Independent Directors in Japan: Die japanische Corporate Governance und effektives Monitoring aus rechtsvergleichender Sicht 9783161556906, 3161556909

Die effektive Überwachung der Geschäftsführung stellt das Kernproblem einer jeden Aktiengesellschaft dar. Ein Instrument

121 112

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Independent Directors in Japan: Die japanische Corporate Governance und effektives Monitoring aus rechtsvergleichender Sicht
 9783161556906, 3161556909

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsund Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe
Einleitung
Der unabhängige Direktor als Konzept
Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan
Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: strukturelle Faktoren
Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: Ausgestaltung
Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Verzeichnis japanischer Regelwerke
Sachverzeichnis

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 391 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Torsten Spiegel

Independent Directors in Japan Die japanische Corporate Governance und effektives Monitoring aus rechtsvergleichender Sicht

Mohr Siebeck

Torsten Spiegel, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School, Hamburg, und dem Center for Transnational Legal Studies, London; 2013 Erste Juristische Prüfung beim Hanseatischen OLG; Wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; Forschungsaufenthalt an der Universität Kyoto als Stipendiat der Japan Society for the Promotion of Science; 2017 Promotion; seit 2016 Referendar am Kammergericht Berlin.

ISBN 978-3-16-155690-6 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Vorwort

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Sie ist im Zeitraum von 2013 bis 2016 während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg sowie eines einjährigen Forschungsaufenthalts an der Universität Kyōto entstanden. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand von Januar 2017. Vereinzelt konnten jüngere Entwicklungen noch darüber hinaus berücksichtigt werden. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Harald Baum, für die vorbildliche Betreuung dieser Arbeit sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit während meiner Tätigkeit im Japan-Referat des Instituts. Ihm verdanke ich den Zugang zum japanischen Recht. Sein großes Engagement und seine großzügige fachliche und persönliche Unterstützung machten auch meinen Forschungsaufenthalt in Japan erst möglich. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow LL.M. (Harvard Univ.) danke ich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem gesamten Direktorium des Instituts danke ich darüber hinaus für die freundliche Aufnahme in diese Schriftenreihe sowie die Bewilligung eines Druckkostenzuschusses. Alle Kollegen am Max-Planck-Institut haben meine Zeit dort geprägt und wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Insbesondere meine Bürokollegen, Nina Marie Güttler, Dr. Peter Leibküchler und Dr. Mareike Walter, standen mir stets mit gutem Rat zur Seite. Mein herzlicher Dank gilt auch Frau Janina Jentz, die mich bei der Endredaktion und der Vorbereitung der Veröffentlichung hervorragend unterstützt hat. Zu großem Dank verpflichtet bin ich zudem Frau Professor Maki Saitō sowie Herrn Professor Dr. Keizo Yamamoto für die überaus freundliche fachliche und persönliche Betreuung während meines Forschungsaufenthalts an der Universität Kyōto. Dass ich stets gerne an die lehrreiche und persönlich prägende Zeit in Japan zurückdenke, verdanke ich ihnen sowie zahlreichen weiteren japanischen Kollegen und Freunden, die ich während meiner Zeit als Doktorand kennen lernen durfte. Meinen Interviewpartnern in Kyōto und Tōkyō danke ich für ihre Zeit und die vielen hilfreichen Ausführungen zur Vertiefung einzelner Aspekte dieser Arbeit: Herrn Nicholas Benes, Professor

VIII

Vorwort

Bruce Aronson, Professor Gen Goto, Professor Hideki Kanda, Herrn Dr. Yoshiyuki Koseki, Professor Dr. Souichirou Kozuka, Herrn Rechtsanwalt Kazuhiro Takei, Professor Dr. Dr. Eiji Takahashi sowie Professor Dr. Tetsuya Yamashita. Schließlich möchte ich auch der Japan Society for the Promotion of Science für die großzügige finanzielle Unterstützung im Rahmen eines Forschungsstipendiums danken, ohne das der einjährige Aufenthalt in Japan nicht möglich gewesen wäre. Einen ganz besonderen Dank möchte ich Franziska Holler aussprechen, die mir während des gesamten Projekts meiner Dissertation Rückhalt gegeben hat. Ohne ihr Verständnis, ihre klugen Anmerkungen und ihren kritischen Blick beim Korrekturlesen der Arbeit wäre diese in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen. Abschließend möchte ich meinen Eltern danken, die mich während der gesamten Dauer meiner Ausbildung bedingungslos unterstützt haben und immer für mich da sind. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im Oktober 2017

Torsten Spiegel

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht

Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................ XIX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe ............................................. XXV

Einleitung................................................................................................... 1 A. Thema, Hintergrund und Erkenntnisinteresse der Arbeit ........................ 1 B. Gang der Untersuchung .......................................................................... 3 C. Hinweise ................................................................................................ 4

1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept ....................... 5 A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-AgentenKonflikt .................................................................................................. 5 B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts .............................12 C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors – strukturelle Faktoren und Ausgestaltung im Kontext ................................................ 68

2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan ..................75 A. B. C. D. E. F.

Die Entwicklung bis 1950 ..................................................................... 75 Die Entwicklung von 1950 bis zum Beginn der 90er Jahre ....................78 Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen ..............................81 Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen ......................................86 Die Diskussion um eine Annahme „globaler Standards“ .......................98 Zusammenfassung ............................................................................... 100

X

Inhaltsübersicht

3. Kapitel – Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: strukturelle Faktoren......... 103 A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft: Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen .................................. 103 B. Die Aktionärsstruktur: Wandel zu gestreutem, „externem“ Eigentum? ........................................................................................... 117 C. Das Unternehmensverständnis: Ende der „japanischen Unternehmung“ und Dominanz der Aktionärsinteressen? .................... 124 D. Die Überwachung der Geschäftsführung: konkurrierende Instrumente ......................................................................................... 137 E. Zusammenfassung ............................................................................... 178

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: Ausgestaltung ..................... 181 A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen zu externen Direktoren in Japan ............................................................................. 181 B. Politischer Hintergrund ....................................................................... 190 C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis ............................................. 197 D. Der Begriff der Unabhängigkeit .......................................................... 217 E. Funktionen .......................................................................................... 228 F. Qualifikation ....................................................................................... 262 G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung ........................................... 267 H. Zusammenfassung ............................................................................... 270

Schlussbetrachtungen........................................................................... 273 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ....................................................... 273 B. Ausblick .............................................................................................. 277 Literaturverzeichnis .................................................................................... 279 Verzeichnis japanischer Regelwerke .......................................................... 297 Sachverzeichnis .......................................................................................... 299

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................ XIX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe ............................................. XXV

Einleitung................................................................................................... 1 A. Thema, Hintergrund und Erkenntnisinteresse der Arbeit ........................ 1 B. Gang der Untersuchung ......................................................................... 3 C. Hinweise................................................................................................. 4

1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept ....................... 5 A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt ..................................................................... 5 I.

Die Entstehung der Aktiengesellschaft in England, Kontinentaleuropa und den USA ............................................................ 6 II. Die Trennung des Eigentums von Management und Kontrolle: Konflikte in der Aktiengesellschaft ........................................................ 7 III. Die Trennung von Board und Management-Funktion: die Funktionslosigkeit des Boards ............................................................... 10 B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts ..............................12 I. Begrifflichkeiten ausgehend vom non-executive director ......................12 II. Die USA als Herkunftsland des Unabhängigkeitsparadigmas ................13 1. Die Abkehr vom Management-Modell und das MonitoringModell ............................................................................................... 13 2. Durchsetzung des unabhängigen Monitoring Boards .........................14 a) Der Wandel vom Stakeholder- zum shareholder value-Ansatz ......16 b) Kennzahlen des Marktes als Gradmesser .......................................18

XII

Inhaltsverzeichnis

c) Unabhängige Direktoren als Treuhänder der Aktionäre .................19 3. Das 21. Jahrhundert: Abkehr von der reinen Selbstregulierung ..........20 4. „More of the same“ oder „too much of the same“? ............................23 a) Uneindeutige empirische Belege ................................................... 24 b) Kritik an der Ausgestaltung des unabhängigen Boards ..................25 c) Kritik am Fokus auf die Unabhängigkeit .......................................27 d) Kritik am shareholder value-Ansatz .............................................. 32 III. Unabhängigkeit des Boards im Vereinigten Königreich ........................32 1. Die Rezeption des unabhängigen Monitoring Boards.........................33 a) Wirtschaftliche Stagnation und der Beginn eines Wandels ............33 b) Corporate Governance Kodizes und die Funktion des Monitoring .................................................................................... 33 c) Shareholder engagement: die aktive Rolle der Aktionäre ..............36 d) Der Begriff der Unabhängigkeit und sein Verhältnis zur sonstigen Qualifikation .................................................................. 37 2. Kritik am unabhängigen Board und jüngere Entwicklungen ..............39 a) Diskussion um die Funktion unabhängiger Direktoren ..................39 b) Wandel der Anlegerstrukturen und Auswirkungen auf das Board ............................................................................................ 40 3. Rezeption innerhalb einer monistischen Struktur – Zwischenergebnis .............................................................................. 41 IV. Unabhängigkeit des Aufsichtsrats in Deutschland .................................41 1. Der Aufsichtsrat: institutionalisierte Trennung von Leitung und Kontrolle ........................................................................................... 42 a) Die Entstehung des Aufsichtsrats .................................................. 43 b) Organisation und Aufgabenteilung in der dualistischen Struktur ......................................................................................... 46 2. Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas .......................................49 a) Offenheit der dualistischen Struktur für unabhängige Direktoren ..................................................................................... 49 b) Die Entwicklung auf EU-Ebene ..................................................... 50 c) Der Deutsche Corporate Governance Kodex .................................52 d) Stakeholder-Interessen und Blockholder-Strukturen im Wandel .......................................................................................... 54 e) Funktion und Qualifikation unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder.................................................................. 57 3. Kritik am unabhängigen Aufsichtsrat und jüngere Entwicklungen ................................................................................... 63 a) Vergütung, Haftung und die „Kontrolle der Kontrolleure“ ............64 b) Beförderung einer „Abweichungskultur“ und Forderungen nach einer Entrechtlichung der Corporate Governance ..................66 4. Rezeption innerhalb einer dualistischen Struktur – Zwischenergebnis .............................................................................. 67

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors – strukturelle Faktoren und Ausgestaltung im Kontext ................................................ 68 I. Strukturelle Faktoren ............................................................................. 69 II. Ausgestaltung im Kontext ..................................................................... 70

2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan ..................75 A. Die Entwicklung bis 1950 ...................................................................... 75 B. Die Entwicklung von 1950 bis zum Beginn der 90er Jahre ....................78 C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen ..............................81 I. Die Reform von 2001/2002 ................................................................... 83 II. Die Reform von 2005 ............................................................................ 84 III. Regelungen der Tokyo Stock Exchange bis zur Reform 2014 ...............85 D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen .......................................86 I.

Die Gesellschaftsrechtsreform 2014 ...................................................... 86 1. Zeitlicher Ablauf der Reform ............................................................. 87 2. Der Inhalt der Reform ........................................................................ 88 a) Gesellschaft mit Kontrollausschuss ............................................... 89 b) Anforderungen an externe Direktoren............................................ 89 c) „Comply or explain“: Druck in Richtung Ernennung mindestens eines externen Direktors.............................................. 90 d) Sonstiges ....................................................................................... 91 II. Corporate Governance Code 2015 und Listing Rules der TSE ...............91 1. Japan’s Corporate Governance Code ................................................. 93 a) Zeitlicher Ablauf der Erarbeitung des Kodex ................................94 b) Der Inhalt des Kodex ..................................................................... 95 2. Listing Rules der TSE ........................................................................ 96 E. Die Diskussion um eine Annahme „globaler Standards“.......................98 F. Zusammenfassung ............................................................................... 100

XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel – Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: strukturelle Faktoren......... 103 A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft: Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen ........................................... 103 I. Relevante Normen ............................................................................... 103 II. Organisationsverfassungen und grundlegende Aufgabenverteilung ............................................................................. 104 III. Die Organe .......................................................................................... 109 1. Überblick ......................................................................................... 109 2. Die Organe im Einzelnen ................................................................. 109 a) Hauptversammlung ..................................................................... 110 b) Verwaltungsrat ............................................................................ 110 c) Prüfer und Prüferrat ..................................................................... 113 d) Rechnungslegungsberater ............................................................ 114 e) Abschlussprüfer........................................................................... 115 IV. Schlussfolgerungen ............................................................................. 116 B. Die Aktionärsstruktur: Wandel zu gestreutem, „externem“ Eigentum? ........................................................................................... 117 I. II. III. IV.

Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ................................................... 117 Die Nachkriegszeit .............................................................................. 118 Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Entwicklungen .................... 121 Schlussfolgerungen ............................................................................. 123

C. Das Unternehmensverständnis: Ende der „japanischen Unternehmung“ und Dominanz der Aktionärsinteressen? ................... 124 I. Die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg .................................... 124 II. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Entwicklungen .................... 127 1. Zielrichtung der jüngsten Reformen ................................................. 128 2. Anzeichen eines Wandels in der Praxis ............................................ 132 III. Schlussfolgerungen ............................................................................. 136 D. Die Überwachung der Geschäftsführung: konkurrierende Instrumente ......................................................................................... 137 I.

Interne Überwachungsinstrumente ausgenommen externe und unabhängige Direktoren ...................................................................... 139 1. Der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat ohne externe oder unabhängige Direktoren .............................................. 140 2. Der Prüferrat in der Gesellschaft mit Prüferrat ................................. 142

Inhaltsverzeichnis

XV

a) Prüfungsaufgabe .......................................................................... 143 b) Personelle Trennung, externe und unabhängige Prüfer ................ 146 c) Aufgabenerfüllung in der Praxis .................................................. 147 3. Internes Compliance-System ........................................................... 150 4. Rechnungslegungsberater ................................................................ 152 5. Abschlussprüfer ............................................................................... 155 6. Die Hauptversammlung ................................................................... 158 a) Kompetenzen .............................................................................. 158 b) Aufgabenerfüllung in der Praxis .................................................. 159 II. Externe Überwachungsinstrumente ..................................................... 161 1. Haftung und klageweise Durchsetzung ............................................ 161 a) Das Haftungsregime für Organmitglieder einschließlich der Abschlussprüfer........................................................................... 161 b) Klageweise Durchsetzung ........................................................... 164 c) Die Haftung als Kontrollfaktor .................................................... 168 2. Die Main Bank ................................................................................ 170 3. Marktkontrolle: Produktmarkt, Kapitalmarkt und Markt für Unternehmenskontrolle .................................................................... 172 a) Der Produktmarkt ........................................................................ 172 b) Der Kapitalmarkt ......................................................................... 173 c) Der Markt für Unternehmenskontrolle ......................................... 174 4. Die Wirtschaftsverwaltung .............................................................. 176 III. Schlussfolgerungen ............................................................................. 177 E. Zusammenfassung ............................................................................... 178

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: Ausgestaltung ..................... 181 A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen zu externen Direktoren in Japan............................................................................. 181 I.

Externe Direktoren und Unternehmensleistung.................................... 183 1. Unternehmenswert und operative Leistung ...................................... 183 2. Konkretes Verhalten des Verwaltungsrats........................................ 184 3. Zwischenergebnis ............................................................................ 185 II. Unternehmenscharakteristika und Zusammensetzung des Verwaltungsrats ................................................................................... 185 III. Zusammenfassung und Bewertung ...................................................... 187 1. Unzureichende Untersuchungen....................................................... 187 2. Implikationen für gesetzgeberische Vorhaben.................................. 188

XVI

Inhaltsverzeichnis

B. Politischer Hintergrund ....................................................................... 190 I. II. III. IV.

Die Verpflichtung zu externen Direktoren als Reformaufgabe............. 191 „Comply or explain“ als Kompromisslösung ....................................... 193 Weitere Reformpunkte und sonstige Maßnahmen ................................ 195 Zusammenfassung und Bewertung ...................................................... 197

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis ............................................. 197 I.

II. III. IV.

V.

Das Gesellschaftsgesetz: Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen .................................................................. 198 1. Die Gesellschaft mit Prüferrat: „comply or explain“ (1) .................. 198 a) Inhalt der Regelung ..................................................................... 198 b) Übergangsvorschriften und Folgen bei Verstoß gegen die Erklärungspflichten ..................................................................... 201 2. Die Gesellschaft mit Ausschüssen bzw. mit Kontrollausschuss: extern besetzte Ausschüsse im Verwaltungsrat ................................ 202 Die Listing Rules der TSE: „Verpflichtung zum Bemühen“ ................ 203 Der Corporate Governance Kodex: „comply or explain“ (2)................ 205 Wahl und Gestaltung der Organisationsverfassungen in der Praxis...... 207 1. Bedeutung der drei Organisationsverfassungen in der Praxis ........... 208 2. Zahl externer und unabhängiger Direktoren in den Verwaltungsräten ............................................................................. 211 Zusammenfassung und Bewertung ...................................................... 215

D. Der Begriff der Unabhängigkeit .......................................................... 217 I.

Das Gesellschaftsgesetz: Anforderungen an externe Direktoren .......... 218 1. Inhalt der Änderungen der Reform 2014 .......................................... 219 2. Übergangsvorschriften und Folgen bei Verstoß gegen die Anforderungen ................................................................................. 222 II. Die Listing Rules der TSE und der Corporate Governance Kodex: Anforderungen an die Unabhängigkeit ................................................ 223 III. Zusammenfassung und Bewertung ...................................................... 226 E. Funktionen .......................................................................................... 228 I.

Die Funktion des Verwaltungsrats: zwischen Geschäftsführung und Überwachung................................................................................ 229 1. Grundlegende Aufgabenbeschreibung ............................................. 230 2. Geschäftsführung: Zuweisung und Ausgestaltungsmöglichkeiten .... 230 II. Externe Direktoren als Fremdkörper oder elementarer Bestandteil in der Organisationsstruktur .............................................. 233 III. Der Gesetzgeber und die Diskussion in Wissenschaft und Praxis ........ 235 1. Der Gesetzgeber .............................................................................. 235

Inhaltsverzeichnis

XVII

2. Wissenschaft und Praxis .................................................................. 237 3. Zwischenfazit .................................................................................. 241 IV. Monitoring .......................................................................................... 241 1. Der Verwaltungsrat mit externen Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat .................................................................................... 242 a) Performance-Monitoring ............................................................. 242 b) Compliance-Monitoring .............................................................. 243 c) System „spezieller“ Direktoren ................................................... 245 2. Die Gesellschaft mit Ausschüssen ................................................... 245 a) Der Verwaltungsrat: Kontrolle auch durch Outsider .................... 246 b) Der Prüfungsausschuss ................................................................ 248 c) Der Nominierungs- und der Vergütungsausschuss ....................... 250 3. Die Gesellschaft mit Kontrollausschuss ........................................... 251 a) Der Verwaltungsrat ..................................................................... 252 b) Der Kontrollausschuss ................................................................. 253 V. Beratung .............................................................................................. 258 VI. Netzwerkfunktion ................................................................................ 260 VII. Zusammenfassung und Bewertung ...................................................... 261 F. Qualifikation ....................................................................................... 262 I. Fachliche Qualifikation und Zusammensetzung................................... 262 II. Professioneller Hintergrund ................................................................. 263 III. Informationsversorgung....................................................................... 265 G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung ........................................... 267 H. Zusammenfassung ............................................................................... 270

Schlussbetrachtungen........................................................................... 273 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ....................................................... 273 B. Ausblick............................................................................................... 277 Literaturverzeichnis .................................................................................... 279 Verzeichnis japanischer Regelwerke .......................................................... 297 Sachverzeichnis .......................................................................................... 299

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Grundstruktur der Gesellschaft mit Prüferrat......................... 105 Abbildung 2: Grundstruktur der Gesellschaft mit Ausschüssen .................. 106 Abbildung 3: Grundstruktur der Gesellschaft mit Kontrollausschuss .......... 108 Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9:

Zeitlicher Überblick über die Entwicklung des regulatorischen Rahmens des Unternehmensüberwachung ...............97 Geschäftsführung und Überwachung in der japanischen Aktiengesellschaft ................................................................. 108 Mit externen bzw. unabhängigen Direktoren konkurrierende Instrumente in der japanischen Aktiengesellschaft ...... 139 Rechtstechnische Umsetzung des Instruments der Unabhängigkeit auf drei Ebenen ........................................... 207 Anteile der drei Organisationsverfassungen an der Gesamtzahl der an der TSE gelisteten Unternehmen ............. 211 Anteil der Gesellschaften mit externen bzw. unabhängigen Direktoren insgesamt ...................................... 213 Externe und unabhängige Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat.......................................................................... 213 Externe und unabhängige Direktoren in der Gesellschaft mit Ausschüssen ................................................................... 213 Anstieg der Gesellschaften mit externen und unabhängigen Direktoren im Zuge der jüngsten Reform ....... 214

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. ADHGB a. F. AG AJAL AktG Am J Comp L Aufl.

andere Ansicht Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch alte Fassung Die Aktiengesellschaft Australian Journal of Asian Law Aktiengesetz American Journal of Comparative Law Auflage

BB BGH BGHZ BT-Drs. BUL Rev bzgl. bzw.

Betriebs Berater Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundestags-Drucksache Boston University Law Review bezüglich beziehungsweise

Cardozo L Rev CEO Colum L Rev

Cardozo Law Review Chief Executive Officer Columbia Law Review

DAX DB DCGK Del J Corp L DG DPJ

Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware Journal of Corporate Law Distriktgericht (Japan) Demokratische Partei Japans

ECFR EU EuZW

European Company and Financial Law Review Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

f./ff. FBG Fordham J Corp & Fin L FSA

folgende Finanzprodukte- und Börsengesetz (Japan) Fordham Journal of Corporate & Financial Law Financial Services Agency (Japan)

Geo L J

Georgetown Law Journal

XXII

Abkürzungsverzeichnis

GesG GK GmbH GPIF

Gesellschaftsgesetz (Japan) Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Japan und Deutschland) Government Pension Investment Fund (Japan)

HGB h. M. Hrsg. Hs.

Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz

ibid. i. d. F. insb. Iowa L Rev i. V. m.

ibidem in der Fassung insbesondere Iowa Law Review in Verbindung mit

JCGC JCGF JCLS JEMS J L & Econ J Legal Stud JPX

Japan’s Corporate Governance Code Japanese Corporate Governance Forum Journal of Corporate Law Studies Journal of Economics & Management Strategy The Journal of Law and Economics The Journal of Legal Studies Japan Exchange Group, Inc.

KölnKomm

Kölner Kommentar

LDP

Liberaldemokratische Partei Japans

METI Mich St J Int’l L MJPVL MOF MOJ MüKo

Ministry of Economy, Trade and Industry (Japan) Michigan State Journal of International Law Michigan Journal of Private Equity & Venture Capital Law Ministry of Finance (Japan) Ministry of Justice (Japan) Münchener Kommentar

NCL Rev n. F. NJW Nr. m. w. N. NYSE NZG

North Carolina Law Review neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer mit weiteren Nachweisen New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OECD OG OGH

Organisation for Economic Cooperation and Development Obergericht (Japan) Oberster Gerichtshof (Japan)

RabelsZ RFS

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Review of Financial Studies

Abkürzungsverzeichnis Rn.

Randnummer

S. SEC sog. SOX Stan L Rev

Satz / Seite Securities and Exchange Commission (USA) sogenannt Sarbanes Oxley Act (USA) Stanford Law Review

XXIII

Temple Int’l & Comp L J Temple International & Comparative Law Journal TSE Tokyo Stock Exchange u. a. U Haw L Rev UK UK CGC USA U  Pen L Rev

und andere / unter anderem University of Hawaii Law Review United Kingdom UK Corporate Governance Kodex United States of America University of Pennsylvania Law Review

vgl. VO

vergleiche Verordnung

Whittier L Rev WM

Whittier Law Review Wertpapier-Mitteilungen

Yale J Int’l L Yale L J

Yale Journal of International Law Yale Law Journal

z. B. ZEuP ZG ZGR ZHR ZIP ZJapanR

zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zivilgesetz (Japan) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Japanisches Recht

Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe

Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe Verzeichnis wichtiger japanischer Begriffe dokuritsu unabhängig gyōmu shikkō Führung der Geschäfte gyōmu shikkō no kettei Entscheidung über die Führung der Geschäfte hi-gyōmu nicht geschäftsführend i’in-kai setchi kaisha Gesellschaft mit Ausschüssen (mit der Reform 2014 umbenannt in shimei i’in-kai tō setchi kaisha) kaikei kansa-nin Abschlussprüfer kaikei san’yo Rechnungslegungsberater kansa Prüfung (bezeichnet Überwachungsfunktion ohne Einfluss auf Ernennung und Vergütung) kansa tō i’in-kai setchi kaisha Gesellschaft mit Kontrollausschuss (wörtlich: Gesellschaft mit Ausschuss für Prüfung usw.) kansa yakkai Prüferrat kansa yakkai setchi kaisha Gesellschaft mit Prüferrat kansa-yaku Prüfer kantoku Aufsicht (bezeichnet Überwachungsfunktion mit Einfluss auf Ernennung und Vergütung „von oben herab“) shagai extern shikkō yakuin geschäftsführender leitender Angestellter (corporate officer) shikkō-yaku Geschäftsführer (executive officer) shimei i’in-kai tō setchi kaisha Gesellschaft mit Ausschüssen (wörtlich: Gesellschaft mit u. a. Nominierungsausschuss) torishimari yakkai Verwaltungsrat torishimari-yaku Direktor

Einleitung Einleitung

A. Thema, Hintergrund und Erkenntnisinteresse der Arbeit

A. Thema, Hintergrund und Erkenntnisinteresse

Japan is back. Diesen Titel trägt ein von der japanischen Regierung im Juni 2013 veröffentlichtes Strategiepapier.1 Es zielt darauf, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, denn der beispiellose Aufschwung des Landes hatte mit dem Platzen der Wirtschaftsblase zu Beginn der 90er Jahre ein abruptes Ende gefunden. 2 In der Folge hatten auch Vorzeigeunternehmen wie Sony Mühe, mit der internationalen Konkurrenz Schritt zu halten. Die seit dieser Zeit andauernde Phase der Stagnation prägte den Begriff der lost decade, wobei man mittlerweile bereits von lost decades sprechen muss. Dieser Entwicklung möchte der seit 2012 amtierende Präsident Shinzō Abe ein Ende setzen. Mit dem genannten Strategiepapier legte seine Regierung den Grundstein für ein umfassendes Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft – weltweit bekannt unter dem Namen „Abenomics“. 3 Es besteht aus drei Säulen, auch Pfeile genannt. Der erste dieser Pfeile ist eine aggressive Geldpolitik zur Steigerung der Inflation, der zweite Pfeil ein massives, schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm. Der dritte Pfeil schließlich sind Strukturreformen, zu denen auch eine Reform der Corporate Governance japanischer Aktiengesellschaften4 gehört und auf die sich diese Arbeit konzentriert.5 Unter Corporate Governance versteht man, wenn auch die Definitionen im Detail voneinander abweichen, die Leitung und Überwachung im Unternehmen.6 Die Corporate Governance japanischer Unternehmen war bereits vielJapan Revitalization Strategy. Japan is Back (14.6.2013), abrufbar unter (Provisional Translation). 2 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 34; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 76. Siehe dazu unten Kapitel 2 – C. 3 Zu den Abenomics siehe etwa „Japan and Abenomics. Once more with feeling“, The Economist, 18.5.2013, Briefing section und „Abenomics picks up speed. The battle for Japan“, The Economist, 28.6.2014, Asia section sowie unten Kapitel 2 – D. II. 4 Die Aktiengesellschaft stellt in Japan die mit weitem Abstand wichtigste Rechtsform des Gesellschaftsrechts dar. So I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 58 sogar vor Abschaffung der Rechtsform der GmbH (yūgen kaisha). 5 Die anderen beiden „Pfeile“ sowie die übrigen Strukturreformen spielen für die Zukunft der japanischen Wirtschaft ohne Zweifel eine ebenso große Rolle, müssen aber im Rahmen dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben. 1

2

Einleitung

fach Gegenstand von Reformen. Deren Schwerpunkt hat sich jedoch mit der Zeit verschoben. Stand zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs bis in die 90er Jahre die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung im Mittelpunkt, war diese bei den Reformen zu Beginn des Jahrtausends nur noch von geringer Bedeutung.7 Bei den im Jahr 2010 begonnenen Diskussionen um die jüngste Reform des Gesellschaftsgesetzes, die am 1. Juni 2015 in Kraft trat, lag der Fokus bereits klar auf der Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmen. Compliance-Themen wie der Rechnungslegungsskandal bei Olympus spielten hingegen keine Rolle. Dieser Trend setzt sich unter den Abenomics fort. Die avisierte Steigerung der Leistung der Unternehmen soll unter anderem durch eine Stärkung der Überwachung der Geschäftsführung erreicht werden. Kern des Vorhabens ist die Einführung unabhängiger, nicht lediglich unternehmensexterner Direktoren in den Boards 8 börsennotierter Aktiengesellschaften. 9 Die japanische Version eines Corporate Governance Kodex, der gleichzeitig mit dem reformierten Gesellschaftsgesetz in Kraft trat, drängt auf die Ernennung mindestens zweier unabhängiger Direktoren.10 Der independent director ist jedoch keinesfalls eine japanische Erfindung. Das Modell eines zumindest teilweise unabhängig besetzten sogenannten Monitoring Boards entwickelte sich ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA. Es fand über das Vereinigte Königreich (UK) seinen Weg ins restliche Europa und hat heute weltweit große Verbreitung gefunden. 11 Es wird von einem „Siegeszug“ gesprochen und auch an den Aufsichtsrat in der deutschen Aktiengesellschaft werden mittlerweile Unabhängigkeitsanforderungen gestellt. 6 Siehe etwa H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 41 Rn. 1.80; K. J. HOPT, Am J Comp L 59 (2011) 1, 6 f.; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 63; G. BACHMANN, AG 2011, 181; A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1043; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 91; M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 916. 7 Siehe dazu unten Kapitel 2 – C. und D. 8 Der Begriff des „Board“ wird im Folgenden als Oberbegriff für das Leitungs- und /  oder Überwachungsorgan einer Aktiengesellschaft verwendet und umfasst damit sowohl das board of directors in den USA oder dem Vereinigten Königreich als auch den Vorstand und Aufsichtsrat in der deutschen oder den Verwaltungsrat in der japanischen Aktiengesellschaft. 9 Siehe etwa „Corporate Governance in Japan. A revolution in the making“, The Economist, 3.5.2014, Business section; eingehend unten Kapitel 2 – D. sowie Kapitel 4. 10 TOKYO STOCK EXCHANGE (TSE), Japan’s Corporate Governance Code. Seeking Sustainable Corporate Growth and Increased Corporate Value over the Mid- to Long-Term (JCGC), abrufbar unter (Provisional Translation). 11 Zwischen 1993 und 2000 wurden in mindestens 189 Ländern Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Boards von Aktiengesellschaften getroffen, K. UCHIDA, Shōji Hōmu 2007 (2013) 41, 41 f. Zur Entwicklung des „unabhängigen Direktors“ siehe eingehend Kapitel 1 – A. und B.

B. Gang der Untersuchung

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Dass jedoch ausgerechnet Japan gerade jetzt damit beginnt, die Boards seiner Aktiengesellschaften unabhängiger zu gestalten, mag aus zwei Gründen erstaunen: Zum einen ist der unabhängige Direktor seit geraumer Zeit in die Kritik geraten.12 Grund dafür ist, dass auch unabhängig besetzte Boards zahlreiche weitere Unternehmensskandale nicht verhindern konnten. Beispielhaft sei hier der Fall Enron in den USA genannt. Zudem wird nach wie vor eine unzureichende empirische Untermauerung des Aspekts der Leistungssteigerung bemängelt. Zum anderen scheint die japanische Corporate Governance der Nachkriegszeit in einem klaren Gegensatz zum Modell einer unabhängigen Überwachung zu stehen. 13 Die Unternehmen bewegten sich bislang innerhalb eines nach außen abgeschlossenen und „Insider-basierten“ Systems, dem der Gedanke einer unabhängigen Überwachung der Geschäftsführung durch „Outsider“ gänzlich fremd ist. Überhaupt hatte jeglicher externe Einfluss in der Aktiengesellschaft bislang kaum eine Rolle gespielt. Berechtigterweise lässt sich danach fragen, wie sich der independent director in ein solches System integrieren lässt und ob er einen Wandel der Corporate Governance voraussetzt oder einen solchen vielleicht sogar befördern kann. Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit nach. Sie untersucht anhand eines zweistufigen Konzepts sowohl die spezifischen Rahmenbedingungen als auch die konkrete Ausgestaltung des Instruments der Unabhängigkeit in Japan. Bei der Entwicklung des Konzepts sowie auch dessen Anwendung auf den japanischen Kontext werden die in den USA als „Herkunftsland“ des unabhängigen Direktors sowie die im Vereinigten Königreich und Deutschland gemachten Erfahrungen mit einbezogen und der Untersuchung so eine rechtsvergleichende Perspektive zugrunde gelegt. Während der independent director insbesondere für die USA und das Vereinigte Königreich recht weitgehend erforscht ist, hat die Beschäftigung mit diesem Instrument der Corporate Governance in Japan gerade erst an Fahrt gewonnen. Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema in deutscher Sprache hat noch nicht stattgefunden und auch die englischsprachige Literatur ist bislang spärlich. Diese Lücke sucht die vorliegende Arbeit zu schließen.

B. Gang der Untersuchung B. Gang der Untersuchung

Im ersten Kapitel wird ausgehend von den mit der Trennung von Eigentum und Management-Funktion einhergehenden Konflikten in der Aktiengesellschaft die Entstehung des Unabhängigkeitsparadigmas in den USA und des12 13

Siehe dazu unten Kapitel 1 – B. II.4., III.2. und IV.3. Zum japanischen Unternehmensverständnis siehe eingehend Kapitel 3 – C.

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Einleitung

sen Rezeption im Vereinigten Königreich und Deutschland untersucht. Aus den Erfahrungen in diesen Ländern wird ein allgemeingültiges Konzept zur Analyse des independent director abgeleitet. Das zweistufige Konzept verdeutlicht zum einen die strukturellen Faktoren, die den Rahmen für die Rezeption des Instruments der Unabhängigkeit als legal transplant 14 bilden. Zum anderen beschreibt es die verschiedenen Ausgestaltungselemente des Instruments innerhalb dieses Rahmens. Von entscheidender Bedeutung ist, dass es den unabhängigen Direktor nicht gibt. Vielmehr verbirgt sich hinter diesem Schlagwort ein vielgestaltiges Instrument der Corporate Governance. Bevor das Konzept auf den japanischen Kontext angewandt wird, gibt das zweite Kapitel zunächst einen Überblick über die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan. Kapitel drei behandelt dann das Umfeld (strukturelle Faktoren) und Kapitel vier die Umsetzung (Ausgestaltung) des unabhängigen Direktors in der japanischen Corporate Governance. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen gegeben.

C. Hinweise C. Hinweise

Die Zitierweise folgt weitestgehend den Vorgaben der Zeitschrift für Japanisches Recht (ZJapanR) / Journal of Japanese Law (J.Japan.L.).15 Die Übersetzung und Abkürzung japanischer Gesetze und Verordnungen richtet sich, soweit in diesem enthalten, nach dem Verzeichnis des von den Professoren Harald Baum und Moritz Bälz herausgegebenen „Handbuch Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht“.16 Die Transkription japanischer Begriffe folgt den Vorgaben des Rechtswörterbuchs von Bernd Götze als Standardwerk.17

14 Der Begriff des legal transplant geht auf eine Arbeit Alan Watsons aus dem Jahr 1974 zurück, A. WATSON, Transplants. Zur Entwicklung des Gesellschaftsrechts in Japan und bisherigen Transplantaten siehe eingehend Kapitel 2. 15 Die Zitieranleitung ist abrufbar unter . 16 H. BAUM / M. BÄLZ (Hrsg.), Handbuch Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1635 ff. 17 B. GÖTZE: Japanisch-Deutsches Rechtswörterbuch (2. Aufl., Tōkyō 2012), siehe insb. 17 f.; siehe auch DERS., Wortsegmentierungsregeln (nicht nur) für japanische Rechtsbegriffe, ZJapanR 19 (2005) 207–215 (beide nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt).

1. Kapitel

Der unabhängige Direktor als Konzept 1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Die Beantwortung der Frage, wie sich der unabhängige Direktor als legal transplant in die japanische Rechtsordnung einfügt, setzt ein Verständnis der Ursprünge dieses Instruments zwingend voraus.1 Im Folgenden werden daher zunächst das Aufkommen des Boards als Gesellschaftsorgan und die grundlegenden Konflikte in der modernen Aktiengesellschaft nachvollzogen (A.). Im Anschluss werden die Entstehung des unabhängigen Direktors in den USA als Ursprungsland und seine Rezeption im Vereinigten Königreich (UK) näher beleuchtet. Von dort aus verbreitete sich der Ansatz europaweit und hielt auch Einzug in die deutsche Corporate Governance (B.). Die Entwicklung gerade in diesen drei Ländern ist für die japanische Diskussion deshalb spannend, weil das dortige Gesellschaftsrecht lange Zeit wesentlich vom deutschen Recht geprägt wurde, nun aber zunehmend vom US-amerikanischen, aber auch dem Recht aus UK überlagert wird. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zu einem Konzept des vielgestaltigen und in den Diskussionen um Corporate Governance häufig wenig greifbaren Begriffs des independent director zusammengefügt (C.). Sie dienen bei der eingehenden Beschäftigung mit dem unabhängigen Direktor im japanischen Kontext in den folgenden Kapiteln als rechtsvergleichende Hintergrundfolie.

A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt

Die Rechtsform der Aktiengesellschaft, an deren Spitze ein aus Direktoren zusammengesetztes Board steht, ist vergleichsweise jung. 2 Sie hat sich in relativ kurzer Zeit als weltweit dominantes Gesellschaftsmodell durchgesetzt, beinhaltet jedoch Konfliktpotentiale zwischen den an der Gesellschaft beteiligten Parteien, die bis heute die Corporate Governance-Debatte prägen.

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Vgl. H. BAUM, Origins, I.1. H. BAUM, Origins, II.1.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

I. Die Entstehung der Aktiengesellschaft in England, Kontinentaleuropa und den USA Die Ursprünge der modernen Aktiengesellschaft liegen im England der frühen Neuzeit.3 Ihr Vorläufer ist die staatlich nicht regulierte joint stock company. Diese gründete sich, anders als die großen Überseehandelsgesellschaften des 16. und 17. Jahrhunderts,4 nicht auf einen hoheitlichen Akt, sondern allein auf einen Vertrag zwischen den Gesellschaftern und war durch handelbare Gesellschaftsanteile gekennzeichnet.5 Die joint stock company wiese bereits einige typische Eigenschaften heutiger Aktiengesellschaften auf. Die Gesellschaft selbst und nicht mehr deren Mitglieder führten den Handel und die Leitung der Gesellschaft wurde von einem gewählten board of directors übernommen. 6 Die Mitglieder der Gesellschaft erhielten Stimmrechte und waren je nach Kapitalbeteiligung am Gewinn beteiligt. So entwickelten sich die Handelsgesellschaften von einem Zusammenschluss von Händlern hin zu einem Investitionsinstrument für die Allgemeinheit. 7 Allerdings wurde das Board zu Beginn dieser Entwicklung noch in keiner Weise mit einer Überwachungsfunktion in Verbindung gebracht. Vielmehr bestand eine personelle Übereinstimmung zwischen Direktorium und Management. Dieses war zugleich selbst in erheblichem Umfang an der Gesellschaft beteiligt, was zum Interessengleichlauf mit den übrigen Anteilseignern führte.8 Nachdem diese Form der Unternehmung im 17. und 18. Jahrhundert in England weite Verbreitung gefunden hatte, sorgte der Companies Act von 1862 erstmals dafür, dass die Gründung einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und beschränkter Haftung der Anteilseigner gesetzlich 3 Für einen historischen Überblick über die Entstehung siehe J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 130–134; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 1–5 und mit einem Fokus auf den Direktoren der Gesellschaft Y. ZHAO, Directors’ Independence, 9–15. 4 Zu den durch königliche Charta oder Parlamentsakt geschaffenen Überseehandelsgesellschaften siehe J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 130. Bereits diesen quasistaatlichen Gesellschaften standen ein governor sowie ein aus assistants bestehendes gewähltes Leitungsgremium vor. Dieses wies jedoch kaum Gemeinsamkeiten mit den Boards moderner Aktiengesellschaften auf, H. BAUM, Origins, II.1.; zu den Unterschieden siehe auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 11. 5 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 132. Eine Inkorporation durch Hoheitsakt war hingegen selten, da eine solche auf Geschäftstätigkeiten von hoher öffentlicher Bedeutung beschränkt war. Vgl. zur Entstehung der Überseehandelsgesellschaften sowie der joint stock companies auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht 2 f. 6 H. BAUM, Origins, II.2.; vgl. Y. ZHAO, Directors’ Independence, 11. 7 H. BAUM, Origins, II.2. 8 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 12 f.; vgl. H. BAUM, Origins, II.2. Allgemein zu den Vorteilen eines Boards als Entscheidungsgremium gegenüber der Entscheidungsfindung durch ein Individuum siehe S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 70–74; vgl. auch R. C. CLARK, Corporate Law, 110; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 81 f.

A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt

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verankert und unabhängig von einem Hoheitsakt allgemein zugänglich wurde (sog. Prinzip der general incorporation).9 Eine ähnliche Entwicklung dieser neuen Gesellschaftsform fand später in Kontinentaleuropa statt und auch in den früheren europäischen Kolonien spiegelten sich die Entwicklungen in der Regel wider.10 So existierte auch in den USA zunächst ein System der Inkorporation durch Verleihungsakt der Legislative. Vorherrschend waren hier jedoch weder staatlich inkorporierte, noch nicht inkorporierte stock companies, sondern es dominierte bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Partnerschaftsgesellschaft (partnership).11 Beginnend mit North Carolina im Jahr 1795, dort zunächst beschränkt auf Kanalbaugesellschaften, wurde jedoch auch in den Vereinigten Staaten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein System der allgemein zugänglichen Gesellschaftsgründung geschaffen und die moderne Form der Aktiengesellschaft (stock corporation) fand zunehmend Verbreitung. 12 Der Druck der Industrialisierung hatte die allgemeine Zugänglichkeit dieser Unternehmensform erforderlich gemacht.13 Während in England der Wandel zur gesetzlich geregelten Inkorporation erfolgte, um die bereits zahlreichen nicht inkorporierten Gesellschaften zu regulieren, löste die jedermann offenstehende Gesellschaftsform der corporation in den USA aus wirtschaftlicher Notwendigkeit die bis dahin dominierenden partnerships ab. II. Die Trennung des Eigentums von Management und Kontrolle: Konflikte in der Aktiengesellschaft Bereits im Jahr 1776 hatte Adam Smith in seinem Werk zum Reichtum der Nationen die Grundproblematik der Übertragung des Managements an das Board in der joint stock company formuliert: „The directors of such companies, however, being the managers rather of other peoples’ money than their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own.“14

Der Bedarf am Schutz der Investoren war schon kurze Zeit nach Entstehen der neuen Unternehmensform offenbar geworden. In England führten unmoralisches sowie betrügerisches Verhalten Anfang des 18. Jahrhunderts zur 9 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 134. Diesem Gesetz waren der Joint Stock Companies Registration Act von 1844 sowie der Limited Liability Act von 1855 vorausgegangen. 10 H. BAUM, Origins, II.2. 11 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 135; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 6 f. 12 H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 6–8. 13 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 136. 14 A. SMITH, Wealth of Nations, Bd. 2, 741.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

sogenannten South Sea Bubble, einer Spekulationsblase, in deren Mittelpunkt Manipulationen der South Sea Company standen. Einer verstärkten Kontrolle der Gesellschaften durch den daraufhin erlassenen „Bubble Act“ folgten weitere gesetzgeberische Maßnahmen einschließlich des bereits genannten Companies Act, der die allgemein zugängliche, aber regulierte Gesellschaftsgründung einführte.15 Über das 18. und 19. Jahrhundert wurde die neue Form der Kapitalgesellschaft in England aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit und des Konzepts der beschränkten Haftung der Aktionäre für eine steigende Zahl an Bürgern als Investitionsinstrument interessant. Mit dem immer größer werdenden Kreis der Investoren und steigender Unternehmensgröße vergrößerte sich jedoch auch der Abstand zwischen den Aktionären als Eigentümern 16 und dem Board als dem die Gesellschaft führenden Leitungsgremium.17 Der daraus folgende schwindende Einfluss der Aktionäre auf das Management verschärfte die von Smith adressierte und in der Grundstruktur der Aktiengesellschaft angelegte Trennung von Eigentum und Management-Funktion. Auch in den USA erreichte die Größe der Unternehmen auf Grund des technischen Fortschritts neue Dimensionen und ging mit einer Zunahme privaten Investitionseigentums einher.18 Wie zuvor in England war der Bedarf am Schutz der an den Gesellschaften beteiligten Bürger bald deutlich geworden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte durch die Deregulierung der im Wettbewerb zueinander stehenden einzelstaatlichen Gesellschaftsrechte ein Liberalisierungsprozess eingesetzt.19 Dieser Prozess sowie zweifelhafte Unternehmenspraktiken und Unternehmensskandale in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts führten zusammen mit einer wachsenden Kritik in der Wissenschaft zum Eingreifen des Bundesgesetzgebers in das Gesellschaftsrecht zum Schutz der stark gestiegenen Zahl der Anleger. Kapitalmarktrechtliche Maßnahmen wie etwa der Securities Act von 1933 und der Securities Zur South Sea Bubble und der darauffolgenden Gesetzgebung siehe J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 132–134; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 14; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 3–5. 16 Die Frage, ob die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft bezeichnet werden können oder lediglich Eigentümer ihrer Aktien und Inhaber der mit diesen einhergehenden Rechte sind, ist umstritten. Siehe eingehend S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 234–236. Auf diesen Streit wird hier nicht näher eingegangen. Die Bedeutung, welche den einzelnen an der Gesellschaft beteiligten Parteien zugemessen wird, findet jedoch im Rahmen der Untersuchung des Unternehmensverständnisses in der jeweiligen Rechtsordnung Berücksichtigung. Siehe zu Japan insbesondere Kapitel 3 – C. 17 H. BAUM, Origins, II.3.; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 15 f. 18 R. C. CLARK, Corporate Law, 2 f. 19 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 138 f. und 145–150; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 10–17. Zum Streit um die Frage, ob der Wettbewerb der Einzelstaaten zu einem race to the top oder race to the bottom führte, siehe ibid., 17–20. 15

A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt

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Exchange Act von 1934 legten den Direktoren börsennotierter Gesellschaften spezifische Pflichten auf.20 In einer berühmt gewordenen Arbeit aus dem Jahre 1932 gelangten die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler Berle und Means zu der Erkenntnis, dass die zunehmende Größe der Aktiengesellschaften sowie der Zahl der Aktionäre über die funktionale Trennung von Eigentum und Management hinaus auch zu einer fortschreitenden faktischen Trennung von Eigentum und Kontrolle führt (separation of ownership and control). Dies habe zur Folge, dass die Kontrolle über das Unternehmen in den großen Publikumsgesellschaften faktisch beim Management liege. 21 Dessen Eigeninteresse jedoch stünde nicht im Einklang mit den Interessen der Eigentümer, sondern vielmehr häufig in einem klaren Gegensatz.22 Die moderne Aktiengesellschaft bringt demnach Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen an ihr beteiligten Akteuren mit sich, deren Lösung Aufgabe des Gesellschaftsrechts ist. 23 Der von Berle und Means beschriebene Konflikt zwischen den Aktionären auf der einen und dem Management auf der anderen Seite ist charakteristisch für Kapitalgesellschaften, die sich im Streubesitz befinden (sog. Berle-Means-Typ). Derartige Strukturen werden als Outsider-Systeme bezeichnet. Je nach den Rahmenbedingungen und dabei insbesondere der vorherrschenden Aktionärsstruktur werden heute zwei weitere Konstellationen unterschieden. Bei konzentriertem Anteilseigentum, welches bislang in der Regel den kontinentaleuropäischen sowie den meisten asiatischen Rechtsordnungen zugeschrieben wurde, liegt der Konflikt zwischen den Mehrheits- und den Minderheitsaktionären. In diesen sogenannten Insider-Systemen verfügen Großaktionäre über privilegiertes Wissen und üben über das Board entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft aus. 24 Als dritte Konstellation kommt der Konflikt zwischen dem Unternehmen einschließlich der Aktionäre auf der einen und weiteren Stakeholdern wie Kreditgebern, Angestellten oder Kunden auf der anderen Seite in Betracht. Alle drei Konflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass das Wohlergehen einer Partei (Prinzipal) vom Verhalten einer weiteren (Agent) abhängt, wesH. MERKT, Gesellschaftsrecht, 20–24; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 22 f. A. A. BERLE / G. C. MEANS, Modern Corporation, 68: „In the corporate system, the „owner“ of industrial wealth is left with a mere symbol of ownership while the power, the responsibility and the substance which have been an integral part of ownerhip in the past are being transferred to a separate group in whose hands lies control.“ Siehe dazu auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 20 f.; J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 150 f. 22 A. A. BERLE / G. C. MEANS, Modern Corporation, 122. 23 Siehe zum Folgenden prägnant J. ARMOUR / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Agency Problems, 35, 35 f.; vgl. auch K. J. HOPT, Am J Comp L 59 (2011) 1, 5 f.; DERS., Company Law, 1161, 1165 f. 24 Zu der Einteilung in Insider- und Outsider-Systeme siehe etwa K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1166; J. VON HEIN, Rezeption, 881 f. 20 21

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

halb sich der in der Wirtschaftswissenschaft geprägte Begriff des PrinzipalAgenten-Konflikts (agency conflict) etabliert hat. 25 Kern des Problems ist, dass der Agent über Informationen verfügt, welche dem Prinzipal nicht vorliegen (sog. Informationsasymmetrie). Dieser kann folglich nicht ohne Weiteres die Leistung des Agenten überwachen, wodurch Anreize entstehen, eine nicht optimale Leistung zu erbringen oder die Stellung gar zu Lasten des Prinzipals zum eigenen Vorteil auszunutzen.26 Dieser Konflikt bringt zwei Arten von Kosten mit sich:27 die direkten Kosten durch eine nicht optimale Leistung des Agenten aus Sicht des Prinzipals sowie die indirekten Kosten, welche eine Überwachung der Leistung mit sich bringt. Gibt es eine Vielzahl an Prinzipalen, wie zum Beispiel die vielen individuellen Aktionäre bei weit gestreutem Anteilseigentum, werden diese zusätzlich mit den Kosten konfrontiert, die eine Koordination ihrer Interessen und Handlungen zur Disziplinierung des Agenten, in diesem Fall des Managements, mit sich bringt (sog. collective action problem). III. Die Trennung von Board und Management-Funktion: die Funktionslosigkeit des Boards In etwa parallel zur Trennung von Eigentum und Kontrolle vollzog sich in England eine weitere Entwicklung: die Trennung des Boards als Organ von der Management-Funktion. 28 War das Board mit Aufkommen der neuen Gesellschaftsform noch synonym mit dem Management der Gesellschaft gewesen, fand mit zunehmender Größe und Spezialisierung der Unternehmen eine Ausdifferenzierung statt. Unterschieden wurde nunmehr zwischen in Vollzeit arbeitenden geschäftsführenden Direktoren (executive directors) und den ihnen nachgeordneten Management-Ebenen auf der einen sowie nicht geschäftsführenden Direktoren (non-executive directors) auf der anderen Seite. Letztere waren Mitglieder des Boards für „nicht managementbezogene Zwecke“. Nicht mehr das Board als Organ war für die Geschäftsführung zuständig, sondern nur ein Teil seiner Mitglieder. Die übrigen Direktoren verhielten sich weitgehend passiv und ihre Aufgabe blieb unklar. Häufig wurden ihre Positionen mit Adeligen besetzt mit dem alleinigen Ziel, den Investoren ein attraktives Bild von der Gesellschaft zu vermitteln und den Eindruck einer sicheren Anlage zu erwecken. Das Board nickte in aller Regel die Entscheidungen des Managements ab, erfüllte jedoch keine weitergehende Funktion.29

25 Zum dahinterliegenden grundlegenden Konzept der agency siehe J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 118–128; R. C. CLARK, Corporate Law, 114–117. 26 J. ARMOUR / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Agency Problems, 35, 35 f. 27 Siehe dazu J. ARMOUR / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Agency Problems, 35, 36 f. 28 Siehe dazu H. BAUM, Origins, II.3.; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 16 f. 29 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 17–19.

A. Der Ursprung des Board-Modells und der Prinzipal-Agenten-Konflikt

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Auch insoweit fand eine parallele Entwicklung in den USA statt. 30 Dort zeigte sich ein ähnliches Bild funktionsloser Direktoren, welches William O. Douglas in einem einflussreichen Aufsatz von 1934 vor dem Hintergrund der Skandale der 20er und 30er Jahre nachzeichnete.31 Die Boards wurden vom CEO (chief executive officer) als höchstrangigem Manager beherrscht, welcher auch über die Zusammensetzung des Organs bestimmte. Auch hier standen aus dem Unternehmen stammende Insider passiven nicht geschäftsführenden Direktoren gegenüber.32 Anders als in England waren diese Direktoren häufig Filmstars und frühere Generäle. Später traten in beiden Ländern daneben auch Personen, die in das Board „abgeschoben“ wurden sowie Außenstehende mit engen Verbindungen zum Unternehmen. Zu ihnen gehörten Bankvertreter, Anwälte oder Geschäftsführer von Unternehmen, zu denen Geschäftsbeziehungen unterhalten wurden.33 Die faktische Dominanz des Managements insbesondere in den 1950er Jahren prägte den Begriff des managerialism.34 Sie ging Hand in Hand mit einem nicht vorrangig an den Interessen der Aktionäre orientierten Unternehmensverständnis. Als Aufgabe der Unternehmensleitung wurde es vielmehr angesehen, die Gesellschaft im Interesse aller an ihr Beteiligten (sog. Stakeholder) zu führen. Wenn überhaupt kam dem Board als Organ in dieser Konstellation eine Beratungsfunktion zu, nicht jedoch die Funktion der Überwachung des Managements aus Sicht der Aktionäre.35 Die Idee Douglas’, der für ein vom Management unabhängiges Board aus Aktionärsvertretern mit überwachender Funktion plädierte, stieß zu dieser Zeit in Wissenschaft und Praxis auf wenig Resonanz.36 Trotz der gesetzgeberischen Maßnahmen kam es sowohl in England als auch den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu weiteren Unternehmenszusammenbrüchen und Skandalen, welche die Untätigkeit und weitgehende Funktionslosigkeit der Direktoren verdeutlichten. 37 Sie zeigten die beiden grundlegenden Aspekte der – zu dieser Zeit gänzlich fehlenden – H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 12 f. spricht von der Entwicklung von einer dualen Struktur hin zu einer tri-level structure aus Anteilseignern, Board und executive officers. 31 W. O. DOUGLAS, HarvLRev 47 (1934) 1305 ff. Der Aufsatz trägt den bezeichnenden Titel „Directors Who Do Not Direct“. 32 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1511; H. BAUM, Origins, III.1. 33 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 19; siehe auch M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 609. 34 H. BAUM, Origins, III.1.; vgl. H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 12 („managerial capitalism“). 35 H. BAUM, Origins, III.1.; vgl. J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1513 f. 36 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 25 f. 37 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 20–22; zu den USA siehe auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 22 f. Zum Zusammenbruch Penn Central’s sowie zum Watergate-Skandal siehe darüber hinaus J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1515–1517; S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 51 und knapp H. BAUM, Origins, III.2. 30

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Überwachung des Managements auf: die Leistung der Geschäftsführung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Performance) sowie das Einhalten rechtlicher Vorgaben (Compliance).38 Die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung als Teilaspekt des Compliance-Monitoring ist dabei grundlegende Voraussetzung für die Bewertung der Leistung.39

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

Auf die Frage, wie dem Konflikt zwischen Aktionären und Management begegnet werden kann und welche Rolle dem bis dahin funktionslosen Board zukommen soll, war bis in die 70er Jahre noch keine Antwort gefunden worden. Die Lösung aller Probleme sollte dann die Überwachung des Managements durch unabhängige Direktoren (independent directors) bringen. Etwas vereinfacht lässt sich sagen, dass sich die Idee eines mit unabhängigen Direktoren besetzten Boards in den USA ab den 70er Jahren entwickelte und ihren Weg später über das Vereinigte Königreich in das restliche Europa fand, wo das „Monitoring Board“ nun ebenfalls zum Standard guter Corporate Governance gehört.40 I.

Begrifflichkeiten ausgehend vom non-executive director

Eine Beschäftigung mit dem Phänomen independent director setzt ein Verständnis der im Zusammenhang mit diesem Begriff auftauchenden Terminologie zwingend voraus. Allzu häufig werden voneinander abzugrenzende Konzepte in einen Topf geworfen und Begriffe mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt synonym gebraucht.41 Der kleinste gemeinsame Nenner der verschiedenen Bezeichnungen ist der sogenannte nicht geschäftsführende Direktor (non-executive director). Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht dem Management des Unternehmens angehört.42 Das Aufkommen nicht geschäftsführender Direktoren war Folge der Trennung des Boards als Organ von der Management-Funktion. Eine weitergehende Anforderung erfüllen externe Direktoren (outside directors), welche darüber hinaus unternehmensextern, also nicht beim Unternehmen angestellt sind.43 Dazu gehörte etwa ein Großteil der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in England und den USA zu Repräsentationszwecken oder aufgrund Verbundenheit mit dem Unternehmen ernannten nicht Vgl. J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1515–1517. Vgl. J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1508 f. 40 H. BAUM, Origins, I.2. 41 Ebenfalls kritisch D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 78; H. BAUM, Origins, I.3.; vgl. auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 140. 42 H. BAUM, Origins, I.3.; vgl. D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 78 f., der den bedeutungsgleichen Begriff non-management director präferiert, ibid., 79 Fn. 29. 38 39

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

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geschäftsführenden Direktoren. Wie dieses Beispiel zeigt ist „extern“ keinesfalls gleichzusetzen mit „unabhängig“. Beispielsweise sind Vertreter von Großaktionären oder geschäftsführende Direktoren anderer, durch Geschäftsbeziehungen eng mit dem betreffenden Unternehmen verbundener Unternehmen zwar bei diesem nicht angestellt, jedoch keinesfalls von ihm oder dessen Management wirtschaftlich unabhängig.44 Die Erfüllung zusätzlicher Anforderungen zeichnet den unabhängigen Direktor (independent director) aus. In Abhängigkeit von den bestehenden Konflikten können diese sich darin unterscheiden, wem gegenüber die Unabhängigkeit bestehen und welche Qualität die Unabhängigkeit haben muss. Es lassen sich dabei grob zwei Aspekte der Unabhängigkeit unterscheiden: finanzielle Beziehungen sowie persönliche Beziehungen in Form familiärer oder sonstiger sozialer Verbindungen.45 II. Die USA als Herkunftsland des Unabhängigkeitsparadigmas Die USA und später England gelten als Ursprung der sowohl rechtswissenschaftlich als auch ökonomisch geführten Corporate Governance-Debatte. 46 Nachdem Berle und Means mit ihrem Werk den Anstoß zur Diskussion um Leitung und Kontrolle in der Publikumsgesellschaft gesetzt hatten, waren es auch die USA, in denen sich als Antwort auf die aufgeworfenen Fragen das mit unabhängigen Direktoren besetzte Monitoring Board entwickelte. 1. Die Abkehr vom Management-Modell und das Monitoring-Modell Die Skandale ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben nicht ohne Folgen, sondern fanden Einzug in die politische Debatte. Die Unternehmensform der Aktiengesellschaft wurde für zahlreiche soziale Zerwürfnisse verantwortlich gemacht. Im Zentrum der Kritik der Bewegung für corporate 43 H. BAUM, Origins, I.3.; D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 99. Dennoch werden die Begriffe non-executive bzw. non-management und outside häufig synonym gebraucht, ibid., 99 Fn. 109. 44 H. BAUM, Origins, I.3. und III.1.; R. C. CLARK, Corporate Law, 107 spricht daher zurecht für die Zeit bis etwa zu Beginn der 80er Jahre auch nicht von einer Mehrheit unabhängiger, sondern lediglich externer Direktoren. Dennoch werden auch diese Begriffe häufig zu Unrecht synonym gebraucht, D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 99. So scheinen etwa Miwa und Ramseyer die Begriffe outside und independent nicht klar zu trennen, wenn sie mit Daten zu externen Direktoren in Japan zur Funktion unabhängiger Direktoren argumentieren, Y. MIWA / J. M. RAMSEYER, JEMS 14 (2005) 299 ff. 45 Gespräch des Verfassers mit Prof. Hideki Kanda an der Universität Tōkyō am 2.7.2015; vgl. auch L. ENRIQUES / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Governance Structure, 89, 95. Zum Unabhängigkeitsbegriff siehe noch im Kontext der jeweiligen Rechtsordnung sowie zusammenfassend unter C. II. 46 K. J. HOPT, Am J Comp L 59 (2011) 1, 3 f.; GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 19.

