichrists gebärdet. 66 Solcher Triumphalismus, dem die himmlische Musik der Siegesbotschaft nicht genügt und der ihr den schrill dissonanten Klang irdischer Siegesfanfaren beimengt, liegt der Christenheit heute fern. Das Wort „Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles“ (R.M. Rilke) 67 dürfte eher eine verbreitete Stimmungslage treffen, ebenso wie die Frage von G. Benn in seinem Gedicht „Einsamer nie –“ nach „Sieg und Siegsbeweise(n)“ aus dem von ihm vertretenen Reich. Der Dichter beruhigt sich mit dem Wissen: „Wo alles sich durch Glück beweist / und tauscht den Blick und tauscht die Ringe / im Weingeruch, im Rausch der Dinge –: / dienst du dem Gegenglück, dem Geist.“ 68 Wer jedoch durch den Rausch der Dinge hindurch die unverfälschte himmlische Musik vernommen hat, muß nicht mehr Ausschau halten nach Sieg und Siegesbeweisen, braucht nicht auf ein selbstgestaltetes Gegenglück zu setzen oder sich mit dem Überstehn zu bescheiden. Er kann Zeichen des Sieges aufrichten, denn er lebt von einem Sieg, der längst für ihn erstritten wurde, und im Glauben darf er diesen Sieg ausleben und auskosten.

65 Die Übersetzung folgt der bei H. Kraft (Hg.), Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, 1981, 400. Euseb zitiert allerdings nicht das Lied Ex 15,21 (vgl. o. im Text bei Anm. 7), sondern 15,1f.11. 66 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei BLANK, Johannes (s. Anm. 13), 239ff. Interessant sind die an ältere Traditionen anknüpfenden Nivka/ -Akklamationen aus späterer Zeit, in denen der Sieg des Kaisers, der Christi und der der Orthodoxen miteinander verbunden werden (Belege bei E. PETERSON, EIS QEOS, FRLANT 41, 1926, 152ff). 67 R.M. RILKE, Sämtliche Werke. Werkausgabe, Bd. 2, 1975, 664. 68 G. BENN, Sämtliche Werke (Stuttgarter Ausgabe), Bd. I (Gedichte 1), 1986, 135. 2

Eine fulminante Streitschrift Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes

I. In seinem vor fast hundert Jahren erstmals erschienenen „berühmten, bis heute maßgeblichen Kommentar“ 1 zur Apokalypse des Johannes konnte W. Bousset feststellen: „Deutlicher und deutlicher hat man erkannt, dass die Apk ihre Tendenz gegen Rom richtet, das römische Imperium ist der Feind, Babel ist Rom. Aber es kommt noch darauf an zu erkennen, inwiefern Rom als Gegner in Betracht kommt. Das Beste, das hier gesagt werden kann, ist von keinem andern als Mommsen […] beigebracht.“2 Th. Mommsen hatte die Darstellung Roms bei Johannes als „das feile Weib von Babylon und der gemeine Feind der Menschheit“ mit dem „jüdische(n) Haß des Kaisercultus und des Kaiserthums selbst“ 3 erklärt und nicht als Reaktion auf die Zerstörung Jerusalems oder die (neronischen) Christenverfolgungen gedeutet. Entsprechend sieht nach Bousset der Apokalyptiker in dem „Bündnis von Staat und Religion mit seiner Menschenvergötterung den Gipfel aller Gottlosigkeit […] Selten wohl ist eine so entschlossene, fulminante Streitschrift gegen ein herrschendes System geschrieben wie in diesem merkwürdigen Buch.“ 4 Der damit gewiesenen Interpretationsrichtung sind viele gefolgt, weil sich weite Passagen des Werkes anscheinend zwanglos mit diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund in Einklang bringen lassen, zumal unter der von der kritischen Forschung zu|meist geteilten, eine Notiz des Irenäus (haer. V 30,3) aufnehmenden Voraussetzung, die Abfassung der Apk falle noch in die Zeit Domitians: 5 Am „Ende der Regierung Domitians

Zuerst veröffentlicht in: W. Kurz/R. Lächle/G. Schmalenberg (Hg.), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS M. Greschat), Gießen 1994, 293–311. 1 O. BÖCHER, Die Johannes-Apokalypse in der neueren Forschung, ANRW II 25.5, 1988, 3850–3893, 3861. 2 W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 51896, 156f. Fortan beziehe ich mich aber immer auf den Neudruck der 6. Auflage von 1906: Göttingen 1966. Hier heißt es: „Die entscheidende Anregung zum richtigen Gesamtverständnis der Apk hat uns Th. Mommsen, römische Geschichte V 1885 519ff. (namentlich 520 Anm.) gegeben“ (132 Anm. 1); das Werk Mommsens zitiere ich nach der 6. Auflage, Berlin 1909. 3 MOMMSEN (s. Anm. 2), 520. 4 BOUSSET (s. Anm. 2), 137. 5 Vgl. nur O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 31988, 41.162; H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib.

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(finden wir) nachweisbar die Bedingungen vor, unter denen die Apk entstanden sein kann“. 6 Von diesen Bedingungen soll etwa die Schilderung des Kampfes in Apk (12 und) 13 zeugen, den der große Feind des Christentums gegen die Gläubigen führt, die ihm die Anbetung verweigern (z.B. 13,7– 10.15; 14,9–12), sowie die sich auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beziehende Erwähnung von christlichen Verfolgungsopfern (2,10.13; 6,9; 14,13; 17,6 u.ö.). 7 Zu dieser Sicht fügt sich gut, was beispielsweise Sueton und Euseb über Domitian zu berichten wissen. Der römische Historiker erwähnt die Anmaßung des Kaisers, sich als dominus et deus noster titulieren zu lassen. 8 Der Bischof von Caesarea, der in diesem Zusammenhang auch die Äußerung des Irenäus über die Entstehungszeit der Apk zitiert, schreibt: Domitian machte sich „durch seinen Haß und Kampf gegen Gott zum Nachfolger des Nero. Er war also der zweite, welcher eine Verfolgung gegen uns angeordnet hat“. 9 In letzter Zeit jedoch ist schon häufiger darauf hingewiesen worden, daß das Bild dieses Kaisers, der durch seine Feinde im Senat der damnatio memoriae | verfiel, von der Nachwelt verzeichnet wurde; 10 auch kann von einer eklatanten Verschärfung des Kaiserkults unter Domitian wohl ebensowenig die Rede sein wie von einer gezielten Christenverfolgung.11 Ging 73, 1992, 153–182, 154 Anm. 6. Eine Frühdatierung der Apk vertreten jüngst wieder J.C. WILSON, The Problem of the Domitianic Date of Revelation, NTS 39, 1993, 587–605, und (für den Hauptteil der Apk) R.B. MOBERLY, When Was Revelation Conceived?, Bib. 73, 1992, 376–393; vgl. u. Anm. 15. 6 BOUSSET (s. Anm. 2), 133 (im Original z.T. hervorgehoben). 7 Vgl. die Angaben bei BOUSSET (s. Anm. 2), bes. 130f, und von den neueren Kommentaren u.a. J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 1984, 17f; U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh und Würzburg 1984, 41f. 8 Sueton, Dom. 13,2. Vgl. die für den Kaiser von seinem Zeitgenossen Martial verwendeten Titel: Epigr. 5,5.8; 7,2.5 u.ö., auch 7,34 und 10,72. 9 Euseb, hist. eccl. III 17 (Übersetzung zitiert nach H. KRAFT, Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, Darmstadt 21981, 167); die Ausführungen über Johannes und die Apk schließen sich daran unmittelbar an: hist. eccl. III 18,1–3. 10 R. HANSLIK, Art. Domitianus 1., KP II, 1967, 122–125, 125: „Seine Leistungen für das Reich haben die senator. Historiker der trajanischen Epoche […] herabgezerrt […] (D)ie moderne Geschichtsschreibung (korrigiert) das D.-Bild der nachflav. Zeit mit Recht immer mehr“. Vgl. jetzt die in exegetischer Literatur noch verbreitete Vorstellungen relativierende Darstellung von L.L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York/Oxford 1990. – Im Folgenden greife ich teilweise auf Gedanken aus dem der Apk gewidmeten Abschnitt eines Vortrags zurück, den ich im Sommersemester 1993 unter dem Titel „Ist mit den Christen Staat zu machen?“ im Rahmen einer Aachener Ringvorlesung gehalten habe. Damals kannte ich den in Anm. 5 genannten Aufsatz von H.-J. Klauck, der sich in manchem mit meinen Ausführungen berührt und den ich nun einbeziehen konnte, noch nicht. Zu unterschiedlichen Einschätzungen des exegetischen Befundes vgl. bes. u. IV. 11 Zur Frage der vermeintlichen Christenverfolgungen vgl. A.YARBRO COLLINS, Dating the Apocalypse, BR 26, 1981, 33–45, 38; WILSON (s. Anm. 5), bes. 587–597; zum Kaiserkult unter Domitian: THOMPSON (s. Anm. 10), 95ff, sowie die bislang unveröffentlichte, umfassend die Literatur berücksichtigende Arbeit mit dem Titel „Das Römische Reich im Spiegel der Johan-

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Bousset bei seiner Interpretation der Apk davon aus, daß „der römische Staat am Ende der Regierung Domitians eine ausgesprochene Frontstellung gegen das Christentum eingenommen (hatte)“, 12 urteilt L.L. Thompson, „(i)t would be a mistake to interpret the Book of Revelation as a response to Domitian’s supposed excessive claims to divinity or to a reign of terror at the end of Domitian’s rule“. 13 Nun spricht aber die Apk zweifellos von einer gefährlichen Lage, einer Bedrohung und einem Kampf. Bereitet es Schwierigkeiten, eine besondere Krisensituation der christlichen Gemeinschaft in Kleinasien unter Domitian historisch zu verankern, ist doch andererseits nicht auszuschließen, daß zumindest der Autor der Apk eine Krise wahrgenommen hat. Diese hätte dann keineswegs einfach als „illogically derived through the workings of a | paranoid mind“ 14 zu gelten. Vielmehr wäre umgekehrt zu erwägen, ob es überhaupt notwendig ist, „a real historical crisis“ 15 aufzuspüren oder eine einschneidende Verschlechterung der Situation der Christen vorauszusetzen, um den Entwurf des Sehers zeitgeschichtlich einzuordnen. Johannes könnte ja seine Einsicht in das Wesen des Imperiums vortragen, die von ihm an Rom geübte Kritik könnte grundsätzlicherer Art sein, müßte nicht bloß eine auf wenige Jahre eingrenzbare Notlage widerspiegeln, wie man sie gemeinhin – wahrscheinlich zu Unrecht – für die Spätzeit Domitians unterstellt(e). Daß unter dieser Voraussetzung zugleich auch die Argumentation für die vorherrschende Datierung der Apk 16 an Überzeugungskraft einbüßen (und eine spätere Ansetzung 17 des Werkes begünstigt) würde, sei nur angemerkt. | nes-Apokalypse“ von H. Giesen, der mir freundlicherweise die Manuskriptfassung des 1. Teils („Der Kaiserkult im Römischen Reich“) überließ (später erschienen in: ANRW II 26/3, 1996, 2501–2614 [= H. GIESEN, Studien zur Johannesapokalypse, SBA 29, Stuttgart 2000, 100–219]). 12 BOUSSET (s. Anm. 2), 137. Allerdings meint Bousset, der eigentliche Kampf stehe erst bevor: „(I)m jungen Christentum fühlte man die Gewitterschwüle der Zeit. Da verleiht unser Apok. dem Unausgesprochenen das Wort und weissagt den furchtbaren und entsetzlichen Kampf, der […] entbrennen soll“ (ebd.). 13 THOMPSON (s. Anm. 10), 116. 14 WILSON (s. Anm. 5), 597, in Auseinandersetzung mit A.YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis. The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, bes. 84ff, und THOMPSON (s. Anm. 10), bes. 174ff. 15 WILSON, ebd. (Hervorhebung von mir). Er sucht diese „wirkliche“ Krise (597ff) und findet sie gegeben in den letzten Jahren Neros (64/65–68) oder unter Galba (68/69). Ähnlich meint MOBERLY (s. Anm. 5), 377: „the main vision was […] discernibly a response to sensational secular news, reaching Patmos […] during the later months of AD 69“. Vgl. noch u. Anm. 49. 16 Vgl. z.B. MÜLLER (s. Anm. 7), 41f, der von einem „unter Domitian akut werdende(n) Konflikt“ spricht (42), und K. WENGST, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit, München 1986, 151: „Die Situation zur Zeit der Abfassung der Apokalypse war dadurch entschieden verschärft, daß der Kaiserkult unter Domitian eine bis dahin unbekannte Steigerung erfahren hatte.“ 17 Die von mir – angeregt durch H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 11 – vorgeschlagene Spätdatierung der Apk (J.-W. TAEGER, Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes, VF 29, 1/1984, 50–75, 58f [in diesem Bd. S. 38f]; DERS.,

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II. Wie sich die Lage der christlichen Adressaten des Johannes zur Zeit der Veröffentlichung seiner Schrift darstellt, läßt sich bei einem Autor, der sich als Zeitgenosse seiner Leser/Hörer (1,3; 22,17–19) zu erkennen gibt (1,9), in erster Linie den sieben Sendschreiben entnehmen (Apk 2f). Aus ihnen gewinnt man nicht den Eindruck einer vor allem unter der Nötigung zum Kaiserkult und umfassenden Nachstellungen leidenden Gemeinschaft. Im Vordergrund stehen hier innerchristliche Auseinandersetzungen und Fehlentwicklungen in einzelnen Gemeinden. Allerdings sind die Botschaften durchzogen von Hinweisen auf zurückliegende, andauernde und befürchtete Bedrängnisse und Leiden (2,3.9f.13; 3,8f; vgl. 1,9). Doch bleiben diese Äußerungen insgesamt weit hinter dem zurück, was etwa in 13,15b über das Schicksal derer, die das Bild des Tieres nicht anbeten, also der Christen (vgl. V. 8–10), gesagt wird. Gleichwohl sind Bezüge zwischen den Sendschreiben und dem im Zentrum des Visionsteils Ausgeführten nicht zu übersehen. 3,10 rückt jene Stunde der Versuchung ins Blickfeld, die über den ganzen Erdkreis kommen wird. Die Gemeinde in Pergamon hielt und hält stand am Ort des Thrones dessen (2,13), der den ganzen Erdkreis verführt (12,9) und hinter dem Tier aus Apk 13,1ff steht (V. 2). Die Gemeinde in Smyrna hat vom Teufel (vgl. 12,12) bewirkte Leiden zu gewärtigen (2,10). Aber gerade die beiden letztgenannten Belege aus den Sendschreiben lassen nichts von einem planmäßigen Vorgehen seitens der Staatsmacht mit verheerenden Folgen für die Gläubigen erkennen. Für Smyrna sagt Johannes eine überschaubare, nicht lange anhaltende Zeit der Bedrängnis („zehn Tage“; vgl. Dan 1,12.14) voraus. Einigen Gemeindegliedern (ejx uJmw`n) droht das Gefängnis; der dadurch hervorgerufenen Versuchung soll die Gemeinde in standhafter Treue begegnen (2,10). Mit der Einkerkerung dieser Christen wird der Autor nicht eine lediglich vorläufige Maßnahme meinen, der dann noch die eigentliche Strafe, Verbannung oder Tod, folgt. 18 Einer solchen Sicht widerraten jene Stellen, an denen Johannes ausdrücklich von Todesopfern spricht (z.B. 6,9.11b; 13,15; 20,4), und 13,10, wo die Gefangenschaft neben der Hinrichtung als eine hinzunehmende Konsequenz unbeugsamer Glaubenstreue erwähnt wird. Johannesapokalypse und johanneischer Kreis, BZNW 51, Berlin/New York 1989, 20–22) wird jetzt auch von J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum (in: M. HENGEL, Die johanneische Frage, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429), 427, vertreten, obwohl er sich gegen meine Sicht im einzelnen polemisch abgrenzt (413f.416); vgl. auch noch P. VIELHAUER/G. STRECKER, Apokalyptik des Urchristentums. Einleitung, in: W. SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen II, Tübingen 51989, 516–547, 532. 18 Gegen MÜLLER (s. Anm. 7), 108.

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Auch der der Mahnung zur Treue beigegebene Zusatz a[cri qanavtou kann nicht als martyrologische An|deutung gelten. 19 Er entspricht der Rede vom Bewahren (der [Heils-]Werke Christi) a[cri tevlou~ in 2,26, also dem unbeirrten Festhalten am Glauben „bis zuletzt“ im Unterschied zum Verhalten der Feigen und Treulosen (21,8). Nicht einmal die – wie in 13,10 – in 12,11 vom Seher vorausgesetzte Bereitschaft zur Lebenshingabe („sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode“) ist in 2,10 direkt angesprochen. Deshalb „charakterisiert“ die Ermahnung im letzten Teil des Verses kaum „die Heftigkeit der erwarteten Verfolgung“; 20 eher belegt sie die Sorge des Johannes um Auswirkungen einer solchen Phase der qli`yi~ auf die Festigkeit der Gemeinde, weil es sich für sie dabei – verglichen mit der gegenwärtigen Bedrängnis (vgl. V. 9init) – um eine neue Erfahrung handeln wird. Ob er daran denkt, die Behörden würden die Initiative ergreifen, oder ob für ihn die bevorstehende Repression durch jüdische Anschuldigungen bzw. Denunziation veranlaßt sein wird, bleibt unklar. Letzteres ist aufgrund des Ausfalls gegen die Juden im vorangehenden V. 9 nicht auszuschließen.21 Die „Synagoge des Satans“ könnte jener Macht zuarbeiten, die in V. 10 als diavbolo~ (nach 12,9; 20,2 mit dem Satan identisch) bezeichnet wird und die nach Auskunft des folgenden Sendschreibens (2,13) das Leben der Christen erschwert, ohne daß diese jedoch zum ajrnei`sqai verleitet worden wären. Dies geschah auch nicht im Fall der Gemeinde von Philadelphia (3,8; nur hier und in 2,13 findet sich das Verb in der Apk), der unmittelbar nach der Anerkennung ihres Verhaltens zugesagt wird, daß die „aus der Synagoge des Satans“ sie als das wahre Gottesvolk anerkennen werden (3,9). Möglicherweise kam also aus dieser Richtung die Gefahr, die die Gemeinde lobenswert überstand. Freilich werden diese Zusammenhänge allenfalls angedeutet, 22 und | es ist gewagt, sich vom Geschichtsbild der Apg (z.B. 13,50; 14,2; 18,12f) das Verständnis der Apk-Texte vorgeben zu lassen. 19

Anders offenbar MÜLLER, ebd. BOUSSET (s. Anm. 2), 209. 21 Von V. 9 her deuten z.B. A.A. BELL, The Date of John’s Apocalypse. The Evidence of Some Roman Historians Reconsidered, NTS 25, 1979, 93–102, 101; MÜLLER (s. Anm. 7), 106f; vgl. noch KLAUCK (s. Anm. 5), 163. MÜLLER (107) wendet sich z.R. gegen die Meinung, die „Juden“ seien in Wahrheit eine christliche Gruppe (eine Deutung, die H. GIESEN, Johannes-Apokalypse, SKK.NT 18, Stuttgart 31992, zu 2,9 für möglich hält [42], zu 3,9 aber ablehnt [48]). 22 C.H. GIBLIN, The Book of Revelation. The Open Book of Prophecy, Good News Studies 34, Collegeville, Min. 1991, dürfte wohl zu weit gehen, wenn er im Blick auf Smyrna und Philadelphia von „Jewish persecutors“ (64) spricht. „Blasphemie“ (2,9), die auch dem Tier aus Apk 13 zugeschrieben wird (V. 1.5f; vgl. 16,9.11.21; 17,3), ist nicht schon Verfolgung, kann einfach auf den – durchaus verständlichen – Widerspruch gegen den christlichen Glauben zu beziehen sein. M.E. völlig überzogen ist die Sicht bei A.J. BEAGLEY, The „Sitz im Leben“ of the Apocalypse with Particular Reference to the Role of the Church’s Enemies, BZNW 50, Berlin/New York 1987, 27ff (vgl. dazu TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 17], 186 Anm. 291). 20

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Den Adressaten in Pergamon, dem Ort des Thrones des Satans, attestiert der Autor, sie hielten den Namen Christi fest und hätten den Glauben auch nicht in jener Zeit verleugnet, als ein gewisser Antipas, vermutlich ein Gemeindeglied, bei ihnen getötet wurde (2,13; vgl. zum Stichwort „töten“ außer 13,10.15 noch 6,11; 11,7). Der auffälligerweise der Tötungsaussage erneut beigegebene Zusatz „wo der Satan wohnt“ scheint den Schuldigen am Martyrium zu bezeichnen, obwohl der Text eigentlich nur das Beieinanderwohnen von Gemeinde und Satan unterstreicht (vgl. die Wiederaufnahme des katoikei`n vom Versanfang am Versende), das nicht reibungslos verläuft, weshalb die Christen für ihre Unbeugsamkeit gelobt werden. Unter welchen Umständen Antipas zu Tode kam, wird nicht gesagt, ist auch kaum aus seiner Charakterisierung als „treuer Zeuge“ abzuleiten.23 Die Vermutung, er werde namentlich genannt, weil es sich bei ihm um einen prominenten Christen handelte, 24 entbehrt jeder Grundlage. Deshalb darf nicht unterstellt werden, in Pergamon oder den anderen Gemeinden seien bereits weitere Opfer zu beklagen. Auf die spätere Erwähnung von Märtyrern (6,9) kann man sich nicht berufen; denn was Johannes im fünften Siegel geschaut hat („die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses Jesu willen, das sie hatten“), braucht ebensowenig die tatsächlich schon eingetretene Lage zu umreißen25 wie andere Vergangenheitsaussagen in | den Siebener-Reihen oder nimmt Bezug auf die Opfer eines traumatischen, länger zurückliegenden, in christlichen Kreisen allgemein bekannten Geschehens. 26 Jedenfalls scheint Antipas im Lebensbereich der Gemeinden, an die sich die Sendschreiben wenden, wenn nicht überhaupt der einzige, so doch ein vereinzelter Fall gewesen zu sein. 27 Da er sich in Pergamon, einer Hochburg des Herrscher- und Kaiserkults, zugetragen hat, ist man geneigt, das Schicksal des Antipas (und die Bewährung der Gemeinde) vor diesem Hintergrund zu interpretieren, zumal der „Satan“ nach Kap. 13 in dieser Weise in Erscheinung tritt.

23 Gegen A.YARBRO COLLINS, Persecution and Vengeance in the Book of Revelation, in: D. Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983, 729–749), 742 Anm. 71. 24 Besonders spekulativ in dieser Hinsicht: KRAFT (s. Anm. 17), 65; vgl. auch WENGST (s. Anm. 16), 148; zurückhaltender KLAUCK (s. Anm. 5), 164. 25 Gegen WENGST (s. Anm. 16), 148, der 244 Anm. 13 zu Unrecht auf 12,11 verweist; dort ist nicht nur von Märtyrern (gegen diese Einschränkung vgl. z.B. T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, Berlin 21971, 77f), sondern von allen treuen Christen die Rede. 26 Einige Ausleger denken an die neronische Verfolgung: z.B. BOUSSET (s. Anm. 2), 274; ROLOFF (s. Anm. 7), 83; MÜLLER (s. Anm. 7), 172. 27 Vgl. die Einschätzung bei ROLOFF (s. Anm. 7), 54; KLAUCK (s. Anm. 5), 164. BELL (s. Anm. 21), 101, glaubt der Formulierung in 2,13 entnehmen zu können, „that there were no other martyrs“, und meint: „Nothing […] in the letters points to a time of persecution.“

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H.-J. Klauck hat erneut am Beispiel Pergamons aufgezeigt, wie der öffentliche Raum durch den Herrscher- und Kaiserkult strukturiert wurde – wobei sich übrigens für den „Thron des Satans“ besonders gut das Trajaneum anbieten würde. Wie Antipas in diesem Umfeld sein Leben verlor, glauben er und andere 28 aus dem bekannten Briefwechsel zwischen Plinius d.J. und Kaiser Trajan über das bei Christen anzuwendende Verfahren erschließen zu können: 29 Der zur Anzeige gebrachte und geständige, auch nach dreimaligem Befragen unter Strafandrohung am Bekenntnis zu seinem Herrn festhaltende Christ wurde hingerichtet; freigelassen wurde, wer bestritt, Christ zu sein, oder seinen Glauben widerrief und – wie zur Überprüfung seiner Gesinnung von ihm verlangt – vor den Götterbildern und dem Bild des Kaisers opferte sowie Christus lästerte; „zu all dem sollen sich“, so Plinius, „wahre Christen nicht zwingen lassen“ (Ep. X 96,5). Hingegen meinte Bousset, der Brief des Plinius setze eine „systematische Verfolgung“ voraus, von der „die Apk – namentlich die Sendschreiben – noch keine Spur“ zeige. 30 Doch ist schwer abzu|schätzen, inwieweit das durch Plinius für Pontus-Bithynien bezeugte Verfahren einen Einschnitt markiert, also im Rahmen der Bemühung, um der Einheit und Stärke des Reiches willen die Verehrung der alten Götter zu fördern sowie die Stabilität einer Provinz zu sichern, zur Zeit Trajans 31 das Einschreiten gegen Christen eine neue Qualität erreichte, oder ob in ähnlicher Weise bereits früher32 in der Asia gegen sie vorgegangen wurde. Zieht man aber zur Erhellung der Umstände von Antipas’ Tod das Schreiben des Legaten und die Antwort des Kaisers heran, bleibt zu beachten, daß hier der Kaiserkult „not a central issue“ 33 darstellt und er mit dem Vorfall in Pergamon nur von Apk 13 her in Verbindung gebracht werden kann. 34 28

Z.B. KRAFT (s. Anm. 17), 65; MÜLLER (s. Anm. 7), 111f. KLAUCK (s. Anm. 5), 156ff (zu Pergamon).160ff (zu Antipas); der Schriftwechsel: Plinius d.J., Ep. X 96f (Übersetzung bei H. CONZELMANN, Geschichte des Urchristentums, GNT 5, Göttingen 1969, 148–150). 30 BOUSSET (s. Anm. 2), 134 (im Original hervorgehoben). 31 Vgl. dazu A. REICHERT, Eine urchristliche praeparatio ad martyrium. Studien zur Komposition, Traditionsgeschichte und Theologie des 1. Petrusbriefes, BET 22, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989, 86ff, bes. 90f. 32 Die Formulierung „in den Tagen des Antipas“ (2,13) deutet auf ein bei Abfassung der Sendschreiben schon längere Zeit zurückliegendes Ereignis (so die meisten Ausleger; anders aber A. WEISER, Theologie des Neuen Testaments II, Kohlhammer Studienbücher Theologie 8, Stuttgart/ Berlin/Köln 1993, 206: „die in jüngster Vergangenheit geschehene Hinrichtung“). Zum Rückschluß aus dem Plinius-Brief auf Ereignisse in der Zeit Domitians vgl. REICHERT (s. Anm. 31), 84 Anm. 2. 33 THOMPSON (s. Anm. 10), 131. Das gilt unabhängig davon, ob die Nichterwähnung des Kaiserbildes im Reskript Trajans (vgl. damit das Verfahren des Plinius: Ep. X 96,5f) in dieser Hinsicht aussagekräftig ist. 34 Vgl. auch MÜLLER (s. Anm. 7), 110. THOMPSON (s. Anm. 10), 173, urteilt: „There is no reason to connect the death with demands to worship the emperor.“ 29

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Stärker als durch Bedrängnisse, denen sie seitens des heidnischen Umfelds ausgesetzt ist, sieht der Autor die Gemeinde derzeit durch ihren inneren Zustand bedroht. 35 Verfechter der Lehre Bileams und („gleicherweise“) der Lehre der Nikolaiten essen Götzenopferfleisch und treiben Unzucht (2,14f; vgl. V. 20). Wie immer man diese von Johannes bekämpfte(n) Gruppe(n) – christliche Gegner (die gleichen?) werden auch in anderen Gemeinden erwähnt (2,2.6.20) – religionsgeschichtlich einzuordnen hat, das ihnen zugeschriebene Verhalten (zumindest das „Essen von Götzenopferfleisch“) deutet darauf hin, daß aus der von ihnen vertretenen Lehre eine offenere, liberalere Einstellung zum nichtchristlichen Umfeld resultiert. Einem Mitglied dieser Gruppe(n) wird es möglich sein, „to take part actively in the social, commer|cial, and political life of his society“.36 Für das Wirken dieser Leute in Pergamon wird die ganze Gemeinde (vielleicht sollte man vorsichtiger sagen: der Teil der Gemeinde, der der Einflußnahme durch den Verfasser zugänglich ist) verantwortlich gemacht, zum metanoei`n aufgefordert (V. 14init.16init). Johannes moniert eine Glaubenspraxis, die von seinen Adressaten in Pergamon (und Thyatira [V. 20], anders als in Ephesus: V. 6) toleriert wird, denen er doch eben erst bescheinigt hat, sie hielten den Namen Christi fest und hätten ihn auch in schwieriger Lage nicht verleugnet (V. 13). Wenn die bewährten Gläubigen an dem Ort, wo der Satan wohnt, das partielle Sich-Einlassen auf die Vorgaben der ungläubigen Umwelt nach Art der Bileamiten/Nikolaiten hinnehmen, ist das am ehesten in einer Situation vorstellbar, in der sie nicht permanent und unerbittlich von dieser Umwelt her als Christen unter Druck gesetzt werden. Anderenfalls würde ihnen das Verhalten ihrer Glaubensgenossen gewiß problematischer erscheinen; doch eine Kontroverse um die erlaubte Nähe zum sozialen und religiösen Umfeld wird in der Gemeinde offenbar nicht ausgetragen. Die scharfe Kritik des Sehers gilt genau dieser in Pergamon und Thyatira eingenommenen permissiven Haltung. Daß dabei die christliche Identität der Gemeinden, die sie ansonsten durchaus zu wahren wissen (V. 13.19), auf dem Spiel steht, ist diesen nicht bewußt; was sie zulassen (V. 20a), haben sie in seiner Gefährlichkeit nicht durchschaut. Das von Johannes der vermeintlichen Pro35

Vgl. den Eindruck bei ROLOFF (s. Anm. 7), 54; GIESEN (s. Anm. 21), 43. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic and Gnosis in the Book of Revelation and Paul, JBL 92, 1973, 565–581, 570. (Zur Bedeutung des Essens von Götzenopferfleisch vgl. nur MÜLLER [s. Anm. 7], 97f.) Ob gnostische Elemente (so auch z.B. ROLOFF [s. Anm. 7], 54f) in dieser Lehre wirklich eine Rolle spielen, sei dahingestellt. Zweifel äußert neben anderen D.E. AUNE, The Social Matrix of the Apocalypse of John, BR 26, 1981, 16–32, 29; vgl. noch R. HEILIGENTHAL, Wer waren die „Nikolaiten“? Ein Beitrag zur Theologiegeschichte des frühen Christentums, ZNW 82, 1991, 133–137, der an Vertreter einer „‚aufgeklärt-skeptizistischen‘ Richtung“ denkt, „die sich bis auf die Position der Starken in den paulinischen Gemeinden zurückverfolgen läßt“ (137). 36

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phetin in Thyatira und ihrer Gefolgschaft angekündigte Gericht (vgl. V. 16) soll darum „alle Gemeinden“ 37 zur Einsicht bringen, indem es die Richtermacht Christi demonstriert, der das Verborgene erkundet, jedem nach seinen Werken vergilt und durch die vom Seher ausgerichtete Botschaft im Blick auf die angesprochenen | Strömungen in den Gemeinden unmißverständlich Stellung bezieht (V. 20–23). Im Gegenzug werden die Christen in Thyatira, die dieser Lehre nicht Raum geben, ermutigt, ihre bisherige Haltung beizubehalten (V. 25; vgl. auch den Siegerspruch V. 26f in Verbindung mit 12,5; 19,15.19f). Ihnen, „den übrigen“ – inzwischen eine Minderheit in dieser Gemeinde? –, und Johannes ist noch klar, wo die nicht zu überschreitende Grenzlinie zur heidnischen Gesellschaft verläuft; diese ist für die anderen aber vermutlich deshalb nicht mehr eindeutig auszumachen, weil der Widersacher der kleinasiatischen Christen ihnen nicht in jener teuflischen und aggressiven Form begegnet, in der ihn der Verfasser in den zentralen Abschnitten des sog. apokalyptischen Hauptteils vorstellt.

III. Nach Apk 12 führt der im Himmel schon entmachtete und auf die Erde hinabgestoßene Drache („genannt der Teufel und der Satan“ [V. 9]) Krieg gegen jene, „die die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben“ (V. 17). In welcher Gestalt ihnen dieser Feind entgegentritt, schildert der Autor in Apk 13 in weithin traditioneller, von seinen zeitgenössischen Lesern nicht schwer zu entschlüsselnder Bildersprache, die es ihm zugleich erlaubt, mittels der sprachlichen Tarnung die wahre Natur des Gegenspielers ans Licht zu bringen. Es handelt sich um ein Tier, ein dämonisches Ungeheuer, das markante Züge der vier Tiere aus Dan 7,3–8 trägt (V. 1f), nun nicht mehr – wie bei Daniel – vier verschiedene Weltreiche repräsentierend, sondern die eine Weltmacht, das Imperium Romanum.38 Es ist der inkarnierte Drache (vgl. 12,3.18/13,1.2b.3bf). Seine Erscheinung, seine Äußerungen und die Resonanz, die es bei den Menschen findet, erweisen es als Wider-Gott und Antichrist. 39 Mit den Christen befindet sich die universale 37 Die hier in 2,23 (nicht erst im Weckruf) vorgenommene Ausweitung ist wie die Anrede aller Adressaten („euch“) in dieser Art einmalig in den Sendschreiben (vgl. TAEGER, Johannesapokalypse [s. Anm. 17], 162 mit Anm. 188). 38 Zur Deutung auf das Imperium, die als gesichert gelten kann, vgl. nur H.W. GÜNTHER, Der Nah- und Enderwartungshorizont in der Apokalypse des heiligen Johannes, FzB 41, o.O. (Würzburg) 1980, 100ff. 39 Vgl. die Auflistung einschlägiger „Parallelen“ z.B. bei BÖCHER (s. Anm. 5), 83; K.-P. JÖRNS, Das hymnische Evangelium, StNT 5, Gütersloh 1971, 121–123.

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Macht im Kriegszustand und ist ihnen überlegen (13,7). Wenn von der ihr durch alle Bewohner der Erde zuteil werdenden Anbetung nun im Futur gesprochen wird (V. 8), | geht der Blick nicht in die Zukunft, 40 als ob dies eine erst zu erwartende Entwicklung wäre; vielmehr empfängt die Bestie längst die Huldigung der ganzen Erde (V. 3bf). Der Tempuswechsel erfolgt unter pragmatischem Aspekt: Die Leser/Hörer erkennen, daß das Angesagte in ihrem Erfahrungsbereich bereits Platz greift, das Untier seinen verhängnisvollen Einfluß ausübt. Sich am Treiben „aller“ zu beteiligen kommt aber nur für die in Frage, die nicht im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind; beugte sich einer der Adressaten des Johannes dem gesellschaftlichen Konsens, verspielte er seinen Heilsstand und wäre von der Heilsvollendung ausgeschlossen (vgl. zum Stichwort „Lebensbuch“ 3,5; 20,12.15; 21,27). Der folgende Weckruf (13,9) und die anschließende Mahnung (V. 10) bestätigen den Instruktionscharakter des Textes und leiten über zur Schilderung des anderen Tieres. Dieses zweite Tier betätigt sich als Erfüllungsgehilfe des ersten Tieres, von dem es abhängig ist (V. 11ff). Eindrucksvoll betreibt es unter Aufbietung von allerlei wunderbar-betörenden Verführungskünsten, durch Einsatz von Agitation und Propaganda, aber auch durch Verhängung schwerer Straf- und Zwangsmaßnahmen (V. 15c.17) die religiöse Verehrung des Regimes. Johannes wird hier an die Einrichtungen denken, die für den Kult der römischen Gottheiten und des Exponenten des Imperiums, des Kaisers, verantwortlich sind. 41 Sie erfüllen ihre Aufgabe so erfolgreich, daß „alle, die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven“ (V. 16) sich loyal in das System einfügen. Unter ihnen dürften sich nach dem in V. 1ff (bes. V. 7–10) Ausgeführten eigentlich keine Christen befinden, doch deutet Johannes an, daß auch die uJpomonhv und die pivsti~ (V. 10) der Heiligen gefährdet sein könnten, und dies nicht nur unter dem Eindruck der Sanktionen, die den Dissidenten drohen: Das zweite Tier redet zwar wie ein Drache, es gleicht aber auch einem Lamm (V. 11). Es ist demnach ein Zwitterwesen, das Züge des Herrn 42 und des Feindes der Glaubenden in sich vereint. Später wird | es der „Pseudoprophet“ genannt (16,13; 19,20; 20,10); er verführt (13,14; 19,20) wie Isebel, die von

40 Das ist allerdings die gängige Interpretation; vgl. z.B. BOUSSET (s. Anm. 2), 364; E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 31970, 112; ROLOFF (s. Anm. 7), 138; MÜLLER (s. Anm. 7), 247f.251f. 41 Vgl. BOUSSET (s. Anm. 2), 365ff; MÜLLER (s. Anm. 7), 253. 42 Die Erinnerung an das Christuslamm (zuletzt erwähnt in V. 8) ist gewiß beabsichtigt, auch wenn der Autor daneben auf Dan 8,3 zurückgreift (BÖCHER [s. Anm. 5], 83: „das zweite Tier [imitiert] das Christuslamm“), zumal die geheilte Todeswunde des ersten Tieres (V. 3.12) ein Element der Nachäffung Christi, des geschlachteten Lammes (V. 8), darstellt, wie bes. V. 14c zeigt.

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sich behauptet, eine Prophetin zu sein, 43 und deren Wirken in Thyatira bislang nicht Einhalt geboten wurde (2,20). Weil der Autor um die Faszination des Drachen im Gewand der Weltmacht weiß, wendet er sich nach der Vision derjenigen, die untadelig dem (wahren) Lamm folgen (14,1–5), und dem Ausblick auf das Gericht über die anderen (14,6ff), die sich dem Anspruch des Imperiums nicht verweigern (V. 9b.11b), erneut direkt an seine Adressaten und unterstreicht damit, „daß sie nicht Zuschauer, sondern unmittelbar Betroffene sind“ 44 (V. 12; unter Rückgriff auf 13,10c und 12,17b). Die Aufforderung zur Standhaftigkeit verstärkt ein Makarismus, der den „im Herrn“ Sterbenden (vgl. sachlich 2,10.26; 12,11) die eschatologische Ruhe zusagt, denn „ihre Werke folgen ihnen nach“ (14,13).45 Das heißt im Kontext: Diejenigen, die sich konsequent vom Treiben der Verehrer des Tieres fernhalten, werden im Gericht bestehen; ihnen bleibt das Schicksal jener erspart (V. 9–11). Ihr Verhalten – im Gegensatz zu dem der in Thyatira Verführten – hält dem kritischen Urteil Christi stand (vgl. 2,22f). Die Skizze, die der Seher in Apk 12f von Rom entworfen hat, wird in Apk 17f 46 komplettiert. Hier schaut er „das Gericht über die große Hure“ (17,1), die Frau, auf deren Stirn der Name geschrieben steht: „Babylon, die Große, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde“ (V. 5). Auch jetzt stellt sich ihm das Imperium als Verfolger der Christen dar (in den Rahmenversen des Babylon-Abschnitts: 17,6; 18,24; vgl. 18,20; 19,2), doch es ist eben nicht bloß die eindeutig als Todfeind zu identifizierende Macht, die das Blut der Glau|benden vergossen hat. Stärker noch als in Kap. 13 wird nun die berauschende (17,2) Faszination des Bösen in seiner blendenden und lockenden Pracht (V. 4) thematisiert. Sie spiegelt sich vor allem in der Reaktion der Komplizen und Profiteure des Regimes, die über das göttliche Strafgericht an Rom wehklagen und Trauergesänge anstimmen (18,9ff). Die Könige, die irdischen Machthaber, sind ihres starken Partners beraubt, mit dem sie sich zum eigenen Vorteil eingelassen haben. Den Kaufleuten wie den Reedern und Seefahrern, die der Handel mit Artikeln des Luxus und des täglichen Bedarfs, mit Investitionsgütern und Menschen reich machte, ist ihre Existenzgrundlage entzogen. Wenn in diesem Zusammenhang nicht nur die Kaufherren mit den Mächtigen und die Handelstätigkeit (vgl. 43

Vgl. dazu TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 17), 193f. ROLOFF (s. Anm. 7), 153. 45 Zum Verständnis von 14,13 vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 17), 162f (gegen eine Einengung auf Märtyrer und eine Deutung des „von jetzt an“ auf eine künftige Verfolgungssituation). 46 Vgl. zu Apk 17f – und dem Traditionshintergrund (bes. Ez 26–28) – A.YARBRO COLLINS, Revelation 18: Taunt-Song or Dirge?, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Gembloux/Leuven 1980, 185–204, bes. 200ff, und zu diesem Aspekt der Pax Romana auch WENGST (s. Anm. 16), 152 mit Anm. 39. 44

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13,16f) mit dem Götzendienst gleichgesetzt werden, 47 sondern zudem die Vernichtung der Kultur und des Alltagslebens konstatiert wird (V. 21ff), kommt darin zum Ausdruck, daß das ganze System bis in alle seine Erscheinungsformen hinein gottlos und zu Recht dem Gericht verfallen ist. Weil seinem verführerischen Zauber, der „alle Völker“ in den Bann schlägt (V. 23b), auch Christen erliegen könnten – wie die Sendschreiben zeigen, wohl schon erlegen sind (vgl. o. II.) –, trifft die warnende Himmelsstimme, die auffordert, aus Babylon auszuziehen, um nicht an seinen Sünden und demgemäß seinen Plagen teilzuhaben (V. 4; vgl. Kap. 14 nach Kap. 13), unmittelbar die Lebenssituation der Adressaten des Johannes. 48

IV. Trotz der aufgezeigten Verbindungslinien erscheint es schwierig, die das heidnische Umfeld der Christen anvisierenden und die Gläubigen direkt ansprechenden Ausführungen in Apk 12f und 17f über das satanische Regime, ihren unerbittlichen und blutrünstigen Feind, mit dem Bild der tatsächlichen Lage der Gemeinden, das die Sendschreiben bieten, zur Deckung zu bringen. Wie ist diese nicht selten bemerkte Inkongruenz zu erklären? 49 Ist das, was | über die vergleichsweise spärlichen Andeutungen in den Sendschreiben hinausgeht, der umfassende und folgenreiche Konflikt, den der Autor in den apokalyptischen Visionen schildert, eine lediglich befürchtete Entwicklung, den „Zukunftsweissagungen des Sehers, der allerdings mit hellen Augen in seine Gegenwart hineinschaut“, 50 zuzuzählen? Zwar ist die Erwähnung einer beträchtlichen Zahl von Blutzeugen (vgl. noch 20,4) wahrscheinlich ebenso Teil eines „Zukunftsgemälde(s)“ 51 wie das erwartete Auftreten des letzten Schreckenskaisers (13,18; 17,8.10f). Doch der Sturz des Drachen aus dem Himmel, sein Toben auf Erden und die Anbetung des Tieres (Apk 12f) sind für Johannes bereits Realität; 52 was ihm als Ausdruck der Unzucht Babylons gilt, ist allgegenwärtig (Apk 18). 47

Vgl. KRAFT (s. Anm. 17), 239. Vgl. zu 18,4 KLAUCK (s. Anm. 5), 178f. 49 Zu literarkritischen Lösungsversuchen, die bislang kaum überzeugend begründet sind, vgl. MÜLLER (s. Anm. 7), 39f. MOBERLY (s. Anm. 5), 376f.392f, hält wieder die Sendschreiben für jünger als den apokalyptischen Hauptteil, weist sie aber dem gleichen Autor zu. 50 BOUSSET (s. Anm. 2), 134; ähnlich urteilen viele Kommentatoren und z.B. K. ALAND, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Neuen Testament und den Aussagen des 2. Jahrhunderts, in: DERS., Neutestamentliche Entwürfe, TB 63, München 1979, 26–123, 84.88.92. 51 BOUSSET (s. Anm. 2), 131. 52 So auch BOUSSET, a.a.O., 136; zum Gegenwartsbezug von Apk 13 vgl. noch ROLOFF (s. Anm. 7), 134; MÜLLER (s. Anm. 7), 247. 48

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Auch der Hinweis, „Ansagen zukünftiger Martyrien“ seien „(g)attungskonform“, die Traditionen, auf die der Autor zurückgreife, seien martyrologisch geprägt, und die Vermutung, er habe sie „neu instrumentalisiert“, um seiner gegen jeden Kompromiß mit der heidnischen Stadtgesellschaft gerichteten Botschaft Gehör zu verschaffen, 53 reichen wohl noch nicht zur Erklärung jener Inkongruenz aus. „Die Wahl der apokalyptisch-visionären Form“ durch den Verfasser verdankt sich nicht nur einem „Legitimationsnotstand“ aufgrund mangelnder Akzeptanz für seine radikale Position des Auszugs aus der Welt; 54 der Legitimation bedarf eher seine in Apk 12f; 17f vorgetragene Sicht der imperialen Macht, weil sie im Alltag der Gemeinde so eben nicht jederzeit verifizierbar ist. Zuallererst geht es Johannes darum, das wahre Wesen des Weltreiches zu offenbaren, seinen hinter dem verführerischen und vereinnahmenden lauernden mörderischen Charakter aufzudecken, den Gemeindegliedern zu enthüllen, wes bösen Geistes Kind | das Imperium ist, sie auf seine Anschauung zu verpflichten und nicht zuletzt das Verhalten der Bileamiten/Nikolaiten in diesen Rahmen einzuordnen. Berücksichtigt man, was in den Sendschreiben an einzelnen Konflikten mit der Umwelt belegt ist (und sich in das historisch rekonstruierbare Bild der Zeit glatt einfügt: vgl. o. I. und II.), könnte man meinen, Johannes gestalte ex ungue bestiam. Aber daß es sich bei den erfahrenen Beeinträchtigungen und dem weltlichen Wertesystem überhaupt um die „Klaue“ einer widergöttlichen Bestie handelt – mit der man sich dann selbstredend nicht verständigen kann, der man nicht entgegenkommen und auf den Leim gehen darf, bedeute es Rückzug aus der Welt (18,4) und koste es gegebenenfalls sogar die Freiheit und das Leben (13,10) –, muß der Verfasser erst ins Bewußtsein (zumindest einiger) seiner Adressaten heben. „(D)ie Sendschreiben mit ihrer größeren Situationsgebundenheit“ bieten den „Schlüssel für das Verständnis der apokalyptischen Partien“ 55 nur insofern, als das umfangreiche apokalyptische Material in Apk 4ff natürlich im Blick auf die sieben Gemeinden (1,4.11) entfaltet wird;56 umgekehrt erschließt sich erst von Apk 4ff her, welche Kriterien den Beurteilungen zugrunde liegen, die der Autor in Apk 2f im Auftrag des Erhöhten abgibt, wie sich für ihn die Situation der Gemeinden darstellt und wie diese selbst sie wahrnehmen sollten.

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KLAUCK (s. Anm. 5), 175f.179.181 (Zitate: 175f). Das erwägt KLAUCK, a.a.O., 181f (Zitat: 181). 55 A.a.O., 177. 56 Vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 17), 193f; was für die Einstellung zur heidnischen Umwelt gilt, trifft ebenso auf die – gegen Tendenzen in den Gemeinden – verfochtene eschatologische Konzeption des Verfassers zu (vgl. a.a.O., 137f.144ff). 54

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Wie kommt Johannes zu seiner durch und durch negativen Einschätzung des Imperiums, die schwerlich als Antwort auf eine akute Notlage erklärt werden kann (vgl. o. I.)? Einzelne leidvolle Erfahrungen persönlicher Art (vgl. 1,9), im eigenen Umfeld oder im Empfängerkreis des Schreibens (vgl. o. II.) führen nicht zwangsläufig zur Dämonisierung des ganzen Systems, wie andere urchristliche Dokumente zeigen, etwa Röm 13,1–7 (nach 2Kor 11,25.32f); 57 | 1Petr 2,13ff (neben 4,15f) 58 und 1Clem 60f (neben 1,1; 6,1; 59,4). 59 Ist die Position, die der Apokalyptiker vertritt, Ausdruck eines nach der Zerstörung Jerusalems und des vorangegangenen Krieges gesteigerten jüdischen Romhasses? 60 Handelt es sich bei ihr nur um ein weiteres Zeugnis für die keineswegs auf jüdische Kreise beschränkte Aversion des unterworfenen Ostens gegen das westliche Regime? 61 Wirkt in ihr eine alte Kulturfeindschaft der Propheten nach, die auf Rom überträgt, was sie an der Lebensart in hellenistischen Städten verabscheut, eine Haltung, die der radikale, das Ethos der frühen Jesusbewegung bewahrende, nonkonformistische Wanderprophet Johannes teilt? 62 Man kann solche Einflüsse in Rechnung 57

Vgl. z.B. W. SCHRAGE, Ethik des Neuen Testaments, GNT 4, Göttingen 1982, 229. Röm 13 und Apk 13 reden vom gleichen Staat, nicht von unterschiedlichen politischen und sozialen Wirklichkeiten. (G. KLEIN, „Über das Weltregiment Gottes“. Zum exegetischen Anhalt eines dogmatischen Lehrstücks, ZThK 90, 1993, 251–283, 259, vermutet, durch Röm 13,1–7 sollten Christen „in einer Situation starken staatlichen Drucks“ zur vorbildlichen Erfüllung ihrer sozialen Pflichten angehalten werden.) In den vier oder fünf Jahrzehnten, die zwischen der Abfassung des Röm und der Veröffentlichung der Apk liegen, hat sich das Imperium nicht grundlegend gewandelt, pervertierte nicht von der guten Ordnungsmacht zur dämonischen Bestie. Auch die Tendenz, den Herrscher des Reiches und das von ihm repräsentierte System religiös zu überhöhen, mag sich zwar verstärkt haben, war aber zur Zeit des Paulus längst erkennbar, besonders im westlichen Kleinasien, das dem Apostel von seinen dortigen Aufenthalten her vertraut ist. Allerdings wird die paulinische Authentie des Textes bestritten (vgl. wieder a.a.O. 258f). 58 N. BROX, Der erste Petrusbrief, EKK 21, Zürich/Einsiedeln/Köln und Neukirchen-Vluyn 1979, 121: „Die Verfolgtensituation und eine solche Erklärung gegenüber dem Staat schließen sich nicht aus.“ Nach Brox „kam Gefahr von der Volksstimmung und von der gesellschaftlichen Isolation, nicht von Gesetzen oder Maßnahmen des Staates her“ (ebd.). Zu der – sich ähnlich schwierig wie im Fall der Apk gestaltenden – historischen Einordnung der Situation der Adressaten des 1Petr vgl. aber den Exkurs bei REICHERT (s. Anm. 31), 73–95. 59 Vgl. dazu WENGST (s. Anm. 16), 131ff; A. LINDEMANN, Die Clemensbriefe, HNT 17 (Die Apostolischen Väter I), Tübingen 1992, 175f. – Auch bei Berücksichtigung geographischer und soziologischer Faktoren sowie des jeweiligen Traditionsbezugs bleibt der Unterschied bemerkenswert. 60 MOMMSEN (s. Anm. 2), 520 Anm. 1, sieht in der Apk die „klassische […] Offenbarung jüdischen Selbstgefühls und Römerhasses“, allerdings warte der „jüdische Volkshass […], um zu entstehen, nicht auf die Eroberung von Jerusalem“ (523 Anm. 1 von 520); vgl. auch YARBRO COLLINS (s. Anm. 46), 200f, zu Apk 17f. 61 Vgl. H. FUCHS, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, Berlin 21964, und z.B. die bei MÜLLER (s. Anm. 7), 311f, zusammengestellten Belege. 62 MÜLLER, a.a.O., 313 (zu Apk 18): „Es zeigt sich der Gegensatz zwischen der Lebensart des reichen hellenistischen Großstädters […] und dem eher asketischen Wanderpropheten, der die alte prophetische Kulturfeindschaft geerbt hat“. Zu den übrigen im Text genannten Aspekten vgl.

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stellen, aber man | würde Johannes noch nicht gerecht, sähe man in ihm lediglich den Verstärker geläufiger Ressentiments oder den konservativen Propagandisten „alter Werte“. Das von ihm verfaßte corpus apocalypticum 63 dient dem Nachweis, daß der – dem Geschiedensein der durch Christus für Gott Erkauften (5,9; vgl. 14,3f) von den „Bewohnern der Erde“ (13,8.12.14 u.ö.; vgl. z.B. 22,11) entsprechende – Antagonismus von Gemeinde und Weltmacht nur den fundamentalen Gegensatz zwischen Gott und Satan abbildet,64 somit jede Möglichkeit friedlicher Koexistenz von vornherein ausgeschlossen ist. Die „theologische“ Begründung will beachtet sein. Nicht weil das Imperium sich so darstellt, wie es der Autor in Apk 13; 17f „sieht“, ist es satanisch (für Johannes hieße das, Symptome mit der Ursache zu verwechseln), sondern weil es sich dem Drachen verdankt, hat es jene – durchaus auch ambivalente und blendende – Erscheinungsform. Apk 12 ist nicht zufällig Apk 13 vorgeschaltet. Was sich in der Gegenwart abspielt, sind nur die Nachwehen eines im Himmel siegreich ausgefochtenen Kampfes (12,7ff.17; 13,7), dessen irdische Fortsetzung in der mit Christus angebrochenen Endzeit (Apk 5) die Gläubigen erleben und allen vordergründigen Niederlagen zum Trotz ebenfalls siegreich bestehen,65 wenn sie sich eindeutig entscheiden, sich hinter ihren Herrn scharen (17,14). | Beim Werk des Sehers handelt es sich nicht primär um „eine wilde Kampfschrift gegen den im römischen Reich herrschenden Kaiserkult“;66 es wendet sich an Christen in der Asia, erhebt ihnen gegenüber den Anspruch unantastbarer Verbindlichkeit (22,18f), vermittelt ihnen einen Blick „auf den letzten Kern der Dinge“ 67 und richtet sich direkt und indirekt gegen

KLAUCK (s. Anm. 5), 179f (Ethos des Wanderradikalismus), und AUNE (s. Anm. 36), 28f. – Sieht man in Johannes einen Wanderpropheten, bleibt zu erklären, weshalb gerade er ein solches Buch (vgl. dazu die nächste Anm.) verfaßt hat (vgl. noch P. VIELHAUER, Apokalypsen und Verwandtes. Einleitung, in: E. HENNECKE/W. SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen II, Tübingen 4 1971, 407–427, 426f, und modifiziert P. VIELHAUER/G. STRECKER in der Neubearbeitung [s. Anm. 17] dieses Abschnitts [491–515], 515). 63 BOUSSET (s. Anm. 2), 140f: „(E)s scheint fast so, als hätte er die Absicht, nicht bloß eine bestimmte Weissagung zu geben, sondern ein corpus apocalypticum zu schreiben, eine Sammlung von damals im Umlauf befindlichem apokalyptischem Material unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu veranstalten“. 64 P. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, GLB, Berlin/New York 1975, 505: „Der Antagonismus von christlicher Gemeinde und heidnischer Weltmacht ist Vordergrund des eigentlichen Gegensatzes von Christus und Satan.“ 65 Zum Motiv vgl. J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85, 1994, 23–46 (in diesem Bd. S. 81– 104). 66 BOUSSET (s. Anm. 2), 136. 67 A.a.O., 137 (dort aber bezogen auf Johannes selbst, der in dem „Bündnis von Staat und Religion mit seiner Menschenvergötterung den Gipfel aller Gottlosigkeit, den Anfang vom Ende“

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jene, die diese Systemanalyse – die eine Systemkritik impliziert – in Theorie und Praxis nicht teilen. Die Apk ergreift Partei im Streit um die Frage, wie in den Strukturen der Welt der Glaube unter strikter Wahrung der christlichen Identität zu leben ist; wo dieser Streit nicht geführt wird, weil man sich „arrangiert“ hat, will sie ihn entfachen.68

sieht). THOMPSON (s. Anm. 10), 174: „John encourages his audience to see themselves in conflict with society; such conflict is a part of his vision of the world“. 68 Damit ist selbstverständlich nur ein – wenn auch wichtiger – Aspekt der Apk gekennzeichnet; er hat wesentlich zu der enormen Wirkungsgeschichte dieses Werkes beigetragen.