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social responsibility standen das Fehlverhalten eines unkontrollierten Managements sowie das funktionslose Board.47 Zwar verebbten die radikalen Formen der kritischen Bewegung bis in die 80er Jahre aufgrund des Widerstands der Unternehmen und fehlender Übereinstimmung in der Politik.48 Der Bedarf an einer Neuorientierung war jedoch offenbar geworden und mit seinem Werk „The Strucuture of the Corporation“49 hatte Melvin Eisenberg 1976 den Grundstein für eine Neukonzeption der Rolle des Boards und der Direktoren gelegt.50 Nach dem Konzept Eisenbergs muss die zentrale Aufgabe des Boards die Überwachung (Monitoring) des Managements im Interesse der Allgemeinheit der weit gestreuten Aktionäre sein, die für die Beteiligungsstrukturen in den USA zu dieser Zeit kennzeichnend waren. Eine effektive Überwachung erfordere zudem, dass die Direktoren über die erforderlichen Informationen verfügen und unabhängig vom zu überwachenden Management sind.51 Auch dem Unabhängigkeitsansatz liegt folglich ein Interessenkonflikt zugrunde: Überwachung setzt voraus, dass der Überwachende seine Aufgabe unabhängig vom zu Überwachenden erfüllen kann.52 Mit diesen Erkenntnissen formulierte Eisenberg als erster ein klares Konzept des auf unabhängigen Direktoren basierenden Monitoring Boards bzw. Monitoring-Modells.53 2. Durchsetzung des unabhängigen Monitoring Boards Das zumindest teilweise unabhängig besetzte Monitoring Board im Sinne Eisenbergs setzte sich bis zum Ende der 70er Jahre als dominantes Konzept S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 51–53; H. BAUM, Origins, III.2.; vgl. L. E. MITCHELL, Boards, 17, 30 f. Zum corporate social responsibility movement siehe auch J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1517 f. Zentrale Figur der Bewegung war der Verbraucherrechts-Aktivist Ralph Nader. Zu dessen Vorstellungen von einer Reform siehe R. NADER / M. J. GREEN / J. SELIGMAN, Corporation. 48 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 27 f.; vgl. S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 52 f.; H. BAUM, Origins, III.2. 49 M. A. EISENBERG, The Structure of the Corporation. 50 H. BAUM, Origins, III.2.; S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 53. 51 M. A. EISENBERG, The Structure of the Corporation, 162–170. 52 W.-G. RINGE, Independent Directors, 8; vgl. Y. ZHAO, Directors’ Independence, 26. 53 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 31 f. Teilweise wird Eisenberg auch die Entwicklung des Modells zugeschrieben, ibid., 32 Fn. 63. Der Gedanke, dass die Direktoren unabhängiger vom Management werden müssen, war allerdings in der Diskussion bereits weit verbreitet. In etwa zur selben Zeit machte der ehemalige Richter am Supreme Court Arthur J. Goldberg die Idee eines Boards aus overseers bestehend ausschließlich aus zumindest externen Direktoren populär, J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 7. Eisenberg war jedoch der erste, der ein zusammenhängendes Konzept vorstellte und den Aspekt der Unabhängigkeit mit der Überwachung als seiner Ansicht nach einzig sinnvoller verbleibender Funktion des Boards in Verbindung setzte, ibid., 9 f. Erste Ansätze eines überwachenden Boards finden sich bereits in der Rechtsprechung des Delaware Chancery Courts 1922, L. E. MITCHELL, Boards, 17, 45. 47

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durch. 54 Es vollzog sich eine Abkehr vom Bild des mit dem Management betrauten Boards, welches als Organ neben den geschäftsführenden Direktoren in der Praxis wenn überhaupt eine beratende Rolle gespielt hatte.55 Der Wandel eines vom Management dominierten, aus Insidern bestehenden Organs hin zu einem zunehmend unabhängigen Gremium aus Outsidern wird als „most significant corporate development in the last quarter century“ 56 oder „nothing less than a revolution in governance“57 bezeichnet. Forderungen der SEC führten dazu, dass die New Yorker Börse (New York Stock Exchange; NYSE) 1977 ihre Zulassungsregeln dahingehend änderte, dass Boards einen unabhängig besetzten Prüfungsausschuss (audit committee) bilden mussten. Die Reformen verhinderten allerdings nicht, dass die Bestimmung der Zusammensetzung und Funktionsweise des Boards weiterhin in der Hand des Managements lag.58 Die Funktionen, welche das Board in der Praxis übernahm, blieben denn auch deutlich hinter den formalen rechtlichen Möglichkeiten zurück.59 Noch 1986 stellte Robert Charles Clark fest, dass sich eine effektive Überwachung aufgrund der Kontrolle der Wahl externer Mitglieder durch das Management sowie der sozialen Verflechtungen unter diesen beiden Gruppen nicht leicht werde durchsetzen lassen.60 Auf den Unterschied zwischen der Einsetzung externer oder unabhängiger Direktoren als solcher und einer wirksamen Umsetzung des Instruments der Unabhängigkeit wird auch im Rahmen der Analyse der Ausgestaltung des unabhängigen Direktors in Japan zurückzukommen sein.61 Mit der Wahl Reagans zum Präsidenten hatte die Reformbewegung aufgrund der veränderten politischen Situation zu Beginn der 80er Jahre zudem einen Dämpfer erhalten. Der Aufschrei nach der Krise der 70er hatte sich gelegt und der Widerstand aus den Reihen der Wirtschaft – unterstützt durch Vertreter des Law and Economics-Ansatzes – wuchs. Dies hatte zur Folge, dass 1994 die vom American Law Institute unter der Leitung Eisenbergs veröffentlichten Corporate Governance Principles nach über zehn Jahren Beratung gegenüber L. E. MITCHELL, Boards, 17, 46. Insbesondere die drei einflussreichen Gruppen in der Diskussion, die American Bar Association, das Conference Board und der Business Roundtable, akzeptierten letztlich alle das neue Modell. Zur politischen Diskussion des Vorschlags von Eisenberg siehe eingehend ibid., 34–53. 55 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 6 sprechen vom „‘super management’ body“, J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1510 hingegen von der Abkehr vom „‘advising’ board“. 56 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 157; ähnlich J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1472 f. 57 G. V. VARALLO / D. A. DREISBACH / B. ROHRBACHER, Fundamentals, xi. 58 H. BAUM, Origins, III.2.; J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1510; vgl. R. C. CLARK, Corporate Law, 108. 59 R. C. CLARK, Corporate Law, 106 f. 60 R. C. CLARK, Corporate Law, 109. 61 Siehe etwa unten Kapitel 4 – E. zu Beginn. 54

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der ursprünglichen Fassung abgeschwächt wurden. Beispielsweise wurde die verpflichtende Einsetzung eines Nominierungsausschusses (nomination committee) mit dem Ziel, dem Management die Macht über die Besetzung des Boards zu entreißen, zu einer Empfehlung abgeschwächt.62 Dafür, dass dem Monitoring-Modell und den Principles letztlich dennoch eine große Bedeutung zukam und das Modell des unabhängigen Monitoring Boards auch vom Management akzeptiert wurde,63 sind vor allem zwei Entwicklungen entscheidend: zum einen der Wandel eines vom Ausgleich der Interessen der verschiedenen Stakeholer dominierten Unternehmensverständnisses hin zur Maximierung des Aktionärsvermögens (shareholder value) als Unternehmensziel und zum anderen der gestiegene Informationsgehalt der Aktienpreise auf dem Kapitalmarkt.64 a) Der Wandel vom Stakeholder- zum shareholder value-Ansatz Corporate Governance-Systeme lassen sich zum einen danach unterteilen, welcher Akteur im Wesentlichen die Entscheidungen für die Gesellschaft trifft, sowie danach, welches Ziel mit diesen Entscheidungen verfolgt wird.65 Ging der managerialism insbesondere der 50er Jahre noch mit einer Stakeholder-Orientierung einher, diente ab den 80er Jahren zunehmend der shareholder value als Gradmesser für den Erfolg eines Unternehmens. Die Übernahmebewegung dieser auch als „Deal Decade“ bezeichneten Zeit, begleitet durch eine Zunahme institutioneller Investoren, beschleunigte die Entwicklung. Sie wurde als Korrektiv für das ineffektive Management der 70er Jahre und als Ausweg aus der wirtschaftlichen Stagnation gesehen.66 In Anbetracht des großen Drucks feindlicher Übernahmen mit dem Ziel der Performance-Steigerung aus Sicht der Aktionäre bot das Monitoring Board dem Management einen Ausweg. Eine in der Theorie unabhängige Beurteilung sollte die Aktionäre von der Abwehr des Angebots mit der Begründung überzeugen, dass dieses den Wert des Unternehmens zu niedrig ansetze. Die Rechtsprechung des Delaware Supreme Courts lieferte den H. BAUM, Origins, III.2.; eingehend S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 53– 57 und zu den Einzelheiten der politischen Diskussion und Kritik L. E. MITCHELL, Boards, 17, 46–53; vgl. auch J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 1, 158 f. und knapp zu den Principles H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 162 f. 63 H. BAUM, Origins, III.2. 64 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1469 f. 65 S. M. BAINBRIDGE, Director Primacy, 2–5, insb. 5, der von den „means“ und „ends“ der Corporate Governance spricht. 66 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1469 und 1520–1522. Zur Zunahme institutioneller Investoren siehe auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 72 f. Zur Rolle der institutionellen Investoren im Übernahmemarkt sowie der zunehmenden Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Boards ab den 80er Jahren eingehend R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 867–876. 62

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rechtlichen Unterbau für diese Lösung: solange unabhängige Direktoren eine Entscheidung auf hinreichender Informationsgrundlage getroffen hatten, konnte das Board dem Übernahmeversuch eine einfache Absage erteilen.67 War die Funktion unabhängiger Direktoren bis zur Rechtsprechung der Gerichte Delawares noch diffus geblieben, kamen ihnen mit dieser Entwicklung konkrete Aufgaben zu. Ihre Entscheidungen schützten vor einer inhaltlichen Prüfung durch die Gerichte. 68 Ihre Einsetzung war der „price of the power to ‘just say no’ to a hostile bidder“ und sicherte dem Management einen gewissen Spielraum gegenüber dem Druck der Märkte.69 Für die Beurteilung des Gerichts kam es nur auf den Prozess der Entscheidungsfindung des Boards, nicht jedoch auf den Inhalt der Entscheidung an. Die Unabhängigkeit wurde nicht abstrakt ex ante bestimmt, sondern entscheidend war die Unabhängigkeit einer Mehrheit der Direktoren im konkreten Einzelfall. 70 Dieses Konzept einer mehrheitlich unabhängigen Entscheidung mit vor Haftung schützender Wirkung findet sich heute für verschiedene Arten von Transaktionen mit Interessenkonflikten (conflict of interest transactions) im Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten. Regelungen zur Unabhängigkeit von Direktoren finden sich demnach, angestoßen von der Rechtsprechung, auch auf einzelstaatlicher Ebene. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Bedeutung von den selbstregulatorischen, börslichen und später auch gesetzlichen Vorgaben zur unabhängigen Besetzung der Boards auf Bundesebene. 71 Der Ansatz einer Genehmigung von conflict of interest transactions durch unabhängige Direktoren ist jüngst auch in Japan aufgegriffen worden. Eine im Jahr 2014 eingeführte neue Organisationsverfassung für Aktiengesellschaften ermöglicht es einem mehrheitlich unabhängig besetzten Ausschuss des Boards, bestimmte Geschäfte mit haftungserleichternder Wirkung zu genehmigen.72 Die Rechtsprechung Delawares verknüpfte zwar einerseits den Gedanken des shareholder value mit einer unabhängigen Besetzung des Boards. Faktisch jedoch diente dieses aufgrund des nach wie vor großen Einflusses des 67 J.  N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1522 f. und zur Rechtsprechung und den entscheidenden Fällen im Einzelnen 1523–1526; siehe auch M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 612–615; L. A. CUNNINGHAM , Board Expertise, 62, 65 f. 68 L. A. CUNNINGHAM, Board Expertise, 62, 66. 69 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1526. 70 H. BAUM, Origins, III.3.; L. E. MITCHELL, Boards, 17, 55; vgl. auch D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 104–106. 71 Zu diesen siehe sogleich c) und 3. Donald C. Clarke unterscheidet kategorisch zwischen dem disinterested director nach bundesstaatlichem Recht in Abgrenzung zum independent director, D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 102–108; vgl. auch S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 79 f.; R. C. CLARK, Corporate Law, 138. Auch Unabhängigkeit und fehlender Interessenkonflikt im Einzelfall sind folglich nicht gleichzusetzen, G. V. VARALLO / D. A. DREISBACH / B. ROHRBACHER, Fundamentals, 16. 72 Siehe dazu unten Kapitel 4 – E. IV.3.b).

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Managements auf die Besetzung eher als „Gegenmittel“ bei feindlichen Übernahmeversuchen und stand in einem gewissen Gegensatz zur Durchsetzung der Aktionärsinteressen. An dieser Stelle rückte die von Eisenberg ursprünglich intendierte Funktion eines unabhängigen Boards über die 90er Jahre in den Mittelpunkt: eine unabhängige Überwachung der Leistung des Managements unter Nutzung der Signale des Aktienmarktes mit Fokus auf Wahl und Vergütung der Direktoren.73 b) Kennzahlen des Marktes als Gradmesser Voraussetzung für die Wahrnehmung der Überwachungsfunktion und damit zweite für die Durchsetzung unabhängig besetzter Boards entscheidende Entwicklung war die zunehmende Bedeutung des Kapitalmarkts und der Anstieg des Informationsgehalts seiner Kennzahlen. Dieser reduzierte das Informationsgefälle zwischen Insidern und Outsidern des jeweiligen Unternehmens und rückte unabhängige Direktoren in eine bessere Position, die Entscheidungen des Managements zu bewerten.74 Die Etablierung unabhängiger Boards war in den USA folglich eng verknüpft mit der zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte. Je entwickelter und informativer der Kapitalmarkt ist, desto einfacher ist die Kontrolle für die unabhängigen Direktoren und desto funktionaler ist ihr Einsatz.75 Fundament für die zunehmende Aussagekraft der Kennzahlen der Märkte waren auf der einen Seite die gestiegenen Anforderungen der SEC an die Offenlegung von Informationen durch die Unternehmen.76 Informationsmärkte bilden die Grundlage funktionierender Kapitalmärkte, da ihre Kennzahlen auf den verfügbaren Informationen basieren. Je höher die Transparenz, desto effizienter ist tendenziell der Markt.77 Auf der anderen Seite stieg mit dem Fortschreiten der Informationstechnologie sowie der Zunahme an Analysten und institutionellen Investoren mit hinreichender Größe und Mitteln für Marktanalysen auch die Kompetenz auf Anlegerseite zur Interpretation der Kennzahlen.78 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1526 und 1530 und im Einzelnen 1526– 1535. Zur deutlichen Kritik Lawrence E. Mitchells, demzufolge das unabhängige Board allein dem Zweck der Abschirmung des Managements vor Haftung dient, während der Überwachung keine Bedeutung zukommt, siehe unten 4.c). 74 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1541 und zu den empirischen Belegen für den gestiegenen Informationsgehalt 1543–1547. Kritisch allerdings S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 99 f., der eine alleinige Fokussierung auf Output-basierte Werte bemängelt, welche (vorübergehende) Umstände, die nicht in der Verantwortung des Management liegen, unberücksichtigt lassen. 75 W.-G. RINGE, Independent Directors, 10. 76 Dazu eingehend J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1548–1561. 77 MüKo AktG (2008)–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 59. 78 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1561–1563. 73

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Ein effizienter Kapitalmarkt begünstigt jedoch nicht nur die Überwachung durch ein unabhängiges Board, sondern stellt selbst einen eigenständigen disziplinierenden Mechanismus dar. Das Management ist eingebunden in ein Netz aus Überwachungsinstrumenten, zu denen neben dem Monitoring Board und weiteren internen Instrumenten wie Stimmrechten der Aktionäre79 auch externe Marktmechanismen wie die über Aktionärsklagen durchgesetzte Haftung des Managements, der Kapitalmarkt, der bereits angesprochene Markt für Unternehmenskontrolle, Produktmärkte oder der Arbeitsmarkt gehören.80 Diesen externen Marktkräften kommt in der US-amerikanischen Corporate Governance eine vergleichsweise große Bedeutung zu. 81 Insbesondere der Übernahmemarkt als Überwachungs-Instrument ist für die typischen Gesellschaften des Berle-Means-Typ, bei denen es keinen dominierenden Aktionär gibt, von besonderer Bedeutung.82 c) Unabhängige Direktoren als Treuhänder der Aktionäre Infolge der Durchsetzung des shareholder value-Ansatzes und der Zunahme der Bedeutung des Kapitalmarktes verbreitete sich das Bild des unabhängigen Direktors als Treuhänder der Aktionäre. Unabhängige Direktoren stellen ein mögliches Mittel zur Eindämmung der aus der Trennung von Eigentum und Management folgenden agency costs dar (sog. trusteeship strategy). 83 Das unabhängige Monitoring Board in den USA ist demnach eng verwoben mit der Ausrichtung des Unternehmenszwecks am Aktionärsinteresse.84 79 Zu internen Instrumenten neben dem Board siehe R. ROMANO, Foundations, 217 und 246 ff. (Kapitel 5–7); A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1062–1074. 80 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 49; vgl. J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 3. Zu den externen Mechanismen siehe A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1075–1085; R. ROMANO, Foundations, 488 ff. (Kapitel 8). 81 R. ROMANO, Foundations, 219; siehe auch J. VON HEIN, Rezeption, 881–883 zur Bedeutung des Kapitalmarkts in Abhängigkeit von der Corporate Governance als Insiderbzw. Outsider-System. 82 Vgl. A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1081. 83 Für eine Systematik der verfügbaren rechtlichen Ansätze zur Lösung des vorherrschenden agency conflicts siehe J. ARMOUR / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Agency Problems, 35, 37–45 und zum unabhängigen Direktor als Kern einer trusteeship strategy zum Schutz der Aktionäre 64; vgl. auch R. J. GILSON / R. KRAAKMAN , Stan L Rev 43 (1991) 863, 873 (unabhängige Direktoren als „Surrogate“ der Anleger); W.-G. RINGE, Independent Directors, 9. 84 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1526 f.; vgl. auch R. S. KARMEL, Model, 4 f. und 15; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 332. Auch die corporate social responsibility-Bewegung hatte auf unabhängige Direktoren gesetzt. Anders als nach dem sich bis in die 90er Jahre durchsetzenden Verständnis sollten die Direktoren jedoch die Interessen der Stakeholder zu einem Ausgleich bringen und nicht als Vertreter der Aktionäre nach einer Maximierung deren Gewinns streben, J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1517 f.; siehe auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 26 f.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Bis in die 90er Jahre waren die Rufe nach radikalen Reformen verhallt und es dominierte nunmehr ein vor allem über die Corporate Governance Principles verfolgter Selbstregulierungsansatz.85 Bereits zwischen den 60er und 80er Jahren hatte sich ein bedeutender Wandel in der Zusammensetzung der Boards hin zu mehr externen und auch unabhängigen Direktoren vollzogen.86 Im Jahr 1997 konnte Melvin Eisenberg schließlich feststellen, dass sich die Kernelemente des von ihm propagierten Modells einschließlich eines mehrheitlich unabhängig besetzten Boards mit Prüfungs-, Vergütungs- und Nominierungsausschuss bereits weitgehend etabliert hatten. Es sei daher an der Zeit, so Eisenberg damals, sich näher mit der Funktion des Monitoring Boards auseinanderzusetzen.87 Nach gängiger Lesart soll diese neben der Bestimmung der Unternehmenspolitik in der Überwachung des Managements und dabei insbesondere der Ernennung und Abberufung des CEO und des unterhalb des Board angesiedelten Managements bestehen.88 Eine Management-Funktion, aber auch die Unterhaltung von Verbindungen zu Akteuren außerhalb des Unternehmens (Netzwerkfunktion) tritt daneben zurück.89 Insbesondere die unabhängigen Direktoren sollen sowohl rechtmäßiges Handeln und eine ordnungsgemäße Rechnungslegung sicherstellen (Compliance), als auch dafür sorgen, dass das Management seine Entscheidungen effizient und effektiv trifft (Performance).90 Den Statuten der meisten Bundesstaten zufolge erfolgt die Geschäftsführung „durch oder unter Aufsicht“ des Boards. In der Praxis wird das Alltagsgeschäft regelmäßig auf die leitenden Angestellten (officers) übertragen und das Board mit seinen drei Ausschüssen konzentriert sich auf die Überwachung.91 3. Das 21. Jahrhundert: Abkehr von der reinen Selbstregulierung Untersuchungen am Übergang zum neuen Jahrtausend ergaben, dass sich die Boards der Gesellschaften zu aktiven und unabhängigen Kontrolleuren der Y. ZHAO, Directors’ Independence, 28 f. J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 10; zur Entwicklung der Zusammensetzung der Boards unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit siehe auch J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1473–1476 und dabei insbesondere die Diagramme auf den Seiten 1474 und 1475. 87 M. A. EISENBERG, Cardozo L Rev 19 (1997) 237, 239. R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 873 sprechen 1991 von „conventional wisdom“ hinsichtlich der Lösung des agency conflicts durch ein unabhängig besetztes Monitoring Board. 88 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 2; vgl. G. V. VARALLO / D. A. DREISBACH / B. ROHRBACHER, Fundamentals, 2 sowie H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 327 f. 89 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 44 f. 90 M. L. FAIRFAX, Iowa L Rev 96 (2010) 127, 138, die sich in ihrem Aufsatz allerdings kritisch zum andauernden Trend in Richtung mehr Unabhängigkeit äußert. 91 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 41, 44 und 99–101. Zu den officers siehe etwa H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 349–355. 85 86

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Geschäftsführung entwickelten. 92 Neue Bilanzskandale, allen voran um die Unternehmen Enron (2001) und WorldCom (2002) brachten das Bild vom unabhängigen Direktor als Allheilmittel jedoch zu Fall. Auch wenn anderen Akteuren wie den Rechnungsprüfern die Hauptschuld an den finanziellen Unregelmäßigkeiten zuzuschreiben sein dürfte, warfen die Entwicklungen kein gutes Licht auf die in dieser Form in den 90er Jahren etablierten Boards.93 Drastisch lässt sich formulieren, dass sie von den Vorgängen im Unternehmen genauso wenig Ahnung oder diese jedenfalls nicht unter Kontrolle zu haben schienen wie die funktionslosen Boards der 60er Jahre.94 Das bestehende System bot erhebliche Anreize für das Management, die Aktienpreise als Gradmesser für die Performance künstlich zu erhöhen, insbesondere diese über die Finanzberichterstattung zu manipulieren. Diesen Praktiken stand keine hinreichend effektive Kontrolle durch – oft als solche deklarierte, jedoch faktisch nicht hinreichend von der Geschäftsführung unabhängige – Direktoren gegenüber. 95 Das Board von Enron beispielsweise war mit einer Mehrheit nach damaligen Standards unabhängiger Direktoren besetzt. Diese unterhielten jedoch finanzielle Beziehungen zum CEO und der Gesellschaft und konnten die eklatanten Unregelmäßigkeiten nicht verhindern.96 Die genannten Skandale sowie in der Folge viele kleine weitere versetzten dem Ansatz der Selbstregulierung einen Schlag und führten zu einem Wiedererstarken der Argumente für verbindliche gesetzliche Regelungen. Nachdem die massiven Bilanzfälschungen bei Enron an die Öffentlichkeit gelangt waren, präsentierten zunächst die Börsen überarbeitete Börsenzulassungsregeln (listing rules) 97 mit schärferen Unabhängigkeitsstandards. Die Wirt92 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 50; vgl. auch M. J. ROE, Path Dependence, 165, 177 f. 93 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1538 f. Zum Versagen der „Gatekeeper“ siehe eingehend J. C. COFFEE JR., Gatekeeper Failure, 599 ff. Coffee ist der Auffassung, dass die finanziellen Unregelmäßigkeiten nicht mit einem Versagen der Boards begründet werden können, da diese unabhängiger und mächtiger geworden seien, ibid., 600. Vielmehr macht er das Versagen der Gatekeepr beim Schutz der Anleger als Hauptgrund aus, ibid., 601 ff.  94 H. BAUM, Origins, III.4.; siehe auch J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1535 f.; vgl. W.-G. RINGE, Independent Directors, 1 f. Anschaulich und mit Betonung darauf, dass sich mit Blick auf vergangene Reformen die Geschichte zu wiederholen scheint G. M. BROWN, Changing Models, 143 ff. 95 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1535 f., im Einzelnen 1536–1540. Zu den Anreizen zur künstlichen Gewinnerhöhung aufgrund der vorherrschenden Vergütungsstruktur siehe auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 31 f. 96 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 39. 97 Zur Bedeutung der Börsenzulassungsregeln als Ergänzung der in Detailfragen eher vagen Statute der Bundesstaaten siehe S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 81 und zu den Regelungen der NYSE vor dem SOX sowie dessen Anforderungen an die Unabhängigkeit 82 f.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

schaft war bemüht, ein gesetzgeberisches Einschreiten und schärfere Regelungen zu verhindern, indem etwa der Business Roundtable eigene „Principles of Corporate Governance“ als Leitfaden für die Unternehmen veröffentlichte. In der Folge machte jedoch der Skandal um das Unternehmen WorldCom alle Versuche, an nicht zwingenden Vorgaben festzuhalten, zunichte und es kam zum Eingreifen des Bundesgesetzgebers in Form des Sarbanes Oxley Act (SOX).98 Grundsätzlich ist das Gesellschaftsrecht Sache der Bundesstaaten.99 Während das einzelstaatliche Recht die grundlegenden Standards setzt, nehmen die Bestimmungen der Börsen und Konventionen wie die Corporate Governance Principles eine entscheidende Rolle bei deren Ergänzung und Konkretisierung ein. 100 Mit der Regelung gesellschaftsrechtlicher Fragen auf Bundesebene verschwimmen jedoch zunehmend die Grenzen zwischen dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten und dem insbesondere auch die Offenlegungspflichten der Unternehmen bestimmenden Kapitalmarktrecht des Bundes.101 Der SOX ergänzte den Securities Exchange Act und hatte insbesondere die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Finanzberichterstattung zum Gegenstand. Er unterwarf Wirtschaftsprüfer strengeren Regelungen und sah zudem Regelungen der Corporate Governance vor, welche bislang den für das Gesellschaftsrecht zuständigen Gliedstaaten vorbehalten waren. 102 Insbesondere wurde auch die Rolle der unabhängigen Direktoren gestärkt. Die auf die Unternehmenszusammenbrüche folgenden Reformen gingen damit in Richtung eines more of the same als Lösung für die offensichtlich gewordenen Mängel.103 Im SOX spiegelt sich das Monitoring-Modell wider. Er forderte von börsennotierten Unternehmen eine Mehrheit unabhängiger Direktoren im Board sowie ein vollständig unabhängig besetztes audit committee und beinhaltete Regelungen zur Verbesserung des Informationsflusses.104 98 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 38–41; siehe auch N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1539, der betont, dass die Wirtschaft gerade eine Stärkung der Rolle unabhängiger Direktoren propagierte. Der Fokus auf unabhängige Direktoren auch nach der Jahrtausendwende sei damit nicht zuletzt ein Beiprodukt des gescheiterten Versuchs, sich gegen gesetzliche Regelungen zu wehren. Ausführlich und kritisch zum politischen Hintergrund des SOX siehe G. M. BROWN, Changing Models, 143 ff. 99 H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 139. Zur zunehmenden Vereinheitlichung über den Uniform Business Corporation Act und den Model Business Corporation Act, welcher 1984 reformiert wurde, siehe ibid., 159–162 und zur Wählbarkeit des Inkorporationsstatuts und der führenden Rolle Delawares 152 f. 100 J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 25. 101 Zur Bestimmung der Offenlegungspflichten siehe A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1050 und 1053. Zum Verschwimmen der Regelungsebenen vgl. J. ZHAO, Mich St J Int’l L 18 (2010) 495, 497 f.; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 167 f. 102 H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 32; vgl. J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1536; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 40 f. 103 H. BAUM, Origins, III.4.; J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1539 f.

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

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Die Zulassungsregelungen der NYSE, die von der SEC zur Umsetzung der Vorgaben verpflichtet worden war, sahen darüber hinaus unabhängig besetzte Nominierungsausschüsse (nomination committees) sowie Vergütungsausschüsse (compensation committees) vor. 105 Die Unabhängigkeit muss vom Board ausdrücklich festgestellt werden und ist definiert als das Fehlen einer wesentlichen Beziehung (material relationship) zwischen Direktor und Gesellschaft. Diese Definition wird ergänzt durch eine Liste an Negativkriterien, welche die Unabhängigkeit ausschließen.106 Mit dem Dodd-Frank Act reagierte man im Jahr 2010 schließlich auf die Finanzkrise des Jahres 2008. Er richtete sich jedoch nicht nur an Finanzinstitute, sondern enthielt unter anderem Regelungen zur Trennung der Position von CEO und Vorsitzendem des Boards (Chairman). 107 Diese Regelungen stellen die jüngsten Ausformungen der in den 70ern begonnenen Entwicklung von Maßnahmen dar, welche die Unabhängigkeit der Boards erhöhen und ihnen die Erfüllung einer Überwachungsfunktion ermöglichen sollen. Zu ihnen gehören neben den Anforderungen an die Unabhängigkeit der Direktoren als solcher auch die Regulierung von Anreizen in Form von Haftung und Vergütungsmodellen sowie die Einflussnahme auf die Zusammensetzung, Struktur und Arbeitsweise der Boards.108 4. „More of the same“ oder „too much of the same“? Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Unternehmen die Anforderungen bei Inkrafttreten der neuen Regelungen bereits erfüllte und später sogar ohne

104 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 59 f.; H. BAUM, Origins, III.4. spricht von einer Kodifikation („[…] monitoring model, which was thus in effect codified“). Zu den einzelnen Regelungen betreffend die Corporate Governance siehe auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 33 f. 105 Zu den Zulassungsregeln der NYSE und NASDAQ nach dem SOX siehe J. D. COX /  T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 25 f. und im Einzelnen 26–41; siehe auch M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 37–40; F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 737– 742. Zur Natur und Bedeutung der Zulassungsregeln, insbesondere derjenigen der NYSE, siehe H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 173 f. 106 Eingehend zur Definition nach Erlass des SOX D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 86–91. Zur Definition der Unabhängigkeit nach den Zulassungsregeln der NYSE und NASDAQ siehe auch J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 26–29 und zur Unabhängigkeit in den einzelnen Ausschüssen 29–33; siehe ebenfalls M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 38–40; S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 83–86. 107 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 60 f.; vgl. H. BAUM, Origins, III.4. Kritisch zu einer verpflichtenden Trennung der Positionen von CEO und Chairman S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 104–107. Zu den einzelnen Regelungen betreffend die Corporate Governance siehe auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 37–39. 108 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1477 und eingehend zu den einzelnen Mechanismen 1477–1500.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Zwang über diese hinausging.109 So lag unter den 500 größten börsennotierten Gesellschaften die Zahl der sogenannten super-majority independent boards, bei denen lediglich der CEO keinen Unabhängigkeitsanforderungen genügt, im Jahr 2005 bereits bei 39 %, im Jahr 2010 bei 53 % und im Jahr 2015 gar bei 61 %. Insgesamt entsprachen im Jahr 2005 89 % der Direktoren den rechtlichen Unabhängigkeitsanforderungen und in den Jahren 2010 und 2015 je 84 %.110 Doch während das unabhängige Board bislang weithin als gegebener Standard angesehen wurde,111 regt sich in jüngerer Zeit zunehmend Kritik. Zum Teil werden zwar positive Auswirkungen der jüngeren Gesetzgebung durchaus anerkannt,112 insgesamt fällt das Urteil jedoch bestenfalls durchwachsen aus. Im Nachgang des SOX wurde klar, dass die Regelungen enorme ComplianceKosten für die Unternehmen mit sich brachten.113 Teilweise wurden die gesetzlichen Regelungen als „Quacksalberei“ bezeichnet und insbesondere deren fehlende empirische Basis und die ungerechtfertigte Einmischung in den gesellschaftsrechtlichen Wettbewerb der Einzelstaaten moniert.114 Die Finanzkrise habe gezeigt, dass es auch ein „Zuviel“ an Unabhängigkeit geben könne.115 In der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Literatur werden nicht nur zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Ausgestaltung des Modells gemacht, sondern zum Teil auch das unabhängige Monitoring Board als solches in Frage gestellt. Im Folgenden wird ein Überblick über die Kritik gegeben. a) Uneindeutige empirische Belege Anlass für die Kritik sind neben den genannten Rechnungslegungsskandalen auch die nach wie vor fehlenden oder zumindest unzureichenden empirischen 109 H. BAUM, Origins, III.5.; zum Trend hin zu super-majority independent boards siehe auch J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1476; M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 609 und 612. 110 SPENCER STUART, 2015 Spencer Stuart Board Index, 6, abrufbar unter . 111 W.-G. RINGE, Independent Directors, 1; D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 77 explizit zur Haltung der Politik in den USA („policy-making circles“). 112 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 100 f., der jedoch insgesamt ebenfalls ein negatives Fazit zieht („[…] evidence that the fetish for independence has had at least some beneficial effects […]“). 113 H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 35. Zu einem sehr kritischen Fazit auch bezüglich der Kosten gelangt S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 265–268, der von einem „Debakel“ spricht; siehe auch E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 37. 114 Siehe zum SOX den äußerst kritischen Beitrag von R. ROMANO, Yale L J 114 (2005) 1521 ff. und zustimmend sowie zusätzlich bezogen auf den Dodd-Franck Act S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 15 und eingehend 8–15. Skeptisch hinsichtlich positiver Auswirkungen insbesondere auf die Compliance äußert sich auch G. M. BROWN, Changing Models, 143, 158–162. 115 So W.-G. RINGE, Independent Directors, 1 f.

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Belege dafür, dass der Einsatz unabhängiger Direktoren zu einer Verbesserung der Unternehmensleistung führt.116 Ein Autor spricht ironisch von der hartnäckigen Weigerung der Ergebnisse empirischer Studien, das in die unabhängigen Direktoren gesetzte Vertrauen zu bestätigen.117 Dem wird entgegengehalten, dass sich die meisten Untersuchungen nur auf Unternehmen beziehen, die bereits über unabhängige Direktoren verfügen. Die Effekte der Unabhängigkeit führten zudem zu einer Veränderung des Wettbewerbsumfelds und äußerten sich daher eher systemweit denn unternehmensspezifisch.118 Aus den Studien, in Verbindung mit den durch die Skandale wiederholt offensichtlich gewordenen Mängeln in der Sicherstellung der Compliance, lässt sich aber zumindest herauslesen, dass ein unabhängiges Board jedenfalls in der bisherigen Ausgestaltung kein Allheilmittel für sämtliche oder auch nur die ganz überwiegende Mehrheit der Unternehmen ist. b) Kritik an der Ausgestaltung des unabhängigen Boards Kritik wird zum einen an der derzeitigen Ausgestaltung des Unabhängigkeitsmodells geübt. Den nur nebenberuflich in dieser Position arbeitenden unabhängigen Direktoren fehle es als Unternehmensexternen am nötigen Zeiteinsatz, einer hinreichenden Informationsgrundlage und den nötigen Anreizen für eine gewissenhafte Ausübung ihrer Arbeit.119 Bereits in den 80er 116 Siehe jeweils mit Verweis auf empirische Untersuchungen G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 8; S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 90–92; D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 75–77; J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1500–1505; W.-G. RINGE, Independent Directors, 16 f.; M. GUTIÉRREZ / M. SAÉZ, JCLS 13 (2013) 63, 66 f.; J. ZHAO, Mich St J Int’l L 18 (2010) 495, 498 f.; L. A. CUNNINGHAM, Board Expertise, 62, 67–69; F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1176. Siehe auch E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 42 f. und 46 f. mit eigenen Untersuchungen und Verweisen auf weitere Studien 51–58. 117 F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1176. 118 J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1505 f. und im Einzelnen 1506–1509. Darüber hinaus macht Gordon einen positiven Zusammenhang zwischen unabhängigen Direktoren und der Richtigkeit der Finanzberichterstattung aus, ibid., 1504 f. 119 G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 9; R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 875 f.; vgl. F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 743. Zum begrenzten Zeiteinsatz und Informationsgefälle siehe auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 150–154; H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 348 f.; R. S. KARMEL, Model, 13, die beide Defizite als dem Unabhängigkeitsbegriff immanent ansieht. Zum Informationsgefälle vgl. auch S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 87 f. und 102 f. Zur Anreizsetzung siehe ibid., 92–99 sowie J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 26 und zur Notwendigkeit und Schwierigkeit einer angemessenen Anreizsetzung auch W.-G. RINGE, Independent Direcotrs, 17 f. Zur strittigen Frage nach dem Anteilseigentum unabhängiger Direktoren siehe D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 91–94. Ausführlich zur Haftung unabhängiger Direktoren Y. ZHAO, Directors’ Independence, 165–195. Zur Effektivität der Gefahr negativer öffentlicher Wahrnehmung als Anreiz (reputational

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Jahren wurde häufig bemängelt, dass die rechtlichen Möglichkeiten des Boards deutlich über die tatsächlich erfüllte Funktion hinausgingen.120 Insbesondere in Folge der Finanzkrise seien auch die Defizite deutlich geworden, welche aus dem einseitigen Fokus auf die Unabhängigkeit und der Vernachlässigung von Expertise und Unternehmenskenntnis folgten.121 Eine weitere Reihe an Kritikpunkten steht im Zusammenhang mit der Definition des Unabhängigkeitsbegriffs. Diese umfasst zwar wirtschaftliche und familiäre, nicht jedoch sonstige soziale Verbindungen zum Unternehmen und damit nur einen Teil der persönlichen Beziehungen.122 Unter diesem Aspekt lassen sich die bewusste oder unbewusste Voreingenommenheit aufgrund abstrakter sozialer Nähe,123 konkrete soziale Nähe in Form persönlicher Verbindungen124 sowie die Beeinträchtigung unabhängiger Entscheidungen aufgrund von Gruppendynamiken im Board (group think) 125 einordnen. Aufgrund der Weite der sozialen Komponente des Unabhängigkeitsbegriffs zweifelt ein Autor grundsätzlich an der Möglichkeit, wahre Unabhängigkeit mit hinreichender Sicherheit ex ante bestimmen zu können.126 Als Lösung für die genannten Unzulänglichkeiten wird vorgeschlagen, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen.127 Zu den Vorschlägen zählen unter incentive) siehe ausführlich R. W. MASULIS / S. MOBBS, Reputation Incentives, insb. 2 und 22 und kritisch S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 95–97. 120 R. C. CLARK, Corporate Law, 106 f. m. w. N. 121 Deutlich S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 104, der die Finanzkrise zumindest auch auf fehlende Kompetenz im Board zurückführt; Y. ZHAO, Directors’ Independence, 152–154; G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 8 und ausführlich zur langsam wieder in den Fokus rückenden Expertise im Board L. A. CUNNINGHAM, Board Expertise, 62 ff. Siehe hingegen F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1188 mit Verweis auf eine Studie, der zufolge zumindest finanzielle Expertise und ManagementErfahrung keine positiven Auswirkungen jedenfalls auf die Überwachungsfunktion haben; vgl. J. N. GORDON, Stan L Rev 59 (2007) 1465, 1506. 122 G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 6. 123 Ausführlich F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1180–1185; siehe auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 154–156; R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 874 f.; vgl. E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 49 f. 124 R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 874 f.; F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1179 f.; F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 745; G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 8, die zudem kritisieren, dass die im Übrigen hohen Unabhängigkeitsstandards es erschwerten, geeignete Personen mit den nötigen Kenntnissen zu finden. Ähnlich äußert sich F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 745 f. 125 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 154–156; F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1178 f.; F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 744 f. 126 F. TUNG, BUL Rev 91 (2011) 1175, 1185; vgl. zur Schwierigkeit der Erfassung jeglicher sozialer Verbindung auch C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 153 f. 127 Mit umfassenden Vorschlägen und einem Fokus auf den USA und dem Vereinigten Königreich Y. ZHAO, Directors’ Independence, 145–150, 156–164, 176–194.

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anderem die klare Funktionstrennung zwischen CEO und Chairman des Boards, um eine offene Diskussion zu ermöglichen und zu verhindern, dass sich die Macht im Board in einer Person konzentriert. 128 Hinsichtlich der Unabhängigkeit der Direktoren sowie deren Auswahlprozess sollen höhere Transparenz- und Offenlegungsanforderungen gelten. So soll in Anbetracht der Schwierigkeiten, Unabhängigkeit abstrakt zu definieren, den Aktionären die Möglichkeit der Beurteilung der Zusammensetzung des Boards gegeben werden. 129 Darüber hinaus werden die Einführung in Vollzeit arbeitender unabhängiger Direktoren sowie eine zumindest teilweise erfolgsbasierte statt einer fixen Vergütung vorgeschlagen. Diese soll derart gestaltet sein, dass eine Konzentration auf die bloß kurzzeitige Steigerung der Aktienpreise verhindert wird.130 Andere Autoren bemängeln, dass es auch während der Beratungen zum SOX kaum Diskussionen um die konkrete Funktion unabhängiger BoardMitglieder gegeben habe. 131 Die empirischen Untersuchungen legten nahe, ihre Aufgabe auf die eines Schiedsrichters im Falle von Interessenkonflikten und Fragen der Vergütung des Managements zu begrenzen, wofür es lediglich eines Komitees, nicht aber einer Mehrheit unabhängiger Direktoren im Board bedürfe.132 c) Kritik am Fokus auf die Unabhängigkeit Zunehmend wird jedoch auch das Unabhängigkeitskonzept als solches in Frage gestellt. Die Reaktion auf die jüngsten Skandale mit einem more of the same und einer bloßen Verschärfung der Anforderungen biete keine befriedigende Lösung.133 Insbesondere werden zwingende und immer strengere Regelungen zu mehrheitlich unabhängigen Monitoring Boards aufgrund unternehmensspezifischer Bedürfnisse abgelehnt.134 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 160 f. Y. ZHAO, Directors’ Independence, 145–150. 130 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 162–164. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag von F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 750–752, welche die Einführung einer von unabhängigen Direktoren gewählten und in Vollzeit arbeitenden Ombudsperson vorschlägt, die das Problem der Informationsasymmetrie lösen soll. 131 E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 39 f. 132 E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 57 f. Zum mit diesem Vorschlag zusammenhängenden von den beiden Autoren vorgeschlagenen grundlegenderen Funktionswandel des Boards siehe sogleich unter c). 133 W.-G. RINGE, Independent Directors, 4–7 mit Beispielen zur Reaktion verschiedener Gremien in verschiedenen Ländern im Zuge der Finanzkrise. Zum Alternativkonzept Ringes siehe sogleich. 134 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 65 und 101 f.; F. SHU-ACQUAYE, Whittier L Rev 27 (2006) 725, 742 f.; vgl. R. S. KARMEL, Model, 13; E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 56 f. 128 129

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Äußerst kritisch äußert sich etwa der US-amerikanische Hochschullehrer Lawrence E. Mitchell. Er argumentiert, das Monitoring-Modell sei nie dazu gedacht gewesen zu funktionieren und könne schlicht nicht reformiert werden. 135 Unternehmen und deren Verbände hätten den Reformprozess dazu missbraucht, das Board vor einer Haftung im Falle von conflict of interest transactions zu schützen, insbesondere beim Versuch einer feindlichen Übernahme. 136 Bei dieser Funktion sei das Board stehen geblieben. Das Modell habe nicht zu mehr, sondern zu weniger Verantwortung des Boards geführt:137 „Monitoring restricted what it was reasonable to expect the board to do. Increasing the number of outside directors limited what it was reasonable for the board to know. And increasing the number of outside directors also provided a protective shield for the inside directors, as the Delaware courts were quick to recognize.“138

In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich daher alternative BoardModelle, die ebenso dem Shareholder-Ansatz und damit auf Ebene des Unternehmenszwecks der Steigerung des Aktionärsgewinns folgen. Ronald J. Gilson und Reinier Kraakman kritisierten bereits Anfang der 90er Jahre, dass die damalige Ausgestaltung unter dem Gesichtspunkt der Überwachung aus Sicht der Aktionäre unzureichend sei. Grund dafür sei insbesondere, dass die externen Direktoren eher unabhängig von den Anlegern als vom Management seien. 139 Die Autoren schlagen daher die Ernennung externer professioneller Direktoren (professional directors) vor. Diese sollen ihrer Tätigkeit in mehreren Boards hauptberuflich nachgehen und bilden neben den geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden unabhängigen Direktoren eine dritte Gruppe von den Aktionären abhängiger Direktoren. Bestehende Probleme wie fehlender Zeiteinsatz, Expertise oder Anreize könnten so überwunden werden.140 In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag von Eric M. Fogel und Andrew M. Geier. Sie bemängeln, dass auch nach dem SOX das Management nur den unabhängigen Direktoren und damit letztlich niemandem gegenüber verantwortlich sei.141 Sie treten für ein mehrheitlich mit Aktionärsvertretern besetztes Board ein. Dadurch soll das Board als Puffer wegfallen und das Management direkt und ohne Intermediäre gegenüber den Aktionären verantwortlich gemacht werden. 142 Gegenüber den vorgenannten Vorschlägen 135 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 19 und 59 („Building reform on this model is almost certain to fail.“). 136 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 29, 31, 33 und 34–58 zur Entwicklung des Reformprozesses im Einzelnen. Zur Rechtsprechung Delawares bei conflict of interest transactions siehe oben 2.a). 137 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 20. 138 L. E. MITCHELL, Boards, 17, 43. 139 R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 872 f. 140 R. J. GILSON / R. KRAAKMAN, Stan L Rev 43 (1991) 863, 883–892. 141 E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 35 f. und 58 f. 142 E. M. FOGEL / A. M. GEIER, Del J Corp L 32 (2007) 33, 67–71.

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

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treten hier die Aspekte der Ausgewogenheit der Zusammensetzung des Boards in den Hintergrund und der Gedanke der Ermächtigung der Aktionäre (shareholder empowerment) als „wahre Eigentümer“ des Unternehmens tritt am deutlichsten zu Tage. Auch Wolf-Georg Ringe vertritt, die Unabhängigkeit vom Management sei um den Aspekt der Verantwortung zu ergänzen. Ringe betont dabei zu Recht die Bedeutung der Aktionärsstruktur und damit des vorherrschenden Zielkonflikts für die Idee der Unabhängigkeit im Board. Er erweitert diese um eine „funktionale Komponente“. Die Definition der Unabhängigkeit müsse sich nach dem mit dem Unabhängigkeitsansatz verfolgten Zweck und damit der gegenwärtigen Aktionärsstruktur richten. 143 Übertragen auf den USamerikanischen Kontext mit seinem weit gestreuten Anteilseigentum an den Unternehmen bedeute dies die Notwendigkeit einer Verantwortung für und Abhängigkeit von der Allgemeinheit der Aktionäre.144 Die genannten Vorschläge basieren folglich auf der Annahme, dass Mechanismen erforderlich sind, welche dafür sorgen, dass das Management im Interesse der Aktionäre handelt. Das Monitoring-Modell entwickelte sich als Antwort auf das Problem der Trennung von Eigentum und Kontrolle in einer Kapitalgesellschaft, welche durch weit gestreutes Anteilseigentum individueller Anleger gekennzeichnet ist. Der grundlegende Governance-Konflikt liegt hier zwischen den Aktionären auf der einen und dem Management auf der anderen Seite. Da es keinen Mehrheitseigner gibt, der das Management effektiv überwachen kann, konzentriert sich die Macht bei letzterem.145 Unabhängige Direktoren sollten als Interessenvertreter der Aktionäre diesen Zielkonflikt auflösen und die Verfolgung des shareholder value als Unternehmenszweck sicherstellen.146 Bis heute wird die US-amerikanische Kapitalgesellschaft in der Regel als typisches Beispiel für Streubesitz benannt.147 Ronald J. Gilson und Jeffrey N. Gordon zeigen in ihren Untersuchungen jedoch auf, dass dieses überkommene Modell nicht mehr der Realität entspricht. Ihren Untersuchungen zufolge hat sich bereits jetzt das Eigentum an den Unternehmen zu einem ganz erheb143 W.-G. RINGE, Independent Directors, 20–22; vgl. auch M. GUTIÉRREZ / M. SAÉZ, JCLS 13 (2013) 63, 84, die im Falle konzentrierten Anteilseigentums die Unabhängigkeit vom Kontrollaktionär lediglich als Mittel zum Zweck dafür bezeichnen, dass die jeweilige Person im Interesse der Minderheitsaktionäre handelt. 144 W.-G. RINGE, Independent Directors, 22–25. 145 Siehe insb. oben A. II. 146 Siehe insb. oben B. II.2. 147 So etwa J. VON HEIN, Rezeption, 881 f.; J. ZHAO, Mich St J Int’l L 18 (2010) 495, 495 f.; A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1044 und 1046 f. (siehe jedoch den Hinweis dort in Fn. 15); M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 611 spricht sogar davon, dass sich das Streubesitzunternehmen gerade aufgrund der wachsenden Bedeutung institutioneller Investoren jedenfalls mittlerweile durchgesetzt habe.

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lichen Teil in der Hand großer institutioneller Investoren, insbesondere Finanzintermediären wie Pensionsfonds, konzentriert. 148 Diese Konzentration lege zwar eine Schwächung des typischen agency conflicts zwischen Aktionären und Management nahe. Das Geschäftsmodell der institutionellen Investoren bedinge jedoch, dass diese sich nur dann aktiv in die Corporate Governance ihrer Portfolio-Unternehmen einmischen, wenn aktivistische Investoren ihnen dazu einen Anlass bieten. Im Übrigen sei ihr Verhalten durch „rationale Zurückhaltung“ gekennzeichnet.149 Die Konzentration in der Hand institutioneller Investoren mit jeweils geringen Anteilen an den einzelnen Unternehmen unterscheide sich daher deutlich von der Konzentration des Anteilseigentums in der Hand von großen Blockholdern. 150 Jedenfalls aber entsprechen die bestehenden Strukturen den Untersuchungen der Autoren zufolge nicht mehr dem klassischen Berle-Means-Typ mit weit gestreutem Anteilseigentum individueller Aktionäre. Den beschriebenen Wandel hin zu einer von institutionellen Investoren dominierten Eigentümerstruktur macht auch Edward B. Rock aus, scheint jedoch dem Einfluss der Aktionäre eine größere Bedeutung beizumessen.151 Ihm zufolge habe sich, unter anderem aufgrund des Wandels in der Aktionärsstruktur und der Zusammensetzung des Boards, ein Wandel hin zu einem System vollzogen, welches er als shareholder-centric bezeichnet. Die Interessen der Manager und Direktoren seien mittlerweile weitgehend mit denjenigen der Aktionäre identisch, womit sich der agency conflict hin zu einem solchen zwischen Management, Direktoren und Aktionären auf der einen und den Kreditgebern auf der anderen Seite verschiebe, den es nun zuvorderst zu berücksichtigen gelte.152 148 R. J. GILSON / J. N. GORDON, Agency Capitalism, 8–10 und zu den Gründen für diese Entwicklung 10–12. Dieser Beitrag schließt an eine frühere Arbeit der Autoren an, R. J. GILSON / J. N. GORDON, Colum L Rev 113 (2013) 863 ff. Zur zunehmenden Bedeutung institutioneller Investoren und deren Bedeutung für die Durchsetzung des Monitoring Board siehe bereits oben 2.a). Die frühere Dominanz weit gestreuten Eigentums war nicht zuletzt Folge der politischen Entscheidung, die Macht der Finanzinstitutionen einzuschränken, M. J. ROE, Path Dependence, 165, 168–170. Zu den Analysen Gilsons und Gordons siehe auch prägnant H. BAUM, Origins, III.6. 149 R. J. GILSON / J. N. GORDON, Agency Capitalism, 12 f. sprechen von den „agency costs of agency capitalism“ und einer rationalen Zurückhaltung („rationally reticent“) im Gegensatz zur rationalen Apathie individueller Aktionäre bei vorherrschendem Streubesitz. Siehe zum Geschäftsmodell der Finanzintermediäre DIES., 12–17 und zur Bedeutung aktivistischer Investoren für die Einflussnahme auf die Corporate Governance einzelner Unternehmen 17 f. 150 R. J. GILSON / J. N. GORDON, Colum L Rev 113 (2013) 863, 875 f. 151 E. B. ROCK, U Pen L Rev 161 (2013) 1907, 1922 f. 152 E. B. ROCK, U Pen L Rev 161 (2013) 1907, 1910 f., 1926 f.; siehe dazu auch knapp H. BAUM, Origins, III.6. Aus diesem Grund wird auch die Auffassung vertreten, der Fokus auf unabhängige Direktoren und der Widerstand der Unternehmen gegen gesetzliche Regu-

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Die entscheidenden Zielkonflikte scheinen sich damit zu einem gewissen Grad zu verschieben. Im Mittelpunkt der Diskussion um unabhängige Direktoren steht aber dennoch deren Effektivität als Treuhänder der Allgemeinheit der Aktionäre. Der Schutz der Kreditgeber durch unabhängige Boards spielt demgegenüber soweit ersichtlich keine große Rolle. Auch werden unabhängige Direktoren nicht als Mittel zur Lösung möglicher Konflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären gesehen. Zwar scheinen auch Beteiligungsstrukturen mit mehreren Blockholdern weiter verbreitet zu sein als gemeinhin angenommen, 153 die Definition der Unabhängigkeit schließt Beziehungen zu bedeutenden Aktionären jedoch gerade nicht aus. Unternehmen im Kontrollbesitz müssen zudem lediglich einen Prüfungsausschuss aufweisen und die Anforderung einer Mehrheit unabhängiger Direktoren im Board gilt nicht.154 Gänzlich gegen das Verständnis vom Board als Überwachungsorgan wendet sich Stephen M. Bainbridge. Er ist der Auffassung, die beiden Funktionen des Managements und der Überwachung seien nicht sauber voneinander zu trennen, da letztere zum Teil Handlungen erfordere, die selbst einen Management-Aspekt beinhalten. Zudem verbessere eine Beteiligung am Management auch die Fähigkeiten zur Überwachung.155 Den bisherigen Ansätzen zur Steigerung des Aktionärsgewinns, dem managerialism und der shareholder primacy, stellt er die sogenannte director primacy gegenüber. Die Führung des Unternehmens solle allein in die Hände der Direktoren und damit des Boards gelegt werden.156 Die Trennung von Eigentum und Kontrolle sei eine Notwendigkeit, um die effektive Führung eines großen Unternehmens zu ermöglichen. Die in der Grundstruktur der Aktiengesellschaft angelegte Abgabe von Verantwortung an ein kleines Gremium stehe daher im Gegensatz zu den Versuchen, die Aktionäre in zunehmendem Maße als Entscheider einzubinden. 157 Eine effektive Überwachung durch die Aktionäre lierung diene nicht der Sicherung der Interessen des Managements gegenüber den Aktionären, sondern vielmehr des Managements und der Aktionäre gegenüber anderen Stakeholdern. So eingehend U. VELIKONJA, NCL Rev 92 (2014) 855 ff., insb. 860 f. 153 Siehe die Untersuchung von C. G. HOLDERNESS, RFS 22 (2009) 1377 ff., insb. 1378. Zusätzliche Fragestellungen ergeben sich, wenn der Staat als Aktionär oder sonstiger Stakeholder an einem Unternehmen beteiligt ist, R. S. KARMEL, Model, 23 f. 154 D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 88 und 93 f. m. w. N.; vgl. G. FERRARINI /  M. FILIPPELLI, ECGI, Independent directors, 5 f. 155 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 61–63; zusammenfassend zur Kritik Bainbridges siehe auch H. BAUM, Origins, III.7. 156 Eingehend S. M. BAINBRIDGE, Director Versus Shareholder Primacy, insb. 4; S. M. BAINBRIDGE, Director Primacy, insb. 5. 157 S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 236–241. Auch Bainbridge scheint jedoch von einer weitgehend gestreuten Aktionärsstruktur auszugehen. Zwar können die Aktionäre über Wahlen Einfluss auf das Board nehmen. Konzentriert sich jedoch das Eigentum oder gibt es gar einen Kontrollaktionär, stellt sich auch in diesem System die Frage nach dem Schutz der Minderheitsaktionäre.

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selbst, welche auch die nicht endende Kette der Überwachung des Überwachenden durchbrechen würde, sei schlicht nicht darstellbar.158 d) Kritik am shareholder value-Ansatz Alle bisher genannten Ansichten unterscheiden sich hinsichtlich der Frage, zu welchem Grad und auf welche Weise den Aktionären, dem Management oder den Direktoren die Kontrolle über das Unternehmen zukommen soll. Was jedoch das Unternehmensziel betrifft, so eint sie eine Ausrichtung an der Maximierung des shareholder value. Diese hat sich parallel zur Entwicklung des Monitoring Board herausgebildet und ist auch durch die Reformen nach den letzten Skandalen kaum in Frage gestellt worden.159 An der einseitigen Ausrichtung an den Interessen der Aktionäre zum Wohle der Gesellschaft wird jedoch auch Kritik geübt. Sie setze voraus, dass die Interessen der Aktionäre immer homogen sind und den Interessen des Unternehmens entsprechen. Dies sei nicht immer der Fall, nicht zuletzt aufgrund zumindest teilweiser Fixierung auf die Erzielung bloß kurzfristiger Gewinne (shorttermism).160 Schon länger wird daher zum Teil gefordert, die Interessen weiterer Stakeholder explizit zu berücksichtigen und die Direktoren gegenüber diesen zu verpflichten.161 Es lässt sich festhalten, dass das unabhängige Monitoring Board, welches lange Zeit als „Lösung allen Übels“ betrachtet wurde, auch in den USA zunehmend in die Kritik geraten ist. Ganz überwiegend unabhängige Boards sind zwar weiter dominant, die Diskussion um unabhängige Direktoren ist jedoch auch im Ursprungsland dieses Instruments keinesfalls abgeschlossen. III. Unabhängigkeit des Boards im Vereinigten Königreich Im folgenden Abschnitt wird der Blick auf die Rezeption des Unabhängigkeits-Paradigmas im Vereinigten Königreich und damit dem Land gerichtet, das die Tradition des Common Law begründet hat. Dabei werden sich Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede zur Entwicklung in den USA auftun, welche für die Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors und damit die spätere Analyse der aktuellen Entwicklungen in Japan äußerst hilfreich sind. S. M. BAINBRIDGE, Corporate Governance, 48 f. E. B. ROCK, U Pen L Rev 161 (2013) 1907, 1923; J. VON HEIN, Rezeption, 860–862. 160 G. V. VARALLO / D. A. DREISBACH / B. ROHRBACHER, Fundamentals, 5 f.; R. S. KARMEL, Model, 16 f. 161 A. R. PINTO / F. A. GEVURTZ, United States, 1042, 1045 und J. ZHAO , Mich St J Int’l L 18 (2010) 495, 501 jeweils m. w. N.; vgl. auch H. MERKT, Gesellschaftsrecht, 75 f. Für eine Berücksichtigung weiterer Interessen etwa R. S. KARMEL, Model, insb. 13 f. und 31 f.; vgl. für kritische Stimmen zur Anlegerorientierung im Zusammenhang mit der Rolle der unabhängigen Direktoren auch D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 85. Der Gegensatz zwischen den beiden Systemen sollte allerdings auch nicht überspannt werden. Siehe dazu noch unten IV.2.d). 158 159

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1. Die Rezeption des unabhängigen Monitoring Boards Die Situation der Boards in den 50er Jahren ähnelte weitgehend derjenigen in den USA. Sie waren ganz überwiegend mit Insidern besetzt und wurden vom Management dominiert – ein Governance-Modell, welches aufgrund der Dominanz des Managements als managerialist bezeichnet wird.162 a) Wirtschaftliche Stagnation und der Beginn eines Wandels Die beginnende Abkehr von diesem Modell Anfang der 70er Jahre war nicht wie zuvor in den USA extern durch den Druck der Öffentlichkeit motiviert. Vielmehr folgte sie einem Vorschlag aus der Unternehmenswelt selbst, welche die Rolle der non-executive directors in den Mittelpunkt rückte. Sie sollten insbesondere die Entscheidungsfindung im Board um Kenntnisse, Erfahrungen und eine „frische Sicht auf die Dinge“ bereichern.163 Grund für diese Eigeninitiative war der Umstand, dass die Wirtschaft im Vereinigten Königreich nach dem Zweiten Weltkrieg über längere Zeit stagnierte und im internationalen Vergleich zurückfiel. Dafür wurden insbesondere die zu konservative Einstellung der Direktoren sowie deren fehlende Innovationskraft verantwortlich gemacht. Während die externen und später unabhängigen Direktoren in den USA von verschiedenen Gruppen als Lösung für vielfältige gesellschaftliche Probleme angesehen wurden, stand am Beginn der Abkehr vom Management-Modell im Vereinigten Königreich ein rein wirtschaftlich motivierter Fokus auf die Rolle nicht geschäftsführender Direktoren. Sie sollte zu einer Leistungssteigerung der Unternehmen führen.164 b) Corporate Governance Kodizes und die Funktion des Monitoring Ende der 80er Jahre führten mehrere Unternehmensskandale dazu, dass sich die Stoßrichtung der Entwicklungen veränderte. Auf Betreiben der Finanzindustrie wurde ein Komitee unter dem Vorsitz von Sir Adrian Cadbury eingesetzt, das sich bei seiner Untersuchung jedoch nicht auf Fragen der Rechnungslegung und ihrer Prüfung beschränkte. Vielmehr nahm es die gesamte Corporate Governance der Unternehmen in den Blick. In seinem Abschlussbericht, dem sogenannten Cadbury Report, kam es 1992 zu dem Schluss, dass zentrales Governance-Problem die Dominanz eines mächtigen CEO sei und empfahl die Einsetzung von outside, non-executive directors zur Beratung des Managements. 165 Es zeigten sich zudem auch erste Einflüsse des US162 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 717; H. BAUM, Origins, IV.1. Siehe auch bereits oben A. III. 163 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 29–31; vgl. H. BAUM, Origins, IV.1. 164 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 33–35. 165 P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 271; vgl. H. BAUM, Origins, IV.1.; ZHAO, Directors’ Independence, 31. Unter anderem Zhao spricht von non-executive directors. Tatsächlich

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

amerikanischen Modells eines Monitoring Boards. Erstens erwähnt der Bericht neben der Beratung auch die Überwachung (oversight) als wichtige Funktion externer Direktoren. Zweitens seien von diesen nicht nur mindestens drei einzusetzen, sondern mindestens die Hälfte sollte darüber hinaus unabhängig vom Management sein, um die Überwachungsfunktion effektiv erfüllen zu können.166 In den folgenden Jahren wurden weitere Komitees eingesetzt und deren Ergebnisse im sogenannten Combined Code zusammengefasst. Er gilt als Prototyp der heute europaweit und zum Teil auch darüber hinaus dominierenden Corporate Governance-Kodizes. 167 Nicht zuletzt unter dem Einfluss der Entwicklungen in den USA wurde der Combined Code weiter überarbeitet und empfahl nach seiner Überarbeitung 2006 die mehrheitlich unabhängige Besetzung der Boards.168 Im Zuge der Reform des Jahres 2010 wurde er schließlich in den heute gültigen UK Corporate Governance Code (UK CGC) überführt, 169 welcher dem Board als Leitungsorgan (leadership) neben der Bestimmung der Unternehmensstrategie insbesondere auch die Aufgabe der Überwachung des Managements zuspricht. 170 Alle nicht geschäftsführenden und damit auch die externen und unabhängigen Direktoren sollen sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit des Handelns des Managements überwachen. 171 Faktisch sieht der Kodex für börsennotierte Gesellschaften damit ein Monitoring-Modell vor, welches sich wie in den USA grundlegend von der Praxis der 50er Jahre unterscheidet.172 spricht der Cadbury Report jedoch von „outside, non-executive directors“. Cadbury Report, 20 (4.1), abrufbar unter . Zur Terminologie siehe bereits oben B. I. 166 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 32 f.; vgl. H. BAUM, Origins, IV.1.; R. C. NOLAN, Conflicts of Interest, 367, 385 f. 167 K. J. HOPT, DCGK, 563, 567; vgl. P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 390 f.; G. BACHMANN, AG 2011, 181, 184. 168 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 738; H. BAUM, Origins, IV.1. Zur Überarbeitung, den einzelnen Komitees, ihren Berichten sowie den daraus resultierenden Reformen siehe R. C. NOLAN, Conflicts of Interest, 367, 385–390; zur Entwicklung bis Anfang des Jahrtausends P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 270–275; siehe auch knapp H. BAUM, Origins, IV.1. und C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 126 f. Für eine tabellarische Zusammenstellung siehe P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 718. 169 UK Corporate Governance Code (UK CGC), in der aktuellen Fassung abrufbar unter . Siehe H. BAUM, Origins, IV.1. und zum Kodex allgemein M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 916–918. 170 UK CGC, A.1. Supporting Principle 1. Auch der Combined Code hatte bereits die Doppelaufgabe des Boards betont, P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 275. 171 UK CGC, A.4. Supporting Principle. 172 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 717. Der Kodex enthält zudem an verschiedenen Stellen Vorgaben für die Einrichtung von Ausschüssen, UK CGC, B.2. Code Provisions, C.3. Code Provisions und D.2. Code Provisions.

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Die Regelung der Corporate Governance börsennotierter Aktiengesellschaften in Form eines Kodex weicht hingegen deutlich vom heute in den USA verfolgten Ansatz der Regelung über zwingendes Kapitalmarktrecht des Bundes sowie einzelstaatliches Gesellschaftsrecht ab.173 Der britische Companies Act als Gesetz regelt die Struktur, Zusammensetzung und Funktion des Boards nicht und geht von einer monistischen Verfassung aus, ohne diese jedoch explizit zu verlangen. Er beschränkt sich auf die Regelung der Pflichten der Direktoren und schreibt die Befugnis der Aktionäre zur jederzeitigen Abwahl der Direktoren fest.174 Darüber hinaus jedoch sind die Belange des Boards ganz überwiegend im Kodex geregelt. Nicht nur der Anstoß für einen Wandel des Boards ging von der Wirtschaft selbst aus, sondern auch die weiteren Komitees wurden zwar von der Regierung eingesetzt, jedoch durch der Wirtschaft nahe stehende Institutionen gefördert. Der Bericht eines infolge der Skandale um Enron und WorldCom in den USA eingesetzten Komitees betont die Vorzüge des Selbstregulierungsansatzes mittels Kodex und der Herausbildung einer Best Practice gegenüber einem gesetzgeberischen Eingreifen.175 Es wird daher auch von einer „‚Privatisierung‘ des Reformprozesses“ gesprochen.176 Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Durchsetzung des Kodex durchaus von staatlichem Einfluss geprägt und auch abhängig ist. Eine staatliche Behörde setzt die Zulassungsregelungen der Börse fest, welche eine comply or explain-Regelung beinhalten. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, das den Vorgaben des Kodex nicht folgt, die Abweichungen gegenüber dem Markt begründen muss.177 Auch wenn der Kodex gemeinhin als soft law bezeichnet wird, so liegt dessen Durchsetzung doch die „harte“ Regelung einer klaren Verpflichtung zur Befolgung oder Erklärung als Voraussetzung für die Börsennotierung zugrunde.178

Zum Folgenden siehe P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 716–720 und 723; H. BAUM, Origins, IV.1.; vgl. auch P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 276–278 (noch zum damaligen Combined Code) und P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 394 zum Kontrast zwischen europäischem und US-amerikanischem Ansatz. Grundlegend zu Fragen der Kodifikation und Selbstregulierung im Zusammenhang mit unabhängigen Direktoren Y. ZHAO, Directors’ Independence, 37–60; vgl. auch K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1182–1184. 174 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 719 f. Zu den im Vergleich zu den USA größeren Einflussmöglichkeiten der Aktionäre siehe sogleich c). 175 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 41 („Higgs Review“). 176 P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 272 f.; vgl. Y. ZHAO, Directors’ Independence, 32. 177 Y. ZHAO, Directors’ Independence, 54 f. 178 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 718; vgl. auch M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 917; P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 395 („marktbasierte Form einer regulierten Selbstregulierung“); Siehe eingehend zum Regelungsmodell des comply or explain im europäischen Gesellschaftsrecht DERS., ZEuP 2016, 388 ff. 173

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

c) Shareholder engagement: die aktive Rolle der Aktionäre Die Durchsetzung des Monitoring-Modells und der Gedanke der Selbstregulierung stehen in einem engen Zusammenhang mit den herrschenden Aktionärsstrukturen sowie dem Unternehmensverständnis. Auf der einen Seite ähnelte die Aktionärsstruktur mit ihrem hohen Anteil institutioneller Anleger – unter diesen viele ausländische – und der geringen Zahl großer Blockholder jedenfalls bislang derjenigen in den USA.179 Anderes gilt jedoch für das Unternehmensverständnis in beiden Ländern. Trotz der häufig generalisierenden Einteilung in die Stakeholder-Systeme der Civil-Law-Tradition sowie Shareholder-Systeme der anglo-amerikanischen Rechtstradition 180 bestehen auch innerhalb der letzteren erhebliche Unterschiede. Eine Konstante bildet zwar die Ausrichtung an den Aktionärsinteressen. 181 Ein deutlicher und auch praktisch relevanter Unterschied besteht hingegen darin, dass den Aktionären im Vereinigten Königreich deutlich mehr Einfluss und Kontrolle über die Unternehmen zukommt, beispielsweise durch die jederzeit mögliche Abwahl der Direktoren.182 Zwar scheint sich die Corporate Governance in den USA faktisch in Richtung einer Gleichschaltung der Interessen von Management und Aktionären zu entwickeln.183 Traditionell wird jedoch aufgrund der rechtlich verankerten größeren Einflussmöglichkeiten das britische System gegenüber dem USamerikanischen als shareholder-centric bezeichnet. 184 Während also beide Systeme der Leitmaxime des shareholder value folgen, unterscheiden sich die Strukturen auf Ebene der Mittel zur Erreichung dieses Ziels hinsichtlich des Grades der direkten Einflussnahme der Aktionäre. 179 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 714–716; H. BAUM, Origins, IV.1. Zu Entwicklungstendenzen der jüngeren Zeit siehe unten 2.b). 180 Siehe dazu noch unten IV. 181 Aufgrund der breiteren Formulierung des Unternehmenszwecks unter Einbeziehung weiterer Stakeholder im Companies Act wird von einem „enlightened shareholder value“ gesprochen, M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 915 f. Die Regelung lässt jedoch erkennen, dass die Berücksichtigung weiterer Interessen letztlich auch der Wahrung der Aktionärsinteressen dienen soll, P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 752 f.; kritisch zur Formulierung der sec. 172 (1) des Companies Act 2006 auch M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 934 f. 182 C. M. BRUNER, Corporate Governance, 3 f., im Einzelnen Kapitel 3. Als Grund für diese unterschiedliche Ausrichtung macht Bruner Unterschiede in der Sozialpolitik und deren Wechselwirkung mit der Corporate Governance aus, ibid., 7 f. und 26, im Einzelnen Kapitel 5. Zur unterschiedlich starken Einflussnahme der Aktionäre in verschiedenen Rechtsordnungen siehe auch T. EGUCHI, Relations, 191, insb. 192 f. 183 Siehe oben II.4.c). 184 E. B. ROCK, U Pen L Rev 161 (2013) 1907, 1978 f.; H. BAUM, Origins, IV.1.; M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 925 f. Das Gesellschaftsrechts Delawares wird demgegenüber als „board-centric“ bezeichnet. Edward B. Rock beschreibt demgegenüber aufgrund gewandelter Aktionärsstrukturen in jüngerer Zeit auch für die USA eine Entwicklung hin zu einem System, das er als „shareholder-centric“ bezeichnet, siehe oben II.4.c).