Begründetes Schweigen Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse

„Der auszog, um die Mittelmeerwelt seinem Herrn zu Füßen zu legen, hat zweifellos als Pionier der schnell und mächtig wachsenden jungen Christenheit gewirkt. Dauer hat sein von ihm geplantes Werk nicht gehabt. Es ist in der breiten Flut frühchristlicher Mission untergegangen, in welcher auch die eigenwillige Stimme seiner Theologie verhallte.“ 1 Dies Urteil über „das Los des Paulus“ 2 begründet E. Käsemann unter anderem mit der Beobachtung: „Die Johannesapokalypse trägt keine Spuren dessen, daß Kleinasien dem Apostel Dank schuldet.“ 3 A. Lindemann, der Breite und Intensität der ältesten christlichen Paulusrezeption anders einschätzt und meint, „(d)ie weitaus meisten der vermutlich in Kleinasien entstandenen Schriften […] nehmen auf Paulus positiv Bezug und zeigen auch ein gewisses Bemühen um die Rezeption bzw. Tradition der paulinischen Theologie“, fügt gleichwohl hinzu: „Eine Ausnahme bildet lediglich die Apk, die von Paulus offenbar überhaupt nicht berührt ist.“ 4 Das Werk des Sehers, adressiert an Gemeinden in der Asia, im alten paulinischen Missionsgebiet und dessen Umfeld (vgl. 1,4.11) – wahrscheinlich auch in dieser Gegend entstanden –, erwähnt den Apostel nicht. Wie ist dieses Schweigen zu erklären? Indiziert es ein negatives Verhältnis des Apk-Autors zu Paulus und zum Paulinismus der Zeit? Oder aber trügt der nicht selten geäußerte Eindruck, die Apk zeige keine Spur paulinischer Tradition? | F.C. Baur sah in der Apk nicht nur ein „Zeugniss für die judaistische Reaction gegen das paulinische Christenthum“; sie richte sich zudem direkt gegen den Apostel als Urheber einer Lehre, aus der das z.B. in Apk 2,14.20 bekämpfte Christentum hervorgegangen sei. Deshalb werde Paulus in 21,14 aus dem Kreis der Apostel ausgeschlossen und in 2,2 zusammen mit seinen

Zuerst veröffentlicht in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 187–204. 1 E. KÄSEMANN, Paulus und der Frühkatholizismus, in: DERS., Exegetische Versuche und Besinnungen II, 31968, 239–252, 242. 2 A.a.O., 243. 3 A.a.O., 242; vgl. z.B. G. BORNKAMM, Paulus, UB 119, 1969, 102f. 4 A. LINDEMANN, Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, BHTh 58, 1979, 396.

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Gehilfen als Falschapostel etikettiert. 5 Einige der von Baur angeführten Beobachtungen spielen auch dann noch eine Rolle, wenn man sein Geschichtsbild nicht teilt und die Apk vorsichtiger der Richtung „eine(r) mehr oder weniger bewußte(n) Ignorierung oder Ablehnung des Paulus bzw. des zeitgenössischen Paulinismus“ zuweist. Der Verfasser übergehe Paulus, kenne „nur die zwölf Urapostel“ 6 und greife Irrlehrer an, die „nicht ganz unabhängig von den Nachwirkungen paulinischer Theologie“ 7 seien. Außerdem passe zur Ignorierung des Paulus die judenchristliche Herkunft des Johannes, der aus dem syrisch-palästinischen Raum in die Provinz Asia eingewandert sei und eschatologische, christologische sowie ekklesiologische Anschauungen vertrete, die sich von den dort vorherrschenden grundlegend unterschieden. 8 Dagegen finden andere Ausleger in der Apk durchaus bemerkenswerte Anklänge an paulinische Überlieferung, unterstellen ihrem Verfasser die Kenntnis mindestens von Teilen der literarischen Hinterlassenschaft des Apostels, 9 verweisen insbesondere auf die briefliche Rahmung des Werkes,| die die paulinische und deuteropaulinische Konvention aufnehme, 10 wollen 5 F.C. BAUR, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, 21860, 80–83, Zitat: 81. 6 U.B. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr., 1976, 82, ebd. beide Zitate; vgl. DERS., Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, 21995, 52, wo nur noch von „Ignorierung“ des Paulus die Rede ist. – Zur Deutung von 21,14 im Sinne einer Konzeption von zwölf Uraposteln s. die Einwände bei G. KLEIN, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee, FRLANT 77, 1961, 76–79. 7 MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 26. J. BECKER, Paulus. Der Apostel der Völker, 1989, 167: In Pergamon und Thyatira (Apk 2,12ff.18ff) „äußert sich paulinisches Christentum. Gegen dieses zieht mit judenchristlicher Position die Apk zu Felde.“ Vgl. noch K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, 21995, 585ff.595. 8 MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 46ff (allerdings weise die Apk daneben gewisse Übereinstimmungen mit Tendenzen des kleinasiatischen Christentums der Zeit auf: 15ff); DERS., Offb (s. Anm. 6), 49ff, bes. 52. BAUR, Christenthum (s. Anm. 5), 82, meinte, es sei die Absicht des Apostels Johannes (ihn hält er für den Autor der Apk und diese für eine der ältesten neutestamentlichen Schriften), „die Grundsätze des jerusalemischen Christenthums gegen die Uebergriffe des paulinischen aufrecht zu erhalten“. Zu einer ähnlichen Sicht wie der Müllers vgl. W. BAUER, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BHTh 10, 21964, 81f.87f; auch E. LOHSE, The Revelation of John and Pauline Theology, in: B.A. Pearson (Hg.), The Future of Early Christianity (FS H. Koester), 1991, 358–366, 365. 9 Vgl. die Auflistungen bei H.J. HOLTZMANN, Briefe und Offenbarung des Johannes, HNT 4/2, 2 1893, 308; R.H. CHARLES, The Revelation of St. John, ICC, (Nachdr.) 1985, Bd. 1, lxxxiiiff; A.E. BARNETT, Paul Becomes a Literary Influence, 1941, 41ff. 10 Z.B. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apokalypsis and Propheteia: Revelation in the Context of Early Christian Prophecy, in: DIES., The Book of Revelation: Justice and Judgment, 1985, 133– 156, 149f; DIES., The Quest for the Johannine School: The Book of Revelation and the Fourth Gospel, in: DIES., a.a.O. 85–113, 107; DIES., Das Buch der Offenbarung. Vision einer gerechten Welt, 1994, 60ff; differenzierter M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, 1986, 73–83. BERGER, Theolo-

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zeigen, daß es sich gut einfügen läßt in „the theological context of Asia Minor which was greatly determined by Pauline and post-Pauline theology“, 11 glauben starke Gemeinsamkeiten mit Paulus konstatieren zu müssen, dem Johannes insgesamt „sehr viel näher“ stehe „als gemeinhin gedacht“.12 Angesichts dieser unklaren Forschungslage 13 sollen im folgenden zunächst stichprobenartig einige der vermeintlich signifikanten Berührungen mit (deutero)paulinischen Werken und Anschauungen überprüft werden (I). Anschließend wird unter zwei Aspekten, dem einer aktuellen Auseinandersetzung (II) sowie dem des sachlichen Verhältnisses (III), der Frage nachgegangen, wie die eigenartige Stellung, die die Apk zum Apostel, seinem Werk und seinen Nachwirkungen einnimmt, zu erklären ist.

I Die briefliche Rahmung der Apk (1,4.5a; 22,21) zeigt zweifellos eine auffällige Nähe zur paulinischen und deuteropaulinischen Briefkonvention. Johannes übernimmt diese jedoch nicht ungebrochen, sondern modifiziert sie im einzelnen und schließt das Präskript mit einer – unpaulinischen, jedoch später belegten (vgl. 2Tim 4,18; 2Petr 3,18) – Christusdoxologie (1,5b.6) ab; vor allem ist eine deutlich andere Autorhaltung erkennbar: der Verfasser des Werkes tritt zurück, seine Funktion wird im wesentlichen auf die des Schreibers und Übermittlers reduziert 14 (vgl. 1,11.19 und die Schreibbefehle in den Sendschreiben 2,1.8 etc. sowie 14,13; 19,9; 21,5). Daß der Apk-Autor trotz dieser Neuakzentuierung auf die „paulinische“ Konvention zurück|greift, kann nach M. Karrer nur als Orientierung an den Adressaten verstanden werden: er wendet sich an paulinische Gemeinden. 15

giegeschichte (s. Anm. 7), 600 (vgl. 618), spricht von der Übernahme „des auch bei Paulus vorkommenden Briefformulars“ (Hervorhebung von mir). 11 SCHÜSSLER FIORENZA, Apokalypsis (s. Anm. 10), 151. 12 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 595 (dies gilt für Berger auch in chronologischer Hinsicht: er vertritt wieder die Frühdatierung der Apk in das Vierkaiserjahr 68/69 [a.a.O., 616– 618]; vgl. zur Datierung noch u. Anm. 75). 13 Vgl. KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 67; MÜLLER, Offb (s. Anm. 6), 389f. 14 Vgl. dazu die Einzelnachweise bei KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 73ff (Zusammenfassung: 82f, in Abgrenzung gegen die Sicht Schüssler Fiorenzas); ihm folgt U.B. MÜLLER, Apokalyptik im Neuen Testament, in: F.W. Horn (Hg.), Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments, BZNW 75, 1995, 144–169, 162. 15 KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 83. – Daß vor dem Briefschluß der Apk sich in 22,15ff eine „Auswertung der Abendmahlstradition“ findet, „die gemäß der paulinischen Formtradition am Briefende ihren sachgemäßen Platz hat (vgl. 1Kor 16,22)“, wie neben anderen auch Karrer (254) meint, dürfte kaum zutreffen (vgl. J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johannei-

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Doch ist – abgesehen davon, ob das in der Apk verwendete Briefformular von den kleinasiatischen Empfängern wirklich noch als „paulinisch“ und nicht eher als das inzwischen weithin übliche 16 (vgl. 1Petr) erkannt wurde – zumindest auch eine verfasserorientierte Erklärung keineswegs ausgeschlossen. Aufnahme und Umprägung können auf ein bewußtes SichAbsetzen von (paulinisch oder allgemein) Vertrautem weisen, zumal das vorgeschaltete Incipit – falls es vom Autor stammt – eine klare Leseanweisung für das Präskript gibt: Johannes bezeugt lediglich eine ihm kundgetane Offenbarung Christi (Gen. subj.), die dieser von Gott erhalten hat. 17 Sie ist demnach schon von ihrem Ursprung her jedem anderen Autoritätsanspruch überlegen. Jedenfalls, darin ist Karrer sicher zuzustimmen, wird man Präskript und Schlußgruß der Apk nicht als Ausdruck einer „besondere(n) theologische(n) Paulusnähe oder gar Paulusverehrung“ 18 werten dürfen. Von den drei Würdeprädikationen Christi in der Salutatio (1,5a) scheint die zweite (oJ prwtovtoko~ tw`n nekrw`n) „im Raum paulinisch bestimmter Theologie formuliert worden“ 19 zu sein, wie besonders Kol 1,18 nahelegt (vgl. sachlich 1Kor 15,20; außerdem Röm 8,29 sowie Apg 26,23 [im Munde | des lukanischen Paulus] 20 ). Wenn auch im Unterschied zum deuteropaulinischen Text (dort: ejk tw`n nekrw`n) vom Erstgeborenen hier zunächst nur als dem ersten einer Reihe anderer die Rede ist21 (und sich Apk 1,5a scher Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, 1989, 50–54). 16 Vgl. LOHSE, Revelation (s. Anm. 8), 363. 17 Die Selbstkennzeichnung der Apk (1,1init) mag terminologisch eine gewisse Vorgeschichte im paulinischen Bereich haben (Gebrauch des Nomens zur Bezeichnung einer Gnadengabe, vgl. 1Kor 14,6.26; so KARRER, Johannesoffenbarung [s. Anm. 10], 97f). Mit dem in Eph 1,17 geäußerten Wunsch, Gott möge den Adressaten den Geist der Weisheit und Offenbarung geben, berührt sich Apk 1,1 zwar in der Vorstellung, die ajpokavluyi~ sei von Gott gegeben (ihr Empfänger ist in der Apk jedoch zunächst Jesus Christus), ist aber von der dortigen Sicht deutlich u.a. dadurch geschieden, daß die Offenbarung – wie der in V. 1 geschilderte abgestufte Vermittlungsweg unterstreicht – allein über Johannes (und sein Werk) den Gläubigen zugänglich wird (zu KARRER, a.a.O., 98, der allerdings [ebd. Anm. 45] zu Recht die Deutung der Anfangsworte der Apk durch SCHÜSSLER FIORENZA abweist, die mit Bezug auf Gal 1,12.16 meint, Johannes habe so seine eigene prophetische Erfahrung ähnlich der Berufungserfahrung des Paulus charakterisieren wollen: Apokalypsis [s. Anm. 10], 150f). 18 KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 82. 19 E. SCHÜSSLER FIORENZA, Priester für Gott. Studien zum Herrschafts- und Priestermotiv in der Apokalypse, NTA NF 7, 1972, 202 (203: „Weiterbildung paulinischer Terminologie und Theologie“). Sogar A. JÜLICHER, Einleitung in das Neue Testament, 5+61906, 237, der nicht mit einer Kenntnis der paulinischen Literatur seitens des Apk-Autors rechnet, hält diesen Anklang „an die paulinische Ausdrucksweise“ für erwähnenswert. 20 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 596: „Die besondere Vorstellung vom Beginn der Auferstehung bei und mit Jesus teilen Paulus, Kol, die lukanischen Paulustraditionen und die ApkJoh.“ Er hält Apg 26,23 für die traditionsgeschichtlich älteste Stufe (ebd.), doch dürfte das schwerlich zutreffen. 21 Vgl. E. SCHWEIZER, Der Brief an die Kolosser, EKK (12), 1976, 63f.

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insofern enger mit 1Kor 15,20 berührt: „Erstling der Entschlafenen“), wird doch ähnlich wie in Kol 1,18 die herrschaftliche Stellung Christi betont.22 Freilich kommt dieser Aspekt in der Apk erst in der Fortführung durch die dritte Prädikation („und der Herrscher über die Könige der Erde“) voll zum Zuge. Diese Abfolge der Titel aber ist offenkundig durch Ps 88,28 LXX beeinflußt; ebenso spielt wohl bereits der erstgenannte Titel („treuer Zeuge“) auf V. 38 dieses Psalms an. 23 Johannes hat die alttestamentlichen Aussagen abgewandelt, die erste und die dritte Prädikation ganz seinem eigenen theologischen Konzept angepasst. 24 Deshalb kann es sich bei der mittleren durchaus um eine „selbständige Formulierung“25 des Apk-Verfassers handeln, der den „Erstgeborenen“ im Psalmwort zum Erstgeborenen tw`n nekrw`n umformt. Auf diese Weise unterstreicht er diejenige Bedeutung der Auferstehung Christi für die der Toten, die er dann in der Selbstprädikation Christi (Apk 1,18) zur Sprache bringt: dieser war tot, ist nun der in alle Ewigkeiten Lebendige und besitzt als solcher die Schlüssel zum Tod und zum Hades. In Apk 20,4–6 ist von der „ersten Auferstehung“ die Rede, an der nicht alle Toten, sondern nur Märtyrer teilhaben; sie werden zusammen mit Christus tausend Jahre herrschen, nachdem zuvor die irdische Gegenmacht vernichtet (19,19ff) und der hinter ihr stehende Drache in Fesseln geschlagen worden ist (20,1–3). Für K. Berger zeigt dies: „Der ‚Erstling der Auferstandenen‘ 1Kor 15,20f hat damit in Apk 20,4–5 gewissermaßen Brüder und Mitregenten bekommen“, und er hält es im Gegenzug für „legitim, die Auferstehung Jesu nach 1Kor 15,20f; Kol 1,18 als ‚erste Auferstehung‘ zu be|zeichnen“. 26 Doch wird so eine Verbindung zu den (deutero)paulinischen Belegen konstruiert, die durch den Apk-Text nicht gedeckt ist. Hier wird nämlich kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Christus als dem prwtovtoko~ tw`n nekrw`n (1,5) und der ajnavstasi~ hJ prwvth hergestellt; vielmehr ist diese mittels ihrer näheren Kennzeichnung als „die erste“ von 22 Vgl. M. WOLTER, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, ÖTBK 12, 1993, 84; BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 596. 23 Zum alttestamentlichen Bezug vgl. J. FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation. Visionary Antecedents and their Development, JSNTS 93, 1994, 110–112, und die dort genannte Literatur. 24 Das hat umfassend SCHÜSSLER FIORENZA, Priester (s. Anm. 19), 198ff.237ff, gezeigt. 25 W. MICHAELIS, Art. prw`to~ ktl., ThWNT VI, 866–883, 879, 17; SCHÜSSLER FIORENZA, Priester (s. Anm. 19), 248. Beide rechnen nicht mit einer Übernahme aus Kol 1,18. Zu einer vermeintlichen Verbindung zwischen diesem Text und Apk 3,14 (Christus als „Anfang der Schöpfung Gottes“) vgl. T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, 21971, 146f; MÜLLER, Offb (s. Anm. 6), 135f. 26 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 597, der allerdings ebd. auch zugesteht: „Die Art der Beziehung des Erstgeborenen zu den anderen ist jeweils sehr verschieden.“ – Die Wendung „Erstling der Auferstandenen“ bei Berger ist offenbar durch eine Kombination der Aussagen in 1Kor 15,20+21 gewonnen.

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der später stattfindenden allgemeinen Totenauferstehung zum Gericht abgesetzt (20,11ff), die auch treugebliebene, im Lebensbuch (des Lammes: zu V. 12.15 vgl. 13,8; 21,27) verzeichnete Christen einschließt27 und ihrerseits wiederum an die – sachlich auf 1,5 zurückweisende (s.o.) – Vorstellung von 1,18 anknüpft: Tod und Hades geben die Toten heraus (20,13). Ob Johannes in der dem Präskript angefügten, ungewöhnlich breiten Christusdoxologie (1,5b.6) auf einen bekenntnishaften Tauflobpreis zurückgreift, den er lediglich leicht abwandelt, ist umstritten. Vermutlich wird man eher damit rechnen müssen, daß der Autor in der dreifachen Kennzeichnung des Werkes Christi (V. 5b.6a) Einzeltraditionen zusammenfügt, die einen Bezug zur Taufe haben können, ohne eindeutig in diese Richtung zu weisen. 28 Für die ersten beiden Tatprädikationen finden sich gewisse Entsprechungen im paulinischen Bereich. Die Rede von der Liebe Christi erinnert – in einer als ursprünglich postulierten und von Johannes dann präsentisch abgeänderten Aoristform – an Gal 2,20; Eph 5,25 (vgl. 2,4; 2Thess 2,16), ist jedoch auch „johanneisch“ belegt. 29 Die anschließende Darstellung der Heilstat Christi als Befreiung von den Sünden durch sein Blut hat in ihrer konkreten Formulierung keine neutestamentliche Parallele (vgl. am ehesten noch in der vorpaulinischen Formel Röm 3,25, aus der Abendmahlsüberlieferung Mt 26,28); knüpft diese Deutung des Sterbens Jesu gleichwohl „an ein speziell im paulinischen Einflußbereich aufweisbares theologisches Motiv an“, 30 ist sofort hinzuzufügen, daß die Sicht der Befrei|ung von den Sünden in der Apk mit der bei Paulus selbst nicht übereinstimmt. 31 An anderer Stelle greift Johannes explizit den Gedanken des Loskaufs auf, für den er wie Paulus (und 2Petr 2,1) das Verb ajgoravzein verwendet (Apk 5,9; 14,3f; 1Kor 6,20; 7,23; vgl. das Kompositum in Gal 3,13; 4,5). 32 Die dritte Tatprädikation schließlich (Apk 1,6a; vgl. 5,10 nach 27 Zum Verständnis der beiden Szenen 20,4ff.11ff vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 15), 163ff. 28 Mit KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 110–112, dessen Einwände gegen die These von P. V.D. OSTEN-SACKEN, „Christologie, Taufe, Homologie“ – Ein Beitrag zu Apc Joh 1,5f., ZNW 58, 1967, 255–266, und deren weitgehende Aufnahme durch SCHÜSSLER FIORENZA, Priester (s. Anm. 19), 203ff, überzeugen. 29 E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, 31970, 11; KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 112; G. STRECKER, Theologie des Neuen Testaments (bearb., erg. und hg. von F.W. Horn), 1996, 554; sie nennen Joh 13,1.34; 14,21; 15,9.12; doch vgl. noch HOLTZ, Christologie (s. Anm. 25), 69f, der von der folgenden Tatprädikation her urteilt. 30 J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, 1984, 34. STRECKER, ebd., verweist zudem auf die johanneische Überlieferung (z.B. 1Joh 3,5.9). 31 Vgl. ROLOFF, ebd.; SCHÜSSLER FIORENZA, Priester (s. Anm. 19), 219f; KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 113. 32 Diese Gemeinsamkeit hebt BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 601f, hervor. Zum Loskaufgedanken und seinen Ausdrucksformen vgl. G. BARTH, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, 1992, 71ff.

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V. 9), die den neuen Status beschreibt, in den die Christen versetzt sind, basiert auf der – vom Apk-Autor stark umakzentuierten 33 – Verheißung von Ex 19,6, die ebenfalls 1Petr 2,9 zugrunde liegt. Die erwähnten, aus alttestamentlicher und christlicher Überlieferung stammenden Prädikationen Christi in der Salutatio und in der den gemeinsamen Glauben, den gegenwärtigen Heilsstand, formulierenden Doxologie werden auch Adressaten im Umfeld paulinischer Tradition „verständlich“ 34 gewesen sein, doch sicher nicht nur diesen. Erst recht ist daraus nicht eine auffällige Affinität des Autors zum paulinischen Traditionsbereich abzuleiten. Das gilt ebenso für andere gemeinsame Elemente, von denen beispielhaft noch zwei angesprochen seien. „Nur bei Paulus (sc. 2Kor 11,2; vgl. noch Eph 5,31f) und in Apk (sc. 19,7–9; 21,2.9; 22,17), nie zuvor im Alten Testament oder im Judentum, gibt es die Vorstellung von der Heilsgemeinde als Braut.“ 35 Diese zunächst – läßt man terminologische Differenzen beiseite – beeindruckende Beobachtung verliert an Aussagekraft, sobald man wahrnimmt, daß doch wesentliche Bausteine der von Johannes ausgearbeiteten Konzeption der Heilsgemeinde als Frau/Braut bzw. Stadt/neues Jerusalem alttestamentlich und frühjüdisch bereitlagen36 (nicht in gleicher Weise aller|dings beim Element der Hochzeit), weiterhin schon zuvor im johanneischen Bereich das Brautmotiv im Blick auf die, die sich Jesus zuwenden, anklingt (Joh 3,29) 37 und außerdem die Braut in der Apk als Gegenbild zur Hure Babylon (Kap. 17f) entworfen ist. 33 Dazu vgl. SCHÜSSLER FIORENZA, Priester (s. Anm. 19), 222ff (zur Aufnahme von Ex 19,6 in außerneutestamentlichen Interpretationstexten: 90ff), sowie im einzelnen anders urteilend KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 113ff, dessen Vermutung (116), Johannes schließe sich mit der basileiva-Vorstellung in 1,6a an eine präsentisch-räumliche Traditionsentwicklung (wie Kol 1,13; dort aber: Herrschaftsbereich des Christus) an, zu weit gehen dürfte. Daß in der Apk auch von der basileiva Christi die Rede ist (11,15), deutet noch nicht auf eine – den ApkText mit 1Petr 2,4+5 verbindende – „ausgeprägte Gleichförmigkeit zwischen Christus und Christen“, wie BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 605, meint, da es hier in 1,6 (und 5,10) betont um die Eingliederung in den Herrschaftsbereich Gottes geht. 34 KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 112. 35 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 598 (die Stellenangaben stammen von mir), vgl. 607f. 36 Zum alttestamentlichen (bes. Jes 61,10) und frühjüdischen Hintergrund vgl. FEKKES, Isaiah (s. Anm. 23), 231ff (235f Anm. 29 zum Text von 4Esr 7,26); O. BÖCHER, Israel und die Kirche in der Johannesapokalypse, in: DERS., Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, 1983, 28–57, 33f (34 Anm. 28 zu 4Esr 7,26; dazu auch A. KAMINKA, Beiträge zur Erklärung der Esra-Apokalypse und zur Rekonstruktion ihres hebräischen Urtextes, MGWJ 76, 1932, 121–138, 133f). 37 Vgl. J. BECKER, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1–10, ÖTBK 4/1, 31991, 183f; J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. HENGEL, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, WUNT 67, 1993, 326– 429), 384 Anm. 354. Anders BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 615, mit der Begründung: „auch die synoptischen Evangelien kennen den Bräutigam, jedoch noch nicht die Braut“; der Textzusammenhang Joh 3,22ff wird bei ihm aber nicht hinreichend gewürdigt.

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Die sich auf 2Kor 1,20 und Apk 3,14; 22,20 stützende Feststellung, „Paulus und ApkJoh legen in exklusiver Gemeinsamkeit Jes 65,16 (Amen) christologisch aus“, 38 stellt eine Nähe zwischen den jeweiligen Texten her, die so nicht gegeben ist. Paulus begegnet dem Vorwurf, er sei leichtfertig gewesen (2Kor 1,15ff), mit dem Hinweis auf die Zuverlässigkeit seiner Verkündigung, die der Treue Gottes (V. 18), verkörpert im Sohn Gottes (V. 19), korrespondiert. Denn für die ejpaggelivai Gottes gilt: in Christus (ejn aujtw/, V. 20a; vgl. V. 19b) das Ja. Dies anerkennen die Glaubenden (oder die Verkündiger) 39 durch ihr bestätigendes Amen (V. 20b). Das durch das wiederholte „Ja“ und „Nein“ in V. 17–19 vorbereitete „Ja“ in Christus mag Paulus an das traditionelle Amen der Liturgie (vgl. 1Kor 14,16) erinnert haben; ob bei seinen Adressaten ähnliche Assoziationen geweckt wurden, ist fraglich. 40 Den Text aber als christologische Auslegung von Jes 65,16 anzusehen, ist alles andere als überzeugend. Ebensowenig kann Apk 22,20 in seinem engeren Kontext für eine solche Sicht in Anspruch genommen werden. Jesus, der das vorliegende, von Johannes geschriebene Buch bezeugt, 41 sichert zu: „Ja, ich komme bald“ (V. 20a). Mit seinem naiv beantwortet er die flehentliche Bitte der Gemeinde (22,17: „Komm!“) und bestärkt so die Glaubenden. Auf diese Parusieankündigung des Herrn reagiert die Gemeinde (oder für sie sprechend Johannes) mit einem responsorischen „Amen“ (vgl. 5,14; 7,12; 19,4) | und wiederholt das Anliegen (22,20b), weil die Erfüllung des Zugesagten weiterhin aussteht. Durch den bloßen Bezug des Amens auf das Ja Jesu wird die gebräuchliche liturgische Formel noch nicht christologisch befrachtet. 42 Anders verhält es sich allerdings in Apk 3,14. Die Selbstbezeichnung Jesu in der Botenformel des nach Laodicea gerichteten Sendschreibens als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge“ nimmt in ihrem ersten Teil eine Gottesprädikation aus Jes 65,16 auf, 43 in ihrem zweiten Teil eine der bereits in 1,5a verwendeten Titelprädikationen (vgl. 3,7), die im jetzigen Zusammenhang das Amen zu erläutern bzw. zu bekräftigen scheint. Hier wird im Rahmen der Apk-Tendenz, auch Got38

BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 600. So deutet wieder C. WOLFF, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 8, 1989, 36 mit Anm. 43, das „durch uns“ (V. 20fin). 40 Vgl. V.P. FURNISH, II Corinthians, AncB 32A, 1984, 147 (der ebd. im Anschluß an W. THÜSING, Per Christum in Deum. Studien zum Verhältnis von Christozentrik und Theozentrik in den paulinischen Hauptbriefen, NTA NF 1, 1965, 179f, festhält: „Paul does not say that Christ is the ‚Yes.‘“). BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 600, hingegen meint, mit einer gebräuchlichen Formel werde eine Assoziation verknüpft: „Beim Amen denken wir fortan an die Rolle Jesu Christi.“ 41 Vgl. MÜLLER, Offb (s. Anm. 6), 372; das ist auch der Fall, wenn sich tau`ta (V. 20a) zunächst auf V. 18f zurückbezieht und der dort Bezeugende ebenfalls Jesus ist. 42 Gegen BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 600, der auch dem primären Antwortcharakter des Ja im Munde Jesu nicht Rechnung trägt. 43 Vgl. FEKKES, Isaiah (s. Anm. 23), 137–140, und die dort genannte Literatur. 39

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tesnamen auf Jesus zu übertragen, 44 die alttestamentliche Stelle tatsächlich christologisch ausgelegt und der (der Apk eigene) Titel des „Zeugen“ damit verbunden. Ein Blick auf weitere in der Literatur als notierenswert erwähnte Berührungspunkte zwischen der Apk und (deutero)paulinischer Tradition 45 würde am bislang gewonnenen Bild kaum etwas ändern und könnte im günstigsten Fall nur den von U. Vanni in seinem Forschungsbericht zur Apk formulierten Eindruck bestätigen: „Si le milieu géographique identique suggère une homogénéité spécialement avec Paul et Jean, par contre les points de contact authentiques sont plutôt sporadiques“. 46 Vor allem lassen sich solche Berührungspunkte – mit Ausnahme vielleicht der brieflichen Rahmung – nicht im Sinne einer bewußten Stellungnahme des Apk-Autors zu Paulus bzw. zum paulinischen Erbe interpretieren. So unwahrscheinlich es ist, daß dem mit Gemeinden in der Asia verbundenen Verfasser jede Kenntnis der Person und der Theologie des Paulus fehlte, so deutlich ist doch, daß er von solcher Kenntnis – welches Ausmaß sie auch immer gehabt haben mag – in nennenswertem Umfang keinen Gebrauch machte.

II Nun vermuten nicht wenige Exegeten, der Apk-Autor bekämpfe in den Sendschreiben christliche Gruppen, bei denen (vergröberte bzw. einseitig | radikalisierte) paulinische Theologie nachwirke; zumindest verträten sie eine ähnliche Position wie die, mit der sich bereits Paulus auseinanderzusetzen hatte. 47 Der gegen die Bileamiten/Nikolaiten (2,14f; vgl. V. 6) sowie die sich eine Prophetin nennende Isebel (V. 20) erhobene Vorwurf, sie lehrten fagei`n eijdwlovquta kai; porneu`sai (2,14; in V. 20 in umgekehrter Reihenfolge; vgl. noch V. 21f), 48 erinnert hinsichtlich des Essens 44

Einen Überblick bietet MÜLLER, Offb (s. Anm. 6), 56f. Vgl. o. Anm. 9 und bei BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 595ff. 46 U. VANNI, L’Apocalypse johannique. État de la question, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, 1980, 21– 46, 32. Entschiedener urteilt LOHSE, Revelation (s. Anm. 8), 365: „no explicit traces of Pauline theology are found in the book of Revelation“. 47 Vgl. außer den o. in Anm. 5 und 7 Genannten z.B. F.E.A. SIEFFERT, Art. Nicolaiten, RE3 14, 1904, 63–68, 65; E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic and Gnosis in Revelation and in Paul, in: DIES., The Book of Revelation (s. Anm. 10), 114–132; R. HEILIGENTHAL, Wer waren die „Nikolaiten“? Ein Beitrag zur Theologiegeschichte des frühen Christentums, ZNW 82, 1991, 133–137, 137; BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 585f. 48 Das Unzuchttreiben ist doch wohl im übertragenen Sinne gemeint und sachlich mit dem Essen von Götzenopferfleisch gleichbedeutend (Glaubensabfall, Sich-Einlassen auf die heidnische 45

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von Götzenopferfleisch an die Anschauung, die in Korinth von den „Starken“ verfochten, von Paulus zwar grundsätzlich geteilt, aber mit Rücksicht auf das Gewissen der Anstoßnehmenden kritisch relativiert wurde (1Kor 8; 10). In Korinth berief man sich für diese Praxis auf Erkenntnis (8,1ff). Auch Isebel und ihre Anhänger behaupten, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben (Apk 2,24). Zumeist sieht man in dieser Kennzeichnung der gegnerischen Lehre eine auf Johannes zurückgehende polemische Umformulierung (vgl. 2,9; 3,9: Synagoge des Satans) der eigentlich reklamierten Erkenntnis der Tiefen Gottes, von der Paulus in 1Kor 2,10 spricht. 49 Doch diese Deutung dürfte kaum zutreffen; denn immer sonst in den Sendschreiben, wo Johannes auf eine Selbstcharakterisierung anderer verweist, zitiert er den tatsächlich vorgebrachten Anspruch, selbst wenn er ihn direkt oder indirekt bestreitet (vgl. Apk 2,2b zu den „Aposteln“, 2,9b; 3,9a zu den „Juden“; 2,20 zur „Prophetin“ Isebel). Man wird demnach damit rechnen müssen, daß die Prophetin und ihr Kreis eine tiefgehende Erkenntnis des Satans für sich beanspruchten 50 und daraus ein Überlegenheitsbewußtsein über das IrdischWeltliche ableiteten, das es ihnen ermöglichte, so unbefangen inmitten der römisch-hellenistischen Gesellschaft zu leben, wie sie es tun. Ihnen gegenüber verpflichtet Johannes die Gemeinde(n) auch nicht – wie | man in der Regel meint 2,24cf entnehmen zu sollen 51 – auf das (in seinem Umfang freilich reduzierte) sog. Aposteldekret (Apg 15,28f) und insofern auf eine die freiere paulinische Praxis zurückdrängende judenchristliche Position. Nichts nötigt dazu, das Apg 15,28 und Apk 2,24 gemeinsame Stichwort bavro~ hier als Bezeichnung einer Gesetzeslast zu verstehen. Einer solchen Deutung widerrät zudem der Anschluß in V. 25 (plh;n o{ e[cete krathvsate a[cri~ ou| a]n h{xw), weil die Aufforderung an „die übrigen in Thyatira“ (V. 24), das festzuhalten, was sie haben, nicht zum Einhalten eines unverzichtbaren Minimums an gesetzlichen Bestimmungen mahnt, sondern in Erwartung der Parusie Christi zum Bewahren Gesellschaft), vgl. H. RÄISÄNEN, The Clash Between Christian Styles of Life in the Book of Revelation, in: D. Hellholm u.a. (Hg.), Mighty Minorities? (FS J. Jervell), StTh 49, 1995, 151– 166, 156–158; H. GIESEN, Ermutigung zur Glaubenstreue in schwerer Zeit. Zum Zweck der Johannesoffenbarung, TThZ 105, 1996, 61–76, 70–72. 49 So SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic (s. Anm. 47), 116f.119; MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 22f; BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 585; RÄISÄNEN, Clash (s. Anm. 48), 158, und viele andere. 50 Ein solcher Anspruch ist gerade nicht mit einem Satanskult gleichzusetzen (zu dem Einwand bei MÜLLER, ebd. Anm. 25; RÄISÄNEN, ebd.). Im Sinne des Johannes handelt es sich freilich um eine bloß vermeintliche Erkenntnis des Satans mit sich daraus ergebenden falschen Konsequenzen (vgl. dazu im Abschnitt III zu Apk 12f). 51 So z.B. CHARLES, Revelation (s. Anm. 9), 74; MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 17–21; BECKER, Paulus (s. Anm. 7), 104; H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib. 73, 1992, 153–182, 167; RÄISÄNEN, Clash (s. Anm. 48), 156.

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des Heilsstandes (vgl. bes. die sachlich parallele Aussage 3,11), 52 zur Fortführung eines diesem adäquaten Lebens (vgl. 2,19.23b.26a). Nicht bloß das Wirken einer gegnerischen Gruppe in den Gemeinden, die Gemeinden insgesamt rügt der Seher in den Schreiben nach Sardes (3,1ff), wo vom Tadel nur einige wenige ausgenommen werden (V. 4), und nach Laodicea (V. 14ff). Die Christen in Sardes, die in dem Ruf stehen zu leben, sind in Wahrheit tot (3,1); diejenigen in Laodicea, die von sich behaupten, reich zu sein, reich geworden zu sein und nichts weiter zu bedürfen, erliegen einer Selbsttäuschung (3,17). Vermeintlich ungefährdeter Lebensbesitz (dagegen: V. 3.5) und illusionäres Vollendungsbewußtsein (dagegen: V. 17b–20) können auf ein enthusiastisches Denken schließen lassen, das dem von Paulus in 1Kor 4,8 ironisch kritisierten gleicht. 53 Es ist also die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die Fehlentwicklung in diesen beiden Gemeinden und die Lehre (Apk 2,14f.20.24) der an anderen Orten aktiven Gegner, deren nähere Kennzeichnung als Gnostiker sich nicht empfiehlt, 54 | auf dem Boden eines ursprünglich paulinisch geprägten Christentums entstanden sind. Johannes würde sich dann auf seine eigene Art mit nachpaulinischen Strömungen auseinandersetzen, wie es in jeweils anderer Weise wahrscheinlich in den Past, im 1Petr, und vielleicht im Jud geschieht. 55 Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse mag es verständlich erscheinen, daß sich der Apk-Autor nicht auf Paulus und paulinische Tradition bezieht. (Ein solcher Erklärungsversuch wäre zumindest der schwer beleg52 Dieser Vers widerlegt die Auffassung, krath`sai (2,25) könne „nur auf das Festhalten an gesetzlichen Bestimmungen gedeutet werden“ (W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, 1966 [= KEK 16, 61906], 221). – Gegen eine Anspielung auf das Aposteldekret: ROLOFF, Offb (s. Anm. 30), 57f; KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 201f. Unausgeglichen erscheinen die diesbezüglichen Urteile bei BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7): nach der Apk gelte für die Heidenchristen das sog. Aposteldekret (86), sie beziehe sich aber nicht auf dieses, wenngleich es ihrem Verfasser geläufig gewesen sein könne (586), der Teile des Dekrets wieder einführe (622). 53 Vgl. SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic (s. Anm. 47), 119f; MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 39f; DERS., Offb (s. Anm. 6), 125.136. 54 So zu Recht U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, 1994, 603; GIESEN, Ermutigung (s. Anm. 48), 68f. Allenfalls läßt sich mit KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 51), 169, sagen: „ein nachpaulinisches Christentum mit manchen Zügen, die zur späteren Gnosis hin tendieren“. 55 Zu den Gegnern in den Past vgl. MÜLLER, Theologiegeschichte (s. Anm. 6), 67ff; J. ROLOFF, Der erste Brief an Timotheus, EKK 15, 1988, 228ff (die in der Apk erwähnten Irrlehrer seien „weitgehend“ mit ihnen „identisch“ [238]); gegen eine Deutung des Konflikts als Kontroverse innerhalb des paulinischen Christentums spricht sich M. WOLTER, Die Pastoralbriefe als Paulustradition, FRLANT 146, 1988, 264f, aus; zur kritischen Auseinandersetzung mit nachpaulinischer Tradition im 1Petr vgl. A. REICHERT, Eine urchristliche praeparatio ad martyrium. Studien zur Komposition, Traditionsgeschichte und Theologie des 1. Petrusbriefes, BET 22, 1989, 500ff.557ff; zu den Gegnern im Jud vgl. G. SELLIN, Die Häretiker des Judasbriefes, ZNW 77, 1986, 206–225, 224f. Die geographische Zuordnung der Past und des Jud bleibt unsicher; SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 54), denkt in beiden Fällen an Kleinasien (383f.477).

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baren Vermutung vorzuziehen, von einem spezifisch paulinischen Einfluß sei in der Apk deshalb nichts zu spüren, weil die kleinasiatischen Gemeinden inzwischen durch Zuwanderung palästinischer Christen ihren ehemals paulinischen Charakter verloren hätten und in dem Überlieferungsbereich, dem Johannes entstamme, Name und Theologie des Apostels „nearly unknown“ gewesen seien.) 56 Doch auch abseits eines aktuellen Konflikts mit möglicherweise „paulinisch“ inspirierten Christen mußte der Seher Paulus und dem Paulinismus der Zeit reserviert gegenüberstehen. Denn beim Kampf gegen den Einfluß der in Ephesus bislang zwar abgelehnten (2,6), in Pergamon jedoch noch tätigen (V. 14f) und in Thyatira recht erfolgreichen (V. 24) Gruppen geht es um die Frage, inwieweit Glaubende sich auf die heidnische Gesellschaft einlassen dürfen; aus diesem Grunde ist der Verfasser vor allem darum bemüht, seinen Adressaten zu enthüllen, wes Geistes Kind diese Gesellschaft ist.

III Die Kritik des Johannes gilt nicht in erster Linie den Irrlehrergruppen selbst (in der Vergangenheit hat er vergeblich versucht, auf die Prophetin einzuwirken [2,21]), sondern den Gemeinden, die diesen Leuten Raum geben, sie gewähren lassen (2,14–16.20.22; vgl. die Anerkennung V. 2.6). Eigenartigerweise werden sie in solchen Gemeinden geduldet, denen der Seher vorab ei|ne bewährte und bewahrte Glaubenstreue bescheinigt (2,13.19; vgl. dagegen 3,1–3.15ff). Offenkundig ist diesen Adressaten, die der Praxis ihrer Glaubensgenossen nicht Einhalt gebieten, keineswegs bewußt, daß sie damit ihre christliche Identität gefährden. Das weist – ungeachtet des längere Zeit zurückliegenden Einzelschicksals des Antipas (2,13) und zu erwartender begrenzter lokaler Bedrängnisse (V. 10) – auf ein relativ entspanntes Verhältnis zum sozialen Umfeld, das den Glaubenden nicht, wie es ein verbreitetes Interpretationsmuster voraussetzte, als ein aggressives teuflisches System entgegentritt. 57 Weil keine notvolle Krisensituation wahrge56

LOHSE, Revelation (s. Anm. 8), 365. Bei der Rekonstruktion des zeitgeschichtlichen Hintergrundes der Apk wird in der neueren Literatur außerdem zu Recht betont, daß von einer Christenverfolgung in Kleinasien im letzten Drittel des ersten Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende nicht die Rede sein kann; allenfalls hat es vereinzelte Übergriffe gegeben. Auch vor einer Überbetonung des Kaiserkults in diesem Zusammenhang ist zu warnen; vgl. KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 51), 164; J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: W. Kurz u.a. (Hg.), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS M. Greschat), 1994, 293–311, hier 293–303 (in diesem Bd. S. 105–113); GIESEN, Ermutigung (s. Anm. 48), 61–67; J. ULRICH, Euseb, 57

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nommen wird, toleriert man in Pergamon und Thyatira das – nach Auffassung des Sehers – von Christus Gehaßte (V. 6). Die wiederholte Feststellung, die Gemeinde in Pergamon wohne dort, wo der Thron des Satans stehe bzw. auch der Satan wohne (V. 13), werten viele Ausleger als Hinweis darauf, warum Antipas den Tod fand: er habe den Kaiserkult verweigert. Aber über die Umstände des Martyriums ist dem Sendschreiben nichts zu entnehmen. 58 Eher drängt sich der Eindruck auf, der Autor wolle der Gemeinde überhaupt erst deutlich machen, in welcher Nachbarschaft sie lebt. Da ihre Stadt Residenz des Prokonsuls und religiöses Zentrum der Provinz ist, 59 bedarf sie sicher nicht der Erinnerung, in einer Hochburg heidnischer Kulte einschließlich des Kaiserkults zu Hause zu sein; daß jedoch die gerade in Pergamon so augenfällige Verbindung von politischem System und Religion satanisch ist, glaubt Johannes ihr trotz ihrer erwiesenen Unbeugsamkeit einschärfen zu müssen. Für die in den Sendschreiben vom Autor als Sprachrohr Christi gefällten Urteile liefert der breitangelegte apokalyptische Visionsteil die Begründung | nach; er gewährt einen Blick hinter die Kulissen, zeigt, was nicht vor Augen liegt. Im hier interessierenden Zusammenhang sind vor allem die vom Satan, der Bestie und der Hure handelnden Passagen heranzuziehen. In Apk 12f bietet Johannes die 2,24 entgegengesetzte angemessene Tiefenschau des Satans, der den ganzen Erdkreis verführt (12,9). Im Himmel zwar längst entmachtet (V. 7ff), ist er irdisch der Feind all jener, die die Gebote Gottes bewahren und das Zeugnis Jesu haben (V. 17). Ihn besiegt nur, wer sich unerschrocken zur Heilstat Christi bekennt (V. 11).60 In welcher Form der Gegner in Erscheinung tritt und den Glaubenden begegnet, entfaltet Apk 13: Gegen die Christen kämpft die vom Drachen/Satan abhängige Bestie, das siegreich überlegene Imperium (V. 7a), das seinen im Kaiserkult gipfelnden Anspruch erfolgreich durchsetzt (V. 3bf.7bf; vgl. V. 12.14.16). Religiöse Verehrung empfängt es (V. 4) wie sein Exponent von denen, die

HistEccl III, 14–20 und die Frage nach der Christenverfolgung unter Domitian, ZNW 87, 1996, 269–289, bes. 277 Anm. 26.286f. 58 Es gibt keinen Grund, den Todesfall mit dem Kaiserkult in Verbindung zu bringen (L.L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, 1990, 173; anders z.B. KLAUCK, Sendschreiben [s. Anm. 51], 160–164), auch nicht von Apk 13 her, denn die dortige Vision bildet (etwa in V. 7a.15b) nicht die Alltagsrealität ab, sondern interpretiert sie im Sinne des Sehers (vgl. u. im Text bei Anm. 70f zu Apk 17,6). 59 Unklar ist, ob Pergamon zur Zeit der Apk auch noch Provinzhauptstadt war; zur Strukturierung des öffentlichen Raumes dieser Stadt durch den Herrscher- und Kaiserkult sowie zu anderen Kulten und Heiligtümern vgl. die Angaben bei KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 51), 157ff. 60 Zum Verständnis von 12,11 vgl. J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85, 1994, 23–46, 36f (in diesem Bd. S. 94f).

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nicht im Lebensbuch des Lammes verzeichnet sind (V. 8),61 also nach 3,5 keinesfalls von jenen treuen Gemeindegliedern, die den in den Sendschreiben formulierten Kriterien genügen; allein bei ihnen kommt der dem Tier zuarbeitende Pseudoprophet (vgl. 16,13; 19,20; 20,10) mit seinem Täuschungsmanöver (13,14) nicht zum Ziel (vgl. V. 9f). Mag die Bestie in manchen Zügen dem Christuslamm auch fast zum Verwechseln ähnlich erscheinen (V. 3f.7b.11f.14fin), beide sind doch unvereinbar. Wie eingeschobene Hinweise unterstreichen (13,10c; 14,12), ist die uJpomonhv gefordert und die pivsti~ betroffen (die kaum zufällig sonst nur in den Sendschreiben nach Pergamon und Thyatira erwähnt wird: 2,13.19), wenn es gilt, dem gesellschaftlichen Anpassungsdruck nicht nachzugeben und so dem Gericht Gottes (14,7.10f) zu entgehen. Die Entlarvung des satanischen Wesens des Imperiums in Apk 12f ist Teil einer bereits in den Sendschreiben erkennbaren Aufklärungsstrategie des Sehers, die in Apk 17f mit der Vision der Hure Babylon und der indirekten Schilderung ihrer Vernichtung fortgesetzt wird. Eindringlicher als in Apk 13 kommt nun der schier unwiderstehliche, der verhängnisvoll verführerische Zauber zur Sprache, den Rom 62 auf „alle“ ausübt (17,2.4; 18,3.23); zu|gleich wird die hintergründige Beziehung der „großen Stadt“ (17,18; 18,10 u.ö.) zur Bestie aus Apk 13, dem irdisch wirkenden Satan, aufgedeckt (17,3.7ff). Der Untergang der Hure, das an ihr vollzogene gerechte Gericht Gottes (18,8; 19,2), bringt ans Licht, daß das ganze System bis in seine letzten Verästelungen hinein gottlos ist (18,9ff); sich auf dieses einzulassen heißt, Unzucht zu treiben (17,2; 18,3; 19,2 u.ö.; vgl. 2,14.20f). In Anbetracht der von Johannes vorgetragenen Gesellschaftsanalyse ist es nur folgerichtig, wenn eine Himmelsstimme auffordert (18,4): „Zieht fort aus ihr (sc. Babylon, die Große [V. 2]), mein Volk, damit ihr nicht teilhabt an ihren Sünden und damit ihr nicht empfangt von ihren Plagen“. H.-J. Klauck sieht hier das „Hauptanliegen“ des Verfassers „prägnant“ artikuliert und schließt aus dem „Zieht fort!“ zu Recht: „Das ist auch allen Christen gesagt, die einen kompromißbereiteren Kurs gegenüber der heidnischen Stadtgesellschaft steuern wollten. Was bleibt in einer Stadt wie Pergamon als Option 61 Daß in Apk 13 das Tier das Römische Reich verkörpert, kann als gesichert gelten (vgl. nur MÜLLER, Offb [s. Anm. 6], 247ff); in V. 3.8.12.14.18 wird es (zum Teil indirekt) mit einem Herrscher identifiziert, in dem es seinen letztgültigen Ausdruck findet. Der Tempuswechsel in V. 8 (Futur) deutet nach und neben V. 4 deshalb nicht auf eine erst noch zu erwartende Entwicklung (vgl. TAEGER, Streitschrift [s. Anm. 57], 303f [= S. 114]), sowenig V. 9f bloß die Zukunft im Blick hat. 62 M. RISSI, Die Hure Babylon und die Verführung der Heiligen. Eine Studie zur Apokalypse des Johannes, BWANT 136, 1995, 55ff, kann den Bezug auf die zeitgeschichtliche politische Situation nur bestreiten, weil er „eine von der jüdischen verschiedene Interpretation“ (56) Babylons annimmt und vor allem 17,9–17 literarkritisch als nicht von Johannes stammende Nachträge ausscheidet (61ff).

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noch übrig? Der Untergrund? Das Ghetto? Die Landkommune?“ 63 Der Seher scheint von seinen Adressaten den Auszug aus der Welt zu verlangen, den Paulus in 1Kor 5,9f als Mißverständnis abweist. 64 Tatsächlich dürfte das in der Apk propagierte Weltverhältnis der paulinischen Sicht widersprechen, die fern jeder Tendenz zu einem suschmativzesqai tw`/ aijw`ni touvtw/ (Röm 12,2) doch der Weltflucht wehrt, den Glaubenden zumutet, in den vorfindlichen Bezügen als Verwandelte und Erneuerte (vgl. 2Kor 5,17) zu leben. Entsprechend fehlt beim Seher der Gedanke, daß „die Christuswirklichkeit auch in den Raum der Welt zu tragen“ 65 sei; ebensowenig kann angesichts der von ihm diagnostizierten „universal corruption“ 66 der Gesellschaft das der Gemeinde und dem Wirksamwerden ihrer Verkündigung zugute kommende Bestehen im Urteil der Außenstehenden (vgl. 1Thess 4,12; 1Kor 10,32f) oder die Übereinstimmung mit dem „common sense“ 67 von irgendeiner Bedeutung sein. Die unüberbrückbare Kluft zwischen den von der Erde Erkauften (Apk 14,3) und den „Bewohnern der Erde“ (13,8.12.14 u.ö.) soll fortbestehen (22,11) und wird durch die in der Apk vorgetragene Weltsicht noch vertieft. Erst recht unterscheidet sich Jo|hannes damit vom Paulinismus seiner Zeit, wie er sich etwa in den Past im „Streben nach Konformität mit den Normen des gesellschaftlichen Umfelds“ 68 äußert. Aber es geht dem Apk-Autor um mehr als nur um die Trennung von „Babylon“, nicht bloß – im Gegensatz zu den in einigen Gemeinden wirksamen und geduldeten Strömungen – um die Ermutigung zu sozial deviantem Verhalten bzw. in Auseinandersetzung mit den „praktischen Konsequenzen der paulinischen Mission“ um die Abwehr einer von ihm gesehenen „Gefahr hellenistischer Nivellierung“. 69 Grundlegender noch will er seine Adressaten auf eine bestimmte Einschätzung des Systems festlegen, denn sie bildet die Basis für alle Abgrenzungsaussagen seines Werkes. Daß er dabei einer verbreiteten Einstellung entgegentritt, läßt seine Vision der großen Hure Babylon erkennen (17,1ff): „Und ich sah die Frau trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der 63

KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 51), 179; vgl. RÄISÄNEN, Clash (s. Anm. 48), 161. Vgl. KLAUCK, a.a.O., 182; RÄISÄNEN, ebd. – In inhaltlicher Spannung zu 1Kor 5,10, aber näher bei Apk 18,4, steht 2Kor 6,17. Der Abschnitt 2Kor 6,14–7,1 wird allerdings häufig für unpaulinisch gehalten (vgl. SCHNELLE, Einleitung [s. Anm. 54], 106f). 65 W. SCHRAGE, Ethik des Neuen Testaments, GNT 4, 1982, 195, zu Paulus; vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 15), 111–113, zu vermeintlichen Missionsaussagen in der Apk. 66 W.A. MEEKS, The Moral World of the First Christians, 1986, 146. 67 A.a.O., 145. 68 WOLTER, Pastoralbriefe (s. Anm. 55), 255; vgl. H. V. LIPS, Glaube – Gemeinde – Amt. Zum Verständnis der Ordination in den Pastoralbriefen, FRLANT 122, 1979, 150f.157ff, zum Aspekt der „Konsolidierung“ der Kirche. 69 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 7), 595 (vgl. 602.620); überall dort, wo er diese Gefahr sehe, steuere Johannes „einen Kurs gegen das paulinische Erbe“ (ebd.). Ansonsten stehe die Apk „im Rahmen der Wirkung paulinischen Christentums“ (602); doch vgl. dazu bereits o. I. 64

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Zeugen Jesu. Und ich verwunderte mich, als ich sie sah, gewaltig“ (V. 6). 70 Das Verb qaumavzein bezeichnet dann in V. 8 (wie zuvor in 13,3) das Verhalten der regimekonformen Erdenbewohner, denen sich Johannes durch seine Reaktion in gewisser Weise zuordnet. Doch seine Verwunderung hat – wie schon die singuläre Formulierung ejqauvmasa […] qau`ma mevga unterstreicht – nichts zu tun mit Faszination, als ob er wie die anderen (vgl. 13,3) empfänglich wäre für die Reize der Hure, diese eine Anziehungskraft auf ihn ausüben würde. 71 Außerordentlich erstaunt ist er vielmehr, weil das von Christenblut trunkene Rom, das der Engel ihm zeigt (17,1.3), eben nicht das Rom ist, das in seiner und seiner Adressaten Erfahrungswelt begegnet. Deshalb reagiert er stellvertretend (vgl. ähnlich sein Weinen in 5,4) für diejenigen, denen sich Rom nicht als Todfeind der Glaubenden darstellt, die nicht wissen, was der Engel kundtut: daß es getragen wird von der Bestie, der Ausgeburt des Satans (17,7; vgl. 13,1ff), und die aus mangelnder Einsicht nicht die notwendigen Konsequenzen (18,4) ziehen. Diese Sicht des römischen Systems, der für den Entwurf des Johannes zentrale Bedeutung zukommt, widerstreitet einschlägigen Aussagen im | paulinischen Traditionsbereich. Auch wenn Röm 13,1–7 bei Paulus analogielos ist und schon deshalb nicht überbewertet werden darf, zudem die staatsmetaphysischen Elemente (ejxousiva […] uJpo; qeou` [V. 1]; Apk 13,4 dagegen: die Bestie hat die ejxousiva vom Drachen/Satan) im Dienst der Paränese stehen und die theologisch primäre Auskunft des Apostels sich in Phil 3,20 mit der Verpflichtung auf die himmlische Gemeinde, nicht die Bürgergemeinde, findet, 72 so ist doch nicht zu übersehen, daß hier – unbeschadet der Aufforderung in Röm 12,2 wie des in 13,11 angesprochenen Wissens – die Christen der vorfindlichen Ordnung jedenfalls nicht entfremdet werden, sondern sich wie jedermann (13,1init) verhalten sollen. Dies gilt verstärkt für die Past, die im Zuge der von ihnen betriebenen Öffnung der Gemeinde auf die Gesellschaft hin die staatlichen Autoritäten in den Blick fassen (Tit 3,1; 1Tim 2,2), diese zwar weder auf göttliche Anordnung 70

Die Übersetzung des V. 6b folgt W. BAUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg. v. K. Aland und B. Aland, 6 1988, 715 s.v. qau`ma. Die Reaktion ist nicht einfach nur stilgemäßer Abschluß des Visionsberichts (vgl. Dan 7,15; 10,8f; 4Esr 12,3–5), wie MÜLLER, Offb (s. Anm. 6), 289, meint. 71 Anders GIESEN, Ermutigung (s. Anm. 48), 74f. 72 Vgl. G. KLEIN, „Über das Weltregiment Gottes“. Zum exegetischen Anhalt eines dogmatischen Lehrstücks, ZThK 90, 1993, 251–283, 259 (unter Berufung auf H. Schlier und K. Aland), der allerdings (im Anschluß an W. Schmithals) die paulinische Authentie des Textes in Frage stellt (258f). H.-J. VENETZ, Zwischen Unterwerfung und Verweigerung. Widersprüchliches im Neuen Testament? Zu Röm 13 und Offb 13, BiKi 43, 1988, 153–163, nennt auch Phil 3,20 (155f) und ordnet Röm 13 in den Zusammenhang weiterer paulinischer Aussagen ein. Die „gewisse Unvereinbarkeit“ zwischen Röm 13 und Apk 13 führt er auf einen „Grundansatz“ zurück, der „in der Erfahrung und in der Betroffenheit der Verfasser liegt“ (163), eine nicht unproblematische Erklärung (vgl. TAEGER, Streitschrift [s. Anm. 57], 308f [= S. 118f]).