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Grund für die Entwicklung dieser einflussreichen Position war die Zunahme sogenannter long-only institutioneller Investoren, insbesondere Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen.185 Diese sind zwar selten Blockholder, haben aber im britischen Kontext einen potentiellen Einfluss auf die Unternehmen über die Bildung von Koalitionen mit anderen Anlegern. Diese Stellung im Governance-Gefüge geht mit dem Druck seitens der Regierung einher, tatsächlich Einfluss auf die Unternehmen zu nehmen (shareholder engagement). Beispielhaft ist die Einführung des Stewardship Code im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2010, welcher die Beziehungen zwischen Aktionären und Unternehmen regelt und jüngst auch in Japan rezipiert wurde.186 Doch auch der Corporate Governance Code nimmt die Aktionäre in die Pflicht, indem er ihnen die Aufgabe zuweist, eine Abweichung vom Kodex zu bewerten und gegebenenfalls zu reagieren.187 Diese Zusammenhänge zeigen, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen sich das Monitoring Board durchgesetzt hat, nicht unerheblich von denjenigen in den USA unterscheiden. Bei der Durchsetzung ihrer Interessen spielt die aktive Ausübung ihrer weitreichenden Rechte durch die Aktionäre eine große Rolle. d) Der Begriff der Unabhängigkeit und sein Verhältnis zur sonstigen Qualifikation Nicht nur die rechtstechnische Umsetzung der Anforderungen an unabhängige Boards über einen Kodex nach dem Grundsatz comply or explain unterscheidet sich nicht unwesentlich von derjenigen in den USA. Auch darüber hinaus weist die Ausgestaltung des Board-Modells Unterschiede auf, welche nicht zuletzt den genannten abweichenden Rahmenbedingungen geschuldet sind. Zwar liegt die Entscheidung darüber, welche Direktoren als unabhängig angesehen werden, wie in den USA beim Board. Es muss die betreffenden Personen in seinem Geschäftsbericht konkret benennen.188 Die Definition der Unabhängigkeit im Kodex ist jedoch weiter gefasst und schließt nicht nur bedeutsame Beziehungen zur Gesellschaft, sondern allgemein Beziehungen und Umstände aus, welche eigenständige und unabhängige Entscheidungen potentiell verhindern. Sie wird ergänzt durch eine Reihe an konkreten Negativkriterien.189

185 Siehe dazu P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 714–716 und 776 f. und eingehend zu den institutionellen Anlegern und dem Ansatz der Stewardship 752–758; vgl. G. CROMME, Konvergenz, 283, 291. 186 Zur japanischen Version eines Stewardship Codes siehe unten Kapitel 2 – D. II. 187 Vgl. P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 278 (noch zum alten Combined Code). 188 UK CGC Code Provision B.1.1. 189 UK CGC, Code Provision B.1.1. Siehe zum Unabhängigkeitsbegriff im Kodex auch P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 740.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Anders als die Definition der Unabhängigkeit in den USA beinhaltet die Liste an Kriterien im UK Corporate Governance Code zudem gerade auch die Unabhängigkeit von einem Kontrollaktionär.190 Diese Anforderung legt nahe, dass unabhängige Direktoren in Vereinigten Königreich nicht lediglich die Funktion der Überwachung des Managements zugunsten der Allgemeinheit der Aktionäre zukommt, sondern sie auch für den Schutz von Minderheitsaktionären eine Rolle spielen sollen191 oder der beratenden Funktion neben der Überwachung eine größere Bedeutung beigemessen wird. Der Unabhängigkeitsbegriff ist damit umfassender als der US-amerikanische, aufgrund des comply or explpain-Ansatzes kann von ihm jedoch abgewichen werden, sofern diese Entscheidung begründet wird.192 Die Negativkriterien gelten nicht absolut und die dadurch erforderliche Bewertung der Ernennung durch die Aktionäre ist Bestandteil ihrer aktiven Einbindung in die Gestaltung der Corporate Governance. In den USA sind super-majority independent boards nach wie vor die Regel und andere Qualifikationen als die Unabhängigkeit der Direktoren spielen eine untergeordnete Rolle.193 Während auch im Vereinigten Königreich zwischenzeitlich über 90 % der Direktoren unabhängig waren, betont der Corporate Governance Code seit dem Jahr 2010 die Notwendigkeit eines angemessenen Ausgleichs von Fähigkeiten, Erfahrung, Unternehmenskenntnis und Unabhängigkeit im Board.194 Der Anteil unabhängiger Direktoren ist in der Folge auf 60,5 % im Jahr 2015 abgesunken. 195 Ausgangspunkt für diesen Wandel war der Bericht eines im Zuge der Finanzkrise eingesetzten Komitees, die Walker Review. Diese hatte im Jahr 2009 eine Abkehr von der Unabhängigkeit als dominantem Kriterium für die Besetzung des Boards nahe gelegt.196

Zu den Anforderungen in den USA siehe oben II.3. und 4.c). In diese Richtung deutet auch die Formulierung des UK CGC, B.1 Supporting Principle 2. 192 FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 7. Von höheren Anforderungen spricht daher auch M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 616 und 619 f., während D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 97 f. von geringeren Anforderungen spricht, da streng genommen aufgrund der comply or explain-Regelung gar keine Verpflichtung zur Ernennung unabhängiger Direktoren bestehe. 193 Siehe oben II.4. zu Beginn. 194 UK CGC, B.1. Main Principle. 195 SPENCER STUART, 2015 UK Board Index, 19, abrufbar unter . 196 H. BAUM, Origins, IV.1. Zum Ausgleich zwischen Unabhängigkeit und anderen Qualifikationen siehe auch M. T. MOORE, United Kingdom, 913, 923–925; vgl. auch P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 738; G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 7. 190 191

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2. Kritik am unabhängigen Board und jüngere Entwicklungen Die empirischen Untersuchungen zur Steigerung der Performance durch Einsetzung unabhängiger Direktoren sind wie in den USA zumindest uneindeutig.197 Wie sich die Betonung von Fähigkeiten und Erfahrung gegenüber der Unabhängigkeit im Kodex praktisch auswirken wird, bleibt hingegen abzuwarten.198 Auch im Vereinigten Königreich wird zunehmend Kritik am unabhängigen Board geübt. Allgemein gesprochen lassen sich die zu den USA genannten Kritikpunkte an der Ausgestaltung – etwa fehlender Zeiteinsatz oder die Frage nach einer angemessenen Anreizsetzung – auf den britischen Kontext übertragen. Im Folgenden werden zusätzlich zwei Kernprobleme der aktuellen Diskussion im Vereinigten Königreich vorgestellt, die sowohl die Ausgestaltung des unabhängigen Monitoring Boards als auch dessen Rahmenbedingungen betreffen. a) Diskussion um die Funktion unabhängiger Direktoren Uneinigkeit besteht – bei einer generellen Akzeptanz des Monitoring-Modells mit Ausschussstruktur – hinsichtlich der konkreten Bestimmung der Funktion unabhängiger Direktoren. So wird etwa im Higgs Report aus dem Jahr 2003 die Auffassung geäußert, dass entgegen der vorherrschenden Meinung in den USA den nicht geschäftsführenden und damit auch den unabhängigen Direktoren im Vereinigten Königreich nicht nur eine Überwachungs-, sondern auch eine signifikante Management-Funktion zukommen solle.199 Paul L. Davies vertritt, dass ein Beitrag zur effektiven Entscheidungsfindung sogar eine Voraussetzung für die Ausübung einer effektiven Kontrolle sei, da andernfalls eine Spaltung des Boards und eine Unterbrechung des für die Überwachung nötigen Informationsflusses drohe.200 Richard C. Nolan spricht sich demgegenüber für eine klare Funktionstrennung aus: die Rolle unabhängiger Direktoren solle sich auf die Überwachung des Managements und insbesondere die Kontrolle von Interessenkonflikten beschränken. Eine klare Kompetenzverteilung könne Zerwürfnisse im Board verhindern, eine effektivere Funktionserfüllung durch sowohl die executive als auch die non-executive und insbesondere independent directors gewährleisten und auch den Aktionären eine klare Evaluation der Leistung der jeweiligen 197 Für Nachweise zu Untersuchungen, die sich zum Teil auch auf das Vereinigte Königreich beziehen, siehe oben Fn. 116. 198 Vgl. P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 739. 199 Higgs Report, 12 (Introduction 1.12) und 27 f. (6.), abrufbar unter . 200 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 740 f. Diese Ansicht stimmt insoweit mit der oben genannten von Bainbridge überein, welcher ebenfalls die klare Trennbarkeit von Management und Überwachung in Frage stellt, siehe oben II.4.c).

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Gruppen ermöglichen. 201 Andere Überwachungsmechanismen wie der Übernahmemarkt seien hingegen unzureichend und die Übertragung von Macht direkt auf die Aktionäre aufgrund des gestreuten Anteilseigentums problematisch. Der Fokus liege daher zu Recht auf den unabhängigen Direktoren.202 b) Wandel der Anlegerstrukturen und Auswirkungen auf das Board Die Diskussionen um die zukünftige Ausgestaltung oder auch eine mögliche Abkehr vom Modell des unabhängigen Direktors sind – wie in den USA – vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen zu sehen. Bislang wurden die Aktionärsstrukturen im Vereinigten Königreich als wenig konzentriert beschrieben. Die große Zahl institutioneller Anleger verfolgte ihre Interessen langfristig und war zumindest teilweise in der Lage Koalitionen zu bilden und Einfluss auf das Management zu nehmen. Dieses Bild entspricht in seiner Absolutheit jedoch nicht mehr der Wirklichkeit.203 Zum einen gibt es Anzeichen für eine Zunahme der Zahl von Unternehmen, die in der Hand eines Kontrollaktionärs liegen. 204 Verlagert sich der Schwerpunkt des agency conflicts, so stellt sich die Frage, ob Minderheitsaktionäre im Kodex und den Zulassungsregeln der Börse hinreichend geschützt sind. Im Rahmen des comply or explain-Ansatzes ist Adressat der Erklärung insbesondere der die Governance des Unternehmens ohnehin dominierende Aktionär. Insbesondere könnten Unternehmen von der Anforderung der Unabhängigkeit vom Kontrollaktionär abweichen, ohne dass die Minderheitsaktionäre darauf wirkungsvoll Einfluss nehmen können. Zum anderen ist offen, wie in den Fällen, in denen es keinen Kontrollaktionär gibt, auch in Zukunft der Gedanke des shareholder engagement aufrechterhalten werden kann. Hintergrund ist erstens die Entwicklung von Marktanreizen, die langfristige Investitionen und ein Interesse an einem Einwirken auf die Corporate Governance der Unternehmen unattraktiv erscheinen lassen.205 Zweitens stellt sich die Frage nach den Motiven der zunehmenden Zahl ausländischer Investoren, Tracking Funds und Hedge Funds, welche wiederum das Verhalten der übrigen institutionellen Anleger beeinflussen können.206 Institutionelle Anleger werden sich nur dann aktiv in die Führung und Kontrolle der Unternehmen einmischen, wenn sie sich davon Vorteile 201 R. C. NOLAN, Conflicts of Interest, insb. 368 f. Nolan konzentriert sich in seinem Beitrag auf die Kontrolle von conflict of interest transactions, bezieht seine Argumentation aber zumindest teilweise auch auf den agency conflict zwischen Management und Aktionären allgemein. 202 R. C. NOLAN, Conflicts of Interest, 367, 378–385, 406 f. 203 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 785. 204 Siehe dazu P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 783–785. 205 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 779 f. 206 P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 781–783.

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versprechen. Zur Vermeidung von Freerider-Problemen schlug zum Beispiel die Kay Review ein Investoren-Forum zur Koordination der Interessen und Bündelung des Potentials der Einflussnahme vor.207 Davies hingegen vertritt eine Ansicht, die in ihrer Zielrichtung den Vorschlägen Gilsons und Gordons bzw. Ringes gleicht. 208 Der Kodex betone zwar die Unabhängigkeit vom Management, nicht jedoch die Abhängigkeit von institutionellen und weiteren Anlegern. 209 Fehle eine klare Verantwortung der unabhängigen Direktoren gegenüber diesen Gruppen, seien Zweifel an deren Effektivität mangels eindeutiger Anreize angebracht.210 3. Rezeption innerhalb einer monistischen Struktur – Zwischenergebnis Das Vereinigte Königreich hat zwar das Modell eines unabhängigen Monitoring Boards als legal transplant aus den USA übernommen. In den Rahmenbedingungen sowie der Ausgestaltung der Anforderungen an börsennotierte Aktiengesellschaften bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. So spielt der Gedanke des shareholder engagement im britischen Kontext eine deutlich größere Rolle und der Selbstregulierung mittels eines Kodex wird gegenüber gesetzlichen Vorgaben der Vorzug gegeben. Darüber hinaus umfasst der Unabhängigkeitsbegriff auch die Unabhängigkeit von einem Kontrollaktionär und der Expertise der Direktoren scheint im Verhältnis zur Unabhängigkeit im Board zunehmend eine größere Bedeutung zuzukommen. Die Diskussionen um die „richtige“ Ausgestaltung des Boards sind im Fluss und bekommen durch sich wandelnde Aktionärs- und Marktstrukturen neue Anstöße. IV. Unabhängigkeit des Aufsichtsrats in Deutschland Abschließend wird ein Blick auf die Rezeption des Phänomens unabhängiger Direktor in der deutschen Aktiengesellschaft geworfen. Deutschland folgt der Tradition des Civil Law, welche häufig kategorisch den Ländern des Common Law – namentlich dem Vereinigten Königreich und den USA – gegenübergestellt wird. Dabei werden erstere mit konzentriertem Anteilseigentum, einem Stakeholder-Ansatz sowie jedenfalls teilweise einer dualistischen Board-Struktur und letztere mit weit gestreutem Aktienbesitz, dem shareholder value als Unternehmensziel sowie einer durchgehend monistischen Struktur in Verbindung gebracht.211 Dass diese Gegenüberstellung allenfalls einer P. L. DAVIES, Corporate Boards, 713, 778 f. Zur Kosten-Nutzen-Analyse sowie Interessenkonflikten institutioneller Anleger bei der Einmischung in die Corporate Governance ihrer Portfolio-Unternehmen siehe auch DERS., ZGR 2001, 268, 279–281. 208 Zu diesen siehe oben II.4.c). 209 P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 279. Davies bezieht sich zwar auf den alten Combined Code, seine Ausführungen lassen sich jedoch auf den aktuellen Kodex übertagen. 210 P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 281 f. 207

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groben Zuordnung dienen kann und auch die Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas nicht einheitlich entlang dieser Zweiteilung verläuft, hat sich bereits in den vorangehenden Abschnitten angedeutet und wird im Folgenden weiter verdeutlicht. Ähnlich den Entwicklungen in den USA und England wird die Geschichte des Aktienrechts in Deutschland als Kampf des Gesetzgebers gegen Missbrauch sowie als Reaktion auf wirtschaftliche Schwierigkeiten beschrieben.212 Auch wenn sich der Begriff der Corporate Governance erst in den 90er Jahren als Folge der zunehmenden Rechtsvergleichung vor allem mit dem angloamerikanischen Recht in der deutschen Debatte durchsetzte,213 enthielt natürlich auch das deutsche Aktienrecht von Anfang an Regeln betreffend die Leitung und Kontrolle der Gesellschaften.214 1. Der Aufsichtsrat: institutionalisierte Trennung von Leitung und Kontrolle Das Aktiengesetz (AktG) schreibt für Aktiengesellschaften eine dualistische Struktur mit einem separaten Vorstand und einem Aufsichtsrat vor.215 Bereits auf gesetzlicher Ebene ist somit eine strikte Trennung von geschäftsführendem und überwachendem Organ festgeschrieben, welche im Gegensatz zum unter anderem in den USA und UK zu findenden monistischen Modell steht.216 Während in letzterem die Überwachung innerhalb eines Organs stattfindet (Selbstkontrolle), ist sie in der dualistischen Struktur schon dem Ansatz nach einem separaten Organ übertragen (Fremdkontrolle).217

Siehe etwa C. M. BRUNER, Corporate Governance, 4 f., der sich in seinem Werk kritisch mit dieser Einteilung auseinandersetzt und die Unterschiede in der Bedeutung der Aktionäre innerhalb verschiedener Common Law-Systeme beleuchtet. Vgl. auch K. J. HOPT, Am J Comp L 59 (2011) 1, 6 f. und 21–23. 212 MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 12. 213 H. MERKT, Corporate Governance, 231, 232; siehe auch DERS., Germany: Internal and external corporate governance, 521, 522. Da die beiden Beiträge des Autors weitgehend identisch sind, wird in der restlichen Arbeit lediglich ersterer zitiert. Für einen kurzen Überblick über die Geschichte der deutschen Corporate Governance-Debatte und die Übernahme des Begriffs in die deutsche Sprache siehe J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 16–20. 214 Zu Recht deutlich H. HIRTE, ZJapanR 16 (2003) 143, 144. 215 Siehe §§ 76–94 AktG zum Vorstand und §§ 95–116 AktG zum Aufsichtsrat. Das dualistische Modell findet sich unter anderem auch in Frankreich oder Italien, wo es eine von mehreren Optionen für die Gesellschaften darstellt. Zur grundsätzlichen Unterscheidung monistischer und dualistischer Systeme siehe B. EIBELSHÄUSER, Unternehmensüberwachung, 27–31. 216 MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 1; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 2; GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 10 („Der Aufsichtsrat nach dem AktG 1965 ist ein überwachendes Organ.“). 217 Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 113 f. 211

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a) Die Entstehung des Aufsichtsrats Die Entstehung der Aktiengesellschaft als Unternehmensform sowie eines Boards als Leitungsgremium verlief in Kontinentaleuropa zunächst weitgehend parallel zur Entwicklung im Vereinigten Königreich und den USA.218 Allerdings wurde in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert der Dualismus von Vorstand und Aufsichtsrat eingeführt. Es dürfte damit das erste Land sein, das für Aktiengesellschaften eine derartige formalisierte Trennung von Geschäftsführung und Überwachung vorsah.219 Zunächst wurde die sogenannte Generalversammlung der Aktionäre als oberstes Willensorgan angesehen. Ihre Macht ging in der Praxis jedoch mehr und mehr zurück 220 und es wurde bald deutlich, dass sie zur Überwachung des Vorstands nicht in der Lage war. Dies führte zur Schaffung des Aufsichtsrats.221 Dieser wurde mit der Aktienrechtsnovelle von 1870 zum obligatorischen Organ der Aktiengesellschaft und sollte einen Ausgleich für die Abschaffung des Konzessionssystems und der staatlichen Kontrolle bieten.222 Nach dem Bekanntwerden zahlreicher Unternehmensskandale aufgrund betrügerischer Unternehmensgründungen in großem Stil reagierte der Gesetzgeber mit der Reform von 1884 mit der Einführung einer auch personellen Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat. 223 Dadurch sollte eine von der Geschäftsführung unabhängigere Kontrolle gewährleistet werden. Trotz dieser Maßnahmen verschwammen zunächst jedoch weiterhin die Funktionen der Leitung und der Überwachung, da man eine gesetzliche Beschränkung des Aufsichtsrats auf eine reine Überwachungsfunktion als unpraktikabel angesehen hatte.224 In der Praxis nahm das neue Organ mehr die Rolle eines Mitverwaltungsgremiums denn eines Kontrollorgans wahr und die Hoffnung auf eine Kompensation des Fortfalls der Staatsaufsicht erfüllte sich nicht.225 Aufsichtsratsmitglieder und dabei insbesondere Vertreter von Großbanken wurden danach ausgewählt, ob sie der Pflege von GeschäftsbeH. BAUM, Origins, II.2. H. BAUM, Origins, II.3 und IV.3. 220 MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 7–9; vgl. GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 5; J. VON HEIN, Rezeption, 163 f. Siehe dazu und zum Folgenden auch knapp K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 60 f. 221 Kodex-Kommentar–M. LUTTER, Aufsichtsrat Rn. 1207. Vorgänger des Aufsichtsrats war der Verwaltungsrat, welcher ebenso neben dem Vorstand stand. 1861 wurde er mit Schaffung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) umbenannt, GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 1 f.; vgl. M. ROTH, Corporate Boards, 253, 276 f. 222 GK AktG–H.-D. ASSMANN, Einl. Rn. 79 f.; K. J. HOPT, The German Two-Tier Board (Aufsichtsrat), 6. 223 M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 620 f.; VON HEIN, Rezeption, 94. Die personelle Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat ist heute in § 105 Abs. 1 AktG geregelt. 224 J. VON HEIN, Rezeption, 94; P. HOMMELHOFF, Eigenkontrolle, 53, 91, 94–96 und näher zu den Reformüberlegungen ibid., 92 f. 218 219

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ziehungen sowie der Repräsentation der Gesellschaft dienlich waren. Ihnen kam faktisch nicht die Funktion einer unabhängigen Überwachung der Geschäftsführung, sondern vielmehr die Aufgabe der Beratung und Sicherstellung des Ausgleichs der verschiedenen Interessen der Stakeholder zu.226 Insoweit war der Aufsichtsrat zwar von Bedeutung, von einer unabhängigen Kontrolle der Geschäftsführung war er aber ebenso weit entfernt wie in den 1950er Jahren die Boards in den USA und dem Vereinigten Königreich. Die Figur eines non-executive oder auch outside director kennt das deutsche Recht jedoch faktisch bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und damit deutlich länger als das britische oder US-amerikanische Recht. Eine Auseinandersetzung mit dem dortigen monistischen Modell war bei Einführung des Aufsichtsrats und auch in der Zeit danach hingegen nicht erfolgt.227 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgte – in etwa parallel zu den Entwicklungen in den USA – abermals eine Reihe spektakulärer Skandale dafür, dass die Frage der Überwachung erneut zum Diskussionsthema wurde. 228 In der Weimarer Republik und insbesondere vor der Reform des Jahres 1937 wurde das US-amerikanische Board-Modell schließlich zum Vergleich herangezogen. Aufgrund von Zweifeln an der Effektivität der Überwachung innerhalb eines einheitlichen Organs entschied man sich jedoch für die Beibehaltung der zweigliedrigen und gegen die Übernahme der monistischen Struktur.229 In der Folge erhielt die Unternehmensverfassung mit der Reform 1937 ihre heutige grundsätzliche Prägung. Der Aufsichtsrat wurde nunmehr von der Geschäftsführung ausgeschlossen und seine Funktion auf die Überwachung beschränkt. Zugleich wurden die Befugnisse der Hauptversammlung, deren Stellung noch 1884 gestärkt worden war,230 beschränkt und auch dieser die 225 J. VON HEIN, Rezeption, 93. Zur Rolle als Mitverwaltungsorgan siehe GK AktG–H.D. ASSMANN, Einl. Rn. 123; P. HOMMELHOFF, Eigenkontrolle, 53, 91 zur Situation bis 1884 und 103 f. zum fehlenden Erfolg der Reform in dieser Hinsicht; M. LUTTER, Der Aufsichtsrat, 389, 392–396 Rn. 1–8; vgl. auch GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 5 und 7 f. 226 J. VON HEIN, Rezeption, 102. 227 J. VON HEIN, Rezeption, 94 und 103. Vielmehr herrschte teilweise die Überzeugung, dass das US-amerikanische Recht vom deutschen lernen müsse, ibid., 104 f. Zu der Begriffs-Systematik ausgehend vom non-executive director siehe oben B. I. 228 J. VON HEIN, Rezeption, 102; vgl. MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 19 m. w. N. zum damaligen Schrifttum. Es wird ersichtlich, dass die „Aufsichtsratsfrage“ kein Phänomen jüngeren Datums ist. Viele auch heute relevante Probleme wurden bereits zu dieser Zeit heftig diskutiert, K. J. HOPT, The German Two-Tier Board, 227, 229. 229 J. VON HEIN, Rezeption, 105, 161–163 zur Weimarer Republik und 178–182 zur Reform 1937; vgl. zur Diskussion um eine Annäherung an anglo-amerikanisches Recht auch MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 20; M. LUTTER, Aufsichtsrat, 389, 398–400 Rn. 13–15. 230 Siehe dazu J. VON HEIN, Rezeption, 95 und, eingehender, P. HOMMELHOFF, Eigenkontrolle, 53, 87–89.

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direkte Einflussnahme auf die Geschäftsführung verwehrt.231 Eine klare Zuweisung der Überwachungsfunktion erfolgte somit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und damit ebenso wie die formale Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat vor Aufkommen und Durchsetzung der Idee des Monitoring Boards in den USA. Über die personelle Trennung hinausgehende Anforderungen an die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder bestanden jedoch noch nicht. Vor der Erarbeitung des Aktiengesetzes von 1965 wurden erneut rechtsvergleichende Untersuchungen unternommen. Aufgrund von Problemen mit der Arbeitnehmermitbestimmung sowie einer fehlenden Kapitalmarktaufsicht zum Ausgleich eines Überwachungsdefizits entschied man sich auch dieses Mal gegen einen Wechsel zur monistischen Board-Struktur.232 Die oben genannte Verteilung der Kompetenzen wurde im Wesentlichen bestätigt.233 Auch nach 1965 hat es zahlreiche Reformen gegeben, die insbesondere auch durch die Umsetzung europäischer Richtlinien bedingt waren.234 Nach – wieder einmal – größeren Unternehmensskandalen und -zusammenbrüchen standen bei den Reformen 1998 Verbesserungen der Corporate Governance und insbesondere der Effizienz des Aufsichtsrats im Vordergrund.235 Das in diesem Jahr erlassene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) wird als „Geburtsstunde“ der deutschen Corporate Governance-Reformen mit einem Fokus auf dem Aufsichtsrat bezeichnet.236 Auch in den folgenden Jahren konzentrierten sich die Reformen auf die Corporate Governance börsennotierter Unternehmen.237

231 M. ROTH, ZGR 2012, 343, 377; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 14–17. Für die klare Kompetenzabgrenzung zwischen Hauptversammlung und Geschäftsführung nahm man sich hingegen das US-amerikanische Recht zum Vorbild, J. VON HEIN, Rezeption, 182 f. 232 J. VON HEIN, Rezeption, 197 und 206 f. 233 MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 19 und 24; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 7–10; vgl. MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 31. 234 Siehe MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 33 für eine tabellarische Übersicht der Reformen bis 1998 sowie Rn. 34–37 für knappe Erläuterungen. 235 MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 38; vgl. auch J. VON HEIN, Rezeption, 237 f. Siehe MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 40 für eine tabellarische Übersicht der Reformen des Jahres 1998 sowie Rn. 41–51 für knappe Erläuterungen. 236 G. BACHMANN, AG 2011, 181; vgl. auch MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 27; M. LUTTER, ZGR 2001, 224, 227 f. Zum KonTraG siehe MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 43–49; H. HIRTE, ZJapanR 16 (2003) 143, 157–168 sowie knapp C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 128 f. 237 MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 52. Für eine tabellarische Übersicht über die Reformen siehe ibid., Rn. 53 und für knappe Erläuterungen Rn. 54–72. Für eine knappe Übersicht siehe auch C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 128–131 und mit Stand 2007 K. OBERHOFER, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, 57–59.

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b) Organisation und Aufgabenteilung in der dualistischen Struktur Auch in Deutschland wird die Abgrenzung der Funktionen zwischen den Gesellschaftsorganen und die effektive Kontrolle des Managements als Grundproblematik der Aktiengesellschaft angesehen. 238 Ihre Verfassung ist im Aktiengesetz weitgehend zwingend ausgestaltet und umfasst drei Organe: den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung der Aktionäre.239 Die Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat ist in den §§ 76, 95 AktG festgeschrieben und gilt für alle Aktiengesellschaften unabhängig von deren Größe.240 Für börsennotierte Gesellschaften bestehen Sondervorschriften. Zu diesen gehört insbesondere die Entsprechenserklärung des § 161 AktG, die den Deutschen Corporate Governance Kodex gesetzlich verankert. 241 Die hohe Zahl zwingender gesetzlicher Regelungen zu den Organen, ihren Kompetenzen und Zuständigkeiten lässt vergleichsweise wenig Raum für flexible Regelungen im Rahmen des Kodex. 242 Hier besteht ein Unterschied zur grundlegenderen Bedeutung der Regelung durch den UK Corporate Governance Code. Der Vorstand leitet die Gesellschaft gemäß §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 AktG und ist allgemein für die Geschäftsführung zuständig. Die Leitung als Führungsaufgabe umfasst als Teilausschnitt der Geschäftsführung die Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und Besetzung der Führungspositionen des Managements. 243 MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 4. MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 1; KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 76 Rn. 1; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 1 f. Speziell zur zwingenden Ausgestaltung des Rechts des Aufsichtsrats siehe GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 16–18. 240 Die beiden Organe werden gemeinsam als Verwaltung der Gesellschaft bezeichnet, wohingegen die Hauptversammlung nur ausnahmsweise über Fragen der Geschäftsführung entscheidet, KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 76 Rn. 2; vgl. M. ROTH, Corporate Boards, 253, 298. 241 Zur Differenzierung zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften im AktG siehe MüKo AktG (2008)–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 65–67 sowie GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 67 f. Zum Kodex siehe unten 2.c). 242 H. MERKT, Corporate Governance, 231, 234; vgl. Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 100. Aufgrund der zwingenden Regelungen bleibt zudem wenig Raum für eine Ausgestaltung im Rahmen der Satzung. Zum Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG allgemein siehe GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 70–72. Zu den Einschränkungen hinsichtlich des Rechts des Aufsichtsrats siehe MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 7 und GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 39. Insbesondere persönliche Voraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder – Unabhängigkeit und sonstige Qualifikation – sowie der Umgang mit Interessenkonflikten können hingegen geregelt werden, GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 38. 243 Hüffer AktG, § 76 Rn. 8 f.; vgl. auch H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 123 f. Rn. 3.43; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 44; GK AktG–M. KORT, § 76 Rn. 28 f. 238 239

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Dem Aufsichtsrat kommt für die Überwachung des Vorstands nach dem bereits oben zur Entwicklung dieses Organs Gesagten eine ganz entscheidende Rolle zu.244 Das AktG sieht für den Aufsichtsrat zwei wesentliche Aufgaben vor: die Ernennung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands gemäß § 84 AktG sowie die Überwachung desselben nach § 111 Abs. 1 AktG. Allerdings soll dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan auch eine Beratungsfunktion zukommen. 245 Die Überwachungsaufgabe beschränkt sich damit nicht auf eine Kontrolle ex post, sondern umfasst eine zukunftsorientierte Beratung.246 Sie erstreckt sich sowohl auf die Rechtmäßigkeit wie auch die Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung.247 Aufgrund dessen sowie der im AktG geregelten Zustimmungsvorbehalte wird teilweise sogar von einem „mitunternehmerischen Organ“ gesprochen.248 Das Recht des Aufsichtsrats ist in den letzten zwei Jahrzehnten in erheblichem Umfang reformiert worden. Marcus Lutter 244 Siehe nur T. BAUMS, Aufsichtsrat, 188, 191 schon im Jahr 1994 und damit noch vor zahlreichen weiteren Reformen zur Stärkung des Aufsichtsrats. Prägnant zu den Pflichten des Aufsichtsrats insgesamt H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 221–226 Rn. 3.192– 3.205. 245 MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 52; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 295 f.; K. J. HOPT, Supervisory Board, 2 und 12. Insbesondere der Kodex betont die Beratungsfunktion in Ziff. 5.1.1. Von drei wesentlichen Aufgaben spricht daher auch KodexKommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 120–123. 246 BGHZ 114, 127, 129 f. (25.3.1992, II ZR 188/89). Siehe dazu auch MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 2; H. MERKT, Corporate Governance, 231, 243; vgl. H. BAUM, Origins, IV.3. und P. HOMMELHOFF, Eigenkontrolle, 53, 92 mit Verweis auf die Überlegungen des Gesetzgebers schon zur Reform 1884. Zu den wichtigsten Instrumenten des Aufsichtsrats siehe MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 3. Zur praktischen Ausgestaltung der Arbeit des Aufsichtsrats siehe J. SEMLER, NZG 2013, 771 ff. 247 BGHZ 114, 127, 129 f. (25.3.1992, II ZR 188/89). Siehe auch H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 221 Rn. 3.194 sowie J. SEMLER, NZG 2013, 771, 773 und 775. In einem Konzern erstreckt sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats der herrschenden Gesellschaft ebenfalls auf die Geschäftsführung durch den Vorstand dieser Gesellschaft, wobei sich das Ausmaß der zu überwachenden Vorgänge vergrößert, MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 60–62. Zum Konzernrecht und dessen Einfluss insbesondere auf Vorstand und Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft siehe GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 49–53. Zu Kodex und Konzern siehe Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 157 f. 248 GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 14; zur zunehmenden unternehmerischen Mitverantwortung siehe auch M. LUTTER, EuZW 2009, 799, 802; vgl. H. HIRTE, ZJapanR 16 (2003) 143, 145; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 3 („Elemente einer partiellen MitGeschäftsführung“); M. ROTH, ZGR 2012, 343, 346 („Mitverwaltung des Aufsichtsrats“). Der BGH spricht davon, dass der Aufsichtsrat „[…] die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestaltet“, BGHZ 135, 244, 255 (21.4.1997, II ZR 175/95) = NJW 1997, 1926, 1928. Kritisch zur Betonung der Beratungsaufgabe und Bezeichnung als mitunternehmerisches Organ KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 95 Rn. 9–11; vgl. auch Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 123, der von einer „gewisse[n] Ambivalenz“ der Beratungsfunktion spricht.

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spricht von einem „Quantensprung“ des Rechts und einem erheblichen Anstieg der Aufgaben durch zahlreiche Reformgesetze, den Kodex sowie die Rechtsprechung.249 Die Hauptversammlung hat über die Wahl des Aufsichtsrats mittelbar Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstands und damit auf die Entscheidungen desselben. 250 Allerdings wählen die Aktionäre nur einen Teil der Aufsichtsratsmitglieder. Ein entscheidender Aspekt der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, der auch für die Frage der Ernennung unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder von Bedeutung ist, ist das System der Arbeitnehmermitbestimmung. Sie dürfte in dieser Form weltweit einzigartig sein und ist im Rahmen der bisherigen Reformen unangetastet geblieben. 251 Aktiengesellschaften mit 500 bis 2.000 Arbeitnehmern müssen ihren Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzen und solche mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern sogar zur Hälfte. Von einer quasi-paritätischen Mitbestimmung spricht man deshalb, weil dem Vorsitzenden, der praktisch immer von der Aktionärsseite gewählt wird, ein ausschlaggebendes Stimmrecht zukommt.252 Dieses System prägt das Unternehmensverständnis und hat damit auch Einfluss auf die Definition des Begriffs der Unabhängigkeit und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats.253 Die hier beschriebene dualistische Organisationsverfassung wurde und wird teilweise nach wie vor der US-amerikanischen und britischen monistischen Struktur als Kontrast gegenübergestellt. 254 Tatsächlich nähern sich Eingehend zu den einzelnen Aufgaben des Organs aus heutiger Sicht M. LUTTER, DB 2009, 775 ff.; siehe auch DERS., Professionalisierung, 139, 140 sowie J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 117–140 und aus rechtsvergleichender Sicht monographisch A. R. FABISCH, Aufsichtsrat. 250 GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 13 f. 251 Zur Einzigartigkeit der deutschen Arbeitnehmermitbestimmung siehe M. ROTH, Corporate Boards, 253, 256. Zur bislang nicht erfolgten Reform des Systems siehe G. BACHMANN, AG 2011, 181, 185; kritisch M. ROTH, Corporate Boards, 253, 335–337; T. BAUMS, Aufsichtsrat, 188, 195 f. m. w. N.; K. J. HOPT, DCGK, 563, 585 m.w.N; DERS., Unternehmensführung, 27, 42–46 („Tabu der Mitbestimmung“); H. HIRTE, ZJapanR 16 (2003) 143, 174 sowie D. WEBER-REY, NZG 2013, 766, 767. Aufgrund der strengen Regelungen zur Arbeitnehmermitbestimmung steigt auch die Zahl der Gesellschaften, die zur Rechtsform der europäischen SE wechseln, welche flexiblere Lösungen ermöglicht, M. ROTH, Corporate Boards, 253, 257. 252 Zum System der Arbeitnehmermitbestimmung siehe knapp H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 203–206 Rn. 3.159–3.167; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 333–335; H. MERKT, Corporate Governance, 231, 258–260; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 37–41; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 23–30. 253 Siehe dazu unten 2.d) und e). 254 International vorherrschend ist das monistische Modell, wobei einige Länder wie Frankreich, Finnland, Italien und Belgien die Wahl eines der beiden Modelle ermöglichen, GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 124; K. J. HOPT, Supervisory Board, 5; vgl. auch T. BAUMS, Zur monistischen Verfassung, 549. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert, 249

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jedoch beide Modelle einander an.255 Dabei hat zum einen das deutsche Recht das anglo-amerikanische Modell beeinflusst. Dieser Einfluss zeigt sich in der Durchsetzung des Monitoring-Modells mit seiner funktionellen und personellen Trennung von Leitung und Kontrolle innerhalb des Boards. Eisenberg nahm bei seiner Formulierung des Monitoring-Modells explizit Bezug auf das deutsche Aufsichtsratsmodell.256 Umgekehrt prägen mittlerweile die Bildung von Ausschüssen und die Rezeption des Unabhängigkeits-Paradigmas das Recht des Aufsichtsrats. 2. Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas Deutsche Aktiengesellschaften weisen im internationalen Vergleich einen geringen Prozentsatz an unabhängigen Direktoren und im europäischen Vergleich sogar die niedrigste Rate auf.257 Bis in die 90er Jahre bestanden Aufsichtsräte sogar ganz überwiegend aus Personen, die eine enge Verbindung zum Unternehmen aufwiesen. Die Arbeitnehmervertreter sind per Definition mit dem Unternehmen verbunden, häufig bei diesem angestellt und damit schon nicht extern. Auf Seiten der von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder fanden sich insbesondere Repräsentanten von Banken und Versicherungen sowie Vertreter von Kontrollaktionären.258 a) Offenheit der dualistischen Struktur für unabhängige Direktoren Teilweise wird vertreten, dass sich aufgrund der funktionalen und personellen Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat die Frage unabhängiger Direktoren den Gesellschaften die Wahl zwischen der bisherigen dualistischen und einer monistischen Struktur zu eröffnen. Für eine Wahlfreiheit siehe K. J. HOPT, German Two-Tier Board (Aufsichtsrat), 3, 14; DERS., Supervisory Board, 5 f.; GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 123; T. BAUMS, Zur monistischen Verfassung, 549 ff., insb. 551–555. Für eine Wahlfreiheit sprach sich auch der DJT 2012 aus, D. RUBNER, NJW-Spezial 2012, 655, 656. 255 J. VON HEIN, Rezeption, 41–43 spricht von funktionaler im Gegensatz zur formalen Konvergenz; siehe zudem K. J. HOPT, German Two-Tier Board (Aufsichtsrat), 3, 12; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 275 f.; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 65; MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 1; KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 95 Rn. 22. K. J. HOPT, Supervisory Board, 7 f. betont, dass die Zukunft aufgrund von Pfadabhängigkeiten nicht in einem völligen Gleichlauf liege. Anderer Auffassung sind H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Geo L J 89 (2011) 439 ff., die von einer vollständigen Konvergenz der Systeme ausgehen („The End of History for Corporate Law“). 256 M. ROTH, ZGR 2012, 343, 349; DERS., Corporate Boards, 253, 269 f. 257 M. ROTH, ZGR 2012, 343, 354 und DERS., ZHR 175 (2011) 605, 607 unter Verweis auf eine Studie aus dem Jahr 2011. 258 M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 606 und zur Vertretung von Kontrollaktionären explizit H. BAUM, Origins, IV.3. Die Unabhängigkeit der Arbeitnehmervertreter ist dennoch umstritten. Zu dieser Frage sowie der Unabhängigkeit der Vertreter von Kontrollaktionären bei konzentriertem Anteilseigentum siehe noch unten e).

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in Deutschland nicht oder jedenfalls weniger dringend stelle. 259 Auch der Gesetzgeber hat jüngst in der Begründung zum Entwurf des Abschlussprüfungsreformgesetzes auf das bereits strukturell verwirklichte hohe Maß an Unabhängigkeit verwiesen.260 Diese Ansicht verkennt jedoch den Unterschied zwischen nicht geschäftsführenden oder auch externen Direktoren und der darüber hinausgehenden Anforderung der Unabhängigkeit. Aufsichtsratsmitglieder sind zwar per Definition nicht geschäftsführend und zumindest in Teilen auch extern. Die Frage der materiellen Unabhängigkeit vom Management oder weiteren Akteuren bleibt davon jedoch unberührt.261 b) Die Entwicklung auf EU-Ebene Bis die Unabhängigkeit in Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräten europaweit zum Thema wurde, dauerte es jedoch bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Entwicklung der Corporate Governance auf europäischer Ebene wurde dabei ganz wesentlich von der Bewegung im Vereinigten Königreich, angestoßen durch den Cadbury Report, bestimmt. Das Regulierungsinstrument des Kodex, der eine gewisse Zahl unabhängiger Direktoren fordert und dem Ansatz des comply or explain folgt, ist heute ein Standard unter den Mitgliedstaaten.262 Aus Anlass der bereits genannten Unternehmensskandale in den USA sowie der Reaktionen des US-amerikanischen Gesetzgebers veröffentlichte die EUKommission im Jahr 2003 einen Aktionsplan, der insbesondere auch eine Verbesserung der Corporate Governance der Aktiengesellschaften vorsah. 263 Aus diesem ging im Jahr 2005 unter anderem eine Empfehlung zur Einsetzung unabhängiger Direktoren sowie zur Bildung von Ausschüssen in börsennotierten Aktiengesellschaften hervor.264 Für das gesamte Organ wurde eine hinrei259 So etwa J. LIEDER, NZG 2005, 569, 572 und M. LUTTER, ZGR 2001, 224, 226, der konstatiert, dass sich die Frage der Unabhängigkeit in Deutschland nicht stelle, da sie durch den Aufsichtsrat bereits strukturell gelöst sei. 260 BT-Drs. 18/7219 v. 11.1.2016, 56. Mit dieser Begründung ist die Anforderung, dass der Finanzexperte im Prüfungsausschuss unabhängig sein muss, wieder gestrichen worden. Siehe dazu unten c). 261 So zu Recht J. VON HEIN, Rezeption, 896 f.; vgl. auch M. ROTH, ZGR 2012, 343, 351; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1368 f.; R. S. KARMEL, Model, 25. 262 H. BAUM, Origins, IV.2.; vgl. P. C. LEYENS, Corporate Governance, 183, 188 f. Zur Annäherung an den UK-Standard auch in jüngerer Zeit siehe DERS., ZEuP 2016, 388, 413, im Einzelnen 408–414. 263 „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan“, KOM(2003) 284 endg. Siehe dazu G. BACHMANN, AG 2011, 181, 182 f.; MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 103–105; K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 54 f.; T. MEYER, Finanzexperte, 63–66. Zur Bedeutung des Aktionsplans aus rechtsvergleichender Sicht K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1176–1178. 264 Empfehlung 2005/162 der Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L52 v. 25.2.2005, 51; ergänzt durch die Empfehlung der Kommission vom 30.4.2009, K(2009) 3177. Siehe dazu C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 209–212; G. BACHMANN, AG 2011,

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chende Zahl unabhängiger Direktoren empfohlen. Daneben sollen ein mehrheitlich unabhängig besetzter Nominierungs- sowie ein Vergütungs- und ein Prüfungsausschuss eingerichtet werden. Die Empfehlung enthält eine Definition der Unabhängigkeit einschließlich einer Liste an Negativkriterien, die weitgehend dem britischen Kodex entspricht. Sie überlässt die Entscheidung über die Unabhängigkeit der Direktoren dem Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat.265 Konzeptionell bedeuten der Aktionsplan und die daraus hervorgegangene Empfehlung eine Abkehr vom Versuch der Vollharmonisierung des Gesellschaftsrechts hin zur Konzentration auf Standards und die Entwicklung einer Best Practice über eine Kodex-Regulierung auf nationaler Ebene.266 In Folge der Finanzkrise hat die Europäische Kommission im Jahr 2011 ein Grünbuch zur Corporate Governance in börsennotierten Unternehmen vorgelegt, in dem insbesondere die Anforderungen an Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräte weiter konkretisiert wurden.267 Laut Grünbuch bedarf es „leistungsfähiger, wirksamer Verwaltungsräte, die der jeweiligen Geschäftsführung Paroli bieten können“.268 Das Grünbuch legt insbesondere Wert auf das Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Kompetenz und eine ausgewogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Auch insoweit wird dem Vorbild des UK Corporate Governance Code und seiner Abkehr von der einseitigen Betonung der Unabhängigkeit gefolgt.269

181, 183; K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 55 f. und 119–127 sowie T. MEYER, Finanzexperte, 67–73 und eingehend zur Empfehlung und deren Umsetzung in Deutschland M. LUTTER, EuZW 2009, 799, 801–804. 265 H. BAUM, Origins, IV.2.; P. C. LEYENS, Corporate Governance in Europe, 183, 188 f.; siehe auch K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 643 f. Die Empfehlungen der Kommission sind für die Mitgliedstaaten nicht bindend, gewinnen jedoch aufgrund der Möglichkeit, bei Nichtbefolgung später eine Richtlinie zu erlassen, an Bedeutung, M. LUTTER, EuZW 2009, 799. Darüber hinaus ist der unionsrechtliche Hintergrund von Bedeutung für die Auslegung des Kodex, U. HÜFFER, ZIP 2006, 637, 639; H. DIEKMANN /  K. BIDMON, NZG 2009, 1087, 1089. 266 Siehe dazu P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 398–403; siehe auch MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 67 f. und MüKo AktG–M. HABERSACK, Einl. Rn. 105 bezogen auf den Aktionsplan und D. WEBER-REY, NZG 2013, 766 konkret zu der Empfehlung der Kommission; vgl. auch K. J. HOPT, Supervisory Board, 6. 267 Grünbuch „Europäischer Corporate Governance-Rahmen“, KOM(2011) 164/3 vom 5.4.2011. Zum Grünbuch siehe vor dem Hintergrund der Professionalisierung des Aufsichtsrats eingehend D. WEBER-REY, Professionalisierung, 161, 165–173. 268 Grünbuch (siehe vorangehende Fn.), 3. Mit dem Begriff Verwaltungsrat wird in dem Grünbuch auch der Aufsichtsrat in der dualistischen Struktur umfasst, siehe ibid., 5. Eine mangelhafte Corporate Governance wurde mit verantwortlich gemacht für die Entstehung der Finanzkrise, deren Wiederholung durch Reformen vermieden werden soll, D. WEBER-REY, NZG 2013, 766; kritisch zu diesem Zusammenhang G. BACHMANN, AG 2011, 181, 185. Zum Zusammenhang von globaler Finanzkrise und deutscher Corporate Governance siehe auch J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 51 f.

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c) Der Deutsche Corporate Governance Kodex Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)270 wurde im Jahr 2002 von einer mit seiner Ausarbeitung beauftragten Kommission vorgelegt. 271 Anders als bei seinem britischen Pendant handelt es sich zwar auch bei diesem Regelwerk um sogenanntes soft law, welches dem Ansatz des comply or explain folgt. Es wird jedoch nicht über die Börsenregelungen implementiert, sondern erhält über die Entsprechenserklärung in § 161 AktG eine rechtsverbindliche Verankerung.272 Börsennotierte Gesellschaften sind danach gesetzlich dazu verpflichtet, jährlich zu erklären, ob und inwieweit sie den Empfehlungen des Kodex folgen, und Abweichungen zu begründen. Das Regelwerk wurde seit seiner Entstehung jährlich geprüft, regelmäßig überarbeitet und dabei auch den Entwicklungen auf EU-Ebene angepasst. 273 Seinen Bestimmungen kommt nach dem Willen des Gesetzgebers eine Doppelfunktion zu: Der Kodex soll nicht nur die gesetzlichen Regelungen über den Ansatz der Selbstregulierung um Standards ergänzen, sondern auch die Corporate Governance-Regelungen insbesondere für ausländische Investoren verständlich machen.274 Das Aktiengesetz regelt nur einige Sonderfälle, in denen Interessenkonflikte vorliegen.275 Die Anforderung, dass der Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft mindestens über einen unabhängigen Finanzexperten 269 Mittlerweile ist im Jahr 2012 ein zweiter gesellschaftsrechtlicher Aktionsplan verkündet worden, in dessen Folge im Jahr 2014 eine Empfehlung der Kommission zur Qualität der Erklärung im Rahmen des comply or explain ergangen ist, P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 408, im Einzelnen 408–414. 270 Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK), abrufbar in der aktuellen sowie den vorangegangenen Fassungen unter . 271 C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 129; MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 70 f. Zum institutionellen Rahmen der Arbeit der Regierungskommission Corporate Governance siehe K. J. HOPT, Unternehmensführung, 27, 28–36. Eingehend zum Kodex, einschließlich der Frage dessen Verfassungsmäßigkeit, DERS., DCGK, 563 ff.; J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 30–48. 272 Zur Entsprechenserklärung siehe H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 130 f. Rn. 3.54. Zu den verschiedenen Ansätzen bei der Verankerung und Durchsetzung eines Kodex siehe K. J. HOPT, Unternehmensführung, 27, 52–55. Die Verpflichtung zur über die bloße Erklärung (disclose) hinausgehenden Begründung (explain) der Nichtbefolgung wurde erst im Jahr 2009 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) eingeführt, P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 392. 273 Zu den bisherigen Anpassungen des Kodex siehe Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 177–211. 274 BT-Drs. 14/8769, 18–22. Siehe auch H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 41 f. Rn. 1.81. 275 Siehe dazu F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 168 f.; K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 644; C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 206 f.; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1374 f.

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verfügen muss, ist sogar jüngst wieder insoweit eingeschränkt worden, als die Anforderung der Unabhängigkeit entfallen ist. 276 Es enthält darüber hinaus auch keine allgemeinen Anforderungen an die Unabhängigkeit. Diese finden sich vielmehr allein im Kodex. Ausgangspunkt der heute geltenden Regelungen ist die bereits genannte Empfehlung der EU-Kommission aus dem Jahr 2005.277 Bis zu deren Rezeption zeigte sich die deutsche Corporate Governance gegenüber dem System inhärenten Loyalitätskonflikten erstaunlich tolerant.278 Abweichend von der Empfehlung der EU-Kommission und anders als der UK CGC empfiehlt der Kodex in Ziff. 5.4.2 keine bestimmte Anzahl und kein Quorum, sondern legt es vielmehr in die Hand des Aufsichtsrats, eine „angemessene Zahl“ an unabhängigen Mitgliedern festzulegen.279 Er regt die – vom Aktiengesetz erlaubte280 – Bildung von Ausschüssen je nach den Umständen der Gesellschaft an. Ein Prüfungs- sowie ein Nominierungsausschuss sollen eingerichtet werden, Ziff. 5.3 DCGK. 281 Anders als im monistischen System dienen die Ausschüsse nicht der bereits durch den Aufsichtsrat als Organ verwirklichten institutionalisierten Trennung von Leitung und Kontrolle, sondern allein der effektiveren Gestaltung der Überwachungstätigkeit. 282 Die Bildung eines Prüfungs-, Vergütungs- und Nominierungsausschuss ist heute weit verbreitet.283 276 Siehe Art. 5 Nrn. 1, 2 des Abschlussprüfungsreformgesetzes (AReG) vom 10.5.2016, BGBl. I, 1142, 1149. Zum unabhängigen Finanzexperten monographisch T. MEYER, Finanzexperte, insb. 272–436 und C. NOWAK, Unabhängigkeit, 125–222. 277 K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643; siehe auch C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 209; U. HÜFFER, ZIP 2006, 637, 638 sowie den Bericht der Regierungskommission DCGK an die Bundesregierung, November 2010, 28 f., abrufbar unter . 278 J. VON HEIN, Rezeption, 263 f. 279 Zu dieser Anforderung im Einzelnen T. BAUMS, ZHR 2016, 697, 698–702; T. FLORSTEDT, ZIP 2013, 337, 342 f.; K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 650 f.; N. PASCHOS / S. GOSLAR, NZG 2012, 1361, 1364 f.; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1390 f.; U. HÜFFER, ZIP 2006, 637, 640 f., der konkrete Zahlen nennt. Für feste Quoren im DCGK sprechen sich M. ROTH, ZGR 2012, 343, 351–353, 380 sowie M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 95 f. aus. Die Anforderung einer angemessenen Anzahl unabhängiger Mitglieder ist im Jahr 2012 eingeführt worden, Kodex-Kommentar– A. VON WERDER, Präambel Rn. 206. Vorher bestand das Erfordernis einer „ausreichenden“ Anzahl unabhängiger Mitglieder, vgl. F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 170. 280 § 107 Abs. 3 AktG. Zum Selbstorganisationsrecht des Aufsichtsrats allgemein siehe auch MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 16 f. 281 Zur Entwicklung der Regelung der Ausschussbildung auf EU-, Gesetzes- und Kodex-Ebene siehe M. LUTTER, EuZW 2009, 799, 803. 282 So zum Prüfungsausschuss C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 148 f.; vgl. auch J. VON HEIN, Rezeption, 266. Gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 AktG sollen die Ausschüsse namentlich Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats vorbereiten sowie die Ausführung seiner Beschlüsse überwachen. § 107 Abs. 3 S. 3 AktG regelt die

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Bei der Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas in Deutschland dienten folglich das britische Recht und die Entwicklung auf europäischer Ebene als Regelungsvorbild. Die Ausgestaltung des Instruments der Unabhängigkeit fand dabei jedoch mit einer gewissen Zurückhaltung statt. Dies zeigt sich auch darin, dass die in Anbetracht der vergleichsweise konzentrierten Anteilseignerstruktur essentielle Unabhängigkeit vom Kontrollaktionär erst relativ spät Eingang in den Kodex gefunden hat.284 d) Stakeholder-Interessen und Blockholder-Strukturen im Wandel In den USA und UK steht die Entwicklung eines unabhängigen Boards als Überwachungsorgan in engem Zusammenhang mit dem shareholder valueAnsatz. Unabhängige Direktoren werden als „Treuhänder“ der Allgemeinheit der Aktionäre in Gesellschaften mit Streubesitz betrachtet, auch wenn sich die bestehenden Konflikte in jüngerer Zeit zu verschieben beginnen.285 Auch in Deutschland galt vor Entstehen des Aufsichtsrats als separatem Organ bis ins 19. Jahrhundert der Vorstand als „Mandatar“ der Aktionäre.286 Diese Ausrichtung wandelte sich jedoch und heute gilt Deutschland als Pionier eines Stakeholder-Modells. 287 Nach ständiger Rechtsprechung müssen Vorstand und Aufsichtsrat das „Unternehmensinteresse“ und damit nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern aller am Unternehmen Beteiligten berücksichtigen (Interessenpluralität). 288 Auch der DCGK verpflichtet in Ziff. 4.4.1 den Vorstand und über Ziff. 5.5.1 auch den Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse.289 Die Mitglieder des Aufsichtsrats – Arbeitnehmervertreter und auch Anteilseignerseite – gelten danach nicht als InteressenverGegenstände, welche einem Ausschuss nicht anstelle des gesamten Aufsichtsrats zur Beschlussfassung übertragen werden dürfen. 283 Siehe, auch allgemein zu den Ausschüssen des Aufsichtsrats, ROTH, Corporate Boards, 253, 301–303; vgl. auch M. ROTH, ZGR 2012, 343, 353–361; G. CROMME, Konvergenz, 283, 287. 284 Siehe dazu im Folgenden d) und e). 285 Siehe oben II.2.a) und c) sowie III.1.c). 286 T. BAUMS, Aufsichtsrat, 188, 194 f.; vgl. K. J. HOPT, German Two-Tier Board, 227, 230. 287 So etwa M. ROTH, Corporate Boards, 253, 262 f. Zum Zusammenhang mit der Einführung des Aufsichtsrats als zwingendem Organ im Gegenzug für die Abschaffung der staatlichen Kontrolle siehe K. J. HOPT, German Two-Tier Board, 227, 230. 288 Siehe nur BVerfGE 50, 290, 374 (1.3.1979, 1 BvR 532/77); BGHZ 36, 296, 306 und 309 f. (29.1.1962, II ZR 1/61). Im Gegensatz zum AktG von 1937 enthält das AktG von 1965 den Begriff des Unternehmensinteresses nicht. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass er der Sache nach weiterhin Gültigkeit besitzt, H. MERKT, Corporate Governance, 231, 244; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 332. 289 Der Kodex greift damit die früher explizit im AktG geregelte „Gemeinwohlklausel“ wieder auf, H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 124 Rn. 3.43.

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treter, sondern sollen bestehende Loyalitäten nur insoweit berücksichtigen, als diese nicht dem Unternehmensinteresse zuwiderlaufen.290 Dennoch ist die Ausrichtung des Unternehmenszwecks heute umstritten.291 Der Begriff des Unternehmensinteresses ändert nichts daran, dass aufgrund des zunehmend internationalen Wettbewerbs um Kapital ein faktischer Zwang zur Gewinnorientierung besteht. 292 Die Aktionärsinteressen stellen damit einen wesentlichen Teil des Unternehmensinteresses dar und die Verwaltung ist angehalten, den Gedanken des shareholder value in besonderem Maße zu berücksichtigen.293 Aufgrund dieser faktischen Zwänge des Marktes sowie des Umstands, dass das AktG sich nicht explizit äußert und der Kodex an erster Stelle die Belange der Aktionäre nennt, dürfte für Deutschland der auch im britischen Kontext gebrauchte Begriff des enlightened shareholder value am ehesten passen.294 Letztlich ist auch die Verfolgung der Aktionärsinteressen kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Steigerung des Unternehmenswerts oder der Förderung der Interessen der Gesellschaft insgesamt.295 In der Praxis dürften sich die beiden Ansätze daher heutzutage nicht wesentlich voneinander unterscheiden. 296 Dennoch wird aber deutlich, dass die Funktion des Vorstands und des diesen überwachenden Aufsichtsrats weniger eng mit dem Gedanken des shareholder value verknüpft ist als die des monistischen Monitoring Boards. Nicht nur das Unternehmensverständnis weicht vom US-amerikanischen ab. Die Rezeption des dortigen Gesellschaftsrechts und die Übertragbarkeit KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 95 Rn. 13 f.; vgl. MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 13. 291 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 332; siehe auch H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 124 f. Rn. 3.43. 292 G. BACHMANN, AG 2011, 181, 186; vgl. MüKo AktG (2008)–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 63; H. MERKT, Corporate Governance, 231, 245. 293 Vgl. GK AktG–M. KORT, § 76 Rn. 59. 294 So auch M. ROTH, Corporate Boards, 253, 263 und 332 f.; vgl. M. ROTH, ZGR 2012, 343, 349. Zum Vereinigten Königreich siehe oben III.1.c) Fn. 181. Eine Überordnung der Aktionärsinteressen befürwortet auch H. FLEISCHER, Shareholders vs. Stakeholders, 185, 195–197, der die h. M. jedoch noch eher auf der Seite derjenigen sieht, die eine solche Gewichtung ablehnen. Die Zielfunktion eines stakeholder value bleibe unklar und erschwere die Messbarkeit des Erfolgs der Geschäftsführung, ibid., 193; ähnlich K. J. HOPT, Am J Comp L 59 (2011) 1, 29; DERS., German Two-Tier Board, 227, 237 f.; vgl. auch L. ENRIQUES / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Governance Structure, 89, 103 f. 295 J. ARMOUR / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Corporate Law, 1, 28 f.; E. B. ROCK, U Pen L Rev 161 (2013) 1907, 1911. 296 Siehe dazu H. FLEISCHER, Shareholders vs. Stakeholders, 185, 197 f.; vgl. M. ROTH, Fordham J Corp & Fin L 18 (2013) 751, 783 f.; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 341 m. w. N. A. A. wohl J. VON HEIN, Rezeption, 861 f. Eingehend zum Verhältnis von Stakeholder- und Shareholder-Interessen vor dem Hintergrund der organschaftlichen Pflichten des Vorstands und einschließlich rechtsökonomischer Überlegungen sowie eines rechtsvergleichenden Überblicks H. FLEISCHER, Shareholders vs. Stakeholders, 185 ff. 290

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einzelner Institutionen werden nicht zuletzt aufgrund der abweichenden Anteilseignerstrukturen in Kontinentaleuropa skeptisch betrachtet. 297 Dies gilt auch für das Mittel der Unabhängigkeit im Board. Traditionell wird Deutschland als Insider-System mit einem geringen Anteil an Streubesitz und einer großen Zahl an Großaktionären dem US-amerikanischen Outsider-System gegenübergestellt. 298 Während noch vor dem Zweiten Weltkrieg der Kapitalmarkt ähnlich wie in Japan eine größere Rolle spielte als zur gleichen Zeit in den USA,299 entwickelte sich nach dem Krieg ein von Banken, Blockholdern und durch Überkreuzverflechtungen miteinander verwobene Aktionäre dominiertes System, welches den Begriff der „Deutschland-AG“ prägte.300 In diesem spielt der Kapitalmarkt nur eine geringe Rolle301 und feindliche Übernahmen sind selten302. Es wird davon ausgegangen, dass die Überwachungsaufgabe stattdessen von den Banken, weiteren Großaktionären und den über Beziehungsgeflechte miteinander verbundenen Unternehmen übernommen wird.303 Ein Großaktionär oder eine Gruppe von Großaktionären haben die Kontrolle über das Unternehmen inne und ihre Vertreter bilden auch im Aufsichtsrat jedenfalls auf Seiten der Anteilseigner die Mehrheit. 304 Der entscheidende agency conflict liegt in dieser Konstellation nicht zwischen Management und Anlegern, sondern zwischen Mehrheitsaktionären auf der einen und Minderheitsaktionären auf der anderen Seite.305 Die Aufsichtsratsmitglieder waren folglich zwar extern, jedoch keinesfalls unabhängig, sondern vielmehr eng mit dem Management und den J. VON HEIN, Rezeption, 881–883 m. w. N. J. VON HEIN, Rezeption, 882. 299 Siehe zur Rolle des Kapitalmarkts in Japan unten im Rahmen der Entwicklung der Aktionärsstrukturen unter Kapitel 3 – B. 300 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 258. Ausführlich zum System der „DeutschlandAG“ der Nachkriegszeit W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 495–502 und zum korrespondierenden rechtlichen Rahmen 502–507. Aufgrund der Struktur der Verflechtungen verhält sich die gesamte Wirtschaft wie ein einziges großes Unternehmen, verbunden durch gegenseitige Kooperation und Kontrolle, ibid., 501 f. Vgl. auch K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1180. 301 J. VON HEIN, Rezeption, 883; eingehender zum Zustand des deutschen Kapitalmarkts mit Stand 1998 S. PRIGGE, Survey, 943, 986–990; vgl. auch K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1180 sowie M. ROTH, Corporate Boards, 253, 328 f. 302 S. PRIGGE, Survey, 943, 991 f.; S. N. KAPLAN, Corporate Performance, 195, 200. Zum Anstieg der Zahl erfolgreicher Übernahmen in jüngerer Zeit sowie eingehend zum deutschen und japanischen Übernahmerecht in vergleichender Perspektive siehe H. BAUM, Übernahmerecht, 87, insb. 87–89, 95–98 und 105–107. 303 S. N. KAPLAN, Corporate Performance, 195, 196, 200 f.; vgl., insbesondere zur Überwachung durch die Banken, auch W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 501 f. 304 J. VON HEIN, Rezeption, 882; vgl. H. BAUM, Origins, IV.3. 305 J. VON HEIN, Rezeption, 882; W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 495 f.; H. MERKT, Corporate Governance, 231, 251. 297 298

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Großaktionären verbunden. Sie erfüllten insbesondere eine Netzwerkfunktion zwischen den miteinander verflochtenen Akteuren.306 In jüngerer Zeit sind jedoch auch in Deutschland die Aktionärsstrukturen im Wandel befindlich und das abgeschlossene System eines großen Netzwerks erodiert.307 Seit den 90er Jahren geht die Zahl der Großaktionäre zurück, die Überkreuzverflechtungen haben sich zunehmend aufgelöst und die Bankenrepräsentation spielt mit zunehmender Bedeutung des Kapitalmarkts 308 eine geringere Rolle. Die größten deutschen Aktiengesellschaften sind heute durch Streubesitz sowie einen hohen Anteil ausländischer institutioneller Investoren gekennzeichnet. 309 Außerhalb des DAX 30 hingegen dominieren nach wie vor Unternehmen im Familienbesitz. 310 Der bereits angesprochene vergleichsweise geringe Anteil unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland dürfte insbesondere auf die nach wie vor große Zahl dieser Unternehmen sowie der abhängigen Unternehmen in Konzernstrukturen zurückzuführen sein.311 Die heutigen Strukturen sind folglich gekennzeichnet durch einen Dualismus von Streubesitz insbesondere unter den größten Aktiengesellschaften und konzentrierten Aktionärsstrukturen unter den sonstigen Gesellschaften. 312 Der entscheidende Konflikt liegt je nach Unternehmen zwischen Management und Aktionären oder zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären.313 e) Funktion und Qualifikation unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder In den USA und UK dient das unabhängige Board dem Schutz der Aktionäre durch Überwachung, welche die Unabhängigkeit vom Management als Kontrollobjekt voraussetzt. Demgegenüber sollen in Deutschland die Aufsichts306 S. PRIGGE, Survey, 943, 960 f. Zu den Netzwerken und dem Zusammenhang mit Zusammensetzung und Funktion des Boards siehe auch K. J. HOPT, German Two-Tier Board, 227, 233–235. 307 Siehe dazu eingehend und überzeugend W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 508–526; ebenso T. MEYER, Finanzexperte, 151–153; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 258 und 339 f.; vgl. J. VON HEIN, Rezeption, 899 f. Ringe misst dem Wandel der Aktionärsstruktur eine große Bedeutung bei. Dabei sieht er nicht nur die Marktkräfte als Auslöser für den Wandel, sondern umgekehrt auch die Gesetzgebung, welche auf die Aktionärsstrukturen Einfluss genommen habe. W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 526–536, insb. 535. 308 Zur zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte und des Kapitalmarktrechts für die börsennotierten Aktiengesellschaften siehe auch MüKo AktG–G. SPINDLER, Vor § 76 Rn. 5 f. und 59–71; GK AktG–K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 21 f.; GK AktG–M. KORT, Vor § 76 Rn. 33 f. 309 Siehe dazu auch P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 393. 310 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 259 f. 311 H. BAUM, Origins, IV.3.; vgl. M. ROTH, Corporate Boards, 253, 304. 312 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 258. 313 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 263 f.