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zurückführen noch als Vollstrecker seines Willens darstellen, ihnen gegenüber gleichwohl eine „positiv-vertrauensvolle Haltung“ 73 einnehmen. Müssen die Past und die Apk in dieser Hinsicht „als Exponenten zweier diametral verschiedener Stellungnahmen […] gelten“, dann ist nicht nur mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Past „sich […] polemisch gegen die von der Offb vertretene Position wenden“; 74 denn es kann umgekehrt nicht ausgeschlossen werden, daß Johannes auf Bestrebungen im zeitgenössischen Paulinismus reagiert und sich entschieden von ihnen absetzt. 75 Der auch an Christen in der Asia adressierte und in zeitlicher Nähe zur Apk 76 verfaßte 1Petr bietet mit dem Röm 13,1–7 eng verwandten Passus 2,13–17 ein weiteres Beispiel für die Auffassung, die Glaubenden, obschon Fremde (1,1; 2,11) in der Ge|sellschaft, seien nicht auf Abgrenzung zu dieser fixiert 77 und – um des Herrn willen – loyale Bürger. Die Knechte Gottes (2,16) sollen den Kaiser ehren; er repräsentiert für sie eben nicht jene Rom tragende Bestie, den Handlanger des Satans, als den ihn die Apk den Knechten Gottes (1,1; 19,2; 22,6 u.ö.; vgl. 2,20) vorstellt. Der Seher Johannes vertritt offenkundig „attitudes and styles of life not compatible with how most Christians were living in the cities of Asia“. 78 Gemessen an dem, was er über das Wesen des Imperiums enthüllt und daraus an Folgerungen für das Weltverhältnis der Glaubenden ableitet, muß man den Eindruck gewinnen, jene Christen stünden in der Gefahr bzw. seien schon im Begriff, in die Falle Roms zu tappen und den Verfüh73

ROLOFF, 1Tim (s. Anm. 55), 115. A.a.O., 383. 75 Nach ROLOFF, a.a.O., 46, sind die Past „kaum sehr viel später als um das Jahr 100 entstanden“, die Apk datiert er „um 90“. Eine spätere Ansetzung der Apk (nach Domitian) vertreten mit zum Teil unterschiedlicher Begründung z.B. H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, 1974, 93f (für die Sendschreiben, deren Verfasser die abschließende Redaktion der Apk zu verdanken sei [50]); P. VIELHAUER/G. STRECKER, Apokalyptik des Urchristentums. Einleitung, NTApo II, 51989, 516–547, 532; TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 15), 20–22; FREY, Erwägungen (s. Anm. 37), 427 (mittlere trajanische Zeit). 76 An das 1. Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts denkt REICHERT, praeparatio (s. Anm. 55), 73ff (bes. 93–95). 77 Vgl. dazu R. FELDMEIER, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, 1992, 175–192. 78 THOMPSON, Book (s. Anm. 58), 132. Dies Urteil ist gerechtfertigt, wenn die o. im Text herangezogenen literarischen Aussagen als „dominant Christian view“ (ebd.) gewertet werden dürfen und ihnen die Gemeindewirklichkeit im wesentlichen entspricht, wie Thompson zu zeigen versucht. Auch nach der Darstellung der Apg muß es für Christen eigentlich keinen Konflikt mit dem Imperium geben. So stehen etwa die Notizen, daß Paulus sich auf sein römisches Bürgerrecht beruft (16,37; 22,25; 23,27), „ganz im Dienste des luk Konzepts, Paulus als mustergültiges Glied […] des römischen Staates und damit die Christen als loyale Bürger im Römischen Reich […] zu erweisen“ (A. WEISER, Die Apostelgeschichte. Kapitel 13–28, ÖTBK 5/2, 1985, 430). – Zu Vermutungen über Hintergründe der negativen Einschätzung des Imperiums durch Johannes, seiner „Zivilisations- und Zeitkritik“ (KLAUCK, Sendschreiben [s. Anm. 51], 180), vgl. a.a.O., 179f sowie den Überblick bei TAEGER, Streitschrift (s. Anm. 57), 309f [= S. 118f]. 74

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rungskünsten der Hure zu erliegen. Wie auch immer es um eine „paulinische“ Prägung der Adressaten oder der Gegnergruppen in den Gemeinden, wie auch immer es um die Kenntnis des paulinischen Erbes durch den Seher bestellt gewesen sein mag: die Distanz der Apk zu Paulus und zum Paulinismus der Zeit ist in diesem Werk selbst begründet.

Hell oder dunkel? Zur neueren Debatte um die Auslegung des ersten apokalyptischen Reiters

Wenn Exegeten bei der Interpretation eines – in diesem Fall literarisch vermittelten – Bildes eine Sichtweise, die der eigenen widerstreitet, als „ästhetische Sünde“ werten, 1 kann das zunächst nicht überraschen, da solche Einschätzungen, zumal in der nicht selten eigenen Gesetzen folgenden apokalyptischen Bildwelt, bis zu einem gewissen Grade eine Frage individuellen Geschmacks sind. 2 Eher schon mag sich der mit dem letzten Buch der Bibel weniger Vertraute darüber wundern, daß das in Rede stehende Bild, die Vision des ersten apokalyptischen Reiters (Apk 6,2), obgleich prima facie „hell“ gezeichnet und über Jahrhunderte hinweg so verstanden (u.a. als Darstellung Christi, der Evangeliumsverkündigung, der Kirche), gegenwärtig weithin, vor allem in der Kommentarliteratur, „dunkel“ gedeutet wird (als Darstellung einer Plage, etwa des Krieges, des Vordringens der Parther – oder als Verkörperung des Antichrists, falscher Prophetie u.ä.). 3 Der nie völlig verstummte | Einspruch gegen diese Tendenz hat sich in neuerer Zeit verstärkt, wurde nicht nur umfassend, sondern auch teilweise neu begründet 4 und blieb nicht ganz wirkungslos. 5 Ob er zu Recht erhoben

Zuerst veröffentlicht in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), Berlin/New York 1999, 369–389. 1 H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 114, zu den Auslegern, die den ersten Reiter mit dem in 19,11ff. gleichsetzen und nicht als Teil einer Serie von Plagen verstehen; M. BACHMANN, Der erste apokalyptische Reiter und die Anlage des letzten Buches der Bibel, Bib. 67, 1986, 240–275, 256, dagegen über jene, die ihn in Analogie zu den ihm folgenden Reitern deuten. 2 So meint TH. ZAHN, Die Offenbarung des Johannes, KNT 18/2, Leipzig 1926, 352, im ersten Reiter Christus dargestellt zu sehen, sei „(g)eradezu unglaublich“ und hieße, „den Vf der Ap einer Geschmacklosigkeit zeihen, die nur noch durch den Geschmack der Ausleger überboten wird, die dies fertig gebracht haben“. 3 Zur Auslegungsgeschichte, zu den noch vertretenen Interpretationen und der gegenwärtig dominierenden vgl. nur CH. BRÜTSCH, Die Offenbarung Jesu Christi, ZBK, Zürich 21970, I 280–284; O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 41998, 47–56; M. BACHMANN, Reiter, 240–246; DERS., Die apokalyptischen Reiter, ZThK 86, 1989, 33–58; D.K.K. WONG, The First Horseman of Revelation 6, BS 153, 1996, 212–226; H. GIESEN, Im Dienst der Weltherrschaft Gottes und des Lammes: Die vier apokalyptischen Reiter (Offb 6,1–8), SNTU 22, 1997, 92–124, 100–109. 4 Hinzuweisen ist bes. auf M. BACHMANN, Reiter, sowie seinen erneuten Vorstoß: Noch ein Blick auf den ersten apokalyptischen Reiter (von Apk 6.1–2), NTS 44, 1998, 257–278, in dem er seine früheren Argumente bündelt und weitere (vornehmlich aus dem Feld der Diachronie) beibringt. – Da es üblich geworden ist, die unterschiedlichen Interpretationen als „hell“ bzw. „posi-

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wird und ausreicht, den Reiter auf dem weißen Pferd als eine positive Gestalt zu rehabilitieren und ihn von den ihm folgenden drei weiteren Reitern, die zweifellos dunkle Gestalten, Bringer von Unheil sind, deutlich abzusetzen, soll im Folgenden überprüft werden. Die erwähnten unterschiedlichen, ja diametral gegensätzlichen Auslegungen der rätselhaften Figur wären unverständlich, „s’il n’y avait pas dans le texte ou le contexte des indications divergentes qui paraissent recommander des solutions contradictoires“. 6 |

I. Tatsächlich fehlt es nicht an Texthinweisen, die es nahelegen, den ersten apokalyptischen Reiter positiv zu interpretieren. Immer wieder genannt werden: (a) Er sitzt auf einem weißen Pferd. Diese Farbe ist in der Apk eindeutig der himmlischen Welt und eschatologischen Aussagen zugeordnet; 7 von den übrigen 15 Belegen für leukov~ seien nur vier erwähnt: der zum Gericht bereite Menschensohngleiche sitzt auf einer weißen Wolke (14,14) wie der das Weltgericht vollziehende Gott auf einem weißen Thron (20,11); weiße Pferde tragen den zum Endkampf gegen die gottfeindlichen Mächte wiederkommenden Christus und die ihm folgenden Himmelsheere (19,11.14). (b) In die gleiche Richtung weist der diesem Reiter gegebene Kranz, 8 der allerdings nur hier nicht (auch nicht mittelbar) näher bestimmt wird; als „Kranz des Lebens“ (2,10; er ist ebenso in 3,11 gemeint) ist er ein Heilszeichen, als „goldener Kranz“ wird er von den 24 Ältesten rings um Gottes Thron getragen (4,4; diesen Kranz legen sie bei der Huldigung Gottes ab: tiv“ und „dunkel“ bzw. „negativ“ zu etikettieren, übernehme ich diese Bezeichnungen, obwohl ich sie für wenig glücklich halte. 5 Vgl. z.B. die deutliche Akzentverschiebung bei H. GIESEN, der einst (Johannesapokalypse, SKK.NT 18, Stuttgart 31992, 64) gemäß der üblichen Auffassung den vier Reitern „unheilvolles Tun“ zuschrieb, jetzt aber (Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 176) den ersten Reiter als „Symbol für das Heilshandeln Gottes und seines Lammes zugunsten der treuen Christen“ versteht (ausführlich begründet in: DERS., Dienst). In manchem wie M. Bachmann (vgl. Anm. 4) argumentierend, andere Aspekte hinzufügend und in der Auswertung des Befundes erheblich weiter gehend: J. HERZER, Der erste apokalyptische Reiter und der König der Könige, NTS 45, 1999, 230–249. Für U.B. MÜLLER, „Das Wort Gottes“, in: B. Kollmann u.a. (Hg.), Antikes Judentum und Frühes Christentum, (FS H. Stegemann), BZNW 97, Berlin u.a. 1999, 474–487, 474 Anm. 2, stellt sich jetzt (unter Verweis auf M. BACHMANN, Reiter) die Frage, „ob der erste apokalyptische Reiter nicht doch eine literarisch beabsichtigte Vorausbildung des Christus sein könnte.“ 6 A. FEUILLET, Le premier cavalier de l’Apocalypse, ZNW 57, 1966, 229–259, 229. 7 Vgl. W. MICHAELIS, Art. leukov~ ktl., ThWNT IV, 1942, 247–256, 255f; A. FEUILLET, cavalier, 238f; M. BACHMANN, Reiter 254–256; DERS., Blick, 260f. 8 Vgl. A. FEUILLET, cavalier, 239f; M. BACHMANN, Reiter, 257; DERS., Blick, 261.

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V. 10) wie vom Menschensohngleichen (14,14), als „Sternenkranz“ ziert er das Haupt der das Volk Gottes repräsentierenden Frau (12,1). Der einzige stevfano~-Beleg für die Ausstattung dämonischer Wesen ist dagegen bloß vergleichend formuliert: auf den Köpfen der kriegerischen Heuschrecken befindet sich etwas „wie goldgleiche Kränze“ (9,7).9 (c) Ähnlich verhält es sich beim Einsatz des Verbs nika`n in der Apk: intransitiv (der Reiter zog aus nikw`n kai; i{na nikhvsh/) wird es stets im positiven Sinn von Siegen der Christen (in den Siegersprüchen der Sendschreiben 2,7.11 etc. sowie 21,7) oder Christi (5,5; in 3,21 ist beides miteinander verbunden) verwendet; lediglich beim transitiven Gebrauch ist neben dem Erfolg der Christen (12,11; vgl. 15,2) und Christi (17,14) auch von der (vorläufigen) Durchsetzung gottfeindlicher Mächte (11,7; 13,7) die Rede. 10 (d) Ein weiteres der synchronen Betrachtung zugängliches Element, der Aspekt der Gabe (ejdovqh aujtw`/ stevfano~), ist in dieser Hinsicht | alles andere als eindeutig. Zwar kann die von den meisten Auslegern als passivum divinum aufgefaßte Form in der Apk auch bei der Übermittlung „of a gracious gift“ stehen (6,11; 12,14; 19,8; vgl. noch 8,3; 11,1), aber häufiger weist sie auf „the divine permission granted to evil powers to carry out their nefarious work“ 11 (7,2; 9,1.3.5; 11,2; 13,5a.b.7a.b.14.15; 16,8). Angesichts dieses Befundes mag man noch von einer grundsätzlichen „Neutralität des ejdovqh gegenüber der speziellen Art der göttlichen Gabe“ 12 sprechen, doch ist zu bedenken, daß gerade die drei 6,2 folgenden Belege, beim zweiten (V. 4b.c) und vierten (V. 8) unheilsmächtigen Reiter, besondere Beachtung verdienen und ein homogenes Verständnis der Wendung innerhalb der Vier-Reiter-Vision angeraten sein lassen. 13 (e) Sucht man nach Anhaltspunkten für eine helle oder dunkle Charakterisierung der Gestalt, erweist sich schließlich die Wertung des zur Grund9

Vgl. W. GRUNDMANN, Art. stevfano~ ktl., ThWNT VII, 1964, 615–635, 630. Vgl. J.S. CONSIDINE, The Rider on the White Horse, CBQ 6, 1944, 406–422, 421; A. FEUILLET, cavalier, 240; M. BACHMANN, Reiter, 258; DERS., Blick, 260. 11 G.B. CAIRD, The Revelation of Saint John, BNTC, Nachdr. Peabody, Mas. o.J. (= London 1966), 81. Außer den im Text genannten Stellen vgl. noch 8,2 (Übergabe unheilbringender Posaunen an die Engel); 20,4 (Übergabe des krivma, das den christlichen Blutzeugen zum Heil gereicht). 12 M. BACHMANN, Reiter, 245. Daß die „passivische Form als solche keineswegs für eine dunklere und gegen eine hellere Deutung von 6,2 veranschlagt werden“ kann, läßt sich jedoch kaum mit der Apk-Parallele für eine Kranzgabe (2,10) stützen (ebd.; Hervorhebung von mir), da dort Christus den Treuen den Kranz des Lebens verheißt (Futur). 13 So G.B. CAIRD, Rev, 81 (vgl. A. KERKESLAGER, Apollo, Greco-Roman Prophecy, and the Rider on the White Horse in Rev 6:2, JBL 112, 1993, 116–121, 117 Anm. 5). Caird hält den Verweis auf ejdovqh sogar für „the final and fatal objection“ (ebd.) gegen eine positive Deutung (konkret: Evangeliumsverkündigung) des ersten Reiters. Dieser Schlußfolgerung will J. DU PREEZ, „Final and fatal“?, NGTT 24, 1983, 338–339, mit dem Hinweis auf die „kwalitatiewe andersheid“ (338; im Original hervorgehoben) des ersten Reiters verglichen mit den drei anderen entgehen und nennt im wesentlichen das bereits oben im Text Besprochene (weiße Farbe, Kranz, Sieg). 10

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ausstattung dieses Reiters gehörenden Bogens (e[cwn tovxon) als völlig offen; er stellt „the great embarrassment in the history of interpretation“14 dar. Seine Verbreitung in antiken Armeen (kaum jedoch bei den Römern) samt den sich damit eröffnenden zeitgeschichtlichen Bezügen (vgl. unten IIId) und alttestamentliche Belege rufen schwerlich einen anderen Gedanken als den des Krieges hervor. 15 Allerdings kann im Alten Testament der Bogen wie von den Feinden des Gottesvolkes | (Ps 11,2; 37,14 u.ö.) auch von Gott selbst geführt werden, nun im Vollzug des Gerichts als Waffe gegen Israel gerichtet (z.B. Thr 2,4f) oder zu dessen Schutz eingesetzt (vgl. etwa Ps 21,13; Hab 3,8f). Sieht man von dieser im engeren Sinne kämpferischen Komponente ab, läßt sich der Bogen, zumal in Apk 6,2 seine Handhabung und die Pfeile nicht erwähnt werden, als Zeichen der Macht, der herausgehobenen Stellung seines Trägers oder konkret „as a fairly transparent symbol of Apollo“ – und auf dieser Basis noch unterschiedlich – verstehen. 16

II. Deuteten bereits die beiden zuletzt erwähnten ambivalenten Elemente (das ejdovqh-Motiv und der Bogen) an, daß die ansonsten hell erscheinende Gestalt nicht unbedingt als ungebrochen heilvoll aufgefaßt werden muß, so ist jetzt das Hauptargument gegen ihre positive Interpretation zu bedenken: Die gleichförmige Struktur des Abschnitts 6,1–8 fordere, den ersten Reiter nicht grundsätzlich anders zu deuten als die drei folgenden, die offenkundig für Unheilvolles stehen. 17 Die ersten vier Siegel (I: V. 1f; II: V. 3f; III: V. 14

M. RISSI, The Rider on the White Horse, Interp. 18, 1964, 407–418, 415. So die Einschätzung bei A. FEUILLET, cavalier, 233 (232f.244–246 die atl. Belege; vgl. auch die bei J. HERZER, Reiter, 234f, getroffene Auswahl); H. GIESEN, Dienst, 108. 16 Zitat: A. KERKESLAGER, Apollo, 118; den Bezug auf Apollo, „the god who was believed to inspire prophecy“ (ebd.), wertet er aus für seine Deutung des ersten Siegels „as a symbol combining the complementary elements of false messiahs and false prophecy“ (116). Auf Apollo (und Mithras) verweist auch M. BACHMANN, Reiter, 263 mit Anm. 70.265 Anm. 79, aber um positiv die hervorgehobene Stellung des Reiters auf dem weißen Pferd zu begründen; zur Auseinandersetzung mit Kerkeslager vgl. DERS., Blick, 274–276, wo er daran festhält, daß in Apk 6,2 „Apollo assoziiert werden kann“ (275), doch hier nicht „auf die negative Potenz Apollos Bezug genommen“ werde (ebd. Anm. 71). 17 Vgl. z.B. I.T. BECKWITH, The Apocalypse of John, New York 1919 (Nachdr. Grand Rapids 1979), 518f; R.H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, ICC, Edinburgh 1920 (Nachdr. 1985), I 164; M. RISSI, Rider, 414; DERS., Die Hure Babylon und die Verführung der Heiligen, BWANT 136, Stuttgart u.a.1995, 23; A. FEUILLET, cavalier, 232; H. KRAFT, Offb, 114; O. BÖCHER, Johannesapokalypse, 55; G.R. BEASLEY-MURRAY, The Book of Revelation, NCBC, London 21978 (Nachdr. 1992), 131; U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des 15

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5f: IV: V. 7f), denen jeweils ein Reiter zugeordnet ist, sind – anders als die drei weiteren Siegel – im wesentlichen gleich aufgebaut. (1) Das Lamm öffnet die Siegel; (2) der | Seher hört, wie nacheinander die vier Wesen, die nach 4,6 im innersten Kreis um Gottes Thron ihren Platz haben, auffordern: Komm! (3) Daraufhin erscheint ein farblich gekennzeichnetes Pferd; (4) dessen Reiter wird vorgestellt; (5) mit einer Gabe an ihn (I, II, IV) – bzw. einem ihm geltenden Wort (III) 18 – steht (6) das ihm zugewiesene spezifische Werk in Beziehung. Bei genauerer Betrachtung sind freilich einige Abweichungen innerhalb des Grundschemas zu erkennen, besonders augenfällig in den Einheiten III (5 und 6) und IV (4), aber auch in Einheit II (4 ohne Attribut; 5 mit zweimaligem ejdovqh). Doch erheblich stärker als diese Variationen, die „eine parallele Interpretation der einzelnen Reiter“19 nicht in Frage stellen, könnten jene Beobachtungen ins Gewicht fallen, die von M. Bachmann für seine Behauptung, dem ersten Siegel komme im Rahmen der Vier-Reiter-Szene eine kontrastierende Sonderstellung zu, aufgeboten werden: (a) Ähnlich wie beim Nebeneinander der Farben leukov~ (erstes Pferd) und purrov~ (zweites Pferd) verhalte es sich in Apk 12, wo der hell gezeichneten Sonnenfrau (V. 1) der feuerrote (purrov~) Drache (V. 3) gegenüberstehe. 20 Doch trägt das für 6,2.4 nichts aus, weil die Sonnenfrau zwar eine strahlende (Sonne, Mond und Sterne), aber keine „weiße“ Erscheinung ist, später in der Apk das mit dem Drachen liierte Tier farblich etwas anders charakterisiert wird (17,3: kovkkino~) wie die auf ihm sitzende große Hure (V. 4), 21 mit der die Braut des Lammes kontrastiert, die wiederum nicht weiß, sondern glänzend (lamprov~; vgl. noch 15,6, auch 18,14; 22,1.16) gekleidet ist (19,8, im Unterschied zu den ebenfalls in reines, aber nun weißes Linnen gewandeten himmlischen Heeren: V. 14!). Ob das zeigt, „(w)ie konsequent Johannes ist“, 22 mag man bezweifeln. (b) Apk 12 wird noch in anderer – vermeintlich aussagekräftigerer – Hinsicht herangezogen, um den ersten Reiter vom zweiten (und damit zugleich von den folgenden) abzurücken. Neben dem Zeichen im Himmel (V. 1) erscheint als a[llo shmei`on der Drache (V. 3); a[llo~ sei | „hier ein Indiz für eine scharfe Kontrastierung“; wenn in 6,4 das zweite Pferd (und Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh u.a. 21995, 164f; A. KERKESLAGER, Apollo, 116f; D.E. AUNE, Revelation 6–16, Word Biblical Commentary 52 B, Nashville 1998, 389.393.395. 18 Zu Apk 6,6 vgl. M. BACHMANN, Reiter, 249 Anm. 30. 19 U.B. MÜLLER, Offb, 165. 20 M. BACHMANN, Blick, 261; DERS., Reiter, 254–256. 21 Nicht der Rotton, sondern die Zugehörigkeit des Scharlachstoffes zu den der Vernichtung anheimfallenden Luxusgütern (vgl. 18,12.16) dürfte primär die Wahl von kovkkino~ in 17,3f bestimmt haben, wie das in 17,4 der Hure zugeordnete Gold, die Perlen und Edelsteine (vgl. noch einmal 18,12.16) bestätigen. 22 M. BACHMANN, Reiter, 255.

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nur dieses) als a[llo~ i{ppo~ eingeführt werde, „dürfte auch“ in diesem Fall „eine Kontrastierung beabsichtigt sein“. 23 Dieser Schluß ruht auf einem brüchigen Fundament, denn die beiden Zeichen in 12,1 und 3, die fraglos für eine positive und eine negative Größe stehen, werden nicht schon durch das a[llo~ als Gegenspieler gekennzeichnet, sondern erst durch die Beschreibung der Frau, die des Drachen und seiner feindseligen Absicht (V. 3bf). Dafür spricht der sonstige Einsatz des Adjektivs in der Apk, nicht zuletzt auch an jenen Stellen, die angeblich eine ähnliche Kontrastierung belegen: 14,15 neben V. 14; 14,6 neben V. 1. 24 Der Menschensohngleiche, der in seiner Hand eine Sichel hält (14,14), wird von „einem anderen Engel“ aufgefordert, die Sichel zu gebrauchen und zu ernten (V. 15), was er dann tut (V. 16); dieser Vorgang wiederholt sich in V. 17–20, nur agieren jetzt zwei „andere Engel“ (V. 17.18). Von einer Kontrastierung kann keine Rede sein, wohl aber von einem Zusammenspiel, von gleichgerichteter Intention und Aktion der unterschiedlichen Gestalten 25 (entsprechend verhält es sich z.B. beim „anderen Tier“ von 13,11, dem Erfüllungsgehilfen des Tieres in V. 1). Auch das dem Engel in 14,6 beigegebene a[llo~ kann nicht eine Gegenüberstellung (zu V. 1) anzeigen, da unklar bleibt, auf welches zuvor erwähnte Wesen Bezug genommen wird. 26 Hinter der Verwendung des anreihenden, zumeist auftretende Figuren unterscheidenden wie sie miteinander in Beziehung setzenden Adjektivs a[llo~ beim zweiten Pferd eine kontrastierende Absicht zu vermuten, ist demnach nicht überzeugend zu begründen. 27 | (c) Als ein dritter 12,1–4 mit 6,1–4 verbindender Zug wird die invertierte Wortstellung angeführt (12,1init.3init einerseits; 6,4init [ejxh`lqen a[llo~ i{ppo~ purrov~] verglichen mit V. 2a.c [i{ppo~ leukov~ […] ejxh`lqen] andererseits). Dies und weitere eine „chiastische Struktur“ bestätigende Merkmale zeigten an, daß das zweite Pferd (wie die ihm folgenden) vom ersten „deutlich abgehoben werden soll“, wiesen „auf Gegenüberstellung

23

M. BACHMANN, Blick, 262. M. BACHMANN, ebd.; in seiner früheren Veröffentlichung hatte DERS., Reiter, 247, 12,3 zusammen mit den anderen dort aufgelisteten Stellen nur als Beleg für den Gebrauch des Adjektivs zur „deutlicheren Abhebung“ erwähnt und hielt für „instruktiver“ als die Aufeinanderfolge der Zeichen in 12,1 und 3 „die engste sprachliche Parallele der Apokalypse“ zu 6,4, nämlich 14,15 nach V. 14. 25 Vgl. bereits J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“, ZNW 85, 1994, 23–46, 39 Anm. 46 (in diesem Bd. S. 97f). 26 Zu den a[llo~ a[ggelo~-Stellen vgl. P.R. CARRELL, Jesus and the Angels, MSSNTS 95, Cambridge 1997, 175ff, der 14,15 auf V. 9 (nicht V. 14) bezieht und für 14,6 „no apparent immediate predecessor“ (176) erkennt. 27 Auch H. GIESEN, Dienst, 110, kritisiert dieses Argument Bachmanns, auf den sich jedoch J. HERZER, Reiter, 10, beruft für die (so jedenfalls sicher unzutreffende) Behauptung, das Adjektiv stehe „in der Apk stets für eine kontrapositorische Abgrenzung“. 24

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hin“. 28 Eine solche „chiastische“ Struktur, sieht man sie hier überhaupt als gegeben an, muß freilich nicht in diesem Sinne, sondern kann statt kontrastierend ähnlich a[llo~ unterscheidend und zugleich verknüpfend interpretiert werden, 29 womit dann auch dies Argument im Verein mit den zuvor besprochenen ungeeignet erscheint, die grundlegende strukturelle Einheit der Vier-Reiter-Szene zu erschüttern. (d) Das gilt ebenso für die in der Einführung der ersten Einheit erwähnte Stimme (6,1b), hier – im Unterschied zu V. 7 (vgl. V. 6) – ausdrücklich als Donnerstimme bezeichnet, mit der kaum eine Sonderstellung dieses Siegels begründet werden kann. Wie in 14,2; 19,6 (dort jeweils in einer Reihe mit anderen Charakterisierungen einer Stimme) ist damit ihre extreme Lautstärke hervorgehoben. 30 Bringt man zusätzlich die im Kontext dieser beiden Stellen thematisierte „mit dem Christusereignis gegebene eschatologische Wende“ ins Spiel und will diesen „Umschwung“ deshalb speziell für „6.1(– 2)“ reklamieren, 31 so ist nur an | den Apk 6 vorangehenden Text zu erinnern; dort wurde diese Wende eindrucksvoll geschildert (5,3–5.7–12) und kommt in den Siegelvisionen selbst in 7,9ff erneut zur Sprache. Dieser Bezug ist auch durch das Tätigwerden der vier Wesen bei den ersten vier Siegeln angezeigt (6,1.3.5.7; vgl. 4,6ff; 5,6.8.11.14; 7,11); in dieser Hinsicht – begnügt man sich nicht damit, die Donnerstimme als besonders laute Kundgabe aus dem göttlichen Bereich zu werten – ist in der Tat „nicht gänzlich auszuschließen […], daß der Hinweis auf den Donnerklang sozusagen ein für allemal gegeben werden soll“. 32 (e) Größere Relevanz ist m.E. – bedenkt man das oben Ia–c Gesagte – den Beobachtungen zuzubilligen, die zwar nicht auf eine Kontrastierung, aber immerhin auf ein durchaus spezifisches Gepräge des ersten Siegels 28 M. BACHMANN, Blick, 263 (erstes Zitat); DERS., Reiter, 250 (zweites Zitat; hier noch kein Verweis auf 12,1–4). 29 Vgl. nur N.W. LUND, Chiasmus in the New Testament, Chapel Hill, N.C. 1942, 3ff, sowie bereits J.-W. TAEGER, Gesiegt, 39 Anm. 46 (= S. 97f). Zur sachlich begründeten Position des ejxh`lqen in V. 2 (Element des behaupteten Chiasmus) vgl. unten in IIe. Auch das Fehlen „des ansonsten stereotyp gesetzten kai; ei\don, kai; ijdouv beim zweiten Pferd“, wodurch die chiastische Struktur unterstrichen werde (M. BACHMANN, Blick, 263), läßt sich durchaus als ein das zweite vom ersten Pferd nicht absetzendes, beide vielmehr stärker verbindendes Textelement deuten (vgl. E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 31970, 60). Die oben im Text erwähnten weiteren Merkmale (M. BACHMANN, Blick, 263 Anm. 23): in V. 4 sei der Dativ vorgezogen (es folgt hier jedoch noch der V. 2 entsprechende) und die Position von Gabe und i{na-Satz umgedreht (was nur gilt, wenn man nicht das erste ejdovqh […] in diesem Vers, sondern nur das zweite als Gabe wertet). 30 Vgl. nur D.E. AUNE, Rev, 393. Für H. GIESEN, Dienst, 106, ist damit darüber hinaus angedeutet, daß „der erste Reiter für die Christen besonders wichtig ist“ (unter Verweis auf 14,7.9 [fwnh; megavlh]). Doch die Stimme in 6,1 hat andere Adressaten als die in 14,7.9. 31 M. BACHMANN, Blick, 264. Er hat hier das schon früher (vgl. die nächste Anm.) erwogene Argument kräftig aufgewertet. 32 M. BACHMANN, Reiter, 251.

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weisen. Dazu gehört nicht, daß weiß „gegen bunt (steht)“, denn weiß ist im Kontext nur eine von vier Farben, die je ihre eigene Bedeutung haben. 33 Beachtenswert dagegen dürfte sein: von einer Handhabung des Bogens, Attribut des ersten Reiters, verlautet – wie bereits notiert – nichts (anders bei Waage [6,5f] und Hades [V. 8]), auch bleibt das Tätigkeitsfeld dieses Reiters unerwähnt (anders V. 4.8); nach der Gabe des Kranzes an ihn „(erfolgt) nicht in gleicher Weise eine Beauftragung […] wie etwa beim zweiten und vierten Reiter“ 34 (V.4.8b; vgl. noch V. 6fin); schließlich wird er nicht erst künftig agieren, er ist Sieger. 35 Das zuletzt Genannte ist sogar noch zu verstärken: allein der erste Reiter wird schon in Aktion (ejxh`lqen […] – anders als in V. 4 dem ejdovqh folgend) gesehen! 36 Einige Besonderheiten des im ersten Siegel vorgestellten Reiters sowie helle Aspekte seiner Zeichnung sind nicht in Abrede zu stellen, aber das Beweisziel der besprochenen Beobachtungen, eine Sonderstellung des | ersten Siegels gegenüber den drei folgenden zu begründen, also „to destroy the basic unity of the group as a whole“, dürfte nicht erreicht sein. 37

III. Nun kann das Argument der strukturellen Einheit sicher nicht alleiniger Maßstab der inhaltlichen Beurteilung sein;38 deshalb soll noch ein Blick auf 33 Zur zitierten Sicht M. Bachmanns (Blick, 263; ähnlich DERS., Reiter, 251) vgl. die Einwände von H. GIESEN, Dienst, 110; J. HERZER, Reiter, 240 Anm. 43. 34 U.B. MÜLLER, Offb, 166; vgl. M. BACHMANN, Blick, 263; DERS., Reiter, 252. 35 Vgl. M. BACHMANN, Blick, 263; DERS., Reiter, 252f. 36 Vgl. D.E. AUNE, Rev, 389 (anders urteilt D.K.K. WONG, Horseman, 222). J. LAMBRECHT, The Opening of the Seals (Rev 6,1–8,6), Bib. 79, 1998, 198–220, 208, übersieht das, wenn er urteilt, der Schlußsatz in 6,2 „hardly adds a significant element in comparison to the other three where a similar clause is absent“. Verwischt wird dieser Unterschied auch bei U.B. MÜLLER, Offb, 165, der der Vierer-Gruppe insgesamt als ein übereinstimmendes Motiv „Durchführung des Auftrags“ zuschreibt. 37 Mit A. KERKESLAGER, Apollo, 116 (zu M. BACHMANN, Reiter, dessen Sicht er ebd. Anm. 4 knapp zurückweist). J. LAMBRECHT, Opening, 207 Anm. 22. 208 Anm. 23, beschränkt sich auf die Feststellung, Bachmann habe die dargestellten Unterschiede übertrieben. 38 Das betont J. HERZER, Reiter, 237f, zu Recht; aber wer aus einer kohärenten und aufs Ganze gesehen konformen Vierer-Gruppe ein Element inhaltlich heraussprengen will, sollte sich nicht auf die drei anderen der sieben Siegel berufen und zugleich unterstellen, alle sieben seien nach ähnlichen Formkriterien aufgebaut (was nicht der Fall ist: vgl. 6,9ff.12ff; 8,1[ff]), um dann die inhaltliche Differenz des fünften und siebten Siegels zu den Plagereihen als Beleg dafür anzuführen, daß zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden und diese Möglichkeit entsprechend innerhalb der Vier-Reiter-Szene zu berücksichtigen sei. Ebenso unergiebig ist es, Inhalt und Funktion gegeneinander auszuspielen; wenn alle sieben Siegel formal zusammengehören und eine gemeinsame Funktion haben, nämlich das Buch zu verschließen, bleibt davon doch die Frage unberührt, ob die ersten vier Siegel nicht auch inhaltlich miteinander verbunden sind.

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weitere synchrone Argumente geworfen werden, die in der Debatte um die helle oder dunkle Interpretation des ersten Reiters ins Feld geführt werden. Da das meiste bereits vielfach erörtert wurde, beschränke ich mich auf wenige, jüngst erneut angesprochene Punkte. (a) Häufig wird auf den wortgleich angekündigten, den Parusiechristus darstellenden Reiter in 19,11ff. verwiesen: kai; ijdou; i{ppo~ leuko;~ kai; oJ kaqhvmeno~ ejpÆ aujtovn. Dies Signal dürfe unter rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten nicht unterschätzt werden. 39 Freilich muß man dann eklatante Unterschiede in der jeweils folgenden Beschreibung dieser | beiden Reiter nicht minder als Signal werten; der aus Apk 19, der Züge des Menschensohngleichen trägt (vgl. 19,12a.15a mit 1,14fin.16b), gleicht dem ersten der Siegelvisionen nur darin, daß er auf einem weißen Pferd sitzt. Die vielen Diademe auf seinem Haupt sind nicht als eine die „nunmehr durchgesetzte […] königliche […] Würde ihres Trägers“ dokumentierende Steigerung des Kranzes von 6,2 zu begreifen, 40 da nichts bei der Schilderung der Gestalt im ersten Siegel den Gedanken an eine Steigerungsfähigkeit bzw. -bedürftigkeit – weder ihrer Würde noch ihrer Insigne – aufkommen läßt; vor allem jedoch erklären sich die „vielen“ Diademe des Reiters in 19,12 zwanglos aus dem überbietenden Gegenüber zu den einzigen anderen Diademträgern in der Apk, dem Drachen (12,3) und seinem – von diesem Reiter bezwungenen (19,19ff) – Gehilfen, dem Tier (13,1). Keineswegs bedeutungslos ist auch eine andere Differenz: dieser Reiter ist bewaffnet mit einem zum Einsatz bestimmten (19,15) und gebrachten Schwert. Der Verweis auf den Menschensohngleichen in 14,14, der eine Sichel in der Hand hält, vermag die unterschiedliche Ausstattung der Reiter (6,2: Bogen) nicht zu relativieren, 41 weil die Sichel sich glatt in das dortige Bild der 39 J. HERZER, Reiter, 239. (Daß der „geöffnete Himmel“ in 19,11 auf 4,1 [!] zurückweist, erbringt für 6,1f nichts, da nach Apk 5 Christus sich natürlich im Himmel befindet und dort auch die Siegel öffnet. Warum soll überdies – außer man hat sich vorab darauf festgelegt, der erste Reiter sei Christus – in 19,11 der Kreis geschlossen sein, der in 6,2, und nicht der, der in 6,1 [Christus öffnet das erste Siegel] begonnen wurde [vgl. noch unten IVa]?) Zu weiteren Vertretern der christologischen Interpretation vgl. nur A. FEUILLET, cavalier, 241; H. GIESEN, Dienst, 104; D.E. AUNE, Rev, 393f. 40 Gegen J. HERZER, Reiter, 241 (Zitat ebd.); vgl. 248. 41 Gegen M. BACHMANN, Blick, 275 Anm. 70. Daß es bogenführende Gottheiten gibt, eine ägyptische Stele aus dem Jahr 311 v. Chr. einen Herrscher als Bogenträger belegt, der mit dem Schwert kämpft (vgl. a.a.O., 269f) und auf dem Hintergrund von Sach 9,13f LXX eine Darstellung Christi (!) „mit einem Bogen als Symbol für seinen siegreichen Kampf nicht […] unmöglich“ erscheine (J. HERZER, Reiter, 235), könnte doch nur im Fall einer ansonsten ganz unzweideutig christologischen Prägung des Reiters in 6,2 belangvoll sein. Z.C. HODGES, The First Horseman of the Apocalypse, BS 119, 1962, 324–334, 333, der den ersten Reiter auf Christus deutet, will den Unterschied waffen- und kriegstechnisch erklären: „the bow is the weapon of long range warfare, whereas the sword is the weapon used in close combat with the enemy“; dazu passe 6,2 einerseits (Christus kämpft aus der Entfernung) und 19,11ff andererseits (er ficht persönlich den letzten Kampf).

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Ernte fügt, Christus aber als kriegerischer Kämpfer gegen Gruppen in der Gemeinde (2,16) wie gegen die Weltmächte (19,21) das Schwert führt (vgl. noch 1,16; 2,12), womit jener Bogen, dessen Gebrauch nicht geschildert wird, kaum vergleichbar ist. Überdies darf nicht übersehen werden, daß dieser Reiter nicht in erster Linie durch das „Bild“, das er abgibt, sondern durch seine ihm beigelegten Namen identifiziert wird (19,11b.13b.16), ein Umstand, der allein schon davor warnen sollte, die extrem schmale, zudem rein bildliche Brücke zwischen ihm und dem Reiter im ersten Siegel mit christologischer Spekulation zu belasten. | (b) Nicht zwingend ist ein gegen die alte christologische Deutung vorgebrachtes Standardargument: Christus, der als das Lamm die Siegel öffnet, könne schwerlich zugleich der dadurch hervorgerufene Reiter sein.42 Es ist nämlich nicht rundweg ausgeschlossen, daß das Lamm im ersten Siegel „seine eigene Rolle im Endgeschehen“ darstellt. 43 Aber wenn in 6,2 die irdische Ebene in den Blick gerät, so scheint für diese Erzählebene im Visionszyklus der Apk zu gelten, daß auf ihr – anders als auf der Ebene der himmlischen Welt, zu der die Siegelöffnungen gehören – Christus nicht handelnd in Erscheinung tritt. 44 Der weitere Einwand, „die Darstellung der eschatologischen Wiederkunft Christi“ passe „schlecht zum Beginn der endzeitlichen Plagen, sie gehört an das Ende (19,11ff.)“,45 ist unter Berufung auf 5,5 (Christus hat gesiegt) nicht zu entkräften. Gerade weil Christus schon Sieger ist, das ganze Endgeschehen unter diesem Vorzeichen steht, die Glaubenden jetzt und künftig an seinem Sieg partizipieren,46 bedarf es nicht seines Auszugs „in die endzeitliche Weltgeschichte“, sondern nur noch seiner Wiederkunft zum letzten Kampf; entsprechend kehrt er nicht aus der Weltgeschichte zurück, sondern aus dem Himmel (19,11ff)! 47 (c) Die Abfolge der Siegel insgesamt soll dagegen sprechen, „die ersten vier Siegel lediglich als Ansage verheerender Katastrophen zu begreifen“; das fünfte Siegel (6,9–11) mit dem Racheschrei der Märtyrer und der ihm zuteil werdenden Reaktion sei „nur sinnvoll, wenn die Sequenz der apokalyptischen Reiter als die Gemeinde nicht in einem endgültigen Sinn geVgl. z.B. W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, Göttingen 1966 (= KEK XVI, 61906), 265; TH. ZAHN, Offb, 352f; R.H. CHARLES, Rev, 164; D.E. AUNE, Rev, 393f. 43 Mit H. GIESEN, Dienst, 104; vgl. auch noch Z.C. HODGES, Horseman, 330 Anm. 13. 44 Vgl. M.E. BORING, Narrative Christology in the Apocalypse, CBQ 54, 1992, 702–723, 708f.712, der deshalb ausschließt, daß der Reiter im ersten Siegel „despite the resemblance to 19:11–16“ Christus ist (709 Anm. 10). Mit dem Wechsel der Handlungsebenen argumentiert J. HERZER, Reiter, 236f. 45 U.B. MÜLLER, Offb, 164; ähnlich z.B. W. BOUSSET, Offb, 265; R.H. CHARLES, Rev, 164; D.E. AUNE, Rev, 394. 46 Vgl. J.-W. TAEGER, Gesiegt, 33–41 (= S. 91–99). 47 Gegen J. HERZER, Reiter, 236.248 (Zitat: 248); vgl. noch I.T. BECKWITH, Apoc, 518, der die Möglichkeit der Darstellung eines antizipatorischen Triumphes im ersten Siegel bestreitet. 42

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fährdend verstanden werden soll“. 48 Warum aber die Hoffnung, Gott werde das Blut der Glaubenden rächen, einen (zusätzlichen) Anknüpfungspunkt beim ersten Reiter braucht, ist nicht einzusehen. (Eine solche Verbindung, die dann für eine entsprechende | Sicht des ersten Reiters in Anschlag gebracht werden könnte, wird auch nicht durch die Wann-Frage der Opfer hergestellt, denn sie richtet sich nicht an den auferstandenen Christus, sondern an Gott.) 49 Die Zuversicht kann sich schon allein darauf gründen, daß es ja das Lamm selbst ist, das die Siegel löst (vgl. dazu 5,5.8–14), die vier Wesen um Gottes Thron involviert sind, zudem das passivum divinum andeutet, wer das Geschehen kontrolliert. 50 Da das fünfte Siegel – wie aus der Reaktion auf den Ruf der Märtyrer hervorgeht – strafende Aktionen gegen die „auf der Erde Wohnenden“ (6,10) avisiert, steht es sinnvoll nach der Abbildung solcher Ereignisse in der Vier-Reiter-Szene. Zwar könnte es „somewhat out of place“ erscheinen, Vergeltung zu fordern, „when that appears to be precisely what has been dispensed by the four horsemen“,51 aber der Vollzug der Rache ist in V. 2–8 noch nicht geschildert worden. 52 Die im sechsten Siegel aufgeworfene Frage, wer angesichts des Zornes Gottes und des Lammes bestehen könne (6,17), wird in der Erweiterung dieses Siegels beantwortet mit der – vor dem Losbrechen schädigender Gewalten erfolgenden – Versiegelung der Knechte Gottes, der Glaubenden (7,1ff); hier, nicht in 6,2, wird der Aspekt des Schutzes thematisiert – und sinnvoll erst hier (sieht man von der oben erwähnten Verknüpfung der Reiter mit Apk 5 in den Visionseinführungen ab). In den Bedrängnissen wird die Gemeinde gegenwärtig bewahrt durch Gott (und nicht durch Christus), 53 weshalb die Sequenz der Siegel die Auffassung, der erste (christologisch gedeutete) Reiter beherrsche und begrenze die Plagen derart, „daß die Gemeinde letztlich nicht Schaden leidet“, 54 nicht nur nicht fordert, ihr vielmehr direkt entgegensteht. (d) Einige Vertreter der dunklen Interpretation wollen im ersten Siegel einen zeitgeschichtlichen Bezug erkennen, der auch anderenorts in | der Apk aufschimmere (9,14.16; 16,12): der berittene siegreiche Bogenträger 48

M. BACHMANN, Blick, 264 (erstes Zitat); DERS., Reiter, 268 (zweites Zitat). Gegen J.P. HEIL, The Fifth Seal (Rev 6,9–11) as a Key to the Book of Revelation, Bib. 74, 1993, 220–243, 223.227 Anm. 22. Für ihn ist der erste Reiter „the risen Christ“ (223). Der (unübliche) Bezug der Anrede in Apk 6,10 auf Christus wird zu Recht zurückgewiesen von D.E. AUNE, Rev, 407. 50 Vgl. bei M. BACHMANN selbst (Reiter, 268). 51 D.E. AUNE, Rev, 390. 52 Vgl. J. LAMBRECHT, Opening, 208f. 53 Gegen J. HERZER, Reiter, 248f. Zur Sicht der Apk, insbesondere zum Aspekt des weltbezogenen und bewahrenden Handelns Gottes vgl. J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis, BZNW 51, Berlin u.a. 1989, 93ff (zur Beziehung Christi zu den Seinen: 103ff). 54 So M. BACHMANN, Reiter, 268; vgl. schon meine frühere Kritik (Gesiegt, 40 Anm. 46 [= S. 97f]). 49

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stehe für das (erwartete erneute) Vordringen der Parther gegen das Römische Imperium. 55 Mit dieser Annahme könnte erklärt sein, warum ihm keine spezielle Plage zugeordnet ist, er einerseits als Auslöser von Krieg Unheil für die Menschen hervorruft – sich insofern zu den drei anderen Reitern fügt –, 56 er andererseits als Sieger auch helle Züge trägt, da die bevorstehende Zerstörung Roms ein freudiges Ereignis ist. 57 Weil sich dieser ganz konkrete Bezug auf die Parther aber nicht sichern läßt, bevorzugen andere Ausleger eine allgemeinere Deutung wie „personification of conquest in general“, „warfare“ bzw. „Krieg schlechthin“. 58 Denkt man dabei an reales Kampfgeschehen, repräsentieren die anderen Reiter die Begleitumstände oder Folgen des Krieges; faßt man hingegen Krieg als „Metapher für eine andere Wirklichkeit“ auf, „näherhin […] für das Heilshandeln Gottes und seines Lammes zugunsten der treuen Christen“, 59 ist die dunkle Interpretation unter der Hand zu einer hellen geworden. Für die letztgenannte Sicht kommt dem Verständnis des Buches, dessen Siegel das Lamm öffnet, entscheidende Bedeutung zu.

IV. Wie man sich das aus der Rechten Gottes auf das Lamm übergehende siebenfach versiegelte, „innen und hinten“ beschriebene biblivon (5,1.8) nach Form, Inhalt und Funktion vorzustellen hat, ist umstritten. 60 Im vorliegenden Zusammenhang braucht nur die Frage zu | interessieren, ob zwei vorgeschlagene Deutungen dieses Buches mitsamt den daraus abgeleiteten Interpretationshilfen für die Siegelvisionen, vor allem das erste Siegel, überzeugend sind. (a) Unter Festlegung auf die (wenig wahrscheinliche) Annahme, das Buch besitze die Form einer Doppelurkunde, 61 wird die ältere Auffassung 55

Vgl. U.B. MÜLLER, Offb, 167; W. BOUSSET, Offb, 266; R.H. CHARLES, Rev, 163f; O. BÖCHER, Johannesapokalypse, 56; F.J. MURPHY, Fallen is Babylon, The New Testament in Context, Harrisburg, Pen. 1998, 205, u.a. 56 So z.B. U.B. MÜLLER, Offb, 167. 57 So A. YARBRO COLLINS, The Apocalypse, NTMes 22, Collegeville, Min. (1979) 1990, 45. 58 Zitate: I.T. BECKWITH, Apoc, 519; D.E. AUNE, Rev, 395; H. GIESEN, Dienst, 108. Auf diese Weise kann der erste Reiter auch deutlicher vom zweiten unterschieden werden (vgl. nur I.T. BECKWITH, ebd.). 59 H. GIESEN, Dienst, 108f. 60 Vgl. dazu nur R. BERGMEIER, Die Buchrolle und das Lamm (Apk 5 und 10), ZNW 76, 1985, 225–242, 226ff; D.E. AUNE, Revelation 1–5, Word Biblical Commentary 52, Dallas 1997, 341ff. 61 J. HERZER, Reiter, 243ff. Zu anderen Vertretern dieser These und zur Kritik an ihr vgl. neben D.E. AUNE, Rev, 342f, auch R. BERGMEIER, Buchrolle, 229f, dessen Einwände von Herzer (245 Anm. 71) nicht überzeugend zurückgewiesen werden, da die Doppelurkunde eine – wie umfang-

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wiederbelebt, es handele sich um das in 20,12 geöffnete Buch des Lebens;62 das Aufbrechen der Siegel, deren letztes erst nach den Schalen, „nach den Ereignissen von 17.1–20.10“ geöffnet sei, offenbare nicht den Inhalt dieses Buches, sondern die (End-)Ereignisse, die vor seiner Öffnung geschehen. Der Reiter von Apk 19, also Christus, erscheine „somit noch auf derselben perspektivischen Ebene, die mit 6.2 eröffnet wurde“, was dann dessen Identifizierung mit dem Reiter im ersten Siegel natürlich begünstigt.63 Wie immer das Problem des Buches, insbesondere das Verhältnis zwischen der Öffnung seiner Siegel und der Entbergung seines Inhalts zu lösen ist, das referierte Verständnis des Buches jedenfalls dürfte fehlgehen. Es genügt, wenige Punkte anzusprechen: (1) Das Buch des Lebens wird in der Apk immer ausdrücklich als solches bezeichnet (3,5; 13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27); ausgerechnet dort, wo es vermeintlich im Zentrum der Darstellung steht (Apk 5), sollte der dies Buch charakterisierende, zur Unterscheidung von den anderen in der Apk erwähnten Büchern (1,11; 22,7 etc./5,1–5.8f./10,2.8–10/20,12) dienende Zusatz th`~ zwh`~ fehlen? (2) Die zweimal verwendete Bezeichnung „Lebensbuch des Lammes“ (13,8; 21,27) erklärt sich – wie beide Stellen deutlich zeigen – daraus, daß nur die treuen Anhänger des Lammes in diesem Buch verzeichnet sind. Sie spielt nicht auf eine „zwischen Lamm und dem versiegelten Buch in Kap. 5“ bestehende | Verbindung an, da der Heilstod Christi in Apk 5 allein seine Würde, das versiegelte Buch zu erhalten und zu öffnen, begründet (5,5.9f) und nicht mit dem Verzeichnetsein im Lebensbuch in Zusammenhang gebracht wird (übrigens auch nicht durch den Hinweis auf das geschlachtete Lamm in 13,8, der sich dort auf V. 3 zurückbezieht, die geheilte Todeswunde, die zur Parodie Christi durch das Tier gehört). 64 (3) Wäre tatsächlich das versiegelte Buch aus Apk 5, dessen Verschlossenbleiben den Autor der Apk so sehr bewegt, daß er heftig weint (5,4), in 20,12 „nun – endlich –“ geöffnet, hätte derselbe Autor – auch „unter rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten“ 65 – sich alle Mühe gegeben, die Einlösung einer seit 5,3 geschürten Erwartung kräftig zu kaschieren. Verglichen mit der Dramatik in Apk 5 doch eher beiläufig wird im Rahmen des Vollzugs des allgemeinen Endgerichts nach und neben weiteren Büreich auch immer ausfallende – scriptura exterior voraussetzt, die in jedem Fall etwas über den versiegelten Inhalt verrät, was kaum mit Apk 5,2f zu vereinbaren ist. Außerdem ist bei Annahme des Vorliegens einer solchen Doppelurkunde auf die – sicher sekundäre – Lesart „innen und außen“ (so kann übrigens auch Herzer formulieren: 245) in 5,1 auszuweichen, wie das u.a. Herzers Gewährsmann O. ROLLER (Das Buch mit sieben Siegeln, ZNW 36, 1937, 98–113, 98f) tut. 62 J. HERZER, Reiter, 246f. Zu anderen Vertretern dieser Sicht vgl. CH. BRÜTSCH, Offb I, 247; D.E. AUNE, Rev, 345. 63 J. HERZER, Reiter, 247ff (Zitate: 248). 64 Zu J. HERZER, a.a.O., 246f (Zitat: 247) mit Anm. 76. 65 Zitate: a.a.O., 246.

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chern „ein anderes Buch, das des Lebens“ geöffnet. Sind von diesem Gericht ausschließlich gottfeindliche Menschen betroffen, wird das Lebensbuch in 20,12.15 nur eingeführt, „um zu betonen, wer nicht in ihm verzeichnet ist“, 66 was als eigenartiger Höhepunkt einer seit Apk 5 aufgebauten Spannung zu gelten hätte. Sind hingegen – wie auch ich meine67 – von diesem Gericht Christen nicht ausgenommen, werden diese durch die Öffnung des Lebensbuches als Teilhaber am Endheil identifiziert (21,27; vgl. 20,15). Nichts aber deutet in Apk 5 darauf, daß dort diese Frage (wer für das Leben in der zukünftigen Welt bestimmt ist) einer Antwort harrt. (4) Handelte es sich in 20,12 um das Buch aus Apk 5, sollte man erwarten, daß der zum Öffnen des Buches und seiner Siegel Bevollmächtigte in dem Augenblick, da das Buch endlich geöffnet wird bzw. ist und seinen Inhalt offenbart, deutlich in Erscheinung träte. 68 (5) Orientiert man sich am Kompositionsprinzip der Apk (das jeweils letzte Glied der drei gezählten Siebener-Reihen enthält alles Folgende), ist es problematisch, nach 20,10 einen Einschnitt zu legen. Dazu kann nur das gewünschte Ergebnis verleiten: jetzt werde das versiegelte Buch ge|öffnet. Das mit dem siebten Siegel, der siebten Posaune und der siebten Schale freigesetzte Geschehen endet vielmehr mit 22,5. 69 (b) Wer die Übergabe des siebenfach versiegelten Buches an das Lamm als Erweis der herrschaftlichen Stellung Christi wertet, urteilt sicher textgemäß (vgl. 5,8.12–14). Die Würde des Lammes, das Buch zu öffnen, gründet in seinem Heilstod (V. 9f). Daraus ist jedoch noch nicht zu schließen, das Buch sei „Heilsbuch für die Christen“, sein Inhalt „deutlich eschatologische Heilsbotschaft“, um auf dieser Grundlage dem ersten Reiter eine „positive Wirkung […] zugunsten der treuen Christen“ zuzuschreiben. 70 Diese Sicht des Buches greift zu kurz, zumal dann, wenn es inhaltlich mit der Apk selbst identisch sein und deren gesamte Botschaft umfassen soll. 71 Das endzeitliche Handeln Gottes und Christi – sei es Inhalt des Buches, sei es Begleiterscheinung der Siegelöffnungen – gereicht zwar den Glaubenden 66

H. GIESEN, Offb, 447 (Hervorhebung von mir). J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse, 163ff (wo weitere Vertreter dieser Sicht genannt werden). 68 Außerdem, folgt man der Sicht J. Herzers, ergibt sich: Das versiegelte Buch geht aus der Rechten Gottes auf Christus über, der dessen Siegel löst, woraufhin Gott dann als Richter neben anderen Büchern auch dies Buch einsieht (Apk 20,11–13) – eine schwerlich mit 5,1ff zu vereinbarende Vorstellung. 69 Vgl. nur J. LAMBRECHT, A Structuration of Revelation 4,1–22,5, in: Ders. (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL LIII, Gembloux 1980, 77–104, bes. 85–88. 70 Gegen H. GIESEN, Dienst, 119.93 (erstes Zitat, im Original hervorgehoben). 96 (zweites Zitat).109 (drittes Zitat; vgl. oben im Text bei Anm. 59). 71 So H. GIESEN, a.a.O., 95.121. D.E. AUNE, Rev, 374 (der Apk 22,6–9 als „[t]ransitional conclusion“ ansieht [civ]), urteilt: „The scroll and its contents […] include the entire eschatological scenario extending from 6:1 through 22:9“. 67

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zum Heil, den anderen aber zum Unheil, was zumindest zu der notwendigen Einschränkung nötigt, das Buch sei „in erster Linie ein Heilsbuch“ für Christen, dagegen ein „Gerichtsbuch für deren Feinde“, zur Heilszusage gehöre das „Gerichtsgeschehen“. 72 Ist das zweifellos richtig, hält man außerdem fest, die ersten vier Siegelvisionen hätten „nur eine Stoßrichtung“, verfolgten „nur ein Ziel“, 73 wird erneut zu fragen sein, wie vor diesem Hintergrund der erste Reiter zu verstehen ist.