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ratsmitglieder gerade nicht als Interessenvertreter fungieren, sondern sind wie der Vorstand dem Unternehmensinteresse verpflichtet.314 Vor diesem Hintergrund wird vertreten, die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern solle verhindern, dass diese ihr Handeln an Sonderinteressen Dritter ausrichten, die dem Interesse des Unternehmens entgegenstehen.315 Damit bleibt die Funktion der unabhängigen Mitglieder innerhalb des Aufsichtsrats jedoch unklar. Die Tätigkeit des Organs insgesamt soll zwar dem Unternehmensinteresse dienen, die Unabhängigkeit eines einzelnen Mitglieds von sämtlichen Partikularinteressen ist hingegen zum einen praktisch schwierig umzusetzen. Zum anderen führt sie zu der in den USA bereits geführten Diskussion um die fehlende Abhängigkeit bzw. greifbare Verantwortlichkeit und damit auch Effektivität unabhängiger Mitglieder des Kontrollorgans.316 Auch unter Berücksichtigung des von den verschiedenen StakeholderInteressen geprägten Begriffs des Unternehmensinteresses sollte die Funktion unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder daher vor dem Hintergrund des herrschenden agency conflicts präzisiert werden.317 Der Begriff der Unabhängigkeit sollte nicht mit der Freiheit von jeder Art von Interessenkonflikt gleichgesetzt, sondern derart gefasst werden, dass er den im Unternehmen bestehenden Kontrolldefiziten entgegenwirkt.318 Die Behauptung, der Bedarf an unabhängiger Überwachung stelle sich aufgrund der Dominanz von Großaktionären im deutschen Umfeld nicht, 319 ist dabei unzutreffend. Zum einen stellt sich bei Kontrolle eines oder einer Gruppe von Aktionären die Frage nach dem Schutz der Minderheitsaktionäre und sonstigen Stakeholder. Der Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären wird zwar vom Konzernrecht und den Regelungen des Übernahmegesetzes erfasst,320 ein vom Kontrollaktionär unabhängiges Aufsichtsratsmitglied kann aber gleichfalls die Funktion des Minderheitenschutzes Siehe oben d). K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 643 f.; H. DIEKMANN / K. BIDMON, NZG 2009, 1087, 1090. 316 Zu dieser siehe oben II.4.c). 317 Vgl. dazu T. FLORSTEDT, ZIP 2013, 337, der von zwei Abhängigkeitstypen spricht, die sich zur Präzisierung des nichtssagenden Ideals des völlig uninteressierten Direktors herausgebildet hätten. 318 So treffend M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445, 446; vgl. auch T. FLORSTEDT, ZIP 2013, 337, 339. 319 Siehe J. VON HEIN, Rezeption, 899–902 m. w. N., der dieser Auffassung ebenfalls kritisch gegenüber steht. Jedenfalls zu Beginn der Bewegung auf europäischer Ebene wurde in Deutschland zum Teil argumentiert, dass gerade Vertreter von Großaktionären als unabhängig anzusehen seien, P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 404. 320 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 264 f.; zur Rolle des Konzernrechts vgl. auch kritisch W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 504 f. 314 315

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übernehmen und den bereits bestehenden Schutz ergänzen. 321 Zum anderen ist die Aktionärsstruktur gerade der größten Unternehmen zunehmend durch Streubesitz gekennzeichnet. Hier können Unabhängigkeitsanforderungen dazu beitragen, dass der Aufsichtsrat die Interessen der Allgemeinheit der Aktionäre bzw. weiterer Stakeholder bei seiner Arbeit hinreichend berücksichtigt. 322 Die Empfehlung der EU-Kommission zu unabhängigen Mitgliedern in Aufsichts- bzw. Verwaltungsräten differenziert daher zurecht zwischen diesen beiden Zielkonflikten in Abhängigkeit von den herrschenden Beteiligungsverhältnissen.323 Der auf der Empfehlung aufbauende DCGK verbindet materielle Unabhängigkeitsregeln mit Regeln zur Transparenz.324 Durch die Neufassung des Kodex im Jahr 2012 sind die Anforderungen an unabhängige Aufsichtsratsmitglieder verschärft worden. 325 Der zweite Satz der Ziff. 5.4.2 des Kodex lautet nunmehr: „Ein Aufsichtsratsmitglied ist im Sinn dieser Empfehlung insbesondere dann nicht als unabhängig anzusehen, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann.“326 Vgl. J. VON HEIN, Rezeption, 900. Zum unabhängigen Direktor als Mittel einer trusteeship strategy zum Schutz der Minderheitsaktionäre siehe auch L. ENRIQUES / H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Governance Structure, 89, 94–96. Kritisch zur Effektivität unabhängiger Direktoren als Monitore insbesondere bei konzentrierten Aktionärsstrukturen hingegen M. GUTIÉRREZ / M. SAÉZ, JCLS 13 (2013) 63 ff. 322 Hopt und Roth etwa betonen, dass Streubesitz zu einer stärkeren Stellung des Vorstands führt, da kein Aktionär entscheidenden Einfluss ausüben kann, GK AktG– K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 12. Unabhängigkeitsanforderungen könnten zu einer Stärkung der Position der Aktionäre gegenüber dem Vorstand führen. 323 Siehe etwa Erwägungsgrund 7 der Empfehlung 2005/162 der Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L52 v. 25.2.2005, 52. Siehe dazu auch M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445, 446; F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 169 f. Damit steht sie im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht, welches für Gesellschaften mit Kontrollaktionär gerade auf einen wesentlichen Teil der Anforderungen an unabhängige Direktoren verzichtet, siehe oben II.4.c). 324 Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1376. Zu den Anforderungen an die Offenlegung von Interessenkonflikten siehe K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 651 f. sowie M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 96–99 zu einer alten Fassung des Kodex. 325 K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643; M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445; V. BUTZKE, Interessenkonflikte, 229, 232 f. Kritisch zu den Änderungen K. J. HOPT, DCGK, 563, 580–584, der bemängelt, dass die Frage der Sachkunde im Verhältnis zur Unabhängigkeit zu wenig Aufmerksamkeit bekommen habe. 326 Darüber hinaus enthält der Kodex in Ziff. 5.4.2 sowie 5.5 weitere Regelungen zu Interessenkonflikten und Vorgaben zur Transparenz. Eingehend zum Verhältnis von Interessenkonflikt und Unabhängigkeitsgebot für den Aufsichtsrat T. MEYER, Finanzexperte, 96– 321

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Unter anderem die Anforderung der Unabhängigkeit vom Kontrollaktionär ist erst mit der besagten Reform eingeführt worden und folgt damit dem Vorbild des UK CGC.327 Dadurch wird der Funktion des Schutzes der Minderheitsaktionäre in der nach wie vor großen Zahl der Gesellschaften mit Kontrollaktionär eine deutlich größere Bedeutung beigemessen. 328 Unabhängige Aufsichtsratsmitglieder müssen seitdem kurz gesagt zwei wesentlichen Anforderungen entsprechen: der Unabhängigkeit vom Vorstand und der Unabhängigkeit vom Kontrollaktionär, sofern ein solcher vorhanden ist.329 Unabhängigkeit meint dabei das Fehlen potentieller „wesentlicher“ Interessenkonflikte und erfasst damit nur eine „Teilmenge aus der Gesamtmenge der Interessenkonflikte“.330 Die Regelung der Ziff. 5.4.2 enthält nach wie vor keine positive Definition des Unabhängigkeitsbegriffs und auch keine detaillierte und abschließende Liste an Negativkriterien.331 Insoweit weicht die Bestimmung nicht nur von der strikten gesetzlichen Regelung in den USA, sondern auch von den detaillierteren Vorgaben der Empfehlung der EU-Kommission sowie dem UK 125; siehe auch M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 99–181; F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 171–172; J. VON HEIN, Rezeption, 262–264; M. ROTH, Corporate Boards, 253, 324–328; V. BUTZKE, Interessenkonflikte, 229 ff., insb. 230–235. 327 H. BAUM, Origins, IV.3. Eingehend zu dieser Anforderung T. FLORSTEDT, ZIP 2013, 337 ff.; siehe auch T. BAUMS, ZHR 2016, 697, 698–702; C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 216–219; M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445, 447–449; K. HASSELBACH /  J. JAKOBS, BB 2013, 643, 647 f.; N. PASCHOS / S. GOSLAR, NZG 2012, 1361, 1362 f.; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1380 und noch zum Entwurf der KodexKommission F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 172 f. 328 Kritisch zu der Regelung U. HÜFFER, ZIP 2006, 637, 642, welcher den Schutz der Minderheitsaktionäre allein als Aufgabe des Konzernrechts ansieht; vgl. auch MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 12 („Spannungsverhältnis“); dagegen aus rechtsvergleichender Sicht J. VON HEIN, Rezeption, 451–453. Die Unabhängigkeit vom kontrollierenden Aktionär wurde auch auf dem DJT 2012 kontrovers diskutiert, D. RUBNER, NJWSpezial 2012, 655. Vor der Kodexänderung von 2012 ging wohl die h. M. davon aus, dass in diesen Fällen die Anforderungen an die Unabhängigkeit erfüllt sind, H. DIEKMANN /  K. BIDMON, NZG 2009, 1087, 1089 m. w. N. sowie 1090 f. 329 Deutlich T. BAUMS, ZHR 2016, 697, 699, der von „zwei Prüfungen“ spricht. 330 C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 207 f. Kumpan setzt sich in seiner Arbeit grundlegend mit dem Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht auseinander und geht dabei auch auf die Unabhängigkeit im Aufsichtsrat ein, ibid., 201–223. 331 Eingehend zum Unabhängigkeitsbegriff nach dem Kodex M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445 ff.; K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 644–650 und speziell vor dem Hintergrund der Änderungen von 2012 N. PASCHOS / S. GOSLAR, NZG 2012, 1361, 1361– 1364; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1378–1398. Zur Fassung vor 2012 sowie den Vorschlägen der Kodex-Kommission siehe auch F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168 ff. Vgl. zu einer älteren Fassung des Kodex auch eingehend K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 113–119 zu den rechtlichen Grundlagen der Unabhängigkeit sowie 127–217 eingehend zu den Fallgruppen der Unabhängigkeitsbestimmungen in Gesetz und Kodex.

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CGC ab.332 Durch die Formulierung „insbesondere“ lässt sie zudem wie die Regelung im Vereinigten Königreich Raum für ein strengeres Verständnis des Unabhängigkeitsbegriffs in den einzelnen Unternehmen.333 Die Entscheidung darüber, wer als unabhängig gilt, liegt der Empfehlung entsprechend beim Aufsichtsrat. Bis zur Reform 2012 enthielt der Kodex jedoch keine Anforderungen an die Offenlegung zu Fragen der Unabhängigkeit und auch jetzt sind die Einzelheiten umstritten. 334 Erst mit den im Februar 2017 beschlossenen Kodex-Änderungen wurde die Regelung aufgenommen, dass Aufsichtsräte über die ihrer Ansicht nach angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder informieren sowie deren Namen veröffentlichen sollen.335 Jedenfalls die Angestellten des Unternehmens auf der Seite der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind bereits nicht unternehmensextern und können nach der hier verwendeten Begriffssystematik denklogisch nicht unabhängig sein. 336 Eine zu einem Interessenkonflikt führende Beziehung im Sinne der Ziff. 5.4.2 dürfte in diesen Fällen gegeben sein.337 Geht man mit der wohl herrschenden Meinung 338 von einer Abhängigkeit der Arbeitnehmervertreter aus, so hat dies erhebliche Auswirkungen auf die unabhängige 332 Zur Abweichung von der EU-Empfehlung und dem Streit um Auslegung und Ergänzung des Kodex vor dem Hintergrund der Empfehlung siehe auch M. ROTH, Corporate Boards, 253, 305 und 307 f.; vgl. M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 628 f. 333 Von Regelbeispielen sprechen daher K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 645. Siehe auch die Begründung bei Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1377. Gegen die Erfassung weiterer Beziehungen hingegen M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445, 446. 334 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 304 und 356; näher: DERS., WM 2012, 1985, 1988. Zu den Rechtsfolgen von Unabhängigkeit und fehlender Unabhängigkeit sowie bestehenden Interessenkonflikten in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds siehe F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 174–176; K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 99–106; eingehend T. MEYER, Finanzexperte, 125–145. 335 Pressemitteilung der Regierungskommission DCGK vom 14.2.2017, abrufbar unter . 336 So auch im Ergebnis M. ROTH, Corporate Boards, 253, 308. Auch die Gewerkschaftsvertreter weisen als Vertreter einer Arbeitnehmerorganisation zumindest eine enge Verbindung zum Unternehmen auf. Zu den Begrifflichkeiten ausgehend vom non-executive director siehe oben B. I. 337 Habersack spricht davon, dass die Arbeitnehmermitbestimmung „nachgerade auf die Institutionalisierung eines Interessenkonflikts hinaus[läuft]“, MüKo AktG–M. HABERSACK, Vor § 95 Rn. 12. 338 Zur Diskussion um die Unabhängigkeit von Arbeitnehmervertretern siehe M. ROTH, Corporate Boards, 253, 308 f.; DERS., ZHR 175 (2011) 605, 621, 630 f. m. w. N.; T. BAUMS, ZHR 2016, 697, 703–705; C. KUMPAN, Interessenkonflikt, 213–216; M. STEPHANBLOME, NZG 2013, 445, 450 f.; K. HASSELBACH / J. JAKOBS, BB 2013, 643, 649 f.; N. PASCHOS / S. GOSLAR, NZG 2012, 1361, 1363 f.; Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1384 f; F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168, 173.

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Besetzung des Boards. Eine Besetzung nach dem Modell des super-majority independent board oder eine auch nur mehrheitlich unabhängige Besetzung scheiden damit von vornherein aus.339 Losgelöst von den Auswirkungen der Mitbestimmung auf die unabhängige Besetzung des Aufsichtsrats hat das Verhältnis von Unabhängigkeit und sonstigen Qualifikationen in Deutschland schon bislang eine vergleichsweise große Rolle gespielt.340 Zudem herrscht seit der Finanzkrise mehr als in den USA und ähnlich der Entwicklung im Vereinigten Königreich zunehmend Skepsis an einer alleinigen Betonung des Gedankens der Unabhängigkeit. Die Professionalisierung des Aufsichtsrats tritt in den Vordergrund. 341 Der Kodex-Kommentar stellt daher nunmehr klar, dass in der Unterscheidung zwischen unabhängigen und abhängigen Aufsichtsratsmitgliedern kein Qualifikationskriterium, sondern ein Ordnungskriterium zu sehen ist.342 Die in einem Spannungsverhältnis stehenden Qualifikationen der Unabhängigkeit auf der einen und der Kompetenz, insbesondere Branchenkenntnis und Unternehmenskenntnis, auf der anderen Seite sollen in ein Gleichgewicht gebracht werden. 343 Darüber hinaus wird geltend gemacht, dass der Wandel hin zu mehr mitunternehmerischer Verantwortung und aktiver Gestaltung Kompetenzen verlange, die im Aufsichtsrat als Teil des Netzwerks der DeutschlandAG nicht gefordert waren.344 339 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 339 und bezogen auf die Bestzung der Ausschüsse DERS., ZGR 2012, 343, 354. Zur Notwendigkeit einer Fortentwicklung der Arbeitnehmermitbestimmung vor dem Hintergrund der Unabhängigkeitsanforderungen DERS., ZHR 175 (2011) 605, 621, 638–642. 340 Einen Überblick über die Anforderungen an den Aufsichtsrat als Organ sowie dessen Mitglieder bietet T. MEYER, Finanzexperte, 161–187; siehe auch J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 96–101; E. SCHWARK, Vorstand und Aufsichtsrat, 75, 103–107. 341 K. J. HOPT, Professionalisierung, 175 und kritisch zur bisherigen Vernachlässigung der Expertise DERS., DCGK, 563, 582 f. Zur Professionalisierung des Aufsichtsrats siehe insb. D. WEBER-REY, Professionalisierung, 161 ff.; M. LUTTER, Professionalisierung, 139 ff.; C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 143–150 und kritisch zur Entwicklung A. CAHN, Professionalisierung, 139 ff. sowie KölnKomm AktG–H.-J. MERTENS / A. CAHN, Vorb. § 95 Rn. 7. Die Kodex-Kommission sieht die Professionalisierung des Aufsichtsrats als eines ihrer wesentlichen Ziele, Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1200. 342 Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 206; vgl. auch D. WEBER-REY, NZG 2013, 766, 767 („kein Unwerturteil“); G. CROMME, Konvergenz, 289 („kein Makel“). 343 D. WEBER-REY, Professionalisierung, 161, 165 f.; vgl. F. SCHOLDERER, NZG 2012, 168. Allgemein zum Spannungsverhältnis zwischen Objektivität und Nähe, welche die Informationsversorgung erleichtert, K. OBERHOFER, Unabhängigkeit, 77–79. Kritisch zur Betonung der Gegensätzlichkeit von Unabhängigkeit und Sachkunde M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 626. 344 M. LUTTER, EuzW 2009, 799, 802, der den Aufsichtsrat auf diese Aufgabe unzureichend vorbereitet sieht.

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Während das AktG der Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder mit großer Zurückhaltung begegnet, 345 enthält der Kodex seit der Reform 2010 in Ziff. 5.4.1 immerhin die Anforderung, dass der Aufsichtsrat derart zusammengesetzt sein soll, dass er insgesamt über die für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrung verfügt. 346 Diese recht vage Anforderung findet sich gleich zu Beginn des Abschnitts zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats und vor der Regelung zur Unabhängigkeit, sodass ihr der Kodex eine besondere Bedeutung beizumessen scheint.347 3. Kritik am unabhängigen Aufsichtsrat und jüngere Entwicklungen Externe Direktoren wurden – wenn auch ohne Verwendung des entsprechenden Schlagworts – bereits mit Einführung des Aufsichtsrats faktisch fester Bestandteil der deutschen Aktiengesellschaft. Hinsichtlich der Ernennung unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder hingegen herrscht nach wie vor Zurückhaltung und die Frage der fachlichen Qualifikation rückt zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussion. Die Zahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder ist dabei nicht zuletzt aufgrund struktureller Unterschiede wie der Arbeitnehmermitbestimmung und den Regelungen des Konzernrechts im internationalen Vergleich sehr gering. Darüber hinaus wird – vermittelt über Entwicklungen auf europäischer Ebene – in jüngerer Zeit vermehrt die Bedeutung der Abschlussprüfung im Corporate Governance-Gefüge sowie die Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfern und Aufsichtsrat diskutiert.348 Ungeachtet dieser Entwicklungen und der Stimmen, die keinen Bedarf an Unabhängigkeit im Aufsichtsrat sehen, ist allerdings auch in Deutschland die Diskussion um die richtige Ausgestaltung des Organs und der UnabhängigZu den gesetzlichen Mindestanforderungen siehe Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1316 f. Zum Sachverstand nach § 100 Abs. 5 AktG siehe T. MEYER, Finanzexperte, 276–293. Anders hingegen Dreher, der bereits aus den gesetzlichen Bestimmungen Anforderungen an eine Mindestgesamtqualifikation des Aufsichtsrats ableitet, M. DREHER, Gesamtqualifikation, 313, 316–319. Zur nach wie vor gültigen Leitlinie des BGH zur Mindestqualifikation des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds siehe ibid., 313. 346 Zum Zusammenhang mit der angemessenen Beteiligung von Frauen sowie der gesetzlichen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat siehe H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 200 f. Rn. 3.156/3.157. Zu den gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Geschlechterquoten in Aufsichtsrat und Vorstand siehe DERS., Der Konzern 2011, 519–530. Zudem fordert Ziff. 5.3.2 S. 2, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses über besondere Kenntnisse und Erfahrung im Bereich der Rechnungslegung und interner Kontrollverfahren verfügt. Diese Regelung geht auf das US-amerikanische Vorbild des financial expert zurück, J. VON HEIN, Rezeption, 266 f. 347 So auch M. ROTH, Corporate Boards, 253, 303 („[…] the German Corporate Governance Code places experience above all else“). Zu den Anforderungen des Kodex im Einzelnen siehe Kodex-Kommentar–T. KREMER, Aufsichtsrat Rn. 1318–1363. 348 Siehe etwa K. J. HOPT, ZGR 2015, 186 ff., insb. 201–203. 345

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keitsanforderungen nicht abgeschlossen. Exemplarisch sei hier die Frage nach der richtigen Anreizsetzung für den Aufsichtsrat und damit insbesondere auch für seine unabhängigen Mitglieder angesprochen. Zudem erfährt die gegenwärtige „Verrechtlichung“ der Kodex-Regulierung in nicht unerheblichem Umfang Kritik.349 a) Vergütung, Haftung und die „Kontrolle der Kontrolleure“ Der Aufsichtsrat dient wie auch das Monitoring Board dazu, die durch die Trennung von Eigenkapitalgeber- und Management-Funktion entstandenen agency costs zu reduzieren. Diese hängen wesentlich von den herrschenden Aktionärsstrukturen ab. Soll nun das Kontrollorgan das Kontrollobjekt zugunsten der schutzwürdigen Partei überwachen, stellt sich die Frage nach der „Kontrolle des Kontrolleurs“.350 Da das Kontrollorgan gerade deshalb erforderlich ist, weil der Prinzipal zu einer Überwachung des Agenten selbst nicht in der Lage ist, wird er auch das Kontrollorgan nur begrenzt, etwa über sein Wahlrecht, überwachen können. Die Anreizsetzung mittels Vergütung und Haftung spielt daher eine entscheidende Rolle.351 Aufgabe muss es sein, den Aufsichtsrat zu motivieren, von den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch im nötigen Maße Gebrauch zu machen.352 Die Frage nach einer angemessenen Vergütung und dem Nutzen einer leistungsorientierten Vergütung für Aufsichtsratsmitglieder wird heftig diskutiert.353 Philipp Lederer kommt in seiner rechtsvergleichenden Untersuchung zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern zu dem Ergebnis, dass sich insbesondere bei Direktoren, die nicht von einem Großaktionär entsandt sind, die Frage 349 Darüber hinaus werden wie auch in den USA und dem Vereinigten Königreich unter anderem Defizite wie fehlender Zeiteinsatz aufgrund der Ausgestaltung als Nebenamt diskutiert, siehe z. B. T. MEYER, Finanzexperte, 450–456. Zudem stellt im zweigliedrigen System die hinreichende Versorgung des Aufsichtsrats mit Informationen ein zusätzliches Problem dar, K. J. HOPT / P. C. LEYENS, ECFR 1 (2004) 135, 147 und deutlich kritisch P. DAVIES, ZGR 2001, 268, 284–286. 350 So zur Überwachung durch den Aufsichtsrat etwa T. BAUMS, Aufsichtsrat, 188, 192–194. 351 Vgl. für den Aufsichtsrat T. BAUMS, Aufsichtsrat, 188, 193. Bainbridge etwa spricht sich im US-amerikanischen Kontext gerade deshalb für die director primacy aus, weil eine Abgabe von Entscheidungsmacht an ein kleines Gremium und eine Letztverantwortlichkeit der Aktionäre als Eigentümer sich gerade widersprächen. Nur durch eine klare Trennung der Verantwortlichkeit sei die Kette der Kontrolle des Kontrolleurs zu durchbrechen. Siehe dazu oben II.4.c). 352 Deutlich M. LUTTER, ZGR 2001, 224, 229. 353 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 330. Zur Vergütung des Aufsichtsrats, insbesondere dem Streit und der Rechtsprechung zur leistungsorientierten Vergütung siehe J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 113–117 und eingehend M. VICIANO GOFFERJE, Unabhängigkeit, 207–235; vgl. auch E. SCHWARK, Vorstand und Aufsichtsrat, 75, 114–116.

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

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nach der Gewährleistung eines hinreichenden Kontrollinteresses stelle.354 Da eine Vergütung in erheblichem Umfang jedoch eine Abhängigkeit vom Unternehmen und dessen Management begünstige, sei insbesondere eine ausgewogene Haftungsandrohung einer sorgfältigen Überwachung zuträglich.355 Von den 30ern bis in die 90er Jahre spielte die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern kaum eine Rolle. Im Gleichlauf mit den gestiegenen Anforderungen an die Arbeit des Aufsichtsrats hat die Zahl der Haftungsfälle jedoch zugenommen. 356 Ausgangspunkt war die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH.357 In dieser erkannte das Gericht ein unternehmerisches Ermessen des Vorstands an, entschied jedoch, dass dem Aufsichtsrat bei der Ausübung seiner Überwachungstätigkeit grundsätzlich kein Ermessensspielraum zukomme. Ein solcher bestehe nur insoweit, als das Gesetz auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt.358 Im Jahr 2005 wurden die in der genannten Entscheidung erarbeiteten Prinzipien und damit eine business judgment rule nach US-amerikanischen Vorbild kodifiziert.359 Über § 116 S. 1 AktG gilt die Regelung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch für den Aufsichtsrat. Die strikte Haftung bei Kontrollmaßnahmen wird kritisiert und eine Fortentwicklung der Rechtsprechung angeregt. Die Entscheidung sei vor Rezeption des unabhängigen Direktors und der Durchsetzung unabhängiger Ausschüsse ergangen. Aufgrund dieser Entwicklung sei ein Gleichlauf des Maßstabs bei Überwachung und unternehmerischen Entscheidungen wie im Gesellschaftsrecht Delawares angezeigt. 360 Zum Teil wird bereits eine erdrückende Wirkung der Haftungsrisiken bemängelt. Diese seien so hoch, dass die Verfolgung des Unternehmensinteresses aufgrund von Risikoaversion und Selbstschutz der Aufsichtsratsmitglieder Schaden nehme.361 Ein mit der Kodex-Regulierung eingeführtes Haftungsrisiko besteht zudem bei fehlender oder unrichtiger Entsprechenserklärung nach § 161 AktG zur Befolgung des Kodex, wobei auch hier die Einzelheiten umstritten sind.362 P. LEDERER, Haftung, 231. P. LEDERER, Haftung, 232. 356 M. ROTH, JCLS 8 (2008) 337, 340; J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 144 f. Zur Haftung der Aufsichtsratsmitglieder siehe auch T. MEYER, Finanzexperte, 139–145, 182 f., 433–436; B. EIBELSHÄUSER, Unternehmensüberwachung, 204–216. Teilweise wird auch im deutschen Kontext argumentiert, dass die Zahl an Haftungsfällen allein nicht aussagekräftig sei, da die Reputation der Betroffenen für die Motivation eine entscheidende Rolle spiele. Siehe etwa J. SEMLER, Practice, 267, 279 f. 357 BGHZ 135, 244 (21.4.1997, II ZR 175/95) = NJW 1997, 1926. Siehe dazu auch M. ROTH, JCLS 8 (2008) 337, 340 f.; MüKo AktG-M. HABERSACK, § 116 Rn. 39. 358 BGHZ 135, 244, 254 f. (21.4.1997, II ZR 175/95) = NJW 1997, 1926, 1928. 359 H. MERKT, Corporate Governance, 231, 250. 360 Siehe etwa M. ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 634 f. 361 D. WEBER-REY, NZG 2013, 766, 768 f. 362 J. J. DU PLESSIS u. a., German Corporate Governance, 141 f. Zu möglichen Haftungstatbeständen siehe etwa K. J. HOPT, Unternehmensführung, 27, 55–57. In einem 354 355

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Die Diskussion um eine angemessene Anreizsetzung als wesentliche Voraussetzung für eine effektive Arbeit des Aufsichtsrats wird angeregt geführt. Die Auswirkungen der Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds scheinen dabei bislang jedoch noch wenig Berücksichtigung gefunden zu haben. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Japan. Zwar rücken dort Fragen der Haftung und Vergütung der Direktoren zunehmen in den Mittelpunkt, eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Anreizregulierung externer und unabhängiger Board-Mitglieder hat jedoch auch in Japan bislang nur in Ansätzen stattgefunden.363 b) Beförderung einer „Abweichungskultur“ und Forderungen nach einer Entrechtlichung der Corporate Governance Nach dem Grundgedanken der Kodex-Regulierung sollen die Erklärungen der Unternehmen für Transparenz sorgen. Der Kodex soll zum einen Anreize zur Befolgung der Empfehlungen setzen, zum anderen jedoch auch begründete Abweichungen ermöglichen. 364 Obwohl, anders als etwa im Vereinigten Königreich, bereits viele gesetzliche, zwingende Regelungen bestehen, ist auch die Übereinstimmungsrate mit dem Kodex insbesondere unter den größten Unternehmen in Deutschland sehr hoch.365 In der Praxis stellt sich daher die Frage, ob dem Gedanken der Anpassung der Corporate Governance an die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen hinreichend Rechnung getragen wird. Kritisiert wird insbesondere, dass dem Kodex mit seiner gesetzlichen Verankerung in § 161 AktG eine starke faktische Bindungswirkung zukomme. Abweichungen von den Empfehlungen würden vom Kapitalmarkt ungeachtet der Erklärungen negativ bewertet. 366 Gregor Bachmann hält dem zurecht entgegen, dass der Mechanismus einer Bewertung durch den Markt nur funkjüngeren Beitrag sieht Hopt allerdings eine geringe praktische Relevanz von Schadensersatzprozessen in diesen Fällen und betrachtet die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen als verbleibendes Sanktionsmittel, DERS., DCGK, 563, 575. 363 Siehe dazu unten Kapitel 4 – G. Allerdings wird in Japan das Haftungsrisiko insbesondere für externe und unabhängige Direktoren bislang als niedrig eingestuft. Zur auch in Japan eingeführten Spielart einer business jdugment rule siehe unten Kapitel 3 – D. II.1.a). 364 K. J. HOPT, DCGK, 563, 568 f.; vgl. J. VON HEIN, Rezeption, 255 f. Allgemein zu Kommunikations- und Ordnungsfunktion des Kodex auch Kodex-Kommentar–A. VON WERDER, Präambel Rn. 102–104. 365 M. ROTH, Corporate Boards, 253, 352 f. Kritisch zur Aussagekraft bisheriger Untersuchungen allerdings T. MEYER, Finanzexperte, 159–161. Hinsichtlich eines Zusammenhangs von Befolgung des Kodex und einer Steigerung der Unternehmensleistung scheinen die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zumindest nicht eindeutig zu sein, M. ROTH, Corporate Boards, 253, 353 m. w. N. 366 M. HOFFMANN-BECKING, ZIP 2011, 1173, 1173 f.; siehe auch K. HASSELBACH /  J. JAKOBS, BB 2013, 643, 644 („faktischer, durchaus rechtlich relevanter Zwang“) sowie C. NOWAK, Unabhängigkeit, 109–111 („faktische Zwangswirkung“). Zur Frage der rechtlichen Relevanz des DCGK siehe auch K. J. HOPT, Unternehmensführung, 27, 51 f.

B. Unabhängigkeit als Mittel zur Lösung des Konflikts

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tionieren könne, wenn Juristen den Kodex nicht wie ein Gesetz kommentieren und ihm keine gesetzesgleiche Wirkung zuschreiben. Letztlich liege es an den Unternehmen, den Markt von einer Abweichung von den Vorgaben des Kodex zu überzeugen. 367 Bachmann begrüßt das Vorhaben, eine „Abweichungskultur“ zu etablieren368 und unterbreitet konkrete Vorschläge für eine Entrechtlichung des Kodex.369 Die Handhabung der Kodex-Regulierung und der Streit über seine Verfassungswidrigkeit sowie die den Kodex begleitenden Kommentarwerke seien ein deutscher Sonderweg, der im Ausland mit Kopfschütteln registriert werde.370 Die Diskussion macht deutlich, dass sich der Umgang mit dem Corporate Governance Kodex in Deutschland als einem Land der Tradition des Civil Law in einem Spannungsfeld zwischen Anregungen für eine Best Practice und Vorgaben mit faktisch gesetzesgleicher Wirkung bewegt. Der Vergleich mit dem UK CGC zeigt, dass international nicht nur Unterschiede im Zusammenspiel zwischen Gesetz und Kodex und dessen Verankerung bestehen, sondern der institutionelle Rahmen erheblichen Einfluss auf den Umgang mit einem Kodex und die mit ihm verbundenen Erwartungen nimmt. Darauf ist bei der Untersuchung der Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas in Japan zurückzukommen. Auch für Japan ist der Einsatz von soft law eine vergleichsweise jüngere Entwicklung. Regelungen zu externen oder unabhängigen Direktoren finden sich dort zudem gleich auf drei Ebenen: dem Gesetz, den Börsenregelungen und einem erst im Jahr 2015 geschaffenen Kodex.371 4. Rezeption innerhalb einer dualistischen Struktur – Zwischenergebnis Deutschland hat mit dem Aufsichtsrat lange vor den USA und dem Vereinigten Königreich der Sache nach nicht geschäftsführende und zum Teil externe 367 G. BACHMANN, AG 2011, 181, 191 f. und ausführlich DERS., Kodex-Regulierung, 75, 79–82. 368 Der Kodex enthält seit der Reform in Abs. 10 S. 4 (bei Einführung Abs. 11 S. 4) seiner Präambel den Hinweis, dass „[e]ine gut begründete Abweichung von einer Kodexempfehlung […] im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen [kann]“. 369 G. BACHMANN, Kodex-Regulierung, 75, 82–89; vgl. DERS., AG 2011, 181, 192 f. Für eine Abweichungskultur auch C. BÖRSIG / M. LÖBBE, Rolle des Aufsichtsrats, 125, 139–143. Der DJT 2012 sprach sich ebenso für die Förderung einer Abweichungskultur sowie zudem für eine Verschlankung des Kodex aus, D. RUBNER, NJW-Spezial 2012, 655. Für eine Verschlankung siehe auch K. J. HOPT, DCGK, 563, 578 f. Zurückhaltender zeigt sich die Kodexkommission, siehe etwa die Erläuterungen der Änderungsvorschläge aus den Plenarsitzungen vom 9. und 31.1.2013, abrufbar unter . 370 G. BACHMANN, Kodex-Regulierung, 75, 89. 371 Zur rechtstechnischen Umsetzung des Instruments der Unabhängigkeit in Japan siehe unten Kapitel 4 – C.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Direktoren verbindlich eingeführt. Die Rezeption des unabhängigen Direktors im Rahmen dieser dualistischen Struktur erfolgte hingegen relativ spät über Unabhängigkeitsanforderungen im DCGK und auch heute ist die Zahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder im internationalen Vergleich gering. Dies ist nicht zuletzt auf strukturelle Unterschiede in den Rahmenbedingungen wie das System der Arbeitnehmermitbestimmung zurückzuführen. Darüber hinaus werfen auch die sich wandelnden und durch einen Dualismus aus Streuund Familienbesitz geprägten Aktionärsstrukturen für Deutschland spezifische Fragen auf. Der Zusammenhang zwischen Unabhängigkeit im Überwachungsorgan und Verfolgung des shareholder value unter Nutzung der Informationen des Kapitalmarkts scheint dabei im auf das Unternehmensinteresse verpflichteten und „mitunternehmerisch“ tätigen Aufsichtsrat weniger ausgeprägt als im angelsächsischen Raum. Mit der Regulierung über einen Kodex folgt man zwar dem europäischen Trend, die Ausgestaltung etwa des Unabhängigkeitsbegriffs ohne eine Liste an Negativkriterien stellt hingegen ebenso einen Sonderweg dar wie der „gesetzesnahe“ Umgang mit dem Kodex in der Praxis. Die Frage nach dem Umgang mit Interessenkonflikten und der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats wird wohl auch in naher Zukunft die Diskussionen um dessen Effektuierung bestimmen. Die Forderung nach mehr Unabhängigkeit verliert jedoch wie im Vereinigten Königreich seit geraumer Zeit gegenüber dem Streben nach mehr fachlicher Qualifikation und einer Professionalisierung des Aufsichtsrats an Bedeutung.

C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors – strukturelle Faktoren und Ausgestaltung im Kontext C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors

Die Untersuchungen dieses Kapitels haben gezeigt, dass es sich beim unabhängigen Direktor um ein vielgestaltiges Instrument der Corporate Governance börsennotierter Aktiengesellschaften handelt. Er hat seine Ursprünge in den USA und fand über das Vereinigte Königreich seinen Weg in das restliche Europa, wo er nun ebenfalls zum Standard guter Corporate Governance gehört. In Deutschland wurden mit Schaffung des Aufsichtsrats bereits früh faktisch externe Direktoren für die Gesellschaften zwingend, hinsichtlich Anforderungen an die Unabhängigkeit herrscht jedoch nach wie vor Zurückhaltung. In der Debatte um unabhängige Direktoren werden streng voneinander zu trennende Begriffe – nicht geschäftsführend, extern und unabhängig – häufig synonym gebraucht. Verallgemeinernd wird von einer Übernahme USamerikanischer Standards gesprochen. Tatsächlich jedoch handelt es sich um ein facettenreiches Instrumentarium, dessen Rahmen vom institutionellen Umfeld der jeweiligen Rechtsordnung abgesteckt wird und das auch auf Ebene der Ausgestaltung ganz unterschiedliche Erscheinungsformen zeigt.

C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors

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Im Folgenden werden die Erkenntnisse dieses Kapitels zusammengefasst und zu einem Konzept des unabhängigen Direktors zusammengefügt. Es besteht aus den strukturellen Faktoren des länderspezifischen Umfelds auf der einen und den verschiedenen Elementen der Ausgestaltung des Instruments der Unabhängigkeit auf der anderen Seite. Das Konzept ermöglicht eine strukturierte Analyse der Entwicklungen in Japan und hilft, diese in einen globalen Kontext einzuordnen und zu bewerten. I.

Strukturelle Faktoren

Die Funktionsweise unabhängiger Direktoren wird nicht nur von den Charakteristika des jeweiligen Unternehmens, sondern auf vorgelagerter Ebene von den herrschenden institutionellen Rahmenbedingungen bestimmt. Zunächst ist die Organisationsverfassung und damit die Grundstruktur der Aktiengesellschaft von Bedeutung. Ganz grundsätzlich ist zwischen zwei Modellen zu unterscheiden. Während in den USA und dem Vereinigten Königreich mit einem board of directors ein monistisches System etabliert ist, sind unter anderem deutsche Aktiengesellschaften mit Vorstand und Aufsichtsrat dualistisch strukturiert. In der monistischen Struktur müssen Leitung und Kontrolle innerhalb eines Organs verwirklicht werden, wohingegen das dualistische Modell die beiden Funktionen auf zwei Organe verteilt. Auch wenn sich die beiden Modelle in der Praxis einander annähern, so bestehen mit den beiden Konzepten der Selbst- und der Fremdkontrolle doch grundverschiedene Ausgangslagen, was die Implementierung unabhängiger Organmitglieder betrifft. Darüber hinaus können auch innerhalb monistischer und dualistischer Strukturen erhebliche Unterschiede bestehen, was etwa die Besetzung und Kompetenzen der Organe und Ausschüsse betrifft. Zweite, für die Rolle unabhängiger Direktoren ganz entscheidende Rahmenbedingung ist die vorherrschende Aktionärsstruktur. 372 Diese bestimmt den zentralen Interessenkonflikt der an einem Unternehmen beteiligten Parteien (agency conflict). Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen Streubesitz und dem Konflikt zwischen Management und Aktionären sowie konzentriertem Anteilseigentum und dem Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären. Dazwischen finden sich jedoch auch Mischformen und bei allen drei untersuchten Ländern hat sich gezeigt, dass sich die Strukturen im Wandel befinden und althergebrachte Zuordnungen nicht mehr ohne Weiteres zutreffen. Neben der Frage der Verteilung des Anteilseigentums als solcher ist zwischen verschiedenen Arten von Aktionären wie etwa individuellen oder institutionellen Anlegern zu unterscheiden. Je nach Umfeld üben die Aktionäre zudem einen ganz unterschiedlich starken direkten Einfluss auf die Corporate Governance der Unternehmen aus. Vgl. das Ergebnis der Untersuchung von G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 10 f. sowie W.-G. RINGE, Independent Directors, 13–16. 372

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

Drittens unterscheiden sich die verschiedenen Jurisdiktionen nicht nur hinsichtlich der Einflussnahme der verschiedenen Akteure im GovernanceGefüge, sondern auch der Frage nach dem Unternehmensverständnis und insbesondere dem Unternehmenszweck. 373 Dieser ist eng mit der Funktion des Boards und damit auch der Rolle unabhängiger Direktoren verknüpft. In den USA stand die Entwicklung des unabhängigen Direktors in engem Zusammenhang mit der Durchsetzung des shareholder value als Leitgedanke. In Deutschland hingegen kommt dem Kapitalmarkt traditionell eine geringere Bedeutung zu und die Interessen der übrigen Stakeholder spielen in der Diskussion eine größere Rolle. Zwar sollten auch hier die Gegensätze nicht überbetont werden. Für die Arbeit des Boards und unabhängiger Direktoren wird es aber dennoch einen Unterschied machen, ob klares Ziel die Verfolgung des Aktionärsgewinns anhand der Kennzahlen des Kapitalmarktes ist oder ob weitere Interessen explizit berücksichtigt werden sollen und der Kapitalmarkt möglicherweise eine geringere Rolle spielt. Viertens steht der Informationsgehalt des Kapitalmarkts nicht nur im Zusammenhang mit dem Aufkommen unabhängiger Board-Mitglieder in den USA. Die Überwachung des Managements durch den Kapitalmarkt und – darauf aufbauend – den Übernahmemarkt stellt zugleich ein konkurrierendes Instrument dar. Bei der Betrachtung der Rezeption des Unabhängigkeitsparadigmas dürfen Mechanismen, welche mögliche Funktionen unabhängiger Direktoren ergänzen oder zu dieser in Konkurrenz stehen, nicht aus dem Blick geraten.374 Während der Kapital- und Übernahmemarkt eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Performance des Managements übernehmen kann, spielen beispielsweise die in Deutschland vermehrt in den Fokus gerückten Abschlussprüfer eine wichtige Rolle für die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Handelns. Die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung ist zugleich Voraussetzung für die Bewertung der Performance. In Deutschland wird der Schutz der Minderheitsaktionäre zudem zumindest auch vom Konzernrecht erfasst. II. Ausgestaltung im Kontext Nicht nur was die jeweiligen Rahmenbedingungen des unabhängigen Direktors betrifft, sondern auch hinsichtlich dessen Ausgestaltung bestehen zwischen den einzelnen Ländern erhebliche Unterschiede. Die Ausgestaltung richtet sich – oder sollte dies zumindest – nach den jeweiligen Rahmenbedingungen.

373 Vgl. das Ergebnis der Untersuchung von G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 11–13. 374 So zu recht auch W.-G. RINGE, Independent Directors, 19 f. Vgl. zu konkurrierenden Mechanismen auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 115–138.

C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors

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Erstens bestehen hinsichtlich der rechtstechnischen Umsetzung des Unabhängigkeitsmodells verschiedene Optionen.375 Während in den USA ein Dualismus aus den Regelungen des einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts sowie des Bundesrechts besteht, gilt das Vereinigte Königreich als Pionier der Kodex-Regulierung – einem Vorbild, dem das restliche Europa gefolgt ist. Ein Kodex ist nicht zwingend, sondern geht mit einer gesetzlich oder börslich verankerten Verpflichtung einher, den Empfehlungen zu folgen oder ihre Nichtbefolgung zu begründen (comply or explain). Die Entscheidung über die Angemessenheit der Corporate Governance der Unternehmen wird damit dem Markt überlassen. Zweiter Aspekt der Ausgestaltung ist die Definition des Unabhängigkeitsbegriffs. Sowohl das zwingende Recht in den USA als auch das soft law im Vereinigten Königreich und Deutschland enthalten Regelungen zu unabhängigen Board-Mitgliedern. Teilweise finden sich detaillierte Listen mit Negativkriterien, teilweise mehr oder weniger detaillierte positive Umschreibungen des Begriffs der Unabhängigkeit, die sich nicht unerheblich voneinander unterscheiden.376 Vereinfacht gesagt und allgemein gesprochen soll die Anforderung dazu führen, dass die betreffende Person in Denken und Handeln frei von Einflüssen bestimmter Dritter ist und es nicht zu Interessenkonflikten kommt. Konkret stellt sich bei der Umsetzung die Frage, ob nur wirtschaftliche oder auch persönliche Beziehungen die Unabhängigkeit ausschließen, wie diese Beziehungen beschaffen sein müssen, gegenüber wem die Unabhängigkeit bestehen muss und damit auch welche Partei geschützt werden soll und ob etwa Beziehungen zu Kontrollaktionären erfasst werden. Gleichzeitig werfen Kritiker in jüngerer Zeit die Frage auf, ob bloße Unabhängigkeitsanforderungen ohne ein Element der Abhängigkeit zielführend sind. Letztlich ist auch zu klären, wer darüber bestimmt, ob ein Direktor unabhängig ist oder nicht: das Gesetz, eine staatliche Stelle oder das Unternehmen selbst und damit letztlich der Markt. Nicht in den Hintergrund geraten darf der Umstand, dass Unabhängigkeit keinesfalls ein Selbstzweck, sondern vielmehr Mittel zum Zweck ist. Daher sollte sich drittens die Ausformung des Unabhängigkeitsbegriffs insbesondere nach der von den Direktoren erwarteten Funktion richten.377 Diese wird maßgeblich vom herrschenden agency conflict und damit den Aktionärsstrukturen bestimmt. Darüber hinaus steht sie in einem Zusammenhang mit dem Unternehmensverständnis und es sind die ergänzenden sowie konkurrierenden Instrumente der Corporate Governance zu berücksichtigen.378 Als konkrete Auf375 Zu den Möglichkeiten der Kodifikation und Selbstregulierung und den jeweiligen Vor- und Nachteilen siehe auch Y. ZHAO, Directors’ Independence, 37–60. 376 Siehe auch W.-G. RINGE, Independenet Directors, 15 f. („no universal definition“); vgl. auch ROTH, ZHR 175 (2011) 605, 619 f. (Unabhängigkeit als „relatives Maß“). 377 Vgl. S. LE MIRE / G. GILLIGAN, JCLS 13 (2013) 443, 448. 378 Vgl. W.-G. RINGE, Independent Directors, 20–22; H. BAUM, Origins, I.1. und 3.

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1. Kapitel – Der unabhängige Direktor als Konzept

gabe für nicht geschäftsführende, externe, insbesondere aber unabhängige Direktoren kommen das Compliance- und das Performance-Monitoring, eine Überwachung von einzelnen conflict of interest transactions sowie die Beratung der Geschäftsführung und eine Netzwerkfunktion in Betracht.379 In den USA entwickelte sich das unabhängige Monitoring Board insbesondere als Mittel zur Überwachung der Leistung des Managements zugunsten der Allgemeinheit der Aktionäre in Unternehmen mit Streubesitz. Im Vereinigten Königreich wurde demgegenüber insbesondere zu Beginn der Entwicklung die Beratungsfunktion betont. Während für eine reine Beratungs- oder Netzwerkfunktion die Sichtweise eines lediglich Externen hinreichend oder gar gewünscht sein kann, setzt Überwachung zwingend die Unabhängigkeit vom Überwachungsobjekt voraus. Die beiden Funktionen sind allerdings nicht als Gegensätze zu verstehen. Beispielsweise wird die Überwachung durch den teilweise unabhängigen Aufsichtsrat nicht als reine ex post-Kontrolle verstanden, sondern beinhaltet als begleitende Überwachung ex ante ebenfalls einen Beratungsaspekt. Gleichfalls soll die Beziehungspflege und Vermittlung im Rahmen einer Netzwerkfunktion, welche dem Aufsichtsrat zu Zeiten der Deutschland-AG zugeschrieben wurde, letztlich dazu führen, dass der Vorstand sein Handeln auch an den Interessen der betroffenen Stakeholder ausrichtet. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung beinhaltet die Funktion des unabhängigen Direktors damit immer auch den Aspekt der Überwachung der Entscheidungen der Geschäftsführung. Viertens bringt die effektive Ausübung einer Funktion konkrete Anforderungen an die Qualifikation mit sich. Zwischen den einzelnen Facetten der Überwachung, insbesondere dem Monitoring der Compliance und der Performance, wird dabei häufig nicht deutlich genug unterschieden. Es handelt sich jedoch um Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungen an das Überwachungssubjekt. Insbesondere aufgrund der Erfahrungen mit der Finanzkrise haben sich vor allem die britische und die deutsche Diskussion weg von einer eindeutigen Konzentration auf den Aspekt der Unabhängigkeit und hin zu einer Berücksichtigung weiterer Qualifikationen wie Branchen- und Unternehmenskenntnis sowie Erfahrung und Fachwissen entwickelt. Diese Kriterien und die Unabhängigkeit stehen in einem gewissen Konkurrenzverhältnis, da jedenfalls Branchen- und Unternehmenskenntnis häufig mit einer Nähe zum Unternehmen, dessen Management und den mit diesem verbundenen Akteuren einhergehen. Fünftens und letztens muss die Ausgestaltung der Anreizstrukturen – Haftung und Vergütung – dafür sorgen, dass unabhängige Direktoren von den 379 Vgl. D. C. CLARKE, Del J Corp L 32 (2007) 73, 79–83 und M. GUTIÉRREZ / M. SAÉZ, JCLS 13 (2013) 63, 68 zu nicht geschäftsführenden Direktoren allgemein sowie ausführlich zu den möglichen Funktionen unabhängiger Direktoren Y. ZHAO, Directors’ Independence, 61–113.

C. Konzeptualisierung des unabhängigen Direktors

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ihnen gegebenen rechtlichen Möglichkeiten auch angemessen Gebrauch machen. Gerade bei einer Ausgestaltung der Position des unabhängigen Direktors als Nebenamt muss das Haftungsrisiko einerseits hinreichenden Druck aufbauen, darf andererseits aber Kandidaten nicht abschrecken oder zu einer defensiven Aufgabenwahrnehmung führen. Die Vergütung muss einen hinreichenden Anreiz setzen, darf aber nicht zu einer zu engen Bindung an das Unternehmen und das jeweilige Management führen. Die Grundlage für den Erfolg des Unabhängigkeitsansatzes bilden zwar die Organisationsstrukturen, Qualifikation und die Wahl geeigneter Kandidaten. Die Anreizstrukturen tragen aber einen erheblichen Teil dazu bei, dass die jeweiligen Personen innerhalb dieser Strukturen eine aktive Rolle wahrnehmen und ihre Funktion effektiv erfüllen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass es den unabhängigen Direktor als solchen nicht gibt. Vielmehr handelt es sich um einen in den USA gründenden legal transplant, der ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein vielgestaltiges Instrument der Corporate Governance, das keinesfalls weltweit einheitlich ausgestaltet ist. Der unabhängige Direktor lässt sich als Mittel zur Lösung eines Problems verstehen, dessen konkrete Form mit den jeweiligen Rahmenbedingungen variiert (sog. path dependence). 380 Im Kern steht hinter dem Unabhängigkeitsansatz das Ziel, ein Überwachungsdefizit auszugleichen, welches letztlich auf die Trennung von Eigentum- und Management-Funktion zurückgeht. Aufs Ganze betrachtet hat eine Auseinandersetzung mit der Frage, was Unabhängigkeit genau bedeutet, wie sie sich vor dem Hintergrund der jeweiligen Gesellschaftsstrukturen umsetzen und wie sich ihre Auswirkungen messen lassen nicht in hinreichendem Umfang stattgefunden.381

Zur Pfadabhängigkeit (path dependence) siehe grundlegend M. J. ROE, Path Dependence, 165 ff.; zur Bedeutung der Pfadabhängigkeit im japanischen Kontext sowie Fragen der Komplementarität einzelner Elemente der Corporate Governance siehe auch H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 756–758. 381 Deutlich S. LE MIRE / G. GILLIGAN, JCLS 13 (2013) 443, 445, die sich in ihrem Beitrag eingehend und zunächst losgelöst vom länderspezifischen Kontext mit dem Unabhängigkeitsbegriff auseinandersetzen. 380

2. Kapitel

Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan 2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

Das im ersten Kapitel erarbeitete Konzept dient in den folgenden drei Kapiteln als Grundlage für die Beleuchtung der Entwicklungen in Japan. Bevor in den Kapiteln drei und vier die dortigen Rahmenbedingungen sowie die konkrete Ausgestaltung des unabhängigen Direktors innerhalb dieser Strukturen im Detail untersucht werden, gibt das zweite Kapitel zunächst einen Überblick über die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan. 1 Die Darstellung beginnt mit der Entstehung eines modernen Gesellschaftsrechts unter deutschem Einfluss in der Meiji-Zeit (A.). Sie reicht über die umfassende Novellierung des Aktienrechts nach Kriegsende unter US-amerikanischer Besatzung (B.) bis hin zu den Reformbemühungen der jüngeren Zeit (C.). Deren vorläufiger Schlusspunkt ist die Reform des Jahres 2014, die im Juni 2015 in Kraft getreten ist (D.) Im Anschluss an den Überblick wird knapp auf die ausufernde Diskussion der Frage eingegangen, ob die Corporate Governance Japans sich durch die Entwicklungen der letzten Jahre in Richtung der Annahme „globaler Standards“ bewegt (E.). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse (F.).

A. Die Entwicklung bis 1950 A. Die Entwicklung bis 1950

Die Entstehung eines modernen Gesellschaftsrechts geht in Japan auf die Meiji-Zeit (1868–1912) zurück. Zentrales Reformanliegen der nach Öffnung Im Rahmen dieser Arbeit wird ein knapper, auf die für die Beschäftigung mit der unabhängigen Überwachung aus heutiger Sicht entscheidenden Punkte fokussierter Überblick gegeben. Für einen historischen Abriss des Handelsgesetzes bis zur Jahrtausendwende siehe H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 4–18; umfassend zur Entwicklung des Handels- und Gesellschaftsrechts bis in die 90er Jahre mit einem Fokus auf der Entwicklung bis einschließlich der Reform des Jahres 1950 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330 ff.; knapper zur Entwicklung des Gesellschaftsrechts einschließlich der Reform von 2005 mit Fokus auf der jüngeren Entwicklung H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 23–44; zur Rezeption europäischen wie US-amerikanischen Rechts allgemein siehe H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 12–24. 1

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

des für 250 Jahre abgeschotteten Landes mit der Meiji-Restauration 18682 eingesetzten neuen Regierung war die Schaffung eines modernen Rechtssystems. Dieses sollte eine rasche wirtschaftliche Modernisierung ermöglichen. Unter dem Motto „japanischer Geist, westliches Wissen“ (wakon yōsai) gelang es Japan dann auch, noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die institutionellen Grundlagen für die angestrebte Modernisierung zu legen. 3 Schon bald lösten moderne Unternehmensformen zunehmend die einzelunternehmerisch tätigen Privatpersonen ab.4 Auch in Japan gründet die Entstehung der modernen Aktiengesellschaft folglich auf wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Die Entwicklung der Wirtschaft war jedoch anders als in den USA und dem Vereinigten Königreich Folge einer von der Politik aktiv vorangetriebenen Modernisierung.5 Das japanische Handels- und Gesellschaftsrecht wurde ursprünglich stark vom deutschen Recht geprägt. Das 1890 bekanntgemachte sogenannte „alte Handelsgesetz“ (Kyū shōhō) basierte auf einem in vergleichender Arbeit entstandenen Entwurf von 1884, mit dessen Erstellung der deutsche Rechtsgelehrte Hermann Roesler von der Regierung beauftragt worden war. 6 Das Regelwerk erfuhr jedoch heftige Kritik von Seiten der Wirtschaft, die es als zu bürokratisch empfand und eine unzureichende Berücksichtigung bestehender japanischer Handelsbräuche bemängelte. Aufgrund der Streitigkeiten wurden erst 1893 Teile des Gesetzes, unter ihnen das Gesellschaftsrecht, in Kraft gesetzt. Nach erneuten Reformarbeiten wurde es schon 1899 vom bis heute in Kraft befindlichen Handelsgesetz (Shōhō) abgelöst.7 Wie auch sein Vorgänger umfasste es das Gesellschaftsrecht, welches erst mit der Schaffung des Gesellschaftsgesetzes (Kaisha-hō) im Jahre 2005 ausgekoppelt wurde.8

2 Knapp zur Öffnung des Landes und der zur Meiji-Restauration führenden Entwicklung siehe H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 12 f. 3 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 4 f.; H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 13 f. und eingehend H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 336 f. und 341. 4 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 23; eingehend zur Entwicklung moderner Unternehmensformen und insbesondere der Aktiengesellschaft H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 341–349. 5 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 341 f. und 347. 6 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 4 f. und eingehend H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 350–355; siehe auch H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 17 f.; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 24; C.-C. LIN, Temple Int’l &  Comp L J 24 (2010) 65, 70 Fn. 5. 7 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 6 f. und eingehend H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 358–360; siehe auch H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 19–21; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 25; vgl. C.-C. LIN, Temple  Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 69 f. 8 Siehe dazu unten C. II.

A. Die Entwicklung bis 1950

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Das Handelsgesetz berücksichtigte zwar auch den Entwurf Roeslers, ging aber in weitem Umfang auf das deutsche ADHGBG zurück.9 Nach deutschem Vorbild wies die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft (kabushiki kaisha) daher eine dualistische Struktur auf.10 Die drei verpflichtenden Organe waren die Hauptversammlung (kabunushi sōkai), die Direktoren (torishimariyaku) und die gesellschaftsinternen Prüfer (kansa-yaku). Den Prüfern kam nicht nur die Aufgabe der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung, sondern vielmehr auch die Prüfung ihrer Angemessenheit zu.11 In ihrem Ursprung waren die Prüfer demnach wie der deutsche Aufsichtsrat sowohl mit dem Compliance- als auch dem Performance-Monitoring betraut. Mit den Reformen der Jahre 1911 und 1938 reagierte der japanische Gesetzgeber auf die mit dem Aufschwung der Wirtschaft beziehungsweise die mit dem Ersten Weltkrieg und der Finanzkrise des Jahres 1927 einhergehenden gewandelten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Hier zeigen sich klare Parallelen zu den Entwicklungen in den USA, UK und auch Deutschland. Die Reform von 1911 sollte insbesondere betrügerische Gründungen von Aktiengesellschaften verhindern. Im Mittelpunkt der Reform von 1938 stand dann bereits eine effektivere Gestaltung der Überwachung der Unternehmensleitung sowie des Anlegerschutzes.12 Eine steigende Zahl an privaten Anlegern führte auch in Japan zu einer zunehmenden Bedeutung der Trennung von Eigentum und Kontrolle und zur Entstehung von Konflikten der an den Gesellschaften beteiligten Parteien.13 Aus der Entwicklung bis zum Jahr 1950 lassen sich bereits zwei für die weiteren Überlegungen bedeutsame Schlussfolgerungen ziehen. Zum einen 9 Mit einbezogen wurde auch die Aktiennovelle von 1871 in der 1884 revidierten Form. Grund dafür, dass das deutsche HGB von 1897 kaum berücksichtigt wurde, war zum einen der Zeitdruck, zum anderen aber war man der Meinung, dass die japanische Wirtschaft für die moderne deutsche Gesetzgebung noch nicht weit genug entwickelt sei, H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 6; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 360; H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 21. 10 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 120; vgl. V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 55 und wohl auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 64–66. 11 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 357. Grundstruktur und Machtverteilung zwischen den Organen haben sich zwischen altem Handelsgesetz und Handelsgesetz nicht geändert. Mit dem Handelsgesetz wurde allerdings die Möglichkeit abgeschafft, Prüfer und zugleich Direktor zu sein, DIES., 361. 12 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 7–9. Zu den beiden Reformen siehe auch eingehend H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 373–377 und knapp H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 26 f. Auch das reformierte Gesetz von 1938 folgte der Entwicklung des deutschen Rechts, namentlich dem Aktiengesetz von 1937, H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 375; K. J. HOPT, Company Law, 1161, 1168. 13 Vgl. H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 375 f. Zur Entwicklung der Aktionärsstruktur siehe eingehend unten Kapitel 3 – B.

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

stellt auch in Japan die Problematik der Überwachung der Geschäftsführung kein Phänomen jüngeren Datums dar. Sie begleitet die Entwicklung des japanischen Gesellschaftsrechts vielmehr seit dessen Entstehung. Zum anderen kopierte Japan nicht, wie in der internationalen Debatte häufig zu Unrecht angenommen, deutsches oder wahlweise französisches Recht. Vielmehr basierten schon damals die Gesetzesarbeiten auf umfangreichen rechtsvergleichenden Untersuchungen. Wie bereits der Streit um das „alte Handelsgesetz“ zeigt, fand eine Rezeption westlichen Rechts statt, das an die japanischen Bedürfnisse angepasst und eigenständig weiterentwickelt wurde.14

B. Die Entwicklung von 1950 bis zum Beginn der 90er Jahre B. Die Entwicklung von 1950 bis zum Beginn der 90er Jahre

Innerhalb weniger Jahrzehnte erstarkte Japan nach Ende des Zweiten Weltkriegs von einer am Boden liegenden Nation zu einer der weltweit führenden Wirtschaftsmächte.15 Die alliierte Besatzungsmacht unter Führung der USA erkannte die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs für die dauerhafte Demokratisierung des Landes und leitete umfangreiche Reformen ein. Eine besondere Bedeutung kam dabei der Zerschlagung der UnternehmensKonglomerate (zaibatsu) der Vorkriegszeit zu, die zumindest vorübergehend zu einer erheblichen Streuung des Aktienbesitzes führte.16 Auf Ebene des Gesellschaftsrechts erfolgte eine maßgeblich von der Besatzungsadministration beeinflusste Neuorientierung hin zum USamerikanischen Recht. 17 Die umfassende Reform des Gesellschaftsrechts wurde gegen den Widerstand der japanischen Rechtswissenschaft und Praxis durchgesetzt, die sich in der Folge zwangsweise dem Recht der USA zuwenden mussten.18 Eines der Hauptziele im Rahmen der Demokratisierung des Landes war die Stärkung der Position der Aktionäre im Machtgefüge der 14 So zu Recht H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 8; H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 14. 15 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 381 und im Einzelnen 381–391. Für eine der zahlreichen monographischen Abhandlungen über die Entwicklung Japans zur wirtschaftlichen „Supermacht“ und zum Vorbild für die westliche Welt siehe E. F. VOGEL, Japan as Number One. Lessons for America. 16 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 383 f.; vgl. T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 13 f. Zu den zaibatsu siehe eingehend unten Kapitel 3 – B. I. und II. im Zusammenhang mit der Entwicklung der Aktionärsstrukturen. 17 Bevor es zur Novelle des Gesellschaftsrechts kam, waren bereits andere Teile des Wirtschaftsrechts, insbesondere das Wettbewerbs- und Finanzmarktrecht, reformiert worden. Dabei orientierte man sich sehr stark, teilweise wortgetreu, an den entsprechenden US-amerikanischen Gesetzen, H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10; H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 23; vgl. H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 391 f.

B. Die Entwicklung von 1950 bis zum Beginn der 90er Jahre

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Gesellschaften. Die Reform des Jahres 1950 zielte daher darauf ab, Kapitalinvestitionen zu fördern. Zugleich sollten die Macht in den Gesellschaften neu verteilt und die Rechte der einzelnen Aktionäre gestärkt werden.19 Drei wesentliche Änderungen in der Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft integrierten Elemente angloamerikanischen Rechts in das auf deutschen Grundstrukturen basierende japanische Recht.20 Erstens wurde für die Aktiengesellschaft der Verwaltungsrat (torishimari yakkai) nach Vorbild des US-amerikanischen board of directors als obligatorisches Organ eingeführt. Damit einher ging eine eindeutigere Zuweisung der Leitung der Gesellschaft an die Direktoren.21 Zweitens wurde die Kompetenz der Prüfer, in ihrer Funktion bis dahin dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbar, auf die Prüfung der Rechnungslegung beschränkt. 22 Stattdessen wurde der Verwaltungsrat als Kollektivorgan mit der Kontrolle der Geschäftsführung betraut, die nunmehr in der Hand vertretungsberechtigter Direktoren lag.23 Drittens wurde dafür im Gegenzug die Haftung der Direktoren verschärft und die Rechte der einzelnen Aktionäre gestärkt, um ihnen eine Kontrolle der Geschäftsführung zu ermöglichen.24 Bis zu dieser Reform konnte aufgrund der Vergleichbarkeit der Aufgaben von Aufsichtsrat und Prüfern – mit Ausnahme der Wahl des Vorstands durch H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 9 f.; H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 23 f. Dies galt wohl vor allem für die Stärkung der Rechte der einzelnen Aktionäre, T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 14 f. und 22–24; vgl. K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 51 und 54. 19 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 391 f.; zu den Reformen in allen drei Bereichen siehe auch eingehend T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 15–22 und, einschließlich der Änderungen in den folgenden Jahren, K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 52–57. 20 Vgl. dazu I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 66 f. 21 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 392 f.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 66; T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 16 f.; vgl. K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 52. Die Direktoren mussten nicht mehr wie zuvor zugleich Anteilseigner sein und die Möglichkeiten der Aktionäre, in das Management einzugreifen, wurden beschnitten. Die Kompetenzen der Hauptversammlung, die noch mit der Reform 1938 gestärkt worden waren, wurden beschränkt und auf den Verwaltungsrat zurückverlagert. Grund hierfür war der mit der Zerschlagung der Konglomerate der Vorkriegszeit (zaibatsu) sprunghaft angestiegene Streubesitz, H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 392 f. Zur Entwicklung der Aktionärsstrukturen siehe unten Kapitel 3 – B. 22 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 393; T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 17 f.; H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 29. 23 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 29; T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 16 f.; vgl. H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10. 24 H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 393 f.; T. L. BLAKEMORE / M. YAZAWA, Am J Comp L 2 (1953) 12, 19–21. 18

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

den Aufsichtsrat – noch von einer dualistischen Struktur gesprochen werden. Mit der drastischen Beschneidung der Kompetenzen der Prüfer wurde jedoch faktisch bereits jetzt eine monistische Organisationsverfassung basierend auf dem Grundsatz der Selbstkontrolle geschaffen. Von der Kompetenzverschiebung, insbesondere der Fokussierung der Arbeit der Prüfer auf die Überprüfung der Rechnungslegung und der Betonung der Eigenverantwortlichkeit des Verwaltungsrats nach US-amerikanischem Vorbild, erhoffte man sich eine effektivere Kontrolle der Unternehmensleitung.25 In der japanischen Praxis jedoch ging das Konzept einer Amerikanisierung der Corporate Governance aus mehreren Gründen nicht auf. Insbesondere führte die Reform mit der Einführung geschäftsführender Direktoren dazu, dass auch in Japan der Verwaltungsrat als Organ von der ManagementFunktion getrennt wurde. Zwar hatte man anders als in den USA und dem Vereinigten Königreich den Verwaltungsrat mit dessen Schaffung direkt mit der Überwachung der Geschäftsführung betraut. Es fehlte jedoch in Japan gänzlich an externen oder gar unabhängigen Mitgliedern, welche diese Funktion hätten erfüllen können.26 Der die Gesellschaften betreffende Teil II des Handelsgesetzes durchlief in der Folge zahlreiche Reformen. Diese stellten eine Reaktion auf Änderungen im US-amerikanischen Recht sowie Unternehmensskandale während einer von großem Wirtschaftswachstum geprägten Zeit dar und sollten die Überwachung des Managements stärken. 27 In Abkehr von der Zielrichtung der Reform des Jahres 1950 wurden nun auf mehreren Ebenen Maßnahmen getroffen. 28 Insbesondere die Rechte der Prüfer wurden stetig ausgebaut. So erstreckte die Reform 1974 die Kompetenz der Prüfer wieder auf die Kontrolle der Geschäftsführung, wenn auch begrenzt auf deren Rechtmäßigkeit, und die Bestellung eines Abschlussprüfers (kaikei kansa-nin) wurde für große Aktiengesellschaften verpflichtend.29 I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 68. Deutlich K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 53 f.; vgl. H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10 f.; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 394 f. Ein weiterer Grund war, dass sich die Überwachung des Verwaltungsrats durch die Aktionäre in der Praxis nicht durchsetzen konnte. 27 Zu ersterem siehe C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 71, zu letzterem H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 27. 28 Siehe zu den Reformen ausführlich H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 12–16; H. BAUM /  E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 396–399; vgl. K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 52–55. 29 K. EGASHIRA, Law in Japan 26 (2000) 50, 52 f. Zu den einzelnen Reformschritten hinsichtlich der Kontrollfunktionen der Prüfer siehe insb. H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 12 f. und zudem H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 396 f.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 66; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 32 f. 25 26

C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen

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Während sich in den USA in den folgenden zwei bis drei Jahrzehnten als Antwort auf die Funktionslosigkeit des Boards das auf unabhängigen Direktoren basierende Monitoring-Modell durchsetzte, entwickelte sich in Japan ein ganz eigenständiges Modell der Corporate Governance.30 Es wurden Elemente des US-amerikanischen Systems wie die Selbstkontrolle des Boards mit an deutsches Recht angelehnten Elementen wie der Kontrolle durch ein separates Organ vermengt. Die Organisationsverfassung tendierte wieder hin zur dualistischen Struktur, wenn auch nach wie vor die Kompetenzen der Prüfer hinter denen des Aufsichtsrats zurückblieben.31 Problematisch an dieser Ausgestaltung war vor allem, dass das Konzept der Selbstkontrolle auf dem Monitoring-Modell basiert und erfordert, dass das Kontrollsubjekt vom Kontrollobjekt unabhängig ist. Gleiches gilt für eine effektive Kontrolle durch ein separates Organ. Beides war jedoch zu diesem Zeitpunkt in der japanischen Kontrollstruktur nicht der Fall. Vielmehr war der Verwaltungsrat mit im Unternehmen aufgestiegenen Managern und damit Insidern besetzt32 und auch für die Prüfer galten keine Anforderungen an die Unabhängigkeit.