V. Wie die voranstehenden Ausführungen zeigen, scheitert der Versuch, den ersten Reiter aus der Phalanx der vier Reiter herauszulösen (vgl. | oben II; IIIa–c). 74 Gleichwohl gilt, was auch Verfechter seiner dunklen Interpretation bemerkt haben: er besitzt „ganz eigentümliche Konturen“ 75 (vgl. oben Ia–c; IIe). Zu überzeugen vermag nur eine Deutung, die diesem doppelten Befund gerecht wird. Darauf zielt der Vorschlag von A. Feuillet. Für ihn repräsentiert der erste Reiter „non pas une calamité déterminée, mais le jugement divin dont les instruments seront le trio traditionnel de la guerre, de la famine et de la peste“ (vgl. 6,3–8, bes. auch V. 8b); es handele sich um „une puissance maléfique au service de Dieu, c’est à dire un châtiment

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H. GIESEN, a.a.O., 119 (erstes Zitat).109 (zweites Zitat).119 (drittes Zitat). H. GIESEN, a.a.O., 121 (erstes Zitat).118 (zweites Zitat); Hervorhebungen von mir. 74 Die Argumente aus dem „weite(n) Feld der Diachronie“ (M. BACHMANN, Blick, 265, vgl. dort, 265–277; DERS., Reiter, 259–265), die angeblich dafür sprechen, „den ersten apokalyptischen Reiter im positiven Sinne zu verstehen, als Hypostasierung des Erscheinens Gottes“ und auf dieser Basis als eine Figur in einer Reihe mit 14,14(f) und 19,11(f) (Blick, 277f), habe ich vor allem aus zwei Gründen nicht berücksichtigt. (1) Der synchronen Betrachtung kommt die Priorität zu; „(k)eine Deutung wird […] als akzeptabel gelten können, die sich nicht an der Apokalypse insgesamt bewähren läßt“ (so M. BACHMANN selbst [Reiter, 243]); genau das trifft m.E. auf die anfangs zitierte zu. (2) So offenkundig die Vier-Reiter-Vision durch Sach 1,8ff; 6,1ff einerseits und traditionelle Reihungen von Plagen (z.B. Ez 14,21) andererseits beeinflußt ist, so vage bleibt die Vermutung, der Autor habe sich bei Aufnahme und Umprägung des Vorgegebenen orientiert an „bestimmten Aus- und Umformungen“ eines „Theophanie-Schemas“, in dem das „Nebeneinander eines positiven und eines negativen Aspektes […] als das Nebeneinander von Gott und Dunklem, von Gott und Plagen dargestellt werden (kann)“ (Blick, 272.267; Hervorhebung von mir). Ähnliches ist zu den Versuchen zu sagen, Berührungen mit der synoptischen Apokalypse auszuwerten, wie das z.B. wieder A. KERKESLAGER, Apollo, 117, tut. 75 U.B. MÜLLER, Offb, 166; vgl. A. FEUILLET, cavalier, 244: der erste Reiter „a des caractères très spéciaux“; P. PRIGENT, L’Apocalypse de Saint Jean, CNT[N] XIV, Lausanne 1981, 109; auch W. BOUSSET, Offb, 265 (aufgrund traditionsgeschichtlicher Erwägungen); anders urteilt M. RISSI, Hure, 23. 73

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divin“. 76 Gegen diese Interpretation sollte man nicht einwenden, sie zerstöre den Parallelismus der vier Glieder und die Einheit der Gruppe, indem sie dem ersten Siegel „the distinction of encompassing the following three seals“ zuschreibe; 77 | denn der Apk-Autor hat dem ersten Siegel tatsächlich ein eigenes Gepräge verliehen, dem diese Sicht Rechnung tragen will. Problematisch ist allerdings ihr Rückgriff auf die alttestamentliche Rede von den Pfeilen der göttlichen Züchtigung, nicht zuletzt auf den Text Ez 5,16f (vgl. Dtn 32,23f): „Indem ich meine bösen Pfeile des Hungers unter euch aussende, die zum Verderben werden, die ich aussende, euch zu verderben, und Hunger vermehre ich unter euch, da zerbreche ich euch den Stab des Brotes. Und ich schicke über euch Hunger und böses Getier, und sie machen dich kinderlos. Und Pest und Blut wird über dich ziehen. Und das Schwert bringe ich über dich. Ich, Jahwe, habe geredet.“ 78 Die unverkennbare Motivverwandtschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß in Apk 6,2 der Einsatz des Bogens und seine Pfeile gerade nicht erwähnt werden;79 damit ist aber zugleich fraglich, ob dieser Bogenträger einfach als göttliche Züchtigung verstanden werden darf. Der Reiter auf dem weißen Pferd, Inhalt des ersten Siegels, bildet den Auftakt der mit dem Öffnen dieses Siegels (und der weiteren) ausgelösten Endereignisse. Seine Position wie die Eigenart seiner Zeichnung lassen ihn deshalb zwanglos und ohne textwidrige Einengung als Verkörperung des endzeitlichen – bereits wirksamen und sich unaufhaltsam durchsetzenden – Handelns Gottes begreifen, das der Sieger Christus inauguriert, der nicht dieser erfolgreiche Reiter ist, der ihn jedoch als der zur Öffnung des versiegelten Buches allein Würdige auf den Weg gebracht hat. Diese Deutung steht im Einklang mit allen Elementen des Bildes (1) und dem Kontext (2). (1) Die weiße Farbe des Pferdes, der Bogen, den der Reiter trägt, der diesem verliehene Kranz und die Siegesaussagen kennzeichnen übereinstim76

A. FEUILLET, cavalier, 247 (im Original z.T. hervorgehoben); ähnlich P. PRIGENT, Apoc, 109f. CH. BRÜTSCH, Offb I, 284, nannte diese Deutung „zweifellos bestechend“ und meinte, sie werde „wohl in der Zukunft […] weite Zustimmung finden“ (283), worin er sich getäuscht hat. 77 So A. KERKESLAGER, Apollo, 116; einen ähnlichen Einwand erhebt H. GIESEN, Offb, 176, dessen eigene Lösung aber strukturell durchaus vergleichbar ist: der erste Reiter wirkt positiv zugunsten der Christen, schenkt Zuversicht und ermutigt zur Glaubenstreue (Dienst 109); von den Elementen des Gerichts werde bei den drei folgenden gesprochen, doch seien die Christen davon nicht betroffen (96; vgl. DERS., Offb, 173.179ff). 78 Übersetzung nach K.-F. POHLMANN, Das Buch des Propheten Hesekiel (Ezechiel). Kapitel 1–19, ATD 22,1, Göttingen 1996, 80. Vgl. A. FEUILLET, cavalier, 243–246; auch H. GIESEN, Offb, 176; DERS., Dienst, 109. 79 Das machen z.B. M. RISSI, The Kerygma of the Revelation to John, Interp. 22, 1968, 3–17, 9 Anm. 24; CH. BRÜTSCH, Offb I, 284, geltend; vgl. auch D.E. AUNE, Rev, 394. Rissi selbst beruft sich auf Ez 39,3f (ebd.; vgl. DERS., Rider, 415f) und erkennt im ersten Reiter „a figure of the Antichrist“ (Rider, 416); dazu vgl. die Kritik bei H. GIESEN, Dienst, 100ff; U.B. MÜLLER, Offb, 164, und unten im Text bei Anm. 81.

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Hell oder dunkel?

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mend die Gestalt als eschatologischen Triumphator; er verbildlicht damit die kämpferische Durchsetzung der Herrschaft Gottes (und seines Christus), ein Thema, das als cantus firmus die Apk durchzieht (vgl. nur | 7,10– 12; 11,15–18; 12,10–12; 15,3f; 19,1f.6). Das erklärt, warum ihm keine bestimmte Plage zugeordnet und sein Wirkungsfeld nicht eingegrenzt ist; denn in konkreten strafenden Gerichten – obwohl sie wesentlich dazu gehören (vgl. 6,3ff und z.B. 16,5f) – erschöpft sich das endzeitliche Handeln Gottes nicht. Verständlich wird zugleich, daß allein von diesem Reiter gesagt wird, er agiere schon, 80 sei ausgezogen „als Sieger und um zu siegen“; denn die Endzeit hat bereits begonnen, die folgenden Visionen der Apk avisieren nicht bloß Kommendes, sondern deuten auch die gegenwärtige Situation (z.B. Apk 12f). Endlich kann nur von der Herrschaftsdurchsetzung Gottes gelten, was den ersten Reiter auszeichnet: nikw`n kai; i{na nikhvsh/. Die Rede ist nämlich nicht von einem Sieg, dem die endgültige Erfüllung versagt bleibt, im Gegenteil: dieser Siegeszug ist nicht aufzuhalten.81 (2) Gewahrt ist durch die hier vorgeschlagene Deutung zum einen der Zusammenhang mit der Thronszene in Apk 5, denn „(w)hatever interpretation is given to the horseman, it is clear that he functions directly for the purpose of advancing the cause of that throne“,82 zum anderen aber auch die Verbindung mit den gleichgerichteten drei folgenden Reitern, die Verderben für die Bewohner der Erde bereithalten. Des weiteren erweisen sich so die übrigen Siegel, das fünfte und sechste, als durchaus sinnvoll plaziert (vgl. oben IIIc); zudem berücksichtigt diese Sicht, daß das in 6,2 Anhebende erst mit dem Herabkommen der Stadt Gottes (21,1ff) sein Ziel erreicht hat. Schließlich erübrigt es sich, aus Begründungsnot den ersten Reiter zu einer bloßen „Andeutung […]“ dessen herabzustufen, was dem „aufmerksame(n) Leser und Hörer“ anderenorts in diesem Werk entborgen werde. 83 | 80

Dies wichtige Spezifikum des ersten Reiters ist verkannt bei J. LAMBRECHT, Opening, 209: „the riders of the first four seals are made ready […] they are not yet active“; andererseits aber urteilt er zu Apk 6: „This is action, not just publication […] the revelation by the Lamb is already an initial realization and enactment“. 81 Gegen M. RISSI, Kerygma, 9: der Sieg, von dem 6,2 spreche, „can never be accomplished“; der Reiter (für ihn der Antichrist) „has to be continually after new victories“. Zum Verständnis der Wendung vgl. D.E. AUNE, Rev, 394, der übersetzt: „the conqueror went out in order to conquer even more“ (378; im Original hervorgehoben). 82 Z.C. HODGES, Horseman, 327 (zu seiner Deutung vgl. oben Anm. 41). 83 Zitate: M. BACHMANN, Blick, 278; der Leser/Hörer werde auf 14,14(f) und 19,11(f) stoßen: die „späteren Aussagen sind dann deutlicher, so deutlich, wie es bei Bildern nur sein kann“ (ebd.). Ähnlich sieht es Z.C. HODGES, Horseman, 329: der Reiter sei so beschrieben „as to leave the reader at that point without the sure means of identifying him“. Aber nicht nur Vertreter der hellen Deutung greifen zu dieser Auskunft: M. RISSI, Rider, 416f, verweist zu 6,2 auf die Zeichnung des Antichrists in 11,7 und 13,17, wo auch nachgetragen werde, gegen wen der Reiter kämpft (13,7f); A. KERKESLAGER, Apollo, 121, gesteht zu, seine Deutung auf die falsche Prophetie sei dem Leser

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Hell oder dunkel? Die Beantwortung der Ausgangsfrage hängt davon ab, aus welcher Perspektive man die Siegergestalt betrachtet. Im Hinblick darauf, daß Gott, der Pantokrator, seine Herrschaft im Kommen des Zorns (vgl. 6,16f; 14,10.19; 15,1.7; 16,1.19; 19,15) und des Gerichts durchsetzt (11,17f), also nicht nur aus dem Blickwinkel derer, „die auf der Erde wohnen“ (6,10; vgl. 8,13; 13,8; 17,2 u.ö.), muß der erste Reiter dunkel wie seine Mitstreiter (6,3–8) erscheinen. Den treuen „Knechten Gottes“ (7,3 u.ö.) hingegen, die jetzt unter den dem Verderben Anheimgegebenen leiden (vgl. 6,9–11 u.ö.), denen selbst jedoch Lohn verheißen ist (11,18), 84 kann der Triumphator auch hell erscheinen, wie ihnen letztlich alles zum Guten gereicht, das seinen Ursprung beim Thron Gottes hat und bei Christus, dem Initiator der Endereignisse.

erst möglich, wenn er das vierte Siegel zur Kenntnis genommen habe und realisiere, daß dem ersten Reiter eine negative Bedeutung zukommen und es sich bei ihm um eine mythologische Figur (wie Tod und Hades) handeln müsse. 84 Allerdings darf nicht vergessen werden, daß auch die Christen dem Gericht unterworfen (20,11ff; vgl. oben im Text bei und mit Anm. 67) und der Drohung von 22,18(!) ausgesetzt sind. – Weil das umfassende Wirken des ersten Reiters auch heilvolle Konsequenzen hat (die freilich hier in 6,1ff nicht im Vordergrund stehen), würde ich ihn nicht mehr (wie früher: Gesiegt, 39f mit Anm. 46 [= S. 97f]) pauschal als unheilvoll charakterisieren.

Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift*

This paper addresses certain aspects of the opening passage of Revelation which have received little attention in recent years: the central role ascribed to John and the multiple characterisations of his work. These aspects are analysed in the context of the metatextual character of the passage. Moreover, these verses probably were not composed by the author himself, but rather by an editor/redactor who belonged to the Johannine circle, as can be shown through linguistic data and thematic analogies. The editor authorises John’s work and thereby the critical view towards the Empire contained in the book itself – an attitude which stands in opposition to the one commonly adopted by Christians at the time.

I. Forschungsaspekte Dem Eröffnungstext der Johannesoffenbarung galt schon immer die besondere Aufmerksamkeit der Exegeten, denn wichtige Problemfelder der Interpretation der Offb finden hier ein Widerlager. Ich greife nur einiges heraus: Die unendliche Debatte um die Gattung dieses Werkes wird genährt durch das Anfangswort des Textes (ajpokavluyi~) wie durch seine Charakterisierung in V. 3 (oiJ lovgoi th'~ profhteiva~) und bewegt sich bis heute im Bereich der dadurch eröffneten Möglichkeiten – gegebenenfalls unter Berücksichtigung des brieflichen Rahmens (1,4–6; 22,21). 1 Bei der Auslegung der drei Anfangsverse wird man außerdem mit dem viel diskutierten | Problem konfrontiert, wie der Umgang der Offb mit dem AT einzuschätzen ist,

* Erweiterte Fassung eines Vortrags (Short Main Paper) auf dem Kongress der SNTS in Durham, 2002. (Zuerst veröffentlicht in NTS 49, 2003, 176–192.) 1 Die Palette reicht von „echte Apokalypse“ (O. BÖCHER, Johannes-Apokalypse, RAC 18, 1998, 595–646, 604) über viele Zwischenstufen wie beispielsweise: prophetische Apokalypse (D.E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52A, Dallas 1997, lxxxix–xc), brieflicher Text der Offenbarungsliteratur (M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 305), „a work of prophecy in the form of the apostolic letter“ (E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Book of Revelation. Justice and Judgment, Philadelphia 1985, 176f) bis „a proximate classical prophecy“ (F.D. MAZZAFERRI, The Genre of the Book of Revelation from a Source-critical Perspective, BZNW 54, Berlin/New York 1989, 383).

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inwieweit atl. Hintergründe das Textverständnis vorgeben,2 in welchem Umfang daneben hellenistisch-römische Verbindungslinien Beachtung verdienen. 3 Gerade zu Beginn des Werkes stellt sich auch die Frage nach seinen möglichen liturgischen Bezügen bzw. einer solchen im Text selbst manifesten Kommunikationssituation (vgl. V. 3). 4 Mein Interesse gilt aber jetzt zwei anderen Punkten: 1. Die Verse gerieten nicht erst zur Zeit der Hochblüte der Literarkritik bzw. des source criticism in den Verdacht, dem Werk später hinzugewachsen zu sein; deshalb fällt hier bereits eine Vorentscheidung darüber, welche Bedeutung man dem literarkritischen Aspekt bei der Exegese der Offb einzuräumen bereit ist. 5 2. Von Anfang an hat 1,1–3 eine herausragende Rolle im Streit | um den Verfasser des Werkes gespielt: Auch unter Berufung auf diese Verse bestritt man, dass der Johannes der Offb der Apostel und zugleich der (vermeintliche) Autor des Evangeliums und des Briefes sei (so schon im 3. Jh. Dionys von Alexandrien); andere aber glaubten in diesen Versen deutliche Hinweise auf die apostolische 2

Vgl. z.B. den Beginn der Auslegung von 1,1 bei H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 19, oder bei G.K. BEALE, The Book of Revelation, NIGTC, Grand Rapids 1999, 181f. Wer die in V. 1 genannten Adressaten („seine Sklaven“) als (christliche) Propheten versteht, beruft sich nicht nur auf 10,7; 11,18; 22,6, sondern auch (so R.H. CHARLES, The Revelation of St. John, Bd. 2, ICC, Edinburgh 1920, 1,6) oder ausschließlich auf Am 3,7 (so E. SCHÜSSLER FIORENZA, Das Buch der Offenbarung: Vision einer gerechten Welt, Stuttgart 1994, 60). Diese Einengung des Adressatenkreises ist jedoch nicht gerechtfertigt, vgl. nur I.T. BECKWITH, The Apocalypse of John, New York 1919; ND Grand Rapids 1979, 419; A. SATAKE, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, Neukirchen-Vluyn 1966, 47–97, bes. 88–90; U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 21995), 67. 3 Dieser Aspekt spielt natürlich in anderen Partien der Offb (etwa Kap. 12 und 13) eine erheblich größere Rolle, kommt aber auch hier zum Zuge, wenn z.B. in 1,1 die Bedeutung von shmaivnein untersucht wird (vgl. etwa K.H. RENGSTORF, Art. shmaivnw, ThWNT 7, 1964, 261–265, 263, mit AUNE, Revelation, 15 und hinsichtlich der Bezeichnung dou'lo~ nicht nur atl.-jüdische Bezüge Beachtung finden (AUNE, Revelation, 13). 4 Vgl. nur U. VANNI, L’Apocalisse: ermeneutica, esegesi, teologia, SRivBib 17, Bologna 1988, 73–97, 101–13; DERS., Liturgical Dialogue as a Literary Form in the Book of Revelation, NTS 37, 1991, 348–372; C.H. GIBLIN, The Book of Revelation, GNS 34, Collegeville 1991, 37f. 5 Bereits H. GROTIUS, Annotationes in Novum Testamentum, Bd. 2, Editio nova, Erlangen 1769/1756–7, Bd. 2, 1132, vermutete (zu Offb 1,9) eine Abfassung von Teilen des Werkes zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten und urteilte (zu Offb 4,1): Auf die sieben Schreiben „sequuntur visa alia, quae diversis temporibus apostolo obtigere, et postea in unum volumen redacta sunt“ (Bd. 2, 1155). Zu den Anfängen vgl. F. LÜCKE, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung des Johannes oder Allgemeine Untersuchungen über die apokalyptische Litteratur überhaupt und die Apokalypse des Johannes insbesondere, Commentar über die Schriften des Evang. Johannes 4/1, Bonn 21852, 864–887, und die knappen Hinweise bei D. VÖLTER, Die Entstehung der Apokalypse, Freiburg i.B., 21885, 3–4. Für das 19. Jh. und den Beginn des 20. Jh. geben gute Überblicke: W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 1906; ND 6 1966) 108–118; BECKWITH, Apocalypse, 224–239. Wichtige Beiträge des 20. Jh. nennt AUNE, Revelation, cx–vii. Nicht in jedem Fall jedoch hat man VV. 1–3 (ganz oder teilweise) der dann vermeintlich jüngsten Schicht zugewiesen, vgl. die Angaben bei F. SPITTA, Die Offenbarung des Johannes, Halle 1889, 17–18, und AUNE (cxii–cxiii) sowie dessen eigene Unsicherheit hinsichtlich 1,1–6 (cxx–cxxi).

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Verfasserschaft der Offb zu finden. 6 Heute wirkt dieser Gesichtspunkt nach in der Erwägung einer möglichen Beziehung der Offb zum johanneischen (Schriften-)Kreis. In der Exegese treten gelegentlich Erschöpfungszustände ein, die aus dem Überreizen bestimmter Fragehinsichten resultieren; Überdruss führt dann nicht selten dazu, ein Forschungskapitel abzuschließen und ein anderes zu eröffnen. Neue Trends, einmal in Gang gesetzt, bergen leicht die Gefahr, das Wahrnehmungsinteresse der Ausleger einzuengen und in früheren Forschergenerationen Erarbeitetes vorschnell in Vergessenheit geraten zu lassen. Im Blick auf die Offb hat sich das über einen längeren Zeitraum insbesondere auf die zwei von mir angesprochenen Punkte ausgewirkt, die literarkritische und die johanneische Frage. Im Zuge der kompositionsanalytischen Arbeiten und einer zunehmend holistischen Interpretation der Texte trat die klassische Literarkritik immer mehr in den Hintergrund, auch in einem Werk, das wie kaum ein anderes der diachronen Analyse vielfältige Anhaltspunkte zu bieten scheint. In einigen neueren Kommentaren existiert die literarkritische Frage entweder gar nicht mehr 7 oder sie wird in einem Modell aufgehoben, das ohne die | Annahme verschiedener Hände auskommt: Ein und derselbe Autor habe über viele Jahre hinweg kleinere Texteinheiten verfasst und im Abstand von Jahrzehnten zwei Ausgaben seines Werkes veranstaltet. 8 Wenn gegen jedwede Ansätze des source criticism die angeblich bis ins Detail höchst kunstvolle Komposition des Buches 6 Dionys v. Alexandrien (bei Euseb, hist. eccl. VII 25,7–11) verwies auf die Vermeidung des Namens des Autors im Evangelium und in den Briefen im Unterschied zu Offb 1,1–2 (und VV. 4, 9; 22,7–8). Hingegen sahen bereits Beda und andere mittelalterliche Kommentatoren Bezüge zwischen V. 2 und dem Evangelium (vgl. die Zusammenfassung bei A. HEINZE, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, BWANT 142, Stuttgart 1998, 203f), wie denn dieser Vers gern von Verteidigern der apostolischen Verfasserschaft der Offb als Hinweis auf Person, Leben und (andere) Werke des Autors gelesen wurde, vgl. dazu F. LÜCKE, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung Johannis und in die gesammte apokalyptische Litteratur, Commentar über die Schriften des Evangelisten Johannes 4/1, Bonn 1832, 238–241 (mit anderer Wertung des Textbefundes: 21852, 510–515); T. ZAHN, Die Offenbarung des Johannes Bd. 2, KNT 18, Leipzig/Erlangen, 1–31924, Bd. 1, 153f mit Anm. 44. Noch J. WELLHAUSEN, Analyse der Offenbarung Johannis, AGWG.PH NF 9/4, Berlin 1907, 4, entnimmt V. 2, hier werde (allerdings vom Herausgeber der Offb!) der Autor der Offb als Verfasser des Joh gekennzeichnet. 7 Als Beispiele seien genannt die „großen“ Kommentare von H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997 und BEALE, Revelation, die beide darauf verzichten, in ihren umfangreichen Einleitungen der literarkritischen Frage einen Abschnitt zu widmen, und deren Umgang mit ihr als forschungsgeschichtliche Vorgabe gut an ihren jeweiligen Ausführungen zu Offb 11,1–2 abzulesen ist (GIESEN, Offenbarung, 240; BEALE, Revelation, 556). 8 So der Vorschlag von AUNE, Revelation, cxx–cxxxiv; er stellt eine Verbindung von Elementen der Fragmenten- und der Revisionshypothese dar. Die letztere vertreten in unterschiedlicher Ausprägung z.B. KRAFT, Offenbarung, 11–15, 49–50, 94, 123; P. PRIGENT, L’Apocalypse de Saint Jean, CNT[N] 14, Genève 21988, 371–373, der jetzt in Auseinandersetzung mit AUNE auch eine Art „weiche“ Fragmentenhypothese favorisiert (32000, 63–69).

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ins Feld geführt wird, 9 kann man sich manchmal kaum des Verdachts erwehren, mit solcher Hochschätzung der vorliegenden Komposition fälle der Ausleger bewusst oder unbewusst eher ein Urteil über seine eigene exegetische Entdeckerkraft als über das Untersuchungsobjekt, ganz abgesehen davon, dass der Eindruck einer einheitlichen Komposition ein vorgängiges sekundäres Textwachstum keineswegs ausschließt. Literarkritische Erwägungen sind denn auch nie ganz zum Erliegen gekommen. Ähnliches ist von der uralten Frage nach dem Johanneischen der Offb zu sagen. Sie galt in der kritischen Forschung lange als obsolet und wurde den eher konservativen Exegeten überlassen, die ohnehin noch einen gemeinsamen Verfasser der „johanneischen“ Werke voraussetzten und auf dieser Grundlage argumentieren konnten; sie wurde freilich in neuer Weise gestellt, als man trotz der unvermeidbaren Annahme unterschiedlicher Verfasser für Evangelium und Briefe einerseits und Offb andererseits bemerkenswert Gemeinsames zu entdecken glaubte und dafür im Ganzen wie im Einzelnen verschiedene Erklärungsmodelle entwickelte. 10 | Im Folgenden möchte ich zunächst einige Aspekte des Eröffnungstextes ansprechen, die mir wesentlich erscheinen, doch nicht immer angemessen beachtet werden (II); dann werfe ich bezogen auf diesen Textabschnitt erneut die literarkritische (III) und die johanneische Frage (IV) auf und wage in diesem Zusammenhang eine These zum metatextuellen Charakter dieses Teiltextes.

9 R. BAUCKHAM, The Climax of Prophecy: Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 1 Anm.1; das ist übrigens ein altes Argument, wie die Ausführungen von SPITTA, Offenbarung, 5, zeigen, der dem schon entgegenhält: „Allein in dem Nachweise desselben (sc. des künstlerisch vollendeten Aufbaus des Ganzen) hat der Scharfsinn der Exegeten dem Verfasser (sc. der Offb) oft genug zu Hilfe kommen müssen.“ 10 Die neuere Debatte wurde trotz der Bedenken, die 1977 E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Quest for the Johannine School, in: DIES., Book, 85–113, vorgebracht hatte, angestoßen durch O. BÖCHER, Das Verhältnis der Apokalypse des Johannes zum Evangelium des Johannes, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53; Gembloux 1980, 289–301; DERS., Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 310–321, kritisch fortgeführt von J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der LebenswasserThematik. BZNW 51, Berlin/New York 1989, mit denen sich wiederum J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. HENGEL, Die johanneische Frage: Ein Lösungsversuch, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429, auseinander setzt. Alle drei sehen auffällige Verbindungen, schlagen aber von unterschiedlichen Einschätzungen des johanneischen (Schriften)kreises bzw. der johanneischen Schule ausgehend entsprechend divergierende Erklärungen vor; vgl. dazu die Darstellung und die – wiederum von eigener Einschätzung der johanneischen Frage geprägte – Beurteilung bei MÜLLER, Offenbarung, 386–390; U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB.W 1830, Göttingen 42002), 481f, 576f; HEINZE, Johannesapokalypse, 356–358.

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II. Textaspekte Schon die Bestimmung der Form der Anfangsverse stellt vor eine gewisse Verlegenheit, wie das von Martin Karrer formulierte Ergebnis seiner formgeschichtlichen Untersuchung belegt: Es handele sich bei V. 1–3 um eine in den Elementen offene Form eines vortitularen Incipits von Offenbarungsschriften, wobei „vortitular“ meint, das Incipit sei in manchem titelähnlich und ermögliche aus sich heraus die Titulusbildung, die für Karrer in der Inscriptio („Offenbarung des Johannes“) vorliegt. 11 Sieht man vom bedingten und begründeten Makarismus (V. 3) ab (Seligpreisungen finden sich nicht selten in atl. und jüdischer Literatur an den Texträndern),12 entsprechen die beiden ersten Verse durchaus antiker Praxis, mit Angaben über Autor und Inhalt des Werkes zu beginnen und zunächst in der 3. Person über den Autor zu sprechen, ehe dieser in der 1. Person zu Wort kommt. Lars Hartman erkennt denn auch in den beiden ersten Versen einen nach Stil und Inhalt ziemlich normalen titulus. 13 Sucht man nach Parallelen, tritt allerdings die Eigenart des Offb-Anfangs um so deutlicher hervor, denn hier wird in ganz anderer Weise auf das Werk und den Verfasser Bezug genommen als z.B. 1Hen 1,1–2; 93,1–3 und im griechischen Titel des TestSal. 14 Vordergründig tritt nämlich der Verfasser ganz hinter den Urheber (Jesus Christus) und die letzte Quelle (Gott) der Offenbarung | zurück, scheint an vorletzter Stelle einer fünfgliedrigen Offenbarungskette eingereiht zu sein und wird in keiner der vier Charakterisierungen des Werkes als Autor genannt (V. 1: Offenbarung Jesu Christi; V. 2: Wort Gottes, Zeugnis Jesu Christi; V. 3: Worte der Prophetie). Auf den zweiten Blick jedoch ändert sich das Bild gründlich (ohne damit den Abstand zu den Vergleichstexten bemerkenswert zu verringern), weil die äußere, gegenüber vergleichbaren Texteröffnungen auffällige Zurücknahme des Johannes mit einer fulminanten Aufwertung der Person und des vorliegenden Buches einhergeht.

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KARRER, Johannesoffenbarung, 86–96, bes. 93. Vgl. K. BERGER, Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984, 190, und auch L. HARTMAN, Form and Message. A Preliminary Discussion of „Partial Texts“ in Rev 1–3 and 22,6ff, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique, 129–149, 134f. 13 HARTMAN, Form, 132: „rather normal in style and content”. D. HELLHOLM, The Visions He Saw or: To Encode the Future in Writing, in: T.W. Jennings (Hg.), Text and Logos, The Humanistic Interpretation of the New Testament, Atlanta 1990, 109–146, 110 u.ö.: titulus proprius. 14 Auf 1Hen 1,1–2 verweist HARTMANN, Form, 132; AUNE, Revelation, 8–10, nennt daneben die beiden anderen Texte (der Titel der Zehn-Wochen-Apokalypse ist rekonstruiert mit Hilfe des aramäischen Fragments 4QEng III; der Titel des TestSal wirft erhebliche textkritische Probleme auf). Zu den früher oft genannten Eröffnungstexten der prophetischen Bücher des AT und den Proömien antiker Historiker vgl. KARRER, Offenbarung, 87f. 12

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Entscheidende Hinweise gibt schon die Struktur des Titels. Der chiastisch-konzentrische Aufbau 15 rückt Johannes selbst in den Mittelpunkt des Ganzen: (A) jApokavluyi~ jIhsou` Cristou` (B) h}n e[dwken aujtw/` oJ qeo;~ dei`xai toi``~ douvloi~ aujtou` […] (C) kai; ejshvmanen […] dia; tou` ajggevlou […] (D) tw/` douvlw/ aujtou` jIwavnnh/ (C’) o}~ ejmartuvrhsen (B’) to;n lovgon tou` qeou` kai; (A’) th;n marturivan jIhsou` Cristou` […]

Was Christus kundtut, seinem Ursprung nach von Gott kommt und den Sklaven Gottes zugedacht ist, wird Johannes mitgeteilt, der es seinerseits im nachfolgenden Buch an die Adressaten der Offenbarung weitervermittelt. Durch den Neuansatz in V. 1b (kai; ejshvmanen […]) soll die Vermittlungskette in V. 1a (Gott – Christus – Sklaven) nicht um zwei weitere Glieder erweitert werden (so dass sich ergäbe: Gott – Christus – Engel – Johannes – Sklaven [bzw. mit V. 3: Vorleser – Hörer]); vielmehr wird der in V. 1a beschriebene Vorgang der Kundgabe jetzt auf den tatsächlichen Vollzug hin konkretisiert und Johannes in diesem die Schlüsselrolle zugeordnet. Dieser ist demnach keineswegs bloßes Werkzeug;16 das | ist er allenfalls aus der Sicht der außerweltlichen Urheber der Offenbarung, den Sklaven Gottes 15 Der Aufweis einer chiastischen Struktur findet sich ansatzweise (die beiden äußeren Glieder) bei HELLHOLM, Visions, 127, z.R. ergänzt um ein mittleres Glied bei R.M. ROYALTY, The Streets of Heaven: The Ideology of Wealth in the Apocalypse of John, Macon 1998, 135, doch leider mit unterschiedlicher Abgrenzung in der englischen Fassung im Text und in der griechischen Fassung in Anm. 28. Anders als o. im Text vorgeschlagen strukturieren auch B.J. MALINA/J.J. PILCH, Social-Science Commentary on the Book of Revelation, Minneapolis 2000, 263: (A) revelation, (B) of Jesus Christ, (C) God, (D) show to his slaves, (E) what has to happen soon, (D’) make known to his slave John, (C’) word of God, (B’) witness of Jesus Christ, (A’) whatever he saw. Gegen diesen Vorschlag spricht schon, dass er mit A und B auseinander reißt, was ebenso zusammengehört wie in der Entsprechung B’; außerdem entspricht die auf Jesus bezogene ajpokavluyi~ (dazu vgl. u. im Text) nicht dem auf Johannes bezogenen o{sa ei\den. Eine gewisse umfangmäßige Ungleichförmigkeit meines Strukturvorschlags ergibt sich aus der kurzen Inhaltsangabe, die der Adressatenangabe beigefügt ist, und – auffällig genug – der Angabe des auf Johannes zielenden Übermittlungsweges. 16 Gegen J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 1984, 27f, der zustimmend von HELLHOLM, Visions, 134f Anm. 113, zitiert wird (vgl. noch 133 Anm. 105); anders z.R. E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen/Zürich 151993, 15, zu V. 3; vgl. jetzt vor allem G. CAREY, Elusive Apocalypse. Reading Authority in the Revelation to John, SABH 15, Macon 1999, bes. 108–128. L.L. THOMPSON, The Book of Revelation: Apocalypse and Empire, New York/Oxford 1990, 178, meint: „John’s subjectivity is buried within that narrated chain.“ Sicher ist alles vermieden, das Werk als „idiosyncratic view of the world“ erscheinen zu lassen (178). Das minimiert aber gerade nicht die Schlüsselfunktion des Johannes und stärkt nur den Anspruch seines Buches.

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gegenüber ist er jedoch die menschliche Autorität. Man sollte den Gedanken eines bewussten Autoritätsverzichts nicht daraus ableiten, dass Johannes hier als Sklave unter Sklaven in Erscheinung tritt. Er wird dadurch zwar den Adressaten der Offenbarung an die Seite gestellt (diesen Aspekt spricht Johannes dann ausführlicher in V. 9 an), ist auch aus der Perspektive der Sender der Botschaft zunächst ihr Empfänger (freilich nur als Übermittler), er wechselt aber sogleich die Seite, sofern er selbst zum Sender wird im Blick auf die (übrigen) Empfänger; ja er ist für die Adressaten insgesamt (V. 1ab: die Sklaven) der Sender, hinter dem die Autorität des Herrn der Sklaven (Gott bzw. Christus) steht. Er ist nicht ein, er ist der Sklave, der von seinem Herrn mit einer einzigartigen Aufgabe betraut wurde, übrigens ein in der antiken Sklaverei nicht ungewöhnlicher und durchaus prestigeträchtiger Status. 17 Die Kennzeichnungen seines Werkes entsprechen dieser zentralen Funktion des Johannes, die keineswegs personengebundener Autorität entsagt. Wichtige Beobachtungen, die sich aus dem metakommunikativen Charakter der Eingangsverse ergeben, finden sich schon in älterer Literatur und sind dann umfassend von David Hellholm in einer Struktur- und Funktionsanalyse dieses Textes als Teiltext der Offb fortgeführt worden. Zu den so gewonnenen Einsichten gehört, dass nicht nur die letzte Bezeichnung des Übermittelten („Worte der Prophetie“), sondern ebenso die drei vorangehenden sich auf den vorliegenden Text beziehen, nicht auf außer- bzw. vortextliche Gegebenheiten. 18 Die Offenbarung, die Enthüllung, die von Christus kommt (V. 1init), spielt auf kein früheres Ereignis, kein zurückliegendes Erlebnis des Johannes an (etwa auf | Patmos: 1,9–19), sein Zeugnisgeben (V. 2init) meint „faktisch die Abfassung des Buches“, 19 keine Tätigkeit des Johannes im Vorfeld oder neben der literarischen Produktion. Dieses Buch ist Wort Gottes bzw. Zeugnis Jesu Christi; es enthält in seinen zahlreichen Visionsschilderungen all das, was Johannes sah (V. 2fin). Das Sehen ging der literarischen Arbeit voraus, doch ist alles Gesehene nun verschriftlicht in diesem als ajpokavluyi~ bezeichneten Buch.

17 Vgl. den Überblick bei D.B. MARTIN, Slavery as Salvation: The Metaphor of Slavery in Pauline Christianity, New Haven/London 1990, 1–49: „Ancient Slavery and Status“. 18 HELLHOLM, Visions, bes. 121–127 (127: „the prologue as a whole stands in suppositio materialis, i.e., on a meta-level, vis à vis the rest of the writing [1:4–22:21]“); VÖLTER, Entstehung, 9, sprach von der „Objectivität“ der Verse; SPITTA, Offenbarung, 12, urteilte, sie stünden „allem Folgenden ... gegenüber“. BOUSSET, Offenbarung, 183, erkannte, dass „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ hier (1.2) „die speziell in diesem Buch vorliegende Offenbarung“ meint, ebenso CHARLES, Revelation, 1.7 (21: „the Apocalypse itself“). Der Charakter von 1,1–3 ist völlig verkannt, wenn man wie BAUCKHAM, Climax, 254 Anm. 20, ajpokavluyi~ auf etwas im Text Erzähltes bezieht: „the revelation that Jesus Christ discloses to him (sc. John) by opening the scroll“. 19 SATAKE, Gemeindeordnung, 111.

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Zumeist versteht man ejmartuvrhsen als Aorist des Briefstils; 20 doch das ist unnötig, vielmehr formuliert V. 2 ein Urteil über das vorliegende Werk des Johannes, dessen Weiterverbreitung und Normgebung im angeschlossenen Makarismus (V. 3) nachdrücklich empfohlen werden. Wer solchermaßen instruiert und auf die Lektüre des „Wortes Gottes und Zeugnisses Jesu“ eingestimmt ist, stößt noch dreimal (zweimal allerdings mit leichten Abwandlungen) im folgenden Buch auf diese Wendung, wo sie Kurzformel für das Christliche ist, das das Leben bestimmt (1,9) und zum Lebenseinsatz bis hin zum Martyrium führt (6,9; 20,4). Natürlich ist hier im Corpus des Werkes nicht dieses selbst gemeint, doch liest man von 1,2 her kommend 1,9; 6,9; 20,4, heißt dies jetzt: Das Christliche, dem der explizite Autor Johannes selbst verpflichtet war und ist (1,9), das die Glaubenden von den (durchweg negativ zu verstehenden) „Bewohnern der Erde“ (6,9–10) und den Tieranbetern bis aufs Blut scheidet (20,4), ist fortan durch dieses vorliegende Buch definiert und in ihm fixiert. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn der Makarismus in – soweit ich sehe – einzigartiger Weise schon die Verbreitung des Werkes preist, nicht erst die Befolgung seines Inhalts. In der in diesem Sinne neuartigen Kennzeichnung als ajpokavluyi~ findet der steile Anspruch der Schrift seinen adäquaten Ausdruck. Blickt man auf den Gebrauch des Nomens und des Verbs in der LXX, der frühjüdischen und urchristlichen Literatur, ist diese Wahl nicht leicht zu erklären.21 Gern greift man in letzter Zeit auf Belege in paulinischer Tradition zurück: Der Autor stilisiere seine eigene Erfahrung als christlicher Prophet nach der Berufungserfahrung des Paulus (Gal 1,12.16) 22 oder knüpfe an den Gebrauch des Nomens zur Bezeichnung einer Gnadengabe an (1Kor 14,6.26; Eph 1,17), 23 einer in der | Gemeindeversammlung vortragbaren Offenbarungserfahrung (1Kor 14,6). 24 Mit diesen Hinweisen ist aber dem Entscheidenden, nämlich der Verwendung als Buchbezeichnung, nicht Rechnung getragen. Denn die ajpokavluyi~ ist hier ja keine außertextliche Erfahrung, liegt dem Buch nicht voraus, sondern liegt in diesem Buch als Ganzem vor, erreicht als Werk des Johannes – konkret durch den Vorleser 20

Neben vielen anderen BOUSSET, Offenbarung, 183; CHARLES, Revelation, 1.7; SATAKE, Gemeindeordnung, 111; MÜLLER, Offenbarung, 68; AUNE, Revelation, 6; vgl. aber die Erwägungen bei ZAHN, Offenbarung, Bd. 1, 135; HELLHOLM, Visions, 124, 137; GIESEN, Offenbarung, 58. 21 Vgl. dazu M. SMITH, On the History of APOKALUPTW and APOKALUYIS, in: D. Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983, 9–20. 22 SCHÜSSLER FIORENZA, Book, 150f. 23 KARRER, Johannesoffenbarung, 97f; vgl. DERS., Stärken des Randes: die Johannesoffenbarung, in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Gestalt (FS J. Becker), BZNW 100, Berlin/New York 1999, 391–417, 398f. 24 AUNE, Revelation, 12 (vgl. 7, wo er ausdrücklich ajpokavluyi~ als Offenbarungserfahrung von einem Text unterscheidet).

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(V. 3) – die Adressaten. Zur Bezeichnung dessen, was ihnen literarisch fixiert als Äußerung des (betont als Erster aus der Übermittlerkette genannten) Jesus Christus mitgeteilt wird, ist wohl bewusst ein Ausdruck gewählt, der sich einer glatten Einordnung in pagan, jüdisch und christlich Geläufiges entzieht; er war allerdings im religiösen Sinn allgemein christlich verstehbar als Enthüllung des ansonsten Verborgenen, Erschließung des bislang nicht Gewussten. Es handelt sich um eine profunde Aufklärungsschrift. Ihre ungewöhnliche Selbstkennzeichnung und ihre hohe Selbsteinschätzung entsprechen einander. Die äußerst knappen Ausführungen zu ihrem Inhalt (V. 1ab: a} dei` genevsqai ejn tavcei) gewinnen vor dem Hintergrund von Dan 2,28 an Profil: Ist dort von dem die Rede, was „in den letzten Tagen“ geschehen muss, so betont das „bald“, „in Kürze“ der Offb ein unausweichliches Platzgreifen des Angesagten, das keine distanzierte Betrachtung mehr zulässt; daraus resultiert die Dringlichkeit, sich zu dem jetzt bekannt Gemachten zu verhalten, ein Gedanke, der in der Begründung des Makarismus (V. 3c) noch einmal aufgenommen wird. Ich fasse den ersten Textdurchgang zusammen: Im Eröffnungstext wird auf das folgende Werk als Ganzes geblickt; es wird mehrfach charakterisiert, die zentrale Rolle des Johannes als des (einzigen) ursprünglichen Zeugen im doppelten Sinn (passiv und aktiv)25 betont, seinem Buch die höchstmögliche sachliche Autorität zugesprochen und dieses dringend zur Weiterverbreitung und künftigen Orientierung empfohlen.

III. Literarkritisches Nachdem die einflussreichen Kommentatoren Wilhelm Bousset und Robert Henry Charles dezidiert gegen eine literarkritische Zuweisung dieser Verse an eine andere Hand Stellung bezogen hatten,26 ist nur noch selten bestritten worden, 27 dass sie von Anfang an zu jener Schrift gehören, die sie einleiten; in der Regel gelten sie als entscheidende Leseanweisung des Autors für sein Werk. 28 | Freilich vermuten nicht wenige der Ausleger, die den ursprünglichen Zusammenhang der Verse mit dem Rest des Buches nicht in Zweifel 25

Die Doppelrolle notiert z.R. HELLHOLM, Visions, 110f, 134. BOUSSET, Offenbarung, 183; CHARLES, Revelation, 1,2–4. 27 Zu den Ausnahmen aus jüngster Zeit gehört MALINA/PILCH, Commentary, Bd. 1, 29–30. 28 Vgl. z.B. P.S. MINEAR, I Saw a New Earth: An Introduction to the Visions of the Apocalypse, Washington/Cleveland 1968, 2–7; G.R. BEASLEY-MURRAY, The Book of Revelation, NCBC, London 21978, ND Grand Rapids 1992, 50; KARRER, Johannesoffenbarung, 86–108. 26

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ziehen, der Autor habe sie erst nachträglich, nach Vollendung des Buches formuliert, so wie man gewöhnlich das Vorwort zuletzt verfasse.29 Zu diesem Schluss sieht man sich genötigt, weil 1,3 summierend von dem (in dem Buch) Geschriebenen spricht und inhaltliche Auffälligkeiten der Eingangssequenz zu belegen scheinen, der Verfasser sei durch das beeinflusst, was er gegen Ende seines Werkes niedergeschrieben habe. 30 Das Zugeständnis, die drei ersten Verse setzten den folgenden Text bereits voraus, seien im Hinblick auf ihn verfasst worden, schreibt den Versen zu Recht einen herausgeberhaften Charakter zu. Nicht leicht zu beantworten ist die Frage, ob hier noch einmal der Autor das Wort ergreift, in fiktiver Herausgeberschaft sein eigenes Werk empfiehlt, oder ob dies in massiver Weise ein anderer tut,31 so wie manchem Werk ein Geleitwort beigegeben ist, das ihm größtmögliche Aufmerksamkeit sichern soll. Häufig ist aufgefallen, dass der in V. 1 dargestellte Übermittlungsweg, insbesondere die herausgehobene Rolle des Engels, im folgenden Buch so keine Entsprechung findet. Es mangelt nicht an Versuchen, die Differenz zu negieren oder herunterzuspielen und dem Autor selbst zuzuweisen: a) Wie eben angedeutet, meinen einige, der Verfasser stehe unter dem Eindruck des von ihm zuvor geschriebenen Schlussabschnitts seines Werkes. Stellt man die notorischen Auslegungsprobleme der Schlusssequenz, die jeden Vergleich mit den Eingangsversen erschweren, hintan, sind Bezüge zwischen diesen beiden Textabschnitten tatsächlich nicht zu übersehen. Dort wird auch ein Engel erwähnt, etwas irritierend einmal Gott (22,6), einmal Jesus (22,16) zugeordnet. Im ersten Fall erfüllt er allerdings eine Aufgabe, die in 1,1 wortgleich Jesus Christus zukommt; dies begünstigt nicht unbedingt die Annahme, in 1,1 sei die gleiche Hand wie in | 22,6 tätig gewesen. Außerdem fehlt sowohl in 22,6 als auch in 22,16 die für 1,1 gerade kennzeichnende Zuspitzung der Aktivität des Engels auf Johannes als Adressaten, was um so auffälliger ist, als der Engel durchaus mit Johannes kommuniziert (22,6init.8–9). Der Aussage von 1,1 kommt in der Ausrichtung auf Johannes am nächsten 22,8b. Doch dieser Engel ist, wie die von

29

So u.a. BECKWITH, Apocalypse, 421; ZAHN, Offenbarung, Bd. 1, 156. Vgl. dazu ZAHN, Offenbarung, Bd. 1, 146f Anm. 32; BOUSSET, Offenbarung, 182f; BECKWITH, Apocalypse, 420f; GIESEN, Offenbarung, 56; AUNE, Revelation, 12. 31 Diese Erwägung findet sich auch bei HELLHOLM, Visions, 137, der die Frage offen lässt, und M.E. BORING, The Voice of Jesus in the Apocalypse of John, NT 34, 1992, 334–359.346, der meint, zumindest das Problem der in 1,1–2 erwähnten, im Buch dann so nicht wiederkehrenden „voices“ nötige nicht zur Annahme einer anderen Hand (doch vgl. dazu im Text bei Anm. 35). Die Werkcharakterisierung im Titel der Offb könnte analog den (redaktionellen) Überschriften der Prophetenbücher verstanden werden, in denen das vorliegende (redigierte) Werk als Wort JHWHs bezeichnet und damit von interessierten Kreisen zu normativem Rang erhoben wird (vgl. dazu R. ALBERTZ, Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr., Biblische Enzyklopädie 7; Stuttgart 2001, 164–167). 30

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hier über 22,1 (nur) bis 17,1 zurückreichende Linie 32 erweist, nicht so entworfen, dass er im Blick auf das ganze Buch dem Engel von 1,1 gleichwertig wäre; allenfalls im Lichte von 1,1 könnte er in eine solche zentrale Position einrücken, was aber schwerlich auf eine ursprüngliche konzeptionelle Entsprechung deutet. b) Andere sehen den bzw. einen Engel auch an Stellen in der Offb wirken, wo von ihm zwar keine Rede ist, er aber vielleicht als anwesend erschlossen werden kann. 33 Das harmoniert freilich kaum mit der ausdrücklichen Nennung des Engels in 1,1 und sonst (viel) später im Werk. c) Wieder andere Ausleger wollen in 1,1 schlicht eine Wiedergabe des im Werk selbst Geschilderten erkennen: In 5,6–7 übergebe Gott die Offenbarung als Hauptinhalt der versiegelten Buchrolle an das Lamm, das sie öffnet und von dem sie jener Engel empfangen habe, der in 10,1–10 auftritt und dort an Johannes dies geöffnete Buch weiterreiche, dessen Inhalt ab Kap. 10 folge. 34 Abgesehen von einigen anderen fraglichen Voraussetzungen (u.a. über die Identität der Bücher), die eine solche These erst ermöglichen, muss diese das für sie Wesentliche unterstellen: die (Weiter-)Gabe des Buches durch Christus an den Engel. Vor allem jedoch verkennt diese Sicht, dass die ajpokavluyi~ von 1,1 das Buch selbst ist, kein Buch(inhalt) im Buch, kein Gegenstand in dessen erzählter Welt. d) Das Problem der im Buch so nicht eingelösten Offenbarungskette von V. 1 kann schließlich durch den Hinweis auf zahlreiche Unschärfe-, Überschneidungs- und Übergangsphänomene, die in der Offb die einzelnen Figuren wie ihre Stimmen nicht immer streng unterschieden sein lassen, zwar entschärft werden; 35 es bleibt damit jedoch unerklärt, warum unter den Figuren ausdrücklich der eine Engel genannt wird, der Johannes die ajpokavluyi~ kundgetan hat, auf dessen Auftreten (im | Unterschied zu dem Jesu und Gottes!) der Leser aber sehr lange (bis 17,1 [?]) 36 warten muss.

32 Lediglich auf dieser Linie – und eben anders als in 1,1 (und 4,1, doch ist umstritten, wer dort der Zeigende ist)! – bezeichnet „zeigen“ die Tätigkeit eines Engels: 17,1; 21,9.10; 22,1.6.8. 33 So D.W. HADORN, Die Offenbarung des Johannes, ThHK 18, Leipzig 1928, 25; KARRER, Johannesoffenbarung, 104 Anm. 66, im Blick auf die Stimme in 1,10; 4,1. 34 Vgl. MAZZAFERRI, Genre, 275–279, im Rahmen seiner Ausführungen zu Offb 10; anknüpfend an diesen bes. BAUCKHAM, Climax, 243, 254–257. Ohne Bezugnahme auf den Engel (!) sieht R. BERGMEIER, Die Buchrolle und das Lamm (Apk 5 und 10), ZNW 76, 1985, 225–242, 230, in 1,1 den „besten Kommentar zur Buchrollenvision Apk 5“. 35 BORING, Voice, 351–356; vgl. einen ähnlichen Ansatz schon bei BECKWITH, Apocalypse, 420. 36 Dass der hier auftretende Engel gemeint ist bzw. sein könnte, vermuten z.B. SPITTA, Offenbarung, 13f; BECKWITH, Apocalypse, 420; AUNE, Revelation, 16; vgl. BOUSSET, Offenbarung, 182; GIESEN, Offenbarung, 58. Denkt man mit anderen Auslegern an 10,1 (MAZZAFERRI, Genre, 278; BAUCKHAM, Climax, 255), wird dadurch das Problem nicht kleiner.

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Verständlich wäre die Einführung des Engels allerdings, wenn sie auf eine Hand zurückginge, die ein in dieser Hinsicht traditionelles Modell zugrunde legt 37 und deshalb generell (eben nicht nur für einzelne Abschnitte der Offb) eine solche Mittlerinstanz postuliert. Ich teile nicht die These, die Unstimmigkeiten in diesem Text seien eher dem Autor des Textes selbst als einer anderen Hand zuzutrauen, weil ein anderer sich mehr Mühe gegeben hätte, Ungereimtheiten zu vermeiden, alles daran gesetzt hätte, jede Spur seiner Tätigkeit zu verwischen. 38 Diese Sicht unterstellt dem Redaktor so etwas wie (in der Regel erfolgreich eingesetzte) ‚kriminelle Energie‘ und läuft auf eine Verunmöglichung fast jeder Literarkritik hinaus. Andererseits gilt natürlich auch, dass Textspannungen noch nicht zwingend auf verschiedene Hände weisen. Im Blick auf Offb 1,1–3 wird kaum ein zweifelsfreies Ergebnis zu erreichen sein, auch nicht durch sprachlich-stilistische Untersuchungen, die allerdings einige Besonderheiten erkennen lassen. 39 Zudem ist das in der älteren | Literarkritik vorgebrachte Hauptargument gegen die Ursprünglichkeit, das Nebeneinander von 1,1–3 und 1,4–6 sowie der Wechsel von der 3. zur 1. Person (vgl. 1,9), allein nicht durchschlagend.40 Wenn es mir gleichwohl plausibler 37

Vgl. das Urteil von R. PESCH, Offenbarung Jesu Christi. Eine Auslegung von Apk 1,1–3, BiLe 11, 1970, 15–29, 22: Der „Deute-Offenbarungsengel“ werde im Prolog „mehr schematisch eingeführt“. Zum religions- und traditionsgeschichtlichen Hintergrund sowie zur Forschungsgeschichte vgl. den Überblick bei H. REICHELT, Angelus interpres-Texte in der Johannes-Apokalypse. Strukturen, Aussagen und Hintergründe, EHS.T 507, Frankfurt a.M./New York u.a. 1994, 5–33, der freilich zu Unrecht im Engel von 1,1 eine Entsprechung zu Jesus Christus sieht (42). 38 BECKWITH, Apocalypse, 421, im Anschluss an die Erörterung des Engel-Problems: „so apparent a dissimilarity is more easily traceable to the same author than to another, who is at pains to maintain his identity with the author of the rest of the book“. 39 Sprachlich-stilistische Untersuchungen sind von begrenzter Aussagekraft, weil ein anderer sich durchaus dem Soziolekt eines vorliegenden Werkes weithin anpassen kann, vielleicht sogar – hier ist eine Reihe von Gründen vorstellbar – eine solche Anpassungsleistung nur in geringem Maß oder gar nicht erst erbringen muss. Immerhin sei im Blick auf 1,1–3 erwähnt: Nur in V. 1 (und vielleicht in dem Verbindungsvers 4,1) ist Subjekt des deiknuvnai kein Engelwesen; nur in V. 2 ist Johannes das Subjekt des marturei`n – sollte er in 22,18 als Sprecher vorgestellt sein, dann liegt dort ein anderer Gebrauch als in 1,2 vor, nämlich ein eher übliches apokalyptisches Versichern, Schwören, wie z.B. 1Hen 98,6; 103,1; 104,1 (vgl. zum Motiv K. BERGER, Die AmenWorte Jesu: Eine Untersuchung zum Problem der Legitimation in apokalyptischer Rede, BZNW 39, Berlin 1970, 20–32, 150f) –; nur in V. 3 wird dem Ausdruck „Worte der Prophetie“ nicht der Zusatz „dieses Buches“ beigegeben (vgl. 22,7, 10, 18 sowie mit kleinen Unterschieden VV. 9 und 19); wie ajpokavluyi~ findet sich shmaivnein nur V. 1 in der Offb. Von den übrigen Makarismen der Offb ist lediglich der in 22,7 vergleichbar mit V. 3 (beide sind einer Tradition wie Lk 11,28 verwandt; zur inhaltlichen Besonderheit aber gerade des V. 3 vgl. bereits o. im Text); nach HARTMANN, Form, 134f, ist in apokalyptischen Texten eher die Stellung am Textende zu erwarten. Die Platzierung zusätzlich am Anfang des Textes macht einen recht forcierten Eindruck (vgl. demgegenüber auch inhaltlich die Texteinleitung z.B. 1Hen 37,2–4). Vgl. noch u. IV. 40 So z.R. ZAHN, Offenbarung, Bd. 1, 134; AUNE, Revelation, 8–9, der allerdings nur auf dies – jetzt erneut von MALINA/PILCH, Commentary, 1, vorgebrachte – Argument eingeht, nicht auf die anderen Erwägungen bei VÖLTER, Entstehung, 8–11; SPITTA, Offenbarung, 10–18.

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erscheint, die Verse tatsächlich einer anderen Hand zuzuordnen, dann nicht einfach aufgrund ihres metatextuellen Charakters, sondern aufgrund der Art und Weise, in der sich dieser Metatext auf seinen Ko-Text bezieht: Dem Objekttext wird ein unüberbietbarer Rang zugesprochen, seine Exklusivität hinsichtlich Genese, Vermittlung und Orientierungsfunktion behauptet und damit zugleich jeder mögliche konkurrierende Anspruch abgewiesen. Dies mehr Geleitwort- als Vorworthafte verbunden mit den aufgezeigten inhaltlichen Spannungen im Verhältnis zum Ko-Text deutet doch wohl eher auf einen realen als auf einen fiktiven Herausgeber. Sollte freilich der Autor selbst in die Rolle des Herausgebers geschlüpft sein, fällt auf das ansonsten an paulinische Briefkonvention erinnernde Präskript des Schreibens ein besonderes Licht. Dann kann die ununterbietbare Kargheit der Superscriptio (1,4init) nach 1,1–3 auf keinen Fall als Ausdruck einer Zurücknahme oder Bescheidenheit gewertet werden;41 im Gegenteil: Der Absender des „Briefes“ hätte sich ja vorab mit einer Autorität ausgestattet, die jeden anderen Autoritätsanspruch – in aktueller oder potentieller Konkurrenz – verblassen lässt, was durch die Hinzufügung welchen Prädikats auch immer zu seinem Namen nur wieder relativiert worden wäre; er, Johannes, ist in dieser Hinsicht unvergleichlich. Für einen realen Herausgeber spricht jedoch ein weiteres Indiz: Mit der Textcharakterisierung in VV. 1–3 geht beinahe zwangsläufig die Aufhebung der ausdrücklichen Eingrenzung der Adressaten auf die sieben Gemeinden einher. Wie immer die Siebener-Zahl der Gemeinden zu verstehen ist, es folgen jedenfalls sieben Sendschreiben, von denen je eines an eine bestimmte Gemeinde gerichtet ist. Die in jedem der Sendschreiben erfolgende Ausweitung des Gesagten auf die Gemeinden (2,7.11.17.29; 3,6.13.22) kann im ursprünglichen Rahmen der Sendschreiben und des mit 1,4 (vgl. VV. 11.19) beginnenden „Briefes“ nur diese | Gemeinden meinen 42 (das gilt auch für 2,23 und – falls der gleichen Textschicht angehörend – 22,16). Erst von 1,1–3 her entfällt diese (fiktive oder reale) Zuspitzung auf einen eingegrenzten Kreis innerhalb der christlichen Adressatenschaft. Jetzt kommt den sieben Gemeinden in der Asia, ihrer Situation und ihrem zensierten Verhalten, primär „exemplarische“ Bedeutung zu. Dies 41 Gegen KARRER, Johannesoffenbarung, 74: „Aus der Reduktion der Superscriptio ist so eher auf einen Autoritäts- und Titelverzicht des Johannes als auf eine nur nicht explizierte Voraussetzung seiner Autorität ... zu schließen.“ Wie könnte denn massiver als in VV. 1–3 geschehen die Voraussetzung seiner Autorität expliziert werden? 42 Anders urteilen u.a. BOUSSET, Offenbarung, 207; HELLHOLM, Visions, 138. Auf den Unterschied bei den Adressaten in 1,1–3 und 4 machte auch schon SPITTA, Offenbarung, 17, aufmerksam (vgl. noch J. WEISS, Die Offenbarung des Johannes: Ein Beitrag zur Literatur- und Religionsgeschichte, FRLANT 3, Göttingen 1904, 35f), der allerdings – wie Bousset – zu Unrecht die Schlusswendungen der Briefe auf die gesamte Christenheit bezieht (43f).

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Verfahren, ein schon vorliegendes Werk nun allen Christen ans Herz zu legen, ist leichter einem realen Herausgeber zuzutrauen als dem Autor, der einmal bewusst 1,4–6,11 konzipiert hat und für die damit korrespondierende (1,20) Vision des Menschensohngleichen (bes. VV. 12.16) verantwortlich zeichnet. Gegen die Behauptung, 1,1–3 sei erst von einem Herausgeber/Redaktor dem Werk vorangestellt worden, sind zwei Einwände denkbar, die von der vorliegenden Gestalt des Buches her argumentieren: 1. Der Makarismus 1,3 sei der erste von insgesamt sieben Makarismen und deshalb eher dem Autor als einem späteren Redaktor zuzuordnen. Doch der Autor hat die Elemente seines Werkes, die aus sieben Teilen bestehen und für den Leser/Hörer als solche Siebenerkompositionen erkennbar sein sollten, ausdrücklich auch so bezeichnet (die Sendschreiben, Siegel, Posaunen und Schalen) und darüber hinaus die Zahl sieben häufig verwendet. Wo er von dieser Zahl und einer entsprechenden Zählung nicht Gebrauch macht, ist sie für ihn – im Unterschied zu manchen seiner Interpreten43 – offenbar nicht von Bedeutung, wie bei den Makarismen. 2. Das Vorwort (1,1–3) entspreche dem Nachwort (22,6–20), beide zusammen verrieten die Intention des Autors, sein Buch als literarische Einheit zu verstehen, 44 weshalb 1,1–3 schwerlich auf die Hand eines Redaktors zurückgehe. Nun ist es ohnehin problematisch zu postulieren, die in der Offb aufzuspürenden Verbindungen zwischen Anfang und Ende müssten immer schon vorgelegen haben. Grundsätzlich völlig zu Recht halten ja nicht wenige | Ausleger es für möglich, dass diese Entsprechung sich erst nach Abschluss des übrigen Werkes ergeben hat, als der Autor seiner Schrift den Eingangspassus vorangestellt habe, 45 also im Nachhinein. Was man so auf einen nachträglichen Eingriff des Autors zurückzuführen bereit ist, kann man in gleicher Weise einem Redaktor zutrauen. Die Bezüge zwischen beiden Textabschnitten (aus dem zweiten vgl. 22,6.7.10.14.16), von denen der erste außerhalb, der zweite innerhalb der brieflichen Rahmung steht, sind zudem bei genauerer Betrachtung nicht derart, dass sie ausschließlich die Annahme zuließen, sie verdankten sich derselben Hand. 46 43 In der Offb-Exegese herrscht gelegentlich eine Art Heptamanie: Man behauptet die Sieben als alles dominierendes Strukturprinzip des Werkes und entdeckt sie deshalb auch dort, wo nicht einmal ansatzweise gezählt wird, vgl. z.B. – mit Einschränkungen – E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 31970), 185–189, und jenseits der Werkstruktur BAUCKHAM, Climax, 29–37. KRAFT, Offenbarung, 23, hingegen vermutet, die Zahl der Seligpreisungen sei erst durch drei (darunter 1,3) vom „Verfasser letzter Hand“ hinzugefügte auf sieben gebracht „und damit voll“ gemacht worden. 44 So z.B. GIESEN, Offenbarung, 55. 45 Vgl. schon o. im Text bei und mit Anm. 29 und 30. 46 Vgl. schon o. im Text bei und mit Anm. 32.

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IV. Johanneisches Über den mutmaßlichen Herausgeber lässt sich noch Näheres ausmachen. 1,1–3 ist nämlich durchdrungen von „johanneischer“ Sprache. Darauf hat man schon seit dem 17. und 18. Jh. aufmerksam gemacht, und es wurde auch von jenen kritischen Exegeten bemerkt, die im Unterschied zum mainstream der Forschung bei der Analyse der Offb die johanneische Frage offen halten. 47 Die einschlägigen Beobachtungen sind nicht je für sich, aber in ihrer Häufung eindrucksvoll: Ins Auge fällt zunächst die Zeugen-/Zeugnis-Thematik in V. 2, wie überhaupt dieser Aspekt über die Anfangsverse hinaus die Offb insgesamt mit der johanneischen Literatur verbindet.48 Das Verb threi`n (V. 3) gehört nicht nur zu jenen johanneischen Vorzugsvokabeln, die auch solche der Offb sind, es wird zudem in durchaus „johanneischer“ Weise gebraucht. 49 Deiknuvnai (V. 1) gewinnt gegenüber der übrigen ntl. Verwendung in der Offb wie bei Joh den Sinn eines offenbarenden, enthüllenden Zeigens. 50 Die spezifische Sicht Christi als Agent Gottes (V. 1) erinnert an eine Reihe von Aussagen bei Joh (15,15; vgl. 8,28; 12,49–50; 17,8.14), wenngleich | diese terminologisch keine exakte Parallele bieten.51 Schließlich findet die in der Offb einzige Verwendung von shmaivnein (V. 1) zur Übermittlung besonderen Wissens mit Christus als Subjekt 52 im NT nur noch Joh 12,33; 18,32; 21,19 eine Entsprechung. Die terminologischen Berührungen mit johanneischer Literatur können auf eine m.E. noch wichtigere Sachanalogie aufmerksam machen. Wer immer für Offb 1,1–3 verantwortlich zeichnet, er weist dem Johannes eine ähnlich zentrale, fundamentale Rolle im Überlieferungsprozess zu, wie sie Joh 21,24 in Verbindung mit den anderen einschlägigen Stellen dem Lieb47

Vgl. die forschungsgeschichtlichen Angaben bei HEINZE, Johannesapokalypse, 168, und z.B. BOUSSET, Offenbarung, 183: „(a)uffällig ist die johanneische Sprachfärbung gerade dieser Verse“; überzogen sind freilich die Verbindungen, die KRAFT, Offenbarung, 22, zum Vorwort des 1Joh herstellt und J.M. FORD, Revelation, AB 38, New York 1975, 375, zu Teilen des Prologs von Joh. 48 Vgl. J. BEUTLER, marturevw ktl., EWNT 2, 21992, 960–963; K. BERGER, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25.2, 1984, 1031–1432, 1295; vor allem aber jetzt HEINZE, Johannesapokalypse, 291–354. 49 Zum statistischen Befund vgl. R. MORGENTHALER, Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes, Zürich/Frankfurt a.M., 1958, 52.182, und erneut FREY, Erwägungen, 354f. 50 Vgl. BOUSSET, Offenbarung, 178; G. SCHNEIDER, deivknumi, deiknuvw, EWNT 1, 21992, 671–673. 51 Vgl. BEASLEY-MURRAY, Revelation, 50; PRIGENT, L’Apocalypse, 32000, 80; AUNE, Revelation, 12; übrigens gehört didovnai auch zu der Gruppe johanneischer Vorzugsvokabeln, die ebenso solche der Offb sind (MORGENTHALER, Statistik, 52). 52 Subjekt des Verbs ist höchstwahrscheinlich Christus (so urteilen neben anderen BOUSSET, Offenbarung, 182; BECKWITH, Apocalypse, 419; CHARLES, Revelation, 1.6; GIESEN, Offenbarung, 58; AUNE, Revelation, 15), ist es aber Gott, würde das den Offb-Beleg immer noch erheblich enger mit Joh als mit den beiden Apg-Belegen (11,28; 25,27) verbinden.

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lingsjünger attestiert und wie sie in 1Joh 1,1–4 die ursprünglichen Zeugen für sich beanspruchen. Was für den Lieblingsjünger und das ihm zugeschriebene Buch ebenso gilt wie für die ursprünglichen Zeugen und ihre gegen gravierende Fehlentwicklungen ankämpfende schriftliche Verkündigung, das trifft in gleicher Weise auf den Johannes der Offb und sein schriftliches Zeugnis zu: Ihr einzigartiges Verhältnis zum Ursprung des Mitgeteilten verleiht ihren Werken höchste Autorität und heilsrelevante Dignität (z.B. Joh 20,31; 21,24; 1Joh 1,3; 5,11.12). Mehr noch: Ist das Evangelium durch das Wirken des Parakleten letztlich Selbstzeugnis Jesu, verschriftlicht durch den Lieblingsjünger, so ist die Offb Selbstzeugnis Jesu, verschriftlicht durch Johannes, nun freilich nicht mehr als wegweisende Vergegenwärtigung der Vergangenheit, sondern als wegweisende Enthüllung von Gegenwart und Zukunft (vgl. auch Joh 16,7b–15). Was aber einen vermutlich „johanneischen“ Herausgeber veranlasst haben könnte, die Offb dringlich zur heilsentscheidenden Orientierung zu empfehlen, ist nicht schwer auszumachen. Die Offb ist eine Aufklärungsschrift, deren urchristlich fast singuläre radikale Analyse des vorfindlichen Systems in seiner religiösen, ökonomischen und politischen Gestalt mit der dominierenden Sicht des Christentums der Zeit und des Raumes (Pastoralbriefe; 1Petr, Lk/Apg) kontrastiert. Dem als Ausgeburt des Satans entlarvten Imperium wird bei der jetzt anhebenden Durchsetzung der Herrschaft Gottes der unausweichliche Untergang angesagt; vor allem jedoch werden die solcherart aufgeklärten Glaubenden auf eine Haltung diesem System gegenüber verpflichtet, die jenen anderen Tendenzen im christlichen Bereich widerstreitet. 53 | Nach Ausweis seiner Literatur gibt es im johanneischen Christentum durchaus Auffassungen, in deren Gefälle eine Sicht liegt, wie sie der Johannes der Offb propagiert. Zu denken ist an Ausformungen des johanneischen Dualismus, Segmente seines Kosmosverständnisses (z.B. Joh 15,18–19; 17,11.14–15; 18,36; 1Joh 5,19) und nicht zuletzt die auffällige Warnung in 1Joh 5,21, die mit Forderungen in den Sendschreiben der Offb unmittelbar vergleichbar ist. 54 Dass in der Offb darüber hinaus Johanneisches bewahrt oder fortentwickelt wird, haben in letzter

53 Dazu vgl. J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift: Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: W. Kurz u.a. (Hg.), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS M. Greschat), GSTR 9, Gießen 1994, 293–311 (in diesem Bd. S. 105–120); DERS., Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 187–204, bes. 195–204 (in diesem Bd. S. 121–138, bes. 129–138). 54 Vgl. H.-J. KLAUCK, Der erste Johannesbrief, EKK 23/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1991, 343; zum Staat bei Joh auch G. THEISSEN, Die Religion der ersten Christen: Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 86.

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Offenbarung 1.1–3

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Zeit einige Arbeiten zu zeigen versucht.55 Bestanden aber – in welcher Intensität auch immer – ohnehin Querverbindungen zum johanneischen Kreis, kann es nicht überraschen, wenn dies Werk mit seinem spezifischen Beitrag zum Thema (modern ausgedrückt) „Christ und Welt“, „Christentum und Kultur“ einen johanneischen Promotor fand; er gab dem Buch einen neuen Eröffnungstext mit, in dem er auf originelle Weise traditionelle Formelemente aufgriff und durch den er das Werk johanneisch autorisierte. In Anlehnung an eine in der neueren Johannesexegese gebrauchte Terminologie könnte man von einer Weise der relecture 56 sprechen: Der Bezugstext wird positiv rezipiert, aufgewertet und sein Geltungsanspruch ausgeweitet.

55 Außer den bereits in Anm. 10 genannten Arbeiten vgl. J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85, 1994, 23–46 (in diesem Bd. S. 81–104); HEINZE, Johannesapokalypse, 291–354; J.U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes: Traditionsgeschichtliche Studien zu Apokalypse 12, WMANT 93, Neukirchen-Vluyn 2001, 235–273; alle drei kommen in dem von ihnen untersuchten Bereich zu dem Schluss, dass die Offb ein fortgeschrittenes Stadium des gemeinsamen „johanneischen“ Gutes repräsentiert. 56 Vgl. dazu z.B. J. ZUMSTEIN, Der Prozess der Relecture in der johanneischen Literatur, NTS 42, 1996, 394–411.

Predigtexegesen

Exegesen zum Johannesevangelium

2. Weihnachtstag: Johannes 1,1–5(6–8)9–14 A. Der Kontext I. Dem Prolog des JohEv (Vers 1–18) liegt nach verbreiteter, m.E. plausibel begründeter Meinung (die Forschungsgeschichte dokumentiert ausführlich THEOBALD, 3ff) ein Hymnus zugrunde, dem die Verse 6–8 nicht zugerechnet werden können. Doch gehören noch weitere Verse zu den Zusätzen des Evangelisten (häufig zählt man die Verse 12c und 13 dazu, einige | Ausleger zudem Vers 2, 5 und 9–10 [oder 11]; die Versuche, die Vorlage zu rekonstruieren, sind Legion). Auch darf der Vers 14 (doch wohl Teil des Hymnus, aber kaum dessen Abschluß) nicht vom Folgenden isoliert werden: Vers 16 (oder nach anderen Vers 17) gehört noch zur Vorlage, Vers 18 ist Zielaussage des Evangelisten. Jedenfalls besingt der aufgenommene Hymnus zunächst das Wirken des göttlichen (Vers 1) Logos bei (Vers 3) und in (Vers 3 fin. 4) der Schöpfung sowie zum Heil der Menschen (Vers 5.11.12a.b). Daß diese Aussagen religionsgeschichtlich dem Bereich der jüdisch-hellenistischen Weisheitsspekulation entstammen (vgl. z.B. Spr 8,22ff; Sir 24,1ff; SapSal 9,9), ist weithin anerkannt; der Logos-Begriff selbst weist ebenfalls in diese Richtung (Philo). Die Rede von der Menschwerdung des Logos (in Vers 14; neben seiner Präsenz in der Welt: Vers 3f) ist allerdings nicht aus diesem Bereich abzuleiten und als spezifisch christlich anzusehen. II. Einige Hauptgedanken des Hymnus (die Präexistenz des Logos, seine Inkarnation und Heilsmittlerschaft) kommen dem Evangelisten entgegen, wenn er gleich zum Auftakt seines Werkes denjenigen angemessen (eben als den, der nicht von dieser Welt ist) einführen will, von dem er dann im Folgenden berichtet (vgl. Lk 1–2, dort mit anderen Mitteln). Andererseits kommentiert er das Gemeindelied, um es seinem Evangelium einzupassen (so bereiten etwa die Passagen über den Täufer jetzt 1,19ff vor), und greift bestimmte („universalistische“) Elemente des Hymnus nicht weiter auf, ja drängt sie zurück, weil sie sich nicht spannungslos zu seiner Theologie fügen, wie besonders der nicht mehr zum Predigttext zählende, aber im

Zuerst veröffentlicht: Exegesen zu Joh 1,1–5(6–8)9–14; 10,11–16(27–30); 3,1–8(9–15); 6,1– 15, in: Gottesdienstpraxis Serie A, Bd. I/4, Gütersloh 1990, 23–26.81–83.102–104.121–123; Exegesen zu Joh 3,16–21; 4,46–54; 2,13–22, in: Gottesdienstpraxis Serie A, Bd. III/4, Gütersloh 1992, 17–20.48–50.144–147.

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Sinne des Evangelisten unbedingt mitzuhörende Schluß des Prologs zeigt, wo die Exklusivität der Offenbarung in Jesus Christus betont wird (vgl. dazu SCHMITHALS, 38ff; BECKER, 79ff). In dieser Zuspitzung ist der Prolog sachgemäße Einleitung in das Evangelium (vgl. 5,37f; 6,46), mit dem er auch terminologisch vielfach Berührungen aufweist (z.B. 3,19f; 12,46; 14,6). B. Der Text I. In der dem Evangelisten zu verdankenden vorliegenden Textgestalt dienen die Verse 1–4 dazu, Christus als den zu kennzeichnen, der in unvergleichbarer Weise zu Gott gehört. Vers 5ff (bedingt durch Vers 6–8) handeln vom Logos ensarkos (und wirken auch schon auf Vers 4b ein; vgl. das Stichwort „Licht“ und Vers 9), setzen dazu den Täufer in Beziehung (Vers 6–8) und thematisieren ausführlich – zunächst weitgehend in Aufnahme und Neuformulierung von Gedanken aus Vers 3–5: Vers 9–11 – die allein dem wahren Licht, dem Logos, zukommende Heilsfunktion (vgl. Vers 17f), die die Glaubenden (die „Wir: Vers 14.16) erkennen. II. Bereits bei der Schöpfung (vgl. 1Mose 1,1) „war“ der Logos, er war bei Gott, selbst Gott (aber ohne Artikel: Vers 1c), und alles verdankt sich ihm, | nicht nur ursprünglich (Vers 3), sondern bleibend (Vers 3c.4a; mit ho gegonen beginnt wahrscheinlich ein neuer Satz, etwa: „Was geworden ist, in ihm [= dem] war er [= der Logos] Leben“; oder bei anderer Zuordnung des en autǀ: „Was geworden ist in ihm [= dem Logos], war Leben“). Die durch den Logos verbürgte Präsenz des Lebens in der Schöpfung zielt darauf, den Menschen als „Licht“ ein sinn- und heilvolles Dasein zu gewähren (Vers 4b), doch die Finsternis hat die – im Sinne des Hymnus: in der Schöpfung; für den Evangelisten: im Inkarnierten – gegebene (Präsens phainei; vgl. phǀtizei Vers 9) Heilsmöglichkeit nicht ergriffen (Vers 5; von einem Sich-Verschließen, nicht von einer Kampfsituation [dann „überwältigt“] ist die Rede, wie Vers 10f). Die Täuferaussagen (Vers 6–8, vgl. 15) sprechen positiv von Johannes als einem „christlichen“ Zeugen (vgl. 1,29ff). Allerdings unterstreicht Vers 8 die notwendige Abstufung zwischen diesem und dem Licht/Logos. Daran knüpft Vers 9 an, indem hier betont das Licht als das wahre Licht vorgestellt wird; nur dieses schenkt Heil, „erleuchtet jeden Menschen, der in die Welt kommt“ (diese Übersetzung bietet sich syntaktisch zuerst an, freilich kann man erchomenon nach anderen Stellen [z.B. 3,19] auch auf das Licht beziehen). Die Welt, Ort der Gegenwart des (Lichts bzw.) Logos und durch ihn geworden, war blind für ihn (Vers 10), ein Gedanke, den Vers 11 begrifflich verschärft: Der in sein Eigenes Gekommene wurde von den Eigenen abgelehnt. Im Rahmen des Evangeliums dürften vermutlich speziell die Christus ablehnenden Juden gemeint sein (vgl. z.B. 8,37ff; sollte der Vers zum Hymnus gehört haben,

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war ursprünglich an die Schöpfung und die Menschen gedacht). Diese Verweigerung gilt aber nicht generell (Vers 12f): Denen, die den Logos annahmen, gewährte er die Gotteskindschaft; Vers 12d präzisiert, daß dies allein die Glaubenden (= Christen) sind. Der Glaube ist keine „weltliche“ Möglichkeit, sondern göttliche Gabe (Vers 13; wie 3,1ff zeigt, handelt es sich bei diesem Vers um eine sinnvolle Fortführung; man muß nicht auf die Singularlesart ausweichen, wodurch der Vers zu einer Ausführung über den Logos würde). III. Vers 14 war im Hymnus die genuin christliche Aussage. Für den Evangelisten dagegen bezeichnet die Inkarnation (er selbst spricht von der Sendung des Sohnes [z.B. 3,16f]; vgl. BECKER, 76–78) wohl nur das irdische In-Erscheinung-Treten des Logos, das er aber schon zuvor voraussetzt (vgl. o.; THEOBALD [bes. 489ff] sieht in diesem Vers die Klimax des Prologs, den er insgesamt als polemische, eine Inkarnationschristologie verfechtende Antwort auf eine Tauf- bzw. Weisheitschristologie interpretiert, die nach Ausweis des 1Joh im joh. Kreis vertreten werde). In gewisser Weise ist Vers 14 (zusammen mit Vers 16) parallel zu Vers 10–12 zu sehen, nur daß jetzt im „Wir“ der bekennenden Gemeinde allein die in den Blick kommen, die den Logos annahmen, ihm ihr Heil verdanken. Die Frage, ob das Gewicht eher auf Vers 14a (BULTMANN, 38ff: das Ärgernis der Offenbarung, | daß die doxa nur in der sarx zu sehen ist) oder eher auf Vers 14c liegt (KÄSEMANN, 170ff: die sarx ist lediglich die Möglichkeit der Kommunikation des Logos mit den Menschen; Ziel ist das Sehen seiner doxa), trennt, was zusammengehört: Allein der Glaube, den es ohne die Inkarnation des Logos nicht gäbe (vgl. Vers 12), sieht, daß im Irdischen Gott begegnet (vgl. Vers 18), und empfängt von ihm her das Heil (vgl. Vers 16f). C. Hermeneutische Konsequenzen Die Heilsfunktion Christi, die im Text zur Sprache kommt, umschreibt der Autor des JohEv in 3,16–19 mit anderen Worten, sachlich aber versteht er 1,1–18 nicht anders (vgl. auch o. A.I. und B.I.). Der Prolog muß von dem Werk her gelesen werden, dem er vorgeschaltet ist; er entspringt nicht spekulativem Interesse, sowenig wie der verarbeitete christliche Hymnus, der ein Lied derjenigen ist, die vom Heilsgeschehen erreicht sind. Will man anders als der Evangelist die Schöpfungsaussagen des Hymnus herausstellen, gar den Gedanken eines Wirkens des Logos vor und neben der Inkarnation aufgreifen, sollte man die christologische und soteriologische Konzentration des vorliegenden Textes nicht überspringen, sondern sie als Ausgangspunkt nutzen: Wer in Christus das Heil gefunden hat, der kann dann auch so vom Logos-Christus und der Schöpfung reden.

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Literatur: J. BECKER, Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 1–10, ÖTBK 4/1, 1979; R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes, KEK II, 191968; E. KÄSEMANN, Aufbau und Anliegen des Johanneischen Prologs, EVuB II, 3 1968, 155–180; W. SCHMITHALS, Der Prolog des Johannesevangeliums, ZNW 70, 1979, 16–43; M. THEOBALD, Die Fleischwerdung des Logos, NTA NF 20, 1988.

10. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 2,13–22 A. Der Kontext I. Wie ein Blick auf die synoptischen Paralleltexte (Mk 11,15–17.27–33 parr.; 14,58 par.) zeigt, kommen diese schwerlich als literarische Vorlage für Johannes in Betracht. Grundlage ist eher eine Traditionsvariante; möglicherweise hat der Evangelist auch auf einen ihm vorgegebenen Passionsbericht zurückgegriffen. Gegenüber der Trennung von Tempelreinigung und Vollmachtsfrage bei Mk könnte die im JohEv bezeugte unmittelbare Verknüpfung der Handlung mit der Zeichenforderung den Eindruck vermitteln, traditionsgeschichtlich älter zu sein. Man hat sogar erwogen, ob nicht das Tempellogion Vers 19 (vgl. Mk 14,58; Apg 6,14) tatsächlich ursprünglich in den Kontext der Tempelreinigung gehöre, mit seiner Tempelkritik im Kern auf Jesus zurückgehe und – vielleicht der letzte – Anlaß gewesen sei, ihn zu verhaften. Über den konkreten Rahmen und die Intention einer Demonstration Jesu im Tempel, die durchaus vorstellbar ist (vgl. etwa den bei Josephus Bell 6,300ff erwähnten Vorfall), läßt sich freilich durch die theologischen Deutungen in den einzelnen Überlieferungen hindurch verläßlich kaum noch etwas ausmachen. | II. Der Grundbestand der von Johannes aufgenommenen Tradition ist in Vers 14–16 und 18f zu suchen. Der den Zusammenhang unterbrechende Kommentar in Vers 17, die Interpretation des Jesuswortes (Vers 19) in Vers 21 und die Notiz vom nachösterlichen Verstehen der Jünger in Vers 22 deuten auf ein Wachstum der Überlieferung. Die Hand des Evangelisten wird in Vers 13 und in der Gestaltung der Verse 20–22 als Aufarbeitung eines Mißverständnisses erkennbar sowie nicht zuletzt in der neuen Einordnung dieser Tempelszene in den Rahmen des Auftretens Jesu. III. Die Erzählung eröffnet jetzt die Darstellung des öffentlichen Wirkens Jesu. Dem vorangehenden Epiphaniewunder in Galiläa (2,1–11), das zum Glauben der Jünger führt (Vers 11), wird nun sogleich ein Gegenbild zur Seite gestellt: Jesus sucht die Auseinandersetzung im Jerusalemer Tempel, dem religiösen Zentrum des Volkes, und stößt dort auf das Unverständnis

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der „Juden“. Der Abschnitt hat programmatischen Charakter; er weist voraus auf Jesu Tod und Auferstehung (Vers 19–22) und schlägt Themen an, die im JohEv insgesamt und schon im folgenden Kontext wiederkehren: z.B. der Konflikt mit dem Judentum einschließlich des Mißverständnisses (3,1ff) sowie das Urteil über den Tempelkult (4,20–24). B. Der Text I. Die Einleitung (Vers 13) nennt den Anlaß für Jesu Reise nach Jerusalem. Das Geschehen im Tempel ist als Doppelszene gestaltet: zunächst die Aktion (Vers 14f), gipfelnd in einem Wort Jesu (Vers 16), das von den sich erinnernden Jüngern unter Rückgriff auf die Schrift gedeutet wird (Vers 17); dann das Gespräch mit den Juden (Vers 18–20), in dessen Mittelpunkt das rätselhafte Wort Jesu steht (Vers 19), das ebenfalls interpretiert und von den sich erinnernden Jüngern wie die Schrift glaubend angenommen wird (Vers 21f). II. Die mehrfachen Aufenthalte Jesu in Jerusalem werden bei Johannes immer mit einem Fest in Verbindung gebracht (Vers 13), ohne damit jedoch ein Mitfeiern dieser Feste durch Jesus zu implizieren. So klingt auch die Formulierung „das Passa der Juden“ distanziert; sie paßt zu der bevorstehenden Kontroverse. Daß im Tempel – hat der Erzähler noch eine zutreffende Vorstellung von der Tempelanlage, wird er den Vorhof meinen – die Opfertiere angeboten wurden, kam besonders den auswärtigen Pilgern entgegen. Die Gelegenheit, Geld zu wechseln, war eine Notwendigkeit, da die Tempelsteuer in tyrischer Währung entrichtet werden mußte. Verglichen mit Mk erhält die Schilderung der Situation, die Jesus vorfindet (Vers 14), eigenes Gewicht, wohl im Blick auf Vers 16 („Kaufhaus“). Drastischer auch wird das Einschreiten Jesu dargestellt (Vers 15; pantas wird die in Vers 14 erwähnten Personen einschließen). Man darf bezweifeln, daß ein einzelner in dem weitläufigen Areal ungehindert so agieren konnte, daß das Geschilderte demnach in dieser Form historisch vorstellbar ist. Wie wenig dem Erzähler am Entwurf eines stimmigen Bildes liegt, zeigt auch das im | Unterschied zum vorangehenden ungestümen Auftreten überraschend gemäßigte, auf eine Anweisung beschränkte Vorgehen gegen die Taubenverkäufer (Vers 16a). Offenbar ist der Bericht auf das Wort hin konzipiert, das der Sache nach allen gilt. Jesus prangert einen Mißstand an im „Haus meines Vaters“ (Vers 16b). Damit erfährt sein entschiedener Einsatz für dies „Haus“ eine implizite Begründung, vor allem wird erkennbar, wer hier handelt. Diesen Aspekt nehmen die Verse 17.18ff auf. Vers 16b beinhaltet keinen prinzipiellen Widerspruch gegen den Tempelkult, zielt vielmehr auf dessen Reform (insofern Tempelreinigung). Auch die atl. (Ps 69,10) Reflexion der Jünger (Vers 17) knüpft zunächst noch an diesen Gedanken an: Der Eifer für das Haus Gottes wird Jesus verzehren (das Futur findet sich in

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der LXX als v.l. für den Aorist), seinen Tod herbeiführen. Dabei weist allerdings das Todesmotiv schon auf Vers 19.21 und somit auf den Gedanken, der über eine Kultkorrektur hinausgeht. III. Der Forderung „der Juden“ (seine Gegenspieler, nicht einfach die Zeugen des Vorfalls oder eine Behörde) nach einem legitimierenden Zeichen für sein Handeln (Vers 18) scheint Jesus nachzukommen – und doch verweigert er dies Zeichen: Er bindet es an eine Bedingung, die unerfüllbar (die Juden sollen den Tempel niederreißen – aber genau das werden sie tun: Vers 21) und widersinnig anmutet (in Frage steht ja eine Aktion im bestehenden Tempel). Es würde zudem zur Unzeit gegeben, weil es anstelle der jetzt verlangten Legitimation bereits einen definitiven Zustand setzt, der keine Urteilsbildung der Frager mehr zuläßt. Das angebotene Zeichen, die Wiederaufrichtung (egeirein; vgl. dann Vers 22) des zerstörten Tempels durch Jesus, nimmt Bezug auf die Vorstellung (z.B. Ez 40–44) der Errichtung des endzeitlichen Tempels (Vers 19). Allerdings ist im Sinne des Evangelisten gar nicht mehr von dieser Erwartung und erst recht nicht mehr vom inzwischen zerstörten Tempel, dem Ort der Handlung, die Rede. Damit wird Jesu Antwort zu jenem Rätselwort, das die Juden in vordergründiger Weise mißverstehen (Vers 20; der Hintergrund der Zahl 46 ist unklar) und das der Auslegung bedarf: Jesus meinte den Tempel seines Leibes (Vers 21), sprach also davon, daß die Juden ihn töten würden, er aber auferstehen werde. Die Einsicht in diese wahre Bedeutung des Wortes ist freilich auch den Jüngern nur im nachhinein möglich (Vers 22; vgl. das Wirken des Geist-Parakleten: 14,16f.26). Ihre Erinnerung, die zum Glauben an die Schrift und das Wort Jesu führt, geschieht im Lichte von Ostern. Und das heißt zugleich: Geleitet vom Geist der Wahrheit versteht allein der Glaube, während die „Welt“, in der jener Geist nicht wirkt (14,17), im verkennenden Unglauben verharrt, wie diese Auseinandersetzung im Tempel illustriert. C. Hermeneutische Konsequenzen Man kann 2,13–22 als Vorhinweis auf 4,20–24 lesen, also die Verwerfung des jüdischen Kults zugunsten der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit (4,24) als | Thema des Abschnitts bestimmen. Daß dann vom rechten Gottesdienst im Gegenüber zum damaligen – wie es uns vielleicht allzu rasch erscheint: – Jahrmarktstreiben im Heiligtum und zu späteren christlichen Fehlentwicklungen nicht ohne Besinnung darauf geredet werden darf, wo eine Reinigung auch unserer Gottesdienste (nicht nur solcher in sakralen Räumen) not täte, versteht sich von selbst. „Kaufhaus“-Praxis im Umgang mit Gott nimmt mitunter subtile Formen an und kann auch wirksam sein in der Ablehnung jeglichen Kults. Die Aufnahme dieses Textelements würde jedoch nur einen Teilaspekt in den Vordergrund rücken,

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denn Vers 14–16(17) bereiten lediglich Vers 18–22 vor. Ähnliches gälte, wenn man die Gelegenheit nutzte, ein verbreitetes Heilandsbild um die Nuance des im heiligen Eifer für die Sache Gottes auch mal dreinschlagenden Jesus zu erweitern. Was gäbe es nicht alles in Kirche und Gesellschaft vom Evangelium her zu „geißeln“! Folgt man der Akzentsetzung des Evangelisten, müßte aber vor allem anderen jenes „Zeichen“ zur Sprache kommen, das in der Erhöhung und Verherrlichung Jesu gegeben ist. Diese Legitimation Jesu provoziert Glauben oder Unglauben und konfrontiert so mit Heil oder Gericht. Unter dieser Perspektive kann erst angemessen vom Grund und den Kriterien wahren Gottesdienstes gesprochen werden.

Trinitatis: Johannes 3,1–8(9–15) A. Der Kontext I. Durch den vorangehenden Bericht ist das Gespräch mit Nikodemus in doppelter Hinsicht vorbereitet. Zum einen ist es bereits zur Auseinandersetzung mit den „Juden“ gekommen (2,13ff), die ein Legitimationszeichen fordern und Jesu Hinweis auf seine Passion und Auferstehung mißverstehen; ihrem Unverständnis stellt der Evangelist die Einsicht des (nachösterlichen) Glaubens gegenüber (2,18–22). Zum anderen erwähnt die Überleitung (2,23–25) – nach Vers 18f etwas überraschend, doch mit Blick auf 3,2 – solche (Juden), die aufgrund von Zeichen (Wundern) Jesu glauben. Diesem Glauben (vgl. den Unterschied zu Vers 22) begegnet Jesus mit Zurückhaltung, da er die Menschen durchschaut (Vers 24f). So muß Nikodemus als Repräsentant des nicht (bzw. nicht recht) verstehenden Judentums erscheinen, auch wenn er nicht ausdrücklich den in Vers 23f Genannten zugerechnet wird. II. Das Gespräch geht mit Vers 12 in einen Monolog über und weitet sich zur ersten größeren Rede Jesu im JohEv aus. Begrenzt man den Predigttext auf die Verse 1–8, sollte die Fortsetzung mitbedacht werden. Das Anteilgewinnen am Gottesreich durch die Geburt „von oben“ (Vers 3.5; „Reich Gottes“ sonst nicht bei Johannes) wird hier als Gewinn des ewigen Lebens bezeichnet, das die Frucht der Erhöhung Jesu zum Kreuz (vgl. 12,32f) ist (3,14f) für den, der – wie Vers 16ff verdeutlicht – dem göttlichen Liebeshandeln (der Sendung des Sohnes) im Glauben entspricht. Das Gespräch wird also fortgeführt zur theologischen Kernaussage des Evangeliums und so in diese eingebunden. III. Berücksichtigt man das Gefälle hin zu den Aussagen der Verse 11ff, kann man vermuten, daß im „Dialog“ durch Nikodemus (Vers 2: Zeichen

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als göttliche Legitimation; vgl. die Semeiaquelle, z.B. 2,1ff) und Jesus (Vers 5: sakramentales Denken) traditionelle Anschauungen (der joh. Gemeinde; vgl. BECKER, 132ff) zu Wort kommen, die der Evangelist im Sinne | des geistgewirkten und Leben gewährenden Glaubens interpretiert, der in Jesus den himmlischen Gesandten erkennt. B. Der Text I. Die drei Gesprächsgänge (Vers 2.3; 4.5–8; 9.10–21) werden jeweils durch Nikodemus eröffnet, der zunächst ein Urteil über Jesus vorträgt (Vers 2). Dieser setzt dem die Behauptung entgegen, nur unter der Bedingung einer Geburt „von oben“ sei das Heil erschlossen (Vers 3). Dies wird vom Gesprächspartner – damit Jesus indirekt bestätigend – völlig mißverstanden (Vers 4), worauf Jesus sein Wort abgewandelt wiederholt (Vers 5) und den in Vers 3 angesprochenen Aspekt ins Grundsätzliche gewendet näher erläutert. Auf die Unverständnis (vgl. Vers 11f) bekundende Rückfrage hin (Vers 9) werden die christologischen Voraussetzungen und die soteriologischen Konsequenzen jener anderen Geburt thematisiert (Vers 13ff). II. Der Jesus nachts (Zeit des Studiums?) aufsuchende Vertreter des Judentums (Vers 1.10; er wird noch 7,5f; 19,39 erwähnt) formuliert eine Meinung (Vers 2), die eigentlich nicht falsch ist, aber – wie das Folgende zeigt – doch nicht richtig sein kann, weil sie allein auf dem gründet, was vor Augen liegt (die Wunder), und weil der, der sie äußert, nicht um den wahren Sinn dessen wissen kann, was er sagt. Jesus korrigiert das „Wissen“ seines Besuchers, obgleich er nicht unmittelbar daran anknüpft: Allein eine Geburt „von oben“ (vgl. bes. Vers 12f–31; nicht „von neuem“, so BULTMANN, 95 und andere; die Doppeldeutigkeit des anǀthen ermöglicht den Vers 4) befähigt zum heilsrelevanten Erkennen und damit zum Heilsgewinn. Diese räumlich-sphärische Betrachtungsweise wird in Vers 6 (vgl. 12f) vertieft (Fleisch/Geist); sie soll sichern, daß nur von Gott her die Welt Gottes und deren Gaben erschlossen werden können. Die Frage des Nikodemus (Vers 4) demonstriert nicht nur, wie unzureichend, sondern mehr noch, wie unmöglich es ist, dies in menschlichen, irdischen Kategorien zu erfassen und von unten her zur heilswirksamen Einsicht vorzudringen. Das zweite Wort Jesu (Vers 5) führt das entscheidende, dann in Vers 6.8 aufgenommene Stichwort „Geist“ ein und greift auf das (überkommene) Taufverständnis zurück, nach dem im Sakrament der Geist verliehen und der Heilszugang eröffnet wird. Allerdings verbindet der Evangelist damit den Gedanken der Geburt „von oben“ (vgl. Vers 7), versteht also die Taufe keineswegs sakramentalistisch, vielmehr als Ausdruck dafür, daß es sich bei jener Geburt um etwas handelt, das der Mensch unverfügbar empfängt, sich nicht selbst erwirbt; und das Heil („eingehen in das Gottesreich“) ist hier – wie auch sonst bei Johannes – nicht ein Hoffnungsgut, sondern Gegenwart

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(vgl. Vers 3) für jeden, der glaubt (Vers 15–18). Der Vers 6 mit seiner dualistischen Unterscheidung zwischen Fleisch (die Sphäre des IrdischMenschlichen) und Geist (die Sphäre des Himmlisch-Göttlichen) unter|streicht, wie wenig die erforderliche (Vers 7: dei) Geburt eine der Wahl des Menschen anheimgestellte Möglichkeit ist und wie sehr sie nur als „Wunder“ (vgl. dazu BULTMANN, 98ff) erscheinen kann. Dies wunderbare, überwältigende Ereignis findet statt. Steht dies nicht im Ermessen des davon Betroffenen (Vers 5–7), so bleibt der aus dem Geist Geborene auch für den Betrachter rätselhaft: wie der unkalkulierbare Wind (pneuma: Wind und Geist), der zwar wahrnehmbar, dessen Woher und Wohin jedoch nicht erkennbar ist (Vers 8). III. Die folgenden Verse legen dar, wodurch das Wunder solcher Geburt ermöglicht ist (der Abstieg und Aufstieg des Menschensohnes, das göttliche Heilshandeln) und was dies für den Menschen, dem dies widerfährt, bedeutet (Empfang der Lebensgabe). Blickt man von hier aus zurück auf Vers 1– 8, läßt sich in der Terminologie der Verse 15ff sagen: Die Geburt von oben, die Geburt aus dem Geist, geschieht im Glauben an den Sohn, der in seinem Wort begegnet, das als ein wirkmächtiges Geist und Leben ist (6,63; vgl. 3,34). C. Hermeneutische Konsequenzen Der Text verwehrt es dem Glaubenden, im Bewußtsein der eigenen Zugehörigkeit zum Bereich des Geistes und des Lebens sich überheblich von Nikodemus und dem von ihm repräsentierten Denken abzusetzen. Die dualistische Redeweise des Textes steht einem „Besitz“denken entgegen – obgleich sie es vordergründig beflügeln könnte –, weil sie festhält, daß der Glaubende sich einem Wunder verdankt und auf die Geburt von oben, aus dem Geist, in der Begegnung mit dem Wort angewiesen bleibt. Als ein Geschenk aber kann der Glaube nie gegen „andere“ ausgespielt werden, weder gegen die, die nicht zur Gemeinde gehören, noch gegen Mitchristen. Entzieht sich die Geburt von oben jedem menschlichen Kalkül, so verbietet es sich auch, eine „Wiedergeburt“ als Kriterium des (wahren) Christseins einzufordern (Vers 7 spricht von einer Notwendigkeit, appelliert aber nicht an die Hörer/Leser). Die Geburt von oben ist ein Geschehen am Menschen (sinnfällig in der Taufe) und alles andere als ein menschlicher Neuanfang (vgl. Vers 4), nichts Aufweisbares, Aufsehenerregendes, keines jener offenkundigen „Zeichen“, die selbst der Unglaube wahrnimmt (Vers 2).

Literatur: s. zum 2. Weihnachtstag (in diesem Bd. S. 180).

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Heiligabend: Johannes 3,16–21 A. Der Kontext I. Der beim ersten Aufenthalt Jesu in Jerusalem ausgebrochene Konflikt (2,13ff; vgl. zum 10. Sonntag nach Trinitatis [in diesem Bd. S. 180–183]) prägt auch das Gespräch mit Nikodemus (3,1ff). Allmählich geht der Dialog in einen Monolog über (3,10ff), der sich zur ersten größeren Rede Jesu im JohEv ausweitet. Jesus betont zunächst die Notwendigkeit der „Geburt von oben“, aus dem Geist, um ins Reich Gottes einzugehen (Vers 3–8). Er weist dann auf den Ermöglichungsgrund solcher Heilsteilhabe (der Ab- und Aufstieg des Menschensohnes, seine Erhöhung; vgl. 12,32f), wobei nicht mehr von der Geburt von oben, sondern vom Glauben gesprochen und das zu empfangende Heil als ewiges Leben bezeichnet wird (Vers 13–15). Daran anknüpfend führt nun der Predigttext des näheren aus, worin das göttliche Heilswerk besteht; er thematisiert zugleich wesentliche Elemente der johanneischen Theologie. | II. Der vorangehende Kontext bindet die Möglichkeit des Glaubens und damit des Heilsgewinns an die Geburt aus dem Geist, also gerade nicht an individuelle Voraussetzungen der Menschen. Kaum vereinbar ist damit die in den Versen 19–21 vertretene Sicht, die auch zu Vers 16–18 in Spannung steht (vgl. dazu weiter in B.III). Unabhängig davon weist das Nebeneinander der Verse 16 und 17 mit dem Wechsel der Terminologie auf Traditionsschichten; der Evangelist integriert Überlieferung seiner Gemeinde. Im Text spiegelt sich auch die urchristliche Missions- (oder spezieller: die johanneische Minderheiten-) Erfahrung, daß die lebenspendende Botschaft (Vers 16) keineswegs auf breite Zustimmung stößt (Vers 19b). B. Der Text I. Vers 16, die Grundaussage des Abschnitts, wird in Vers 17 erläuternd variiert und verstärkt. Die Verse kennzeichnen die von Gott ausgehende Initiative als ein der Welt geltendes Heils- und Rettungswerk. Den in der Abfolge von Vers 16 zu Vers 17 implizit hergestellten Zusammenhang von Glaube und Gericht entfaltet Vers 18 ausdrücklich in positiver und negativer Hinsicht, und zwar – anders als in den beiden vorangehenden Versen, wo eindeutig der Heilsaspekt dominiert – gleichgewichtig. Den diesem Vers zugrundeliegenden Gerichtsgedanken expliziert Vers 19a. Darauf wird erneut, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, die alternative Reaktion der Menschen beschrieben und zusätzlich begründet (Vers 19bf.21). Hier ist die negative Seite breiter dargestellt, wodurch jedoch die abschließend erwähnte positive um so mehr hervorgehoben erscheint.

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II. Vers 16 nennt zuerst das Motiv für die Tat Gottes: seine dem kosmos, der auf Rettung angewiesenen Menschenwelt, geltende Liebe (Aorist!). Sie fand Ausdruck in der Gabe seines Sohnes, der in einzigartiger Beziehung zu ihm steht (monogenƝs). Dies „Geben“ ist wie das „Senden“ im nächsten Vers umfassend zu verstehen, blickt nicht nur auf das Kommen des Sohnes in diese Welt, sondern auf das Ganze seines Werkes, schließt seinen Tod und seine Erhöhung ein (vgl. Vers 13f). Wird das Teilhaben an der durch Gottes Handeln eröffneten Möglichkeit, dem Verderben zu entgehen und ewiges Leben zu gewinnen, auch allein dem Glaubenden zugesprochen, so unterstreicht doch Vers 17, wie sehr für den Evangelisten der göttliche Heilswille, der auf die Rettung des kosmos insgesamt zielt, im Vordergrund steht. Der Gegenbegriff „retten“ engt „richten“ hier auf die Bedeutung „verurteilen“ ein. Obgleich das Gerichtsunheil außerhalb der mit der Sendung des Sohnes verfolgten Absicht Gottes liegt, gereicht sein Liebeserweis nicht allen Menschen zum Heil: Nur der Glaubende, der sich dem Sohn zuwendet und damit die Liebe Gottes zum Zuge kommen läßt, entgeht dem Gericht (Vers 18). Der Nichtglaubende hingegen ist bereits gerichtet (Perfekt); er zieht sich bleibend das Verderben zu, dem er entrissen werden sollte, weil er sich jener Liebe entzieht, „an den Namen des einzig(gezeugt)en Sohnes Gottes nicht geglaubt hat“. Da die Sendung des | Sohnes zum Heil der Menschen den Gerichtsgedanken nicht ausschließt, kann Jesus 9,39 in nur scheinbarem Widerspruch zu 3,17 von sich sagen, er sei zum Gericht in diese Welt gekommen. Die letztgültige Scheidung vollzieht sich gegenwärtig im Glauben oder Unglauben, und dies nicht bloß in dem Sinne, daß in der Begegnung mit dem Sohn bzw. der Verkündigung die Weichen gestellt werden für eine künftige (Gerichts-)Entscheidung. Sondern: Die Entscheidung ist bereits gefallen, der Glaubende hat das Leben, der Nichtglaubende ist dem Todesschicksal ausgeliefert. Die radikale Uminterpretation apokalyptischer Erwartung stimmt mit 5,24f überein, wo allerdings nur der positive Aspekt thematisiert wird. III. Die Aussage über das Gericht in Vers 19 (zur Terminologie und zum christologischen Bezug vgl. 1,5.9; 8,12; 12,46) lenkt den Blick auf die tatsächlich vorherrschende Reaktion der Menschen und steht noch im sachlichen Einklang mit den vorangehenden Ausführungen. Dazu – wie zum Grundgedanken von Joh 3 – würden die nachgetragenen Begründungen für die Zurückweisung des Lichts (Vers 19c.20) und die Hinwendung zum Licht (Vers 21) nur passen, wenn die einflußreiche Deutung im Recht wäre: In „der Entscheidung des Glaubens oder Unglaubens kommt zutage, was der Mensch eigentlich ist und immer schon war. Aber es kommt so zutage, daß es sich jetzt erst entscheidet“ (R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes, KEK II, 191968, 115). Doch die Stellung, die die Menschen gegenüber dem Licht einnehmen, das Vorziehen der Finsternis bzw. das

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Kommen zum Licht, wird zurückgeführt auf ihre jeweiligen bösen oder guten Taten (Vers 20a.21a); diese sind es, die die Entscheidung in die eine oder andere Richtung beeinflussen, sie geradezu konditionieren, was in der Begegnung mit dem Licht nur offenkundig wird. Solch eine Auffassung ist schwerlich dem Evangelisten zuzutrauen. Etwas überspitzt gesagt: „Was hier in aller Unschuld vorgetragen wird, ist eine Lehre von der justificatio piorum, wenn man es einmal mit reformatorischen Formulierungen ausdrücken will“ (E. HAENCHEN, Das Johannesevangelium, 1980, 228f). Die Vermutung, Johannes greife Tradition auf und verstehe die in Vers 19–21 erwähnten Werke im Sinne von 6,28f als Glaube bzw. Unglaube, hilft wenig, denn dann ergäbe sich die recht banale und tautologische Feststellung: Glaube und Unglaube bedingen ein anderes Verhalten dem Licht gegenüber und werden darin als Glaube und Unglaube offenbar. Deshalb dürften die Schlußverse eher der Redaktion zuzuschreiben sein. Diese läßt in 5,28f das Tun der Menschen für das künftige Heil entscheidend sein, in 3,19ff sieht sie in der ethischen Disposition den Grund auch für gegenwärtiges Heil, wobei sie hier wie dort die grundlegende Konzeption des Evangelisten (gegenwärtiges Gericht und Heil) übernimmt, aber „nachbessert“. C. Hermeneutische Konsequenzen Der Predigttext formuliert in seinem ersten Teil in kaum überbietbarer Prägnanz, was es nicht nur, jedoch auch Weihnachten zu feiern gibt, und zwar ohne auf die | Geburt Jesu besonderes Gewicht zu legen. Das könnte als Chance wahrgenommen werden, jenseits aller klischeehaften Vorstellungen, die sich allzu leicht an den Begriffen Liebe, Leben, Licht und Finsternis entzünden, mit Hilfe der vermutlich nicht so vertrauten, speziell johanneischen Aspekte des Textes den wahren Grund der Feier der Gemeinde aufzudecken. Der Glaubende hat das Endgericht hinter sich, darf sich seines Heils gewiß sein, das ewige Leben ist für ihn nicht bloßes Hoffnungsgut, sondern Gegenwartsgabe; keine irdische Wirklichkeit vermag das zu dementieren. Recht verstanden kann das Ausrichten dieser Freudenbotschaft nicht zu einer abgrenzenden Selbstbestätigung ausarten: wir – die anderen aber. Denn die Liebestat Gottes, die den Glaubenden erreicht hat, soll der Menschheit insgesamt zur Rettung dienen. Auch im Blick auf die spezifische homiletische Situation am Heiligen Abend müßte also die Freude jener, die dem Handeln Gottes in seinem Sohn Raum gegeben haben, so zur Sprache kommen, daß sie ansteckend wirkt, dazu verlockt, die Finsternis gegen das Licht einzutauschen. Der in den Versen 19c–21 unternommene Versuch zu erklären, warum viele Menschen sich dem Heilswillen Gottes verschließen, ist sicher problematisch. Gegen ihn wird man die Aussage der Verse 16–18 aufbieten dürfen. Erst in der Begegnung mit dem Sohn und der Verkündigung von ihm, im Glauben oder Unglauben, fällt die definitive

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Entscheidung. Täter „böser Werke“ geraten in den Lichtkreis des Gottessohnes und können verwandelt werden zu solchen, die in Gott handeln (Vers 21), nicht anders, als es denen widerfuhr, die sich schon jetzt ihres Heils freuen und es ausleben.

3. Sonntag nach Epiphanias: Johannes 4,46–54 A. Der Kontext I. Der Erzählung von der Heilung des Sohnes des Königsbeamten ist ein kurzer Abschnitt vorangestellt (Vers 43–45), in dem zunächst von der schon in Vers 3 angekündigten Reise Jesu nach Galiläa berichtet wird (Vers 43), die durch Samarien geführt hat (Vers 4–42). Nach der Krankenheilung, die diesen Galiläa-Aufenthalt ausfüllt, zieht Jesus wieder zurück nach Jerusalem (5,1; folgt man Umstellungshypothesen, schloß ursprünglich 6,1ff an). Bei den Galiläern findet er freundliche Aufnahme (Vers 45a). In der Begründung wird dies Wohlwollen freilich relativiert (Vers 45b.c), denn die Einstellung der Galiläer zu Jesus ist bestimmt durch das, was sie in Jerusalem gesehen haben, und entspricht damit jener vordergründigen Zustimmung, die Jesus dort entgegengebracht wurde und die er durchschaute (2,23ff). Deshalb ist es möglich, die traditionelle negative Aussage in Vers 44 (vgl. Mk 6,4 parr.) auch hier auf Galiläa, die Heimat Jesu (1,45f u.ö.), zu beziehen, nicht etwa auf Judäa oder Jerusalem. Der Vorspann stellt demnach Jesu Wirken in Galiläa unter ein bestimmtes Vorzeichen und bereitet das kritische Wort in Vers 48 vor. II. In den Rahmenversen der Erzählung wird an das Weinwunder in Kana erinnert (Vers 46a), an den „Anfang der Zeichen“ (2,1–10.11), dem nun das „zweite Zeichen“ folgt (Vers 54). Wahrscheinlich hat Johannes beide Wunderberichte einer Vorlage, der sog. Semeiaquelle, entnommen. Die dort tradierte Heilungsgeschichte zeigt so viele Ähnlichkeiten mit der Erzählung vom Hauptmann von Kapernaum (Mt 8,5–13; Lk 7,1–10), daß es sich im Kern um den gleichen Stoff handeln wird, der bereits in mündlicher Überlieferung eine unterschiedliche Ausprägung erfahren hat: Der Hilfesuchende bekleidet eine Dienststellung (in der Q-Version ist er Offizier) als Beamter oder als Soldat. Er bittet für einen nicht anwesenden Schwerkranken in Kapernaum, der ihm sehr nahesteht (Lk: Knecht; Mt: Knecht oder Sohn; Joh: Sohn). In der Quelle des Evangelisten ist Kana Ort der Handlung, nicht Kapernaum. Daß es sich wie in der synoptischen Tradition bei dem Bittsteller um einen Heiden handelt, ist möglich, doch könnte im Zusammenhang des JohEv durchaus an einen Juden gedacht sein.