C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen

All die vorangegangenen Reformen konnten denn auch weitere Unternehmensskandale nicht verhindern.33 Zudem endete der beispiellose wirtschaftliche Aufschwung insbesondere der 70er und 80er mit dem Platzen der Wirtschaftsblase zu Beginn der 90er Jahre. 34 Diese beiden Umstände sowie der Zusammenbruch eines bankendominierten Governance-Systems waren Auslö-

Vgl. H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 11; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 399. Siehe dazu eingehend im Rahmen der Analyse der strukturellen Faktoren in Japan, Kapitel 3. 31 Hinsichtlich der Terminologie herrscht Uneinigkeit. Trotzdem in der Regel auf die Unterschiede zum deutschen Aufsichtsrat verwiesen wird, wird oft dennoch von einer dualistischen Struktur gesprochen, so etwa bei C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 79 und 84 oder O. KIRCHWEHM, Reformen, 85. I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 67 f. und C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 59 vermeiden den Begriff hingegen und bringen deutlich zum Ausdruck, dass dem Verwaltungsrat gerade kein Aufsichtsrat deutscher Prägung als Kontrollorgan gegenübersteht. Ähnlich spricht H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 10 von einer im Kern zweigliedrigen Struktur, bestehend aus Verwaltungsrat und Hauptversammlung. 32 Siehe dazu noch eingehend im Rahmen der Analyse des Unternehmensverständnisses, Kapitel 3 – C. I. 33 E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 66 f. 34 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 34; H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 768 f.; DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 326; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 76. 30

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

ser und Rechtfertigung für weitere Reformen. 35 Diese sollten einerseits ein weiteres Mal die Überwachung der Geschäftsführung stärken und andererseits durch Deregulierung die Wirtschaft ankurbeln.36 Es setzte sich die Auffassung durch, dass gutes Gesellschaftsrecht zu guter Corporate Governance und diese wiederum zu einer Stärkung der Wirtschaft führt.37 Neben Fragen des Compliance-Monitorings rückten nunmehr verstärkt die Leistung der Unternehmen und damit auch das Performance-Monitoring in den Vordergrund. 1993 wurde die Zahl der Prüfer, von denen mindestens einer unternehmensextern (shagai), nicht jedoch unabhängig (dokuritsu) sein musste, auf drei erhöht. Zudem wurde der Prüferrat (kansa yakkai) als Kontrollgremium eingeführt und diesem einige Kompetenzen der Prüfer übertragen. Die Kompetenzen der Hauptversammlung wurden wieder gestärkt und die Aktionärsklage erleichtert, indem die mit ihr verbundenen Kosten deutlich gesenkt wurden.38 Diese Maßnahme führte zu einem solchen Anstieg an Klagen, dass man 2001 im Gegenzug die Möglichkeit schuf, die Haftung der Direktoren und Prüfer zu beschränken.39 Die Veränderungen in den Unternehmen beschränkten sich nicht auf solche, die durch Reformen angestoßen oder vorgegeben wurden. Sony etwa führte im Jahr 1997 als erstes Unternehmen das System der unterhalb des Verwaltungsrats angesiedelten „geschäftsführenden Personen“ (shikkō yakuin) ein, reduzierte dafür die Zahl seiner Direktoren von 38 auf 10 und setzte neben externen Prüfern auch auf externe, nicht jedoch unabhängige Direktoren.40 Das Unternehmen tat somit einen ersten Schritt in Richtung einer klareren Trennung von Management- und Überwachungsfunktion, dem andere Unternehmen folgten.

T. SAITŌ, Determinants, 2; vgl. auch R. DORE, Insider Management, 370, 372 sowie Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 126. Zur Rolle der Banken siehe noch unten Kapitel 3 – B. und D. II.2. Die gesetzgeberischen Aktivitäten waren dabei keinesfalls auf das Gesellschaftsrecht begrenzt. Vielmehr fanden rechtsgebietsübergreifend Reformen statt, die Deregulierung, Marktorientierung und Wettbewerbsförderung zum Ziel hatten, H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 16. 36 C. J. MILHAUPT, Lost decade, 97, 98; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 69 und 92–94; vgl. auch H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 773–775; DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 326 f. Im Zentrum der gesellschaftsrechtlichen Reformen standen neben der Corporate Governance die Unternehmensfinanzierung, die Rechnungslegung, der Einsatz neuer Informationstechnologie sowie die Umwandlung von Unternehmen, H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 34 m. w. N. 37 H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 28. 38 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 13 und 15. Zur Aktionärsklage siehe unten Kapitel 3 – D. II.1.b) und c). 39 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 36. 40 K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 8 f.; siehe auch C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 62. 35

C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen

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Als trotz aller Veränderungen der gewünschte wirtschaftliche Erfolg weiter ausblieb, führte dies zu grundlegenderen Fragen nach der Organisationsstruktur und der Rolle der Unternehmensorgane.41 Die darauf folgenden Reformen seit Anfang des 21. Jahrhunderts werden in Ausmaß und Geschwindigkeit zum Teil mit den Meiji-Reformen Mitte des 19. Jahrhunderts sowie den Reformen nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen.42 I.

Die Reform von 2001/2002

Die erste große Reform dieses Jahrtausends erfolgte in den Jahren 2001 und 200243 und sah zum einen Änderungen für die Gesellschaft mit Prüferrat vor. Insbesondere wurde das Erfordernis eingeführt, dass nicht mehr nur einer, sondern mindestens die Hälfte der Prüfer unternehmensextern, wenn auch nach wie vor nicht unabhängig sein muss.44 Externe Direktoren im Verwaltungsrat waren hingegen weiterhin nicht vorgesehen. Zum anderen wurde mit der Reform für die Aktiengesellschaft eine neue Organisationsverfassung eingeführt. Diese löste jedoch nicht die „traditionelle“45 Form mit Hauptversammlung, Verwaltungsrat und Prüferrat (kansa yakkai setchi kaisha = Gesellschaft mit Prüferrat) ab, sondern stellte dieser optional eine zweite Organisationsform nach US-amerikanischem Vorbild zur Seite (i’in-kai setchi kaisha = Gesellschaft mit Ausschüssen).46 Diese neue Struktur kennt keine Prüfer und damit auch keinen Prüferrat, sondern sieht einen Verwaltungsrat vor, der drei Ausschüsse (i’in-kai) einsetzt und damit zumindest von der äußeren Form her weitgehend dem heutigen board of directors in den USA und dem Vereinigten Königreich gleicht und klar monistisch strukturiert ist. Allerdings müssen die Ausschüsse zwar mehrC.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 78. P. LAWLEY, Empirical analysis, 129. 43 Genau genommen bestand die Reform aus mehreren Gesetzen, welche in den Jahren 2001 und 2002 verabschiedet wurden und gemeinsam im Jahr 2003 in Kraft traten, O. KIRCHWEHM, Reformen, 84 f. 44 Zur Klärung der Begrifflichkeiten ausgehend vom nicht geschäftsführenden Direktor siehe oben Kapitel 1 – B. I. Eingehend zur Reform aus rechtsvergleichender Sicht O. KIRCHWEHM, Reformen, 82–152; speziell zu den Änderungen im Zusammenhang mit den Prüfern ibid., 85–88; vgl. auch C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 88. 45 Auch wenn sich die Gesellschaft mit Prüferrat in ihrer heutigen Grundform erst in der Nachkriegszeit entwickelte, wird in dieser Arbeit in Übereinstimmung mit der Literatur zur japanischen Corporate Governance und in Abgrenzung zu den neueren Organisationsverfassungen für die ursprüngliche Organisationsverfassung das Attribut „traditionell“ verwendet. Siehe dazu auch noch unten Kapitel 3 – C. II.2. 46 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 37; siehe auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 93 f.; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 89. Nach der Reform 2001/2002 hieß die Organisationsverfassung zunächst i’in-kai tō setchi kaisha und wurde dann mit Schaffung des GesG in i’in-kai setchi kaisha umbenannt, I. KAWAMOTO /  Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 296 Nr. 799. 41 42

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

heitlich extern, nicht jedoch zwingend unabhängig besetzt sein. Anforderungen an das Verhältnis von internen und externen Direktoren im Verwaltungsrat insgesamt werden darüber hinaus nicht gestellt.47 Institutionelle Anleger sowie das Japanese Corporate Governance Forum (JCGF) hatten eine Stärkung des Anlegerschutzes gefordert und, unterstützt durch das Ministry of Justice (MOJ) das Ausschusssystem befürwortet. Die beiden mächtigsten Interessenvereinigungen der Unternehmen, Nippon Keidanren (Japan Business Federation) und Keizai Dōyū-kai (Japan Association of Corporate Executives), hatten jedoch während des Reformprozesses, unterstützt durch das Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) sowie das Ministry of Finance (MOF), erfolgreich Widerstand gegen einen Zwang zur Einführung der neuen Organisationsform und damit auch externer Direktoren geleistet.48 Ergebnis der Reformen war die Schaffung eines Modells, das den Unternehmen die Wahl zwischen traditionellem japanischem Modell und der Annahme „globaler Standards“ ließ. 49 Zu diesen Standards gehörten nach japanischem Verständnis eine größere Rolle für zumindest externe Direktoren, ein Fokus des Verwaltungsrats auf die Überwachung und die Ermächtigung der Aktionäre.50 Nach dem wohl als gescheitert zu bezeichnenden Versuch der Besatzungsmacht, dem japanischen System das US-amerikanische überzustülpen, wurde nunmehr jedenfalls auf den ersten Blick ein eigenständiger Versuch unternommen, das MonitoringModell heutiger Prägung als Alternative zu implementieren. Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, kann jedoch keinesfalls von einer Übernahme US-amerikanischer Strukturen gesprochen werden. II. Die Reform von 2005 Mit der Reform des Jahres 2005, die 2006 in Kraft trat, wurde das Gesellschaftsgesetz (GesG) geschaffen.51 Es vereint die bisher über mehrere Gesetze verteilten Regelungen insbesondere auch der Aktiengesellschaft (kabushiki kaisha) in einem neu systematisierten, einheitlichen Gesetz.52 Für sie ergeben Zu den einzelnen Organisationsverfassungen siehe eingehend Kapitel 3 – A. Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 127 f.; vgl. auch C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 63 f.; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 105. Zum politischen Hintergrund der Reform allgemein siehe ibid., 104–108. 49 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 127 f. Zum Begriff der „globalen Standards“ und der Diskussion um eine Annäherung an US-amerikanisches Recht siehe noch unten E. 50 J. BUCHANAN / S. DEAKIN, ZJapanR 26 (2008) 59, 60. 51 Kaisha-hō [Gesellschaftsgesetz], Gesetz Nr. 86/2005. Ausführlich zu den neuen Regelungen M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123 ff. und aus rechtsvergleichender Sicht O. KIRCHWEHM, Reformen, 153–222; siehe auch V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 55 f. 52 Siehe M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 124, auch zum Ausführungsgesetz sowie den begleitenden Gesetzen. Buch Zwei des Handelsgesetzes, das GmbH-Gesetz sowie das Rechnungsprüfungsgesetz wurden im Gegenzug aufgehoben und zahlreiche andere Gesetze an die Neuregelungen angepasst, H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 47 48

C. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Reformen

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sich zahlreiche Änderungen. Unter anderem wurde der Rechnungslegungsberater (kaikei san’yo) eingeführt und es finden sich Neuregelungen etwa im Bereich der Haftung und der einzelnen Kompetenzen der Organe und ihrer Mitglieder. 53 Um die Auswirkungen der Änderungen der Reform von 2001/2002 abzuwarten, hat man hinsichtlich der Überwachung des Managements jedoch keine weiteren substantiellen Veränderungen vorgenommen.54 Unterschieden wird innerhalb der kabushiki kaisha nunmehr zwischen großen Aktiengesellschaften (dai-kaisha) und kleinen/mittleren Aktiengesellschaften (chūshō kaisha), die jeweils als Publikumsgesellschaft (kōkai kaisha) oder als geschlossene mit vinkulierten Aktien (jōto seigen kabushiki) ausgestaltet sein können. Die Unterscheidung geht mit entsprechenden Mindestpflichten hinsichtlich der Binnenorganisation einher. 55 Für die im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden großen Publikumsgesellschaften besteht seit der vorangegangenen Reform zwar die Wahl zwischen zwei Organisationsformen. Was die mit der jeweiligen Wahl einhergehenden Anforderungen des Gesetzes betrifft, bestehen jedoch deutlich weniger Spielräume als bei kleinen und geschlossenen Gesellschaften.56 III. Regelungen der Tokyo Stock Exchange bis zur Reform 2014 Seit der Reform 2001/2002 haben große Publikumsgesellschaften zwar die Wahl zwischen dem traditionellen System und der Ausschussstruktur, welche die Ernennung externer Direktoren erfordert. Ein Zwang zu externen Mitgliedern im Verwaltungsrat besteht jedoch folglich nicht, da die Wahl der Gesellschaft mit Ausschüssen nicht verpflichtend ist. Für börsennotierte Gesellschaften gelten allerdings mit den Börsenzulassungsregeln der Tokyo Stock Exchange (TSE Listing Rules)57 über das GesG Rn. 40. Neben der Einführung zwei neuer Gesellschaftsformen und der Abschaffung der GmbH (yūgen kaisha) bringt die Neuregelung auch eine modernere Sprache, klarere Struktur und weitere Deregulierung mit sich, M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 124–127. 53 Zu den Änderungen im Recht der Aktiengesellschaft eingehend M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 141–155 und speziell zur Corporate Governance 142–147. 54 M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 24. 55 Zu dieser Einteilung der Gesellschaften siehe M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 142. Zur Integration der Regelungen der GmbH in das Aktienrecht und der Schaffung getrennter Regelungen für große und kleine, ehemals als GmbH organisierte Unternehmen siehe auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 68–70. 56 Vgl. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 124. Die Unternehmen insgesamt haben seit der Reform viele Freiheiten bei der Gestaltung der Binnenstruktur, während in Deutschland bei der Ausgestaltung der Satzung mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge eine relativ weitgehende Bindung an die gesetzlichen Vorgaben besteht, M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 141 f.; V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 58. 57 TSE Securities Listing Regulations (as of 4 November 2016) (TSE Listing Rules), abrufbar unter (Provisional Reference Translation).

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

hinausgehende Anforderungen. Die TSE hat in Reaktion auf die Berichte zweier vom METI respektive der Financial Services Agency (FSA) eingesetzten Kommissionen im Jahr 2009 die Verpflichtung zur Ernennung mindestens eines unabhängigen Direktors oder, wahlweise, eines unabhängigen Prüfers für alle an der TSE notierten Unternehmen in ihre Börsenzulassungsregeln aufgenommen.58 Hervorzuheben ist, dass sich die Verpflichtung nicht auf externe (shagai) Direktoren beziehungsweise Prüfer bezieht, sondern erstmalig Anforderungen an unabhängige (dokuritsu) Organmitglieder stellt und sich auch insoweit von der Regelung im GesG unterscheidet.59 Im Mai 2012 wurde eine Regelung ergänzt, welche es den Unternehmen zwar unbenommen ließ, die 2009 eingeführte Verpflichtung durch die Ernennung eines unabhängigen Prüfers zu erfüllen, indirekt jedoch die Ernennung eines unabhängigen Direktors empfahl.60

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

Mit der Gesellschaftsrechtsreform 2014, Anpassungen der Börsenregelungen sowie der Verabschiedung der japanischen Version eines Corporate Governance Kodex hat es in jüngerer Zeit gleich auf drei regulatorischen Ebenen Veränderungen gegeben, welche insbesondere auch die Unternehmensüberwachung durch externe und unabhängige Direktoren betreffen. I.

Die Gesellschaftsrechtsreform 2014

Wesentlicher Diskussionspunkt der jüngsten Reform des Gesellschaftsrechts war die Rolle externer Direktoren in der japanischen Corporate Governance. Hintergrund der Reform war der Wille, durch eine Verbesserung der Corporate Governance der Unternehmen das Vertrauen der in- wie ausländischen Investoren zu stärken und – wieder einmal – die japanische Wirtschaft zu beleben und aus der Rezession zu heben.61 Diesem Ziel lag die Überlegung zu Grunde, dass die Leitung und Kontrolle japanischer Unternehmen und damit auch deren Leistung derjenigen anderer Länder unterlegen ist.62 Nicht zuletzt die institutionellen Investoren hatten zunehmend die nicht leistungsbezogene Wahl und Vergütung des Manage58 Regel 436-2 TSE Listing Rules. Siehe dazu G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.b.; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 43; K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 9; DERS., Shōji Hōmu 2007 (2013) 41, 42. Zu den Untersuchungen des METI und der FSA siehe auch B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 79 f. 59 G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.b. 60 Regel 445-4 TSE Listing Rules a. F. Siehe dazu G. GOTO / M. MATSUNAKA /  S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.b.; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 43 f. 61 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 2.

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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ments, die Rekrutierung der Direktoren aus dem höheren Management, eine unzureichende Kontrolle der Geschäftsführung aus Sicht der Aktionäre und dabei insbesondere die fehlende Verpflichtung zur Einsetzung externer bzw. unabhängiger Direktoren bemängelt.63 Während es in den Reformen vor Schaffung des Gesellschaftsgesetzes primär darum ging, rechtmäßiges Handeln im Unternehmen sicherzustellen, standen nunmehr die Leistung der Unternehmen und die Maximierung des Anlegergewinns klar im Vordergrund.64 Die während der letzten beiden Reformen angestoßene Öffnung für das Monitoring-Modell und die Förderung einer stärker am shareholder value orientierten Unternehmenskultur wurden forciert.65 1. Zeitlicher Ablauf der Reform Bei der Reform handelt es sich um die erste grundlegendere Überarbeitung des Gesellschaftsgesetzes von 2005.66 In Gang gesetzt wurde sie am 24. Februar 2010, als der damalige Justizminister den Gesetzgebungsrat des MOJ (Hōsei Shingi-kai) mit der Ausarbeitung eines Reformentwurfs beauftragte.67 Die weit gefasste Aufgabe bestand darin, „vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Gesellschaften den Überarbeitungsbedarf in der Corporate Governance sowie der Regulierung der Beziehung von Mutter- und Tochtergesellschaft von dem Blickwinkel aus zu untersuchen, das Vertrauen der verschiedenen mit Gesellschaften in Zusammenhang stehenden Interessensgruppen zu stärken.“68

Die Beratungen im kurz darauf neu gebildeten Unterausschuss für das Gesellschaftsrecht (Kaisha Hōsei Bukai) dauerten knapp zweieinhalb Jahre.69 Nach 62

80.

S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11; vgl. N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015)

63 S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11; vgl. N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 44. Zur abweichenden Vorstellung von einem effektiven Monitoring siehe auch G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20. 64 M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 37. E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 76 spricht davon, dass der shareholder value als Leitgedanke ausgerufen wurde. 65 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20 mit Betonung auf dem Monitoring-Modell und E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 70 sowie S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 40 mit Betonung auf der Ausrichtung am Gedanken des shareholder value bzw. einer zunehmenden Priorisierung der Aktionärsinteressen. 66 Zum zeitlichen Ablauf der Reform siehe eingehend S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5 f.; siehe auch G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 13–15; G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.c.; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41. 67 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 14 f.; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5. 68 Siehe die Konsultation des Justizministers: Shimon Dai 91-Gō [Konsultation Nr. 91] (2010), abrufbar unter . [Übersetzung durch den Verfasser.] 69 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 14 f.; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5.

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

der Veröffentlichung eines Zwischenberichts (Kaisha hōsei no minaoshi ni kansuru chūkan shian) am 7. Dezember 2011 und Stellungnahmen durch die Öffentlichkeit übergab am 7. September 2012 der Gesetzgebungsrat dem Justizminister die „Grundsätze einer Reform des Gesellschaftsrechts“ (kaisha hōsei no minaoshi ni kansuru yōkō).70 Der auf diesen Grundsätzen beruhende Gesetzentwurf wurde am 29. November 2013 ins Parlament eingebracht,71 am 20. Juni 2014 mit lediglich einer technischen Änderung im Parlament verabschiedet und am 27. Juni 2014 bekannt gemacht.72 Das Gesetz trat am 1. Juni 2015 in Kraft. 2. Der Inhalt der Reform Die Reform umfasst zwei grundlegende Reformfelder: die Überarbeitung der Regelungen betreffend die Beziehung von Mutter- und Tochtergesellschaften und die Stärkung der Corporate Governance.73 Den Kernpunkt der Reform stellt dabei die Stärkung der Überwachungsfunktion des Verwaltungsrats dar.74 Sie gliedert sich in drei Regelungsbereiche: die Einführung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss (a)), die Einführung einer comply or explain-Regelung hinsichtlich der Ernennung mindestens eines externen, nicht aber zwingend unabhängigen Direktors auch in der Gesellschaft mit Prüferrat (b)) und die Verschärfung der Anforderungen, welche externe Direktoren erfüllen müssen (c)). 70 E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 70; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 14; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5. Zu Zwischenbericht und Öffentlichkeitsbeteiligung siehe G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 15. 71 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 6. Grund für die Verzögerung zwischen Erstellung des Gesetzentwurfs Anfang 2013 und Einbringung in das Parlament waren nicht der Inhalt der Reform, sondern die politischen Umstände und weitere Gesetzentwürfe; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5 f.; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 8 (Wortbeitrag Sakamoto). 72 Kaisha-hō no ichibu o kaisei suru hōritsu [Gesetz zur Erneuerung eines Teils des Gesellschaftsgesetzes], Gesetz Nr. 90/2014, bekannt gemacht im Kanpō [Amtsblatt], 27.6.2014, Nr. 144. Zu den Beratungen im Parlament siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 7 und 8 sowie S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 9 (Wortbeitrag Sakamoto). 73 Siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 3 und auch die Gliederung des Werkes für eine gute Übersicht; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80; vgl. auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 70. Das zeitgleich mit dem Reformgesetz in Kraft getretene Begleitgesetz, Gesetz Nr. 91/2014, führt zu durch das Reformgesetz erforderlich gewordenen Änderungen in 96 weiteren Gesetzen, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaishahō, 4. Grund für die Änderungen im Bereich der Beziehung von Mutter- und Tochtergesellschaften sind Zweifel, dass das auf einzelne Unternehmen ausgerichtete Gesellschaftsrecht eine für die gegenwärtige Praxis in Gruppen organisierter Unternehmen angemessen Regelung bietet, N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80. 74 Vgl. G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 17. Zu weiteren Regelungsfeldern im Bereich der Corporate Governance siehe ibid., 24–30. Zu den Themen, die von der Reformagenda gestrichen wurden oder für zukünftige Reformen vorgesehen sind, siehe ibid., 30–36.

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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a) Gesellschaft mit Kontrollausschuss Mit der Reform wurde eine dritte Organisationsform neben der Gesellschaft mit Prüferrat und der Gesellschaft mit Ausschüssen geschaffen. Die „Gesellschaft mit Kontrollausschuss“ (kansa tō i’in-kai setchi kaisha) stellt eine zweite Spielart einer klar monistischen Organisationsverfassung dar. Sie weist weder einen Nominierungs- noch einen Vergütungsausschuss, sondern nur einen mehrheitlich extern besetzten Ausschuss auf. Dieser wird separat von der Hauptversammlung gewählt, seine Mitglieder sind aber zugleich Direktoren des Verwaltungsrats. Der Ausschuss soll neben den Aufgaben des Prüfungsausschusses in der Gesellschaft mit Ausschüssen auch die Funktion der anderen beiden Ausschüsse zu einem gewissen Grad übernehmen.75 In dieser Arbeit wird für ihn der Begriff „Kontrollausschuss“ verwendet. 76 Die neue Organisationsform steht damit zwischen den beiden bisherigen.77 Japanische große Publikumsgesellschaften haben nunmehr die Wahl zwischen der traditionellen sowie zwei klar monistisch strukturierten Organisationsformen.78 b) Anforderungen an externe Direktoren Vor der Reform lag der Schwerpunkt der Anforderungen an externe Direktoren auf dem fehlenden Anstellungsverhältnis bei der betreffenden Gesellschaft selbst oder einer ihrer Tochtergesellschaften. Mit der jüngsten Reform haben sich die Anforderungen in zwei Richtungen erweitert und dem Unabhängigkeitsbegriff der TSE angenähert.79 Es wurde erkannt, dass es auch bei Vertretern von Mutter- und Schwestergesellschaften sowie bei Partnern und nahen Angehörigen geschäftsführender Personen zu Interessenkonflikten kommen kann. Durch eine Verschärfung der Anforderungen soll diesen Konflikten nunmehr entgegengewirkt und die Zur neuen Organisationsverfassung siehe noch eingehend unten Kapitel 3 – A. In wörtlicher Übersetzung heißt die neue Organisationsform „Gesellschaft mit Ausschuss für Prüfung usw.“ Das „usw.“ – im Japanischen steht das Wort „tō“ hinter dem Begriff für Prüfung – soll kenntlich machen, dass die Funktion des Ausschusses über diejenige des Prüfungsausschusses in der Gesellschaft mit Ausschüssen hinausgeht. Der besseren Lesbarkeit halber wurde hier der Begriff „Kontrollausschuss“ gewählt. 77 M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23. 78 Zur besseren Abgrenzbarkeit wurde die Gesellschaft mit Ausschüssen (i’in-kai setchi kaisha) mit Einführung des dritten Modells in „Gesellschaft mit u. a. Nominierungsausschuss“ (shimei i’in-kai tō setchi kaisha) umbenannt, M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, S. 23. Das „u. a.“ – im Japischen steht das Wort „tō“ hinter dem Begriff für Ausschuss – zeigt an, dass es neben dem Nominierungsausschuss noch weitere Ausschüsse gibt. Der besseren Lesbarkeit halber wurde hier der Begriff „Gesellschaft mit Ausschüssen“ beibehalten und für die neue Organisationsform der Begriff „Gesellschaft mit Kontrollausschuss“ gewählt. Zu letzterem siehe oben Fn. 76. 79 Vgl. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 21 f. Eingehend zu den Anforderungen an externe Direktoren unten Kapitel 4 – D. I. und an unabhängige Direktoren D. II. 75 76

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

Funktionserfüllung durch eine Stärkung der Unabhängigkeit sichergestellt werden. 80 Gleichzeitig werden die Anforderungen jedoch auch gesenkt, indem ehemalige geschäftsführende Direktoren und Angestellte der betreffenden Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften nicht mehr dauerhaft von der Position des externen Direktors oder Prüfers ausgeschlossen sind.81 c) „Comply or explain“: Druck in Richtung Ernennung mindestens eines externen Direktors Die dritte Änderung im Zusammenhang mit der Stärkung der externen Kontrolle der Geschäftsführung ist die Einführung einer comply or explainRegelung hinsichtlich der Ernennung mindestens eines externen, nicht aber zwingend unabhängigen Direktors für alle großen Publikumsgesellschaften.82 Die Regelung ist allein für Gesellschaften mit Prüferrat relevant. Die nach wie vor ganz überwiegende Zahl der Gesellschaften wählt diese Organisationsverfassung und verfügt damit nicht zwangsweise aufgrund der Anforderungen an die Ausschüsse über externe Direktoren im Verwaltungsrat.83 Dennoch kommt dem Verwaltungsrat auch in diesen Gesellschaften die Aufgabe zu, die Geschäftsführung zu überwachen.84 Bei der Frage, ob und in welchem Umfang sie deshalb zur Einsetzung externer Direktoren gezwungen werden sollten, handelte es sich mit Abstand um den umstrittensten Regelungsbereich der Reform.85 Zwar erkannte man im Unterausschuss des Gesetzgebungsrats die Bedeutung der „Unabhängigkeit“ des Überwachenden für die Effektivität der Überwachung und befürwortete daher ein aktiveres Gebrauchmachen von zumindest externen Direktoren.86 Am Ende langer Beratungen aufgrund heftiger Gegenmeinungen insbesondere der Interessenvereinigung Keidanren 87 konnte jedoch kein Konsens für eine verpflichtende Einsetzung gefunden werden. 88 Der Gesetzgebungsrat entschied sich daher gegen eine bindende

M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 21. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22. 82 Siehe dazu noch eingehend unten Kapitel 4 – C. I.1. 83 Zur Bedeutung der Organisationsverfassungen in der Praxis siehe noch unten Kapitel 4 – C. IV.1. 84 Siehe dazu bereits oben B. und zur Aufgabenverteilung in den verschiedenen Organisationsverfassungen noch eingehend unten Kapitel 3 – A. II. 85 Vgl. G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21; G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, I. 86 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 77. 87 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21; vgl. auch W.-G. RINGE, Independent directors, 7 f. Zum politischen Hintergrund und dem Grund dafür, dass eine verpflichtende gesetzliche Regelung scheiterte siehe unten Kapitel 4 – B. 88 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 77. 80 81

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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Regelung und für eine comply or explain-Regelung nach Vorbild des UK Corporate Governance Kodex, allerdings auf Gesetzesebene.89 Es blieb jedoch nicht bei der vom Gesetzgebungsrat vorgesehenen Regelung. Vielmehr griff die regierende Liberaldemokratische Partei Japans (LDP) nach Verabschiedung der Grundsätze durch den Gesetzgebungsrat und vor Einbringung des Gesetzentwurfs in das Parlament nicht unerheblich in den Gesetzgebungsprozess ein und verschärfte die Erklärungspflicht der Unternehmen.90 d) Sonstiges Im Bereich der Corporate Governance finden sich daneben zwei weitere für diese Arbeit relevante Änderungen. Zum einen gelten die neuen Anforderungen des Begriffs „extern“ nicht nur für die externen Direktoren, sondern auch für die externen Prüfer in der Gesellschaft mit Prüferrat.91 Zum anderen wandelt sich das bisherige Zustimmungs- und Vorschlagsrecht des Prüferrats hinsichtlich der Ernennung der Abschlussprüfer in ein alleiniges Entscheidungsrecht.92 Darüber hinaus enthält eine Nebenbestimmung des reformierten Gesetzes eine Überprüfungsklausel. Die Regierung wird darin verpflichtet, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes unter Berücksichtigung der Entwicklung der Ernennung externer Direktoren sowie des sozioökonomischen Wandels eine erneute Untersuchung zum System der Corporate Governance anzustellen und, falls es notwendig erscheinen sollte, eine Pflicht zur Ernennung externer Direktoren einzuführen oder andere notwendige Maßnahmen zu ergreifen.93 II. Corporate Governance Code 2015 und Listing Rules der TSE Die Reformbemühungen im Zusammenhang mit der Corporate Governance beschränkten sich nicht auf die Überarbeitung des Gesellschaftsgesetzes. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 79; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 42. 90 Siehe dazu unten den politischen Hintergrund der Reform, Kapitel 4 – B. 91 Art. 2 Nr. 16 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 93 f. und 102 Fn. 2 sowie unten Kapitel 3 – D. I.2.b). 92 Art. 344 GesG. Siehe dazu noch unten Kapitel 3 – D. I.2.a) im Rahmen der Aufgaben der Prüfer und des Prüferrats. Auch der Aufsichtsrat in der deutschen Aktiengesellschaft hat die Kompetenz, den Prüfungsauftrag an den Abschlussprüfer zu erteilen, § 111 Abs. 2 S. 3 AktG. Siehe dazu H. HIRTE, Kapitalgesellschaftsrecht, 222 Rn. 3.196. 93 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 12; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 16 (Wortbeitrag Sakamoto). Die notwendigen Maßnahmen sollen auf Grundlage der Bewertung zwei Jahre nach Inkrafttreten bestimmt werden, können aber ausdrücklich die Verpflichtung zur Ernennung externer Direktoren umfassen, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 13. Zu den Übergangsregelungen nach Inkrafttreten des reformierten GesG siehe S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2042 (2014) 4, 16 (Wortbeitrag Sakamoto). 89

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

Vielmehr umfasst das Reformvorhaben weitere für börsennotierte Unternehmen bedeutsame Änderungen. So hat sich der Gesetzgebungsrat zwar gegen eine gesetzlich verpflichtende Regelung zur Ernennung externer Direktoren auch in der Gesellschaft mit Prüferrat entschieden. In einer Annex-Entscheidung zu den im September 2012 an den Justizminister übergebenen Grundsätzen wurden jedoch die japanischen Börsen dazu angehalten, ihre Börsenzulassungsregeln zu ergänzen. Sie sollten von den börsennotierten Unternehmen verlangen, sich ernsthaft darum zu bemühen, mindestens einen nach den Vorgaben der Börsen unabhängigen, nicht lediglich externen Direktor zu ernennen.94 Die weiteren Reformbemühungen nach Abschluss der Arbeiten des Gesetzgebungsrats sind vor dem Hintergrund der sogenannten „Abenomics“ zu sehen. Dabei handelt es sich um ein vom im Jahr 2012 an die Macht gelangten japanischen Premierminister Shinzō Abe initiiertes Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft.95 Es besteht aus drei Säulen – auch Pfeile genannt. Der erste dieser Pfeile ist eine expansive Geldpolitik zur Steigerung der Inflation, der zweite Pfeil ein umfangreiches, schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm. Der dritte Pfeil schließlich sind Strukturreformen, zu denen auch eine Reform der Corporate Governance insbesondere der börsennotierten Gesellschaften gehört. Diese Bemühungen knüpfen an die bereits vor der Amtszeit Abe’s angestoßenen Reformen des Gesellschaftsgesetzes an. Im Juni 2013 hat die japanische Regierung in Vorbereitung der Umsetzung der Abenomics ihre Strategie zur Wiederbelebung der japanischen Wirtschaft vorgestellt (Japan Revitalization Strategy. Japan is Back).96 Diese sah unter anderem zwei Maßnahmen betreffend die Corporate Governance der japanischen Unternehmen vor, die in der Folge umgesetzt wurden. Zum einen wurde unter Leitung der FSA eine Kommission zur Ausarbeitung eines japanischen Stewardship Codes97 nach Vorbild des britischen Regelwerks gegründet, der im Februar 2014 verabschiedet wurde.98 Zum anderen wurde von der S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5. f. und 79. Siehe dazu noch unten Kapitel 4 – B. III. sowie C. II. Zu den bisherigen Regelungen der Börse bis zur Reform siehe oben C. III. 95 Zu diesem siehe „Japan and Abenomics. Once more with feeling“, The Economist, 18.5.2013, Briefing section; „Abenomics picks up speed. The battle for Japan“, The Economist, 28.6.2014, Asia section und aus heutiger Sicht „Abenomics. Overhyped, underappreciated“, The Economist, 30.7.2016, Leaders section. 96 Japan Revitalization Strategy. Japan is Back (14.6.2013), abrufbar unter (Provisional Translation). 97 Japan’s Stewardship Code, abrufbar unter . Nunmehr liegt eine überarbeitete Version des Kodex vor, abrufbar unter . 98 Siehe den finalen Entwurf des JCGC (JCGC Final Proposal; siehe den Nachweis in Fn. 112), 1. Zum UK Stewardship Code siehe oben Kapitel 1 – B. III.1.c). 94

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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Japan Exchange Group, Inc. (JPX), einem Zusammenschluss der Börsen von Tōkyō sowie Ōsaka, mit dem JPX-Nikkei Index 400 ein neuer Index ins Leben gerufen, der am 6. Januar 2014 in Betrieb genommen wurde.99 In diesem Index werden Unternehmen geführt, die globale Investitions-Standards erfüllen und für Investoren von besonderem Interesse sind.100 Die Japan Revitalization Strategy wurde 2014 überarbeitet. Die neue Fassung enthält nunmehr einen detaillierten Plan zum „Abschuss“ des dritten Pfeils in Form umfassender Reformen.101 Das Strategiepapier verfolgt dabei einen sehr grundlegenden Ansatz. Es soll nicht nur an einigen Stellschrauben gedreht werden, sondern vielmehr ein grundlegender Richtungswandel der japanischen Unternehmenskultur und Institutionen eingeleitet werden.102 Ein Kernthema der Reform ist die Wiederherstellung der Ertragskraft Japans (earning power) und dabei insbesondere der Wandel der Unternehmen durch einen Wandel in deren Corporate Governance.103 Für diesen soll insbesondere ein Corporate Governance Kodex sorgen.104 1. Japan’s Corporate Governance Code Die Regelungen des Kodex gelten für alle an der Tokyo Stock Exchange (TSE) gelisteten Unternehmen.105 Der Kodex ist neutral gegenüber der Wahl der Organisationsverfassung, inhaltlich jedoch auf die Gesellschaft mit Prüferrat als weitaus häufigster Organisationsform zugeschnitten. 106 Wie der JCGC Final Proposal, 2. Siehe die Beschreibung des Index unter : „The new index will be composed of companies with high appeal for investors, which meet requirements of global investment standards, such as efficient use of capital and investor-focused management perspectives. The new index will promote the appeal of Japanese corporations domestically and abroad, while encouraging continued improvement of corporate value, thereby aiming to revitalize the Japanese stock market.“ 101 Japan Revitalization Strategy. Japan’s challenge for the future (24.6.2014), 1, abrufbar unter . 102 Japan Revitalization Strategy 2014, 2. 103 Siehe die sogenannten „key policy measures“, Japan Revitalization Strategy 2014, 5 f. Neben der Steigerung der Ertragskraft finden sich weitere Maßnahmen: Japan soll als Wirtschaftszentrum gestärkt, der Arbeitsmarkt überarbeitet und insbesondere die Beteiligung der Frauen gestärkt werden sowie bestimmte Industrien gefördert und die regionale Revitalisierung und Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen vorangetrieben werden, vgl. ibid., 7–15. Diese Kernpunkte sollen in Form dreier Aktionspläne umgesetzt werden: „Industry Revitalization Plan“, „Strategic Market Creation Plan“ und „Strategy of Global Outreach“, ibid., 3. Fragen der Corporate Governance fallen unter den ersten Aktionsplan. 104 Japan Revitalization Strategy 2014, 20 und 35 f. Zu weiteren Maßnahmen auf dem Gebiet der Corporate Governance siehe ibid., 20 f. und 34–38. 105 Zur Verankerung des Kodex in den Börsenzulassungsregeln siehe unten Kapitel 4 – C. III. 106 JCGC Final Proposal, 6. 99

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

deutsche Kodex dient er auch dazu, den ausländischen Investoren die japanische Corporate Governance – insbesondere nach der traditionellen Organisationsverfassung – näher zu bringen.107 a) Zeitlicher Ablauf der Erarbeitung des Kodex Die Japan Revitalization Strategy von 2014 sah die Gründung eines Expertenrats unter gemeinsamer Führung der TSE und der FSA zur Vorbereitung eines Kodex bis zum Herbst 2014 und eine Verabschiedung des Regelwerks im Jahr 2015 vor der Hauptversammlungs-Saison vor.108 Der daraufhin gebildete Rat traf sich ab August 2014 neunmal.109 Am 12. Dezember 2014 war ein Vorentwurf (Exposure Draft)110 veröffentlicht und der Öffentlichkeit vom 26. Dezember 2014 bis zum 31. Januar 2015 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.111 Der finale Entwurf (Final Proposal)112 wurde am 5. März 2015 veröffentlicht.113 Die Japan Revitalization Strategy und der finale Entwurf des Kodex sahen dessen Finalisierung sowie eine Anpassung der Börsenzulassungsregeln durch die TSE vor. 114 Diese hat am 13. Mai 2015 den „Japan’s Corporate Governance Code“ (JCGC)115 veröffentlicht, welcher inhaltlich dem finalen Entwurf des Expertenrats entspricht.116 Siehe etwa die Erklärungen zu den drei Organisationsverfassungen im Kodex, JCGC, 16 f. 108 Japan Revitalization Strategy 2014, 35; vgl. T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57; H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13. 109 JCGC Final Proposal, 2. 110 Japan’s Corporate Governance Code [Exposure Draft]. Seeking Sustainable Corporate Growth and Increased Corporate Value over the Mid- to Long-Term, abrufbar unter

(Provisional Translation). 111 Siehe . Insgesamt gingen Kommentare von 80 Personen auf Japanisch und von 41 Personen auf Englisch ein. Vgl. auch JCGC Final Proposal, 2. 112 Japan’s Corporate Governance Code [Final Proposal]. Seeking Sustainable Corporate Growth and Increased Corporate Value over the Mid- to Long-Term, abrufbar unter

(Provisional Translation). 113 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57. 114 Japan Revitalization Strategy 2014, 35; JCGC Final Proposal, 2. Der Name final proposal (gen’an), rührt daher, dass die einzelnen Börsen sich diesen zu eigen machen, einen finalisierten Kodex veröffentlichen und die Zulassungsregeln entsprechend anpassen müssen, M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 5. 115 Japan’s Corporate Governance Code. Seeking Sustainable Corporate Growth and Increased Corporate Value over the Mid- to Long-Term (JCGC), abrufbar unter (Provisional Translation). 116 Vgl. zum Ablauf und der inhaltlichen Übereinstimmung T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 58 (bereits vor der Finalisierung durch die TSE). 107

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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b) Der Inhalt des Kodex Das Ziel des Kodex ist wie folgt formuliert: „It is expected that the Code’s appropriate implementation will contribute to the development and success of companies, investors and the Japanese economy as a whole through individual companies’ self-motivated actions so as to achieve sustainable growth and increase corporate value over the mid- to long-term.“117

Entsprechend dem Grundtenor der Abenomics stellt der Kodex nicht Fragen der Compliance, sondern der Performance in den Vordergrund. Primär geht es nicht um eine Reduzierung von Risiken oder Verhinderung von Skandalen wie die im Jahr 2011 bekannt gewordenen massiven Bilanzfälschungen bei Olympus.118 Hauptziel ist es vielmehr, mittel- bis langfristig das Wachstum der Unternehmen zu fördern und ihren Wert zu steigern.119 Bereits die Regierung hatte in ihrem Strategie-Papier betont, dass Reformen allein nicht zu einer dauerhaften Wiederbelebung der Wirtschaft führen können. Dass effektive Reformen auch ein Handeln auf Seiten der Unternehmen erfordern, klingt denn auch in der Zielformulierung des Kodex an und wird in den Vorbemerkungen weiter ausgeführt. Der Kodex solle nicht als Einschränkung gesehen werden, sondern vielmehr als Richtschnur einer Leitungsstruktur, die rationale Entscheidungsprozesse erst ermöglicht.120 Dieser Zielsetzung entsprechend enthält der Kodex keine Detailvorgaben, sondern verfolgt einen grundsatzbasierten Ansatz. Die Unternehmen sollen ihre Unternehmenspraxis vor dem Hintergrund der Ziele des Kodex hinterfragen und Probleme aus eigener Motivation heraus aktiv angehen.121 Der Kodex verfolgt ebenso wie die Regelung zu externen Direktoren im reformierten Gesellschaftsgesetz einen comply or explain-Ansatz und entspricht damit dem internationalen Standard.122 Anders als der deutsche Kodex JCGC, 2. Zum Olympus-Skandal siehe unten Kapitel 3 – D. I.6.b). 119 JCGC, 33 (Appendix). 120 JCGC, 33 (Appendix). 121 JCGC, 34 (Appendix). Dazu T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 58; M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 10. In diesem Anstoß zur Hinterfragung der eigenen Strukturen sah Prof. Bruce Aronson in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Hitotsubashi Universität in Tōkyō am 27.4.2015 den größten Wert des Kodex. Der Kodex ersetzt die bisherigen „Principles of Corporate Governance for Listed Companies“ der TSE, abrufbar in ihrer letzten Fassung unter . Bei der Ausarbeitung des Kodex zog der Expertenrat insbesondere die bisherigen Principals der TSE sowie die OECD Principles of Corporate Governance heran, Japan Revitalization Strategy 2014, 35 f.; JCGC, 32 (Appendix); siehe auch H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13. 122 JCGC, 35 (Appendix). Die Erklärung der Befolgung oder Nichtbefolgung erfolgt im Rahmen des Corporate Governance-Berichts. Für die Hauptversammlungs-Saison des Jahres 2015 sollte dieser bis Ende des Jahres und ab 2016 unverzüglich nach der Jahres117 118

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

und ebenso wie der Kodex im Vereinigten Königreich ist er jedoch nicht gesetzlich, sondern in den Börsenregelungen verankert. 123 Maßnahmen zur Sicherstellung der Befolgung des Kodex sind nicht vorgesehen. Die Umsetzung der Erfüllung der Anforderungen liegt vielmehr bei den Unternehmen und deren Bewertung bei den Anlegern und übrigen Stakeholdern.124 Diese sollen im Dialog mit dem Unternehmen falls erforderlich für eine Verbesserung sorgen.125 Wie der deutsche Kodex soll auch der japanische in der Zukunft überarbeitet und den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.126 Strukturell unterteilt er sich in Allgemeine Grundsätze (general principles), Grundsätze (principles) und Ergänzende Grundsätze (supplementary principles). Die verschiedenen Arten von Grundsätzen als Hauptbestandteil des Kodex werden ergänzt durch Anmerkungen (notes) sowie noch im finalen Entwurf enthaltene und jetzt in den Anhang verschobene Hintergrundinformationen (background). Der Kodex gilt für alle gelisteten Unternehmen. Allerdings gibt es Unterschiede in den Anforderungen. Für die Unternehmen der ersten und zweiten Sektion der TSE gilt die Regel des comply or explain für sämtliche Grundsätze, für alle anderen Unternehmen gilt sie lediglich für die fünf Allgemeinen Grundsätze.127 Diese werden als Grundpfeiler des Kodex in diesem zunächst separat aufgeführt.128 Wie sich bereits am Umfang der Regelungen erkennen lässt, liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der auch für diese Arbeit bedeutsamsten Nr. 4: Aufgaben und Verantwortlichkeit des Boards. Die Grundsätze 4.7 bis 4.9 beschäftigen sich mit der Rolle unabhängiger Direktoren. Insbesondere sollen Unternehmen mindestens zwei unabhängige Direktoren ernennen. Damit geht der Kodex in seinen Anforderungen über das reformierte GesG sowie die 2014 überarbeitete Regelung der Börsen hinaus. 2. Listing Rules der TSE Hinsichtlich der Börsenzulassungsregeln der TSE ist zwischen der Umsetzung der Annex-Regelung des Gesetzgebungsrats sowie der Implementierung des Corporate Governance Kodex zu unterscheiden. Die TSE hat nach Durchführung eines Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung die Vorgabe des Gesetzgebungsrats umgesetzt. Die modifizierte Regehauptversammlung eingereicht werden, TSE, Development of Listing Rules, 2 f. und 7 (Zeitstrahl). 123 Zur rechtstechnischen Umsetzung im Detail siehe unten Kapitel 4 – C. III. 124 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 58 f.; H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 18. Eine Ausnahme gilt für Fälle der Verweigerung der Erklärung oder offensichtlich unwahre Erklärungen. 125 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59. 126 JCGC, 37 (Appendix). 127 Regel 436-3 TSE Listing Rules. Dazu T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59. 128 JCGC, 3 f.

D. Die Reform 2014 und aktuelle Entwicklungen

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lung ist seit dem 10. Februar 2014 in Kraft.129 Bislang bestand die Verpflichtung zur Ernennung eines unabhängigen Prüfers oder Direktors (must secure). Zusätzlich wurde seit 2012 die Ernennung eines unabhängigen Direktors implizit empfohlen.130 Letztere Regelung wurde nunmehr angepasst. Nach der neuen Formulierung müssen sich Unternehmen nunmehr darum bemühen, mindestens einen unabhängigen Direktor zu ernennen (must make efforts to secure).131 Zur Implementierung des finalen Kodex hat die TSE, ebenfalls nach Durchführung eines Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung, 132 ihre Börsenzulassungsregelungen zeitgleich mit dem Inkrafttreten des reformierten GesG zum 1. Juni 2015 erneut angepasst.133 Tabelle 1: Zeitlicher Überblick über die Entwicklung des regulatorischen Rahmens des Unternehmensüberwachung Zeitraum

Regelwerk

Ereignis bzw. Regelung

Vor 1950

Handelsgesetz

Entwicklung der Gesellschaft mit Prüferrat als separatem Überwachungsorgan

1950

Handelsgesetz

Schaffung des Verwaltungsrats als obligatorischem Organ und Betrauung mit Selbstkontrolle; Beschneidung der Rechte des Prüferrats

1950 bis 2000

Handelsgesetz

Ausbau der Rechte der Prüfer; mindestens drei Prüfer und davon mindestens einer extern

2001/2002

Handelsgesetz

Einführung der Gesellschaft mit Ausschüssen mit mindestens hälftig extern besetzten Ausschüssen im Verwaltungsrat; mindestens die Hälfte der Prüfer in der Gesellschaft mit Prüferrat extern

2005

GesG

Schaffung des GesG

2009

Börsenregelungen

Verpflichtung zur Ernennung mindestens eines unabhängigen Prüfers oder Direktors

129 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 6; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 81. 130 Siehe oben C. III. 131 Regel 445-4 TSE Listing Rules. 132 Eine Erläuterung der geplanten Änderungen (TSE, Development of Listing Rules) sowie eine Zusammenfassung der eingegangenen Stellungnahmen ist abrufbar unter . 133 Die Verpflichtung zur Begründung im Falle der Nichtbefolgung findet sich in Regel 436-3 der TSE Listing Rules. Vgl. dazu T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57. Zu den Übergangsvorschriften siehe ibid., 61.

98

2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

2012

Börsenregelungen

Ergänzung um Empfehlung der Ernennung mindestens eines unabhängigen Direktors

2014

GesG

Einführung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss mit einem mindestens hälftig extern besetzten Ausschuss; comply or explain hinsichtlich Ernennung mindestens eines externen Direktors für große Publikumsgesellschaften in der Form der Gesellschaft mit Prüferrat; verschärfte Anforderungen an externe Direktoren

2014

Börsenregelungen

Zusätzlich zur Verpflichtung aus 2009 nun Verpflichtung zum Bemühen um Ernennung mindestens eines unabhängigen Direktors

2015

Corporate Governance Kodex

Einführung des Kodex, der eine Empfehlung zur Ernennung mindestens zweier unabhängiger Direktoren enthält (comply or explain)

E. Die Diskussion um eine Annahme „globaler Standards“ E. Die Diskussion um eine Annahme „globaler Standards“

Mit dem Platzen der Wirtschaftsblase war die Suche nach passenden Reformen des Gesellschaftsrechts in eine neue Runde gegangen. Im Bereich der Corporate Governance verlagerte sich der Fokus zunehmend von einer Verbesserung der Compliance der Unternehmen hin zur Leistungssteigerung und Wiederbelebung der Wirtschaft. 134 Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass eine Fortdauer des überaus starken Wachstums der 50er bis 80er Jahre langfristig nicht zu erwarten gewesen war und neben der Corporate Governance auch andere politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren bei der Entwicklung der Wirtschaft eine Rolle spielen.135 Andererseits stellt sich dennoch die Frage, ob die Grundstrukturen der Governance der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs heute noch angemessen sind. Inwieweit vergangene Reformen und die Entwicklung des institutionellen Umfelds bereits zu einer Veränderung nicht nur der Form nach, sondern auch zu einem tatsächlichen Wandel in der Unternehmenspraxis geführt haben, ist höchst umstritten. Dabei kann es nicht verwundern, dass hinsichtlich des zukünftig einzuschlagenden Weges verschiedene Meinungen vertreten werden. Allerdings gehen auch die rechtsvergleichenden Bewertungen der Entwicklung der letzSiehe oben C. und D. So auch Prof. Gen Goto in einem Gespräch mit dem Verfasser am Rande der Konferenz „Independent Directors in Japan and Other Major Asian Jurisdictions“ am JapanischDeutschen Zentrum Berlin am 17. und 18.7.2014. 134 135

E. Die Diskussion um eine Annahme „globaler Standards“

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ten Jahrzehnte sowie des gegenwärtigen Zustands der japanischen Corporate Governance weit auseinander. 136 Luke Nottage beschreibt den Zustand der vorhandenen Literatur treffend: „It is also replete with widely divergent assessments of the transformation of Japanese corporate governance since the 1990s – so much so, that the literature is more likely to confuse than clarify.“137

Für die Analyse der Rezeption des unabhängigen Direktors sind zahlreiche Aspekte der japanischen Corporate Governance und deren Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Ein knapper Überblick über die uferlose Debatte um einen Wandel der japanischen Corporate Governance soll daher dazu dienen, die Untersuchung der strukturellen Faktoren (Kapitel 3) sowie der Ausgestaltung des Instruments der Unabhängigkeit (Kapitel 4) besser in ein Gesamtbild einordnen zu können. Einige Autoren verneinen einen Wandel trotz aller Reformen schon im Grundsatz. Sie lassen sich in zwei Strömungen einteilen. Auf der einen Seite stehen Autoren, die vertreten, dass die japanische Corporate Governance ganz eigene, spezifische Charakteristika aufweist, die weitgehend unverändert fortbestehen. Die andere Seite nimmt eine gänzlich gegensätzliche Position ein: spezifisch japanische Charakteristika seien ein Mythos. Die Corporate Governance der Nachkriegszeit sei von Anfang an von einem ShareholderAnsatz und dem Wirken von Marktkräften geprägt gewesen und entspreche insoweit der US-amerikanischen.138 Eine zweite, größere Gruppe an Autoren macht einen Wandel in der japanischen Corporate Governance insbesondere seit den Reformen der 90er Jahre aus. Dabei reichen die Analysen von einem dramatischen Wandel in Richtung Anlegerorientierung und dem unaufhaltsamen Zerfall japanischer Eigenheiten hin zu Vertretern eines graduellen, aber spürbaren Wandels innerhalb des bisherigen Modells.139 Letztere Meinung wird von einem Großteil der westlichen und einer Mehrheit der japanischen Literatur gestützt.140

Für einen guten Überblick über die verschiedenen Strömungen und Standpunkte in der Diskussion siehe L. NOTTAGE, Perspectives, 21 ff., insb. 21–41. Zu den verschiedenen theoretischen Ansätzen bei der rechtsvergleichenden Untersuchung der japanischen Corporate Governance siehe eingehend H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739 ff. 137 L. NOTTAGE, Perspectives, 21. 138 L. NOTTAGE, Perspectives, 21, 22–25 zu ersterer (insb. Haley und mit Einschränkungen Dore und Jacoby) und 25 f. zu letzterer Ansicht (insb. Miwa und Ramseyer). 139 L. NOTTAGE, Perspectives, 21, 26–28 zu ersterer (insb. die Zeitschrift The Economist und – teilweise etwas moderater – die westliche Finanzpresse insgesamt) und 28–37 zu letzterer Ansicht (u. a. Nottage, Ahmadijan, Aoki, Jackson / Miyajima, Lawley, Buchanan / Deakin, Milhaupt / West und Milhaupt; siehe auch H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 119 sowie S. KOZUKA, Conclusions, 228, 245). 140 L. NOTTAGE, Perspectives, 21, 38. 136

100

2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

Geht man von einem Wandel, ob dramatisch oder graduell, aus, so stellt sich als nächstes die Frage nach der Stoßrichtung der Entwicklungen. Teilweise wird von einer weltweiten Konvergenz in Richtung der heutigen USamerikanischen Corporate Governance ausgegangen,141 die damit zum „globalen Standard“ erhoben wird. Ein erheblicher Teil der Literatur geht demgegenüber davon aus, dass zwar dem äußeren Anschein nach eine Amerikanisierung stattfindet, das japanische Modell sich tatsächlich jedoch vom USamerikanischen unterscheidet und die legal transplants an das japanische Umfeld angepasst worden sind.142 Was den unabhängigen Direktor betrifft, so hat bereits das erste Kapitel dieser Arbeit gezeigt, dass aufgrund der Vielgestaltigkeit dieses Governance-Instruments ohnehin nur schwerlich von dem einen globalen Standard gesprochen werden kann.

F. Zusammenfassung F. Zusammenfassung

Die Entstehung des modernen japanischen Gesellschaftsrechts im ausgehenden 19. Jahrhundert gründet auf umfassenden rechtsvergleichenden Untersuchungen, bei denen das deutsche Recht eine maßgebliche Rolle spielte. Im Mittelpunkt darauf folgender Reformen stand von Anfang an die Überwachung der Geschäftsführung. Die Kernfragen der modernen Corporate Governance-Debatte sind also auch für Japan keinesfalls Neuland. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahm unter der alliierten Besatzungsmacht die Bedeutung des US-amerikanischen Rechts zu und es wurden Elemente der verschiedenen Rechtsordnungen miteinander vermengt. Mit den Reformen 2001/2002 wurde neben der Organisation der Aktiengesellschaft als Gesellschaft mit Prüferrat eine alternative, klar monistisch strukturierte Organisationsverfassung US-amerikanischer Prägung eingeführt, welche zwar nicht auf unabhängige, jedoch auf externe Direktoren setzt. Diese Wahlmöglichkeit wurde mit Schaffung des Gesellschaftsgesetzes durch die Reform 2005 beibehalten. Die bislang jüngste Reform des Jahres 2014, die im Juni 2015 in Kraft trat, bringt mit einer weiteren Organisationsverfassung eine dritte Wahlmöglichkeit für Aktiengesellschaften mit sich. Durch Einführung einer comply or explain-Regelung sollen darüber hinaus auch die traditionellen Gesellschaf-

141 H. HANSMANN / R. KRAAKMAN, Geo L J 89 (2001) 439 ff. und insb. 455 f. zur BoardStruktur. 142 Eingehend L. NOTTAGE, Perspectives, 21, 28–52 m. w. N.; J. BUCHANAN / S. DEAKIN, ZJapanR 26 (2008) 59 ff.; D. W. PUCHNIAK, AJAL 5 (2003) 42, 71; siehe auch V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 79 („Schein-Amerikanisierung“); Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 128 f. und 153 („continuity under change“).

F. Zusammenfassung

101

ten mit Prüferrat dazu bewegt werden, mindestens einen externen Direktor zu ernennen. Die Definition des externen Direktors wurde zudem verschärft. Es blieb jedoch nicht bei den Reformen auf Gesetzesebene. Vielmehr versucht die japanische Regierung seit dem Jahr 2014 mit einem umfassenden, unter dem Schlagwort „Abenomics“ bekannten Wirtschaftsprogramm die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben. Teil dieses Programms ist eine weitere Stärkung der Corporate Governance mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Aufschwung auf Unternehmensebene bestmöglich zu unterstützen. Die Compliance-Skandale der jüngeren Vergangenheit und der Aspekt der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung spielen bei diesem Vorhaben hingegen eine untergeordnete Rolle. Die Unternehmensüberwachung soll an zwei miteinander im Zusammenhang stehenden „Fronten“ gestärkt werden. Zum einen soll den Aktionären eine aktivere Rolle zukommen, weshalb unter anderem ein Stewardship Code für institutionelle Investoren eingeführt wurde. Zum anderen erhofft man sich durch den zunehmenden Einsatz externer und vor allem auch unabhängiger Direktoren eine weitere Verbesserung der Überwachung durch den Verwaltungsrat. Die Anforderungen an die Ernennung externer Direktoren auf Gesetzesebene werden nunmehr durch Anforderungen an unabhängige Direktoren auf Ebene der Listing Rules der Börse sowie eines zeitgleich mit dem reformierten Gesetz in Kraft getretenen Corporate Governance Kodex ergänzt. Die Frage, inwieweit sich die japanische Corporate Governance insgesamt einem „globalen Standard“ annähert, kann und soll im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Zutreffen dürfte angesichts des Ausmaßes der Reformen insbesondere seit der Jahrtausendwende aber jedenfalls die Feststellung, dass das System, welches noch bis Anfang der 90er Jahre Grundlage für einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung war, nunmehr auf den Prüfstand kam. Dabei zeigt bereits die bisherige Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung, dass Japan ein Paradebeispiel für das Phänomen des legal transplants ist. Das betrifft sowohl die Übernahme ganzer Regelungssysteme als auch einzelner Elemente. 143 Ausländisches Recht wurde jedoch mitnichten einfach kopiert. Vielmehr wurde es rezipiert und an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Mittlerweile besteht eine „institutionelle Gemengelage“144, in der die ursprünglichen Strukturen des adaptierten deutschen Handelsgesetzes von Elementen US-amerikanischen Rechts oder, wie die beiden Kodizes zeigen, zunehmend auch Regulierungsansätzen aus dem Zur Bedeutung von legal transplants für die japanische Rechtsordnung und insbesondere bisherigen Transplantaten im Bereich des Gesellschaftsrechts siehe auch C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53 ff. und, mit einem Fokus auf der Loyalitätspflicht der Direktoren, H. KANDA / C. J. MILHAUPT, Legal Transplants, 437 ff. 144 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 2 f. 143

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2. Kapitel – Die Entwicklung des regulatorischen Rahmens

Vereinigten Königreich überlagert werden. Der verstärkte Fokus auf eine externe und unabhängige Kontrolle der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat ist Teil des Versuchs, die Unternehmensleistung zu steigern und die japanische Wirtschaft wiederzubeleben.

3. Kapitel

Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: strukturelle Faktoren 3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Das dritte Kapitel baut auf der Konzeptualisierung des ersten Kapitels sowie dem Überblick über die Entwicklung des regulatorischen Rahmens der Unternehmensüberwachung in Japan im zweiten Kapitel auf. Es beleuchtet die strukturellen Faktoren, die den Rahmen für die Einbettung externer, aber zunehmend auch unabhängiger Verwaltungsratsmitglieder in die japanische Corporate Governance bilden. Zunächst wird die Grundstruktur der verschiedenen Organisationsverfassungen der japanischen Aktiengesellschaft systematisch eingeordnet (A.) Im Anschluss wird untersucht, ob sich die Aktionärsstrukturen (B.) sowie das traditionelle Unternehmensverständnis (C.) im Wandel befinden. Eine Analyse konkurrierender Instrumente der Unternehmensüberwachung (D.) lässt weitere Rückschlüsse auf die Funktionsweise eines zumindest teilweise unabhängigen Verwaltungsrats zu. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst (E.).

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft: Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

Der folgende Abschnitt behandelt den ersten strukturellen Faktor: die Grundstruktur der Aktiengesellschaft in Japan. Er vermittelt ein Grundverständnis für die verschiedenen Organisationsverfassungen und verdeutlicht die konzeptionellen Unterschiede in der Leitung und Überwachung. I.