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Wenngleich die für Q so wichtige Konfrontation des Glaubens eines Heiden mit dem Verhalten der Juden (Mt 8,10/Lk 7,9) hier keine Rolle spielt, bleibt doch das Glaubensmotiv beherrschend. Allerdings erhält es eine neue Ausrichtung: Der vorbildliche Glaube des Hauptmanns empfängt | das Wunder, der königliche Beamte hingegen kommt durch das Wunder zum Glauben. Mit der anderen Funktion, die das Wunder erfüllt und die in den Bereich der Missionspraxis weist (vgl. Vers 53b), geht seine Steigerung einher: Es erfolgt über eine größere Distanz hinweg (Kana liegt eine Tagesreise von Kapernaum entfernt); sein unmittelbarer Eintritt auf das Wort Jesu hin wird ausführlich thematisiert. III. Der in der vorgefundenen Geschichte ausgedrückten Sicht des Verhältnisses von Wunder und Glaube (vgl. den vermutlich ursprünglichen Schluß der Semeiaquelle: 20,30f) begegnet der Evangelist mit erheblichem Vorbehalt. Er dürfte das im Erzählzusammenhang unmotivierte Wort Jesu in Vers 48 eingefügt haben, das eine unbestimmte Menge anredet (vgl. aber Vers 44f). Es ist nicht als Zugeständnis zu verstehen, sondern als Tadel (vgl. ähnlich 2,23–3,3; auch 20,29b). Durch diesen Einschub ist die erneute Bitte um Hilfe (Vers 49) veranlaßt, die der Sache nach Vers 47b wiederholt. So gewinnt in der vorliegenden Fassung der Wundergeschichte die Exposition größeres Gewicht, während zuvor die Konstatierung des Wunders auffällig breiten Raum einnahm. Der zweimalige Hinweis, Jesus sei aus Judäa nach Galiläa gekommen (in Vers 47 und 54), stellt einen Bezug zum Kontext her und geht ebenfalls auf den Evangelisten zurück. B. Der Text I. Vers 46f: Das Folgende trägt sich an dem Ort zu, wo Jesus schon einmal – wie es in 2,11 heißt: – „seine Herrlichkeit offenbarte“. Der basilikos, als dessen Dienstherr der dem Königshaus angehörende und volkstümlich als „König“ bezeichnete Tetrarch Herodes Antipas vorgestellt sein wird, sucht im 26 km entfernten Kana die Begegnung mit Jesus. Er bittet diesen, nach Kapernaum am tiefer gelegenen See „hinabzukommen“, um seinen schwerkranken Sohn zu heilen. Jesu abweisende Reaktion (Vers 48), seine Kritik eines auf legitimierende „Zeichen und Wunder“ (bei Joh nur hier, aber eine geläufige Verbindung: z.B. Ex 7,3 LXX; Apg 2,43) gegründeten Glaubens, kann eigentlich nicht dem Vater gelten. Dieser verlangt keine Legitimation, traut Jesus vielmehr von vornherein das zu, um was er ihn bittet. Wenn er nun sein Anliegen noch einmal vorträgt, die Dringlichkeit der Hilfe betont und damit bekräftigt, daß er zuversichtlich ist, solche von Jesus erhalten zu können (Vers 49), unterstreicht das, wie wenig der Vorwurf gerade ihn trifft. Der Vers ist nicht bloß erzähltechnisch erforderlich, um zum Handlungsablauf der überlieferten Geschichte zurückzulenken. Durch die neugeschaffene Abfolge Vers 47.48.49 drängt sich der Eindruck auf, der Beamte

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solle bereits im Blick auf Vers 53b von dem Verdacht befreit werden, er teile die in Vers 48 zurückgewiesene Einstellung; andernfalls würde seine Beharrlichkeit lediglich Zeugnis geben von seiner Uneinsichtigkeit. Der Evangelist distanziert sich von seiner Vorlage, obwohl er Vers 53b übernimmt, und wirkt dem Bild eines nur überlegen seine | Kraft demonstrierenden Wundertäters entgegen. (Man stelle sich einmal den Text ohne Vers 49 oder 48f vor!) Vers 50: Dem Vater wird die Erfüllung seiner Bitte gewährt. Jesu wunderwirkendes Wort (vgl. Vers 53a) rettet den Todkranken (Vers 47fin. 49b) in der Ferne. Der Mann, der davon ausgegangen war, Jesus werde den Sohn in Kapernaum heilen, traut dem Wort (pisteuein mit Dat.) und folgt der Aufforderung heimzukehren. Schon auf dem Weg erfährt er, daß sein Sohn tatsächlich lebt (Vers 51). Die Knechte, die die Nachricht übermitteln, bezeugen nicht nur die Genesung des Sohnes, sie können auch sagen, wann diese eintrat („um die siebente Stunde“ = gegen 13.00 Uhr), wodurch der Vater erkennt, daß Jesu Wort sofort gewirkt hat (Vers 52f; vgl. die R. Chanina b. Dosa zugeschriebene Fernheilung: BILLERBECK II, 441). Jetzt kommt der Mann zum Glauben (absolutes pisteuein) mitsamt seinem ganzen Haus (vgl. Apg 16,15; 18,8), d.h. mit seiner Familie und den Dienern, die zu den Zeugen des Ereignisses gehören. II. Es kann nach Vers 47–49 nicht mehr die Meinung des Evangelisten sein, der Beamte repräsentiere die von Jesus in Vers 48 gerügte Glaubensweise. Nicht daß der Mann auf das Wunder hin glaubt, ist für Johannes wesentlich, sondern – vom Kontext seines Werkes aus geurteilt – daß der zum Glauben Gekommene in Jesus denjenigen erkannt hat, der das lebenspendende, das rettende Wort spricht. Das ist es, was die Geschichte nun „zeichen“haft (im Sinne von 6,26) veranschaulicht (vgl. 3,16f; 5,24f). C. Hermeneutische Konsequenzen Häufig meint man, die Erzählung stelle dar, wie sich ein anfänglicher, vorläufiger Glaube (Vers 50b) zu einem echten, eigentlichen entwickele (Vers 53b). Doch abgesehen davon, daß Johannes selbst eher mit der „Glaubens“aussage in Vers 50 als mit der in Vers 53 sympathisieren dürfte (20,29b!), sollte man den Widerspruch gegen einen Mirakelglauben nicht dadurch unterlaufen, daß man ein Wunder als angemessene Glaubensbegründung gelten läßt, wenn es nur nicht bei solchem Wunderglauben bleibe. Die den Text durchziehende Spannung zwischen der Auffassung des Evangelisten (vorausgesetzt, man wertet Vers 48 nicht doch als Konzession an menschliche Schwäche) und derjenigen seiner Vorlage stellt den Prediger vor eine nicht ganz leichte Aufgabe. Will er Johannes folgen, muß er dessen theologische Korrektur gegen die ursprüngliche Intention der Erzählung zum Zuge bringen, also Vers 48f gebührend würdigen und den jetzt auf das

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Eigentliche weisenden Zeichencharakter des Wunders herausarbeiten, es transparent werden lassen für Jesu Anspruch (Anerkennung im Glauben) und Gabe (Leben). Dann wird auch nicht die Frage – für manche Hörer: das Problem – des Wunders im Vordergrund stehen, sondern der Blick auf den gelenkt, der Leben schenkt.

7. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 6,1–15 A. Der Kontext I. Mit dem Bericht von der wunderbaren Brotvermehrung (diese Bezeichnung ist für den joh. Text angemessener als die andere: Speisung der Fünftausend) eröffnet der Evangelist die große Komposition Joh 6. In deren Mittelpunkt steht die Selbstoffenbarung Jesu als „Brot des Lebens“ (Vers 26–59); abgeschlossen wird sie durch das Bekenntnis des Petrus (zugleich Zielaussage des Kap.): „Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Vers 68f). Dieser Glaube versteht recht, daß Jesus selbst das vom Himmel gekommene Lebensbrot ist (Vers 32f.35.47f), und bleibt nicht dem ungläubigen Mißverständnis des Wunders verhaftet, das sich im Trachten nach irdischer Speise äußert (Vers 26). Der Wunderbericht hat im Sinne des Evangelisten also vor allem die Funktion, die Brotrede vorzubereiten. II. Die Episode vom Seewandeln Jesu (Vers 16–21; Vers 22–25 leiten über zur Rede) ist nicht in gleicher Weise in den Kontext integriert. Vielleicht hat der Evangelist dies weitere Wunder hier nur aus Treue zu seiner Vorlage (s.u.) übernommen (so BECKER, 195); doch seine Aussage (Jesus kommt wunderbar zu den Seinen) fügt sich auch zur Hauptaussage des Kap. III. Da der Autor die Wundererzählung kritisch aufnimmt, wird er ihren Grundbestand (bereits verbunden mit dem Seewandeln, vgl. Mk 6,34ff.45ff) schon vorgefunden haben, und zwar in der Semeiaquelle (vgl. BULTMANN, 155 und andere), deren Existenz mir trotz neuerlicher Bestreitung (etwa durch SCHNELLE, 168ff) wahrscheinlich ist. Es handelt sich, wie die Übereinstimmungen zeigen, um eine Überlieferungsvariante der Speisungsgeschichten, die in Mk 6 und 8 erhalten sind. | B. Der Text I. Die Erzählung läßt sich gliedern in die Exposition (Vers 1–4), die Vorbereitung des Mahls (Vers 5–10), das Mahl (Vers 11), die Bestätigung der Größe des Wunders (Vers 12f), die Akklamation durch die Menge (Vers 14) und Jesu Reaktion darauf (Vers 15).

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II. Das spezifische Profil der joh. Tradition lassen die Unterschiede zu den mark. Überlieferungen erkennen: Das Wunder wird nicht durch Bedürfnisse des Volkes, die Einsamkeit des Ortes und die Tageszeit (Mk 6,35f; 8,2f) motiviert; ausschlaggebend ist allein der Wille Jesu (Vers 5f); er ist auch im Fortgang der Handelnde und erteilt Anweisungen (vgl. Vers 11f mit Mk 6,41.43; 8,6–8). Zudem wird das Wunder gesteigert (vgl. Vers 7 mit Mk 6,37; Jesus gibt „soviel sie wollten“ [Vers 11]; Vers 12f unterstreichen, wie viel übriggeblieben ist, gemessen am ursprünglichen Vorrat; ausdrücklich wird der Eindruck des Geschehens auf die Menge erwähnt [Vers 14]). In diese auf die Person des Wundertäters konzentrierte und die Größe des Wunders herausstreichende Erzählung seiner Quelle hat der Evangelist behutsam eingegriffen, um sie seinem Darstellungsziel dienstbar zu machen; auf ihn dürften zumindest die Passagen zurückgehen, die auf eine Fehlinterpretation des Wunders Jesu deuten. III. Die Fahrt über den galiläischen See („See von Tiberias“ ist ein jüngerer Name) bringt Jesus an den Ort des Geschehens. Begleitet wird er von einer großen Volksmenge; sie folgt ihm, weil sie in ihm den Wundertäter sieht (Vers 2; bei der oft vorgeschlagenen Umstellung von Kap. 5 nach Kap. 6, wozu auch die geographischen Angaben passen, wurde zuvor die Heilung 4,46ff berichtet). Wie diese Einschätzung Jesu durch die Menge zu beurteilen ist (vgl. z.B. auch 2,23–25; 3,2f), wird in Vers 15 deutlich. Die Notizen vom Gang Jesu (in Vers 3 mit den Jüngern, in Vers 15 allein) auf den Berg, die den Wunderbericht rahmen, könnten im Zusammenhang des Kap. (Vers 31ff) als Anspielung auf den Berg, den Mose bestieg, verstanden werden, wenngleich dieser Ortsangabe traditionell nicht diese besondere Bedeutung zukommen muß (vgl. zu Vers 15[ff] Mk 6,46). Der unvermittelte Hinweis auf das bevorstehende Passa (Vers 4) legt ebenfalls solche, das Moment der Überbietung anklingen lassende Verbindungen nahe, die sich aber erst vom Kontext her ergeben (Mannagabe [Vers 31ff] und Herrenmahl [Vers 51cff]). Die breit angelegte Vorbereitung des Wunders zeigt, wie souverän Jesus, der die von ihm selbst provozierten Äußerungen seiner ratlosen, in menschlichen Kategorien denkenden Jünger ignoriert, sein Ziel ansteuert (Vers 5–10). Er selbst teilt auch die Brote (Gerstenbrote [Vers 9.13; vgl. 2Kön 4,42ff] sind Armeleutenahrung) und die Fische an die 5000 Versammelten aus (Vers 11). Das Dankgebet entspricht wie das Einsammeln der Brotreste jüdischer Tischsitte. Bezüge zur Eucharistie, die dem Text selbst fernliegen, können von Vers 51cff (vgl. Vers 23) her | gesehen werden, doch spricht hier (mit BULTMANN, BECKER und anderen) die (sog. Kirchliche) Redaktion, die die Brotrede sekundär sakramental fortschreibt (anders z.B. BLANK, 336.342). Statt des Wunders selbst werden seine Folgen dargestellt (Vers 11b–13), und es wird durch die Zeugen bestätigt (Vers 14). In dieser bei Wundergeschichten stilgemäßen Akklamation weist der

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Zusatz zum Prophetentitel (der zunächst an Mose erinnern kann) „der in die Welt kommt“ auf Aussagen des JohEv vom in die Welt kommenden Gesandten Gottes (10,36; 11,27 u.ö.). Freilich betont der Evangelist durch Vers 15, daß das Wunder zutiefst mißverstanden ist. Die Menge sieht zwar im Wundertäter einen Heilsbringer und will ihn deshalb für ihre Zwecke vereinnahmen und zum König machen (weil dies die Absicht der Bekennenden ist, wird durch Vers 15 ihr Bekenntnis entwertet, nicht nur gegen ein Mißverständnis geschützt, wie SCHNELLE, 123 meint). Doch dessen Reich ist nicht von dieser Welt (18,36), das von ihm gebrachte Heil ist anderer Art, denn er gibt ewiges Leben dem, der sich ihm im Glauben zuwendet (Vers 33.47). Wer nur vordergründig auf das Wunder („Zeichen“: Vers 2.14) blickt, hat den wahren Sinn des Wunders als ein auf das Eigentliche hinweisendes „Zeichen“ noch nicht verstanden (Vers 26!); so führt erst das Wort, das zum Wunder hinzutritt und es auslegt (die Selbstoffenbarung Jesu in der Brotrede Vers 26ff), zum rechten Verständnis dessen, der sich selbst als Lebensbrot anbietet. C. Hermeneutische Konsequenzen Dem Evangelisten genügt die Aussage seiner Quelle nicht (das Wunder als Demonstration, wer Jesus ist; es qualifiziert ihn als Propheten [mit dem Nebengedanken größer als Mose, vgl. Dt 18,15.18?] oder – wie ein anderer Titel lautet – Sohn Gottes [vgl. bes. Joh 20,30f]). Das gibt er durch Vers (2 und) 15 zu erkennen. Der mit diesem Vers ausklingende Predigttext bliebe bei einer negativen Aussage stehen, nähme man nicht die Brotrede hinzu. Diese wiederum wird in der redaktionellen Endgestalt des Evangeliums sakramental interpretiert, was dann auf Vers 1–15 zurückwirkt. Jedenfalls erschließt sich der Text erst vom Folgenden her. Hier liegt das Gewicht nicht auf dem, was Jesus getan hat (wunderbare Sättigung der Menge), sondern auf dem, was er immerfort tut, was er für den Glaubenden ist: das sich selbst gebende Lebensbrot, das mehr schenkt als natürlichen Lebenserhalt und so den Lebenshunger endgültig zu stillen vermag.

Literatur: s. zum 2. Weihnachtstag (in diesem Bd. S. 180); außerdem J. BLANK, Das Evangelium nach Johannes, Geistliche Schriftlesung 4/la, 1981; U. SCHNELLE, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium, FRLANT 144, 1987.

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Misericordias Domini: Johannes 10,11–16(27–30) A. Der Kontext I. Die Hirtenrede (10,1–18) ist eingebettet in die sich an die Heilung des Blindgeborenen (9,1ff) anschließende Auseinandersetzung (vgl. 10,19ff) und richtet sich nach Vers 6 an die unverständigen Pharisäer (vgl. 9,40f). In der Rede selbst freilich bildet die abweisende Polemik nur ein Nebenthema, im Zentrum steht die Beziehung Christi zu den Seinen. Da es schwerfällt, einen direkten Bezug zwischen 10,1ff und dem vorangehenden Kap. herzustellen, das vielmehr seine Fortsetzung in 10,19–21 zu finden scheint, hat man vermutet, die Hirtenrede sei erst sekundär an ihren jetzigen Ort gelangt, sie als Nachtrag der Redaktion beurteilt (BECKER, 311f, der noch Vers 26–29 dazu zählt) oder umfangreiche Umstellungen vorgeschlagen (BULTMANN, 236f, der auch in Kap. 10 neu ordnet). Das Problem der Kontextverankerung könnte bei der Deutung der Kontrastfigur (Vers 1ff: Dieb etc.; Vers 11ff: Mietling) eine Rolle spielen, ist jedoch für den Predigttext, der zur Interpretation (Vers 7–18) der Rede Vers 1–5 gehört, nicht von ausschlaggebender Bedeutung, weil er verstanden werden kann, ohne die Gegenfigur mit konkreten anderen, etwa Vertretern des Judentums, zu identifizieren. II. Die Rede greift das beliebte Motiv vom Hirten und der Herde auf (im NT vgl. nur Lk 15,4–6; 1Petr 2,25), das eine breite atl.-jüdische Vorgeschichte hat (z.B. Jer 23; Ez 34; Ps 23; 1Hen 89f; Einzelzüge in Joh 10 finden zudem Entsprechungen in der Gnosis [BULTMANN, 279f]). Gegenüber der „Rätselrede“ (Vers 6: paroimia; das ist sie, weil sie vom Unglauben nicht verstanden wird) erweisen sich die beiden, jeweils durch ein | Ichbin-Wort (Vers 7.11) eingeleiteten Abschnitte der zum Teil allegorisierenden Auslegung deutlich als sekundär. Die Rede insgesamt dokumentiert eine Fortentwicklung des Stoffes in der joh. Gemeinde. So führen Vers 11ff den bislang weder in Vers 1ff noch in 7ff angeklungenen Gedanken des schützenden Lebenseinsatzes des Hirten für die Schafe ein, und Vers 16, wo ganz unvermittelt nun noch „andere Schafe“ ins Blickfeld treten, spielt auf die Gemeindeentwicklung an, die Einbeziehung der Heiden(-christen). B. Der Text I. Der das Stichwort „Hirt“ aus Vers 1ff aufnehmende Abschnitt der Auslegung (Vers 11–18) wird durch das doppelte „Ich bin“ in zwei Teile gegliedert; der erste (Vers 11–13) ist am Gegensatz von Hirt und Mietling orientiert, der zweite (Vers 14–18) am Verhältnis des Hirten zu den Seinen, das dem von Vater und Sohn entspricht. Übergreifendes Thema ist die Lebenshingabe des Hirten. Folgt man der vorgeschlagenen Textabgrenzung und

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berücksichtigt die fakultative Erweiterung (Vers 27–30), wird der gemeindebezogene Aspekt des Heilswerkes des Sohnes betont: die nicht mehr zu gefährdende Heilsgabe des ewigen Lebens an die Glaubenden. II. Die implizite Identifikation des Hirten mit Jesus in Vers 1ff wird in Vers 11a nun ausdrücklich vollzogen. Das Ich-bin-Wort (wie die übrigen in Kap. 10 [und 15]) unterscheidet sich von anderen (z.B. 6,35; 8,12), weil es im Nachsatz nicht soteriologisch (als Einladung zum Glauben und Angebot des Heils) entfaltet wird; es sagt, wer der Hirt ist, von dem Vers 1ff gesprochen hat, und qualifiziert ihn zugleich als den „guten Hirten“ (kalos im Sinne von „recht“, „wahr“). Was zu dieser Bezeichnung berechtigt, verdeutlicht das anschließende Gleichnis Vers 11b–13, in dem mit Hilfe des Gegenbildes vom Mietling die positive Figur profiliert wird. Der gute Hirt „setzt sein Leben ein“ (tithenai tƝn psychƝn) für die Schafe (Vers 11b). Anders verhält sich der Lohnknecht, dem die Schafe nicht gehören und dem an ihnen nichts liegt: im Augenblick der Gefahr läßt er sie im Stich und liefert sie dem Wolf aus. Vor dem Hintergrund von Vers 11a (und 14a) ist die Rede vom Lebenseinsatz des Hirten bereits als Hinweis auf die Lebenshingabe Jesu zu verstehen, wie dann Vers 15b (vgl. 17f) bestätigt. Es handelt sich dabei neutestamentlich um einen typisch joh. Ausdruck (vgl. z.B. 15,13; 1Joh 3,16), der hier den Tod Jesu als Heilsereignis, als (Vers 17f: freiwilliges) Opfer für die Seinen umschreibt (vgl. sachlich Mk 10,45 und joh. etwa 1,29). Vers 12a nennt als Grund für diesen äußersten Einsatz des Hirten, daß die Schafe sein Eigentum sind. In Vers 14 kommt ein anderer Aspekt zur Sprache, der des gegenseitigen (Er-)Kennens (beides ist Vers 3f entnommen), der sogleich mit dem gegenseitigen Kennen von Vater und Sohn in Beziehung gesetzt wird (Vers 15a; Anschluß durch kathǀs). Die innige Verbundenheit Jesu mit den Seinen bildet die des Sohnes mit | dem Vater ab, hat in dieser ihren letzten Grund und führt damit die Seinen über die Gemeinschaft mit dem Sohn in die mit dem Vater, die nur deshalb eine Möglichkeit für den Glaubenden ist, weil Jesus sein Leben hingegeben hat (Vers 15b). An diesem Heilswerk sollen nach Vers 16 auch andere, nicht aus diesem Pferch (vgl. Vers 1) stammende Schafe partizipieren. Es ist nicht – so ist wohl zu verstehen – auf das jüdische Volk beschränkt, zielt (notwendig: dei) ebenso auf die Heiden, die die Stimme Jesu hören, dem Ruf zum Glauben folgen werden und sich mit den Judenchristen in der einen Kirche (zur Herde als Bild für die Kirche vgl. z.B. Apg 20,28; es ist auch Joh 21,15–17 vorausgesetzt) unter dem einen Hirten zusammenfinden. In den Versen 27–30 wird auf Motive aus Vers 14–16 (und 3f) zurückgegriffen (Vers 27), jetzt jedoch erweitert um den Gedanken der Heilsgewißheit (nach den ausgeklammerten Versen 22–26 im Gegenüber zum Unglauben der Juden), die den mit Jesus Verbundenen zukommt: Sie empfangen definitiv ewiges Leben; niemand vermag die bleibende Heilswirklichkeit zu

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zerstören, gründet sie doch letztlich im Vater (Vers 28f; vgl. 15). Das Werk des Sohnes, die Gabe des Lebens, ist Ausdruck seiner Einheit mit dem Vater (Vers 30; vgl. 5,19f.26). III. Die christologischen, ekklesiologischen und soteriologischen Elemente des Textes stehen im Dienst der Selbstvergewisserung der Gemeinde: Sie darf in ihrem Herrn den guten, den rechten und wahren Hirten erkennen, der für sie sein Leben hingab, dem sie in gegenseitiger Vertrautheit verbunden ist und von dem sie als Frucht dieser Gemeinschaft unverlierbares Heil empfangen hat. C. Hermeneutische Konsequenzen Knüpft man am bekannten Bild „Hirt/Herde“ an, von dem alle idyllischen Vorstellungen fernzuhalten sind, kann man textgemäß den Gesichtspunkt der Geborgenheit und Sicherheit in der Obhut des rechten Hirten (als der er sich durch seine Lebenshingabe erwiesen hat; er ist vertrauenswürdig) sowie den der Gefolgschaft dem einzig legitimen Hirten gegenüber aufgreifen. Dabei ist zu bedenken, daß die Leben gewährende Gemeinschaft zwischen Jesus und den Seinen eine gestiftete, bleibend auf das Wort angewiesene und exklusive ist (jedoch nicht als geschlossene Gesellschaft: Vers 16), beschränkt auf diejenigen, die die Stimme Jesu hören und sich von ihm bestimmen lassen. Das gegenseitige (Er-)Kennen (Vers 14) schenkt in der entscheidenden Lebensfrage Gewißheit (Vers 28f).

Literatur: s. zum 2. Weihnachtstag (in diesem Bd. S. 180).

Exegesen zur Johannesoffenbarung

Himmelfahrt: Offenbarung 1,4–8 A. Der Kontext Die Verse bilden den brieflichen Eingang der Offb; ihm entspricht der das Buch abschließende Gnadenwunsch (22,21). Mit dem (erweiterten) Präskript könnte das Werk eigentlich beginnen, doch ist ihm ein – vielleicht nachträglich hinzugefügter – Abschnitt vorangestellt (1,1–3), der von Ursprung, Vermittlung bzw. Bezeugung, Inhalt und Wichtigkeit der apokalypsis handelt. Das Präskript zeigt, daß der Autor mit seiner schriftlichen Botschaft die Adressaten unmittelbar ansprechen und beeinflussen will. Deutlich belegen das auch die Sendschreiben (Kap. 2f), in denen die jeweilige Lage in einzelnen Gemeinden zur Sprache kommt. Dem Empfängerkreis übermittelt der Verfasser dann die ihm mitgeteilte Sicht dessen, „was ist und was geschehen wird danach“ (Vers 19; zu 1,9–18 vgl. letzter Sonntag nach Epiphanias [in diesem Bd. S. 204–207]). Die briefliche Rahmung des Werkes wird Gemeinden, die im Bereich des ehemaligen paulinischen Missionsgebietes liegen, vertraut gewesen sein; sie kommt zudem einer vom Absender erhofften Verlesung (vgl. 1,3; 22,18) seines Schreibens entgegen. Versuche, die Verse 4–8 zusammen mit Verse 1–3 als einen liturgischen Dialog zu verstehen, können kaum überzeugen (Verse 1–3.7.8 werden dem Leiter der Gemeindeversammlung zugewiesen, Verse 4.5a einem Lektor, Verse 5b.6.7fin der Gemeinde). Ebenso wird die Vermutung, der Verfasser habe in Verse 5b.6 einen ursprünglich aus dem Taufgottesdienst stammenden bekenntnishaften Lobpreis übernommen, zu weit gehen. Allerdings verarbeitet er in den Versen 4–8 zweifellos auch traditionellen Stoff. Unter Rückgriff auf diesen erinnert er die Adressaten an ihre christliche Identität, wie er denn mit seinem ganzen Werk, das um die erste Jahrhundertwende entstanden sein dürfte, darauf hinwirken will, daß diese Identität gegenüber der Bedrohung durch die gotteslästerlichen Ansprüche des Imperium Romanum und angesichts von Fehlentwicklungen in den Gemeinden kompromißlos gewahrt wird.

Zuerst veröffentlicht: Exegesen zu Offb 1,9–18; 1,4–8; 2,8–11, in: Gottesdienstpraxis Serie A, Bd. IV/4, Gütersloh 1993, 46–48.101–103.188–191.

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B. Der Text I. Das formal urchristlicher, bes. paulinischer Konvention entsprechende zweigeteilte Präskript nennt zunächst den Absender und die Adressaten (Vers 4a); in einem eigenen Satz folgt der Gruß bzw. Segenswunsch (Verse 4b.5a). Es ist hier erweitert um eine Doxologie (Verse 5b.6), an die sich ein Prophetenspruch (Vers 7) und ein Gotteswort (Vers 8) anschließen. Der Abschnitt ist sorgfältig gestaltet: Z.B. korrespondiert die umfassende Beschreibung des Werkes Christi (mit der Abfolge Gegenwart, Vergangen|heit und Zukunft in Verse 5b–7) der dreigliedrigen, das komplexe Wirken Gottes darstellenden Formel in Vers 4b, die in Vers 8b erneut aufgenommen wird, wodurch der Passus in sich geschlossen erscheint. II. Verse 4.5a: In der Absenderangabe nennt der Verfasser nur seinen Namen. Er leitet seine Autorität nicht von einem Amt, sondern von seinem Offenbarungsempfang ab (vgl. Verse 9–20). „Johannes“ kann sein wirklicher Name sein; ob der Autor mit einem anderen frühchristlichen Träger dieses Namens identisch ist, läßt sich nicht sagen. Die Empfänger des Schreibens sind sieben (Zahl der Vollkommenheit und Fülle) Gemeinden in der Provinz Asia, also in der heutigen westlichen Türkei; sie werden in Vers 11 genannt. Der Gnaden- und Friedenswunsch ist in Anbetracht dessen, was über die Welt und die Christen hereinbricht (vgl. nur zum Stichwort „Frieden“ 6,4), sicher nicht nur eine fromme Floskel. Der Ursprung des Segens wird dreifach angegeben: der geschichtsmächtige und der Welt zugewandte Gott (vgl. weiter zu Vers 8), die ihm dienenden Thronengel (vgl. 4,5; 5,6; zur Vorstellung vgl. Tob 12,15; 1Hen 20,1ff) und Jesus Christus, dessen herausragende Stellung zunächst die drei (pistos gehört zu martys) ihm zugeordneten Würdeprädikate beschreiben. Als der Erhöhte bezeugt er zuverlässig die Offenbarung (vgl. 22,20); als der Auferstandene (zum Ausdruck vgl. Röm 8,29) bürgt er dafür, daß auch die Seinen nicht im Tod bleiben; als der Herr der irdischen Herrscher steht er über den Mächten, unter denen die treuen Gläubigen leiden. Diese in den drei Titeln zum Ausdruck kommende Bedeutung Christi für die angefochtene Gemeinde wird Johannes in seinem Werk näher entfalten. Die drei Tatprädikationen der Doxologie (Verse 5b.6) verweisen auf die bereits durch Christus geschaffene Heilswirklichkeit, an der Johannes und seine Adressaten teilhaben. Auffälligerweise steht hier die erste Aussage im Präsens (vgl. dagegen Gal 2,20; Eph 2,4; 5,25). Damit unterstreicht der Autor, daß die Liebe auch die gegenwärtige Beziehung Christi zu den Seinen bestimmt; ihr ist aber natürlich ebenso das zu verdanken, was die beiden Aoristformulierungen benennen: die durch Christi Tod erwirkte – in der Taufe übereignete – Befreiung von den Sünden (vgl. etwa Kol 1,14; Eph 1,7) und damit die Einsetzung zur Herrschaft (basileia), zu Priestern für Gott (vgl. 1Petr 2,9). Jeder Christ hat schon jenen Status, der nach 2Mose 19,6 Israel verheißen ist; er gehört

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unmittelbar zu Gott und dessen Herrschaftsbereich. Im Unterschied zu den vorangehenden christologischen Aussagen spricht der anschließende Vers 7 von einem ausstehenden Ereignis, der Wiederkunft Christi. Johannes kombiniert hier zwei all. Zitate (Dan 7,13; Sach 12,10ff: vgl. dazu Mt 24,30), ändert sie jedoch ab. Alle, auch die, die Christus getötet haben (vgl. Joh 19,37), werden den Wiederkommenden sehen, mit ihm konfrontiert, und die Menschheit wird wehklagen über ihn, kaum als Ausdruck der Reue und Umkehr (vgl. 9,20f; 16,9.11), sondern als Reaktion auf das nun unabwendbare Gericht (vgl. nur 19,15ff; 22,11f). Am Schluß des Abschnitts (Vers 8) läßt der Autor Gott selbst das Wort ergreifen (sonst | nur noch in 21,5–8). Diese dreifache Selbstprädikation thematisiert wesentliche Aspekte des Gottesbildes der Offb. Alpha und Omega stehen für den Anfang und das Ende (vgl. 21,6; bezogen auf Christus: 22,13); Gott ist der Allumfassende und Geschichtsübergreifende. Zur Dreizeitenformel fehlen insbesondere hinsichtlich des letzten Gliedes („der kommt“ statt „der sein wird“) jüdische oder griechische Parallelen. Wie die kontextkonformen Variationen dieser Formel in der Offb zeigen (4,8; 11,17; 16,5), bezieht sich das vorangestellte Part. Präs. (ho ǀn) auf Gottes effektive, gegenwärtig ausgeübte Herrschermacht. Man sollte deshalb die Formel nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Charakterisierung Gottes als des Kommenden, seine Herrschaft künftig Durchsetzenden würdigen. Die dritte Prädikation, die in der Offb ebenfalls Gott vorbehalten ist (4,8; 11,17 u.ö.; im NT nur noch 2Kor 6,18), nimmt die LXX-Wiedergabe von zebaot auf und spielt auch in der stoischen Gotteslehre eine Rolle. Wenn Gott sich als der pantokratǀr, Allherrscher, vorstellt, beansprucht er für sich jene Überlegenheit, mit der die noch triumphierenden gottfeindlichen Mächte rechnen müssen, auf die aber die Gläubigen in allen gegenwärtigen und zukünftigen Bedrängnissen vertrauen dürfen. C. Hermeneutische Konsequenzen Johannes spricht in Verse 5b.6 deutlich von jenem „neuen Anfang“, in den die Gläubigen versetzt worden sind (gegen R. BULTMANN, Theologie des NT, 526), und er könnte es kaum wirkungsvoller tun als gleich zu Beginn (und an vergleichbar hervorgehobener Stelle: 5,9f), wo er dem Leser/Hörer eine entscheidende Verständnishilfe für das ganze Schreiben gibt. Der in dem Werk insgesamt dominierende Zukunftsaspekt ist demnach für die Christen nicht mit der Hoffnung auf den Heilsgewinn verbunden, sondern mit der Verheißung der Heilsvollendung, die ihren gegenwärtigen Heilsstand überbieten wird. Wie die am Himmelfahrtsfest besonders zu berücksichtigenden christologischen Ausführungen und die Gottesprädikationen unterstreichen, vermag kein irdisches Geschehen die grundsätzliche Verbindung Christi mit den Seinen und die Weltherrschaft seines Vaters (Vers

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6) in Frage zu stellen. Diese Gewißheit sollte auch angesichts mannigfacher Bedrohungen in unserer Zeit zur Sprache gebracht werden. Die „Herren der Erde“ (Vers 5a) sind keine letzten Autoritäten. Die Glaubenden wissen das und gewinnen dadurch inmitten der Welt als „Priester für Gott“ eine Christus zu verdankende (Vers 6) Freiheit von jenen Mächten, deren Tage in Wahrheit längst gezählt sind. Das rufen die Zukunftsaussagen des Textes in Erinnerung (zum Kommen Gottes vgl. 11,17f; 16,5–7; zur Parusie Christi vgl. 19,11ff; 22,12), die allerdings auch die Christen mahnen, ihr Heil nicht durch weltförmiges Verhalten (vgl. z.B. 14,9ff in Verbindung mit 13,16f) aufs Spiel zu setzen, sondern aus der ihnen möglichen illusionslosen Einschätzung der Weltverhältnisse Konsequenzen zu ziehen.

Letzter Sonntag nach Epiphanias: Offenbarung 1,9–18 A. Der Kontext I. Der auf das Incipit (Verse 1–3) und das erweiterte Briefpräskript (Verse 4–8; vgl. zu Himmelfahrt [in diesem Bd. S. 201–204]) folgende Abschnitt der Offb hat offensichtlich die Funktion einer Einleitung (vgl. die Schreibbefehle Vers 11.19). Ob sich diese in erster Linie auf die angefügten Sendschreiben (Kap. 2f) oder auf das ganze Buch bezieht, ist umstritten, doch dürfte das letztere wahrscheinlicher sein. Zwar sind die Querverbindungen gerade zu den sieben Gemeindebotschaften nicht zu übersehen (vgl. z.B. Vers 16.20 mit 2,1; Vers 17b.18 mit 2,8), aber Verse 9–20 insgesamt begründen nicht nur, warum Johannes jene sieben Schreiben an die einzelnen Gemeinden schickt, sondern ebenso, warum er sein Werk einschließlich des sog. apokalyptischen Hauptteils (Kap. 4–22) verfaßt hat und den Gemeinden zukommen läßt (vgl. Vers 4). Besonders deutlich zeigt das der nicht mehr zum Predigttext gehörende Vers 19, in dem der Inhalt der Kap. 2f und 4ff zusammengefaßt ist. II. Im Text finden sich einige Entsprechungen zu prophetischen Berufungsberichten (vgl. vor allem Ez 1–3; z.B. zu Vers 9f Ez 1,1–3; zu Vers 17 Ez 1,28b; zu Vers 15b Ez 1,24). Das Auftauchen ähnlicher Motive darf jedoch nicht zu dem Schluß verleiten, auch hier werde eine Prophetenberufung geschildert. (Die Offb zeugt sicher von prophetischem Selbstbewußtsein ihres Autors [vgl. nur 22,18], allerdings bezeichnet er sich nie ausdrücklich als Propheten.) Johannes erhält vielmehr einen bestimmten Auftrag, der nicht mit einer einschneidenden Veränderung seiner Lebenssituation (vgl. Vers 9) einhergeht: Er soll das Geschaute aufschreiben und an die genannten Gemeinden senden (Vers 11). In Vers 9ff handelt es sich dem-

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nach um eine Beauftragungsvision. Bei der Darstellung des Gesehenen und Erlebten lehnt sich der Autor teilweise ganz eng an atl. Vorbilder an (bes. aus Dan), doch formt er aus dem traditionellen Material eine neue, sein vorliegendes Schreiben autorisierende Vision. B. Der Text I. Der Abschnitt setzt ein mit einer Situationsangabe (Vers 9); Inhalt der Audition (Vers 10f) ist der dem Verfasser erteilte Auftrag; in der Vision (Vers 12ff) wird der Menschensohngleiche zunächst beschrieben (Verse 12–16), ehe er sich selbst vorstellt (Vers 17cf.); zwischengeschaltet sind in Vers 17a.b die Reaktion des Visionsempfängers und die ihm zuteilgewordene Zuwendung des Menschensohngleichen. | II. Vers 9: Erneut (vgl. Vers 4) nennt Johannes nur seinen Namen (vgl. z.B. Dan 8,1); er meldet sich nicht mit der Autorität eines Amtsträgers zu Wort, sondern als „Bruder“ der Adressaten. Wie sie erleidet er Bedrängnis (vgl. 2,9f; 7,14), weiß sich aber schon eingesetzt zur Herrschaft (vgl. 1,6) und verteidigt gegenüber allen Bedrohungen das empfangene Heil standhaft (zu hypomonƝ vgl. 2,2f; 13,10); daran ist die Zugehörigkeit zu Jesus erkennbar (so muß wohl im Rahmen der Offb das paulinisch anmutende en IƝsou verstanden werden). Als er seine Vision empfing, befand er sich auf Patmos, kaum weil er auf dieser dünnbesiedelten, etwa in der Höhe von Milet der kleinasiatischen Küste vorgelagerten Insel Mission treiben wollte oder die Einsamkeit suchte, sondern vermutlich unfreiwillig, als aufgrund seines Glaubens bzw. seiner Verkündigung dorthin Verbannter. Vers 10f: Das ekstatische Erlebnis ereignet sich am „Herrentag“, also am Sonntag, an dem die Gemeinde zum Gottesdienst zusammenkommt. Von der Stimme (vgl. 4,1: „die erste Stimme“), deren nähere Kennzeichnung auf ihren Ursprung im göttlichen Bereich weist, erhält Johannes den Auftrag, das Geschaute in einer Buchrolle aufzuschreiben. Warum er sie gerade an die aufgezählten (sieben: Zahl der Fülle) Gemeinden und nicht an andere (etwa in Milet oder Kolossae) senden soll, ist nicht eindeutig zu sagen. Die nächstliegende Erklärung dürfte sein, daß er in diesen Gemeinden auf Gehör hoffen und Einfluß nehmen kann. Verse 12–16: Der Blick des Sehers fällt nicht sogleich auf die zentrale, dann ausführlich beschriebene Gestalt dieser Vision, sondern auf die sie umgebenden sieben Leuchter (die Herkunft des Bildes – vgl. Vers 20: Beziehung zu den Planeten? – ist unklar), die später auf die sieben Gemeinden gedeutet werden (Vers 20). Er schaut demnach den Herrn der Gemeinden (vgl. Vers 16a und wieder die Deutung in Vers 20), der diese dann in den einzelnen Botschaften (Kap. 2f) kritisch beurteilt, tadelt und lobt. Die Gestalt, die der Seher wahrnimmt, ist ein Menschensohngleicher (nach Dan 7,13; also hier kein Titel); die Schilderung ihres Aussehens in Verse 13b–15 ist weithin beeinflußt durch die in

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Dan 10,5f vorgegebene Vision (dort wird ein Engel geschaut), die Johannes im einzelnen jedoch leicht abwandelt und in die er Elemente der Beschreibung Gottes aus Dan 7,9 einarbeitet (Vers 14). Das so entworfene Bild einer überaus imposanten Erscheinung wird in Vers 16 komplettiert durch Hinweise auf Christi Macht und Funktion. Die sieben Sterne in seiner Rechten, ursprünglich Zeichen der Weltherrschaft, symbolisieren seine Herrschaftsstellung gegenüber den Gemeinden, d.h. ihren himmlischen Repräsentanten (vgl. Vers 20; 2,1 etc.), und das aus seinem Mund hervorgehende Schwert (vgl. Jes 49,2) weist auf seine richterliche Gewalt (vgl. 2,12.16). Die Erwähnung des göttlichen Lichtglanzes des Antlitzes (Vers 16c) leitet über zur Reaktion des Visionsempfängers, den die Schau des Göttlichen betäubt („wie tot“; Vers 17a.b). Das ist ein ebenso typischer Zug in Epiphanieberichten (Dan 8,18; 10,9) wie die stärkende Geste (Dan 8,18; 10,10) und der beruhigende Zuspruch (Dan 10,12.19; 1Hen 15,1). | Es besteht kein Grund, sich vor dem Menschensohngleichen zu fürchten, denn dieser gibt sich Johannes zu erkennen als der, der an die Seite Gottes gehört und Macht auch über den Tod hat (Vers 17cf). Er ist der Geschichtsübergreifende – wie Gott: vgl. Vers 8 mit 22,13 – und der Lebendige, der Auferstandene und – wie Gott: vgl. 4,9f – in Ewigkeit Lebende; deshalb ist er befugt, das Totenreich, die Unterwelt auf zuschließen. Die Wendung „die Schlüssel des Todes und des Hades“ wird man analog 3,7 („Schlüssel [zur Stadt] Davids“) deuten müssen: Christus kann bzw. wird die Menschen dem Tod entreißen, seinen Anhängern zum Heil, seinen Gegnern zum Verderben (vgl. 20,13 in Verbindung mit 22,12). Anderenfalls würde hier davon die Rede sein, daß er Tod und Hades die Schlüssel entwunden hätte, die sich zuvor in deren Besitz befanden. Beide Interpretationsmöglichkeiten führen jedoch auf die gleiche Grundaussage: Für den mit Christus Verbundenen hat der Tod seinen letzten Schrecken verloren (vgl. 1,5; 14,13). C. Hermeneutische Konsequenzen Die Vision Christi, die Johannes empfing und von der er seinen Adressaten berichtet, gibt Auskunft darüber, wie er Christus „sieht“: als den Hoheitsund Würdevollen, den Mächtigen und vor allem als den Herrn der Gemeinden. (Aber er sieht ihn nicht nur so; vgl. zu Himmelfahrt [in diesem Bd. S. 201–204].) Auf Christen, die um die Zeit der 1. Jahrhundertwende zu den Diskriminierten, Bedrohten und Verfolgten gehören, wie Vers 9 andeutet und weitere Visionen der Offb zeigen, wirkt das sicher anders als auf den heutigen mitteleuropäischen Leser/Hörer. Das „fürchte dich nicht“ (Vers 17) ist nicht bloß stilgemäßer Bestandteil einer Visionsdarstellung, sondern gewinnt im historischen Kontext der Offb eine eigene Aussagekraft (vgl. 2,10), die angesichts gegenwärtiger Furcht und Schrecken einflößender Welt- und Lebensumstände aufgegriffen werden kann. Wenn man an der in

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vielen Einzelheiten fremdartig anmutenden Beschreibung des Menschensohngleichen Anstoß nimmt, sollte bedacht werden, daß dieses Christus„bild“ ebenso wie die Worte der Selbstprädikation begründen, warum der Glaubende seinem Herrn vertrauen darf. Zwei Aspekte bieten sich zur näheren Entfaltung an: Christus ist der Herr der Gemeinden; vor seinem Urteil (nicht dem anderer Kritiker) müssen sie bestehen. Er ist der Überwinder des Todes und damit der Garant dafür, daß mit dem Ende des physischen Lebens die Beziehung zu ihm nicht abbricht. Die exklusive Bindung an Christus macht schon irdisch – und nicht allein „innerlich“ – frei, selbst unter ärgster Bedrängnis oder subtileren gesellschaftlichen Zwängen. Johannes weiß, wovon er spricht, als er sich an seine Mitchristen wendet (Vers 9); wer diesen Textabschnitt seiner Predigt zugrunde legt, weiß es vermutlich auch.

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr: Offenbarung 2,8–11 A. Der Kontext I. Johannes hat von dem Erhöhten den Auftrag erhalten aufzuschreiben, was er gesehen hat, „was ist und was geschehen wird danach“ (1,19); dies soll er an sieben namentlich genannte Gemeinden schicken (1,11; vgl. zum letzten Sonntag nach Epiphanias [in diesem Bd. S. 204–207]). Diese spricht der Verfasser mit seinem als Brief gestalteten Schreiben insgesamt an (1,4; vgl. zu Himmelfahrt); jeder von ihnen gilt aber auch eine eigene Botschaft (Kap. 2f), die der Erhöhte dem Seher diktiert. Adressiert sind die sog. Sendschreiben an den | aggelos der jeweiligen Gemeinde, womit wahrscheinlich deren himmlischer Repräsentant gemeint ist (vgl. 1,20; Johannes befindet sich ja bei der Aufnahme des Diktats „im Geist“: 1,10); über den „Engel“ wird die ganze Gemeinde angeredet. Wie immer man sich den literarischen Entstehungsprozeß der Offb im einzelnen vorstellt, die Gemeindebotschaften stammen sicher von dem Autor, dem das Werk seine vorliegende Gestalt verdankt, und spiegeln die Situation zur Zeit des Abschlusses bzw. der Veröffentlichung des Buches um die 1. Jahrhundertwende wider. Im Hinblick auf die Gemeinden entwirft der Verfasser dann das umfangreiche apokalyptische Szenarium (Kap. 4ff), in dem die angebrochene Endzeit gedeutet und die endgültige Durchsetzung der Herrschaft Gottes (und seines Christus) angesagt wird. II. Die zweite der Botschaften ist an die Gemeinde in Smyrna gerichtet. Zur Kaiserzeit stand diese alte Hafen- und Handelsstadt (das heutige Izmir) in wirtschaftlicher Blüte und galt neben Ephesus und Pergamon (dorthin

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werden das erste und das dritte Schreiben gesandt) als führende Stadt der Provinz Asia. Antike Zeugnisse belegen, daß in Smyrna der Kaiserkult eine wichtige Rolle spielte und unter den Bevölkerungsgruppen die Juden eine besondere Stellung einnahmen. B. Der Text I. Alle Sendschreiben sind gleich aufgebaut. Zu Beginn steht (1.) der Schreibbefehl (Vers 8a), in dem bloß die Ortsangabe variiert. Es folgt (2.) die Botenformel (Vers 8b); durch sie werden die anschließenden Worte als Rede des erhöhten Christus ausgewiesen, wobei die wechselnden näheren Bezeichnungen des Sprechers auf die Darstellung und die Prädikationen Christi in der Beauftragungsvision (1,9ff) zurückgreifen. Im Hauptteil der Schreiben (3.), eingeleitet mit „ich weiß […]“, wird auf die spezifische Situation der jeweiligen Gemeinde eingegangen (Vers 9f); entsprechend unterschiedlich fällt dieser Abschnitt aus. Je nachdem, ob die Adressaten zu loben oder zu tadeln sind, können sich hier Umkehraufforderungen, Drohworte, bedingte und unbedingte Heilszusagen finden. Bei der Gemeinde von Smyrna fehlt – wie sonst nur noch bei der in Philadelphia (3,7–13) – jede einschränkende Kritik und deshalb auch die Aufforderung zur Umkehr. Durch die mit dem Trostzuspruch (Vers 10a.b) verbundene allgemein gehaltene Mahnung gewinnt Vers 10c den Charakter einer bedingten Heilsankündigung. (4.) Der immer gleich lautende Weckruf (Vers 11a) weitet das Gesagte auf alle Gemeinden aus. Nun erscheint der Geist als der Redende; die Selbstkundgabe Christi erreicht die Gemeinden über das geistgewirkte Wort des Johannes, der es lediglich aufschreibt (Vers 8a). (5.) Der abschließende Siegerspruch (Vers 11b; „Überwinderspruch“ klingt zu schwach), der in den vier letzten Botschaften seinen Platz mit dem Weckruf tauscht, ist inhaltlich unterschiedlich formuliert, bleibt aber formal i.w. gleich. Die Partizipialwendung (ho nikǀn) nennt die Voraussetzung, | unter der die Gläubigen am Endheil (vgl. Kap. 20f) teilhaben werden. Obwohl die Sendschreiben offenkundig Formen der prophetischen Rede aufnehmen, erlauben sie keinen verläßlichen Rückschluß auf die mündliche („prophetische“) Verkündigung des Johannes, denn sie sind von vornherein als Teil eines größeren literarischen Werkes konzipiert worden. II. Die Vorstellung Christi in der Botenformel als „der Erste und der Letzte, der tot war und lebendig wurde“ (Vers 8; vgl. 1,17f) scheint mit Bedacht gewählt zu sein: Es spricht der Geschichtsumspannende und der Überwinder des Todes zu einer bereits bedrängten Gemeinde (Vers 9), der weitere thlipsis bevorsteht (Vers 10). Davon betroffen sind materiell arme, doch in Wahrheit (nämlich an geistlichen Gütern: vgl. 2Kor 6,10; 8,9; Jak 2,5) reiche Christen (Vers 9). Zu jener erfahrenen Bedrängnis gehört wohl auch die „Blasphemie“ seitens derer, „die sich Juden nennen und sind es

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nicht, sondern eine Synagoge des Satans“. Man denkt gelegentlich an Christen mit synkretistischen Tendenzen, die sich als Juden ausgeben, um so der Verfolgung zu entgehen. Doch nichts weist auf eine innergemeindliche Auseinandersetzung in Smyrna; zudem bezeichnen in der Offb blasphƝmia und blasphƝmein immer Äußerungen, die von Nichtchristen ausgehen, oder Ansprüche des Widersachers Gottes (13,1.5.6; 16,9.11.21; 17,3). Da die „Juden“ aber von außen her die Christen bedrohen (vgl. 3,8bf), wird es sich tatsächlich um Juden handeln. Ob sie – durchaus verständlich – dem christlichen Glauben widersprechen (für Johannes: ihn lästern) oder die Christen bei den Behörden verleumden (vgl. die Sicht der Apg: 14,2 u.ö.), ist kaum zu entscheiden. Der Verfasser polemisiert gegen ihr Selbstverständnis (4Mose 16,3; 20,4; 31,16 LXX: synagogƝ kyriou), weil für ihn die Kirche das wahre Gottesvolk ist (bes. deutlich zeigt das 7,1ff), die sich dem Christentum verschließenden Juden dagegen auf die Seite des Satans gehören. Die Gemeinde erwartet weiteres Leid (Vers 10); einige Christen werden eingekerkert (durch Organe des „teuflischen“ Imperiums: vgl. Kap. 13, bes. Vers 10), doch ist die Verfolgungszeit begrenzt („zehn Tage“ nach Dan 1,12.14). Wer vor dem Leiden nicht zurückschreckt und der Versuchung zum Glaubensabfall widersteht, erfüllt die Aufforderung: „Sei treu bis in den Tod“, d.h. er hält Christus die Treue und scheut selbst den Tod nicht. Den Treuen, nicht nur den Märtyrern, wird der „Kranz des Lebens“ verheißen. Die Herkunft dieses Bildes ist nicht eindeutig zu klären (Preis im Wettkampf, Attribut des Triumphators, Bekränzung der Mysten beim Kultmahl, Strahlenkranz der Lichtgötter?); gemeint ist hier jedenfalls die Gabe des ewigen Lebens, das ungetrübte Sein bei Gott (vgl. 21,3f). Auch der Siegerspruch (Vers 11) stellt das Endheil in Aussicht, denn den Treuen kann der „zweite Tod“ (eine jüdische Vorstellung) nichts anhaben. Dieser endgültige, dem physischen folgende Tod ist gleichbedeutend mit dem im Endgericht verfügten Ausschluß vom himmlischen Jerusalem (20,14f; 21,8). Der Christ kämpft nicht um das Heil (vgl. 1,5f; er partizipiert ja bereits am Sieg Christi: 5,5; 12,11 [Aorist!]), er verteidigt es vielmehr und kämpft um die Teilhabe an der Heilsvollendung. | C. Hermeneutische Konsequenzen I. Die Situation der angesprochenen Christen in Smyrna ist nicht vergleichbar mit der unserer Gemeinden. Doch auch wenn das unbeugsame Festhalten am Bekenntnis nicht mit Gefängnis und Tod bedroht ist, kann man fragen, ob nicht schon viel harmlosere gesellschaftliche Sanktionen (von mildem Spott bis zur Ausgrenzung) „Versuchung“ (Vers 10) genug sind. Das gilt natürlich erst recht, falls nicht die Furcht vor kleinerem oder größerem „Leiden“, sondern erlittenes oder in Welt und Gemeinde wahrgenommenes bitteres Leiden, dessen Ende keineswegs immer absehbar ist, den

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Glauben auf die Probe stellen. Das „sei treu bis in den Tod“ (Vers 10) darf nicht einseitig als Aufforderung zu einem allen Anfechtungen trotzenden Heroismus verstanden werden. Es hält dazu an, dem zu vertrauen, der im Regiment sitzt und die Todesgrenze durchbrochen hat (Vers 8), sich an das empfangene Heil zu erinnern und es festzuhalten (vgl. 3,11), denn es weist über den physischen Tod hinaus (Vers 11). II. Daß diese Gemeinde arm und doch reich ist, mag den Gedanken eingeben: Ginge es uns materiell schlechter, ginge es uns geistlich besser. Bei einer Erörterung des beliebten Themas „die Kirche und das Geld“ sollte nicht vergessen werden: Reiche wie arme Kirchen stehen in der Gefahr, ihre evangelische Freiheit einzubüßen und abhängig zu werden. III. Die Aussage in Vers 9 ist zweifellos antijudaistisch. Man kann in der Predigt erklären, warum der Autor – selbst von Herkunft Jude – in polemischer Zuspitzung zu dieser Formulierung kommt, und darauf hinweisen, daß die damaligen konkreten Konkurrenten und Gegner der Gemeinde, nicht die Juden, gemeint sind und zudem im NT auch anders geurteilt wird. Gleichwohl sollte man m.E. nicht zögern, hier sachkritisch gegen Johannes Stellung zu beziehen.

Predigt

Predigt zu Offb 5,1–5 Ev. Universitätskirche Münster, 28. November 1999 (1. Advent)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Beeindruckend sei es gewesen, so hörte und so las man, liebe Gemeinde, als am 11. August im Bereich des Kernschatten des Mondes für zwei Minuten sich die Sonne verfinsterte, es nicht bloß ein wenig dunkler wurde, wie hier bei uns in Münster. Aber was ist schon der vorausberechnete und regelrechte Lauf der Gestirne am Himmel verglichen mit dem, was im Himmel zu sehen ist. Dorthin nämlich, ja bis in den Thronsaal Gottes selbst, ist der Seher Johannes gelangt, und er erzählt davon im vierten Kapitel der Offenbarung. Ein prachtvoller Anblick bietet sich seinen Augen dar: ein berückendes Farbenspiel aus glänzendem Gold und reinem Weiß, aus kräftig schimmernden Rubinrot, aus funkelndem Saphirblau und Smaragdgrün; dazu ein Regenbogen, ein gläsernes kristallenes Meer, zuckende Blitze und flackernde Fackeln, dumpf grollende Donner, und inmitten von allem der Thron Gottes, umgeben von seinem Hofstaat, der in ewig währender feierlicher Liturgie dem Allherrscher und Schöpfer aller Dinge huldigt. Kein Zweifel, hier hat alles seinen Ursprung, laufen die Fäden zusammen, ist der Nabel der Welt. Wer wollte es Johannes verübeln, wenn er sich vom sinnenbetörenden Glanz blenden ließe und freudig-bewegt die Nähe Gottes genösse, wenn er sich daran berauschte, Einblick ins Zentrum der Macht zu haben, sich selbstvergessen dem religiösen Gefühl hingäbe, irdisch noch schon himmlisch zu sein. Doch die Schönheit des Himmels und der unaufhörliche Gottesdienst der Himmlischen können ihn nicht gefangennehmen. Mag im Himmel alles in bester Ordnung sein, wie aber steht es um die Erde? Denn nur um der Erde, ach was, nur um der Menschen willen macht der Himmel einen Sinn! Und so lässt sich Johannes nicht ablenken; im fünften Kapitel der Offenbarung, dem Predigttext, richtet er seinen Blick inmitten der überbordenden Fülle des Geschauten auf ein Detail, das Detail, das, auf das alles ankommt, ohne das das Ganze sinn-los ist.

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Und ich sah in der Rechten dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch beschrieben innen und hinten, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der mit lauter Stimme rief: wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen? Und niemand im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde konnte das Buch öffnen und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen. (Offb 5,1–4)

„Weiß der Himmel“, so sagt man leichthin, wenn man es selbst nicht weiß. Und nun, welch bittere Ironie, selbst die Wesen im Himmel – ratlos! Ganz zu schweigen von den Irdischen, also uns, und den Unterirdischen, den dunklen Mächten. Der ganze Kosmos – ratlos. Ja, es ist zum Heulen! Geht es doch um die Frage, ob das Leben lesbar ist, ob es Sinn macht. Solange jenes Buch geschlossen und ungelesen bleibt, bleibt auch die Frage aller Fragen unbeantwortet, bleibt das Leben eine Anhäufung von unverständlichen Zufälligkeiten und himmelschreienden Ungerechtigkeiten, ein unentwirrbares Knäuel von Erhabenem und Lächerlichem, Schönem und Gräulichem, Lust und Frust, Größe und Erbärmlichkeit, von Glanz und Schmutz, Freude und Schmerz, Erfolg und Niederlage, Gier und Entsagung, bleibt das Leben ein Haufen bunt durcheinander gewürfelter Fragmente, die keinen Sinn ergeben; kurz: das Leben bleibt unlesbar. Ja, es ist wirklich zum Heulen, wenn selbst im Himmel der Ruf nach dem, der das Buch zu öffnen und zu lesen vermag, ins Leere geht und unbeantwortet verhallt. So steht er nun da, der Seher Johannes, tränenüberströmt, wie ein verlassenes orientierungsloses Kind; ein Bild des Menschen. – Was, so fragt André Malraux, Literat und Revolutionär, Abenteurer und Widerstandskämpfer, der dem Rätsel des Lebens auf die Spur kommen will, was, so fragt er den Priester, der mit ihm aus dem deutschen Gefangenenlager geflohen ist, „was hat Sie die Beichte über die Menschen gelehrt?“ – „Wissen Sie, die Beichte lehrt uns nichts: sobald man die Beichte hört, ist man nämlich ein anderer, da steht man in der Gnade Gottes. Und doch ... zunächst einmal: die Leute sind sehr viel unglücklicher als man denkt ... Und dann ...“ Er hob seine Holzfällerarme in die Nacht empor, die voll von Sternen war: „Und dann, die Quintessenz von allem ist, daß es keinen Menschen gibt, der erwachsen wäre ...“ (A.M., Antimemoiren, gleich zu Beginn). So steht auch er da, der Seher Johannes, wie ein unglückliches Kind, ein Bild des Menschen, eines wachen Menschen, das Bild des Menschen, der sich nicht ablenken lässt, der nicht dem verlockenden Rat der irdisch Ratlosen erliegt, wenn denen die Welt zum Rätsel zu werden droht: mach es wie die Sonnenuhr, zähl die schönen Stunden nur, ablachen und sich auf die Schenkel klopfen, stell dich nicht so an, trink doch einen mit, einen Humpen Bier oder zwei, eine Flasche guten Weines. Klatschmarsch und Schunkeln – aber bitte im Takt und möglichst in die gleiche Richtung. Abtauchen in den Rausch der Musik, sei es in der Disco oder im Symphoniekonzert.

Predigt zu Offb 5,1–5

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Und immer mitten hinein ins Getümmel, sei es der Weihnachtsmarkt oder das Spaßbad. Man wird sich doch schon zu helfen wissen. Solcherlei Ablenkungsmechanismen gibt es ja für jeden Geschmack, auch den gehobenen, den kulturell verfeinerten, nicht zu vergessen: auch und gerade den religiös veredelten. Johannes freilich erliegt solchen Verlockungen nicht; kein irdisches Brimborium, ja nicht einmal die atemberaubende himmlische Inszenierung können ihn ablenken; er will es wissen, will wissen, ob das Leben lesbar ist, sich die Siegel brechen lassen. Jenes Buch, das vollgeschriebene und doch unlesbare, liegt in der Hand des himmlisch erhabenen Gottes. Warum nur, warum nur um alles in der Welt, ist man selbst im Himmel damit nicht zufrieden, und warum tröstet sich Johannes nicht mit dem Gedanken, dass dort, in der Hand des himmlisch erhabenen Gottes, die Welt und wir alle gut aufgehoben sind? Alles liegt doch in Gottes Hand. Reicht das denn nicht? Nein, das reicht eben – offenkundig – nicht! Eine – wie kann man es anders nennen? – eine religiöse Weltsicht – und mag sie noch so fromm daherkommen – genügt nicht; sie genügt so wenig wie der Glaube an ein höheres Wesen, die Annahme irgendeines letzten Sinnes, eines Urgrunds des Seins oder gar – „ja, weiß der Himmel!“ – das Unterwerfen unter das Schicksal oder – noch grässlicher – die Vorstellung vom Walten einer Vorsehung. Solche Deutungsmuster des Lebens haben ausgespielt – wie im Himmel so auf Erden –, sie sind für Johannes keinen roten Heller mehr wert, sie wären ja doch nur Variationen jener Ablenkungsmanöver, um die wir Menschen nie verlegen sind. Und vor allem: eine Lebensdeutung nach dem Motto, es wird schon seinen Sinn haben, eine solche Lebensdeutung stürzt auf Dauer, in der Konfrontation mit dem wirklichen Leben, nur in noch tiefere Ratlosigkeit und trocknet keine Träne. Und ich sah in der Rechten dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch beschrieben innen und hinten, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der mit lauter Stimme rief: wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen? Und niemand im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde konnte das Buch öffnen und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen. Und einer von den Ältesten sagte zu mir: hör auf zu weinen! Siehe, gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Nachkomme Davids, so dass er das Buch und seine sieben Siegel öffnen kann. (Offb 5,1–5)

Dieser machtvolle Sieger, auf den ein Mitglied des himmlischen Hofstaates verweist, tritt dann auf – nicht, wie zu erwarten, als strahlender himmlischer Held, sondern in der Gestalt eines Lammes, wie geschlachtet. Der Gekreuzigte also empfängt das Buch aus der Rechten Gottes; denn er allein – kein anderer – ist würdig, die Siegel des Buches zu brechen und darin zu lesen. Warum gerade er? Nun, weil er ist wie wir, weil er nur in seiner Schwäche stark ist! In ihm hat sich der himmlisch erhabene Gott selbst allen irdisch

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Weinenden hinzugesellt, wurde ihnen gleich, gleich allen jenen, die eben nicht in die Ablenkung fliehen, die nicht verdrängen, die sich nicht betäuben; gleich allen jenen, die dem Leben standhalten und denen gerade deshalb die Tränen in die Augen steigen, Tränen des Schmerzes und des Mitleids, Tränen der Wut und der Verzweiflung, Tränen der Trauer und der Einsamkeit. Für den Gekreuzigten ist das Leben lesbar, auch mein Leben, das mir oft genug zum Rätsel wird, zu einem Buch mit sieben Siegeln; für ihn, der sich mir hinzugesellt, bleibt es keine Anhäufung von Zufälligkeiten und Ungerechtigkeiten, kein unentwirrbares Knäuel von Verstrickungen und Widersprüchlichkeiten, kein Haufen bunt durcheinander gewürfelter Fragmente. Für den Gekreuzigten ist das Leben lesbar, für ihn allein, nicht aber für uns – und das ist gut so! Denn stellen wir uns vor, es gäb’ so etwas wie das Drehbuch unseres Lebens und wir könnten darin lesen, ich bin sicher, mit mir würde mancher von Ihnen in seinem Drehbuch – wie ich in dem meinen – gerne Korrekturen anbringen, mit dem Autor in Verhandlungen eintreten, die eigene Rolle umschreiben und einige Seiten austauschen. Jene unschöne Sequenz könnte verändert, jener peinliche Vorfall gestrichen werden; anderes – etwa die Liebesszenen – könnte erheblich vermehrt, verlängert und intensiviert werden; der berufliche Werdegang vielleicht kürzer, dafür aber steiler ausfallen; jene Qual und dieses Leid, muss das denn sein? Könnten nicht meine Fähigkeiten, die Rolle im Drehbuch des Lebens auszufüllen auf andere Weise vorgeführt werden? Und überhaupt, wäre es nicht möglich, irgendwie besser rauszukommen, einen größeren und dankbareren Part zu übernehmen, für mich andere, angenehmere und womöglich auch berühmtere Mitspieler zu engagieren? Doch ein solches Mitspracherecht ist uns nicht gegeben – zu unserem Glück! Hätten wir ein solches Mitspracherecht, dann trügen wir ja auch die Verantwortung für das Gelingen unseres Lebens, müssten ihm selbst – auf Gedeih und Verderb, auf Sinn komm raus – einen Sinn abringen; dann wäre unser Leben letztlich nichts anderes als ein hektischer Kampf um die beste Rolle. Ein entsetzlicher Gedanke: Das Leben als eine Art permanentes Hollywood; alle auf der Jagd nach der Traumrolle. Die meisten bleiben auf der Strecke, einige wenige schaffen es – allerdings um den Preis, nun eben Rollen spielen zu müssen und nicht mehr sie selbst sein zu dürfen. Das wäre nicht bloß ein Betrug um das Leben, es wäre zudem eine erbarmungslose Überforderung, nur Quelle weiterer Tränen. Das Drehbuch unseres Lebens, sollte es existieren, wir jedenfalls brauchen uns damit nicht zu befassen, wir dürfen das Christus überlassen, dürfen ihm aufborden, unserem Leben – wie rätselhaft es sein mag – Sinn zu verleihen, und das ist gut

Predigt zu Offb 5,1–5

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so! Denn nur deshalb – und aus keinem anderen Grund – kann es ja heißen, kann ich mir sagen lassen: „Hör auf zu weinen!“ Diese Aufforderung allein, liebe Gemeinde, wir wissen es, wird die Tränenströme dieser Welt nicht zum Versiegen bringen. Zu groß sind das Leid, der Schmerz, die Mühe, zu groß ist auch die nie endende Versuchung, aus Eitelkeit und Stolz selbst die Sache in die Hand zu nehmen, selbst dem Leben einen lesbaren Sinn zu verleihen – nur um daran doch immer wieder zu scheitern. Jener Priester wusste: „Die Leute sind sehr viel unglücklicher als man denkt.“ Das ist wahr! – Deshalb, als schließlich alle sieben Siegel des Buches durch den Gekreuzigten geöffnet sind und so endlich das Leben lesbar ist, hört Johannes im 21. Kapitel der Offenbarung vom Thron Gottes her eine laute Stimme; sie ist so laut, wie die Stimme jener anfänglichen Ratlosigkeit. Und diese Stimme nun verkündet das reine Evangelium des Advents, das, was wir wissen können und dürfen: Siehe, die Wohnung Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott, wird bei ihnen sein, ihr Gott, und er wird abwischen jede Träne von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Trauer noch Wehgeschrei noch Mühsal wird mehr sein, denn das Bisherige ist vergangen. (Offb 21,3f)

Ja, mehr zu wissen, ist nicht nötig; dies aber zu wissen, ist unser Glück. Gott, dem Gekreuzigten, sei Dank. Und der Friede Gottes, der unser Begreifen übersteigt, weil er unserem Leben Sinn verleiht, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Anhang

Johannesapokalypse und johanneischer Kreis Zu Jens-Wilhelm Taegers Methode des motivgeschichtlichen Vergleichs innerhalb des Corpus Johanneum von Friedrich Wilhelm Horn (Mainz)

In einem im Jahr 2003 erschienenen Buch, in dem Neutestamentlerinnen und Neutestamentler Evangelisch-Theologischer Fakultäten in autobiographischen Essays Rechenschaft geben über ihre jeweilige Sicht des wissenschaftlichen Fachs Neues Testament, schreibt Jens-Wilhelm Taeger: „Wer lange genug im Fach Neues Testament tätig war, hat einige angebliche ‚Paradigmenwechsel‘ erlebt und lässt sich durch die Fülle konkurrierender Textzugänge nicht beeindrucken. Das hat nicht unbedingt mit Abgestumpftheit, Lernunlust oder -unfähigkeit zu tun, vielmehr mit der Überzeugung, es werde sich aufs Neue bestätigen“ 1 – und nun zitiert er Peter Sloterdijk: „Solange es eine Mehrzahl von ‚Interpretationen‘ gibt, sind die Dinge in Sicherheit vor dem Wahn der Erkennenden, sie hätten die Objekte – als erkannte – ein für allemal festgestellt.“2 Taeger fährt fort: „Als nie ein für allemal festgestellte und ruhig gestellte Texte können die neutestamentlichen auch nie um ihr theologisches Potential gebracht werden; das Interesse daran mag nachlassen, lebt es wieder auf, wird es nicht enttäuscht, wird der von den Texten ausgehende Ruf der Freiheit gehört werden.“ 3 Der Gehalt neutestamentlicher Texte ist folglich niemals abschließend erfasst und in einer einzigen Interpretation festzuhalten. Was für jeden Interpretationsvorgang im Allgemeinen gilt, bestätigt sich innerhalb der Schriftauslegung jedoch im Besonderen, da das Objekt der Interpretation, das Neue Testament, sich gegenüber der Vielzahl der Interpretationen geradezu als widerborstig erweist und unerwartet und auf neue Weise Sinn freisetzt, den die exegetische Arbeit im redlichen Bemühen und in Anwen Ausgearbeitete Fassung eines Vortrags, gehalten im Rahmen der akademischen Gedenkfeier für Prof. Dr. Jens-W. Taeger in Münster am 20.01.2006. 1 J.-W. TAEGER, Die neutestamentliche Wissenschaft als theologische Disziplin, in: Eve-Marie Becker (Hg.), Neutestamentliche Wissenschaft. Autobiographische Essays aus der neutestamentlichen Wissenschaft, UTB 2475, Tübingen und Basel 2003, 374–382, hier 382. 2 P. SLOTERDIJK, Kritik der zynischen Vernunft II, edition suhrkamp 1099, Frankfurt 1983, 656f. 3 TAEGER, Wissenschaft (s.o. Anm. 1), 382.

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dung methodisch kontrollierter, oftmals geradezu handwerklicher Arbeit so nicht erwartet hat. Schon in seiner ersten Publikation zur Apokalypse warnt Taeger vor der „Illusion […], eine Deutung könne das in ihnen (scil. den Bildern der Apk) innewohnende Sinnpotential ausschöpfen.“ 4 Doch wird man beides, die Arbeit der Exegeten und den sinnstiftenden Gehalt der neutestamentlichen Texte, auch nicht einfach auseinander reißen dürfen. Die sich reformatorischen Einsichten verpflichtet wissende Schriftauslegung hat philologische Arbeit und theologische Erkenntnis eng verknüpft. Daher wird man den Spieß auch umdrehen dürfen und sagen müssen, dass exegetisch-philologische Arbeit eine legitime Begrenzung der unbegrenzten Vielzahl der Interpretationen darstellt, da sie gegenüber der Freiheit, bisweilen gar Willkür des Interpreten den Vorrang des Textes im Interpretationsvorgang anerkennt. Wohin mag nun dieses Wissen um die Begrenztheit der eigenen Interpretation einen Exegeten führen? Wohin hat dieses Wissen Jens-Wilhelm Taeger geführt? Im Blick auf sein wissenschaftliches Werk fällt auf, dass er den einmal eingeschlagenen Pfaden, vor allem in der Auslegung der Johannesoffenbarung, stets treu geblieben ist. Er hat beständig über zwei Jahrzehnte hinweg versucht, den gefundenen Interpretationsansatz durch weitere Einsichten abzustützen, sich dabei immer deutlicher hinbewegend auf eine These, die sogleich im Folgenden vorzustellen sein wird. Er, der die Vielzahl der Interpretationen grundsätzlich bejahte, um den zu interpretierenden Gegenstand freizuhalten von der normativen Kraft der einen Interpretation eines einzigen Forschers, beharrte seinerseits über Jahrzehnte auf seinem Modell und wechselte nicht auf halber Strecke oder gar noch öfter den Interpretationsansatz. Verstehen kann man diese Haltung vielleicht, wenn dieser Forscher seinen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion so verstand, dass er zu einer einzigen Sache, nicht zu allem und jedem, etwas sagen mochte, und dies so, dass er seinen Gesprächsbeitrag immer klarer und herausfordernder formulierte und dies doch immer wieder im Wissen darum tat, dass dieser eigene Weg nicht mehr als eine mögliche Interpretation unter anderen ist. Wenn man die Bibliographie Jens-Wilhelm Taegers durchsieht, dann muss man sogar sagen, dass er sich recht ausschließlich in die Diskussion zur Johannesapokalypse, in einem weiteren Sinn dann noch in diejenige ihrer Stellung im Corpus Johanneum eingemischt hat. Er hat das Thema und den Bereich der in der Dissertation bearbeiteten Forschung – das Menschenbild im Lukasevangelium 5 – nicht weiter verfolgt und sich 4

J.-W. TAEGER, Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes, VF 29, 1984, 50–75, hier 55 (in diesem Bd. S. 35). 5 J.-W. TAEGER, Der Mensch und sein Heil. Studien zum Bild des Menschen und zur Sicht der Bekehrung bei Lukas, StNT 14, Gütersloh 1982. Diese Dissertation war 1977 vom Fachbereich Evangelische Theologie in Münster angenommen worden. Zwischenzeitlich hatte Taeger in DERS.,

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sodann im wesentlichen zu dem Thema geäußert, zu dem er etwas einbringen mochte, also zur Johannesoffenbarung. Ich möchte im Folgenden zunächst Taegers Beitrag zur Auslegung der Johannesoffenbarung vorstellen und seinen Standort in der gegenwärtigen Forschung anzeigen. In einem zweiten kürzeren Schritt werde ich Taegers Perspektive – sozusagen auch als Referenz an den verstorbenen Kollegen – meinerseits aufnehmen und sie auf ein Thema, auf die Tempeltheologie im Corpus Johanneum anlegen, um die Fruchtbarkeit, aber vielleicht auch die Grenzen des Forschungsansatzes klarer erkennbar zu machen.

1. Jens-Wilhelm Taegers Beitrag zur Auslegung der Johannesoffenbarung 1.1 Darstellung Taegers Arbeiten zur Johannesapokalypse müssen recht bald nach erfolgter Promotion und einer kurzen Zeit im Pfarramt im Jahr 1979 eingesetzt haben. Nicht die Habilitation im Jahr 1986 war deren erste Frucht, sondern ein ausführlicher Literaturbericht in der Zeitschrift Verkündigung und Forschung im Jahr 1984. Zwar steht die Darstellung der Forschung im Vordergrund, doch das kritische Referat legt bereits deutlich die Sicht Taegers frei. Die in der Auslegungsgeschichte immer wiederkehrende Forderung, die Johannesoffenbarung mit einer Spezialhermeneutik auszulegen – Taeger erinnert, ohne Vollständigkeit anstreben zu wollen, an die welt-, kirchen-, reichs-, end-, zeit-, religions- und traditionsgeschichtliche Methode – lehnt er radikal ab und schreibt: „Die Apk fordert […] keine Spezialhermeneutik und keine nur oder vorzugsweise auf diese Schrift anzuwendende ‚Auslegungsmethode‘. Bestünde darüber Einigkeit, wäre schon viel gewonnen.“6 Taeger spricht dies zu jener Zeit deutlich etwa gegenüber dem im Jahr 1974 erschienenen Kommentar von Heinrich Kraft aus, der in diesem Werk den Nachweis zu erbringen versucht hatte, dass das Alte Testament „nicht als

Paulus und Lukas über den Menschen, ZNW 71, 1980, 96–108 die Ergebnisse der Dissertation in diesem kleinen Aufsatz ergänzt (vgl. das Vorwort in der Druckfassung der Dissertation sowie S. 227 Anm. 937). Zu verweisen ist jedoch auch noch auf DERS., Der grundsätzliche oder ungrundsätzliche Unterschied. Anmerkungen zur gegenwärtigen Debatte um das Gesetzesverständnis Jesu, in: I. Broer (Hg.), Jesus und das jüdische Gesetz, Stuttgart 1992, 13–35. 6 J.-W. TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 53 (in diesem Bd. S. 33).

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ein, sondern als der sachgemäße Interpretationsrahmen“ 7 der Johannesoffenbarung zu betrachten sei. Aber auch die heilsgeschichtliche Deutung des damaligen Rektors des Tübinger Bengel-Hauses und nachmaligen Landesbischofs der Württembergischen Kirche, Gerhard Maier, oder der Strukturalismus, den Taeger in einer „milden Spielart“ bei Jacques Ellul entdeckt, werden präzise und deutlich zurückgewiesen. Man hat geradezu den Eindruck, als läge Taeger an einer Rehabilitierung der Johannesoffenbarung vor einseitiger Auslegung, da er gerade den Blick auf den „Schriftsteller und dessen literarische Selbständigkeit“ richten möchte und dabei „auch und vor allem einen Theologen“ erkennt.8 Ich spreche jetzt zunächst vier Entscheidungen an, die in diesem Forschungsbericht bereits niedergelegt sind und die Taegers Apokalypseauslegung seitdem bestimmt haben. a) In diesem Literaturbericht spricht Taeger erstmals von der erwägenswerten Überlegung einer Spätdatierung der Johannesoffenbarung. Der bis heute mehrheitlich in Anlehnung an das Zeugnis des Irenäus (haer. V 30,3) vertretenen, aber doch halbherzig vollzogenen Ansetzung der Schrift in die Zeit des römischen Kaisers Domitian (81–96 n. Chr.) steht entgegen, dass Christenverfolgungen unter Domitian nicht wirklich stattgefunden haben und dass das negative Bild dieses Kaisers, das man in der Johannesoffenbarung wiederzuerkennen meinte, so nicht der Wirklichkeit entsprach, sondern erst nachträglich innerhalb der römischen Geschichtsschreibung geformt wurde. Taeger erwägt überdies, in den sieben Sendschreiben in Apk 2–3, in denen die Verfolgungsthematik keine hervorgehobene Rolle spielt, Gemeindeprobleme und -verhältnisse des beginnenden 2. Jh. erkennen zu können. 9 Für die Spätansetzung spricht nach seiner Sicht auch Krafts Hinweis, dass „die literarische Produktion gewöhnlich hinter den Ereignissen herläuft, auf die sie sich bezieht.“ 10 Wir könnten auch sagen: Apokalypsen arbeiten nachträglich ein politisches Geschehen auf, weisen aber nicht im Voraus darauf hin. Beiläufig erwähnt Taeger einmal die Möglichkeit der Datierung in die Zeit des Kaisers Trajan (98–117 n. Chr.), er hat es allerdings bei diesen Anmerkungen belassen. 11 7 So TAEGERS Referat (Veröffentlichungen [s.o. Anm. 4], 56 [= S. 36]) zu H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974. 8 TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 57 (= S. 38). 9 Vgl. auch die einleitungswissenschaftlichen Bemerkungen bei J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, Berlin/New York 1988, 20–22. 10 KRAFT, Offenbarung (s.o. Anm. 7), 11; aufgenommen bei TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 58 (= S. 39); DERS., Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 22. 11 Der Vorschlag einer Spätdatierung ist in Münster aufgenommen und ausgearbeitet worden von TH. WITULSKI, Ein neuer Ansatz zur Datierung der neutestamentlichen Johannesapokalypse, SNTU 30, 2005, 39–60; vgl. auch J. FREY (in M. HENGEL, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 427); er

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b) Die jüngere Auslegungsgeschichte hat wie für alle neutestamentlichen Schriften, so auch für die Johannesoffenbarung, eine synchrone Textbetrachtung vorgestellt. Jürgen Roloff etwa schreibt in seinem 1984 erschienenen Kommentar: „Die Offenbarung ist, was ihre Gesamtkomposition betrifft, als ein einheitliches, konsequent aufgebautes Werk zu beurteilen, das vom theologischen Willen seines Verfassers vom Anfang bis zum Ende geprägt ist.“ 12 Taeger hingegen hat sich in seinem Literaturbericht und in den folgenden Publikationen zur Literarkritik bekannt. Wilhelm Boussets Erkenntnis, dass der Verfasser auf Fragmente und Überlieferungen zurückgreife, wird vorbehaltlos bejaht. Mittels der Literarkritik soll vornehmlich das Profil des sog. Endredaktors geschärft werden. Seine Wirksamkeit wird nicht nur in der Komposition des Werks erkannt, sondern auch in den vorgeschalteten Sendschreiben, die sich also seiner Hand verdanken. 13 In einem im Jahr 2002 gehaltenen Vortrag auf dem Kongress der SNTS hat Taeger recht eindeutig gegenüber jeglichem Verzicht auf literarkritische Erwägungen bzw. auf source criticism, auch gegenüber „einer zunehmend holistischen Interpretation der Texte“, 14 erneut die literarkritische Frage eingefordert. Er stellt Apk 1,1–3 als einen von einem Herausgeber oder Redaktor dem Werk vorangestellten Textabschnitt vor. Ich werde gleich auf die Sachgründe eingehen, die Taeger im Kontext seines Verständnisses des johanneischen Kreises zur Begründung dieser literarkritischen These anführt. c) Zunächst aber sind die im Literaturbericht vielfältigen Zwischenbemerkungen zur Frage der Christlichkeit der Johannesoffenbarung zu würdigen. Taeger äußert starke Zweifel an Rudolf Bultmanns Sicht, in der Johannesoffenbarung sei „der eigentümliche Zwischen-Charakter des christlichen Seins […] nicht erfaßt.“ 15 Vor allem die das gesamte Werk durchziehenden Hymnen, die vom bereits errungenen Sieg Gottes und des Lammes sprechen, stellen nach Taeger einen markanten Unterschied zum Geschichtsverständnis der jüdischen Apokalyptik dar, insofern der Sieg ja bereits gegeben und nicht mehr erwartet wird. Es gibt also auch in der Johannesapokalypse einen eschatologischen Vorbehalt. Dem korrespondiert auch das Nebeneinvotiert für eine Herausgabe der Apokalypse nach Abfassung der Briefe des Johannes und sieht auch in der Kaiserliste Apk 17,9–11 den zeitlichen Rahmen innerhalb der Herrschaftszeit Domitians als überschritten an. 12 J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 21987, 21. 13 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 24. 14 J.-W. TAEGER, Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift, NTS 49, 2003, 176–192, hier 178 (in diesem Bd. S. 159). Taeger kritisiert, dass einige Kommentare die literarkritische Frage nicht einmal mehr ansprechen (178f Anm. 7 [= S. 159]) oder aber mit der Betonung einer höchst kunstvollen Komposition des Buches diese Frage gleich aufheben (179 Anm. 9 [= S. 160]). 15 R. BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 61968, 529.

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ander von zwei Aussagereihen, die zum einen von der Gegenwartsbedeutung des Christus als des Lammes und zum anderen von seiner Zukunftsbedeutung sprechen. An dieser Stelle folgt Taeger nicht einer auch vorgetragenen Literarkritik, die in den futurischen Aussagen jüdische Traditionsstücke erkennt, vielmehr erkennt er beide Seiten als Ausdruck einer einzigen Konzeption an, zumal auch vom Lamm eine Gerichtsfunktion gegenüber der Welt ausgesagt wird. 16 Grundsätzlich wird man im Blick auf alle Arbeiten Taegers zur Johannesapokalypse urteilen müssen, dass er als Anwalt einer Interpretation aufgetreten ist, die eine ausgeführte christliche Theologie in dieser Schrift wahrnimmt. d) Schließlich wird in dem Literaturbericht nach den Beziehungen der Johannesoffenbarung zum johanneischen Kreis gefragt bzw. zum Corpus Johanneum, zu dem neben dem Evangelium und der Apokalypse auch noch die drei Briefe des Johannes zählen. Taeger ist anfänglich noch vorsichtig: Jede Erwägung sei hier, schreibt er, in der Form der Frage vorzubringen. Man müsse sich sowohl von Zuspitzungen im Sinn einer Verfasseridentität als auch von der bereits vielfach gebotenen Auflistung der sprachlichstilistischen Gemeinsamkeiten lösen. Dagegen sei vielmehr zu fragen, ob das sog. Johanneische „in seiner Apk-Ausprägung mit den Tendenzen, die für den johanneischen Kreis charakteristisch sind, in Einklang zu bringen ist.“ 17 Wurde nun im Forschungsbericht noch die Frage gestellt, ob die Analyse der Worte vom lebendigen Wasser bzw. Wasser des Lebens (in Joh und Apk), einer Position Ferdinand Hahns zufolge, nur den Schluss zuließe, in der Apk sei ein traditionsgeschichtlich älteres Stadium erkennbar,18 so nahm sich Taeger in seiner Habilitationsschrift dieser Thematik eigens an und formulierte eine Zuordnung, die Hahns These geradezu auf den Kopf stellte und damit eine andere Perspektive für die Geschichte des johanneischen Kreises gewann. Damit ist bereits ein Übergang zur Habilitationsschrift hergestellt. Wie der Haupttitel belegt, sucht und bietet sie eine Verhältnisbestimmung von Johannesapokalypse und johanneischem Kreis. Dieses Thema hatte bereits im 19. Jh. seine große Zeit, zunächst durch die Ablehnung der These, die Ver16 TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 66 (= S. 48) etwa gegen U.B. MÜLLER, Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes, StNT 6, Gütersloh 1972. 17 TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 72 (= S. 55). 18 TAEGER, Veröffentlichungen (s.o. Anm. 4), 72 (= S. 55) in Auseinandersetzung mit F. HAHN, Die Worte vom lebendigen Wasser im Johannesevangelium. Eigenart und Vorgeschichte von Joh 4,10.13f; 6,35; 7,37–39, in: J. Jervell and W.A. Meeks (Hg.), God’s Christ and His People (FS N.A. Dahl), Oslo 1977, 51–70; vgl. dann auch die Kritik an Hahn durch TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 78–80.

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fasserschaft des Evangeliums mit dem Apostel Johannes, dem Zebedaiden, in Verbindung zu bringen, dann mit Darlegungen von Gemeinsamkeiten innerhalb der johanneischen Schriften (Stichwort: gemeinsamer Soziolekt), schließlich mit der Aufwertung des von Papias (bei Euseb, hist. eccl. III 39,4) erwähnten, aber von dem Apostel Johannes zu unterscheidenden Presbyters Johannes. Taegers Habilitationsschrift erschien in einem Forschungszeitraum, in dem parallel dazu oder kurz nach seiner Arbeit etliche weitere Werke zur Johanneischen Schule herauskamen und die Diskussion mächtig durcheinander wirbelten. Georg Strecker identifizierte den Absender des 2. und 3. Johannesbriefs, der sich im Präskript als Presbyter vorstellt, mit diesem von Papias erwähnten Presbyter Johannes.19 Gleichzeitig meinte er, eine chiliastische Position bei ihm ausmachen zu können. Vor allem aber drehte er die übliche Chronologie um. Für Strecker waren die beiden kleinen Briefe des Presbyters der Anfang der johanneischen Schule und nicht, wie gerne in Analogie zu den Pastoralbriefen und ihrem Verhältnis zu Paulus gesagt wurde, johanneische Pastoralbriefe. 20 Taeger hatte sich mit diesen Positionen nicht wirklich mehr auseinandersetzen können, da sie gleichzeitig mit seiner Arbeit erschienen. Im Vorwort wird immerhin auf Udo Schnelles Habilitationsschrift, die auf Streckers Sicht basierte, verwiesen. Georg Streckers unmittelbar vor Abgabe von Taegers Habilitationsschrift erschienener Aufsatz zu den Anfängen der johanneischen Schule wird allerdings recht forsch in einer Anmerkung in die vermeintlichen Grenzen verwiesen. 21 Taegers Arbeit möchte „an einem Beispiel die Tragweite des methodisch geforderten neuen Zugangs zur kontroversen Frage der Zugehörigkeit der Apk zum Corpus Johanneum überprüfen.“ 22 Dieser neue Zugang möchte nicht darin fortfahren, umfassende Vergleiche vorzutragen, 23 vielmehr an einem konkreten Beispiel, bei dem signifikante terminologische Überein19

G. STRECKER, Die Anfänge der johanneischen Schule, NTS 32, 1986, 174–189; DERS., Die Johannesbriefe, KEK 14, Göttingen 1989. Ausführlich handelt dann über die Presbytertradition HENGEL, Johanneische Frage (s.o. Anm. 11), passim. 20 Gleichzeitig hatte U. SCHNELLE, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium, FRLANT 144, Göttingen 1986, die Reihenfolge der johanneischen Schriften mit den beiden Presbyterbriefen beginnen lassen; vgl. auch DERS., Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 5 2005, 484. 21 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 19 Anm. 107, beruft sich in seiner Kritik an Strecker auf eine „in der kritischen Forschung übliche(n) Sicht“, aus der Strecker ausbricht, ohne die Argumente zu diskutieren. 22 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 26. 23 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 16f, äußert scharfe Kritik etwa an Otto Böchers Arbeiten, dessen Aufstellungen „häufig allzu vordergründiger Art“ seien (16). Taegers Kritik impliziert jedoch eine methodische Vorentscheidung, dass nämlich die Gemeinsamkeiten in Evangelium und Apokalypse nicht auf eine vorgelagerte Tradition zurückgehen (so Böcher), sondern nur im Sinne einer Filiation zu interpretieren seien.

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stimmungen gegeben sind und bei dem gleichzeitig wesentliche theologische Sachverhalte expliziert werden, eine Verhältnisbestimmung durchführen. „Die Lebenswasser-Worte (Apk 7,16f; 21,6; 22,1.17; Joh 4,10.13f; 7,37–39), die sonst keine ntl. Parallele haben, erfüllen diese Voraussetzungen.“ 24 Gerade bei den Lebenswasser-Worten könne ein in der Forschungsgeschichte oftmals notierter Hauptdifferenzpunkt zwischen Evangelium und Apokalypse thematisiert werden, derjenige zwischen präsentischer Eschatologie im Evangelium und futurischer Eschatologie in der Apokalypse. Fassen wir die Ergebnisse der Studie kurz zusammen, die im SS 1986 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster angenommen wurde: Nach Taeger stellt die Apk nicht die Vor-, sondern die Nachgeschichte der johanneischen Worte dar. Die Lebenswasser-Worte der Apk bezeugen „eine christliche, freilich apokalyptisch akzentuierte, theologisch wohldurchdachte einheitliche Konzeption, die sich die im JohEv tradierte christliche Überlieferung angeeignet und sie umgeprägt hat. Mit der Hypothese einer gemeinsamen, in beiden Schriften unterschiedlich fortentwickelten Überlieferungsbasis zu arbeiten, erweist sich als unnötig.“ 25 Im Blick auf die Schriften des Corpus Johanneum meint Taeger einen „einheitlichen Grundzug der johanneischen Eschatologieentwicklung“26 aufzeigen zu können. Der Verfasser der Apokalypse nehme die johanneische Tradition in der Weise auf, wie sie ebenfalls für den Verfasser des 1Joh und die Redaktion des Evangeliums kennzeichnend sei. Taeger erkennt folglich eine weitgreifende Eschatologisierung einer ursprünglich eher präsentisch gedachten Eschatologie im johanneischen Kreis und so spricht nach seiner Sicht „nichts entscheidend dagegen […], das Werk des Sehers Johannes im Gefälle der johanneischen Theologiegeschichte anzusiedeln, es dem sich auffächernden johanneischen Kreis zuzuordnen und es als einen seiner Exponenten anzusehen.“ 27 Im Blick auf die Johannesapokalypse spricht Taeger von einer deuterojohanneischen oder, besser noch unter Berücksichtigung der fortgeführten Entwicklung, von einer tritojohanneischen Stufe innerhalb der Geschichte des johanneischen Kreises. 28 Die gegenwärtige Forschung teilt wesentliche Grundentscheidungen, die Taeger seinerzeit von der immer noch unter dem Einfluss der Auslegung des Johannesevangeliums durch Rudolf Bultmann stehenden Forschung übernommen hatte, mehrheitlich nicht mehr. Doch geht er selbstverständlich noch von einer Redaktion des Johannesevangeliums aus und schreibt, 24

TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 26f. TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 118f. 26 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 204. 27 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 205. 28 TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 207. 25

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„nur so“, 29 nämlich durch die Zuweisung der apokalyptisch-eschatologischen Aussagen an einen Redaktor, sei das Nebeneinander beider eschatologischer Linien zu erklären. Martin Karrer hat hingegen in einer ersten Rezension angemerkt, dass ein „zwingender Beweis spezifisch deuterojohanneischer Zusammenhänge […] daher zuletzt doch nicht erreichbar“ sei und er begrüßt, dass Taeger seine These als Vorschlag formuliert habe. An anderer Stelle schreibt Karrer, „der gesicherte Nachweis literarisch-innerjohanneischer Zusammenhänge (sei) […] augenblicklich nicht zu erbringen“. 30 Eine erste Abstützung der Hauptthese legte Taeger in einem 1994 veröffentlichten Aufsatz vor, der sich der Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften annahm. Die Genese des Aufsatzes reicht aber weiter zurück bis in die Zeit unmittelbar nach Abgabe der Habilitationsschrift, da er diesen Beitrag auch als Vortrag zum sog. ‚Vorsingen‘ gebrauchte. „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ – diese beschwingte Überschrift hatte er aus Friedrich Schillers Jungfrau von Orleans entnommen, ein durchaus verheißungsvolles Motto für die Aufgabe des ‚Vorsingens‘. Zunächst ein schlichter Befund: im Evangelium wird ausschließlich in Joh 16,33 ([…] seid guten Mutes, ich habe die Welt besiegt […]) von einem zurückliegenden Sieg Christi gesprochen, der eben darin besteht, „daß er, der in die Welt Gekommene und wieder zum Vater Zurückgekehrte […] diese grundsätzlich entmachtet hat.“ 31 Im 1. Johannesbrief ist hingegen sechsmal von einem Sieg die Rede, jedoch nicht vom Sieg Christi, sondern der Glaubenden. Sie, nicht Christus, besiegen gegenwärtig im Glauben die Welt. Doch sie besiegen nicht nur die Welt, sondern auch das Böse, den Teufel, die Pseudopropheten. Taeger erkennt „eine andere, neue johanneische Konzeption des Siegesmotivs.“ 32 In der Johannesoffenbarung wiederum konstatiert Taeger Berührungspunkte mit den beiden erwähnten johanneischen Ausführungen und folgert: „Die facettenreiche Rede vom Sieg in der Apk ist aber als Fortführung und Kombination der beiden Sichtweisen zu erklären, die im JohEv und im 1Joh belegt sind.“33 Diese basiert auf zwei Grundüberzeugungen: „Christus hat in seinem Tode gesiegt, und der Glaubende, der sich auf dies Heilsgeschehen einläßt, gewinnt Anteil an diesem Sieg, ist selbst zum Sieger geworden.“ 34 Charakteristisch kommt dies etwa 29

TAEGER, Johannesapokalypse (s.o. Anm. 9), 130. Beide Zitate bei M. KARRER, ThLZ 114, 1989, 813–815, hier 814. 31 J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85, 1994, 23–46, hier 28 (in diesem Bd. S. 85). 32 TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 31), 30 (= S. 88). 33 TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 31), 33 (= S. 91). 34 TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 31), 42 (= S. 99f). 30

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zur Sprache in den Sendschreiben an die sieben Gemeinden in der Asia. Sie fordern die Glaubenden zu einem Sieg auf, der in der Überwindung der Irrlehrer, in rechtem ethischem Verhalten, in einem Durchhalten in Bedrängnis besteht. Jedoch stehen diese Sieg- oder Überwindungssprüche an die Glaubenden unter der Vorgabe, dass bereits jetzt, wie Apk 5,5 sagt, der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel David, also Christus als das Lamm den Sieg errungen hat. Taeger formuliert das Paradoxon: „Sie kämpfen noch und sind doch schon Sieger, ja sie kämpfen, weil sie Sieger sind.“ 35 Taeger meint daher nicht nur bei dem Lebenswassermotiv, sondern auch im Blick auf das Siegesmotiv nachgewiesen zu haben, dass die Apk in eine Nachgeschichte des johanneischen Kreises gehört, für den zum einen eine zunehmende Eschatologisierung oder Apokalyptisierung des ursprünglich präsentischen Materials kennzeichnend ist, zum anderen aber auch die Übertragung von christologischen zu ekklesiologischen Aussagen. Um Taegers Auslegung der Johannesapokalypse abzurunden, stelle ich noch wenige weitere Ergebnisse seiner Forschungen zusammen. Sie sind in unterschiedlichen Aufsätzen publiziert worden. Wenn die in der Johannesapokalypse beschriebene Situation der Gemeinden nicht Folge einer staatlich verursachten akuten Notlage ist, was ist dann der Sachgrund für den Apokalyptiker, ein solches Szenario, wie in seiner Schrift dargeboten, zu entwerfen? Es gibt eine Inkongruenz zwischen der Darstellung über das satanische Regime in Apk 12f und 17f und der tatsächlichen Lage der Gemeinden, deren äußere Bedrohung eher gering, ihre innere Verfasstheit allerdings als besorgniserregend erscheint. Taeger schlägt eine theologische Begründung vor: „Das von ihm verfaßte corpus apocalypticum dient dem Nachweis, daß der […] Antagonismus von Gemeinde und Weltmacht nur den fundamentalen Gegensatz zwischen Gott und Satan abbildet, somit jede Möglichkeit friedlicher Koexistenz von vornherein ausgeschlossen ist.“ 36 Nach Taeger betreibt der Apokalyptiker folglich eine „Aufklärungsstrategie“, 37 um etwa das satanische Wesen des Imperiums für seine Gemeinden, die ihrerseits vielfache Anpassungen vollziehen, offen zu legen.

35

TAEGER, Gesiegt (s.o. Anm. 31), 38f (= S. 96f). J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: Wolfram Kurz u.a. (Hg.), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS M. Greschat), GSTR 9, Gießen 1994, 293–311, hier 310 (in diesem Bd. S. 119). 37 J.-W. TAEGER, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus. Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 187–204, hier 200 (in diesem Bd. S. 134). Als Gattungsbezeichnung findet sich dieser Begriff ‚Aufklärungsschrift‘ dann in TAEGER, Offenbarung 1.1–3 (s.o. Anm. 14), 191 (= S. 172). 36

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Der johanneische Kreis wird einer altkirchlichen Tradition zufolge in Ephesus, auf jeden Fall aber in der westlichen Asia, also in dem Gebiet, an das sich die Sendschreiben richten, lokalisiert. In welchem Verhältnis stehen paulinischer Kreis und johanneischer Kreis zueinander? Paulus hat zwar die westliche Asia nicht als sein Missionsgebiet betrachtet, lebte allerdings in den 50er Jahren etliche Jahre in Ephesus, wohl auch im Kontext eines Schülerkreises und eines regen Austausches mit anderen Gemeinden. Eine direkte Begegnung der beiden Schulhäupter, also des Paulus und des Presbyters, ist aus zeitlichen Gründen wohl auszuschließen. Der Apokalyptiker wirkt doch in erheblichem Abstand zu Paulus, zumal wenn, wie auch Taeger vermutet, der Verfasser nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels aus Syrien-Palästina nach Kleinasien eingewandert ist 38 und seine Zeit frühestens in die Regierungszeit Trajans fällt. Die Berührungen betreffen von daher ohnehin, wenn überhaupt, nur den Paulinismus, der freilich um die Jahrhundertwende in Ephesus einen bedeutsamen Einfluss ausübte.39 Taeger unterstellt nun dem Verfasser der Johannesapokalypse ein begründetes Schweigen zu Paulus und dem Paulinismus.40 Er zieht die Möglichkeit in Betracht, dass die Fehlentwicklungen, die in den Sendschreiben an die Gemeinden in Pergamon und in Thyatira angesprochen werden, vornehmlich die unbedenkliche Speise des Götzenopferfleisches, auf den Boden eines ursprünglich paulinisch geprägten Christentums verweisen. Der Apokalyptiker reagiere also auf nachpaulinische Strömungen und setze sich entschieden von ihnen ab. Weitere Argumente, etwa die völlig divergierende Sicht des römischen Staates, nach Paulus eine von Gott eingesetzte Macht (Röm 13,1), nach der Apokalypse ein satanisches Wesen (Apk 13), sollen das begründete Verschweigen verständlich machen, aber zugleich einmal mehr verdeutlichen, dass der Gegensatz zu Paulus tiefe Wurzeln in der Theologie des Apokalyptikers hat. 1.2 Kritik Jens-Wilhelm Taeger hat in seinen Arbeiten alle sog. einleitungswissenschaftlichen Fragen zur Problematik des johanneischen Kreises radikal zurückgestellt. Er erwähnt in seiner Habilitation wenige Aspekte, schließt sich dann aber doch recht schnell an die sog. opinio communis seiner Zeit an. Er bejaht die beiden Fragen, ob überhaupt und wenn ja, in welchem 38

TAEGER, Johannesapokalypse, 22. Vgl. zuletzt: P. TREBILCO, Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004; dazu auch meine Rezension in ZRGG 57, 2005, 274–276; außerdem auch M. GÜNTHER, Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, ARGU 1, Frankfurt 1995. 40 TAEGER, Schweigen (s.o. Anm. 37), 197f (= S. 131f). 39

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Umfang, die Johannesapokalypse zum johanneischen Kreis zu rechnen ist, als Arbeitshypothese, und seine Arbeiten müssen als Versuch bewertet werden, die Sachgemäßheit dieser auch von ihm als Hypothese eingestuften Voraussetzung zu belegen. Georg Streckers Neueinsatz zur Chronologie der johanneischen Schriften wie auch Martin Hengels umfassende Aufarbeitung des frühchristlichen Materials zur Presbytertradition und damit zur vermuteten Gründergestalt des johanneischen Kreises werden von Taeger auch in den jüngeren Publikationen nicht wirklich bedacht. Er ist seinem Ansatz, die Zusammengehörigkeit der Schriften in begrenzten motivgeschichtlichen Untersuchungen zu erweisen, treu geblieben. Gleichfalls hat Taeger die mehrheitlich vollzogene Wende in der Auslegung des Johannesevangeliums von der diachronen zur synchronen Betrachtung nicht akzeptiert. 41 Waren zunächst selbst innerhalb der BultmannSchule (Hartwig Thyen) alle Quellenscheidungen und nachevangeliaren Redaktionstheorien Rudolf Bultmanns fraglich, ja bei einzelnen gar hinfällig geworden, so öffnete sich damit das Johannesevangelium in seiner vom Autor intendierten Gestalt und Theologie. Es ist folglich nicht mehr oder nur noch schwer möglich, unterschiedliche eschatologische Konzepte auf Tradition und Redaktion zu verteilen. Vielmehr wird der Aussagewille des Evangelisten nicht gegen seine Texte, sondern in seinen Texten gesucht. Die futurisch-eschatologischen Aussagen sind nicht Nachtrag – so allerdings noch Taeger – sondern Bestandteil der Konzeption des Evangelisten. 42 Der Vorschlag zur Methode, die Geschichte und Entwicklung des Johanneischen Kreises mittels der Veränderungen geschlossener Motivkomplexe innerhalb dieses Schriftenkreises zu verfolgen, ist zweifelsfrei eine willkommene Ergänzung der Einleitungswissenschaft. Waren allerdings unter der behandelten Thematik der Habilitationsschrift etliche Texte, die vom Lebenswasser sprachen, sowohl im Evangelium, im 1. Brief und in der Apokalypse und eben nicht in weiteren neutestamentlichen Schriften gegeben und zu bedenken, so ist bei der Untersuchung des Siegesmotivs nur ein einziger Beleg außerhalb der Apokalypse gegeben, nämlich in Johannes 16,33. Die Textbasis für die Rekonstruktion einer Entwicklungsgeschichte erscheint somit empfindlich schmal. Dennoch mag dieser methodische Weg 41 Ich verweise aber gerne auf eine Bemerkung in J.-W. TAEGER/S. SCHEWE, Neues Testament, in: W. Marhold/B. Schröder (Hg.), Evangelische Theologie studieren, Münsteraner Einführungen: Theologie 2, Münster 2001, 63–79, mit der Taeger falschen Alternativen entgegen tritt: „Man favorisiert etwa diachrone […] oder synchrone […] Betrachtungsweisen; recht verstanden greifen sie jedoch ineinander und ergänzen sich gegenseitig“ (71). 42 Die Kritik an Bultmann ist ausführlich bei J. FREY, Die johanneische Eschatologie I, WUNT 96, Tübingen 1997, dargestellt worden. Ich verweise an dieser Stelle auch auf SCHNELLE, Einleitung, 481f (s.o. Anm. 20), der Taegers Arbeit einen eigenen Unterparagraphen (8.1.3.) widmet.

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dazu helfen, die Entwicklung der Theologiegeschichte besser darzustellen und verstehen zu können. Hierbei erscheint es mir nicht ausgemacht, dass Taegers Vermutung, die Apokalypse gehöre in eine Nachgeschichte des Johanneischen Kreises, die größte Plausibilität für sich beanspruchen kann. Nach wie vor können auch die gegenteiligen Modelle, dass nämlich einerseits die apokalyptisch-futurische Eschatologie der Ausgangspunkt der Entwicklung ist 43 oder dass andererseits die Johanneische Schule auf eine gemeinsame, allen Schriften vorausliegende Tradition zurückgreift, 44 gute Argumente für sich beanspruchen. 1.3 Folgerung Im Folgenden möchte ich meinerseits die Tragfähigkeit des von Taeger vorgeschlagenen methodischen Schritts des Vergleichs eines Motivs oder Motivbereichs, welche so ausschließlich im Corpus Johanneum begegnen, untersuchen. Stärken und Schwächen des Ansatzes sollen präziser in den Blick kommen. Da Taeger stets betont hat, die Methode sei auf weitere Motivbereiche auszudehnen und die Methode müsse sich in der wiederholten Anwendung bewähren, greife ich ein Motiv heraus, das die Voraussetzungen im engeren Sinn erfüllt: die Rede von Christus als einem Tempel, und dies wiederum in einem gewissen Gegensatz zum bestehenden oder vergangenen Tempel, dem herodianischen Tempel, und zugleich in Opposition zu einem zukünftigen Tempel.

2. Tempeltheologische Aussagen im Corpus Johanneum Dem Jerusalemer Tempel, oft auch in Anerkennung des Willens zur Durchsetzung dieses Monumentalbaus nach dem letztlich Verantwortlichen herodianischer Tempel genannt, war in seiner prachtvollen Endgestalt nur eine kurze Zeit gegönnt. 45 Dieser im Jahr 63/64 n. Chr. nach einer Bauzeit von 43

STRECKER, Anfänge (s.o. Anm. 19), passim. So O. BÖCHER, Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, NTS 27, 1981, 310–321. 45 Über das Bauwerk und die Baupolitik des Herodes informieren ausgezeichnet: J. ÅDNA, Jerusalemer Tempel und Tempelmarkt im 1. Jahrhundert n. Chr., ADPV 25, Wiesbaden 1999; S. JAPP, Die Baupolitik Herodes’ des Großen. Die Bedeutung der Architektur für die Herrschaftslegitimation eines römischen Klientelkönigs, Internationale Archäologie 64, Rahden 2000; A. LICHTENBERGER, Die Baupolitik Herodes des Großen, ADPV 26, Wiesbaden 1999; G. FASSBECK, ‚Unermesslicher Aufwand und unübertreffliche Pracht‘ (bell 1,401). Von Nutzen und Frommen des Tempelneubaus unter Herodes dem Großen, in: S. Alkier/J. Zangenberg (Hg.), Zeichen aus 44

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einem halben Jahrhundert fertig gestellte Tempel wurde in der Folge des seit 66 n. Chr. in Palästina geführten Kampfes unterschiedlicher Gruppen von Widerstandskämpfern gegen die römische Besatzungsmacht und die mit ihnen verbündeten jüdisch-königlichen Truppen im Jahr 70 n. Chr. bis auf wenige Mauerreste völlig zerstört. 46 Die Widerstandskämpfer hatten sich in der Hoffnung auf Gottes Eingreifen zuletzt in den Bereich der Tempelanlage zurückgezogen, wo einige berühmte gefangen genommen und mit etlichem Inventar des Tempels zum Triumphzug nach Rom gebracht wurden. Der Ausgang dieses Bürgerkriegs hatte für das Judentum zunächst katastrophale Folgen. Es hatte seinen religiösen Mittelpunkt, damit verbunden den Opferkult, grundsätzlich zudem die priesterliche Ausrichtung verloren. In den kommenden Jahren vollzog sich eine Neuorganisation, die wir mit den Stichworten rabbinisches und talmudisches Judentum und zugleich mit anderen religiösen Orten als Jerusalem verbinden. Auch die im Entstehen begriffenen christlichen Gemeinden in Palästina und in der Diaspora müssen das geschehene Ereignis verarbeiten, vor allem die judenchristlichen Gruppen, für die der Tempel bis zum Untergang möglicherweise noch recht ungebrochen religiöses Zentrum war. 47 Allerdings hat es innerhalb des Judentums und innerhalb des entstehenden Christentums auch immer eine Tempelkritik gegeben, und dies gar nicht einmal grundsätzlich im Sinne der Befürwortung eines immateriellen Kultes. Die Kritik richtete sich vielmehr gegen die von Herodes gewollte und durchgeführte Verbindung religiöser und ökonomischer Interessen innerhalb seiner Baupolitik. Innerhalb des frühchristlichen Schrifttums sind die Reflexe auf die Ereignisse um 70 n. Chr. in den Evangelien, vor allem im Kontext der sog. synoptischen Apokalypse deutlich. Im weiteren Schrifttum, das mehrheitlich hinsichtlich seines Abfassungstermins in die Zeit nach 70 n. Chr. datiert wird, begegnen jedoch kaum noch Reflexe dieses Ereignisses. Anders verhält es sich möglicherweise im Corpus Johanneum, dessen Tempeltheologie eine hoch durchreflektierte Gestalt hat.

Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen und Basel 2003, 222–249. 46 H.-M. DÖPP, Der Jerusalemer Tempel, in: K. Erlemann u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur 3, Neukirchen 2005, 187–200, hat die wesentlichen Informationen, antiken Quellen und die Sekundärliteratur zusammengestellt. 47 Wichtige Beiträge vermitteln: B. Ego, A. Lange und P. Pilhofer (Hg.), Gemeinde ohne Tempel. Community without Temple, WUNT 118, Tübingen 1999; H.-M. DÖPP, Die Deutung der Zerstörung Jerusalems und des Zweiten Tempels im Jahre 70 in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr., TANZ 24, Tübingen und Basel 1998; G. FASSBECK, Der Tempel der Christen. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur Aufnahme des Tempelkonzepts im frühen Christentum, TANZ 33, Tübingen und Basel 2000.

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2.1 Johannesevangelium Die sog. Perikope von der Tempelreinigung Joh 2,13–22 ist von dem Evangelisten in seinem Werk an den Beginn der Wirksamkeit Jesu gestellt worden. Dies und ein an die Zeichenhandlung sich anschließender mehrfach gestufter Dialog mit den Juden sowie Hinweise auf das Verstehen des Geschehens durch die Jünger stellen die gravierenden Unterschiede zu den synoptischen Parallelen Mk 11,15–19par dar. Daneben sind jedoch auch etliche Verstärkungen der Zeichenhandlung zu notieren. So werden, über die Seitenreferenten hinaus, auch Schafe und Rinder aus dem Tempelhof vertrieben, es wird das Geld der Wechsler ausgeschüttet, den Taubenhändlern wird geboten, alles aus dem Tempel hinauszutragen. Nach dieser Zeichenhandlung erbitten die anwesenden Juden ein weiteres Zeichen und fragen: Welches Zeichen kannst du uns vorweisen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortet: Reißt den Tempel nieder, und in drei Tagen werde ich ihn errichten! Die Juden fragen zurück, wie solches möglich sein soll, immerhin sei bereits 46 Jahre an diesem Tempel gebaut worden. Der Evangelist schaltet sich ein, gibt diese Rückfrage der Juden als Missverständnis zu erkennen und erklärt, Jesus habe in Wahrheit nicht von dem Bauwerk des herodianischen Tempels gesprochen, sondern von dem Tempel seines Leibes. 48 Die durchaus interessanten traditionsgeschichtlichen Fragen nach dem vermutlichen Hintergrund der Tempelkritik und eines oder mehrerer Tempelworte Jesu können wir jetzt vernachlässigen. Deutlich fällt auf, dass die johanneische Fassung von einem nachösterlichen Standpunkt geformt ist und durchaus so etwas wie „ein Spiel mit den synoptischen Texten“49 betreibt. Sie setzt das Wissen um Tod und Auferweckung Jesu nach drei Tagen voraus, kennt auch eine Ansage Jesu, den Tempel binnen drei Tagen niederreißen und aufbauen zu wollen, und sie gestaltet die Überlieferung von hier aus neu. So wird die Tempelzerstörung binnen drei Tagen gegen die synoptische Tradition nicht dem Wort oder Werk Jesu (Mk 15,29par), sondern dem Verhalten der Juden angelastet. Sie sollen, wenn sie es können, den Tempel einreißen. Bezieht sich die Aufforderung des Niederreißens auf den bestehenden Tempel oder, m.E. wahrscheinlicher, bereits hier auf den Leib Jesu als Tempel, der getötet und auferweckt werden soll? Spätestens an dieser Stelle, vor allem durch das Textsignal der ‚drei Tage‘ in Verbindung mit dem Verb Futur ejgeivrw, wird der Text doppeldeutig, 48

Vgl. zur Perikope etwa die Ausführungen von U. SCHNELLE, Die Tempelreinigung und die Christologie des Johannesevangeliums, NTS 42, 1996, 359–373; J. RAHNER, ‚Er aber sprach vom Tempel seines Leibes‘. Jesus von Nazareth als Ort der Offenbarung Gottes im vierten Evangelium, BBB 117, Bodenheim 1998. 49 H. THYEN, Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005, 178.