Relevante Normen

Die beiden bedeutendsten Gesetze für Aktiengesellschaften sind das bereits angesprochene GesG sowie das Finanzprodukte- und Börsengesetz (FBG).1 Diese beiden zentralen Quellen werden ergänzt durch mehrere Spezialgesetze sowie Verordnungen.2 Wie die Untersuchung der Entwicklung des regulatori1 Letzteres ist im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur von geringer Bedeutung. (Kin’yū shōhin torihiki-hō [Finanzprodukte- und Börsengesetz], Gesetz Nr. 25/1948, neu gefasst durch Gesetz Nr. 65/2006 i. d. F. des Gesetzes Nr. 63/2015.) 2 Nachweise bei H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 42 Fn. 60 f.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

schen Rahmens gezeigt hat, gewinnt neben diesen gesetzlichen Regelwerken sogenanntes soft law zunehmend an Bedeutung. Dies gilt allem voran für die Börsenzulassungsregeln der TSE sowie den in diesen verankerten Corporate Governance Kodex.3 Neben den rechtlichen Vorgaben spielen außerrechtliche Normen eine bedeutende Rolle. Gesellschaftliche Übereinkünfte und wirtschaftliche wie politische Interessen beeinflussen die Funktionsweise eines Rechtssystems erheblich.4 Im Laufe der Untersuchung werden außerrechtliche Normen daher noch häufiger von Bedeutung sein. Gerade im japanischen Kontext werden sie allzu oft übergangen oder verleiten zu pauschalierenden Aussagen. II. Organisationsverfassungen und grundlegende Aufgabenverteilung Derzeit besteht für große Publikumsgesellschaften bei der Organisation der Unternehmensstruktur die Wahl zwischen einer Gesellschaft mit Prüferrat (kansa yakkai setchi kaisha), einer Gesellschaft mit Ausschüssen (shimei i’inkai tō setchi kaisha) und, seit dem 2015 in Kraft getretenen reformierten GesG, einer Gesellschaft mit Kontrollausschuss (kansa tō i’in-kai setchi kaisha). 5 Entscheidend an dieser Wahlmöglichkeit ist, dass die ersten beiden Organisationsformen auf völlig unterschiedlichen Vorstellungen von der Rolle des Verwaltungsrats beruhen. 6 Dementsprechend unterscheidet sich auch die Aufgabenverteilung grundlegend. Die dritte Struktur ermöglicht eine an die eine oder die andere Verfassung angelehnte Ausgestaltung und stellt eine hybride Form dar.7 In der traditionellen Gesellschaft mit Prüferrat kommt dem Verwaltungsrat nach dem Gesetz eine Doppelrolle zu.8 Er trifft die Entscheidungen über die Führung der Geschäfte (gyōmu shikkō no kettei), deren Umsetzung (gyōmu

Neben der Tōkyōter Börse, die mit der Börse in Ōsaka im Jahr 2013 fusioniert hat, gibt es auch Börsen in Nagoya, Fukuoka und Sapporo. Faktisch sind aber fast alle Unternehmen zumindest auch an der Tōkyōter Börse gelistet. Gespräch des Verfassers mit Prof. Souichirou Kozuka an der Gakushūin Universität in Tōkyō am 19.5.2015. Seit Februar 2014 gilt zudem der an institutionelle Investoren gerichtete Stewardship Code, der im Mai 2017 in einer zweiten Version erschienen ist. Siehe dazu bereits oben Kapitel 2 – D. II. 4 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 121. Unter anderem zur kulturspezifischen Prägung des japanischen Rechts siehe H. BAUM, ZJapanR 2 (1996) 86 ff. 5 Vgl. die Definitionen in Art. 2 Nrn. 10, 11-2 und 12 GesG. Siehe bereits zur Entwicklung des regulatorischen Rahmens in Kapitel 2, insb. A.–D. 6 Diesen Umstand zu recht betonend S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 47. 7 Zur folgenden Darstellung der grundlegenden Aufgabenverteilung vgl. S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 47; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 17 f., 20 und 22–24. 8 I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 70 und 73 f. Zur grundlegenden Aufgabenverteilung siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 176 f. 3

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

105

shikkō) in der Hand geschäftsführender Direktoren liegt. 9 Gleichzeitig soll der Verwaltungsrat als Organ die Pflichterfüllung der einzelnen Direktoren überwachen.10 Entscheidungen über die Geschäftsführung können nur in geringem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden.11 Aufgrund der Verankerung der Geschäftsführung im Verwaltungsrat lässt sich in Anlehnung an die Boards in den USA der 50er Jahre von einem Management-Modell sprechen. 12 Externe Direktoren waren und sind nach wie vor in diesem Modell gesetzlich nicht zwingend vorgesehen, ihre Zahl ist jedoch mit Einführung der comply or explain-Regelung im GesG stark gestiegen.13 Auch die Prüfer bzw. der Prüferrat überwachen die Pflichterfüllung durch die Direktoren.14 Sie sind dabei zwar nicht auf die Rechnungslegung beschränkt, nehmen jedoch nur eine Rechtmäßigkeitsprüfung vor.15 Abbildung 1: Grundstruktur der Gesellschaft mit Prüferrat

Artt. 362 Abs. 2 Nr. 1 und 363 Abs. 1 GesG. Als geschäftsführende Direktoren (gyōmu shikkō torishimari-yaku) bezeichnet das GesG alle in Art. 363 Abs. 1 GesG genannten Direktoren (vertretungsberechtige Direktoren (daihyō torishimari-yaku) sowie alle vom Verwaltungsrat mit der Geschäftsführung beauftragten Direktoren) sowie sonstige Direktoren, die die Geschäfte der Gesellschaft geführt haben, Art. 2 Nr. 15 a) GesG. 10 Art. 362 Abs. 2 Nr. 2 GesG. 11 Art. 362 Abs. 4 GesG. 12 Siehe etwa B.  ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85. 13 Zum fehlenden Zwang einer Einsetzung siehe bereits oben Kapitel 2 – D. I.2.c). und eingehend unten Kapitel 4 – C. I.1. Zur Anzahl externer und auch unabhängiger Direktoren in japanischen Aktiengesellschaften siehe noch unten Kapitel 4 – C. IV.2. 14 Art. 381 Abs. 1 GesG. 15 Siehe dazu noch unten D. I.2.a). 9

106

3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Das Ausschusssystem verfolgt demgegenüber den Ansatz des aus den USA stammenden Monitoring-Modells.16 Es sieht vor, dass nicht geschäftsführende Direktoren, sondern unterhalb des Verwaltungsrats stehende Geschäftsführer (shikkō-yaku = executive officer) das operative Geschäft führen. 17 Der Verwaltungsrat besitzt einen mehrheitlich extern besetzten Nominierungs-, Vergütungs- und Prüfungsausschuss.18 Er überwacht die Pflichterfüllung durch die Geschäftsführer und kann auch seine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Geschäftsführung weitestgehend auf diese übertragen.19 Dadurch verlagert sich der Fokus von einer Doppelrolle hin zur klareren Trennung von Leitung und Überwachung. Abbildung 2: Grundstruktur der Gesellschaft mit Ausschüssen

Ziel der Einführung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss als dritter Wahlmöglichkeit war eine Verbesserung der Überwachung der geschäftsführenden Direktoren gegenüber der traditionellen Organisationsverfassung mit PrüferZur grundlegenden Aufgabenverteilung siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 250; vgl. E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 185 f.; K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 546–550. 17 Artt. 415, 418 Abs. 2 GesG; vgl. auch Art. 416 Abs. 3 GesG. Ungenau hinsichtlich des Umstands, dass die Geschäftsführer außerhalb des Verwaltungsrats stehen V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 77; DIES., Corporate Governance, 174 f. 18 Artt. 2 Nr. 12 und 400 Abs. 3 GesG. 19 Art. 416 Abs. 1 und 4 GesG. 16

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

107

rat.20 Den Gesellschaften soll der Wechsel zum oder – genau genommen – der Einstieg in das Monitoring-Modell erleichtert werden, ohne dass Personalfragen und die Vergütung zwingend in die Hand Externer gegeben werden müssen.21 Im Gegensatz zur Gesellschaft mit Ausschüssen weist die Gesellschaft mit Kontrollausschuss daher weder einen Nominierungs- noch einen Vergütungsausschuss, dafür aber einen ebenfalls mehrheitlich extern besetzten „Kontrollausschuss“ auf. 22 Dieser soll jedoch neben den Aufgaben des Prüfungsausschusses auch die der beiden anderen Ausschüsse zu einem gewissen Grad übernehmen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass dem Ausschuss neben den Aufgaben des Prüferrats auch ein Recht auf Meinungskundgabe auf der Hauptversammlung hinsichtlich Ernennung, Abberufung, Rücktritt und Vergütung der übrigen Direktoren zugesprochen wird. 23 Darüber hinaus soll die neue Organisationsform für eine klarere Struktur sorgen, da das in der Gesellschaft mit Prüferrat bestehende Nebeneinander von externen Prüfern und externen Direktoren entfällt.24 Hat der Verwaltungsrat nur eine geringe Anzahl externer Mitglieder, unterscheidet sich die Struktur abgesehen davon, dass der Ausschuss den Prüferrat ersetzt, nur wenig von der traditionellen Organisationsform. Ist allerdings mindestens die Hälfte der Direktoren extern oder gibt es eine entsprechende Bestimmung in der Satzung, kann der Verwaltungsrat in ähnlichem Umfang seine Entscheidungskompetenzen auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen auf die Geschäftsführer.25 Die Mindestanforderungen an die Gesellschaft mit Kontrollausschuss sind somit nicht als Ziel, sondern als Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung hin zu einem mindestens externen Monitoring Board zu sehen. 26 Die neue Organisationsform steht damit zwischen den beiden bisherigen.27

20 N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 81; vgl. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 18 f. Zur neuen Organisationsverfassung siehe eingehend ibid., 16–76. Zur grundlegenden Aufgabenverteilung siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 247 f.; K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 573 f. 21 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 18 f. Zur bisherigen Zurückhaltung der Unternehmen hinsichtlich der Wahl der Gesellschaft mit Ausschüssen siehe unten Kapitel 4 – C. IV.1. 22 Artt. 2 Nr. 11-2, 331 Abs. 6 GesG. 23 Artt. 342-2 Abs. 4, 361 Abs. 6 GesG. Siehe dazu G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 23; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23 sowie ausführlich unten Kapitel 4 – E. IV.3.b). 24 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 23 f. (Wortbeitrag Mishima). 25 Art. 399-13 Abs. 5 und 6 GesG. 26 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 23 f. 27 M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Abbildung 3: Grundstruktur der Gesellschaft mit Kontrollausschuss

Tabelle 2: Geschäftsführung und Überwachung in der japanischen Aktiengesellschaft Gesellschaft mit Prüferrat

Gesellschaft mit Ausschüssen

Gesellschaft mit Kontrollausschuss

Modell

Management-Modell Monitoring-Modell Management-Modell bis Monitoring-Modell

Entscheidung über Führung der Geschäfte (gyōmu shikkō no kettei)

Verwaltungsrat; Übertragung auf geschäftsführende Direktoren nur in geringem Umfang möglich

Verwaltungsrat; Übertragung auf Geschäftsführer in weitem Umfang möglich und in der Praxis vorgenommen

Verwaltungsrat; Übertragung auf geschäftsführende Direktoren in weitem Umfang unter Voraussetzungen möglich (mehrheitlich externer Verwaltungsrat oder Regelung in Satzung)

Führung der Geschäfte (gyōmu shikkō)

Geschäftsführende Direktoren

Geschäftsführer

Geschäftsführende Direktoren

Überwachungsorgan

Verwaltungsrat (Doppelrolle) und Prüferrat, letzterer beschränkt auf Überwachung der Rechtmäßigkeit

Verwaltungsrat mit Prüfungsausschuss, Nominierungsausschuss, Vergütungsausschuss

Verwaltungsrat mit Kontrollausschuss (Stellungnahmerecht zu Ernennung und Vergütung)

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

109

III. Die Organe Ein tieferes Verständnis der unterschiedlichen Governance-Modelle der drei Organisationsformen setzt eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Organen und ihren Kompetenzen voraus. 1. Überblick Art. 295 GesG regelt, dass grundsätzlich die Hauptversammlung (kabunushi sōkai) mit allen Angelegenheiten der Aktiengesellschaft betraut ist (Abs. 1), in einer Gesellschaft mit Verwaltungsrat jedoch nur mit den Angelegenheiten, die ihr im GesG sowie in der Satzung zugewiesen sind (Abs. 2). Die Einrichtung der übrigen Organe ist in den Art. 326–328 GesG geregelt. Nach Art. 326 Abs. 1 GesG hat jede Aktiengesellschaft neben der Hauptversammlung mindestens einen Direktor (torishimari-yaku). Mögliche weitere Organe sind nach Art. 326 Abs. 2 GesG der Verwaltungsrat (torishimari yakkai), Rechnungslegungsberater (kaikei san’yo), Prüfer (kansa-yaku) oder Prüferrat (kansa yakkai), Abschlussprüfer (kaikei kansa-nin) und in den beiden neueren Organisationsformen der Kontrollausschuss (kansa tō i’in-kai) bzw. die drei Ausschüsse (shimei i’in-kai tō). Die Organe werden in der Satzung festgelegt. Art. 327 und 328 GesG regeln schließlich die Verpflichtungen für die einzelnen Gesellschaftstypen hinsichtlich der Einrichtung der verschiedenen Organe. Daraus ergibt sich für große Publikumsgesellschaften folgendes Bild: 28 Jede dieser Gesellschaften muss einen Verwaltungsrat einrichten. Diejenigen, die keine Ausschussstruktur wählen, müssen einen Prüferrat einrichten und einen Abschlussprüfer vorweisen. Beide Typen mit Ausschussstruktur dürfen hingegen keine Prüfer haben, müssen aber gleichfalls einen Abschlussprüfer bestellen.29 2. Die Organe im Einzelnen Im Folgenden werden die einzelnen Organe, ihre Zusammensetzung und Aufgaben dargestellt. Dabei wird lediglich ein für das Verständnis des Gesamtkonzepts und Fragen der Leitung und Kontrolle erforderlicher Überblick gegeben.

Für eine tabellarische Übersicht über die Vielzahl an Organisationsmöglichkeiten für große und kleine sowie Publikums- und geschlossene Gesellschaften siehe E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 69; M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 145. 29 Art. 327 Abs. 6 GesG stellt zudem klar, dass eine Gesellschaft mit Ausschüssen keinen Kontrollausschuss einrichten darf. Zu den Organen der Aktiengesellschaft im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 176–183; E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 106–108; K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 305–311. 28

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

a) Hauptversammlung In einer Gesellschaft mit Verwaltungsrat beschränkt sich die Kompetenz der Hauptversammlung auf diejenigen Gegenstände, die im Gesetz und der Satzung bestimmt sind. 30 Dies ist typische Folge der Trennung von Eigentum und Management-Funktion. Zu den Kernaufgaben der Hauptversammlung zählt die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder.31 Darüber hinaus entscheidet sie mit Ausnahme der Gesellschaft mit Ausschüssen auch über die Vergütung der Direktoren. 32 In einer Gesellschaft mit Prüferrat wählt die Hauptversammlung neben dem Verwaltungsrat auch die Prüfer und legt deren Vergütung fest.33 Direktoren und Prüfer können jederzeit mittels Sonderbeschluss der Hauptversammlung abgewählt werden.34 Abgesehen von der Beteiligung an grundlegenden Entscheidungen hat die Hauptversammlung keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft.35 Nach Ende eines Geschäftsjahres ist zwingend eine ordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Darüber hinaus kann jederzeit eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden, entweder durch die Direktoren oder unter bestimmten Voraussetzungen auch durch die Aktionäre.36 Bei der jährlichen Hauptversammlung werden nicht nur die Direktoren gewählt, sondern auch die Finanzberichterstattung genehmigt.37 b) Verwaltungsrat Der Verwaltungsrat setzt sich aus allen Direktoren der Gesellschaft zusammen und muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. 38 Er ernennt die

30 Art. 295 Abs. 2 GesG. Zur Hauptversammlung im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 184–202; E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 109–141 und eingehender K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 313–375. 31 Art. 329 Abs. 1 GesG. 32 Art. 361 Abs. 1 GesG. 33 Art. 329 Abs. 1 bzw. Art. 387 Abs. 1 GesG. 34 Art. 339 Abs. 1 GesG. 35 Als grundlegende Entscheidungen werden im GesG neben der Ernennung und Abberufung der Direktoren und Prüfer sowie der Bestimmung der Vergütung der Prüfer genannt: Abstimmungen bezüglich der Ergänzung der Satzung (Art. 466 GesG), Fusion und Abspaltung (Artt. 783, 795, 804 GesG), Auflösung (Art. 471 Nr. 3 GesG), Ausschüttung von Dividenden (Art. 453 f. GesG) und Zusammenlegung von Anteilen (Art. 180 GesG). 36 Artt. 296 Abs. 2 und 3, 297 GesG. 37 Art. 438 Abs. 1 und 2 GesG. 38 Artt. 362 Abs. 1 und 331 Abs. 5 GesG. Zu Direktoren und Verwaltungsrat im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 212–237 und zu den Besonderheiten in der Gesellschaft mit Ausschüssen 251–254 und in der Gesellschaft mit Kontrollausschuss 248–250; siehe auch E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 141–173, 186–191 und 191–193 sowie eingehend K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 375–510, 550–573 und 575–585.

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

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vertretungsberechtigten Direktoren bzw. die Geschäftsführer 39 sowie einen Präsidenten (shachō). Dieser steht in der Regel zugleich dem Verwaltungsrat vor und ist der ranghöchste geschäftsführende Direktor. Er übernimmt damit faktisch eine der Doppelrolle von CEO und Chairman vergleichbare Position und ist die mächtigste Person im Unternehmen.40 Zwischen den Direktoren – in der Gesellschaft mit Ausschüssen auch den Geschäftsführern – und der Gesellschaft besteht ein Auftragsverhältnis (inin). Danach gilt die zivilrechtliche Pflicht zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung. 41 Darüber hinaus unterliegen die Direktoren der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.42 Bei Verletzung dieser Pflichten kann eine Haftung gegenüber der Gesellschaft oder Dritten bestehen.43 In der Gesellschaft mit Ausschüssen wird per Verwaltungsratsbeschluss bestimmt, welche der Direktoren den Ausschüssen angehören.44 Die Direktoren des jeweiligen Ausschusses müssen dabei mehrheitlich den Anforderungen an externe Direktoren genügen. 45 Aufgabe des Nominierungsausschusses ist es, Personen vorzuschlagen, die der Hauptversammlung zur Wahl als Direktor in den Verwaltungsrat vorgeschlagen werden.46 Über die Zuständigkeit des mehrheitlich aus externen Mitgliedern bestehenden Ausschusses soll eine von den Direktoren unabhängige Entscheidung ermöglicht werden.47 Gleiches gilt für den Vergütungsausschuss, der direkt über die Vergütung der einzelnen Direktoren und Geschäftsführer entscheidet.48 Die Aufgabe des Prüferrats wird in der 2002 eingeführten Organisationsform vom Prüfungsausschuss übernommen. Er überwacht die Pflichterfüllung durch die Direktoren und die Geschäftsführer und erstellt einen Prüfbericht,49 ist dabei aber anders als der Prüferrat nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt. 50 Seit der Artt. 362 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 und 363 Abs. 1 bzw. Art. 402 Abs. 2 GesG. Zu der Wahl eines Präsidenten findet sich im Gesetz keine Regelung. Die oben genannte Konstellation entspricht jedoch der gängigen Praxis. In einigen Fällen ist jedoch der vorige Präsident, jetzt in der Position des kaichō, derjenige, der nach wie vor im Hintergrund die Fäden zieht. So Prof. Dr. Dr. Eiji Takahashi in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Städtischen Universität Ōsaka am 9.7.2015 und Prof. Maki Saitō in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Universität Kyōto am 10.8.2015. Zur Bedeutung des Präsidenten siehe noch unten C. I. im Rahmen des Unternehmensverständnisses. 41 Art. 330 GesG bzw. Art. 402 Abs. 3 GesG i. V. m. Art. 644 Minpō [Zivilgesetz; ZG], Gesetz Nr. 89/1996 und 91/1998 i. d. F. des Gesetzes Nr. 27/2016. 42 Art. 355 GesG. 43 Zur Haftung als konkurrierendem Überwachungsinstrument siehe unten D. II.1. 44 Art. 400 Abs. 2 GesG. 45 Art. 400 Abs. 3 GesG. 46 Art. 404 Abs. 1 GesG. 47 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 300 Nr. 810. 48 Art. 404 Abs. 3 GesG. 49 Art. 404 Abs. 2 Nr. 1 GesG. 50 Zum Prüfungsumfang siehe noch unten Kapitel 4 – E. IV.2.b). 39 40

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

letzten Reform bestimmt er zudem die Abschlussprüfer, die der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen werden.51 Der ebenfalls mehrheitlich extern besetzte52 Kontrollausschuss in der neu eingeführten Organisationsform übernimmt dieselbe Aufgabe wie der Prüfungsausschuss bzw. der Prüferrat.53 Darüber hinaus kommt ihm ein Stellungnahmerecht auf der Hauptversammlung hinsichtlich der Ernennung, Abwahl und des Rücktritts sowie der Vergütung der Direktoren zu, die nicht Mitglieder des Ausschusses sind. 54 Dadurch soll ihm in gewissem Umfang die Überwachungsfunktion des Nominierungs- und des Vergütungsausschuss der Gesellschaft mit Ausschüssen zukommen.55 Mangels Nominierungs- und Vergütungsausschuss ging der Gesetzgeber nicht von einer hinreichend starken Verhandlungsposition des Ausschusses gegenüber dem Management aus.56 Die Mitglieder des Ausschusses werden daher anders als in der Gesellschaft mit Ausschüssen wie die Prüfer in der Gesellschaft mit Prüferrat getrennt von den übrigen Direktoren von der Hauptversammlung gewählt und auch ihre Vergütung wird separat bestimmt. 57 Dadurch soll eine unabhängige Kontrolle gewährleistet werden. 58 Die Amtszeit der Ausschussmitglieder ist mit zwei Jahren länger als diejenige der übrigen Direktoren, jedoch kürzer als die der Prüfer in der Gesellschaft mit Prüferrat, da sie an den Geschäftsführungsentscheidungen des Verwaltungsrats teilhaben und daher eine häufigere Kontrolle durch Wahlen als angemessen angesehen wurde.59 Hierin besteht ein Unterschied zur Gesellschaft mit Ausschüssen, wo die Ausschüsse vom Verwaltungsrat bestimmt werden. 60 Der Kontrollausschuss Art. 404 Abs. 2 Nr. 2 GesG. Art. 331 Abs. 6 GesG. 53 Art. 399-2 Abs. 3 Nr. 1, 2 GesG. 54 Artt. 399-2 Abs. 3 Nr. 3, 342-2 Abs. 4, 361 Abs. 6 GesG. Darüber hinaus steht den Ausschussmitgliedern auch bei deren Wahl, Abwahl oder Nichtwiederwahl sowie zu ihrer eigenen Vergütung ein Meinungskundgaberecht zu, Artt. 342-2 Abs. 1 und 2, 361 Abs. 5 GesG. 55 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 23; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23; vgl. E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 76 f.; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 20. Zur Überwachung durch den Kontrollausschuss siehe eim Einzelnen unten Kapitel 4 – E. IV.3.b). 56 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 24. 57 Artt. 329 Abs. 2, 361 Abs. 2 GesG. Den Ausschussmitgliedern kommt ein Stellungnahmerecht auf der Hauptversammlung zur Höhe ihrer Vergütung zu, Art. 361 Abs. 5 GesG. 58 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 30 f. und zu den Wahlen auch 35 f.; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23. 59 Art. 332 Abs. 3 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 30 f. und 32 f. 60 Art. 400 Abs. 2 GesG. 51 52

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

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ist keine Untergliederung des Verwaltungsrats, sondern eine zu einem gewissen Grad von diesem unabhängige Einrichtung.61 Dementsprechend ist auch das Verhältnis des Ausschusses zum Verwaltungsrat anders ausgestaltet als bei der Gesellschaft mit Ausschüssen.62 Beispielsweise haben die übrigen Direktoren wie auch in der Gesellschaft mit Prüferrat kein Recht auf Einsicht oder Kopie der Protokolle des Kontrollausschusses. Der Umstand, dass die Geschäftsführung bei dazu bestimmten Direktoren und nicht bei Geschäftsführern außerhalb des Boards liegt, macht eine stärkere personelle und arbeitstechnische Trennung zwischen Verwaltungsrat und Ausschuss erforderlich.63 c) Prüfer und Prüferrat Die Prüfer beziehungsweise der Prüferrat sind neben dem internen Compliance-System und den Rechnungslegungsberatern das eigentliche Prüforgan in einer Gesellschaft mit Prüferrat.64 Er übernimmt neben der Prüfung der Rechnungslegung die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Pflichterfüllung durch die Direktoren.65 Seit der letzten Reform hat der Prüferrat darüber hinaus das alleinige Vorschlagsrecht hinsichtlich der Wahl der Abschlussprüfer.66 Wie die Direktoren werden auch die Prüfer, so wie der deutsche Aufsichtsrat, von der Hauptversammlung gewählt und zwar für vier Jahre.67 Anders als bei den Direktoren kann die Amtszeit der Prüfer nicht durch die Satzung verkürzt werden. Dadurch soll die Unabhängigkeit der Prüfer gestärkt werden, da die Fortdauer der Tätigkeit für die Gesellschaft innerhalb der vier Jahre nicht vom Prüfungsergebnis abhängig gemacht werden kann.68 Der Prüferrat setzt sich aus allen Prüfern der Gesellschaft zusammen.69 Er muss aus mindestens drei Prüfern bestehen, von denen mindestens die Hälfte 61 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 48 f.; vgl. N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17. Aufgrund der getrennten Wahl durch die Hauptversammlung statt einer Ernennung durch Verwaltungsratsbeschluss ist es auch nicht möglich, als Mitglied des Ausschusses zurückzutreten und Verwaltungsratsmitglied zu bleiben, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 35 Fn. 1; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18. 62 Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 48 f. 63 Vgl. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 50 f. 64 V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 66. Alle großen Gesellschaften müssen nach Art. 328 Abs. 1 GesG einen Prüferrat einrichten. Eine Gesellschaft mit Ausschüssen und eine Gesellschaft mit Kontrollausschuss dürfen hingegen keine Prüfer und keinen Prüferrat haben, Art. 327 Abs. 4 GesG. Zu Prüfern und Prüferrat im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 240–245; E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 174–181; K. EGASHIRA, Kaishahō, 510–538. 65 Art. 381 Abs. 1 GesG. Siehe zur Überwachung durch den Prüferrat eingehend unter D. I.2. im Zusammenhang mit den konkurrierenden Überwachungsmechanismen. 66 Art. 344 GesG. 67 Artt. 329 Abs. 1 und 336 Abs. 1 GesG. 68 Vgl. I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 284 Nr. 758. 69 Art. 390 Abs. 1 GesG.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

extern (shagai) sein muss.70 Darüber hinaus muss mindestens ein Prüfer bestimmt werden, der seine Tätigkeit in Vollzeit ausübt.71 Die Börsenregelungen der TSE verpflichten zudem dazu, dass mindestens ein Direktor oder Prüfer Unabhängigkeitsanforderungen entspricht.72 Zwar ist der Prüferrat als Organ dazu verpflichtet, den Prüfungsbericht zu erstellen und Richtlinien für die Prüfung festzulegen.73 Er darf dabei jedoch die einzelnen Prüfer nicht an der Ausübung ihrer Kompetenzen hindern, die diesen jeweils unabhängig von den anderen Prüfern und dem Prüferrat zustehen. 74 Wie auch bei den Direktoren besteht zwischen den Prüfern und der Gesellschaft ein Auftragsverhältnis (inin). Danach gilt die zivilrechtliche Pflicht zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung. 75 Bei Verletzung dieser Pflichten kann eine Haftung gegenüber der Gesellschaft oder Dritten bestehen. d) Rechnungslegungsberater Der Rechnungslegungsberater (kaikei san’yo) wurde mit der Reform 2005 eingeführt. 76 Seine Bestellung ist nicht verpflichtend, kann aber von jeder Aktiengesellschaft in die Satzung aufgenommen werden.77 Seine Aufgabe ist es, die Direktoren beziehungsweise die Geschäftsführer bei der Erstellung des Jahresabschlusses sowie der sonstigen Finanzberichterstattung zu unterstützen.78 Darüber hinaus kommt ihm in gewissem Umfang eine Kontrollfunktion zu.79 Rechnungslegungsberater können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften sein.80 Wie die Direktoren und Prüfer werden sie von der HauptversammArt. 335 Abs. 3 GesG. Art. 390 Abs. 3 GesG. Zur personellen Trennung und Anforderungen an externe sowie unabhängige Direktoren siehe unten D. I.2.b). 72 Regel 436-2 TSE Listing Rules. Siehe dazu bereits kurz oben Kapitel 2 – C. III. sowie noch eingehend unten im Zusammenhang mit der rechtstechnischen Umsetzung des Unabhängigkeitsinstruments Kapitel 4 – C. II. 73 Art. 390 Abs. 2 Nrn. 1, 3 GesG. 74 Siehe Art. 390 Abs. 2 Hs. 1 GesG und vgl. Art. 381 GesG. 75 Art. 330 GesG i. V. m. Art. 644 ZG. 76 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 134. Zum Rechnungslegungsberater im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 237–239; E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 181–183; K. EGASHIRA, Kaisha-hō, 538–546. Der Rechnungslegungsberater wird unter anderem auch als Buch- und Rechnungsverantwortlicher bezeichnet, H. KANSAKU /  M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 134. 77 Vgl. Art. 326 Abs. 2 GesG. Es handelt sich damit um das einzig völlig dispositive Organ, O. KIRCHWEHM, Reformen, 195. 78 Art. 374 Abs. 1 GesG, bei Gesellschaften mit Ausschüssen i. V. m. Art. 374 Abs. 6 GesG. 79 Siehe zur Überwachungsfunktion der Rechnungslegungsberater unten D. I.4. im Zusammenhang mit den konkurrierenden Überwachungsinstrumenten. 80 Art. 333 Abs. 1 GesG. 70 71

A. Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft

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lung gewählt und zwar für die gleiche Dauer wie die Direktoren, sprich für zwei beziehungsweise ein Jahr.81 Ebenso wie die Direktoren können sie durch einfachen Beschluss der Hauptversammlung jederzeit abberufen werden.82 e) Abschlussprüfer Der Abschlussprüfer (kaikei kansa-nin) wird in Art. 326 Abs. 2 GesG zusammen mit den anderen Organen aufgeführt. Dennoch ist seine Organstellung umstritten.83 Da die formale Einordnung als Organ für die Ziele dieser Arbeit ohne Belang ist, wird der Abschlussprüfer an dieser Stelle behandelt. Seit der Reform 2005 können auch kleine Gesellschaften einen Abschlussprüfer bestellen. Große Gesellschaften und alle Gesellschaften mit Ausschüssen hingegen müssen zwingend einen Abschlussprüfer bestellen.84 Von seinem Aufgabenfeld her ähnelt der Abschlussprüfer dem Rechnungslegungsberater, arbeitet anders als dieser jedoch nicht mit den Direktoren oder Geschäftsführern, sondern mit den Prüfern beziehungsweise dem Prüfungsausschuss oder Kontrollausschuss als Überwachungsinstitution zusammen.85 Er prüft die von den Direktoren beziehungsweise Geschäftsführern gegebenenfalls zusammen mit den Rechnungslegungsberatern erstellte Finanzberichterstattung. 86 Abschlussprüfer können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. 87 Auch der Abschlussprüfer wird von der Hauptversammlung gewählt und zwar für die Dauer eines Jahres.88 Auch er kann jederzeit durch einfachen Beschluss der Hauptversammlung abberufen werden.89

Artt. 329 Abs. 1, 332, 334 GesG. Art. 339 Abs. 1 GesG. 83 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 135 m. w. N. Nach anderer Ansicht hat der Gesetzgeber den Streit mit der Reform 2005 entschieden, indem er die Abschlussprüfer nicht den yakuin (übersetzbar mit Funktionsträger) in Art. 329 Abs. 1 GesG zuordnet. Es spricht jedoch mehr dafür, den Abschlussprüfer entsprechend der Einordnung in Art. 326 Abs. 2 GesG als Organ anzusehen. Die Einordnung in Art. 329 Abs. 1 GesG stellt hingegen klar, dass dennoch ein Unterschied zwischen den Funktionsträgern der Gesellschaft ( yakuin wird im Englischen in der Regel mit officer übersetzt) und den außerhalb der Gesellschaft stehenden Abschlussprüfern besteht. 84 Art. 326 Abs. 2 bzw. Artt. 327 Abs. 5 und 328 GesG. Siehe dazu O. KIRCHWEHM, Reformen, 163 f.; V. MECKEL, Corporate Governance, 118. Zum Abschlussprüfer im Überblick siehe auch H. KANDA, Kaisha-hō, 245–247; E. TAKAHASHI, Kaisha-hō gaisetsu, 183–185. 85 Vgl. C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 86. 86 Art. 396 Abs. 1 S. 1 GesG, für die Gesellschaft mit Ausschüssen i. V. m. Art. 396 Abs. 6 GesG. 87 Art. 337 Abs. 1 GesG. 88 Artt. 329 Abs. 1, 338 Abs. 1 GesG. 89 Art. 339 Abs. 1 GesG. 81 82

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

IV. Schlussfolgerungen Die drei einer großen Publikumsgesellschaft offenstehenden Organisationsformen basieren auf ganz unterschiedlichen Konzepten der Leitung und Kontrolle. Dabei unterscheidet sich nicht nur der Verwaltungsrat mit Ausschuss bzw. Ausschüssen, sondern auch der traditionelle Verwaltungsrat in der „zweigliedrigen“ Struktur mit seiner Doppelfunktion erheblich vom deutschen Vorstand, ebenso wie sich der Prüferrat vom Aufsichtsrat unterscheidet. Die traditionelle Organisationsverfassung der Gesellschaft mit Prüferrat (Management-Modell) und die Gesellschaft mit Ausschüssen (MonitoringModell) bilden die beiden Gegenpole, zwischen denen sich die neu eingeführte Gesellschaft mit Kontrollausschuss bewegt. Zwar kommt dem Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat die Doppelrolle der Geschäftsführung und Überwachung zu, externe oder gar unabhängige Direktoren sind jedoch nach der Konzeption des Gesetzes nicht integraler Bestandteil dieser Organisationsform. Demgegenüber verfügt der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Ausschüssen über drei mehrheitlich extern besetzte Ausschüsse. Sein Aufgabenschwerpunkt verlagert sich jedenfalls dann deutlich in Richtung Überwachung, wenn er seine Entscheidungskompetenzen in weitem Umfang auf die Geschäftsführer überträgt. Die Gesellschaft mit Kontrollausschuss gleicht nach ihren Mindestanforderungen einer Gesellschaft mit Prüferrat, in der die Prüfer auf den Posten eines Direktors gehoben wurden und neben ihrem Meinungskundgaberecht wie die übrigen Direktoren über Stimmrechte im Verwaltungsrat verfügen. Bei Ernennung einer Mehrzahl externer Direktoren und Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die geschäftsführenden Direktoren in weitem Umfang nähert sich die Ausgestaltung der Gesellschaft mit Ausschüssen an. Es bleibt der Unterschied, dass externe Direktoren zwar Einfluss auf Ernennung und Vergütung der Direktoren haben, diese jedoch nicht zumindest formal bestimmen. Nach der in dieser Arbeit verwendeten Begriffssystematik90 als unabhängig zu bezeichnende Direktoren sind, wie in Deutschland, jedenfalls nach der gesetzlichen Konzeption in keiner der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten vorgesehen. Unabhängigkeitsanforderungen finden sich allein auf Ebene der Börsenregelungen sowie des Kodex. Je nach Wahl der Organisationsform und deren Ausgestaltung sind externe bzw. unabhängige Direktoren folglich entweder Teil eines Überwachungsorgans oder überwachender Teil eines hauptsächlichen Geschäftsführungsorgans. Dieser Umstand hat erhebliche Auswirkungen auf die Funktionserfüllung und das Arbeitsumfeld externer oder unabhängiger Direktoren. In ersterer Konstellation stellt sich insbesondere die Frage, wie die Überwachung durch externe Direktoren im Zusammenspiel mit den anderen Organen konk90

Siehe oben Kapitel 1 – B. I.

B. Die Aktionärsstruktur

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ret ausgestaltet werden soll und ob die Anforderungen an externe, nicht aber zwingend unabhängige Direktoren zur Erfüllung dieser Funktion genügen. In letzterer Konstellation muss zum einen die Funktion der externen oder unabhängigen Direktoren von derjenigen des Prüferrats abgegrenzt werden. Zum anderen gilt es zu klären, ob und wie die Direktoren in einem mehrheitlich intern besetzten Gremium ohne Ausschüsse ihrer Überwachungsaufgabe gerecht werden können. Möglicherweise kann ihnen zumindest in der Praxis auch eine ganz andere Funktion wie die Beratung oder eine Netzwerkfunktion zukommen.

B. Die Aktionärsstruktur: Wandel zu gestreutem, „externem“ Eigentum? B. Die Aktionärsstruktur

Die Aktionärsstruktur als zweiter struktureller Faktor beeinflusst das Machtgefüge zwischen Aktionären, Management und sonstigen Stakeholdern. Sie bestimmt über die vorherrschenden Konflikte in der Gesellschaft91 und damit auch darüber, wie sich externe bzw. unabhängige Direktoren in das Gesamtsystem aus Leitung und Überwachung einfügen. Darüber hinaus stellen die Aktionäre und die Hauptversammlung selbst ein Mittel zur Disziplinierung der Geschäftsführung und damit ein konkurrierendes Instrument dar. Das Potential der ihnen zustehenden Rechte hängt nicht nur von deren gesetzlicher Ausgestaltung, sondern in hohem Maße von den gegenwärtigen Eigentümerstrukturen ab.92 I.

Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten die großen FamilienKonglomerate (zaibatsu) die Unternehmenslandschaft.93 Dennoch wäre es aus zwei Gründen verfehlt, die Aktionärsstruktur in Japan vor dem Zweiten Weltkrieg als konzentriert zu bezeichnen.94

91

Zu den grundlegenden Konflikten in der Aktiengesellschaft siehe oben Kapitel 1 –

A. II. 92 Zur Überwachung durch die Hauptversammlung als konkurrierendem Instrument siehe unten D. I.6. 93 Die zaibatsu spielten in der japanischen Wirtschaft und insbesondere der Rüstungsindustrie bis zum Kriegsende eine entscheidende Rolle. Siehe eingehend, U. EISELE, Holdinggesellschaften, 3–64; zur Entstehung der zaibatsu siehe auch H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 367–372. 94 In diese Richtung aber T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 198 f. und dortige Fn. 20; siehe auch J. O. HALEY, ZJapanR 19 (2005) 5, 13 f., der die Publikumsgesellschaft in Streubesitz als „post war phenomenon“ bezeichnet.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Vergleicht man erstens den Prozentsatz der zu dieser Zeit durch die größten Aktionäre gehaltenen Anteile sowie die Zahl der Blockholder, die einen Anteil von mehr als 5 % an der Gesellschaft halten, mit den Ergebnissen für die USA oder UK, so ergibt sich ein anderes Bild. Danach war das Eigentum an den Unternehmen in Japan vergleichsweise weit gestreut.95 Von größerer Bedeutung ist zweitens der hohe Anteil sogenannter „externer Anleger“ (Finanzinvestoren) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese verfolgen im Gegensatz zu „internen Anlegern“ wie Familien oder Mitgliedern des Verwaltungsrats rein finanzielle Interessen und stehen in keiner persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zum Unternehmen. 96 Familieneigentum über Holdinggesellschaften ging zu dieser Zeit folglich einher mit einem hohen Anteil an Streubesitz und externen Anlegern bei den notierten Gesellschaften, einem aktiven Kapitalmarkt sowie einer geringen Bedeutung der Finanzierung durch Banken.97 II. Die Nachkriegszeit Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die zaibatsu unter der von den USA geführten alliierten Besatzungsmacht zerschlagen. Dies führte vorübergehend zu einem weiteren Rückgang der Anteilskonzentration und einem Anstieg der Zahl der Einzelaktionäre, deren gesetzliche Rechte gestärkt worden waren. 98 Mit der Einführung des Verwaltungsrats verlor die Hauptversammlung zwar an Kompetenzen, die Rechte der Aktionäre blieben jedoch im Vergleich zur Situation in den USA beträchtlich.99 Infolge der Zerschlagung der alten Strukturen und der zunehmenden Streuung der Gesellschaftsanteile war die Gefahr feindlicher Übernahmen gestiegen. Beispielsweise erzwangen sogenannte greenmail artists unter Drohung mit einer Übernahme des Unternehmens den Rückkauf von Aktien. 100 Die Nachfolgeunternehmen der aufgelösten Konglomerate begannen daher schon in den 50er Jahren damit, Aktien der zuvor mit ihnen verbundenen Unternehmen aufzukaufen, um sich gegenseitig abzusichern. 101 Diese Entwicklung J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 9–13. J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 13–15. Zum Begriff „externer Anleger“ („outsider owner“) im Gegensatz zum Insider-Anleger („insider owner“) und der Bedeutung als Gradmesser für die Konzentration des Anteilseigentums siehe ibid., 3 und 10 f. 97 J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 17. 98 J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 1 und 12 f.; T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 199 f.; vgl. H. MIYAJIMA / F. KUROKI, Unwinding, 79, 83 f.; eingehend zur Zerschlagung der zaibatsu H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 383–387. 99 T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 199. 100 T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 199 f. 101 H. BAUM, Marktzugang, 71 f.; vgl., auch zum Folgenden, H. MIYAJIMA / F. KUROKI, Unwinding, 79, 84 f. 95 96

B. Die Aktionärsstruktur

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beschleunigte sich in den 60er Jahren. Die zum Schutz der kleinen und Einzelaktionäre eingerichteten Investitionsgesellschaften waren in umfangreiche Marktmanipulationen verwickelt, welche zum Zusammenbruch des Anteilseigentums externer Anleger führten. Deren Anteile wurden auf dafür eingerichtete öffentliche Institutionen übertragen, welche diese wiederum an Banken und Unternehmen verkauften. 102 Die Regierung hatte dieses Vorgehen im Hinblick auf den Beitritt Japans zur OECD im Jahr 1964, der eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs erforderlich machte, befördert. Übernahmen durch ausländische Unternehmen sollten so verhindert werden.103 Bis Ende der 80er Jahre wurden in etwa drei Viertel der Anteile japanischer Aktiengesellschaften von sogenannten kooperierenden Aktionären (antei kabunushi) gehalten. 104 Hinsichtlich der Bindungen zwischen diesen Aktionären kann zwischen drei Intensitätsstufen unterschieden werden. Die stärkste Form der Bindung stellen die Überkreuzverflechtungen (cross-shareholdings) im Rahmen einer Unternehmensgruppe (keiretsu) dar.105 Von Bedeutung für die japanische Unternehmenslandschaft sind insbesondere die horizontalen Unternehmensgruppen. Diese bestehen aus nicht miteinander konkurrierenden Unternehmen, die meist um eine Bank (Main Bank) herum angeordnet sind. Diese spielt eine zentrale Rolle für den Gruppenzusammenhalt und die Finanzierung der Unternehmen. 106 Die Unternehmen halten wechselseitige Beteiligungen,107 wobei alle von Mitgliedern der Gruppe gehaltenen Anteile eine Kontrollmehrheit im jeweiligen Unternehmen ausmachen. 108 Üben die Unternehmen als Aktionäre ihre Stimmrechte immer im Interesse des Managements des betreffenden Unternehmens aus, führt diese Konstruktion faktisch zum Eigentum der Unternehmen an sich selbst.109 102 Siehe dazu eingehend J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 36–39, welche den Zusammenbruch des „externen“ Unternehmenseigentums und nicht die Abwehr feindlicher Übernahmen als eigentlichen Auslöser für das Wiedererstarken der Unternehmensverflechtungen benennen; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 72. 103 H. BAUM, Marktzugang, 72; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 390; vgl. auch R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871, 897 f., welche die Abwehr feindlicher Übernahmen jedenfalls als ursprünglichen Grund für die Bildung der Überkreuzverflechtungen sehen. 104 H. BAUM, Marktzugang, 60. 105 H. BAUM, Marktzugang, 61; siehe auch H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 389. Zum uneinheitlichen Gebrauch des Begriffs keiretsu siehe H. BAUM, Marktzugang, 63 f.; vgl. Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 111. Eingehend zu den keiretsu U. EISELE, Holdinggesellschaften, 65–111. 106 Zur wirtschaftlichen Bedeutung und Grundstruktur siehe H. BAUM, Marktzugang, 65–68 und zur Rolle der Bank in der Unternehmensgruppe ibid., 69–71. 107 O. KIRCHWEHM, Reformen, 16. 108 Vgl. H. BAUM, Marktzugang, 68; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 112. 109 T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 197 f. vgl. Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 119 f.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Die Verwaltungsräte sicherten sich so ihre Macht und verhinderten jeden externen Einfluss. Die Nichtveräußerung der Anteile durch die verflochtenen Unternehmen bot Schutz vor feindlichen Übernahmen und einem Austausch der Führungsebene. Die Passivität der verflochtenen Unternehmen schützte vor dem Einfluss der eigenen Aktionäre über die Hauptversammlung.110 Ein vormals von Familien dominiertes System wurde also nicht, wie von der Besatzungsmacht beabsichtigt, langfristig durch ein von Einzelanlegern und institutionellen Investoren, sondern vielmehr durch ein von Banken und Unternehmen geprägtes System einer Machtkonzentration durch „Insider-Anleger“ mit Beziehungen zum betreffenden Unternehmen ersetzt. 111 Während nach konventionellen Maßstäben (Prozentsatz der Anteile der größten Aktionäre und Zahl der Blockholder) die Anteilskonzentration nach dem Krieg noch weiter abnahm, änderte sich die Natur des Eigentums grundsätzlich.112 Die Struktur der Überkreuzverflechtungen in den keiretsu unterscheidet sich dabei von derjenigen der Deutschland-AG. Zum einen war diese nicht durch Streubesitz, sondern durch konzentriertes Anteilseigentum gekennzeichnet.113 Zum anderen besteht ein entscheidender Unterschied darin, dass sich die keiretsu in Japan klar voneinander trennen lassen, während die Verflechtungen in Deutschland praktisch sämtliche großen Unternehmen miteinander verbanden.114 Da es in dieser Struktur keinen dominanten Aktionär gibt, läge der zentrale agency conflict grundsätzlich zwischen der Allgemeinheit der Aktionäre auf der einen und dem Management auf der anderen Seite. Aufgrund der durch langfristige Geschäftsbeziehungen untermauerten Überkreuzverflechtungen und der Machtkonzentration in den Verwaltungsräten spielt der Konflikt in der Praxis jedoch kaum eine Rolle. Die Geschäftsführung verfolgt vielmehr vorrangig die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit den übrigen Unternehmen der Gruppe sowie den eigenen Machterhalt. Dies wird dadurch möglich, dass sich die Verwaltungsräte der als Aktionäre verflochtenen Unter110 Deutlich H. BAUM, Marktzugang, 72 f. R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871 ff. machen hingegen die Ermöglichung langfristiger Geschäftsbeziehungen sowie einer effektiven Produktion innerhalb der Gruppe als wesentliche Funktion der Überkreuzverflechtungen aus. Deren Strukturen im Zusammenspiel mit dem Wettbewerb auf dem Produktmarkt ermöglichten eine Minimierung opportunistischen Verhaltens. Siehe zum Produktmarkt als konkurrierendem Überwachungsinstrument noch unten D. II.3.a). 111 J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 1 f. Für eine empirische Untersuchung des Anstiegs des Insider-Eigentums siehe ibid., 41–46. 112 J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 7 sowie 13, 15 und 21; vgl. T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 198. Wohl aufgrund der Überkreuzverflechtungen wird Japan häufig als Land mit konzentriertem Anteilseigentum eingestuft. Siehe etwa G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors. 113 G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 15. In jüngerer Zeit sind jedoch auch die DAX 30-Unternehmen in hohem Maße von Streubesitz insbesondere durch ausländische Investoren geprägt, siehe oben Kapitel 1 – B. IV.2.d). 114 W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 498.

B. Die Aktionärsstruktur

121

nehmen gegenseitig Stimmvollmachten ausstellen. Sie schalten dadurch ihre eigenen Interessen mit denen des Unternehmens gleich und entziehen sich der Kontrolle der Aktionäre als eigentliche Eigentümer der Gesellschaft.115 III. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Entwicklungen Das System der keiretsu funktionierte jedenfalls in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Mit Ende des Wirtschaftsbooms und Platzen der Wirtschaftsblase begannen die Unternehmen und Banken jedoch ab Anfang bis Mitte der 90er Jahre, ihre gegenseitigen Beteiligungen zu reduzieren.116 Insbesondere bei großen Gesellschaften sind die Überkreuzverflechtungen zurückgegangen, während sie bei kleinen und mittleren Gesellschaften weiter eine Rolle spielen.117 Der Anteil des von Banken gehaltenen Marktwertes der an der TSE gelisteten Unternehmen ging von einem Höchstwert von 15,7 % im Jahr 1990 auf nunmehr 3,5 % im Jahr 2016 und der von anderen Unternehmen gehaltene Anteil vom Höchstwert von 30,1 % im Jahr 1990 auf 22,1 % im Jahr 2016 (Tiefstwert 20,8 % im Jahr 2006) zurück.118 Grund für diese Entwicklung war, dass die gehaltenen Anteile infolge des Einbruchs der Wirtschaft nicht mehr profitabel waren und die erlittenen Verluste und damit die Kosten der wechselseitigen Beteiligungen aufgrund von Reformen im Banken- und Bilanzierungsrecht offengelegt werden mussten.119 Der Verkauf der Anteile ermöglichte es den Unternehmen zudem, sich mit

Vgl. überzeugend H. BAUM, Marktzugang, 73–75; siehe auch DERS., RabelsZ 62 (1998) 739, 750; DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 329 f. Zur Bedeutung der Aktionärsinteressen und dem Unternehmensverständnis innerhalb dieser Strukturen siehe den nächsten Abschnitt D. 116 T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 191 und 200; vgl. C. M. BRUNER, Corporate Governance, 10. 117 G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 146. Kozuka zufolge haben sich die Überkreuzverflechtungen bei den größten Aktiengesellschaften größtenteils aufgelöst, S. KOZUKA, Conclusions, 228, 234. Ab dem Jahr 2005 kam es zwischenzeitlich zu einem Wiedererstarken der alten Strukturen zur Abwehr von Übernahmeversuchen, G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 146; H. BAUM, Übernahmerecht, 104; E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 78–81; V. MECKEL, Corporate Governance, 138. Dabei handelte es sich jedoch nur um eine vorübergehende Entwicklung. In jüngerer Zeit nehmen die Verflechtungen weiter ab, „Mochiai kabu baikyaku kasoku [Zunahme der Veräußerung gegenseitiger Beteiligungen]“, Nihon Keizai Shinbun, 20.6.2015, 1; vgl. auch H. MIYAJIMA, Comments, 267, 268. 118 TSE, 2016 Shareownership Survey, 3 (Table 3), . Zu beachten ist dabei, dass nicht zwingend alle Beteiligungen von Banken oder anderen Unternehmen Teil eines Systems von Überkreuzverflechtungen sind. Der Rückgang dieser Anteile ist jedoch ein Indikator für den Rückgang des Systems der keiretsu. 115

122

3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

dem Kapital zu versorgen, was sie für nötige Umstrukturierungsmaßnahmen benötigten.120 Gleichzeitig mit dem Rückgang der Überkreuzverflechtungen nahm der Anteil ausländischer Investoren an den an der TSE gelisteten Unternehmen von teilweise unter 4 % in den 70er Jahren drastisch auf 30,1 % im Jahr 2016 (Höchstwert 31,7 % im Jahr 2014) zu.121 Während auch die Zahl inländischer institutioneller Investoren zugenommen hat, dürften vor allem ausländische institutionelle Investoren einen Großteil der in den Statistiken als ausländisch klassifizierten Anleger ausmachen.122 Diese Zahlen lassen erkennen, dass der Anteil der Insider-Anleger stark zurückgegangen ist, während externe Anleger und insbesondere ausländische institutionelle Investoren an Bedeutung gewonnen haben.123 Insoweit zeichnet sich zu einem gewissen Grad eine Rückkehr zur Situation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Die steigende Zahl ausländischer Investoren und ihre Forderungen sind ein wesentlicher Faktor, der mittel- bis langfristig zu einem grundlegenden Wandel in der japanischen Corporate Governance führen kann.124 Im Unterschied zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gibt es heute jedoch keine Großaktionäre. Das Eigentum an den Unternehmen ist noch weiter gestreut. Die institutionellen Investoren halten jeweils relativ geringe Anteile, weswegen sie auch als „rationally reticent“125 beschrieben werden. Von sich aus nehmen sie selten aktiv Einfluss auf die Corporate Governance eines Unternehmens, schließen sich aber durchaus den Vorschlägen aktivistischer Investoren wie Hedge Funds an oder sind bereit, ihre Aktien in Übernahmesituationen anzudienen. 126 Allerdings sind gerade die großen Gesell119 Zu ersterem Punkt siehe T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 191 und 200 und zu letzterem O. KIRCHWEHM, Reformen, 19 f. sowie E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 76. 120 O. KIRCHWEHM, Reformen, 19 f. 121 TSE, 2016 Shareownership Survey, 3 (Table 3). H. MIYAJIMA / F. KUROKI, Unwinding, 79 ff. befassen sich eingehend mit den Hintergründen der Auflösung der Überkreuzverflechtungen. Ihnen zufolge ging ein gewisser Anstieg des Anteils ausländischer Investoren dem Wandel der Aktionärsstrukturen sogar voraus und bedingte diesen, ibid., 86–88. 122 O. KIRCHWEHM, Reformen, 21 f.; vgl. S. KOZUKA, Conclusions, 228, 234. 123 So auch G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 144 f.; J. FRANKS / C. MAYER / H. MIYAJIMA, Ownership, 46 f.; siehe auch H. MIYAJIMA, Comments, 267, 268 f. und das dortige Schaubild. 124 Zu den Auswirkungen der Aktionärsstrukturen auf das Unternehmensverständnis siehe sogleich C. 125 Den Begriff verwenden im US-amerikanischen Kontext R. J. GILSON / J. N. GORDON, Agency Capitalism, 16 f. Siehe dazu bereits oben Kapitel 1 – B. II.4.c). 126 G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 154. Empirische Untersuchungen legen einen positiven Einfluss aktivistischer Hedge Funds sowie institutioneller Anleger auf die Ertragskraft der japanischen Unternehmen nahe, ibid., 147–149 und 155 f.

B. Die Aktionärsstruktur

123

schaften mit hohen Anteilen institutioneller Investoren und geringen Verflechtungen seltener Ziel solcher aktivistischer Investoren.127 Um die Interessen der gestreuten Anleger in großen Gesellschaften zu bündeln wird unter anderem die Einrichtung sogenannter Anleger-Foren vorgeschlagen.128 IV. Schlussfolgerungen Die Analyse der Aktionärsstrukturen hat zu folgenden Erkenntnissen geführt. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen mit einem nach wie vor erheblichen Anteil an Überkreuzverflechtungen läge der zentrale Interessenkonflikt zwar aufgrund des Streubesitzes grundsätzlich zwischen den Aktionären auf der einen und dem Management auf der anderen Seite. Die spezifischen Strukturen der wechselseitigen Beteiligungen sorgen jedoch dafür, dass sich das Management der Eigentümerkontrolle der Aktionäre entzieht und vor äußerem Einfluss und Übernahmeversuchen abschirmt. Vor allem bei den größeren Unternehmen haben sich die Strukturen demgegenüber hin zu klassischem Streubesitz entwickelt, bei dem der Konflikt zwischen der Allgemeinheit der Aktionäre und dem Management zur Geltung kommt. Der Wandel der Aktionärsstrukturen ist dabei ähnlich drastisch wie derjenige in Deutschland und in dieser Geschwindigkeit international eher selten zu beobachten.129 Die unterschiedlichen Strukturen haben Einfluss auf die Implementierung des Unabhängigkeitsansatzes. In durch Überkreuzverflechtungen gekennzeichneten Unternehmen mit ihren verflochtenen und passiven Aktionären stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob und wenn ja aus wessen Sicht externe oder unabhängige Direktoren eine Überwachungsfunktion erfüllen sollen. Es gilt zu klären, wie sie sich innerhalb von Strukturen durchsetzen können, die dem Selbsterhalt des Managements der verbundenen Unternehmen dienen. In klassischen Streubesitz-Unternehmen mit einem hohen Anteil ausländischer Aktionäre dürfte hingegen die Überwachung zugunsten der Allgemeinheit der Aktionäre im Vordergrund stehen. Insoweit muss zwischen den Aspekten der Rechtmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit unterschieden und zudem überlegt werden, wie der weltweit zunehmenden Kritik am Instrument des independent director im japanischen Kontext begegnet werden kann. Dies betrifft insbesondere die Unabhängigkeitsanforderungen und deren Verhältnis zu anderen Qualifikationen sowie die Frage der angemessenen Ausgestaltung der Anreizstrukturen.

G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 154. T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 203 f. 129 So W.-G. RINGE, Am J Comp L 63 (2015) 493, 526 f. zu Deutschland. Ringe verweist auf die Durchsetzung von Streubesitz in den USA und dem Vereinigten Königreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Entwicklung mit vergleichbarer Dynamik. 127 128

124

3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

C. Das Unternehmensverständnis: Ende der „japanischen Unternehmung“ und Dominanz der Aktionärsinteressen? C. Das Unternehmensverständnis

In direktem Zusammenhang mit den Eigentümerstrukturen steht das Unternehmensverständnis als dritter struktureller Faktor. Dabei stellt sich zum einen die Frage nach dem Einfluss der verschiedenen Akteure auf die Gesellschaft und zum anderen nach dem zentralen Unternehmenszweck.130 I.

Die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg

Wie der vorangehende Abschnitt gezeigt hat, war das Unternehmenseigentum in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg neben dem großen Einfluss von Familien über Holdinggesellschaften auch durch einen vergleichsweise hohen Anteil gestreuter, externer Anleger gekennzeichnet. Ihnen und dem Kapitalmarkt kam eine große Bedeutung zu, was sich in den im Vergleich zur Nachkriegszeit höheren Dividendenzahlungen, der Vertretung von Aktionären im Leitungsgremium sowie der aktiven Überwachung der Leistung der Geschäftsführung auch durch die Aktionäre zeigte.131 Den Prüfern kam zu dieser Zeit neben der Aufgabe des Compliance- auch die des Performance-Monitorings aus Sicht der Aktionäre zu.132 In der Nachkriegszeit wandelte sich die Struktur mit den keiretsu hin zu Insider-Eigentum und einer geringen Bedeutung externer, nicht mit dem jeweiligen Unternehmen verwobener Aktionäre. Mit diesem Wandel einher ging eine Veränderung der Zusammensetzung des Leitungsgremiums. Verwaltungsräte waren nunmehr fast ausschließlich mit Angestellten des Unternehmens besetzt.133 Die im Unternehmen aufgestiegenen und eng mit diesem verbundenen Verwaltungsratsmitglieder hatten ein Interesse an der Abschottung vor externem Einfluss. Eine solche wurde über die Gleichschaltung der Interessen der Verwaltungsräte innerhalb der keiretsu gewährleistet. 134 Die verflochtenen Unternehmen verhielten sich in ihrer Funktion als Aktionäre passiv und sicherten den übrigen Verwaltungsräten den Machterhalt. Die Direktoren profitieren in diesem System insbesondere dadurch, dass sie unabhängig von ihrer Leistung wiedergewählt werden. 135 Der Einfluss der außenstehenden Aktionäre wird neutralisiert und deren Interessen werden hintan gestellt.136 Siehe dazu oben Kapitel 1 – B. II.2.a) und 4.c) sowie zusammenfassend C. I. E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 68 f. 132 Siehe bereits oben Kapitel 2 – A. 133 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 71. 134 Siehe bereits oben B. II. 135 E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 70 unter Verweis auf die Argumentation des Gesetzgebungsrats bei der Reform des Jahres 2014; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 118–120. 130 131

C. Das Unternehmensverständnis

125

Auf diesen Voraussetzungen gründet die Entstehung eines oft als typisch japanisch bezeichneten Unternehmensverständnisses in den großen Unternehmen. 137 Es wird von der „japanischen Unternehmung“ 138 gesprochen. In dieser werden der nach innen gerichtete Fokus des Verwaltungsrats und die Abschottung von externem Einfluss gestützt durch eine enge Anbindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen. Diese basiert auf dem System lebenslanger Anstellung sowie dem Senioritätsprinzip. 139 Angestellte werden in der Regel direkt mit bzw. kurz vor dem Ende ihrer schulischen oder universitären Ausbildung von den Unternehmen rekrutiert und im Unternehmen weiter ausgebildet. Status und Gehalt steigen mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit.140 Im Gegenzug für einen sicheren Arbeitsplatz wird von den Angestellten Loyalität und ein „lebenslanges“ Engagement erwartet.141 Auch das Management wird ganz vorrangig aus den eigenen Reihen rekrutiert und der Verwaltungsrat wiederum aus dem höheren Management. Er setzt sich folglich aus erfahrenen Insidern zusammen.142 Diese konzentrieren im Verwaltungsrat die Macht und führen das Unternehmen aktiv (Management-Modell).143 Der externe Arbeitsmarkt ist hingegen unterentwickelt und die Mobilität zwischen den Unternehmen ist gerade für das höhere Management eingeschränkt.144 Angestellte identifizieren sich daher mit dem Unternehmen und ihnen ist auch aus eigenem Interesse an dessen langfristigem Erfolg gelegen. 136 J. O. HALEY, ZJapanR 19 (2005) 5, 15; J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism in Japan, 299; vgl. auch H. MIYAJIMA / F. KUROKI, Unwinding, 79, 107 („insider control“). 137 Zur Notwendigkeit, insoweit zwischen den großen und den deutlich zahlreicheren kleineren Unternehmen zu unterscheiden siehe H. BAUM, Marktzugang, 80 f. 138 Zur Definition der japanischen Unternehmung siehe E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69 f.; vgl. auch J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 297 („community firm“). 139 O. KIRCHWEHM, Reformen, 29; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 81 f.; J. BUCHANAN /  S. DEAKIN, ZJapanR 26 (2008) 59, 60. Unter anderem Pejović spricht demgegenüber von „long-term employment“, Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 114. Auch wenn „lebenslang“ nicht wörtlich zu verstehen ist, macht der Begriff den Normalfall einer Anstellung in demselben Unternehmen bis zum Ende des Berufslebens deutlich. 140 H. BAUM, Marktzugang, 82; O. KIRCHWEHM, Reformen, 29; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 114. 141 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 114. 142 M. AOKI, Conclusion, 427, 429; G. JACKSON / H. MIYAJIMA, Introduction, 1, 27; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 644; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 81; J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 303; C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 58 f. 143 B.  ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20. Daneben soll der Verwaltungsrat sich jedoch auch selbst kontrollieren (Doppelfunktion). Siehe dazu bereits oben A. II. sowie eingehend unten D. I.1. 144 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 303; O. KIRCHWEHM, Reformen, 30; vgl. H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 765.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Gleichzeitig identifiziert sich die im Unternehmen aufgestiegene Führungsebene auch mit ihrer Belegschaft.145 Der Erhalt des Unternehmens als Organisationsstruktur sowie langfristige Investitionen haben klare Priorität jedenfalls vor dem kurzfristigen Interesse der Aktionäre an Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen. Dem Konzept der Wertschaffung für die Aktionäre (shareholder value) wird der Wert des Unternehmens als solchem (corporate value) gegenübergestellt.146 Diese Strukturen haben die Redewendung uchi no kaisha geprägt, die mit „das Unternehmen als Familie“ übersetzt werden kann. Sie bringt die starke Identifikation der Arbeitnehmer mit dem Unternehmen als Gemeinschaft zum Ausdruck.147 Besonders greifbar wird dieses Konzept, wenn Angestellte eines großen japanischen Unternehmens sich nicht nur mit ihrem Namen, sondern auch als Angestellte ihres Unternehmens vorstellen. Ihnen kommt eine herausgehobene Stellung zu, während die Aktionäre nur geringen Einfluss auf das Unternehmen haben. Es herrschte daher jedenfalls bis in die jüngste Vergangenheit das Bewusstsein, dass das Unternehmen nicht diesen, sondern den Arbeitnehmern gehört.148 Die Aktionäre hingegen werden – ähnlich den Gläubigern – als außerhalb des Unternehmens stehend angesehen.149 Ihnen kommen zwar nach dem Gesetz umfassende Rechte zu, welche diejenigen in den USA übertreffen dürften,150 ihre Interessen stehen faktisch jedoch hinter denjenigen der Arbeitnehmer sowie der langfristigen Lieferanten und Kunden zurück.151 Aufgrund des geringen Einflusses der Aktionäre sowie der Ausrichtung des Unternehmenszwecks am Wert des Unternehmens als solchem wurde das japanische System lange als typisches Stakeholder-Modell bezeichnet.152 Der interne Fokus der japanischen Unternehmung führt dazu, dass die Angestellten einen klaren Karriereweg vor Augen haben und motiviert werden, in der Unternehmenshierarchie aufzusteigen. Er erleichtert zudem die KonO. KIRCHWEHM, Reformen, 29 f.; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 83. Eingehend J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 297–303; vgl. auch H. BAUM, Marktzugang, 83; E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 70. 147 H. BAUM, Marktzugang, 81; siehe auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 29. 148 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69 f.; J. BUCHANAN / D. H. CHAI /  S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 297; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 83; J. BUCHANAN /  S. DEAKIN, ZJapanR 26 (2008) 59, 61; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 122. Teilweise wird sogar von den Arbeitnehmern als „controlling group“ gesprochen, Y. MIWA, Economics, 877, 883 f.; vgl. auch E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69 („belegschaftskapitalistisches System“). Ein plastisches Beispiel zum Einfluss der Arbeitnehmer auf Entscheidungen des Verwaltungsrats findet sich bei H. BAUM, Marktzugang, 79 f. 149 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69 f. 150 Eingehend G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125 ff. 151 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 3; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 83. 152 T. ARAKI, Changes, 222; vgl. H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 391. 145 146

C. Das Unternehmensverständnis

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sensfindung in einem rein intern besetzten Verwaltungsrat,153 in dem Erfahrung und Wissen gebündelt werden. Die Betonung konsensbasierter Entscheidungen beschränkt sich dabei nicht auf die höchste Führungsebene. Vielmehr sucht das Management auch die betroffenen Angestellten in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen (sog. ringi-System).154 Allerdings kann die Abgeschlossenheit auch zu Risikoaversion und fehlender Innovation führen, einem häufig geäußerten Kritikpunkt im Rahmen der letzten Reformen. 155 Anders als insbesondere in den USA sollen Regelungen der Corporate Governance und vor allem die jüngsten Reformen in Japan nicht als Bremse für riskantes Verhalten dienen, sondern vielmehr ein Umfeld schaffen, das die Risikobereitschaft fördert. 156 Insoweit zeigt sich eine gewisse Parallele zu der Entwicklung im Vereinigten Königreich, wo die Einführung externer Direktoren zu Beginn vor allem eine neue Sichtweise und frische Ideen in die Boards bringen sollte.157 Zudem scheint die Betonung konsensbasierter Entscheidungen in einem gewissen Kontrast zum Prinzip der Seniorität zu stehen. In der Realität ist es denn auch der Präsident,158 der als ranghöchster geschäftsführender Direktor im Unternehmen die Fäden in der Hand hält und alle wichtigen Entscheidungen trifft. Für die „rangniederen“ Direktoren ist es schwierig, seine Entscheidungen zu hinterfragen.159 Gleichzeitig wird über das System der Überkreuzverflechtungen und die Bankenfinanzierung eine externe Überwachung durch Aktionäre und den Kapitalmarkt verhindert.160 II. Platzen der Wirtschaftsblase und jüngere Entwicklungen Während des wirtschaftlichen Aufschwungs nach Kriegsende profitierten alle Aktionäre, interne wie externe, vom wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 644. H. BAUM, Marktzugang, 82 f.; O. KIRCHWEHM, Reformen, 30. 155 Vgl. oben Kapitel 2 – D. und siehe auch unten Kapitel 4 – E. I. bis III. im Rahmen der Funktion externer und unabhängiger Direktoren. 156 M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 8; H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 14 f.; vgl. JCGC, 33 (Appendix); „Business in Japan. Meet Shinzo Abe, shareholder activist“, The Economist, 6.6.2015, Leaders section; „Japanese electronics firms. Eclipsed by Apple“, The Economist, 12.7.2014, Business section, bezogen auf die Elektronikindustrie; „Japanese companies. Winds of change“, The Economist, 6.6.2015, Business section. 157 Siehe oben Kapitel 1 – B. III.1.a). Allerdings war diese Entwicklung von den Unternehmen selbst angestoßen worden. 158 Zu den Begriffen Präsident (shachō), CEO und Chairman siehe oben A. III.2.b). 159 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 644, die zugleich aber die Vorteile der Insider-Direktoren für die Konsensbildung sowie das Anreizsystem für Angestellte mit einem klaren Karriereweg betonen. Vgl. auch B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 99 f.; R. DORE, Insider Management, 370, 374. 160 Zu den konkurrierenden Überwachungsinstrumenten siehe eingehend unter D. 153 154

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

und den steigenden Aktienpreisen.161 Dies änderte sich mit dem Platzen der Wirtschaftsblase. In der Folge hat sich die Eigentümerstruktur von der Dominanz miteinander verwobener Insider-Anleger zumindest für die großen Unternehmen hin zu Outsider-Eigentum und einem erheblichen Anteil ausländischer Investoren hin verschoben.162 Zudem hat der Gesetzgeber insbesondere seit der Jahrtausendwende mit den in Kapitel 2 beschriebenen Reformen versucht, durch Veränderungen der Corporate Governance als Teil eines größeren Reformpakets alte Strukturen aufzubrechen und die Wirtschaftsleistung der japanischen Unternehmen zu stärken. Ob dadurch auch ein Umdenken in den Unternehmen stattfinden wird, hat entscheidenden Einfluss darauf, wie die neuen Organisationsverfassungen angenommen werden und welche Rolle den externen und unabhängigen Direktoren in der Praxis zukommen kann. 1. Zielrichtung der jüngsten Reformen Über die Verbreitung des Monitoring-Modells oder zumindest die Stärkung der Überwachungsfunktion des Verwaltungsrats in der traditionellen Gesellschaft mit Prüferrat soll den Aktionären mehr Gewicht gegeben und die Leistungsfähigkeit der Unternehmen gesteigert werden. Unternehmensskandale und Fragen der Rechtmäßigkeit unternehmerischen Handelns spielten bei den Reformen demgegenüber nur eine geringe Rolle.163 Nicht zuletzt sollen japanische Unternehmen insbesondere für ausländische Anleger attraktiver werden164 und dem Kapitalmarkt künftig eine größere Bedeutung zukommen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Government Pension Investment Fund (GPIF) angehalten wurde, seine Investitionsstrategie anzupassen. Der GPIF ist einer der weltweit größten Anlagefonds und hat seinen Fokus mittlerweile in erheblichem Umfang von Anleihen hin zu Aktienbesitz verlagert.165 Durch die Veränderungen in der Corporate Governance möchte man einerseits eine Vernachlässigung der Aktionärsinteressen verhindern, andererseits jedoch nicht in das Extrem eines einseitigen Fokus auf kurzfristige Gewinne und einer mangelnden Berücksichtigung der Interessen weiterer Stakeholder verfallen.166 Dennoch steht der angestrebte Wandel in starkem Kontrast zum 161 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 70; V. MECKEL, Corporate Governance, 127 f. 162 Siehe oben B. III. 163 Siehe oben Kapitel 2 – C. und D. 164 O. KIRCHWEHM, Reformen, 23 und 27 zu den Reformen seit Platzen der Wirtschaftsblase und Japan Revitalization Strategy 2014, 7 f. im Zusammenhang mit den Reformen der Abenomics. 165 Siehe die Überlegungen in der Japan Revitalization Strategy 2014, 21, 102 f. und 107 f. sowie die Erklärung des GPIF zur Anpassung seiner Investitionsstrategie unter . 166 S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11, 15 f.

C. Das Unternehmensverständnis

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Management-Modell und dem Unternehmensverständnis der auf Selbstkontrolle durch Insider bauenden japanischen Unternehmung. Der namhafte japanische Gesellschaftsrechtler Kenjirō Egashira hat sich in einem sehr kritischen Aufsatz unter anderem zu dieser Problematik geäußert. Die Corporate Governance der Unternehmen werde sich nicht ändern, solange nicht auch das Fundament, auf dem die Gesellschaften fußen, sich verändert.167 Der stärkste Bestandteil dieses Fundaments seien die Ausbildung und die Art der Beförderung des Managements innerhalb der Unternehmen. Externe Direktoren, die in der Regel Direktoren anderer Gesellschaften seien, würden nicht an den traditionellen Strukturen rütteln, in denen sie selbst verwurzelt sind.168 Allein die Änderung gesetzlicher Regelungen führe nicht zu einer Veränderung und Leistungssteigerung. Sie sei wie die Behandlung der Symptome, nicht der Ursachen einer Krankheit.169 Möglicherweise können jedoch die Reformen im Zusammenspiel mit den gewandelten Aktionärsstrukturen auf das Unternehmensverständnis durchschlagen. Die veränderte Zusammensetzung der Aktionäre allein wird dabei nicht genügen. Vielmehr weist Egashira zurecht auch darauf hin, dass die Aktionäre eine aktivere Rolle einnehmen müssen. Ohne einen Wandel in Einstellung und Verhalten auch der japanischen Aktionäre, nicht nur der ausländischen institutionellen, sei eine Abkehr vom Status Quo nur schwerlich vorstellbar.170 Die Bedeutung des Unternehmensverständnisses für einen Wandel kommt sowohl in dem Strategiepapier der Regierung zur Wiederbelebung der japanischen Wirtschaft als auch dem Corporate Governance Kodex zum Ausdruck. Dem Strategiepapier zufolge sollen die japanischen Unternehmen für den globalen Wettbewerb gestärkt werden. Ihre Performance (return on equity) soll gesteigert und sie sollen zu Umstrukturierungen, Investitionen und der Erhöhung der Gehälter sowie der Auszahlung von Dividenden statt der Anhäufung von Reserven angehalten werden. 171 Die Ausführungen machen K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 60. Ähnlich äußert sich auch Shinsaku Iwahara, der dem Gesetzgebungsrat bei der Reform 2014 vorsaß. Er hegt Zweifel, ob die Änderungen innerhalb der bestehenden Unternehmenskultur greifen, S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11, 15. 168 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 65. Zum Unterbau gehörten daneben die Rolle der institutionellen Investoren sowie diejenige der Gerichte. Um erstere habe sich die FSA mit der Veröffentlichung des Stewardship Codes bereits zu kümmern begonnen. Darüber hinaus passe die bisherige regel- und nicht prinzipienbasierte Praxis der Gerichte nicht zur rein verfahrens- und nicht inhaltsbezogenen Bewertung der Entscheidung eines unabhängigen Gremiums etwa im Falle eines MBO, ibid., 60 und 65; zu letzterem Punkt siehe auch C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 69 sowie unten D. II.1.a). 169 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 65. 170 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2042 (2014) 4, 17 f. (Wortbeitrag Egashira und Zustimmung Iwahara). 171 Japan Revitalization Strategy 2014, 5 und 34. 167

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

deutlich, dass nicht punktuelle Veränderungen, sondern vielmehr ein Gesinnungswandel insbesondere der Unternehmensführung angestrebt wird. Dafür seien rechtliche Reformen allein nicht hinreichend. Diese müssten vielmehr auch vom Management mitgetragen werden, um Wirkung zu erzielen.172 In eine ähnliche Richtung geht die Forderung des Kodex nach einem proaktiven Verhalten der Unternehmen. Diese sollen ihre eigene Leitungs- und Überwachungsstruktur vor dem Hintergrund des Kodex überprüfen und die notwendigen Anpassungen treffen.173 In der Definition des Begriffs der Corporate Governance kommt klar zum Ausdruck, dass den Interessen der Aktionäre eine größere Bedeutung zukommen soll. Sie nehmen im Kodex gegenüber den Interessen der anderen Stakeholder eine herausgehobene Position ein: „In this Corporate Governance Code, ‘corporate governance’ means a structure for transparent, fair, timely and decisive decision-making by companies, with due attention to the needs and perspectives of shareholders and also customers, employees and local communities.“174

Die herausgehobene Bedeutung der Aktionäre bestimmt den Kodex auch über diese Definition hinaus. Die Befolgung des Regelwerks soll zum Erfolg der Unternehmen, Investoren und der japanischen Wirtschaft insgesamt beitragen und zu dauerhaftem Wachstum sowie mittel- bis langfristigem Wertzuwachs führen.175 Die Unternehmen hätten eine Verantwortung gegenüber einer Reihe an Stakeholdern, allen voran aber den Aktionären, welche das Management mit der Unternehmensleitung beauftragt haben.176 Der Fokus in der genannten Definition und auch den übrigen Bestimmungen liegt klar auf dem Aspekt der Unternehmensleitung. Die Überwachung findet nur indirekt Erwähnung als Teil eines Systems, welches zu den angestrebten rechtmäßigen und wirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen führen soll. Dieser Umstand ist nicht zu vernachlässigen, macht er doch deutlich, dass die Überwachung, auch durch externe bzw. unabhängige Direktoren, und die Ausgestaltung des Verwaltungsrats als Überwachungsorgan kein Selbstzweck sind. Vielmehr sind sie Mittel zur Gewährleistung von Compliance, vor allem aber zur Steigerung der Performance. Während sich einer der fünf Allgemeinen Grundsätze, nämlich der Allgemeine Grundsatz 4 des Kodex, mit den Aufgaben des Verwaltungsrats beJapan Revitalization Strategy 2014, 2. JCGC, 33 f. (Appendix: Präambel des Final Proposal 8.); siehe auch die Zielformulierung des Kodex, JCGC, 2. 174 JCGC, 2. Die Definition im Strategiepapier ist nahezu identisch: „Corporate governance is the system which supports companies making timely entrepreneurial decisions with transparency and integrity and with due regards to the views of shareholders as well as customers, employees, local communities and other stakeholders“, Japan Revitalization Strategy 2014, 35. 175 JCGC, 2. 176 JCGC, 33 (Appendix: Präambel des Final Proposal 7.). 172 173

C. Das Unternehmensverständnis

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schäftigt,177 geht es in den übrigen vier Allgemeinen Grundsätzen sowie den dazugehörigen Grundsätzen und Ergänzenden Grundsätzen vor allem um die Beziehung der Gesellschaft zu den einzelnen Stakeholdern.178 Auch hier stehen die Aktionäre im Vordergrund. In dem Allgemeinen Grundsatz 1 werden der Dialog und die Berücksichtigung der Stimmen der Aktionäre, insbesondere auch der ausländischen Aktionäre betont. Darüber hinaus findet sich eine Regelung zum cross-shareholding in Grundsatz 1.4. Der Verwaltungsrat soll bei Ausübung dieser Praxis seine Ziele und die Hintergründe für sein Vorgehen offenlegen.179 Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmen sollen nicht der Festigung des gegenwärtigen Managements oder Boards dienen (Grundsatz 1.5) und für related party transactions sollen im Vorhinein geeignete Maßnahmen getroffen werden, um Schaden vom Unternehmen oder der Allgemeinheit der Aktionäre abzuwenden (Grundsatz 1.6). Der Allgemeine Grundsatz 2 beschäftigt sich mit den übrigen Stakeholdern. Es wird, wenn auch wenig konkret, betont, dass Unternehmen Werte für alle Stakeholder schaffen sollen (Grundsatz 2.1).180 Der Allgemeine Grundsatz 3 zur Gewährleistung angemessener Offenlegung von Informationen und Transparenz enthält eher allgemeine Vorgaben zu den notwendigen Angaben (Grundsatz 3.1) und betont die Verantwortung externer Prüfer und der Unternehmen gegenüber den Investoren und Aktionären. (Grundsatz 3.2). Der Allgemeine Grundsatz 5 befasst sich schließlich mit dem Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären. Während das Management mit den übrigen Stakeholdern wie Arbeitnehmern oder Finanzinstituten regelmäßig in Kontakt stehe, bestehe nur wenig Austausch mit den Aktionären. Diese hätten jedoch als Kapitalgeber eine andere Sichtweise auf die Unternehmensaktivitäten, die sich die Geschäftsführung zunutze machen solle.181 In diesem Zusammenhang wird auch gefordert, dass sich Unternehmen mit ihrer Eigentümerstruktur auseinandersetzen, um einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen (Ergänzender Grundsatz 5.1.3). Die Stoßrichtung der Reformen lässt einen klaren Trend hin zur Priorisierung der Aktionärsinteressen erkennen. Andererseits machen ein eigener Abschnitt zu den übrigen Stakeholdern im Governance Kodex sowie der StewSiehe dazu noch unten Kapitel 4 – E. I. Zu Gliederung des Kodex in die verschiedenen Arten von Grundsätzen siehe bereits oben Kapitel 2 – D. II.1.b). 179 Eine Regelung zum cross shareholding war bereits in der Japan Revitalizaiton Strategy explizit für den Kodex vorgesehen, Japan Revitalization Strategy 2014, 35 f. 180 Darüber hinaus soll ein Code of Conduct eingerichtet werden (Grundsatz 2.2) und es finden sich allgemeine Anforderungen an Nachhaltigkeit (Grundsatz 2.3) und Diversität (Grundsatz 2.4) sowie Vorgaben für Rahmenbedingungen, welche Whistleblowing durch Angestellte erleichtern (Grundsatz 2.5). 181 JCGC, Notes zum Allgemeinen Grundsatz 5. 177 178

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

ardship Code deutlich, dass keine einseitige Ausrichtung am shareholder value beabsichtigt wird und die Anleger zudem mit in die Verantwortung genommen werden sollen. 182 Auch das Strategiepapier der Regierung betont, dass die Anleger, insbesondere Banken und andere institutionelle Investoren, durch ihre Einflussnahme dazu beitragen sollen, die Unternehmensleistung zu stärken.183 Das von der Regierung avisierte Unternehmensverständnis geht damit in die Richtung eines enlightened shareholder value184 und insbesondere hinsichtlich der Verantwortung der Aktionäre scheint man sich das britische Modell des shareholder engagement als Vorbild zu genommen zu haben.185 2. Anzeichen eines Wandels in der Praxis Inwieweit der Einfluss der Aktionäre und neue Regelungen tatsächlich einen Wandel des Unternehmensverständnisses befördern können, hängt auch davon ab, wie weit dessen Ursachen in der Geschichte zurückreichen und ob es vorrangig auf ökonomischen Überlegungen oder sozialen Normen basiert. Dazu werden ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten. Herrschend ist wohl die Ansicht, der zufolge die „japanische Unternehmung“ erst auf die Entwicklungen der Nachkriegszeit zurückgeht. 186 Dafür spricht jedenfalls, dass sich die spezifischen Überkreuzverflechtungen als Grundlage des Systems erst mit Zerschlagung der zaibatsu durch die Besatzungsmacht bildeten. Insoweit ist es an sich irreführend, von einem „traditionellen“ System zu sprechen, wenn man die Corporate Governance der miteinander verwobenen Gesellschaften mit Prüferrat beschreibt. Die Aktionärsstrukturen und die Corporate Governance der Vorkriegszeit insgesamt unterschieden sich jedenfalls deutlich von den Strukturen der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs.187 Die sich nach dem Krieg entwickelnden Prinzipien der lebenslangen Anstellung und der Seniorität, die unternehmensinterne Fortbildung und weitere Kernbestandteile des bisherigen Unternehmensverständnisses haben sich gut

182 So auch M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 7; siehe auch H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 19. 183 Japan Revitalization Strategy 2014, 6. 184 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 118 f. spricht von einem „mixed model“. Zum Unternehmensverständnis im Vereinigten Königreich siehe oben Kapitel 1 – B. III.1.c). Zu den international verschwimmenden Grenzen zwischen Stakeholder- und shareholder value-Ansatz siehe bereits oben Kapitel 1 – B. IV.2.d). 185 Vgl. T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 204. 186 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69–71 m. w. N. auch zu den anderen Ansichten. 187 Siehe oben B. I. und II. Im Einklang mit der ganz herrschenden Wortwahl in der übrigen Literatur wird aber auch in dieser Arbeit vom „traditionellen“ System gesprochen, wenn das Insider-basierte System der Nachkriegszeit gemeint ist. Die Gesellschaft mit Prüferrat ist danach die „traditionelle“ Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft.

C. Das Unternehmensverständnis

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in die konsens- und gruppenorientierte japanische Kultur eingepasst.188 Grund für ihre Durchsetzung waren jedoch neben den herrschenden Machtverhältnissen der Stakeholder vorrangig ökonomische Überlegungen.189 Soziale Normen können daher durchaus ein Hindernis für Veränderungen darstellen, 190 die Möglichkeit eines Wandels der Corporate Governance sollte aber nicht vorschnell mit einem Verweis auf die japanische Kultur verneint werden.191 Versucht man, Veränderungen in der Praxis auszumachen, so ist denn auch festzustellen, dass der auf wirtschaftlicher Notwendigkeit gründende Rückgang der Überkreuzverflechtungen sowie die Zunahme ausländischer, insbesondere institutioneller Investoren zunehmend Einfluss auf das geschlossene System der japanischen Unternehmung nehmen. Aktionäre beginnen, sich kritisch zu äußern, Entscheidungen der Geschäftsführung zu hinterfragen und über ihre Stimmrechte Einfluss zu nehmen. 192 Wirtschaftlicher Druck führt zudem dazu, dass die Prinzipien lebenslanger Anstellung und der Seniorität jedenfalls nicht mehr absolut gelten.193 Diese waren schon bislang vor allem für die Stammbelegschaft der großen Unternehmen von Bedeutung.194 Auch für diese scheinen zwar die Grundstrukturen noch intakt, die Zahl an Teilzeitarbeitern hat jedoch zugenommen und der leistungsbezogenen Vergütung und Beförderung kommt eine steigende Bedeutung zu. 195 Jedenfalls die größten Unternehmen bewegen sich dabei nicht konform in eine Richtung, sondern es finden ein gradueller Wandel und eine Diversifizierung statt. 196 Diese Entwicklungen haben das Potential, die japanische Unternehmung mittel- bis langfristig zu erodieren. So erwartet auch Shinsaku Iwahara, der dem Gesetzgebungsrat bei der letzten Reform vorsaß, dass sich der Einfluss der Aktionäre weiter vergrößern wird und diese eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung eines Monitoring-Modells spielen werden.197 Mit dem allgemeinen Wandel der Einstellung und der Arbeitsverhältnisse werde letztlich auch 188 Kritisch hinsichtlich eines Wandels aufgrund der Verwurzelung des Systems in der japanischen Kultur etwa R. J. GILSON / C. J. MILHAUPT, Am J Comp L 53 (2005) 343, 361 f.; siehe auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 73 f., der einen Wandel hin zum shareholder value-Ansatz nicht für sinnvoll erachtet. 189 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 114 und 124–126 m. w. N. 190 So Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 140 f. 191 Zur Bedeutung kultureller Aspekte bei der vergleichenden Analyse japanischer Corporate Governance und kritisch zur Gegenüberstellung von „kultureller Prägung“ und „ökonomischer Rationalität“ siehe auch H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 758–761. 192 T. EGUCHI, Management-shareholder relations, 191, 200 f.; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 129. 193 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 37 (2014) 51, 59–62. 194 H. BAUM, Marktzugang, 80; O. KIRCHWEHM, Reformen, 30 f. 195 Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 132 f.; O. KIRCHWEHM, Reformen, 31. 196 S. KOZUKA, Conclusions, 228, 237 f. 197 S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11, 14 f.; vgl. S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 13 (Wortbeitrag Mishima).

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

ein Wandel im Management hinsichtlich Ernennung und Vergütung eintreten, Aktionärsinteressen zunehmend berücksichtigt und die Governance transparenter gestaltet.198 Jedenfalls bis zur letzten Reform scheinen sich die genannten Entwicklungen jedoch noch nicht durchschlagend auf die Ausgestaltung der Organisationsstruktur der Unternehmen und die Haltung des Managements gegenüber der Bedeutung der Aktionärsinteressen und einem möglichen Nutzen externen Einflusses ausgewirkt zu haben. Die Wirtschaftsverbände haben sich bei allen jüngeren Gesetzesreformen zumindest gegen die verpflichtende Einführung eines Monitoring-Modells und die verpflichtende Ernennung auch nur eines einzigen externen, nicht zwingend unabhängigen Direktors gewehrt.199 Die Zahl der Unternehmen, die zur Gesellschaft mit Ausschüssen gewechselt sind, ist nach wie vor äußerst gering. Auch die Zahl der Unternehmen, die vor der letzten Reform freiwillig in der traditionellen Organisationsverfassung auf externe Direktoren zurückgegriffen haben, war gering.200 Externe Direktoren wurden zudem häufig als Ratgeber und nicht als Instrument externer Überwachung gesehen und die Positionen entsprechend besetzt.201 Teilweise wurden Unternehmenskrisen überhaupt nicht mit der Organisationsstruktur des Unternehmens in Verbindung gebracht. Schwerwiegende Qualitäts- und Sicherheitsmängel bei Toyota, die Anfang 2010 bekannt wurden, führten zwar zu Maßnahmen in der Produktion, nicht jedoch zu einer Diskussion um die Rolle des Verwaltungsrats. Der Präsident des Unternehmens machte vielmehr den verlorengegangenen Fokus auf die Produktqualität und den gestiegenen Gewinndruck für die Probleme verantwortlich.202 Der Skandal des Jahres 2016 um Manipulationen der Abgaswerte bei Mitsubishi Motors hat zudem erst jüngst wieder eklatante Mängel in der Compliance aufgezeigt, welche auch auf die traditionellen Strukturen in dem Unternehmen zurückzuführen sind. Nicht nur fehlte externer Einfluss, sondern es wurde strikter Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten und den von diesen gesteckten Zielen gefordert. Teilweise war gar die Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen untersagt. 203 Ähnliche Zustände hatten bei Toshiba zu massiven Bilanzfälschungen geführt, die im Jahr zuvor aufgedeckt worden waren.204

S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11, 17. Einen graduellen Wandel hin zur Berücksichtigung der Aktionärsinteressen und der Stärkung des Kapitalmarkts erwartet auch S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 49; vgl. L. NOTTAGE, Perspectives, 21, 32. 199 Siehe oben Kapitel 2 – C. I. und D. I.2.c) sowie unten zum politischen Hintergrund der jüngsten Reform 2014 Kapitel 4 – B. II. 200 Siehe dazu noch eingehend Kapitel 4 – C. IV.2. 201 Siehe zur Funktion externer bzw. unabhängiger Direktoren eingehend Kapitel 4 – E. 202 B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 68–70. 203 Y. HAGIWARA, Mitsubishi Motors scandal was an accident waiting to happen, The Japan Times, 19.5.2016, ; siehe auch „Car emissions. Exhaustive analysis“, The Economist, 30.4.2016, Business section. 204 J. W. CARPENTER, Toshiba’s Accounting Scandal: How It Happened, 13.8.2015, ; siehe auch „Toshiba’s accounts. A load of tosh“, The Economist, 25.7.2015, Business section. 205 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 301 f. 206 G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 142; siehe auch J. BUCHANAN / D. H. CHAI /  S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 1 und 5. 207 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 303 f. 208 Vgl. Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 141 f., demzufolge zwar die Charakteristika der japanischen Unternehmung im Einklang mit sozialen Normen stehen, die Begründung für das Festhalten an alten Strukturen mit kulturellen Argumenten jedoch lediglich vorgeschoben ist. 209 Siehe etwa JAPAN ASSOCIATION OF CORPORATE DIRECTORS (JACD), Roles Expected of Outside Directors and Boards of Directors (2014), abrufbar unter . Siehe dazu noch unten Kapitel 4 – E. III.2. Für einen gewissen Wandel in der

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

wählen wenige Unternehmen die Form der Gesellschaft mit Ausschüssen, es hat jedoch bereits eine Vielzahl an Unternehmen den Wechsel zur neuen Gesellschaft mit Kontrollausschuss vollzogen.210 Dies allein führt nicht zu einem substantiellen Wandel der Organisationsstruktur und die Rolle der externen und auch unabhängigen Direktoren hängt wesentlich von der Ausgestaltung in der Praxis ab. Der Wechsel ermöglicht jedoch zumindest einen Einstieg in das Monitoring-Modell und ist ein Zeichen, dass man sich dem Druck der Aktionäre nicht mehr widersetzen will oder kann. In jüngerer Zeit sind die Unternehmen zudem verstärkt dazu übergegangen, Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeversuche wieder abzubauen oder abzuschaffen.211 III. Schlussfolgerungen Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam den Aktionären und dem Kapitalmarkt in Japan eine vergleichsweise große Bedeutung zu. Dies änderte sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Folge der Zerschlagung der zaibatsu mit Entstehung der „japanischen Unternehmung“. Überkreuzverflechtungen innerhalb von Unternehmensgruppen (keiretsu) gepaart mit einer engen Anbindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen führten zu einem nach außen abgeschlossenen System des Unternehmens als „Familie“. Die Aktionärsinteressen standen nunmehr hinter denen der Arbeitnehmer und der im Unternehmen aufgestiegenen Führungsebene. Der Kapitalmarkt verlor gegenüber der Finanzierung durch in die Unternehmensgruppen integrierte Banken erheblich an Bedeutung. Externer Einfluss im Unternehmen war nicht existent und die Verwaltungsräte gegenüber jedweder Kontrolle von außerhalb des Unternehmens abgeschirmt. Externe oder unabhängige Direktoren stellen in diesem System, sofern sie überhaupt existieren, einen nicht in die Handlungs- und Informationsabläufe integrierten Fremdkörper dar. Durch Reformen der Corporate Governance soll dieses in sich geschlossene System aufgebrochen und die japanische Wirtschaft belebt werden. Dabei wird zu Recht vertreten, dass gesetzliche Reformen und Kodizes allein einen Wandel nicht bewirken werden. Vielmehr ist vor allem eine Änderung der Sichtweise und Haltung in Gesellschaft und Unternehmen erforderlich. Das gilt insbesondere auch für das Institut der Unabhängigkeit. Die zwangsweise Einführung externer oder unabhängiger Direktoren allein wird weder zu einer effektiveren Überwachung der Rechtmäßigkeit, noch der Wirtschaftlichkeit des Handelns der Geschäftsführung aus Sicht der Aktionäre führen. Denkweise siehe auch R. DORE, Insider Management, 370, 385–387 sowie G. OLCOTT, CEO Ideology, 192 ff.; deutlich kritisch hingegen J. BUCHANAN / S. DEAKIN, Change and Continuity, 28 ff. 210 Siehe eingehend unten Kapitel 4 – C. IV.1. 211 „Baishū bōei-saku o haishi [Abschaffung von Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmen]“, Nihon Keizai Shinbun (Chōkan), 12.6.2015, 13.

D. Konkurrierende Instrumente

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Eine entscheidende Rolle für einen möglichen Wandel des Unternehmensverständnisses spielen die gewandelten Aktionärsstrukturen mit ihrem hohen Anteil an Streubesitz sowie an ausländischen institutionellen Investoren. Eine aktive Einflussnahme der Aktionäre auf die Corporate Governance der Unternehmen hat im Zusammenspiel mit dem erheblichen Druck durch die Reformen das Potential, einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen. Bislang lassen sich immerhin erste Anzeichen für einen Wandel des „traditionellen“ Unternehmensverständnisses und eine Öffnung für externen Einfluss erkennen.

D. Die Überwachung der Geschäftsführung: konkurrierende Instrumente D. Konkurrierende Instrumente

Der letzte wesentliche Faktor, der darüber bestimmt, wie sich externe bzw. unabhängige Direktoren in die japanische Corporate Governance einfügen können, sind die bereits vorhandenen Einrichtungen, die dieselben Funktionen erfüllen. Diese konkurrierenden Instrumente werden im Folgenden untersucht. Die Betrachtung baut auf dem Grundgerüst der Organisationsverfassungen der japanischen Aktiengesellschaft auf und berücksichtigt die Erkenntnisse zu Eigentümerstrukturen und Unternehmensverständnis. In ihrem Mittelpunkt steht die Überwachungsfunktion. Als weitere potentielle Funktionen externer oder unabhängiger Direktoren werden darüber hinaus auch die Beratung des Managements sowie eine mögliche Netzwerkfunktion berücksichtigt. Hinsichtlich der Überwachungsfunktion ist neben einer Kontrolle konkreter conflict of interest transactions grundsätzlich zwischen dem ComplianceMonitoring sowie dem Performance-Monitoring zu unterscheiden, da es sich um verschiedene Aspekte der Überwachung mit abweichenden Anforderungen handelt.212 Als Anlass der Gesellschaftsrechtsreformen in Japan seit den 90er Jahren wurden zum einen die andauernden Unternehmensskandale und Bilanzfälschungen, zunehmend aber vorrangig die nach wie vor schwächelnde Wirtschaft und vergleichsweise niedrige Wirtschaftsleistung der japanischen Unternehmen angeführt.213 Die einzelnen Aspekte der Überwachung werden nicht immer hinreichend deutlich unterschieden. In der japanischen Literatur werden die Begriffe datōsei (Rechtmäßigkeit) und tekihō-sei (Angemessenheit) gebraucht. 214 Das Gesetz hingegen unterscheidet im Zusammenhang mit der Überwachung Siehe dazu im Allgemeinen oben Kapitel 1 und insbesondere die Zusammenfassung unter C. II. 213 Siehe Kapitel 2 – C. und D. sowie oben C. II.1. 214 Siehe etwa N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 20 im Zusammenhang mit der Beschränkung der Kontrolle durch den Prüferrat auf die Rechtmäßigkeit. 212

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

zwischen den nur schwer ins Deutsche zu übertragenden Begriffen kansa und kantoku. An einer gesetzlichen Definition dieser Begriffe fehlt es und auch ein einheitlicher Gebrauch in der Literatur lässt sich nicht ausmachen. Teilweise wird auch dieses Begriffspaar gebraucht, um die Unterscheidung zwischen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Geschäftsführung vorzunehmen.215 Sinnvoll scheint hingegen eine Abgrenzung danach, ob die Überwachungsaufgabe auch Rechte hinsichtlich Wahl und Vergütung des Überwachungsobjekts umfasst und damit „von oben herab“ ausgeübt wird (dann kantoku), oder nicht (dann kansa).216 Das kantoku umfasst dabei immer die beiden Aspekte der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit, das kansa hingegen nicht zwingend. Wie sich im Folgenden zeigen wird, spiegelt diese Unterscheidung auch die Bezeichnung der einzelnen Organe und ihre jeweilige Funktion besser wider. Soweit die Differenzierung im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung ist und kenntlich gemacht werden soll, wird für den Begriff kantoku die Übersetzung „Aufsicht“ verwendet und für den Begriff kansa die Übersetzung „Prüfung“. Die Begriffe Überwachung und Kontrolle werden demgegenüber untechnisch als Oberbegriff gebraucht. Problematisch ist nicht allein die uneinheitliche Verwendung der Begriffspaare, sondern vielmehr die insgesamt unzureichende Auseinandersetzung mit dem Überwachungsbegriff. 217 Die Überwachung im traditionellen sich selbst kontrollierenden Verwaltungsrat aus Insidern unterscheidet sich beispielsweise konzeptionell von derjenigen im Monitoring Board durch externe oder unabhängige Direktoren. Ob die Unterschiede von allen Beteiligten und insbesondere in den Unternehmen verstanden werden, scheint zweifelhaft. Im Zusammenhang mit dem Überwachungsbegriff und der konkreten Funktion der Überwachung besteht daher erheblicher Klärungsbedarf. Der folgende Abschnitt gliedert sich in eine Untersuchung der internen (I.) sowie der externen konkurrierenden Instrumente (II.). Während erstere die gesellschaftsrechtlichen Instrumente umfassen, betreffen letztere die außerhalb der Gesellschaft stehenden Marktkräfte sowie das Eingreifen der öffentlichen Verwaltung. 218

So wohl die Einteilung bei S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 22, dortige Fn. S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 21 (Wortbeitrag Iwahara); so auch Prof. Dr. Dr. Eiji Takahashi in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Städtischen Universität Ōsaka am 9.7.2015 sowie Prof. Maki Saitō in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Universität Kyōto am 10.8.2015. 217 Deutlich T. FUJITA, Shōji Hōmu 2038 (2014) 4, 4 f. Siehe dazu auch noch unten Kapitel 4 – E. zur Funktion externer und unabhängiger Direktoren. 218 Zur Unterscheidung zwischen interner sowie externer Corporate Governance siehe G. BACHMANN, AG 2011, 181. 215 216

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D. Konkurrierende Instrumente

I. Interne Überwachungsinstrumente ausgenommen externe und unabhängige Direktoren Die Zahl der Gesellschaften ohne einen einzigen externen oder unabhängigen Direktor ist in Folge der letzten Reform massiv zurückgegangen.219 Dennoch besteht in den Gesellschaften mit Prüferrat, die in der Praxis die große Mehrheit bilden, nach wie vor keine gesetzliche Verpflichtung zur Ernennung auch nur eines externen, nicht zwingend unabhängigen Direktors.220 Die Selbstkontrolle im rein intern besetzten Verwaltungsrat soll daher als Kontrastpunkt der Überwachung durch einen zumindest teilweise extern oder unabhängig besetzten Verwaltungsrat gegenüber gestellt werden (1.). Streng genommen handelt es sich dabei nicht um ein konkurrierendes, sondern ein alternatives Instrument. Unabhängig davon, ob der Verwaltungsrat rein intern besetzt ist, oder nicht, gibt es in den Gesellschaften der traditionellen Organisationsverfassung ein konkurrierendes Überwachungsinstrument, nämlich den Prüferrat (2.). Die weiteren konkurrierenden Instrumente sind allen drei Organisationsverfassungen gemein: internes Compliance-System (3.), Rechnungslegungsberater (4.), Abschlussprüfer (5.) und die Hauptversammlung (6.). Im Folgenden wird untersucht, welche Aufgaben diesen Institutionen zukommen und wie sie diesen in der Praxis gerecht werden. Die Untersuchung soll Rückschlüsse darauf ermöglichen, welcher Raum für externe und unabhängige Direktoren neben oder – im Fall der Selbstkontrolle des Verwaltungsrats ohne externe Direktoren – statt dieser Instrumente bleibt. Tabelle 3: Mit externen bzw. unabhängigen Direktoren konkurrierende Instrumente in der japanischen Aktiengesellschaft Gesellschaft mit Prüferrat

Gesellschaft mit Ausschüssen

Verwaltungsrat ohne externe /  (Verwaltungsrat zwingend unabhängige Direktoren auch extern besetzt) möglich Prüferrat



Gesellschaft mit Kontrollausschuss (Verwaltungsrat zwingend auch extern besetzt) –

Internes Compliance-System Rechnungslegungsberater Abschlussprüfer Hauptversammlung

Siehe zur Zahl externer und unabhängiger Direktoren sowie der Wahl der Organisationsverfassungen in der Praxis noch eingehend unten Kapitel 4 – C. IV. 220 Siehe zu den Anforderungen an die Ernennung externer und unabhängiger Direktoren bereits oben Kapitel 2 – D. und eingehend unten zur rechtstechnischen Umsetzung des Unabhängigkeitsansatzes Kapitel 4 – C. 219

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

1. Der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat ohne externe oder unabhängige Direktoren Dem Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat kommt, auch wenn er rein intern besetzt ist, nach dem Gesetz eine Doppelfunktion zu. Er ist zwar einerseits mit dem Management betraut und kann seine Entscheidungskompetenz auch nur in geringem Umfang auf einzelne Direktoren übertragen. Andererseits kommt ihm auch die Aufgabe der Überwachung der Pflichterfüllung durch die einzelnen Direktoren zu, sodass er Teil des internen Überwachungssystems ist.221 Die Kontrollaufgabe umfasst nicht nur eine Prüfung auf Rechtmäßigkeit, sondern auch auf Zweckmäßigkeit.222 Auch der Kodex betont die Überwachungsaufgabe des Verwaltungsrats unabhängig von der Wahl der Organisationsverfassung der Gesellschaft. Nach dem Grundsatz 4.3 und den dazugehörigen Ergänzenden Grundsätzen stellt die unabhängige und objektive Überwachung der einzelnen Direktoren und des Managements eine seiner wesentlichen Pflichten dar. Im Mittelpunkt steht dabei die Bewertung der Unternehmensleistung. An dieser Bewertung soll sich auch die Ernennung des höheren Managements durch den Verwaltungsrat ausrichten. Dieser soll sich zudem mit der Überwachung der Nachfolgeplanung für die Position des CEO und anderer höherer Managementpositionen befassen.223 In der Betonung gerade der leistungsbezogenen und unabhängigen Kontrolle geht der Kodex über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Die Ausführung dieser Aufgabe ist allerdings aufgrund der genannten Doppelfunktion und des bislang herrschenden Unternehmensverständnisses in der Praxis erheblichen Einschränkungen unterworfen. Der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat ist traditionell aus intern aufgestiegenen Angestellten zusammengesetzt, welche die Macht bei sich konzentrieren und das Unternehmen selbst aktiv führen. Unter ihnen ist der CEO der Ranghöchste. Faktisch übt eher er die Kontrolle über die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder aus, als dass der Verwaltungsrat insgesamt die einzelnen Direktoren einschließlich der geschäftsführenden Direktoren und des CEO überwacht.224 Diese Rollenverteilung wurde in den Gesellschaften mit Prüferrat bislang zudem durch die verbreitete Praxis verstärkt, ein sogenanntes executive board (jōmu-kai) einzusetzen. Dieses trifft faktisch die wesentliSiehe bereits oben A. II. I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 74; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 263 f. Nr. 683. 223 Darüber hinaus soll der Verwaltungsrat die Offenlegung von Informationen gewährleisten, ein angemessenes internes Compliance-System (siehe dazu unten 3.) und Risikomanagement-System einrichten und dessen Funktionsfähigkeit überwachen sowie sich mit Interessenkonflikten zwischen dem Unternehmen und anderen Stakeholdern wie dem Management oder Kontrollaktionären befassen. 224 Siehe dazu oben C. I. 221 222

D. Konkurrierende Instrumente

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chen Entscheidungen vorab in einem kleinen Kreis ausgewählter Direktoren und lässt diese von den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsrats im Nachhinein abnicken.225 Mangels externem oder unabhängigem Nominierungsausschuss haben die Direktoren einschließlich der geschäftsführenden zudem Einfluss auf die Wahl der Direktoren durch die Hauptversammlung und damit die Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Sie bestimmen demnach über die Zusammensetzung ihres eigenen Organs, das in seiner Gesamtheit gleichzeitig die Pflichterfüllung durch sie selbst überwachen soll. Unrechtmäßiges Verhalten aus Eigennutz wird in diesem „familiären“ System226 durch die Kontrolle der Kollegen und den sozialen Druck der Gemeinschaft minimiert.227 Problematisch bleiben hingegen unrechtmäßiges Verhalten „zugunsten“ der Gesellschaft – wie in den Fällen Olympus, Toshiba oder Mitsubishi – sowie aus wirtschaftlicher Sicht fragliche Entscheidungen. 228 Eine effektive Überwachung unter diesen Gesichtspunkten ist nicht vorgesehen. Während eine Kontrollfunktion des Boards also auch im ManagementModell der Gesellschaft mit Prüferrat angelegt ist, verschwimmen bereits rechtlich, vor allem aber in der Praxis die Grenzen zwischen Leitung und Kontrolle vollständig. Um die Größe des Verwaltungsrats zu verringern und die Entscheidungsfindung zu beschleunigen, sind viele Unternehmen dazu übergegangen, gesetzlich nicht vorgesehene geschäftsführende leitende Angestellte (shikkō yakuin; corporate officers) einzuführen. 229 Sie sind von den shikkō-yaku zu 225 Siehe dazu noch unten Kapitel 4 – E. IV.1.c) im Zusammenhang mit der Funktion und Effektivität externer Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat. 226 Zum „Unternehmen als Familie“ (uchi no kaisha) siehe ebenfalls oben C. I. 227 J. BUCHANAN / S. DEAKIN, ZJapanR 26 (2008) 59, 60 f.; vgl. R. DORE, Insider Management, 370, 372 f. In diesen Bereich fallen auch die conflict of interest transactions und dabei insbesondere die konkurrierende Geschäftstätigkeit sowie Eigengeschäfte mit der Gesellschaft. Siehe dazu die Regelungen im GesG, Art. 356 i. V. m. Art. 365, sowie I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 273 f. und V. MECKEL, Corporate Governance, 47–49. 228 Zu letzteren siehe J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 302. Die rechtswidrigen Handlungen müssen nicht zwingend tatsächlich dem Wohl der Gesellschaft dienen, werden aber jedenfalls auch in der Absicht vorgenommen. Zu den Unternehmensskandalen bei Toshiba und Mitsubishi siehe bereits oben C. II.2., zu Olympus unten 6.b). 229 Siehe dazu und zum folgenden Absatz I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 645; S. KOZUKA, Conclusions, 228, 239 f. sowie S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 16 f., dortige Fn. Die durchschnittliche Größe der Verwaltungsräte ist mittlerweile fast identisch mit derjenigen US-amerikanischer Boards, C. LIU /  J. LIU / K. UCHIDA, Independent boards, 188, 197 f. Auch für den deutschen Aufsichtsrat wird argumentiert, kleinere Gremien könnten effektiver überwachen, GK AktG– K. J. HOPT / M. ROTH, § 95 Rn. 26 und 32 m. w. N.; vgl. auch M. LUTTER, DB 2009, 775, 777; DERS., Professionalisierung, 139, 147.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

unterscheiden, welche in der englischen Fassung des GesG als executive officers bezeichnet und die in dieser Arbeit mit Geschäftsführer übersetzt werden. Diese sind für die Gesellschaft mit Ausschüssen gesetzlich zwingend vorgesehen und mit der Geschäftsführung betraut. Ihnen kann von den Direktoren zudem in weitem Umfang auch die Entscheidungskompetenz über die Geschäftsführung übertragen werden.230 Auch den shikkō yakuin wird von den vertretungsberechtigten bzw. geschäftsführenden Direktoren ein Teil der Geschäftsführung übertragen. Die Entscheidungskompetenz hingegen muss vollständig im Verwaltungsrat verbleiben. Mit der Gesellschaft besteht zudem lediglich ein Angestelltenverhältnis und nicht auch ein Auftragsverhältnis (inin) wie bei den Geschäftsführern, Direktoren und Prüfern. Es lässt sich zwar argumentieren, dass die Unternehmen unabhängig von gesetzlichen Modellen wie dem AusschussSystem an einer Verbesserung der Corporate Governance durch Trennung der Geschäftsführung vom Verwaltungsrat arbeiten.231 Ob allein durch die Reduzierung der Zahl der Direktoren und die Übertragung der Ausführung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen auf das höhere Management auch die Überwachungsfunktion des Verwaltungsrats gestärkt werden kann, scheint jedoch fraglich.232 Dies gilt umso mehr in Anbetracht der verbreiteten Verlagerung der Entscheidungsmacht auf ein executive board (jōmu-kai) unter Ausschluss der übrigen Direktoren sowie des Umstandes, dass die corporate officers in der Regel ehemalige Direktoren sind. Es lässt sich festhalten, dass die Strukturen in der Gesellschaft mit Prüferrat ohne externe oder unabhängige Direktoren eine effektive Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat verhindern. Dies gilt jedenfalls für rechtswidriges Handeln „zugunsten“ der Gesellschaft. Was die Effizienzkontrolle betrifft, so lässt sich nicht bestreiten, dass in japanischen Verwaltungsräten viel Unternehmenskenntnis und Erfahrung gebündelt wird. Kontrolle findet jedoch wenn, dann von oben nach unten und nicht von unten nach oben statt. Meinungen und Ideen von außerhalb der Gemeinschaft der Direktoren haben aufgrund der Abschottung gegenüber externem Einfluss im Verwaltungsrat keinen Platz. 2. Der Prüferrat in der Gesellschaft mit Prüferrat Die zentrale Rolle als „Prüforgan“ spielt in der traditionellen Organisationsverfassung der Prüferrat. Wie im Rahmen der Darstellung der Entwicklung Siehe oben A. II. So S. KOZUKA, Conclusions, 228, 239 f. 232 In diese Richtung jedoch I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 645, die schreiben, dass davon ausgegangen wird, dass bei einer geringeren Anzahl an Direktoren nur solche Direktoren ernannt werden, die zur Überwachung der Geschäftsführung fähig sind. Eine Begründung für diesen Zusammenhang bleibt jedoch aus. 230 231

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des regulatorischen Rahmens dargestellt, geht die Idee der Prüfer und damit des Prüferrats ursprünglich auf den deutschen Aufsichtsrat zurück.233 Allerdings unterscheiden sich diese beiden Institutionen in ihrer Funktionsweise ganz erheblich. 234 Dennoch wird der Prüferrat zu Unrecht häufig als „für Ausländer nur schwer verständliches Institut“235 beschrieben. Die Auseinandersetzung mit den Defiziten des Prüferrats als separatem Überwachungsorgan ist jedenfalls Voraussetzung für die Rezeption des unabhängigen Direktors im japanischen Kontext.236 a) Prüfungsaufgabe Zwar haben die Prüfer wie der deutsche Aufsichtsrat die Aufgabe, die Geschäftsführung durch die Direktoren zu überwachen.237 Die Kontrolle ist jedoch in dreierlei Hinsicht gegenüber dem deutschen Aufsichtsorgan beschränkt. Erstens beschränkt sich die Prüfung allein auf die Rechnungslegung sowie die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung.238 Die fehlende Effizienzkontrolle bedingt die weiteren beiden Unterschiede zum Aufsichtsrat. Es fehlt zweitens im GesG eine Regelung zustimmungsbedürftiger Geschäfte und damit der Aspekt der Mitgeschäftsführung. Drittens kommt dem Prüferrat nicht die Personalhoheit über das Leitungsorgan zu. Vielmehr werden die Direktoren ebenso wie die Prüfer durch die Hauptversammlung gewählt.239 Grundsätzlich üben die einzelnen Prüfer ihre Pflichten unabhängig von den anderen Prüfern und dem Prüferrat aus.240 Diesem kommen jedoch auch eiSiehe oben Kapitel 2 – A. Daher sollte der Begriff kansa yakkai auch keinesfalls mit Aufsichtsrat übersetzt werden. Hier wurde der Begriff Prüfer beziehungsweise Prüferrat gewählt. In anderen Arbeiten tauchen neben diesem auch die Begriffe interner Prüfer oder gesellschaftsinterner Prüfer auf, um den Gegensatz zum Abschlussprüfer deutlich zu machen. 235 So etwa E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 76. Meines Erachtens ist es vielmehr die vielschichtige und im Detail schwer zu durchdringende Umsetzung des Monitoring-Modells jüngerer Vergangenheit, welche auch, aber sicher nicht nur, für „den Ausländer“ schwer nachzuvollziehen ist. Die Komplexität aus mehreren Organisationsverfassungen und Regelungsebenen ist im Verlauf der Arbeit bereits angeklungen und wird in Kapitel 4 näher beleuchtet. 236 So zu Recht K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 62. 237 Art. 381 Abs. 1 GesG. Die Prüfer überwachen auch die Rechnungslegungsberater, sofern die Gesellschaft solche eingesetzt hat. 238 Über den Umfang der Kompetenzen der Prüfer besteht Uneinigkeit, M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 39 m. w. N.; C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 85 sowie dortige Fn. 131. Die Beschränkung entspricht jedoch der herrschenden Meinung sowie der gängigen Praxis. Siehe G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, I. Fn. 1; I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 69; H. KANDA, Country Report, 921, 936; V. MECKEL, Corporate Governance, 101; V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 67. 239 Art. 329 Abs. 1 GesG. 233 234

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gene Zuständigkeiten zu. Er erstellt den Prüfbericht im Einklang mit den Richtlinien des Ministry of Justice (MOJ).241 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen den Prüfern Einsichts- und Informationsrechte zur Seite.242 Die Prüfer können die Einberufung einer Verwaltungsratssitzung verlangen und diese nach Verstreichen einer Frist selbst einberufen.243 Sie müssen an den Sitzungen teilnehmen, haben jedoch kein Stimmrecht, sondern lediglich das Recht, ihre Meinung kund zu tun.244 Sie haben die Pflicht, die Unterlagen für die Hauptversammlung zu prüfen und bei der Entdeckung von Fehlverhalten der Hauptversammlung Bericht zu erstatten.245 Falls die Prüfer der Auffassung sind, dass rechtswidriges Verhalten seitens eines Direktors vorliegt oder bevorsteht, haben sie die Pflicht, dies dem Verwaltungsrat mitzuteilen und können Unterlassung der Handlung verlangen, sofern der Gesellschaft erheblicher Schaden droht.246 Insbesondere durch die Information des Verwaltungsrats soll dieser angehalten werden, seiner eigenen Kontrollfunktion (Selbstkontrolle) nachzukommen.247 Auf der Hauptversammlung können die Prüfer ihre Meinung hinsichtlich der Wahl und Abberufung von Prüfern kundtun.248 Für Vorschläge seitens der Direktoren zur Wahl von Prüfern ist die Zustimmung des Prüferrats erforderlich und der Prüferrat kann selbst Vorschläge in die Hauptversammlung einbringen.249 Bis zur letzten Reform war bei der Ernennung der Abschlussprüfer durch die Hauptversammlung sowie der Bestimmung deren Vergütung durch die 240 Art. 390 Abs. 2 GesG. Siehe dazu auch V. MECKEL, Corporate Governance, 101 und 115, die davon spricht, dass der Prüferrat „kein richtiges Kollektivorgan“ sei. Zum Verfahrensablauf innerhalb des Prüferrats siehe ibid., 115 f. 241 Artt. 381 Abs. 1, 390 Abs. 2 Nr. 1 GesG. 242 Art. 381 Abs. 2, 3 GesG. Danach können die Prüfer jederzeit von den Direktoren, Rechnungslegungsberatern und Angestellten Berichte über deren Arbeit für die Gesellschaft verlangen sowie Nachforschungen über den Zustand der Gesellschaft und deren Finanzen anstellen. Falls es für ihre Arbeit erforderlich ist, können die gleichen Rechte auch gegenüber Tochtergesellschaften geltend gemacht werden. 243 Art. 383 Abs. 2, 3 GesG. 244 Art. 383 Abs. 1 GesG. 245 Art. 384 GesG. 246 Artt. 382 und 385 Abs. 1 GesG. Mit der Mitteilungspflicht an den Verwaltungsrat korrespondiert eine Pflicht der Direktoren, den Prüfern mitzuteilen, falls Umstände vorliegen, die der Gesellschaft voraussichtlich erheblich zum Nachteil gereichen werden, Art. 357 Abs. 1, 2 GesG. 247 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 287 Nr. 769. Darüber hinaus können Prüfer gegen Beschlüsse der Hauptversammlung klagen, Artt. 831 Abs. 1, 828 Abs. 2 GesG, und sie vertreten die Gesellschaft bei Klagen der Gesellschaft gegen einen Direktor oder eines Direktors gegen die Gesellschaft, Art. 386 Abs. 1 GesG. 248 Art. 345 Abs. 1, 4 GesG. 249 Art. 343 Abs. 1–3 GesG.

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Direktoren lediglich eine Zustimmung des Prüferrats erforderlich. 250 Nunmehr kommt dem Prüferrat wie auch dem Prüfungsausschuss und Kontrollausschuss ein alleiniges Entscheidungsrecht hinsichtlich der Wahl zu.251 Die bisherige Regelung sah man unter dem Blickwinkel der Unabhängigkeit zu Recht als problematisch an. 252 Die Änderung ist zu begrüßen, da nicht ersichtlich ist, warum der Verwaltungsrat seine eigenen Kontrolleure bestellen sollte. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Prüfer zudem einstimmig einen Abschlussprüfer entlassen.253 Aufgabenzuschnitt und Kompetenzumfang der Prüfer und des Prüferrats bedingen, dass dieses Gesellschaftsorgan allein dem Compliance-Monitoring zuzuordnen ist.254 Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung findet nicht statt und muss von anderen Akteuren übernommen werden. Innerhalb der Gesellschaft mit Prüferrat liegt sie allein beim Verwaltungsrat, dessen Selbstkontrolle erheblichen Einschränkungen unterliegt, sowie bei den Aktionären.255 Vor diesem Hintergrund scheint auch die fehlende Personalhoheit des Prüferrats über den Verwaltungsrat einleuchtend. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit kann direkt etwa über die Prüfung der Unterlagen für die Hauptversammlung und die Mitteilung von Fehlverhalten gegenüber dem Verwaltungsrat oder der Hauptversammlung sowie Klagerechte umgesetzt werden. Die Möglichkeit, die Direktoren abzuwählen oder deren Vergütung zu bestimmen ist eher verbunden mit der Evaluation der Leistung der Geschäftsführung, die zwar dem deutschen Aufsichtsrat, nicht aber dem Prüferrat zukommt. Während häufig pauschal die geringen Kompetenzen der Prüfer bemängelt werden, wird der Umstand, dass bereits ihre Kontrollaufgabe vom Ansatz her gegenüber dem Aufsichtsrat beschränkt ist, nicht klar herausgestellt. Käme den Prüfern auch die Funktion des Performance-Monitoring zu, so wäre in Anbetracht der beschränkten Selbstkontrolle durch den Verwaltungsrat hingegen nicht ersichtlich, warum ihnen keine Stimmrechte im Verwaltungsrat zukommen sollten.256 So noch Art. 344 Abs. 1 und Art. 399 Abs. 1, 2 GesG a. F. Die Prüfer konnten allerdings hinsichtlich der Wahl, Abwahl und Nichtwiederwahl der Abschlussprüfer auch eigene Vorschläge einbringen, Art. 344 Abs. 2 GesG a. F. 251 Art. 344 GesG. Die Entscheidungskompetenz über die Vergütung der Abschlussprüfer blieb jedoch mit der Begründung, dass es sich um eine Geschäftsentscheidung handele, beim Verwaltungsrat, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 125 f.; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 24. 252 Siehe zu der neuen Regelung S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 123–126; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 23 f.; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 86; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 25–27 (verschiedene Wortbeiträge). 253 Art. 340 Abs. 1–4 GesG. 254 So zu Recht deutlich S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 41. 255 Zur Überwachung durch die Hauptversammlung siehe unten 6. 256 So treffend M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 39. 250

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b) Personelle Trennung, externe und unabhängige Prüfer Ebenso wie zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in der deutschen Aktiengesellschaft herrscht zwischen Prüferrat und Verwaltungsrat eine personelle Trennung. Prüfer können nicht gleichzeitig Direktoren oder Angestellte der Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft sein und zudem weder Rechnungslegungsberater noch Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft. 257 Zusätzlich zur personellen Trennung zwischen Überwachungssubjekt und Überwachungsobjekt ist für große Publikumsgesellschaften geregelt, dass mindestens die Hälfte der Prüfer extern (shagai) sein muss. 258 Das setzt seit der jüngsten Reform 2015 voraus, dass der Prüfer in den letzten zehn Jahren weder Direktor, noch Rechnungslegungsberater, Geschäftsführer oder Angestellter der Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft gewesen ist. Darüber hinaus darf der Prüfer kein Direktor, Geschäftsführer oder sonstiger Angestellter der Muttergesellschaft, kein geschäftsführender Direktor oder Geschäftsführer einer Schwestergesellschaft und zudem nicht Ehepartner oder eng verwandt mit der „Muttergesellschaft usw.“259 oder einem Direktor, Manager oder sonstigem bedeutenden Angestellten der betreffenden Gesellschaft sein.260 Die Anforderungen wurden damit entsprechend den Verschärfungen für externe Direktoren angepasst.261 Allerdings wurden die Anforderungen gleichzeitig auch gesenkt. Während bislang ehemalige Direktoren, Rechnungslegungsberater, Geschäftsführer, Manager oder sonstige Angestellte der betreffenden Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften von der Position ausgeschlossen waren, führt das Reformgesetz statt der generellen Sperre eine 10-Jahres-Frist (cooling off) ein.262 Darüber hinausgehende gesetzliche Anforderungen an die Unabhängigkeit der Prüfer bestehen nicht. Allerdings sehen die Börsenzulassungsregeln der Art. 335 Abs. 2 GesG. Streng genommen handelt es sich nicht lediglich um eine personelle Trennung von Überwachungssubjekt und -objekt. Vielmehr müssen nach der Regelung alle Prüfer zu einem gewissen Grad „extern“ sein. C.-C. LIN, Temple Int’l &  Comp L J 24 (2010) 65, 85 spricht unscharf davon, dass die Rolle der Prüfer unabhängig sein muss. 258 Art. 335 Abs. 3 GesG. Diese Anforderung wurde mit den Reformen 2001/2002 eingeführt, siehe oben Kapitel 2 – C. I. 259 Der Begriff Muttergesellschaft usw. ist definiert als Muttergesellschaft oder eine natürliche Person, die nach der entsprechenden Verordnung des Justizministeriums als Person angesehen wird, welche das Management der betreffenden Gesellschaft kontrolliert, Art. 2 Abs. 4 GesG. 260 Art. 2 Nr. 16 GesG. Für ein Diagramm zu den Anforderungen siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 96. 261 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 93 f. und 102 Fn. 2. Zu den Anforderungen an externe Direktoren siehe unten Kapitel 4 – D. I.1. 262 Siehe Art. 2 Nr. 15 GesG a. F. und n. F. Siehe dazu M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 99 f. Fn. 3. sowie 101 f. Fn. 2. Für ein übersichtliches Schaubild zu den Fallgruppen unter der neuen Regelung siehe ibid., 103. 257

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TSE vor, dass börsennotierte Gesellschaften entweder einen unabhängigen Prüfer oder einen unabhängigen Direktor einsetzen müssen.263 Unabhängig ist ein Prüfer, wenn es unwahrscheinlich ist, dass zwischen ihm und der Allgemeinheit der Aktionäre ein Interessenkonflikt bestehen wird. 264 Die Unabhängigkeit des gesamten Prüferrats vom Verwaltungsrat soll darüber hinaus dadurch gestärkt werden, dass die Vergütung der Prüfer von der Hauptversammlung festgelegt oder in der Satzung bestimmt und dabei genau beziffert werden muss. 265 Die Aufteilung der Gesamtsumme erfolgt innerhalb des Prüferrats.266 c) Aufgabenerfüllung in der Praxis Auch die Bewertung der Funktion der Prüfer und des Prüferrats darf nicht beim geschriebenen Recht stehen bleiben. Entscheidend sind die Umsetzung des gesetzlichlichen Rahmens und die Aufgabenerfüllung in der Praxis. Zumindest für die Zeit bis zur Reform 2001 fällt das Urteil sehr einhellig negativ aus.267 Vor Einführung des Erfordernisses externer Prüfer rekrutierten sich diese in der Regel aus ehemaligen Direktoren oder leitenden Angestellten, die folglich eine enge Verbundenheit mit dem Unternehmen und dessen Geschäftsführung aufwiesen und für eine neutrale Kontrolle denkbar ungeeignet waren. 268 Zwar werden die Prüfer durch die Hauptversammlung gewählt, in der Praxis nickte diese jedoch die Vorschläge der geschäftsführenden Direktoren ab.269 263 Regel 436-2 TSE Listing Rules. Siehe dazu bereits kurz Kapitel 2 – C. III. sowie oben B. III.2.c) und noch eingehend unten im Zusammenhang mit der rechtstechnischen Umsetzung des Unabhängigkeitsinstruments Kapitel 4 – C. II. 264 Regel 436-2 Nr. 1 TSE Listing Rules. Eingehend zum Unabhängigkeitsbegriff mit Zuschnitt auf den unabhängigen Direktor siehe Kapitel 4 – D. 265 Art. 387 Abs. 1 GesG. Noch bis zur Reform 1981 oblag die Aufteilung der Vergütung zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern und Prüfern in der Regel dem Präsidenten, I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 83. Eine solche Regelung führt zu einer Abhängigkeit der Prüfer vom zu überwachenden Verwaltungsrat. 266 Art. 387 Abs. 2 GesG. 267 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 12 f. und 24; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI /  T. KIHIRA, Corporations, 282 f. Nr. 753; I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 69 f., der die Kontrolle in kleinen und mittleren Gesellschaften noch kritischer sieht; V. MECKEL, Corporate Governance, 114 und 116 f; vgl. auch C.-C. LIN, Temple Int’l &  Comp L J 24 (2010) 65, 88 f. 268 Vgl. H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 13; I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 69; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 282 f. Nr. 753; V. MECKEL, Corporate Governance, 114; D. W. PUCHNIAK, AJAL 5 (2003) 53, demzufolge die Ernennung zum Prüfer teilweise als „Trostpflaster“ für die nicht erreichte Direktorenposition gesehen wird sowie G. JACKSON / H. MIYAJIMA, Introduction, 1, 5, denen zufolge die Position als Prüfer größtenteils in den Übergang zwischen Arbeit als Angestellter und Ruhestand fällt.

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Doch auch die Reformen der Jahre 2001/2002 und 2005 brachten nicht die erwünschte Stärkung der Kontrolle.270 Dies ist auf drei Umstände zurückzuführen: die weiterhin nicht gesicherte Unabhängigkeit der Prüfer, die fehlende fachliche Qualifikation und die passive Wahrnehmung der den Prüfern gesetzlich zustehenden Kompetenzen. Seit der Reform 2001/2002 kann die Wahl der Prüfer rechtlich nicht ohne Zustimmung durch den Prüferrat erfolgen, faktisch entscheiden jedoch nach wie vor häufig die Direktoren über die Personalwahl.271 Zudem bestand hinsichtlich der für eine Kontrolle erforderlichen Unabhängigkeit auch nach der Reform 2005 weiter die Möglichkeit, Vertreter der Muttergesellschaft sowie persönlich mit der Geschäftsführung verbundene Personen wie Familienangehörige oder wirtschaftlich von der Gesellschaft abhängige Personen wie Lieferanten als externe Prüfer zu berufen. 272 Die Einführung des Erfordernisses einer Mehrheit externer Prüfer sowie die Verlängerung deren Amtszeit stellten somit zwar einen Schritt in die richtige Richtung dar,273 gerade an der für eine Kontrolle erforderlichen Unabhängigkeit fehlt es in der Regel jedoch nach wie vor.274 Diese Lücke wurde mit der 2015 in Kraft getretenen Reform insoweit geschlossen, als die Definition externer Prüfer nunmehr Beziehungen zur Muttergesellschaft sowie enge persönliche Beziehungen zur Geschäftsführung erfasst. 275 Wirtschaftliche Verbindungen werden jedoch nach wie vor nicht erfasst und im Gegenzug zu den genannten Verschärfungen wurde ein dauerhafter Ausschluss bei Erfüllung der Negativkriterien durch eine Cooling OffPhase ersetzt. Darüber hinausgehende Anforderungen an die Unabhängigkeit der Prüfer stellen jedoch nur die Börsenregelungen der TSE mit ihrer Forderung nach mindestens einem unabhängigen Direktor oder Prüfer. Neben die nicht hinreichend gesicherte Unabhängigkeit treten die fehlenden Voraussetzungen an die sonstige, insbesondere fachliche Qualifikation der Prüfer.276 Der neue Corporate Governance Kodex bestimmt zwar, dass die Unabhängigkeit der externen und gegebenenfalls Unabhängigkeitsanforderungen genügenden Prüfer mit dem Fachwissen der übrigen, insbesondere der I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 282 f. Nr. 753; V. MECorporate Governance, 116 („Günstlinge der Direktoren“). 270 Vgl. O. KIRCHWEHM, Reformen, 211–213 und 228 f. 271 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 111. 272 Siehe Art. 2 Nr. 16 GesG a. F. 273 Die Einführung des Erfordernisses eines (1993) bzw. einer Mehrheit (2001) externer Prüfer steht im Zusammenhang mit einer stetigen Stärkung der Rolle der Prüfer seit der Reform 1974. Siehe dazu bereits oben Kapitel 2 – C. 274 V. MECKEL, Corporate Governance, 114 m. w. N.; O. KIRCHWEHM, Reformen, 85 f. 275 Siehe Art. 2 Nr. 16 GesG sowie bereits oben b). 276 H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 13; vgl. V. MECKEL, Corporate Governance, 102. Die einzigen Anforderungen finden sich in Art. 335 Abs. 1 i. V. m. Art. 331 Abs. 1 GesG, nach denen lediglich unter Betreuung oder Pflegschaft stehende Personen sowie Personen mit bestimmten Vorstrafen vom Amt des Prüfers ausgeschlossen sind. 269

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Vollzeitprüfer kombiniert werden soll.277 Insoweit dürften aber mangels gesetzlicher Anforderungen eher vertiefte Kenntnisse über das Unternehmen gemeint sein als fachliche Qualifikationen. Die insbesondere im Vereinigten Königreich und Deutschland geführte Diskussion um eine fachliche Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder wird in Japan jedenfalls für die Prüfer nicht in demselben Umfang geführt. Von ihren nicht unerheblichen Rechten machten die Prüfer in der Praxis denn auch nur zurückhaltend Gebrauch.278 So waren jedenfalls bis zu den letzten Reformen nur wenige Fälle bekannt, in denen Prüfer sich gegen den Verwaltungsrat gestellt haben279 und auch in den letzten Jahren konnten sie Bilanzskandale größeren Ausmaßes nicht verhindern. Neben möglicherweise fehlender Qualifikation und Unabhängigkeit von der Geschäftsführung dürfte dies insbesondere auf die Stellung in der Unternehmenshierarchie zurückzuführen sein. Interviews von John Buchanan, Dominic H. Chai und Simon Deakin deuten darauf hin, dass die Prüfer von den Direktoren weniger als Kontrollinstitution denn als zusätzliche Ressource für die Entscheidungsfindung des Verwaltungsrats angesehen werden.280 Insoweit scheint den Prüfern eher eine Beratungsfunktion zuzukommen. 281 Eine aktivere Kontrolle wäre nach dem rechtlich gegebenen Rahmen zwar möglich, scheint jedoch Prüfer mit einer innerhalb des Unternehmens gehobenen sozialen Stellung vorauszusetzen, die sich aktiv gegen die faktisch ranghöheren Direktoren stellen können.282 Das 2015 in Kraft getretene Reformgesetz versucht dem Problem insoweit zu begegnen, als dem Prüferrat nunmehr das alleinige Vorschlagsrecht für die Wahl der Abschlussprüfer zukommt. 283 Abzuwarten bleibt dabei, ob dieses Recht Änderungen in den Strukturen zur Unterstützung der Prüfer erfordert und ob die gegenwärtigen Ressourcen der Prüfer für eine solche Entscheidung ausreichen.284 Jedenfalls aber muss sichergestellt werden, dass der VerJCGC, Grundsatz 4.4. D. W. PUCHNIAK, AJAL 5 (2003) 53 („non-existent in practice“); vgl. auch B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 98. 279 H. KANDA, Trends, 185, 187, der sich auf die Zusammenarbeit von Prüfern und Abschlussprüfern bezieht („Historical experiences, however, show almost no occasion that some wrongs were discovered by these two auditors.“); vgl. V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 67. 280 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 112. Dem entspricht, dass die Sitzungen des Verwaltungsrats sehr konsensorientiert sind, sodass weniger offene Kritik denn Hinweise von den Prüfern erwartet werden. Ein Gewinn an Kontrolle durch die zwingende Teilnahme an den Verwaltungsratssitzungen dürfte demnach eher nicht zu erwarten sein, V. MECKEL, Corporate Governance, 105. 281 Anders V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 67, der zufolge den Prüfern keine Beratungsfunktion zukommt. Die Autorin scheint sich in diesem Punkt aber vor allem auf die rechtlich vorgesehene Funktion der Prüfer zu beziehen. 282 J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 112 f. 283 Art. 344 GesG. Siehe dazu bereits oben a). 277 278

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waltungsrat selbst keine Vorschläge unterbreitet oder auf sonstigem Weg Einfluss auf den Prüferrat nimmt. Andernfalls würde in der Praxis die alte Regelung weitergeführt.285 Auch der neue Corporate Governance Kodex nimmt sich des Problems an. Prüfer und Prüferrat sollen ihre Aufgaben nicht zu eng interpretieren, sondern vielmehr aktiv von ihren Rechten Gebrauch machen und ihre Meinung äußern.286 Inwieweit sich diese allgemein gehaltene Handlungsanweisung positiv auswirken und Druck entfalten wird, bleibt abzuwarten. Die 2005 eingeführte zwingende Teilnahme an Verwaltungsratssitzungen, Mitentscheidungsrechte bei der Wahl der Prüfer und ein Stellungnahmerecht im Falle eines Rücktritts sind demnach zwar zu begrüßen,287 ebenso wie das alleinige Vorschlagsrecht für die Wahl der Abschlussprüfer seit der jüngsten Reform. Kern des Problems waren jedoch schon bislang nicht fehlende Kompetenzen, sondern fehlende Unabhängigkeit, mangelnde fachliche Qualifikation sowie Passivität. Ein Performance-Monitoring ist für den Prüferrat, anders als für den deutschen Aufsichtsrat bereits rechtlich nicht vorgesehen. Hinsichtlich des Compliance-Monitorings bleibt hingegen festzuhalten, dass dieses nach wie vor erheblichen rechtlichen wie faktischen Einschränkungen unterworfen ist. Mit den verschärften Anforderungen an externe Prüfer und den Bestimmungen des Kodex zur aktiven Wahrnehmung der Aufgaben ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung getan. Möglicherweise kann eine Mehrheit externer Prüfer nach der nun geltenden strengeren Definition es auch den internen Prüfern erleichtern, Kritik an der Geschäftsführung gegenüber den Direktoren oder auch den Aktionären vorzubringen.288 Kenjirō Egashira schlägt darüber hinaus zu Recht vor, dass nicht der zwingend einzusetzende interne Vollzeitprüfer den Vorsitz des Prüferrats übernehmen sollte, sondern ein externer Prüfer, der vom Vollzeitprüfer unterstützt wird. Dadurch sollten externe Prüfer zu einer aktiveren und kritischeren Arbeit motiviert werden.289 3. Internes Compliance-System Zur Überwachung der Rechtmäßigkeit der Pflichterfüllung durch die Direktoren bzw. die Geschäftsführer sieht das Gesetz die Einrichtung eines internen Compliance-Systems vor.290 Eine Pflicht zur Einrichtung eines solchen SysS. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 27 (Wortbeitrag Iwahara). K. EGASHIRA, Kabushiki kaisha-hō, 612 f. Fn. 18; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 23 f. 286 JCGC, Grundsatz 4.4. 287 So auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 92 f. 288 Auch darauf deuten die Gespräche von Buchanan, Chai und Deakin, vgl. J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 112. 289 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 62 f. 284 285

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tems wurde erstmals vom Distriktgericht (DG) Ōsaka im Daiwa Bank-Fall anerkannt und später mit der Schaffung des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 gesetzlich verankert.291 Die Einzelheiten zur Ausgestaltung des Systems sind in der Durchführungsverordnung zum Gesellschaftsgesetz 292 geregelt, die unterschiedliche Anforderungen für die drei Organisationsverfassungen vorsieht.293 Der Verordnung zufolge soll das Compliance-System einen insgesamt ordnungsgemäßen Ablauf im Unternehmen sichern und dient damit auch dazu, die Effektivität der übrigen Überwachungsinstrumente zu gewährleisten. Wie das parallele System in Deutschland soll es für mehr Transparenz und klare Verantwortlichkeiten sorgen.294 Konsequenz einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Einrichtung und Unterhaltung des Systems ist, dass die Direktoren keinen Haftungsansprüchen im Zusammenhang mit Angelegenheiten ausgesetzt sind, die vom Compliance-System erfasst werden. Im Sommer 2009 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) zum ersten Mal einen Fall zu der nunmehr gesetzlich geregelten Pflicht entschieden.295 Er hob das vorinstanzliche Urteil des Obergerichts (OG) Tōkyō auf und lehnte eine Pflichtverletzung mit der Begründung ab, dass hinreichende Maßnahmen getroffen worden seien und es keine red flags gegeben habe, welche die Direktoren darauf hingewiesen hätten, dass das System im konkreten Fall versagte.296 290 Art. 362 Abs. 4 Nr. 6, Abs. 5 GesG für große Gesellschaften mit Prüferrat, Art. 416 Abs. 1 Nr. 1 (b), (e) für die Gesellschaft mit Ausschüssen und Art. 399-13 Abs. 1 Nr. 1 (b), (c) für die Gesellschaft mit Kontrollausschuss. Eingehend zum internen ComplianceSystem V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 60–65; DIES., Corporate Governance, 89–95. Häufig wird stattdessen der Begriff „internes Kontrollsystem“ gewählt. Um deutlich zu machen, dass dieses allem voran den Aspekt der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung betrifft, wird in dieser Arbeit der Begriff Compliance-System verwendet. 291 DG Ōsaka v. 20.9.2000, Hanrei Jihō 1721 (2000) 3 ff. Unautorisierte Anleihegeschäfte in der New Yorker Niederlassung hatten zu einem Verlust der Bank in Höhe von 1,1 Mrd. Dollar geführt. Siehe dazu B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 72 f. Bereits mit der Reform 2001/2002 war eine Verpflichtung zur Einrichtung eines internen ComplianceSystems für Gesellschaften mit Ausschüssen eingeführt worden, O. KIRCHWEHM, Reformen, 104; V. MECKEL, Corporate Governance, 90. 292 Kaisha-hō shikō kisoku [DurchführungsVO GesG], Verordnung des Justizministeriums Nr. 11/2006 i. d. F. der Verordnung Nr. 1/2016. 293 Siehe die Wiedergabe des Inhalts der entsprechenden Vorschriften vor Einführung der dritten Organisationsverfassung bei O. KIRCHWEHM, Reformen, 181–183. 294 V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 65. Neben dem vom GesG geforderten Compliance-System sieht auch das FBG die Einrichtung eines internen Compliance-Systems vor. Dieses ist auf die Finanzberichterstattung beschränkt. Siehe dazu DIES., Corporate Governance, 93 f.; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 295 f. Nr. 797 f. 295 OGH v. 9.7.2009, Kinyū Shōji Hanrei 1321 (2009) 36 ff. Siehe dazu B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 73 f. 296 Dieser Ansatz entspricht der Rechtsprechung in den USA. Siehe zu dieser sowie einem Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH M. ROTH, JCLS 8 (2008) 337, 365–367.