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und folglich sind auch in der Auslegungsgeschichte unterschiedliche Varianten festzustellen. Eine rein auferstehungstheologische Variante beschränkt die Aussage des Textes auf die Funktion, bereits zu Beginn des Evangeliums mittels der genannten Textsignale einen Hinweis auf die Auferstehung zu geben. Der Text vollzieht ja einen Sprung von dem Tempelgebäude, das eben gebaut (oijkodomevw) worden ist, zu dem Tempel des Leibes, der jetzt aufgelöst und sodann auferweckt (ejgeivrw) werden wird. Dann käme auch die durch jüdische Hand verursachte Hinrichtung Jesu in Blick. Die Überlieferung von der Tempelreinigung wäre somit von Johannes ihren historischen Kontexten weit entnommen, mittels des Dialogs vordergründig zu einem Text über Tempelabriss und Tempelneubau umgedeutet und in wahrer Absicht – literarisch zu Beginn seines Evangeliums als Prolepse – als Hinweis auf Tod und vor allem auf die Auferweckung Jesu eingesetzt worden. Dennoch wird man den Text nicht einfach lesen müssen als Auferweckungsankündigung. Die Textsignale sind bei genauer Auswertung nicht so eindeutig, wie sie zunächst erscheinen. Vor allem die zeichenhafte Symbolik führt in eine andere Richtung, wie die gründliche Arbeit von Johanna Rahner gezeigt hat. Ihre christologische Interpretation lenkt von der Fixierung auf die Auferstehung weg. Nicht der Auferstehungsleib ersetzt den bestehenden Tempel, sondern Jesus Christus in seiner Gegenwart. Sein menschlicher Leib ist der personale Ersatz des Jerusalemer Tempels. „Jesus ist der neue Ort der Gegenwart Gottes, er ist der einzige und ultimative Ort der offenbarenden Zuwendung Gottes zu den Menschen, er ist der Ort der heil- und gnadevermittelnden Nähe Gottes.“50 Stellt sein gegenwärtiger irdischer Leib den Tempel dar, dann wird man die Inkarnationstheologie auch aus diesem Text heraushören müssen. Vor allem gelingt es Rahner nun, das gesamte Inventar des Diptychons Tempelaktion und Tempelwort klar aufeinander zu beziehen. Die vorangehende Zeichenhandlung der Tempelreinigung dient dem Zweck einer Reinigung, besser einer Neuerrichtung des Tempels. Dieser Zweck wird aber erst deutlich erkennbar in der christologischen Deutung. „Sein den Tempelkult grundlegend in Frage stellendes und gleichzeitig aufhebendes Tun findet seine Begründung in der durch ihn selbst repräsentierten neuen Gegenwart Gottes […]. Denn ist Jesus selbst der Tempel Gottes, […] so kann es keinen anderen Kult-Ort gleicher Qualität mehr neben ihm geben.“51 Nachösterlich ist diese Deutung einsichtig und Glauben stiftend, so jedenfalls hält das Kommentarwort in V. 22 im Blick auf die Jünger fest.

50 51

RAHNER, Tempel (s.o. Anm. 48), 309. RAHNER, Tempel (s.o. Anm. 48), 310.

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Ist diese Gleichsetzung von Leib Jesu und Tempel Gottes hier ad hoc vom Evangelisten gewonnen worden, möglicherweise inspiriert von dem synoptischen Tempelwort Mk 14,58 (ich werde diesen mit Händen gemachten Tempel auflösen und nach drei Tagen werde ich einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht ist)? 52 Oder ist der Evangelist inspiriert von jüdisch messianischen Texten, die eine Neuerrichtung des Tempels durch den Messias erwarteten? 53 Beide Positionen können nicht wirklich überzeugen, denn in Joh 2 tritt ja der Leib des Messias selbst in die Funktion des Tempels. Hat es eventuell in der johanneischen Gemeinde ganz unabhängig von dieser Perikope ein Theologumenon gegeben, demzufolge Jesus der wahre Tempel Gottes sei? Liegt ein Grund der Voranstellung der Tempelperikope an den Beginn des Evangeliums auch darin, Jesus sogleich als den wahren Tempel anzusprechen? Schnackenburg hat in seinem Kommentar etliche flankierende Motive aus dem Evangelium zusammengestellt – Jesus als das wahre Haus Gottes (Joh 1,51), Jesus als Ort der Gottesanbetung und Gottesverehrung in Geist und Wahrheit, sein Leib als Quell der Lebensströme (Joh 7,38; 19,34) – um zu folgern, dass hier eine spezifisch johanneische christologische Deutung vorliegt. 54 Freilich bleiben Fragen: Welche Funktion des Tempels verwirklicht Jesus? Geht es ausschließlich um die Repräsentanz Gottes? Stoßen wir hier auf eine spezifische Verarbeitung der Tempelkatastrophe, die gedanklich noch an der Tempeltheologie festhält? Als Zwischenergebnis halten wir fest: Joh 2,19–21 identifizieren den Leib des irdischen Jesus mit dem Tempel Gottes. Nicht erst als Auferweckter tritt er in die Tempelexistenz ein, sondern bereits der Irdische ist Tempel Gottes. In Verbindung mit der voraufgehenden Zeichenhandlung wird der bestehende Tempel dadurch ersetzt und somit auch seiner Funktion als Ort der Gegenwart Gottes beraubt. 52

So THYEN, Johannesevangelium (s.o. Anm. 49), 178. U. SCHNELLE, Das Evangelium nach Johannes, ThHK 4, Leipzig 32003, 76. 54 R. SCHNACKENBURG, Das Johannesevangelium I, HThK IV/1, Freiburg 61986, 367. Auch R.E. BROWN, The Gospel According to John I–XII, AncB 29, New York 1966, 124, betont die Differenz zu anderen frühchristlichen geistlichen Tempelinterpretationen und verweist auf Joh 1,14 als Sachparallele. U. BUSSE, Das Johannesevangelium. Bildlichkeit, Diskurs und Ritual. Mit einer Bibliographie über den Zeitraum 1986–1998, BEThL 162, Leuven 2002, überschreitet diesen engen Kontext der Tempelperikope, um in der johanneischen Tempelmetaphorik den sachgemäßen neuen Zugang zur johanneischen Christologie zu finden (326). „Da zudem die Bezugspunkte über das gesamte Evangelium verstreut zu sein scheinen, muß damit gerechnet werden, dass die Tempelmetaphorik ein wesentlicher Knoten in einem umfassenderen Metaphernnetzwerkes (sic!) ist, mit dessen Hilfe vertieft das Jesusgeschehen soteriologisch ausgedeutet werden soll“ (332). Nach Busse sind vom Evangelisten nach der Zerstörung des Tempels die mit diesem Ort verbundenen theologischen Konnotationen auf Jesus übertragen worden (518–522 stellt er die Literatur zur johanneischen Tempelmetaphorik zusammen). In der Durchführung dieses Ansatzes erscheinen mir etliche Zuschreibungen johanneischer Texte zu einer Tempelmetaphorik allerdings recht gewagt bzw. der vorausgesetzten These geschuldet. 53

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2.2 Johannesoffenbarung In der Johannesoffenbarung ist der Tempel-Motivbereich reichhaltig aufgenommen worden, was hier im Einzelnen nicht bedacht und angesprochen werden kann. Neben etlichen schwer verständlichen Detailaussagen ist schon immer eine gewisse werkimmanente Inkongruenz vermerkt worden. Einerseits geht die Apk selbstverständlich davon aus, dass ein himmlisches Heiligtum besteht und dass in theologischer Hinsicht relationale Aussagen auf dieses gemacht werden können. Die Siegelvision sieht einen Engel mit goldenem Räuchergefäß am himmlischen Altar (8,3). Ein ÜberwinderSpruch etwa verheißt dem Glaubenden, Pfeiler im Tempel Gottes zu sein (3,12); vgl. dann noch Apk 7,15; 9,13; 11,19; 14,15.17f; 16,1.7 u.a. Hinsichtlich der Beschreibung des himmlischen Tempels in dieser ersten Reihe wird mit guten Gründen vermutet, dass der Verfasser sich nicht am herodianischen Tempel orientiert, auch nicht am salomonischen Tempel, sondern eher an der längst vergangenen Stiftshütte Israels in der Vorkönigszeit. Jedenfalls deuten Ausdrücke wie Tempel des Zeltes (Apk 15,5) oder die Erwähnung der Bundeslade im Tempel (Apk 11,19), aber auch die Erwähnung eines Thrones Gottes im Tempel (Apk 7,15) in diese Richtung. Andererseits aber enthält die Schlussvision des neuen Jerusalem in Apk 21,1–22,5 die Aussage, dass die heilige Stadt, die sich nach dem Gericht und nach dem Untergang des ersten Himmels und der ersten Erde aus dem Himmel herabsenkt, keinen Tempel mehr habe, da der Herr, der allmächtige Gott, und das Lamm der Tempel seien (Apk 21,22). Diese Aussage ist höchst verwunderlich. Die Existenz eines jenseitigen und also auch zukünftigen Tempels war in der Apk bislang selbstverständlich vorausgesetzt, ja nach Apk 11,1 ist dieser Tempel eventuell bereits vermessen worden.55 Dieser Tempelverzicht steht zugleich in völligem Widerspruch zu jüdischen eschatologischen Erwartungen, die sich sowohl auf ein neues Jerusalem als auch auf einen neuen Tempel bezogen.56 Auch gehörte zu diesem Denken, dass die Heiligkeit der Stadt Jerusalem (und in abgestuftem Maße auch des Landes) gerade von seiner Mitte, dem Tempel ausging. 57 Die Ablehnung des Tempels im endzeitlichen Jerusalem ist sowohl von jüdischen Voraus55 M. BACHMANN, Art.: Tempel III, TRE 23, 2001, 54–65, gibt einen ausgezeichneten Überblick auch über die Aussagen der Apokalypse und stellt die neueste Literatur zusammen. Sein eigener Beitrag in: DERS., Himmlisch: Der ‚Tempel Gottes‘ von Apok 11.1, NTS 40, 1994, 474– 480, unterbreitet den Vorschlag, bei dem zu vermessenden Tempel an den himmlischen Tempel zu denken. 56 Bill III, 852: „Das zukünftige Jerusalem ohne Tempel – ein für die alte Synagoge unvollziehbarer Gedanke. Die Erbauung des Heiligtums ist das allerselbstverständlichste Stück altjüdischer Zukunftshoffnung gewesen.“ 57 M. TILLY, Jerusalem – Nabel der Welt. Überlieferung und Funktionen von Heiligtumstraditionen im antiken Judentum, Stuttgart 2002.

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setzungen als auch von frühchristlicher Tempelkritik her nicht wirklich zu verstehen. 58 Eine respektable Ansammlung von Gelehrten rät, diese Aussage nicht kultkritisch zu interpretieren. Sie verweist zunächst darauf, dass innerhalb der Johannesapokalypse in synchroner Lektüre stets von einem himmlischen Tempel ausgegangen wird und dass auch jüdische Apokalyptik nicht auf die Erwartung eines Tempels verzichtet hat. 59 Das neue Jerusalem in seiner kubusförmigen Gestalt nehme zudem gerade heilige Maße auf, die etwa bereits beim Allerheiligsten gegeben waren und nun eine Verwirklichung himmlischer Urbilder darstellen. Es liegt in der Konsequenz dieser exegetischen Linie, das neue Jerusalem daher als ‚city-temple‘ zu begreifen. 60 Diese These erscheint mir gewagt, da sie den expliziten und abschließenden Aussagewillen des Verfassers in Apk 21,22 schlicht unterläuft. Gott und das Lamm sind der Tempel der Stadt, die Stadt als Ganze tritt aber nicht in eine Tempelfunktion ein. Es steht dieser Position eine ebenso respektable Ansammlung von Gelehrten gegenüber, die der Vermutung Ausdruck gibt, der Apokalyptiker wolle hier am Schluss des Werks einen besonderen Akzent setzen, der sich so nicht mit dem Gesamtwerk deckt. Jürgen Roloff spricht von einem Spitzensatz der Vision, in dem die „theologische Sicht, wonach der Tempel auch für die Heilszukunft das gültige Zeichen wahrer Gottesnähe bedeutete, 58 D.E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52c, Nashville 1998, 1166–1168, hat die Vielzahl der gegenwärtigen Erklärungsversuche umfassend zusammengestellt. Er verweist u.a. a) auf frühchristliche Tempelkritik, ausgehend von Tempelaktion und Tempelwort Jesu; b) auf Tempel- und Priesterkritik innerhalb der jüdischen und hellenistischen Kultur; c) speziell auf die Haltung der Qumrangemeinde, die allerdings ihre Tempelkritik mit der Erwartung einer endzeitlichen Reinigung des Tempels verband; d) hellenistische Utopien haben auf Tempel verzichtet, da sie Ausdruck von Hierarchien sind; e) literarkritische Überlegungen erkennen in Apk 21,22 einen redaktionellen Zusatz, da der Tempelverzicht in Konkurrenz zu der ansonsten das Werk bestimmenden selbstverständlichen Annahme eines Tempels steht. Aunes eigener Position zufolge ist die These eines redaktionellen Nachtrags in Apk 21,22 wahrscheinlich, er tendiert im Übrigen gleichfalls zu der These, das neue Jerusalem in der Vision des Apokalyptikers als ‚temple-city‘ zu interpretieren. Auch verweist er ausgehend von Apk 21,22b auf einige wenige innerjüdische Vorgaben, Gott als Tempel zu denken. 59 BACHMANN, Himmlisch (s.o. Anm. 55), 480 Anm. 37. H. LICHTENBERGER, Zion and the Destruction of the Temple in 4 Ezra 9–10, in Ego, Gemeinde, 239–249, konfrontiert in dieser Hinsicht 4Esr und Apk 21f. Hingegen lag für O. MICHEL, Art.: naov~, ThWNT IV, 884–895, in Apk 21,22 gerade ein bewusstes Ausbrechen aus der jüdischen Erwartung des zukünftigen Jerusalems und seines Tempels vor (894). 60 O. BÖCHER, Bürger der Gottesstadt, in: DERS., Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, Neukirchen 1983, 157–167, hier 158: „Diese neue Stadt besitzt Würfelgestalt (Apk 21,16) wie das Allerheiligste des Tempels; da sie […] keinen Tempel aufweist (Apk 21,22), hat die ganze ‚heilige‘ Stadt als Tempel zu gelten.“ C. DEUTSCH, Transformation of Symbols: The New Jerusalem in Rv 21.1–22.5, ZNW 78, 1987, 106–126, spricht von ‚apocalyptic citytemple‘ (115); zustimmend auch BACHMANN, Himmlisch (s.o. Anm. 55), 480; DERS., Tempel (s.o. Anm. 55), 62.

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[…] schroff abgelehnt“ 61 wird. Roloff vermutet sogar, auch unter Verweis auf Joh 2,19, dass der „Ansatz urchristlicher Tempelkritik, die in der Erfahrung der unmittelbaren Gegenwart Gottes in Jesus gründete […], hier konsequent zu Ende gedacht werde.“ 62 Apk 21,22 befindet sich in einem Visionsbericht, dessen Einzelvisionen mit kai; ei\don eingeleitet werden (Apk 19,11.17.19; 20,1.4.11; 21,1). Inmitten der Beschreibung der neuen Stadt Jerusalem, die von Apk 21,1–22,5 reicht, hält der Apokalyptiker inne, nachdem er die Stadttore und die breite Straße oder wahrscheinlicher den inneren Marktplatz 63 erwähnt hat, um angesichts des ihn prägenden kulturellen Hintergrunds und seiner eschatologischen Erwartung nun gleichsam in Verwunderung über die eigene Vision festzuhalten, was er nicht sieht: einen Tempel, kai; nao;n oujk ei\don. Diese Vision kollidiert empfindlich mit der üblichen Architektur in hellenistischer Zeit, in der Städte, vor allem das Forum einer Stadt, ohne Tempel undenkbar waren. Eine kleine Textbeachtung hilft vielleicht zum Verständnis der Vision weiter. Innerhalb der Apk wird naov~ insgesamt 13-mal verwendet. Davon sind Apk 3,12; 7,15; 11,1f.19; 14,17; 15,5.8; 16,17 entweder durch Genitivattribut, adverbiale Bestimmung oder direkten Kontext eindeutig, aber auch 14,15; 15,6; 16,1 durch den weiteren Kontext zweifelsfrei auf den himmlischen Tempel bezogen. Allein in Apk 21,22 fehlt solch eine entsprechende Zuordnung völlig. Im Gegenteil, hier stehen Gott der Herr als Pantokrator und das Lamm in einem Gegensatz zum Tempel und sie beide erfüllen Funktionen, die bislang dem Tempel zugeordnet waren.64 Aber will der Apokalyptiker überhaupt über den jüdischen, im Himmel befindlichen Tempel sprechen, den er bislang in seiner Vision selbstverständlich im Blick hatte? Wäre es nicht auch vorstellbar, dass er jetzt, im Anbruch der neuen Zeit, in einem grundsätzlicheren Sinn das antike Stadtbild in seiner Zuordnung von heiligem Raum und profanem Raum aufhebt, weil es nur noch einen heiligen Raum gibt? Die Unterscheidung von heilig und profan ist für ihn ja auch hinfällig, weil Unreine, Lügner und Gräueltäter die Stadt nicht mehr betreten werden (Apk 21,27), da der auf sie bezogene Bannfluch nach Apk 22,3 seine Funktion verloren hat. Das neue Jeru61

J. ROLOFF, Offenbarung (s.o. Anm. 12), 206. ROLOFF, Offenbarung (s.o. Anm. 12), 206; ganz ähnlich auch KRAFT, Offenbarung (s.o. Anm. 7), 273, ebenfalls mit explizitem Verweis auf die Sachparallele in Joh 2,19–22. 63 Diese Übersetzung bei ROLOFF, Offenbarung (s.o. Anm. 12), 206; eine ausführliche Begründung dieser Lesart für plateia bei AUNE, Revelation III (s.o. Anm. 58), 1166. 64 JOSTEIN ÅDNA, Art.: Tempel III., RGG4 8, 149f, erkennt die Übertragung des Konzepts des ‚Wohntempels‘ als Stätte der Gegenwart Gottes von Gott auf Christus im Corpus Johanneum. Er unterschlägt aber unverständlicherweise, dass in Apk 21,22 der Aspekt des ausgegrenzten Wohnens aufgegeben worden ist, da sich das neue Jerusalem ohne Tempelgebäude herabsenkt, außerdem missachtet die christologische Engführung die explizite Nebenordnung des Lamms neben den Pantokrator. 62

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salem braucht kein abgegrenztes Temenos, weil es ja eine vollkommen heilige Stadt ist (Apk 21,1). Die Herrlichkeit Gottes, die bislang im Tempel erfahrbar und durch ihn an die Stadt und das Land weitergegeben wurde, wird jetzt direkt von Gott und dem Lamm sozusagen unmittelbar gegeben. Denn, so fährt Apk 21,22b begründend (gavr) fort: Der Herr, Gott, der Pantokrator ist Tempel der Stadt und, ein wenig nachgeschoben – Literarkritiker erkennen die Hand des Redaktors, 65 gemeinsam mit ihm auch das Lamm. Und abermals begründend (gavr): Deren Heiligkeit vermittelt sich auf die ganze Stadt, deren Herrlichkeit und Licht erleuchten die Stadt (21,23), der Strom des Lebenswassers, der nach jüdischer Überlieferung im Tempelbereich entspringt, 66 geht von dem gemeinsamen Thron Gottes und des Lammes aus (22,1). 67 Wenn nun die Anwesenheit eines Tempels als festes Gebäude im neuen Jerusalem verneint wird und dies mit der Begründung, Gott und das Lamm seien der Tempel, dann besteht eine gewisse und auch in der Literatur gelegentlich notierte Nähe zu Joh 2. Dies ist umso bemerkenswerter, als dieser Motivkomplex in keiner anderen frühchristlichen Schrift begegnet und somit auf das Corpus Johanneum begrenzt ist. Zu diesem Komplex zählen neben der Ablehnung eines Tempelgebäudes sowohl die Identifizierung Christi mit dem Tempel als auch die in diesem Kontext verwendete LammChristologie. 68 Auffällige Differenzen sollen jedoch nicht unterbewertet werden. Das Lamm stellt in Apk 21,22 gemeinsam mit Gott den Tempel dar und tritt nicht alleine in diese Funktion ein. Auch ist die im Evangelium gegebene Antithese gegen den bereits zerstörten herodianischen Tempel in der Apk nicht in eine klare Antithese gegen einen jüdischen Tempel an sich überführt worden. Vielmehr scheint der Apokalyptiker darauf abzuheben, dass im neuen Jerusalem die Unterscheidung eines heiligen von einem profanen Bereich aufgehoben ist. Diese Unterscheidung macht sich ja gerade an der Existenz des Tempels und des darauf bezogenen Temenos fest. Von diesem schmalen textlichen Befund und der Diversität des ChristusTempel-Motivs ausgehend scheint es mir allerdings gewagt, Überlegungen zur Traditionsgeschichte des Motivs vorzutragen. Gewiss stehen sich wieder eine präsentische und eine futurische Konzeption in Evangelium und 65 Für AUNE, Revelation III (s.o. Anm. 58), 1168, ist ‚und das Lamm‘ ein redaktioneller Zusatz; ebenso in 6,16; 7,10; 14,4.10; 22,1.3. Folgt man dieser Sicht, dann würde der Redaktor das Motiv ‚Christus als Tempel‘ betont nachtragen oder wahrscheinlicher, die Tempelfunktion, die Gott ausfüllt, erst zusätzlich auf Christus übertragen. 66 TILLY, Jerusalem (s.o. Anm. 57), 225–227. 67 Zur Auslegung im Blick auf die Pantokrator-Aussage jetzt auch M. BACHMANN, Göttliche Allmacht und theologische Vorsicht. Zu Rezeption, Funktion und Konnotation des biblischfrühchristlichen Gottesepithetons pantokrator, SBS 188, Stuttgart 2002, 190f. 68 Das Lamm ist in der Apk wie auch in Joh 1,29 nicht Symbol für den siegreichen Widder, sondern es ist vor allem das geschlachtete Lamm (5,6.9; 13,8).

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Apokalypse gegenüber. Aber die futurische Konzeption stellt nicht eine Nachgeschichte der präsentischen dar. Vielmehr erkennen wir wie so oft bei der motivgeschichtlichen Arbeit am Corpus Johanneum neben Gemeinsamkeiten sogleich die Differenzen. Geht es dem Evangelisten darum, Jesus Christus in seiner Leiblichkeit als vollkommene Repräsentation Gottes, als Tempel Gottes anzusprechen, so benutzt der Apokalyptiker die Tempelvorstellung in ihrem Ausschluss via negationis, um ihre Attribute wie Herrlichkeit, Licht, Reinheit und Fülle in unbegrenzter Weise als die Fülle Gottes und des Lammes dem neuen Jerusalem zu übereignen. Jens-Wilhelm Taegers methodischer Vorschlag zur Arbeit am Corpus Johanneum sollte an weiteren Motivkomplexen Anwendung und Überprüfung finden. Es steht zu erwarten, dass sein beharrliches Insistieren auf der motivgeschichtlichen Methode zu überraschenden Einsichten führt und der von ihm geschätzten Theologie der Johannesapokalypse neue Aufmerksamkeit schenkt.

Bibliographie Prof. Dr. Jens-W. Taeger

Monographien Der Mensch und sein Heil. Studien zum Bild des Menschen und zur Sicht der Bekehrung bei Lukas, StNT 14, Gütersloh 1982. Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, Berlin/New York 1989.

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Stellenregister (in Auswahl)

Neues Testament Matthäusevangelium 8,5–13 189f 24,30 201 26,28 126 Markusevangelium 6,4 189 6,30–44 192f 6,46 193 8,1–10 192f 10,45 196 11,15–17(19) 180, 233 11,27–33 180 14,58 180, 235 15,29 233 Lukasevangelium 1f 177 7,1–10 189f 11,22 20 A 26 11,28 168 A 39 15,4–6 195 Johannesevangelium 1,1–14 177–180 1,1 20 1,5 187 1,9 187 1,14 235 A 54 1,15 178 1,16–18 177–179 1,18 67 A 38 1,19–36 177 1,29–34 178, 196 1,29 239 A 68 1,45f 189 1,51 235 2,1–12 184, 189 2,11 190 2,13–22 180–183, 233 2,19–21 235, 238 A 62 2,19 238

2,22 2,23–25 3,1–21 3,1–15 3,2f 3,16–21 3,16f 3,19f 3,22–36 3,29 3,34 4,10 4,13f 4,20–24 4,20 4,29 4,43–45 4,46–54 5,1 5,19f 5,24f 5,26 5,28f 5,37 5,38 6,1–15 6,16–25 6,26–59 6,26 6,28f 6,31–48 6,35 6,46 6,51–58 6,63 6,68f 7,5f 7,37–39 7,38 8,12 8,28 8,37–47 9,1–12 9,34f 9,39 9,40f 10,1–18

234 183, 189f, 193 179, 181, 186, 190 183–185, 186 193 186–189 179, 191 178f 127 A 37 127 185 19, 55, 226 19, 55, 226 181f 191 191 189 189–192 189 197 191 197 20 A 22, 84 A 11, 188 67 A 38, 178 178 192–194 192 192 191f 188 192f 192, 196 67 A 38, 178 193 185 192 184 19, 55, 226 235 187, 196 171 178 195 68 A 46 187 195 195

244 10,11–30 10,36 11,27 12,31 12,32f 12,46 12,49f 13,1 13,34 14,1 14,6 14,16f 14,21 14,26 14,27 14,30 15,1–8 15,9 15,11 15,12 15,13 15,15 15,18f 15,20 15,26 16,2 16,6 16,7–15 16,7 16,11 16,14 16,20–22 16,28 16,30–32 16,33 17,8 17,11 17,13 17,14f 18,32 18,36 19,34 19,35 19,37 19,39 20,29 20,30f 21 21,15–17 21,19 21,20–23 21,24

Stellenregister (in Auswahl) 195–197 194 194 23, 86 171, 183, 186 178, 187 171 126 A 29 73, 126 A 29 84 178 76, 78, 83f, 182 126 A 29 76, 78, 83f, 182 84, 86 23, 86 78 126 A 29 87 A 18 126 A 29 196 171 24 A 53, 83, 86, 172 83 83 84 83 172 83 23, 86 A 16 83 83, 85 A 13, 86, 87 A 18 85 87 20f, 83, 85–89 (A 16–19, 22), 100, 103 A 62, 227, 230 171 24 A 53, 172 87 A 18 24 A 53, 83, 171f 171 24 A 53, 172, 194 235 77 201 184 190 172, 190, 194 84 A 11 79 A 93, 196 171 77 77, 171f

Apostelgeschichte 2,43 190 5,29 55 6,14 180 11,28 171 A 52 13,50 109 14,2 109, 207 15,28f 130 16,15 191 16,37 137 A 78 18,8 191 18,12f 109 20,28 196 22,25 137 A 78 23,27 137 A 78 25,27 171 A 52 26,23 124 Römerbrief 3,3 3,4 3,25 8,11 8,29 8,31–39 12,2 12,21 13,1–7 13,11

102 A 58 20 A 26, 102 A 58 126 101 A 57 124, 200 101 135f 20 A 26, 102 A 58 23, 118, 136f, 229 136

1. Korintherbrief 2,10 130 4,8 23 A 46, 131 5,9f 23, 135 6,20 126 7,23 126 8 130 9,24–27 102 A 58 10 130 10,32f 135 14,6 124 A 17, 164 14,16 128 14,26 124 A 17, 164 15,20f 124f, 125 A 26 15,54–57 103 A 62 15,57 101 16,22 123 A 15 2. Korintherbrief 1,15–22 128 1,20 128 2,14 102 A 58 5,17 135

245

Neues Testament 6,10 6,17 6,18 8,9 11,2 11,25 11,32f

206 135 A 64 201 206 127 118 118

Galaterbrief 1,12 1,16 2,20 3,13 4,5

124 A 17, 164 124 A 17, 164 126, 200 126 126

Epheserbrief 1,7 1,17 2,4 5,25 5,31f

200 124 A 17, 164 200 126, 200 127

Philipperbrief 3,14 3,20

102 A 58 136f

Kolosserbrief 1,13 1,14 1,18 2,15

127 A 33 200 124f 102 A 58

1. Thessalonicherbrief 4,12 135 2. Thessalonicherbrief 2,16 126 1. Timotheusbrief 2,2 23, 136f 2. Timotheusbrief 4,18 123 Titusbrief 3,1

23, 136f

Jakobusbrief 2,5

206

1. Petrusbrief 1,1 2,4f

137 127

2,9 2,11 2,13–17 2,16 2,25 4,15f

127, 200 137 118, 137 137 195 118

2. Petrusbrief 3,18 2,1

123 126

1. Johannesbrief 1–5 1,1–4 1,2 1,3 1,4 2,1 2,6 2,7 2,8 2,13f 2,15f 2,18f 2,20–27 2,20f 2,22–24 2,27 2,29 3,3 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9 3,10 3,12 3,16 4,1 4,2f 4,4 4,5 4,6 4,12 4,17 5,1–3 5,4 5,5 5,11f 5,16 5,19 5,21

62 A 19, 63f, 73f, 86, 100 172 76 76f, 172 76 A 82 76 88 73, 76 73 20, 87, 89f 88 75, 90f 91 75f, 78 75 75f 88 88 90, 126 A 30 67 A 38, 90 88 87, 88 A 20, 90 90, 126 A 30 67 A 38, 87 87, 90 A 26 196 75, 87, 89 74 A 73, 75, 89 20, 67 A 38, 75, 87 A 17, 89–91 89 67 A 38 67 A 38 20 A 22, 88 88 20, 87–90 20, 87–91, 93 A 35 172 76 24 A 53, 172 24 A 53, 172

246

Stellenregister (in Auswahl)

2. Johannesbrief 1ff 18, 61, 62 A 19, 63–65, 71– 74 1 71, 76 2 72 4–6 64 A 28 5 76 6 72, 76 7 74 A 73, 75 8–11 75 12 76 (A 82) 13 72 3. Johannesbrief 1ff 1 4 5–8 8 9 10 11 12 13 14

18f, 59–79 73 72, 74 66, 72 66, 68, 72, 74 A 73 59, 65–68, 71f, 76 A 82, 77 59, 65–68, 72, 76 A 82 66 65, 72 A 56, 76 A 82 72 A 56 67, 72 A 56

Judasbrief 4ff

131

Johannesapokalypse 1–3 40 1,1–3 157–173, 199, 223 1,1 38, 45, 124 A 17, 137 1,3 45, 50, 108, 199 1,4–8 42, 199–202 1,4 38, 49, 117, 121, 123, 157, 168f, 205 1,5 47, 95 A 42, 123–126, 128, 157, 168, 204, 207 1,6 123, 126f, 157, 168, 203, 207 1,8 49 1,9–18 26, 42, 163, 200, 202–205, 206 1,9 38, 108, 118, 163f, 168 1,10 205 1,11 117, 121, 123, 151, 169, 205 1,12 170 1,13 48 A 16 1,14 147 1,16 147f, 170 1,17 206 1,18 125f, 206

1,19 1,20 2f 2,1 2,2 2,3 2,4f 2,6 2,7 2,8–11 2,8 2,9 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14f 2,16 2,17 2,19 2,20–23 2,20 2,21 2,22 2,23 2,24 2,25 2,26 2,27 2,28 2,29 3,1f 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7–13 3,7 3,8 3,9 3,10 3,11 3,12 3,13 3,14 3,15

41 A 10, 123, 169, 199, 202, 205 170, 203f, 205 37, 51, 108, 117, 199, 202f, 205, 222 51, 123, 202, 204 93, 112, 121, 130, 203 108, 203 93 A 34 93, 112, 129, 132f 46, 51, 92, 97 A 44, 141, 169 51, 205–208 123, 202 93, 108f, 109 A 22, 130, 203 93, 95, 98f, 106, 108, 115, 132, 140, 203f 97 A 44, 99, 141, 169 148, 204 22, 93, 98, 106, 108–112, 110 A 27, 111 A 32, 132f 93, 112, 121, 129–134 112f, 132, 148, 204 93 A 36, 97 A 44, 169 93 A 34, 112, 131f 113 93, 112f, 115, 121, 129–134, 137 129, 132, 134 115, 129, 132 113 A 37, 115, 131, 169 130–133 97 A 45, 99, 113, 131 21, 97 A 45, 99, 113, 115, 131 21, 113 93 A 36 169 93 A 34, 131f 132 51, 93 A 34, 131 99, 114, 131, 134, 151 169 51, 206 128, 204 93 A 34, 109, 207 109, 130, 207 108 45, 99, 131, 140, 208 236, 238 169 125 A 25, 128, 131 93 A 34, 132

Neues Testament 3,17 3,21 3,22 4–11 4f 4,1 4,4 4,5 4,6–8 4,8 4,9 4,10 4,11 5 5,1–5 5,1 5,2f 5,3–5 5,3 5,4 5,5

5,6 5,7–12 5,7 5,8 5,9f 5,9

5,10 5,11 5,12f 5,14 6,1ff 6,1–8 6,1–4 6,2 6,4 6,8 6,9–11 6,9 6,10 6,11 6,12–17 6,16 6,17 7 7,1–8 7,2 7,3

23 A 46, 131 89 A 22, 91, 96, 141 169 40, 117 42, 44 147 A 39, 167 A 32, 203 140 200 145 44, 201 204 141, 204 44 95, 119, 149 151, 211–215 41 A 10, 150f 151 A 61 145 151 151 46, 89 A 22, 91, 96f, 99, 101, 103 A 62, 141, 148f, 151, 207, 228 96, 145, 167, 200, 239 A 68 145 167 145, 149–152 44 47, 95 A 42, 96–99, 119, 126f, 149, 151–153, 201, 239 A 68 47, 55, 96, 126, 149, 152f, 201 145, 149 44, 149, 152 128, 145, 149, 152 42 139–156 97 A 46, 144 21, 97, 98 A 46, 139–156 98 A 46, 141, 143f, 200 141 56, 98 A 46, 146 A 38, 148 106, 108, 110, 149, 156, 164 98 A 46, 149, 156, 164 45, 108, 110, 141, 149, 156 146 A 38 48, 156, 239 A 65 98 A 46, 149, 156 42, 207 45 A 14, 98 A 46, 149 141 156

7,9–17 7,10–12 7,10 7,11 7,12 7,14 7,15 7,16f 8,1 8,2ff 8,2 8,3 8,13 9,1 9,3 9,5 9,7 9,13 9,14 9,16 9,20f 10,1–11,13 10,1–10 10,2 10,7 10,8–10 11,1–13 11,1 11,2 11,3–13 11,7 11,9–12 11,15–19 11,15–18 11,15 11,17 11,18 11,19 12–14 12–22 12f 12 12,1 12,1–4 12,3 12,5 12,7–12 12,9 12,10–12 12,10

247 45 A 14, 145 44, 155 239 A 65 145 128 95 A 42, 203 236, 238 19, 55, 226 146 A 38 42 141 A 11 141, 236 156 141 141 141 141 236 149 149 201 42 167 151 50, 158 A 2 151 40 17 A 5, 141, 159 A 7, 236, 238 17 A 5, 141, 159 A 7, 238 98 A 48 99, 110, 141, 155 A 83 99 47 44, 155 55, 103 A 62 96, 156, 201f 93 A 34, 96, 156, 158 A 2, 202 40, 236, 238 42 40 106, 113–120, 133f, 155, 158 A 2, 228 17 A 5, 22f, 23 A 43, 40, 94 141, 143–146 144f 113, 143–146 113 119, 133 108f, 113, 133 44, 47, 94, 101, 155 103 A 62,

248 12,11

12,12 12,14 12,17 12,18 13 13,1 13,2 13,3 13,4 13,5 13,6 13,7–10 13,7 13,8–10 13,8 13,9 13,10 13,11–18 13,11 13,12 13,14 13,15 13,16 13,17 13,18 14 14,1–5 14,2 14,3 14,4 14,6–21 14,6 14,7 14,9–12 14,9 14,10 14,11 14,12 14,13 14,14–20 14,14

Stellenregister (in Auswahl) 81, 91, 93–97 (A 35, 42f), 99, 100 A 52f, 101, 103 A 62, 109, 110 A 25, 115, 133, 141, 207 99, 108 141 113, 115, 119, 133 113 22, 97 A 46, 98, 108, 110– 120, 133f, 229 109 A 22, 113, 136, 147, 207 108, 113 113f, 133f, 136, 151 114, 133f, 136 99, 109 A 22, 141, 207 109 A 22, 207 106, 114 97 A 46, 114, 119, 133f, 141, 155 A 83 108 114 (A 42), 119, 126, 133– 135, 151, 156, 239 A 68 114, 134 56, 95, 108–110, 114f, 117, 134, 203 114f, 134 144 119, 134f 114, 119, 134f, 141 106, 108, 110, 114, 141 24 A 51, 114, 116, 134, 202 24 A 51, 114, 116, 155 A 83, 202 39 A 9, 116, 134 A 61 40, 116 45 A 14, 95, 115 145 119, 126, 135 119, 126, 148, 239 A 65 115 144 134, 145 A 30 106 115, 145 A 30, 202 48, 115, 134, 156, 239 A 65 115, 134 56, 115, 134 93 A 34, 106, 115, 123, 204 97 A 46 48 A 16, 97 A 46, 140f, 144, 148, 153 A 74, 155 A 83

14,15 14,16 14,17–20 14,17 14,18 14,19 15,1ff 15,1 15,2 15,3f 15,5 15,6 15,7 15,8 16 16,1 16,5f 16,7 16,8 16,9 16,10 16,11 16,12 16,13 16,17 16,19 16,21 17f 17,1 17,2 17,3 17,4 17,5 17,6 17,7–18 17,8 17,9 17,10f 17,11 17,14 17,16 17,17f 17,18 18 18,3 18,4 18,8 18,9–24 18,10 18,12

97 A 46, 144, 153 A 74, 236, 238 144 144 236, 238 236 156 42 94, 156 94f, 103 A 62, 141 94, 155 236, 238 143, 238 156 238 94 156, 236, 238 155, 201f 202, 236 141 109 A 22, 201, 207 55 109 A 22, 201, 207 150 114, 134 238 156 109 A 22, 207 115 A 46, 115–120, 127, 134f, 228 115, 136, 167 115, 134, 156 109 A 22, 134, 136, 143, 207 115, 134, 143 115 115, 135f 134, 136 116, 136, 151 223 A 11 116, 223 A 11 39 A 9 48, 99, 119, 141 106 55 134 40, 116, 118 A 62 134 22, 117, 134, 136, 143 134 115, 134 134 143 A 21

Altes Testament und frühjüdisches Schrifttum 18,16 18,20 18,21 18,23 18,24 19 19,1–8 19,2 19,4 19,6 19,7–9 19,8 19,10 19,11–16

19,12 19,13 19,14 19,15 19,16 19,17 19,19 19,20 19,21 20,1–6 20,1–3 20,1 20,2 20,4–6 20,4 20,10 20,11–15 20,12 20,13 20,14 20,15 21 21f 21,1ff 21,1–8 21,2 21,3f 21,5–8 21,5 21,6 21,7 21,8 21,9ff 21,9–27 21,9f

143 A 21 115 116 116, 134 115 20 A 24 44, 155 115, 134, 137 128 145, 155 127 141, 143 50 47, 97f A 46, 99, 139 A 1, 140, 147–150, 153 A 74, 155 A 83, 202, 238 147 20, 148 140, 144 113, 147, 156, 201 148 238 113, 123, 125, 147, 238 113f, 134 148 57 125 238 109 47, 125 108, 116, 141 A 11, 164, 238 114, 134, 152 93 A 34, 126, 140, 238 114, 126, 151f 126, 204 207 114, 126, 151f, 207 45 A 14 46 56, 155, 236, 238 46 127 207, 215 201 123 19, 49, 55, 201, 226 92, 95, 141 56, 93 A 34, 97 A 45, 109, 207 40, 56 46 167 A 32

21,9 21,14 21,16 21,22 21,23 21,27 22,1–5 22,1 22,2 22,3 22,5 22,6–9 22,6 22,7 22,8 22,9 22,10–15 22,10 22,11 22,12 22,13 22,14 22,16 22,17–19 22,17 22,18f 22,18 22,20 22,21

249

127 23, 121, 122 A 6 237 A 60 236–239 239 56, 114, 126, 151f, 238 46 19, 55, 143, 167, 226, 239, 167 A 32 46 238 152 152 A 71 45, 137, 158 A 2, 166, 170 45, 50, 168 A 39, 170, 168 A 39 38, 166, 167 A 32 50, 51, 166 96 50, 168 A 39, 170, 119, 135, 201 93 A 34, 202, 204 201, 204 170 40, 143, 169f 108 19, 55, 127f, 226 50, 53, 119, 155 A 83 168 A 39, 199, 202 40, 128, 166, 200 40, 42, 123, 157, 166, 199

Altes Testament und frühjüdisches Schrifttum Genesis 1,1

178

Exodus 7,3 15,21 19,6

190 82 127, 200

Numeri 16,3 20,4 31,16

207 207 207

250

Stellenregister (in Auswahl)

Deuteronomium 18,15 194 18,18 194 32,23f 154

Sacharja 1,8–17 9,13f LXX 12,10–14

153 A 74 147 A 41 201

2. Königsbuch 4,42–44

193

Tobit 12,15

200

Jesaja 49,2 49,10 61,10 65,16

204 19 127 128

1. Makkabäer 3,19

92

2. Makkabäer 10,28 10,38 13,15 15,8 15,21

Jeremia 2,13 17,13 23

19 19 195

82 A 6 82 A 6 92 82 A 6 82 A 6

4. Makkabäer 1,11 6,33 11,21 11,25f 17,23f

82 A 5 82 A 4 82 A 4 82 A 5 82 A 5

Psalmen 2 11,2 21,13 23 36,10 37,14 51,6 69,10 88,28 LXX 88,38 LXX

21 142 142 195 19 142 102 A 58 181 125 125

Sprüche 8,22–36

177

Weisheit Salomos (SapSal) 4,1f 82 A 4 9,9 177 Jesus Sirach 24

177

Habakuk 3,8f

142

Klagelieder (Threni) 2,4f 142 Hesekiel (Ezechiel) 1,1–3 202 1,24 202 1,28 202 5,16f 154 14,21 153 A 74 26–28 115 A 46 34 195 40–44 182 Daniel 1,12 1,14 2,28 7,3–8 7,9 7,13 7,15 8,1 8,3 8,18 10,8 10,9 10,10–12 10,19

108, 207 108, 207 165 113 204 201, 203 136 A 70 203 114 A 42 204 136 A 70 136 A 70, 204 204 204

4. Esra 3ff 7,26 7,79–87 7,90–98 7,92 7,127f 12,3–5

40, 237 127 93 20, 93 93 A 36 20, 93, 93 A 36 136 A 70

Frühchristliche und andere antike Schriftsteller Syrische Baruchapokalypse 1ff 40

Ignatius’ Brief an Polykarp 3,1 100 A 53

1. Henoch (= äthiopischer Henoch) 1,1–2 161 15,1 204 20 200 37,2–4 168 A 39 93,1–3 161 98,6 168 A 39 103,1 168 A 39 104,1 168 A 39

Brief an Diognet 5,10 82 A 5 7,7 82 A 5

Testament Benjamins 4,2f 102 A 58 1QM (Kriegsrolle) 4,13 92 1QH (Hodayot) XVI (VIII) 4–16 19 4QEng III

161 A 14

Oden Salomos 6 11 30

19 19 19

Epiktet Dissertationes I 18,21–23 III 13,12

85 A 14 88 A 19

Lactanz De mortibus persecutorum 44,5 103 A 64 Plutarch Moralia 239d

100 A 53

Philo von Alexandria De Josepho 200 82 A 4

Sueton De vita Caesarum: Domitianus 13,2 106 A 8

Flavius Josephus Antiquitates Judaicae I 302 82 A 4

Plinius der Jüngere Epistulae X 96f 111 X 96,5f 111 (A 33) Irenäus von Lyon Adversus Haereses V 30,3 105, 222

Frühchristliche und andere antike Schriftsteller 1. Klemensbrief 1,1 6,1 59,4 60f

118 118 118 118

Euseb von Caesarea Historia Ecclesiastica IX 9,8f 103f III 17 106 III 18,1–3 106 A 9 III 39,4 225 VII 25,7–11 159 A 6 Vita Constantini I 28,2 103 A 63

251

Autorenregister Ådna, J. 231, 238 Aland, K. 29, 39, 45, 55, 116, 136 Albertz, R. 166 Aune, D.E. 24, 29, 51, 92, 112, 119, 143, 145, 147–150, 152, 155, 157–159, 161, 164, 166–168, 171, 237–239 Bachmann, M. 21, 97f, 139–146, 148–150, 153, 155, 236f Balz, H. 66, 68f, 72f, 78, 87 Barnett, A.E. 122 Barrett, C.K. 84 Barth, G. 127 Bauckham, R. 92, 95, 160, 163, 167, 170 Bauer, W. 61, 67, 81, 87f, 122, 136 Bauernfeind, O. 81 Baur, F.C. 23, 121f Beagley, A.J. 109 Beale, G.K. 24, 158f Beasley-Murray, G.R. 142, 165, 171 Becker, J. 77f, 84, 102, 122, 127, 130, 178– 180, 184, 192f, 195 Beckwith, I.T. 142, 148, 150, 158, 166–168, 171 Bell, A.A. 17, 29, 38, 109f Benn, G. 104 Berger, K. 18, 122–131, 135, 161, 168, 171 Bergmeier, R. 29, 40, 64, 150, 167 Beutler, J. 19, 171 Billerbeck, P. 236 Blank, J. 85, 104, 193, 195 Blaß, F. 97 Böcher, O. 18, 20, 29, 31f, 39, 45f, 49, 54– 57, 81, 100, 105, 113f, 127, 139, 142, 150, 157, 160, 225, 231, 237 Bogaert, P.-M. 29, 40 Boismard, M.E. 29, 40 Boll, F. 93 Bonnard, P. 87, 100 Boring, M.E. 29, 51, 148, 166f Bornkamm, G. 41, 61, 67, 78, 121 Bousset, W. 23, 31f, 36, 39f, 55, 94f, 97, 105–107, 109–111, 114, 116, 119, 148, 150, 153, 158, 163–167, 169, 171 Breytenbach, C. 102 Brown, R.E. 59–66, 68, 72, 74–79, 87–89, 93, 235

Brox, N. 118 Bruns, J.E. 90 Brütsch, Ch. 139, 151, 154 Bultmann, R. 43, 62, 64, 67f, 71f, 76, 84, 87– 90, 94, 179f, 184f, 187, 192f, 195f, 201, 223, 227, 230 Busse, U. 235f Caird, G.B. 141 Campenhausen, H. von 61, 67, 70 Carey, G. 162 Carrell, P.R. 144 Charles, R.H. 31f, 36, 122, 130, 142, 148, 150, 158, 163–165, 171 Collins, J.J. 29, 43 Comblin, J. 99 Considine, J.S. 141 Conzelmann, H. 111 Crüsemann, F. 82 Debrunner, A. 97 Deutsch, C. 237 Donfried, K.P. 60, 65, 69 Döpp, H.-M. 232 Doskocil, W. 68 Ehlers, W. 83 Ellul, J. 29, 33–35, 41, 55, 222 Engels, F. 17 Faßbeck, G. 231f Fears, J.R. 82, 98 Fekkes, J. 125, 127f Feldmeier, R. 137 Feuillet, A. 31f, 39, 140–142, 147, 153f Fischer, K.M. 29, 31, 35, 38, 40f, 45, 54, 57, 60, 62, 64 Ford, J.M. 29, 40, 171 Frey, J. 18, 20, 108, 127, 137, 160, 171, 222, 230 Fuchs, H. 118 Funk, R.W. 59 Furnish, V.P. 128 Gaugler, E. 87, 90 Georgi, D. 29, 56 Geyser, A. 29, 45

Autorenregister Giblin, C.H. 92, 96, 109, 158 Giesen, H. 17, 107, 109, 112, 130–132, 136, 139f, 142, 144–148, 150, 152–154, 159, 164, 166f, 170f Goppelt, L. 29, 33, 41, 44, 50 Grotius, H. 158 Grundmann, W. 141 Günther, H.W. 30, 42, 45, 113 Günther, M. 229 Hadorn, D.W. 32, 167 Haenchen, E. 60–62, 64, 68f, 71f, 74, 87, 90, 188 Hahn, F. 30, 41–43, 51, 55, 87, 92f, 100, 224 Hanslik, R. 106 Harnack, A. von 60f, 64f Hartingsveld, L. van 100, 103 Hartman, L. 34, 161 Heil, J.P. 149 Heiligenthal, R. 112, 129 Heinze, A. 25, 159f, 171, 173 Heise, J. 64, 72 Hellholm, D. 161–164, 166, 169 Hengel, M. 100f, 108, 225 Herzer, J. 21, 140, 142, 144, 146–152 Hill, D. 30, 36, 51 Hirschberg, P. 22 Hodges, Z.C. 147f, 155 Hohnjec, N. 30, 48f Holtz, T. 30, 45, 47–50, 92–95, 100, 102f, 110, 125f Holtzmann, H.J. 122 Japp, S. 231 Jonge, M. de 30, 47, 60f Jörns, K.-P. 49, 95, 101, 103, 113 Jülicher, A. 122 Kalms, J.U. 25, 173 Kaminka, A. 127 Karrer, M. 20, 25, 81, 94, 97, 99f, 102, 122– 124, 126, 131, 157, 161, 164f, 167, 169, 227 Käsemann, E. 30, 56, 59–63, 65, 67, 70, 121, 179f Kerkeslager, A. 141–143, 146, 153–156 Klauck, H.-J. 22, 25, 78f, 85f, 88f, 91, 100, 102f, 105f, 110f, 116f, 119, 130–133, 135, 137, 172 Klein, G. 13, 87, 100, 118, 122, 136 Körtner, U.H.J. 64 Köster, H. 30, 50

253

Kraft, H. 17, 30, 32, 35–42, 45, 53f, 104, 106f, 110f, 116, 137, 139, 142, 158f, 170f, 221f, 238 Lambrecht, J. 30, 41–43, 56, 146, 149, 152, 155 Lampe, P. 30, 56 Langbrandtner, W. 62, 68, 70, 72f, 77, 79 Leivestad, R. 81, 91, 95 Lichtenberger, A. 231, 237 Lindemann, A. 118, 121 Lips, H. von 135 Lohmeyer, E. 31f, 36, 45, 54, 93, 114, 126, 145, 170 Lohse, E. 30, 48, 122, 124, 129, 132, 162 Lücke, F. 158f Lund, N.W. 145 Maier, G. 30, 32f, 35, 45, 57, 222 Maier, J. 92 Malina, B.J. 162, 165, 168 Marshall, I.H. 61f, 64, 69, 87, 103 Martin, D.B. 163 Marxsen, W. 50, 62, 70, 72, 78 Mazzaferri, F.D. 157, 167 Meeks, W.A. 135 Michaelis, W. 125, 140 Milligan, G. 67 Minear, P.S. 165 Moberly, R.B. 106f, 116 Mommsen, Th. 105, 118 Morgenthaler, R. 171 Moulton, J.H. 67 Müller, U.B. 21, 30, 48, 51–53, 78, 93, 95, 97f, 106–112, 114, 116, 118, 122f, 125, 128–131, 134, 136, 139f, 142f, 146, 148, 150, 153f, 158, 160, 164, 224 Murphy, F.J. 150 Onuki, T. 78 Osten-Sacken, P. von der 126 Pesch, R. 168 Peterson, E. 104 Pfitzner, V.C. 82, 102 Pilch, J.J. 162, 165, 168 Pohlmann, K.-F. 154 Preez, J. du 141 Preisker, H. 72, 89 Prigent, P. 30, 34f, 46, 48, 153f, 159, 171 Rahner, J. 233f Räisänen, H. 130, 135 Rehkopf, F. 97

254

Autorenregister

Reichelt, H. 168 Reichert, A. 111, 118, 131, 137 Rengstorf, K.H. 158 Rese, M. 73f Rilke, R.M. 104 Rissi, M. 45, 134, 142, 153–155 Ritt, H. 96 Roloff, J. 91, 95, 97, 106, 110, 112, 114f, 117, 126, 131, 137, 162, 223, 237f Royalty, R.M. 162 Sandvik, B. 48 Satake, A. 30, 40, 47, 52, 95, 158, 163f Schaik, A.P. van 30, 40, 51 Schenke, H.-M. 31, 35, 38, 40f, 45, 54, 60, 62, 64, 68 Schewe, S. 14, 230 Schiller, F. 81 Schmid, H. 19 Schmidt, W.H. 82 Schmithals, W. 86, 102, 137, 178, 180 Schnackenburg, R. 30f, 61f, 64f, 68f, 73–75, 76, 84, 86f, 89, 93, 103, 235 Schneider, G. 171 Schnelle, U. 81, 84f, 102, 131, 135, 160, 192, 194, 225, 230, 233, 235 Schöllgen, G. 60 Schrage, W. 118, 135 Schulz, S. 31, 54f Schunack, G. 62, 67, 70, 73, 93 Schüßler Fiorenza, E. 18, 31, 34, 36f, 41–47, 50–55, 93, 100, 102f, 112, 122–127, 129– 131, 157f, 160, 164 Schweizer, E. 124 Segovia, F.F. 85 Sellin, G. 101, 131 Sieffert, F.E.A. 129 Sloterdijk, P. 219 Smith, M. 164 Spitta, F. 17, 158, 160, 163, 167, 168f Strecker, G. 18, 29, 64, 69, 74, 81, 87, 89– 92, 102, 108, 119, 126, 137, 225, 231 Strobel, A. 31, 36, 45

Taeger, J.-W. 11–14, 16–26, 86, 93, 98, 100f, 107–109, 113, 115, 117, 119, 123f, 126, 132–137, 144f, 148f, 152, 156, 160, 172f, 219–231, 240 Theißen, G. 172 Theobald, M. 177, 179f Thompson, L.L. 22, 106f, 111, 120, 133, 137, 162 Thyen, H. 61, 64, 73, 77, 79, 91, 230, 233, 235 Tilly, M. 236, 239 Trebilco, P. 229 Ulrich, J. 132 Vanni, U. 17, 31f, 35, 38, 44, 49, 57, 129, 158 Venetz, H.-J. 136 Vielhauer, Ph. 31, 38, 40–43, 50, 55, 62, 66, 71, 78, 91, 108, 119, 137 Vögtle, A. 31, 49 Völter, D. 158, 168 Vouga, F. 87, 91 Vretska, H. 83 Wahlde, U.C. von 72f Weiser, A. 111, 137 Weiß, J. 169 Wellhausen, J. 159 Wengst, K. 22, 62, 64, 66–68, 70–73, 75f, 78, 86f, 90f, 99, 107f, 110, 115, 118 Wilcox, M. 31, 40 Wilson, J.C. 17, 106f Windisch, H. 72, 89 Witulski, Th. 222 Wolff, Chr. 31, 39, 47, 99, 128 Wolter, M. 125, 131, 135 Wong, D.K.K. 139, 146 Yarbro Collins, A. 23, 29, 31, 38–43, 56, 94, 101, 106f, 110, 115, 118, 150 Zahn, Th. 139, 148, 159, 164, 166, 168 Zumstein, J. 173

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Band 214: Manuel Vogel Commentatio mortis 2Kor 5,1–10 auf dem Hintergrund antiker ars moriendi Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Band 214. 2006. 408 Seiten, gebunden ISBN 10: 3-525-53078-1 ISBN 13: 978-3-525-53078-8

Band 213: Susanne Rudnig-Zelt Hoseastudien Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches 2006. 311 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53077-3 ISBN 13: 978-3-525-53077-1

Band 212: Adrian Schenker Das Neue am neuen Bund und das Alte am alten Jer 31 in der hebräischen und griechischen Bibel, von der Textgeschichte zu Theologie, Synagoge und Kirche 2006. 108 Seiten, kartoniert ISBN 10: 3-525-53076-5 ISBN 13: 978-3-525-53076-4

Band 211: Henrik Pfeiffer Jahwes Kommen von Süden Jdc 5; Hab 3; Dtn 33 und Ps 68 in ihrem literatur- und theologiegeschichtlichen Umfeld 2005. 313 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53075-7 ISBN 13: 978-3-525-53075-7

Band 210: Martin Roth Israel und die Völker im Zwölfprophetenbuch Eine Untersuchung zu den Büchern Joel, Jona, Micha und Nahum 2005. 316 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53074-9 ISBN 13: 978-3-525-53074-0

Band 209: Hans Klein Lukasstudien 2005. 219 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53073-0 ISBN 13: 978-3-525-53073-3

Band 208: Susanne Schewe Die Galater zurückgewinnen Paulinische Strategien in Galater 5 und 6 2005. 215 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53072-2 ISBN 13: 978-3-525-53072-6

Band 207: Andreas Wagner Prophetie als Theologie Die so spricht Jahwe-Formeln und das Grundverständnis alttestamentlicher Prophetie 2004. 379 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53071-4 ISBN 13: 978-3-525-53071-9

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Band 206: Eckart Otto / Reinhard Achenbach (Hg.) Das Deuteronomium zwischen Pentateuch und Deuteronomistischem Geschichtswerk 2004. VII, 222 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53070-6 ISBN 13: 978-3-525-53070-2

Band 205: Wolfgang Schrage Kreuzestheologie und Ethik im Neuen Testament Gesammelte Studien 2004. 293 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53889-8 ISBN 13: 978-3-525-53889-0

Band 202: Gerd Theißen Jesus als historische Gestalt Beiträge zur Jesusforschung. Zum 60. Geburtstag von Gerd Theißen Herausgegeben von Annette Merz. 2003. VIII, 373 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53886-3 ISBN 13: 978-3-525-53886-9

Band 201: Matthias Köckert / Martti Nissinen (Hg.) Propheten in Mari, Assyrien und Israel 2003. X, 175 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53885-5 ISBN 13: 978-3-525-53885-2

Band 204: Anselm C. Hagedorn Between Moses and Plato

Band 200: Ulrich Wilckens Der Sohn Gottes und seine Gemeinde

Individual and Society in Deuteronomy and Ancient Greek Law

Studien zur Theologie der Johanneischen Schriften

2004. X, 351 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53888-X ISBN 13: 978-3-525-53888-3

2003. 208 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53884-7 ISBN 13: 978-3-525-53884-5

Band 203: Esther Straub Kritische Theologie ohne ein Wort vom Kreuz

Band 199: Florian Voss Das Wort vom Kreuz und die menschliche Vernunft

Zum Verhältnis von Joh 1-12 und 13-20

Eine Untersuchung zur Soteriologie des 1. Korintherbriefes

2003. 249 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53887-1 ISBN 13: 978-3-525-53887-6

2002. 320 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53883-9 ISBN 13: 978-3-525-53883-8