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Dass Anforderungen an das interne Compliance-System seit der Reform 2005 verpflichtend für alle Gesellschaften mit Ausschüssen sowie alle großen Gesellschaften mit Prüferrat und nunmehr auch für Gesellschaften mit Kontrollausschuss gelten, ist zu begrüßen. Die derzeitige Ausgestaltung der Regelung bietet jedoch Anlass zu Kritik. Zum einen besteht ein erheblicher Ermessensspielraum des Verwaltungsrats.297 Diese Freiheiten ermöglichen zwar eine individuelle Ausgestaltung, werfen aber auch die Frage nach der Effektivität der Regelung auf.298 Vor allem aber sind die Direktoren letztlich für die Einrichtung eines Systems verantwortlich, das vor allem auch sie selbst überwachen soll. Dies gilt jedenfalls für die Gesellschaft mit Prüferrat, in der die Geschäftsführung nicht zu großen Teilen auf Geschäftsführer übertragen wird. Während der Prüferrat zwar Einfluss auf die Gestaltung des Compliance-Systems nehmen kann, 299 wäre zu überlegen, ob diesem nicht weitergehende Rechte wie ein Zustimmungserfordernis zugesprochen werden sollten. Dem Prüfungsausschuss sowie dem Kontrollausschuss kommt hingegen gar keine Rolle bei der Gestaltung des Compliance-Systems zu. Vielmehr überwachen diese die Einrichtung und Verwaltung des Systems durch den Verwaltungsrat. 300 Diese Aufteilung scheint konsequent, da die Rolle des Verwaltungsrats jedenfalls in der Gesellschaft mit Ausschüssen neben grundlegenden Entscheidungen der Geschäftsführung vor allem die Überwachung der Geschäftsführer ist. Das interne Compliance-System bildet den Unterbau zur Verhinderung unrechtmäßigen Verhaltens. Es steht damit nicht vorrangig in Konkurrenz zu den übrigen Instrumenten, sondern ergänzt diese und bietet Raum für Verbesserungen. 4. Rechnungslegungsberater Die mit der Reform 2005 eingeführten Rechnungslegungsberater unterstützen die Direktoren bei der Finanzberichterstattung und müssen über ihre Tätigkeit

Zur Entscheidung im Fall ARAG / Garmenbeck siehe zudem bereits oben Kapitel 1 – B. IV.3.a). 297 V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 62 f. Nicht zuzustimmen ist hingegen der Aussage der Autorin, es bestehe auch ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein solches System eingeführt wird. Nach der Formulierung des Gesetzes ist zwar lediglich eine Entscheidung erforderlich. Angesichts der oben genannten Anforderungen der Verordnung kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine Entscheidung über das Wie der Ausgestaltung und nicht das Ob der Einrichtung gemeint ist. So auch T. TANIGAWA / H. MORIYAMA, Japan, 158, 166. 298 So auch V. MECKEL, Corporate Governance, 92; DIES., ZJapanR 29 (2010) 53, 62. 299 O. KIRCHWEHM, Reformen, 117. 300 Zur anders gelagerten Überwachungsaufgabe der Ausschüsse siehe unten Kapitel 4 – E. IV.2.b) und 3.b).

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einen Bericht erstellen.301 Darüber hinaus müssen sie jedoch auch Sitzungen des Verwaltungsrats besuchen, bei denen es um die Finanzberichterstattung geht, und sollen dort ihre Meinung kundtun, sofern sie dies für erforderlich halten. 302 Zudem dürfen sie auch auf der Hauptversammlung ihre Meinung kundtun, sofern Meinungsverschiedenheiten mit den Direktoren bestehen.303 Fehlverhalten der Direktoren beziehungsweise Geschäftsführer oder dem Gesetz oder der Satzung widersprechende Zustände müssen je nach Organisationsstruktur unverzüglich dem Prüferrat beziehungsweise dem Prüfungsausschuss oder Kontrollausschuss gemeldet werden.304 Der Rechnungslegungsberater arbeitet einerseits mit den Direktoren bzw. den Geschäftsführern zusammen, andererseits hat er die genannten Rechte und Pflichten und es stehen ihm zudem recht weitgehende Einsichts- und Informationsrechte zur Seite.305 Seine Tätigkeit weist damit sowohl eine Beratungs- als auch eine Prüfungskomponente auf. Insoweit wird auch von einer „Zwitterstellung“ zwischen Direktoren und Prüfern gesprochen.306 Aufgrund des professionellen Hintergrunds und des Informationszugangs durch die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung bei gleichzeitiger Ausstattung mit Kontrollbefugnissen scheint eine effektive Kontrolle der Rechnungslegung vom Ansatz her möglich. Für die Beantwortung der Frage, welche Rolle den Rechnungslegungsberatern tatsächlich im Prüfungssystem zukommt, sind jedoch zwei wesentliche Umstände zu berücksichtigen. Zum einen dürfte trotz der Stellung zwischen Direktoren und Prüfern bzw. Prüfungsausschuss oder Kontrollausschuss die unterstützende Tätigkeit im Vordergrund stehen. 307 Zwar besteht die Pflicht, rechtswidriges Verhalten mitzuteilen, die Möglichkeit der Meinungskundgabe bei Meinungsverschiedenheiten ist hingegen als Recht ausgestaltet. Es dient damit mehr der Sicherung der Unabhängigkeit der Rechnungslegungsberater denn der Information und Ermächtigung der Aktionäre.308 Eine Betonung der Kontrollfunktion wird zudem dadurch gehindert, dass zwar auch für die Rechnungslegungsberater eine personelle Trennung verwirklicht ist,309 jedoch keine darüber hinausgehenden Anforderungen an deren Unabhängigkeit geregelt sind. RechnungsleArt. 374 Abs. 1 GesG. Art. 376 GesG. 303 Art. 377 GesG. 304 Art. 375 GesG. 305 Art. 374 Abs. 2–5 GesG, bei Gesellschaften mit Ausschüssen i. V. m. Art. 374 Abs. 6 GesG. 306 V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 67 f. 307 Vgl. O. KIRCHWEHM, Reformen, 194 und 196. 308 O. KIRCHWEHM, Reformen, 197. 309 Gemäß Art. 333 Abs. 3 Nr. 1 GesG kann ein Rechnungslegungsberater weder Direktor, Prüfer, Geschäftsführer noch Angestellter der Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften sein. 301 302

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gungsberater haften zudem zwar als vollwertiges Organ im Innenverhältnis, es sind jedoch wie bei externen Direktoren Haftungsbefreiungen möglich, die in der Literatur kritisiert werden.310 Zum anderen wurde der Rechnungslegungsberater zwar erst mit dem neuen Gesellschaftsgesetz eingeführt, in der Praxis bedienten sich viele Aktiengesellschaften jedoch bereits vorher der Hilfe von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bei der Erstellung ihrer Finanzberichterstattung. 311 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte vor allem für kleine Gesellschaften, die keine Abschlussprüfer bestellen müssen, eine Möglichkeit zur Verbesserung der Rechnungslegung geschaffen werden. 312 Interessant ist die Bestellung eines Rechnungslegungsberaters dabei vor allem für kleine, geschlossene Gesellschaften, die in diesem Fall keinen Prüfer ernennen müssen. 313 Sie sind zur Deckung ihres Bedarfs an Fremdkapital auf Bankkredite angewiesen und können über die Ernennung eines Rechnungslegungsberaters ihre Kreditwürdigkeit gegenüber den Banken erhöhen, da diese anders als die Prüfer eine entsprechende berufliche Qualifikation vorweisen müssen.314 Für die hier behandelten großen Publikumsgesellschaften dürfte sich daher durch die Möglichkeit der Bestellung eines Rechnungslegungsberaters nicht viel geändert haben. Erwartet wurde, dass die bereits bislang beauftragten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in den Rang eines Rechnungslegungsberaters berufen werden, sofern das Unternehmen auf die Finanzierung durch Bankkredite angewiesen ist und sich durch die Ernennung eine günstigere Verhandlungsposition erwartet.315 Ob dies in Anbetracht der bei diesen Gesellschaften vorhandenen Prüferräte bzw. Ausschüsse sowie der zwingend zu bestellenden Abschlussprüfer regelmäßig der Fall ist, scheint fraglich. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Einstufung als Rechnungslegungsberater und Art. 423 Abs. 1, 847 GesG. Im Außenverhältnis besteht eine Haftung nach Art. 429 Abs. 1 GesG. Zur Kritik in der Literatur siehe O. KIRCHWEHM, Reformen, 198. 311 M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 143; O. KIRCHWEHM, Reformen, 210 f.; V. MECKEL, Corporate Governance, 101 f. 312 O. KIRCHWEHM, Reformen, 195; vgl. I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 243 Nr. 602. 313 Art. 327 Abs. 2 GesG. Große Gesellschaften, ausgenommen Gesellschaften mit Ausschüssen, und damit auch große, geschlossene Gesellschaften müssen hingegen in jedem Fall einen Prüfer bzw. Prüferrat sowie einen Abschlussprüfer aufweisen, Artt. 328, 327 Abs. 3 GesG. Kleine, offene Gesellschaften müssen nach Art. 327 Abs. 2 GesG einen Prüfer einsetzen. Auch für sie kann der Rechnungslegungsberater jedoch anstelle der Bestellung eines Prüferrats oder Abschlussprüfers zur Verbesserung der Qualität der Rechnungslegung eine Option sein, vgl. V. MECKEL, Corporate Governance, 100 f. 314 O. KIRCHWEHM, Reformen, 210; V. MECKEL, Corporate Governance, 98. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in diesen Gesellschaften die Rolle der Prüfer ohnehin per Satzungsregelung gemäß Art. 389 Abs. 1 GesG auf die Kontrolle der Rechnungslegung beschränkt ist, O. KIRCHWEHM, Reformen, 195. 315 Vgl. O. KIRCHWEHM, Reformen, 210 f. 310

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damit als Organ mit entsprechenden Pflichten und höheren Haftungsrisiken für die Rechnungslegungsberater und damit auch mit höheren Kosten für das Unternehmen verbunden ist.316 Der Rechnungslegungsberater ist folglich in der Praxis eher ein Hilfsorgan der Direktoren und kann gerade kleinen Gesellschaften zur Verbesserung der Finanzberichterstattung dienen.317 Für große Gesellschaften hingegen dürfte sich hinsichtlich einer Verbesserung der Compliance gegenüber dem bloßen Gebrauchmachen von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern in der Praxis wenig geändert haben. 5. Abschlussprüfer Die Abschlussprüfer als externe Wirtschaftsprüfer überprüfen die gesamte von den Direktoren beziehungsweise Geschäftsführern gegebenenfalls zusammen mit den Rechnungslegungsberatern erstellte Finanzberichterstattung. 318 Wie die Rechnungslegungsberater erstellen sie einen Bericht über ihre Arbeit.319 Auch die Einsichts- und Informationsrechte, die Pflicht, Missstände dem Prüferrat beziehungsweise Prüfungsausschuss oder dem Kontrollausschuss mitzuteilen, sowie das Recht, auf der Hauptversammlung eine vom Prüferrat beziehungsweise dem jeweiligen Ausschuss abweichende Meinung kundzutun, entsprechen weitgehend den Regelungen zum Rechnungslegungsberater.320 Im Unterschied zu diesen ist zwar auch für die Abschlussprüfer die Meinungskundgabe auf der Hauptversammlung nicht als Pflicht ausgestaltet, die Aktionäre können jedoch die Anwesenheit und Stellungnahme der Abschlussprüfer per Beschluss verlangen.321 Die gesetzlichen Anforderungen an eine Prüfung durch externe Wirtschaftsprüfer sind in den letzten Jahrzehnten merklich verschärft worden. So wurden bis zur Reform des Jahres 1981 die Abschlussprüfer noch vom Verwaltungsrat gewählt und auch das Recht der Abschlussprüfer auf Erklärung auf der Hauptversammlung im Falle einer Abstimmung über ihre Abwahl wurde erst in diesem Zusammenhang eingeführt.322 Erst seit der Reform des Jahres 2005 ist zudem ein Vermerk erforderlich, wenn die Rechnungsunterlagen ohne die Zustimmung der Abschlussprüfer an die Hauptversammlung zur Feststellung weitergeleitet werden.323 Vgl. O. KIRCHWEHM, Reformen, 210 f. Vgl. C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 86. 318 Art. 396 Abs. 1 S. 1 GesG, für die Gesellschaft mit Ausschüssen i. V. m. Art. 396 Abs. 6 GesG. 319 Art. 396 Abs. 1 S. 2 GesG, für die Gesellschaft mit Ausschüssen i. V. m. Art. 396 Abs. 6 GesG. 320 Siehe Artt. 396 Abs. 2–6, 397, 398 GesG. 321 Art. 398 Abs. 2 GesG. 322 C. HEFTEL, U Haw L Rev 5 (1983) 135, 161 und dortige Fn. 167. 316 317

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Trotz der genannten Entwicklung besteht jedoch weiter Regelungsbedarf. Zur Situation vor den Reformen des neuen Jahrtausends stellte der bekannte japanische Gesellschaftsrechtler Hideki Kanda fest: „The law expects collaboration between accounting auditors and statutory auditors, so in theory, if there is something wrong, it must be discovered by these two auditors. Historical experiences, however, show almost no occasion that some wrongs were uncovered by these two auditors.“ 324

Wie auch bei den Rechnungslegungsberatern und den Prüfern sind nicht mangelnde Kompetenzen das Problem. Die Unzulänglichkeiten liegen bei den Abschlussprüfern vielmehr in der fehlenden Unabhängigkeit und zudem in der unzureichenden Zusammenarbeit mit den Prüfern bzw. dem Prüfungsausschuss und seit der letzten Reform wohl auch dem Kontrollausschuss. Die Abschlussprüfer müssen gesellschaftsexterne Personen sein.325 Weder Direktoren noch Prüfer noch sonstige Personen, die bei der Gesellschaft angestellt sind oder im letzten Jahr angestellt waren, kommen als Abschlussprüfer in Betracht. An die Unabhängigkeit werden im Vergleich zu den deutschen Vorgaben in Japan hingegen keine hohen Anforderungen gestellt.326 So können die oben genannten Personen die Rechnungsunterlagen der Gesellschaft prüfen, sofern sie mindestens ein Jahr nicht mehr für die Gesellschaft gearbeitet haben. Die einzige weitere Regelung zur ideellen Unabhängigkeit bezieht sich auf Behördenvertreter, die mit der Gesellschaft in engen Kontakt gekommen sind, und sieht eine zweijährige Cooling Off-Phase nach Austritt der Person aus der Behörde vor.327 Was die wirtschaftliche Unabhängigkeit anbelangt, so erfüllen lediglich solche Personen die Voraussetzungen nicht, die dauerhaft außerhalb ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer oder Angestellter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von Direktoren, Prüfern, Rechnungslegungsberatern oder Geschäftsführern der betroffenen Gesellschaft oder von einer ihrer Tochtergesellschaften eine Vergütung erhalten.328 Mit den Reformen der Jahre 2001/2002 sowie 2005 wurden zur Stärkung der Unabhängigkeit zumindest Zustimmungsvorbehalte des Prüferrats für die O. KIRCHWEHM, Reformen, 199. Geregelt ist das Erfordernis in Art. 440 Abs. 1 GesG i. V. m. Art. 148 Kaisha keisan kisoku [RechnungslegungsVO], Verordnung des Justizministeriums Nr. 13/2006 i. d. F. der Verordnung Nr. 1/2016. 324 H. KANDA, Trends, 185, 187. Christopher Lee Heftel etwa bemängelte noch zu Beginn der 80er Jahre, dass Anleger und Investoren aufgrund der laschen Rechnungslegungspraktiken Schwierigkeiten hätten, die Liquidität eines Unternehmens zu bewerten. Er merkte jedoch an, dass die Internationalisierung und Notierung an ausländischen Börsen bereits zu einer Verbesserung geführt habe. C. HEFTEL, U Haw L Rev 5 (1983) 135, 186 f. 325 Art. 337 Abs. 3 Nr. 1 GesG i. V. m. Art. 24 Abs. 1, 2 Kōnin kaikei-shi-hō [Wirtschaftsprüfergesetz], Gesetz Nr. 103/1948 i. d. F. des Gesetzes Nr. 91/2014. 326 Vgl. auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 231 f. 327 Art. 337 Abs. 3 Nr. 1 GesG i. V. m. Art. 24 Abs. 3 Wirtschaftsprüfergesetz. 328 Art. 337 Abs. 3 Nr. 2 GesG. 323

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Ernennung und Vergütung der Abschlussprüfer sowie das Recht eingeführt, nach einem Rücktritt vor der Hauptversammlung Stellung zu nehmen. 329 Durch diese Regelungen sollten Stellung und Unabhängigkeit der Abschlussprüfer gestärkt werden.330 Oliver Kirchwehm kritisierte jedoch zurecht, dass sich dadurch in der Praxis wenig ändern werde, da Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss nach wie vor zwischen den Kandidaten und den Direktoren stattfanden.331 In Anbetracht dessen ist zu begrüßen, dass seit der 2015 in Kraft getretenen Reform Wahl, Abberufung und auch der Antrag auf Nichtwiederwahl allein in der Hand des Prüferrats liegen.332 Für den Prüfungsausschuss bestand dieses Recht bereits vorher und auch dem neuen Kontrollausschuss steht es zu.333 Nach wie vor können zudem Abschlussprüfer vom Prüferrat bzw. dem Prüfungsausschuss oder nunmehr auch Kontrollausschuss unter bestimmten Voraussetzungen abberufen werden.334 Ob die Einbindung des Prüferrats die nach wie vor geringen Anforderungen an die Unabhängigkeit ausgleichen kann, ist dennoch fraglich. Dies liegt daran, dass das Wahlrecht nur dann effektiv ist, wenn es vom Prüferrat und den Ausschüssen auch aktiv wahrgenommen wird. Jedenfalls für den Prüferrat ist bereits dargelegt worden, dass eine aktive Aufgabenwahrnehmung nicht immer gewährleistet ist. Neben den Unabhängigkeitsanforderungen bietet auch die Zusammenarbeit und Aufgabenteilung mit den Prüfern bzw. dem jeweiligen Ausschuss und damit zwischen externer Prüfinstitution und internem Prüforgan Raum für Verbesserungen. Während der Abschlussprüfer den Prüferrat bzw. den Prüfungsausschuss über rechts- und satzungswidrige Zustände informieren muss, ist er darüber hinaus nur auf Anfrage dazu verpflichtet, Informationen weiterzugeben. 335 Auf der anderen Seite obliegt die Prüfung des internen Compliance-Systems seit der Reform 2005 nur noch dem Prüferrat bzw. dem Prüfungsausschuss und nunmehr auch Kontrollausschuss.336 Da die Arbeit der Abschlussprüfer auf ein funktionierendes System angewiesen ist, ist zu überlegen, ob der Prüfungsumfang nicht insoweit wieder erweitert werden sollte.

329 Art. 344 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 GesG a. F. sowie Art. 399 und Art. 345 Abs. 5 GesG. Siehe dazu O. KIRCHWEHM, Reformen, 198. 330 So auch I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 292 Nr. 785 und 294 Nr. 790; V. MECKEL, Corporate Governance, 122 und 124. 331 O. KIRCHWEHM, Reformen, 231 f. 332 Art. 344 Abs. 1, 3 GesG. Sofern kein abweichender Beschluss vorliegt, gilt der Abschlussprüfer nach Ablauf der Amtszeit als wiedergewählt, Art. 338 Abs. 2 GesG. 333 Art. 404 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Art. 399-2 Abs. 3 Nr. 2 GesG. 334 Art. 340 GesG. 335 O. KIRCHWEHM, Reformen, 232. 336 Art. 436 Abs. 2 Nrn. 1, 2 GesG. Vgl. dazu O. KIRCHWEHM, Reformen, 199.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wie effektiv die Kontrolle durch das interne Prüforgan ist. Insgesamt betrachtet hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sowohl gesetzgeberisch als auch in der Praxis der Arbeit der Abschlussprüfer einiges getan. Dennoch besteht nach wie vor Handlungsbedarf.337 Die mit der letzten Reform eingeführten Zustimmungsvorbehalte sind zwar zu begrüßen, führen aber ohne eine Verschärfung der Unabhängigkeitsanforderungen sowie eine intensivere Zusammenarbeit mit dem internen Prüforgan zu keiner hinreichend effektiven Kontrolle. 6. Die Hauptversammlung Das zweite Organ, das neben dem Verwaltungsrat eine Rolle auch bei der Überwachung der Leistung der Geschäftsführung spielt, ist die Hauptversammlung. Die Wahrnehmung ihrer Rechte wird dabei wesentlich von den Aktionärsstrukturen beeinflusst und steht im Zusammenhang mit der Frage, welche Bedeutung den Aktionären und ihren Interessen im Gesamtgefüge der japanischen Corporate Governance zukommt.338 a) Kompetenzen Entscheidende Bedeutung für die Kontrolle der Geschäftsführung hat das Recht der Aktionäre, auf der Hauptversammlung die Direktoren zu wählen bzw. ab- oder wiederzuwählen und – mit Ausnahme der Gesellschaft mit Ausschüssen – deren Vergütung zu bestimmen. In der Gesellschaft mit Prüferrat wählt die Hauptversammlung zudem den Prüferrat und bestimmt über die Vergütung der Prüfer.339 Japan steht damit in der Tradition des europäischen Rechts, der Hauptversammlung eine relativ große Bedeutung beizumessen. 340 Doch auch im Vergleich etwa zum deutschen Recht, nach dem nicht die Hauptversammlung, sondern der Aufsichtsrat den Vorstand und damit das Sehr weitgehend Kirchwehm im Jahr 2010, der konstatiert, der Gesetzgeber sei sich einer „qualifizierten und externen Kontrolle durch die Abschlussprüfer“ wohl nicht bewusst, O. KIRCHWEHM, Reformen, 231. 338 Zu Aktionärsstrukturen und Unternehmensverständnis siehe näher oben B. und C. 339 Siehe dazu bereits oben A. III.2.a). Die Bestimmung der Vergütung der Direktoren ist insoweit eingeschränkt, als lediglich eine Gesamtsumme bzw. Berechnungsmethode bestimmt wird, sofern dies nicht bereits in der Satzung geschehen ist, Art. 361 GesG. Auch für die Prüfer ist eine Bestimmung der individuellen Vergütung jedenfalls nicht zwingend, Art. 387 Abs. 1, 2 GesG. 340 Vgl. G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 129. Sowohl die Breite der Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung, der Einfluss auf die Wahl der Direktoren, die Möglichkeit von Gegenanträgen durch Aktionäre als auch die Möglichkeit der Erhebung einer Aktionärsklage (siehe dazu eingehend unten II.1.) sind stärker als nach US-Recht, ibid., 129, im Einzelnen 129–139. Zu Kompetenzen und Verfahren der Hauptversammlung im Einzelnen siehe auch V. MECKEL, Corporate Governance, 140–165. 337

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geschäftsführende Organ wählt und über dessen Vergütung bestimmt, ist die japanische Hauptversammlung jedenfalls auf dem Papier mächtig. 341 Insbesondere können Direktoren auch während ihrer Amtszeit jederzeit ohne besondere Gründe mit einfachem Mehrheitsbeschluss abberufen werden.342 Diese Regelung wurde mit der Schaffung des GesG eingeführt und hatte zum Ziel, die Kontrolle der Geschäftsführung durch die Aktionäre zu stärken. 343 In Deutschland kann demgegenüber der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs. 3 AktG nur aus wichtigem Grund abberufen. Trotz dieser umfangreichen Rechte nach dem Gesetz kritisieren insbesondere ausländische Investoren immer wieder, dass Unternehmen den Interessen der Aktionäre zu wenig Bedeutung beimessen. 344 Grund dafür ist auch die mangelnde Wahrnehmung der Kompetenzen und unzureichende Erfüllung der ihnen durch das Gesetz zugeschriebenen Aufgabe durch die Aktionäre.345 b) Aufgabenerfüllung in der Praxis Während in der Vorkriegszeit den Aktionären eine entscheidende Bedeutung bei der Kontrolle der Leistung der Geschäftsführung zukam, 346 spielte die Hauptversammlung ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle und wies mit ihrer Dauer von in der Regel wenigen Minuten einen „eher rituellen Charakter“ 347 auf. Die ihr nach dem Gesetz zustehenden Funktionen füllte sie inhaltlich nicht aus, da die eigentlichen Entscheidungen vom Verwaltungsrat zusammen mit wenigen Großaktionären getroffen wurden. 348 Deren Vorschläge zur Ernennung von Direktoren und Prüfern wurden von der Hauptversammlung abgenickt. 349 Auch darüber hinaus blieben die gesetzlich vorgesehen Rechte der Aktionäre weitgehend Vgl. V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 68. Art. 339 Abs. 1 GesG. 343 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 257 Nr. 660; O. KIRCHWEHM, Reformen, 171. Die Anforderungen an den Beschluss können jedoch in der Satzung der Gesellschaft verschärft werden, Art. 341 GesG. 344 G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 126 f. Vgl. auch oben Kapitel 2 – D. 345 So auch G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 139. 346 Siehe oben C. I. 347 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 129; ähnlich E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 71; H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 24 spricht von einer „funktionslosen […] Zeremonie“; ebenso V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 69 die auch auf eigene Erfahrungen mit dem Besuch der Hauptversammlung einer japanischen Aktiengesellschaft verweist, 69–72. 348 V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 69; I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 86. Häufig werden wichtige Entscheidungen dabei in nicht-öffentlichen Sitzungen der wichtigsten Direktoren vor der eigentlichen Verwaltungsratssitzung getroffen. Zum sog. jōmu-kai siehe bereits oben 1. sowie unten Kapitel 4 – E. IV.1.c). 349 Vgl. zur de facto Wahl der Direktoren und Prüfer durch den Präsidenten O. KIRCHWEHM, Reformen, 227 f.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 76. 341 342

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ungenutzt mit dem Ergebnis, dass geschriebenes Recht und soziale Wirklichkeit auseinanderfielen.350 Symptomatisch für die Passivität der Anleger ist der Olympus-Skandal. Nachdem der nicht-japanische Präsident des Unternehmens, Michael Woodford, massive Bilanzfälschungen in den Jahrzehnten vor seiner Amtszeit aufgedeckt hatte, bedurfte es des Tätigwerdens zweier ausländischer Fonds-Manager, um den schwerwiegenden Anschuldigungen auf den Grund zu gehen.351 Dieses Aktionärsverhalten ist zum einen auf die Eigentümerstruktur nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren verflochtenen Insider-Anlegern zurückzuführen. Laufen die Interessen des Managements der die Mehrheit bildenden, in den keiretsu verbundenen Unternehmen gleich, gibt es für diese in ihrer Funktion als Aktionäre keinen Grund, das Management des jeweils anderen Unternehmens zu hinterfragen. 352 Darüber hinaus führte das bislang herrschende Unternehmensverständnis in der „japanischen Unternehmung“ dazu, dass den Interessen der Aktionäre im Machtgefüge des Unternehmens nur eine untergeordnete Rolle zukam. 353 Daraus resultierte eine entsprechende Informationspolitik und Gestaltung der Hauptversammlungen als Veranstaltungen rein zeremoniellen Charakters. Ein aktiveres Verhalten der Aktionäre und Eingreifen in die Corporate Governance ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die Reformen auch in der Praxis Wirkung zeigen.354 Zumindest teilweise haben der Rückgang der Überkreuzverflechtungen und die steigende Anzahl ausländischer Investoren dazu geführt, dass Hauptversammlungen an Bedeutung gewinnen und Aktionäre aktiver von ihren Rechten Gebrauch machen.355 Der zunehmende Einfluss der Aktionäre zeigt sich zudem darin, dass selbst Gesellschaften, die bislang als sehr abgeschottet galten, damit beginnen, den Dialog mit Aktionären zu suchen und die Zahlung von Dividenden in Aussicht zu stellen.356 350 So deutlich O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 125 f., im Einzelnen 63 ff., der die einzelnen Aktionärsrechte und deren Bedeutung in der Praxis eingehend untersucht hat. 351 „Corporate Governance in Japan. A revolution in the making“, The Economist, 3.5.2014, Business section. Siehe zum Olympus-Skandal auch B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 85–96; W.-G. RINGE, Independent Directors, 18. 352 Siehe dazu oben B. 353 Siehe dazu oben C. 354 Siehe oben C. II.1. 355 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 129; R. DORE, Insider Management, 370, 379–381; siehe auch Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 129 f. Zu den ersten Anzeichen für einen Wandel des Unternehmensverständnisses siehe bereits oben C. II.2. 356 Der Economist berichtete beispielsweise, dass das bislang mit der Herausgabe von Informationen äußerst zurückhaltende Unternehmen Fanuc, ein großer Hersteller von Industrierobotern und Maschinenwerkzeugen, im März 2015 ankündigte, möglicherweise einen Teil seiner gewaltigen Barreserven an Aktionäre auszuzahlen. Zudem verkündete es, in Zukunft regelmäßig mit Anlegern sprechen zu wollen und einen investor relations ser-

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II. Externe Überwachungsinstrumente Mit dem Thema dieser Arbeit sind hauptsächlich Fragen der Organisation der Aktiengesellschaft und dabei insbesondere des Verwaltungsrats verbunden. Wie sich jedoch bei der Analyse der gesellschaftsinternen Überwachungsinstrumente bereits gezeigt hat, bestehen vielfach Querverbindungen zu außerhalb der Gesellschaft liegenden Mechanismen.357 Nachstehend wird daher auf die folgenden externen Instrumente eingegangen, die ebenso wie die internen in Konkurrenz zur Funktion des externen bzw. unabhängigen Direktors stehen: die Haftung der Direktoren und Geschäftsführer und deren klageweise Durchsetzung (1.), die Marktkontrolle (2.), die Kontrolle durch Banken (3.) und schließlich den Einfluss durch die Wirtschaftsverwaltung (4.). 1. Haftung und klageweise Durchsetzung Ein wesentlicher Bestandteil der Disziplinierung des Managements ist die Haftung der Direktoren und Geschäftsführer sowie deren klageweise Durchsetzung. Gleichzeitig trägt auch die Haftung der mit der Überwachung betrauten externen und unabhängigen Direktoren dazu bei, eine effektive Kontrolle zu gewährleisten.358 a) Das Haftungsregime für Organmitglieder einschließlich der Abschlussprüfer Seit der Reform 2005 ist die Haftung für Organmitglieder in der Gesellschaft mit Prüferrat und der Gesellschaft mit Ausschüssen einheitlich ausgestaltet.359 Nunmehr wird auch die Gesellschaft mit Kontrollausschuss von den Regelungen erfasst. Direktoren, aber auch Rechnungslegungsberater, Prüfer, Abschlussprüfer und – in Gesellschaften mit Ausschüssen – Geschäftsführer360 haften gemäß Art. 423 Abs. 1 GesG für Schäden, die sie der Gesellschaft vice einzurichten. Grund hierfür seien insbesondere die Anforderungen des neuen Corporate Governance Kodex. „Corporate Governance in Japan. Fanuc stoops to conquer“, The Economist, 28.3.2015, Business section. 357 Vgl. auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 10. 358 Speziell zur Haftung externer und unabhängiger Direktoren sowie deren Vergütung siehe unten Kapitel 4 – G. 359 O. KIRCHWEHM, Reformen, 200 f. Bei Einführung der Gesellschaft mit Ausschüssen war für diese zunächst ein eigenständiges, weniger strenges Haftungssystem mit der Begründung eingeführt worden, in der monistischen Struktur sei ohnehin eine strengere Kontrolle gewährleistet. Möglicherweise stand hinter dem abweichenden Haftungssystem jedoch der Gedanke, einen weiteren Anreiz für den Wechsel zur neuen Organisationsform zu schaffen oder den später vereinheitlichten Haftungsrahmen bereits teilweise umzusetzen, ibid., 122 f. 360 Art. 423 Abs. 1 GesG greift auf den in Art. 329 Abs. 1 GesG definierten Begriff der yakuin tō [Funktionsträger usw.] zurück. Siehe dazu bereits oben A. III.2.e) und Fn. 83.

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durch Verletzung ihrer Plichten zufügen.361 Die zur Ausfüllung dieser Grundnorm erforderlichen Pflichten sind vor allem im GesG geregelt.362 Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Verletzung der Sorgfaltspflicht sowie bei Direktoren und Geschäftsführern zusätzlich der Verletzung der Loyalitätspflicht zu. 363 Für die Haftung der Direktoren hat zudem die Pflicht zur Einrichtung eines angemessenen internen Compliance-Systems an Bedeutung gewonnen.364 Das GesG erfordert für eine Haftung grundsätzlich Verschulden. In bestimmten Fällen verlagert das Gesetz jedoch die Beweislast auf die Organmitglieder oder verwehrt ihnen den Entlastungsbeweis. 365 Art. 424 GesG schafft die Möglichkeit einer vollständigen Befreiung von der Haftung nach Art. 423 Abs. 1 GesG, welche die Zustimmung aller Aktionäre erfordert. Nach Artt. 425–427 GesG besteht zudem die Möglichkeit einer Haftungserleichterung.366 Art. 425 und 426 GesG regeln, dass die Haftung der Höhe nach auf eine „Mindesthaftsumme“ beschränkt werden kann, solange weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorliegen. 367 Nach Art. 425 GesG kann dies erstens durch einen Hauptversammlungsbeschluss geschehen, wobei für eine Befreiung der Direktoren, ausgenommen Mitglieder des Prüfungsausschusses, sowie Geschäftsführer die Zustimmung aller Prüfer bzw. aller Mitglieder des Prüfungsausschusses oder Kontrollausschusses erforderlich ist. Zweitens besteht nach Art. 426 GesG die Möglichkeit der Befreiung durch Beschluss des Verwaltungsrats, sofern die Satzung dies zulässt. Auch die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die Satzung durch Beschluss der Haupt361 Die Haftung nach Art. 423 Abs. 1 GesG umfasst auch die Fälle der konkurrierenden Geschäftstätigkeit sowie der Eigengeschäfte. Für diese hält Art. 423 Abs. 2, 3 GesG Sonderregelungen hinsichtlich des entstandenen Schadens bereit. 362 Siehe dazu M. DERNAUER, ZJapanR 20 (2005) 123, 149. 363 Art. 330 bzw. 403 Abs. 2 GesG i. V. m. Art. 644 ZG zur Sorgfaltspflicht und Art. 355 bzw. 419 Abs. 2 GesG zur Loyalitätspflicht. Darüber hinaus besteht für die Organmitglieder bei Verletzung der Sorgfaltspflicht auch eine vertragliche Haftung nach Art. 415 ZG. Die Pflichten orientieren sich an der duty of care sowie der duty of loyalty nach US-amerikanischem Recht, B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 71. 364 Siehe dazu H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 110 f. Rn. 136 und zum internen Compliance-System und der Pflicht zu dessen Einrichtung bereits oben I.3. 365 Siehe dazu H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 110 Rn. 136. Nach Art. 428 GesG kommt es darüber hinaus auf ein Verschulden nicht an, wenn ein Direktor oder Geschäftsführer aus Eigeninteresse mit der Gesellschaft Geschäfte tätigt. 366 Zu beidem siehe ausführlich V. MECKEL, Corporate Governance, 65–69. Zur vertraglich vereinbarten Haftungsbeschränkung nach Art. 427 GesG siehe unten Kapitel 4 – G. 367 Die Mindesthaftsumme ergibt sich in beiden Fällen der Haftungsminderung aus dem Produkt des Jahresgehalts mit einem festgelegten Faktor: 6 für vertretungsberechtigte Direktoren, 4 für nicht vertretungsberechtigte Direktoren und 2 für nicht geschäftsführende Direktoren sowie Prüfer, Rechnungslegungsberater und Abschlussprüfer.

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versammlung erfordert die Zustimmung aller Prüfer bzw. aller Mitglieder des Prüfungsausschusses oder Kontrollausschusses. Die Haftungsbefreiung nach Art. 426 GesG tritt nicht in Kraft, wenn ihr Aktionäre, die mindestens 3 % der Stimmrechte halten, widersprechen. Für Direktoren treten neben die allgemeine Haftung nach Art. 423 Abs. 1 GesG einige besondere Haftungsgrundlagen für Fälle unrechtmäßiger Vermögensverfügungen oder Gewinnverteilungen, unrechtmäßiger Aktienrückkäufe oder finanzieller Defizite aufgrund unrechtmäßiger Mittelverwendungen.368 Für die Haftung nach diesen Normen bestehen spezielle Haftungsbefreiungstatbestände.369 Neben der Innenhaftung regelt das GesG auch die Außenhaftung der Organmitglieder einheitlich. Nach Art. 429 Abs. 1 GesG haften sie gegenüber Dritten, denen durch eine ihrer Handlungen ein Schaden entstanden ist.370 Die Außenhaftung der Funktionsträger und Abschlussprüfer setzt im Gegensatz zur Innenhaftung ein qualifiziertes Verschulden, nämlich Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, voraus. Art. 429 Abs. 2 GesG erstreckt die Haftung gegenüber Dritten auf konkret benannte Fälle, in denen Organmitglieder fehlerhafte Angaben machen.371 Direktoren und Geschäftsführer einer börsennotierten Gesellschaft trifft neben der Haftung nach den beiden genannten Normen des GesG auch eine Haftung nach dem FBG gegenüber Aktionären und Investoren für fehlerhafte Berichterstattung.372 Was die Bedeutung der Haftung für die Leistungsüberwachung betrifft, so haben die japanischen Gerichte für Managemententscheidungen der Direktoren oder Geschäftsführer in etwa seit der Jahrtausendwende per Rechtsfortbildung eine japanische Variante der US-amerikanischen business judgment rule entwickelt. 373 Obwohl sie der Geschäftsführung bei solchen Entscheidungen einen gewissen Spielraum lässt, unterscheidet sie sich in der Sache deutlich von ihrem Vorbild. Während in den USA die Gerichte ihr Urteil nur danach richten, ob die Entscheidung ohne Interessenkonflikt getroffen wurde und auf einer sachlichen Grundlage basierte, bewerten japanische Gerichte auch Inhalt und Ausgang der Entscheidung. Sie beschränken ihre Kontrolle nicht auf Fehler im Entscheidungsprozess.374 Diese abweichende AusgestalSiehe dazu V. MECKEL, Corporate Governance, 61–63. Siehe dazu V. MECKEL, Corporate Governance, 70. 370 Nach dem OGH und der h. M. in der Literatur ist die Haftung nach Art. 429 GesG der Natur nach eine spezielle Haftung nach dem GesG, welche neben die deliktische Haftung nach dem Zivilgesetz tritt, N. NAKAMURA, Japan, 233, 255. 371 Anders als bei der Haftung nach Abs. 1 genügt hier einfache Fahrlässigkeit, wobei die Beweislast zudem zu Lasten des Organmitglieds verschoben ist. 372 Siehe dazu N. NAKAMURA, Japan, 233, 256. 373 S. KOZUKA, Conclusions, 228, 240; vgl. auch H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 110 Rn. 136. 368 369

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tung führt Hideki Kanda auf zwei mögliche Gründe zurück:375 Zum einen sei in Japan der politische Druck auf die Gerichte, sich nicht in unternehmerische Entscheidungen einzumischen, geringer. Vor allem aber überzeugt die Begründung, dass in Japan im Gegensatz zu den Boards in den USA die Verwaltungsräte nicht ganz überwiegend aus einer großen Mehrheit externer bzw. unabhängiger Direktoren bestehen. Vielmehr wiesen die Verwaltungsräte bis vor Kurzem häufig keine oder nur wenige externe oder gar unabhängige Mitglieder auf. Bei einem von Insidern dominierten Board könne jedoch schwerlich allein auf einen fehlenden Interessenkonflikt abgestellt werden. Der regel- und nicht prinzipienbasierte Ansatz der japanischen Gerichte stellt Kenjirō Egashira zufolge neben der Management-Kultur sowie der Rolle der institutionellen Investoren den dritten Pfeiler des „Unterbaus“ der Gesellschaften dar, der einem tatsächlichen Wandel der Corporate Governance im Weg steht.376 Eine derartige inhaltliche Kontrolle durch die Gerichte steht im Gegensatz zum Gedanken einer bereits unabhängigen Prüfung durch im konkreten Fall unabhängige Direktoren. Sieht man die Abschirmung des Boards vor Haftung als wahren und einzigen Grund für den Wechsel zum Monitoring-Modell in den USA,377 so lässt sich für Japan jedenfalls festhalten, dass eine solche Gefahr bislang nicht besteht. Allerdings könnte sich der Anreiz für einen Systemwechsel aus Haftungsgründen aufgrund zweier mit der Reform 2015 eingeführter Neuerungen verstärken. Zum einen wurde im Gegenzug zur Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren und Prüfer die Möglichkeit der Vereinbarung von Haftungsbegrenzungen auch auf Direktoren und Prüfer ausgeweitet, welche die Anforderungen nicht mehr erfüllen und daher nicht mehr als extern anzusehen sind, Art. 427 Abs. 1 GesG. Ausgenommen bleiben lediglich geschäftsführende Direktoren sowie Geschäftsführer.378 Zum anderen haben Entscheidungen des Kontrollausschusses in der neuen Organisationsverfassung bei conflict of interest transactions zur Folge, dass sich die Beweislast für eine Pflichtverletzung umkehrt.379 b) Klageweise Durchsetzung Neben den materiell-rechtlichen Haftungsregeln kommt es für die Wirkung der Haftung als disziplinierender Faktor in der Corporate Governance entscheidend auf deren Durchsetzung an. H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 30; O. KIRCHWEHM, Reformen, 145. H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 30. 376 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 60 und 65. Siehe zur Kritik Egashiras bereits oben C. II.1. 377 So die Kritik Lawrence E. Mitchells, siehe oben Kapitel 1 – B. II.4.c). 378 Siehe dazu unten Kapitel 4 – G. 379 Siehe dazu unten Kapitel 4 – E. IV.3.b). 374 375

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In diesem Zusammenhang ist zunächst noch einmal auf die bereits genannte Möglichkeit hinzuweisen, von den Direktoren im Falle eines drohenden Verstoßes gegen Gesetze oder die Satzung unter bestimmten Voraussetzungen im Namen der Gesellschaft Unterlassung zu verlangen. Dieses Recht steht nicht nur den Prüfern bzw. Mitgliedern des Prüfungsausschusses oder Kontrollausschusses zu,380 sondern auch jedem einzelnen Aktionär, der seine Aktien mindestens in den vergangenen sechs Monaten durchgehend gehalten hat381. Dieses Recht stellt eine Möglichkeit dar, rechtswidriges Handeln bereits von vornherein zu verhindern. Demgegenüber handelt es sich bei der Aktionärsklage um ein Instrument ex post. 382 Entsteht einer Gesellschaft aufgrund unrechtmäßigen Verhaltens eines Organmitglieds ein Schaden, so ist es grundsätzlich auch an der Gesellschaft, ihre sich daraus ergebenden Ansprüche durchzusetzen. Allerdings dürfte ein Vorgehen der Gesellschaften gegen ihre Direktoren insbesondere in den von Insidern dominierten Gesellschaften mit Prüferrat selten sein. Für solche Fälle steht den Aktionären nach Art. 847 GesG ein aus dem Klagerecht der Gesellschaft abgeleitetes Klagerecht (sog. derivative action) zur Seite.383 Das Klagerecht erstreckt sich auf Ansprüche gegen den von Art. 423 Abs. 1 GesG erfassten Personenkreis, neben Direktoren also auch auf Geschäftsführer, Prüfer, Rechnungslegungsberater und Abschlussprüfer. Zwar stehen den Aktionären weitere Rechtsmittel zur Seite. Gegen fehlerhafte Beschlüsse der Hauptversammlung beispielsweise kommen die Anfechtungsklage und zudem die Feststellungsklage in Betracht.384 Letztere ist darauf gerichtet, festzustellen, dass entweder gar kein wirksamer Beschluss vorliegt, oder dass der Beschluss nichtig ist. Mit dieser Regelung ist man dem deutschen Vorbild gefolgt. 385 Anders als in Deutschland ist in der Praxis jedoch die Aktionärsklage von mit Abstand größter Bedeutung.386 Sie steht daher im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung.387 380 Art. 385 Abs. 1 bzw. Art. 399-6 Abs. 1 oder Art. 407 Abs. 1 GesG. Zu den letzteren beiden siehe noch unten Kapitel 4 – E. IV.2.b) und 3.b). 381 Art. 360 Abs. 1 GesG. 382 Zur Aktionärsklage siehe eingehend O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 127 ff. 383 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 279 Nr. 741; vgl. H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 111 Rn. 137; G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 138. 384 Artt. 830 und 831 GesG. Zu diesen Klagearten siehe umfassend H. BAUM / E. TAKAHASHI, ZJapanR 32 (2011) 153 ff. 385 H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 128. 386 H. BAUM / E. TAKAHASHI, ZJapanR 32 (2011) 153, 158–161; M. NAKAHIGASHI /  D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 131 Fn. 7; vgl. H. HIRTE, ZJapanR 16 (2003) 143, 145 f. zur Funktion der Anfechtungsklage in Deutschland, wo die Möglichkeiten, Schadensersatz zugunsten der Gesellschaft geltend zu machen, begrenzt sind. 387 Klagen Dritter nach Art. 429 GesG stellen zwar die größte Zahl an Fällen mit gesellschaftsrechtlichem Hintergrund dar, kommen jedoch bei Publikumsgesellschaften äußerst selten vor, H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 31 f.

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Die Aktionärsklage wurde mit einer Reform im Jahre 1950 nach USamerikanischem Vorbild eingeführt, fristete jedoch lange Zeit ein Schattendasein.388 Auch bei ihr handelt es sich somit um einen legal transplant, der in Japan auf ein gänzlich anderes Umfeld traf. Der Grund für die über mehr als vierzig Jahre vernachlässigbar geringe Nutzung dieses Instruments dürften vor allem die mit der Klageerhebung verbundenen hohen Kosten gewesen sein. Diese machten Klagen unattraktiv, da etwaiger Schadensersatz aufgrund der Natur der Klage als abgeleitetes Recht an die Gesellschaft zu zahlen ist, wodurch der Kläger jedenfalls nicht direkt finanziell von einer erfolgreichen Klage profitiert.389 Seit 1993 die Kosten für die Klageerhebung stark gesenkt wurden, ist die Zahl der Aktionärsklagen jedoch dramatisch gestiegen.390 Nach geltendem Recht sind die Voraussetzungen für die Klageerhebung auch im Vergleich zu den USA äußerst gering.391 Zwar unterliegen die Kläger in den meisten Fällen, in Einzelfällen wurden jedoch sehr hohe Schadensersatzbeträge zugesprochen. So endete etwa der Daiwa Bank-Fall zwar mit einem Vergleich, das Gericht erster Instanz hatte die Direktoren jedoch zur Zahlung einer bis dahin unvorstellbaren Schadensersatzsumme von 775 Mio. Dollar verurteilt.392 Daraufhin wurden Forderungen der Wirtschaft nach einer Begrenzung der Haftung laut, die letztlich zu den oben genannten, mit der Reform 2001/2002 eingeführten Haftungserleichterungen führten.393 In Anbetracht der gestiegenen Anzahl an Aktionärsklagen auf der einen und den erweiterten Enthaftungsmöglichkeiten auf der anderen Seite stellen I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 280 Nr. 743; vgl. I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 79 f. Zur Entwicklung der Aktionärsklage bis zur Reform 1993 siehe O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 129–132. 389 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 280 Nr. 743; O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 137. Die Aktionärsklage wird im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft erhoben, I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 79 f. 390 Siehe dazu und zum Folgenden H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 31. Zum Anstieg der Aktionärsklagen siehe auch O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 127 und 184; M. D. WEST, J Legal Stud 30 (2001) 351, 352 f. sowie die Tabelle auf Seite 356; H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 111 Rn. 137; I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 280 Nr. 743. 391 G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 138 f. Zu den einzelnen Voraussetzungen der Aktionärsklage siehe auch I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 279 f. Nr. 742. 392 Zum Daiwa Bank-Fall siehe bereits oben I.3. sowie O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 181 f.; M. D. WEST, J Legal Stud 30 (2001) 351, 352; B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 72 f. sowie V. MECKEL, Corporate Governance, 60 f. 393 Siehe dazu auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 131 f.; vgl. H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, Rn. 36. Wie bereits bei früheren Gesetzesänderungen seit 1997 wurde auch dieser Gesetzentwurf nicht vom Kabinett, sondern von einer Gruppe der Wirtschaft nahe stehener Abgeordneter in das Unterhaus eingebracht, O. KIRCHWEHM, Reformen, 133. Zum 1997 eingeführten alternativen Gesetzgebungsverfahren siehe noch unten Kapitel 4 – B. II. 388

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sich zwei miteinander zusammenhängende Fragen. Zum einen die nach dem Grund für den drastischen Anstieg und nach der Natur der Kläger und deren Motivation, zum anderen daraus folgend die nach der praktischen Wirkung der Aktionärsklage im Gefüge der Corporate Governance.394 Während überwiegend nicht nur ein zeitliches Zusammenfallen, sondern auch ein kausaler Zusammenhang zwischen Senkung der Kosten und Anstieg der Zahl der Klagen gesehen wird, 395 zeigen empirische Untersuchungen jüngeren Datums, dass sich die Entwicklung zumindest nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erklären lässt. Vielmehr stehen nicht-wirtschaftliche Motive sowie irrationales Verhalten hinter einem Großteil der Klagen.396 Die These des rational handelnden Klägers, der einen wirtschaftlichen Vorteil sucht und erwartet, ließ sich hingegen nicht belegen. Es zeigte sich, dass nur wenige Klagen Erfolg haben und diese, egal ob durch Urteil oder Vergleich, zu vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen bzw. Zahlungen führen.397 Die größte Rolle als Treiber von Aktionärsklagen spielen Anwälte, die dem „Anleger-Ombudsmann“ (kabunushi onbuzuman) angehören. Dabei handelt es sich um eine 1996 gegründete gemeinnützige Organisation, die sich die Kontrolle des Verhaltens von Unternehmen unter vielerlei Gesichtspunkten zur Aufgabe gemacht hat und damit zuallererst politische Ziele verfolgt.398 Neben diese Gruppe an Klägern treten räuberische Aktionäre (sōkaiya) mit starken Verbindungen zur Yakuza, welche die Unternehmen unter Druck setzen wollen und sich vor allem indirekte finanzielle Vorteile versprechen,399 Umweltaktivisten und schließlich zu einem nicht unerheblichen Teil von irrationalen Beweggründen getriebene Kläger.400 Zur zweiten Frage siehe unten c). Siehe H. KANSAKU / M. BÄLZ, Gesellschaftsrecht, 111 Rn. 137; I. KAWAMOTO /  Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 280 Nr. 743; O. KIRCHWEHM, Reformen, 131 und, zu einem gewissen Grad, M. D. WEST, J Legal Stud 30 (2001) 351, 353. 396 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128 ff. 397 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 149. Die Untersuchungen sprechen auch gegen die teilweise vertretenen Thesen, hinter den Klagen stünden wirtschaftlich motivierte Anwälte oder die Zahl der Klagen folge insgesamt Änderungen im Kosten-Nutzen-Verhältnis, ibid., 155 bzw. 158. M. D. WEST, J Legal Stud 30 (2001) 351, 353, im Einzelnen 357–364 kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Klagen zu keinen direkten wirtschaftlichen Vorteilen für die Aktionäre führen. Er sieht jedoch trotz der im Vergleich zu den USA geringeren Vergütung bei derartigen Klagen die von finanziellen Interessen getriebenen Anwälte als treibenden Faktor an, ibid., 354, im Einzelnen 364–374. 398 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 160–162. Eingehend zum Ombudsmann aus vergleichender Perspektive C. MILHAUPT, Yale J Int’l L 29 (2004) 169 ff. 399 Zum Phänomen der sōkai-ya siehe etwa V. MECKEL, ZJapanR 29 (2010) 53, 73–75; I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 85. Um missbräuchliche Klagen zu verhindern, sieht das Gesetz vor, dass Klagen, die der Erlangung unrechtmäßiger Vorteile 394 395

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

c) Die Haftung als Kontrollfaktor Im Optimalfall sollten die Haftung und die Möglichkeiten zu deren Durchsetzung so ausgestaltet sein, dass unrechtmäßiges Verhalten geahndet oder bereits im Vorhinein verhindert wird, das Haftungsrisiko jedoch nicht so hoch ist, dass qualifizierte Bewerber abgeschreckt und die Geschäftsführung in ihrer wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit zu sehr eingeschränkt werden. Die Hürden für eine Klageerhebung in Japan sind gering und die japanische Version der business judgment rule lässt den Gerichten Spielraum, auch das Ergebnis wirtschaftlicher Entscheidungen zu beurteilen. Dem steht jedoch ein „subjektives“ System der Haftungsbegrenzung gegenüber, nach dem die Haftung der Organmitglieder umfangreich durch Beschluss der Hauptversammlung, des Verwaltungsrats oder teilweise sogar im Vorhinein vertraglich ausgeschlossen werden kann, ohne dass das Interesse der gesamten Gesellschaft der Haftung im konkreten Fall entgegensteht. 401 Zwar sind Prüferrat bzw. Prüfungsausschuss oder Kontrollausschuss in das Verfahren der Haftungsbefreiung eingebunden. Ob dies in Anbetracht der Kritik an der Kontrolle durch diese Organe eine wirksame Schranke darstellt, ist zumindest zweifelhaft.402 Für die Aktionärsklage als Kontrollfaktor im Rahmen der japanischen Corporate Governance lassen sich aus obigen Überlegungen folgende Rückschlüsse ziehen. Die geringen Voraussetzungen für eine Klageerhebung, die hohe Zahl der Klagen und der Entscheidungsspielraum der Gerichte dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass nur wenige Klagen erfolgreich und die Schadensersatzsummen oder in Vergleichen vereinbarten Summen vergleichsweise gering sind. 403 Insbesondere bei den börsennotierten Gesellschaften ist der Anteil der Klagen, die mit einem Urteil zugunsten des Klädienen oder der Gesellschaft schaden sollen, unzulässig sind, Art. 847 Abs. 1 GesG. Diese Regelung wurde mit der Reform 2005 eingeführt, O. KIRCHWEHM, Reformen, 204 und kritisch 219. Darüber hinaus kann das Gericht eine Sicherheitsleistung anordnen, wenn der Beklagte glaubhaft macht, dass die Klage böswillig erhoben wurde, Art. 847 Abs. 7 und 8 GesG, und der Kläger trägt den der Gesellschaft entstandenen Schaden, wenn er unterliegt und die Klage bösgläubig erhoben hat, Art. 852 Abs. 2 GesG. Diese Maßnahmen scheinen räuberische Aktionäre jedoch nicht davon abzuhalten, Klage zu erheben und darauf zu hoffen, dass die Gesellschaften sich auf Geldzahlungen einigen, um der Veröffentlichung sensibler Informationen oder einer Rufschädigung allein durch die Klageerhebung zu entgehen. 400 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 162 f. zu den räuberischen Aktionären und Umweltaktivisten und 163–168 zu den von irrationalen Überlegungen geleiteten Klägern mit verschiedenen Erklärungsansätzen für dieses Verhalten; zu den räuberischen Aktionären als Klägern siehe auch M. D. WEST, J Legal Stud 30 (2001) 351, 374 f. und vgl. zu weiteren Gründen für Klageerhebungen ibid., 372–380. 401 Siehe soeben a) und b); vgl. dazu auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 240 f. 402 So auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 135 und kritisch 146 noch vor der letzten Reform. Zur Funktion der beiden Ausschüsse siehe noch unten Kapitel 4 – E. IV.2.b) und 3.b). 403 Kritisch daher zur Absenkung des Haftungsstandards mit der Reform 2001 O. KIRCHWEHM, Reformen, 143 f.

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gers oder einem Vergleich endeten, gering und weist zudem eine absteigende Tendenz auf. 404 Berücksichtigt man zudem, dass das Klagerecht zu einem geringen, jedoch nicht zu vernachlässigenden Prozentsatz von der Yakuza genutzt wird, um Unternehmen zu erpressen, stellt sich die Frage, ob die Aktionärsklage ein wirksames Mittel zur Disziplinierung des Verhaltens der Geschäftsführung darstellt.405 Auf der anderen Seite wurde der Anleger-Ombudsmann bereits als wohl wichtigster Akteur zur Durchsetzung des Gesellschaftsrechts bezeichnet. 406 Die Hälfte der Vergleiche und ein Viertel der erfolgreichen Verfahren geht auf Klagen seiner Mitglieder zurück.407 Von Bedeutung ist insbesondere, dass zwar die erstrittenen Summen gering sind, den Unternehmen jedoch in Vergleichen auferlegt wird, Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Corporate Governance zu treffen.408 Inwieweit diese Maßnahmen umgesetzt werden und zu einer wirklichen Verbesserung der Leitung und Kontrolle in den Unternehmen führen, lässt sich jedoch nur schwer nachvollziehen. Zudem scheint sich der Ombudsmann mit seinen Klagen auf rechtswidriges Verhalten außerhalb wirtschaftlicher Entscheidungen zu konzentrieren. 409 Ein wichtiger Akteur mit dem Ziel der Verbesserung der Unternehmensleistung etwa durch einen Managementwechsel in Folge einer Klage fehlt somit. Das Haftungsrisiko für geschäftsführende Direktoren und Geschäftsführer kann als eher gering und die Aktionärsklage damit als wenig durchsetzungsstarkes Mittel zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Entscheidungen der Geschäftsführung angesehen werden.410 Kontrollaktionären stehen zudem einfachere Einflussmöglichkeiten wie die Ausübung von Stimmrechten zur Seite, sodass die Aktionärsklage in der Praxis überwiegend von Minderheitsaktionären genutzt wird, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen.411 Forderungen nach einer weiteren Einschränkung der Aktionärs404 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 172, Appendix B, Tabelle 3B.1. Danach lag im Zeitraum von 2002 bis 2009 der Anteil der Urteile zugunstne des Klägers bei 2,9 % und der Anteil der Vergleiche bei 26,5 %. 405 Zu Vorschlägen einer Einschränkung der Aktionärsklage zur Verhinderung von Klagen, die nicht im Interesse der Gesellschaft oder der Gesamtheit der Aktionäre liegen, siehe G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 162 f. 406 C. MILHAUPT, Yale J Int’l L 29 (2004) 169, 170 f. 407 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 161. 408 M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 162. 409 Siehe G. GOTO, MJPVL 3 (2014) 125, 163 Fn. 219. 410 Vgl. auch O. KLIESOW, Aktionärsrechte, 183 f. und 185, der zu dem Ergebnis kommt, dass jedenfalls Klagen gegen Geschäftsentscheidungen, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, wenig Aussicht auf Erfolg haben. Eine die Geschäftsführung beeinträchtigende Angst vor Regressansprüchen sei unbegründet. Vgl. zudem O. KIRCHWEHM, Reformen, 240 f. 411 S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 46; vgl. M. NAKAHIGASHI / D. W. PUCHNIAK, Derivative action, 128, 131 Fn. 7 und 133.

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klage scheinen vor diesem Hintergrund jedenfalls solange verfehlt, als nicht auf der materiell-rechtlichen Seite die Möglichkeit der Haftungsbefreiung eingeschränkt oder jedenfalls verobjektiviert wird.412 2. Die Main Bank Die Main Bank ähnelt in ihrer Bedeutung der Hausbank im System der Deutschland-AG und steht im Zentrum einer durch gegenseitige Beteiligungen verflochtenen Unternehmensgruppe (keiretsu). 413 Bei der Finanzierung der Unternehmen kommt ihr in diesem bis in die jüngere Vergangenheit vorherrschenden System angesichts des geringen Anteils der Finanzierung über den Kapitalmarkt eine entscheidende Rolle zu. 414 Die verbundenen Unternehmen versorgt sie mit günstigen Krediten.415 Darüber hinaus entspricht es der traditionell ganz herrschenden Ansicht, dass der Main Bank die Aufgabe der Überwachung der Leistung des Managements zukommt und sie den Unternehmen in Krisenzeiten zur Seite steht.416 Gerade bei Fehlen eines Kontrollaktionärs spiele die Bank eine entscheidende Rolle.417 Einige Autoren vertreten demgegenüber eine gänzlich konträre Ansicht und bezeichnen das Main Bank-System als bloßen „Mythos“.418 Doch auch wenn man nicht so weit gehen möchte, die Existenz des Systems als solche in Frage zu stellen, muss die Effektivität der Überwachung durch die Main Bank gerade in heutiger Zeit hinterfragt werden. Vgl. im Ergebnis O. KIRCHWEHM , Reformen, 241 f. In Abgrenzung zum Begriff der Hausbank wird hier der in der englischen wie deutschen Literatur zur japanischen Corporate Governance vorherrschende Begriff der Main Bank verwendet. 414 Siehe H. KANDA, Trends, 185, 190 sowie bereits oben B. II. 415 S. K. VOGEL, Japan Remodeled, 9; vgl. H. BAUM, Marktzugang, 69–71. 416 Wohl prominentester Vertreter der Theorie des Main Bank-Systems ist Masahiko Aoki: „In post-war Japan, the main bank system has been the main pillar of corporate monitoring and governance“, M. AOKI / H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 5. Den drei Autoren zufolge ersetzte das Monitoring durch die Main Bank die Kontrolle durch den Markt und sorgte wohl dafür, dass eine solche sich nicht entwickelte, siehe insb. ibid., 3, 8, 25 f. und 41. Siehe zu der Ansicht auch H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 747; H. KANDA, Trends, 185, 190 f.; S. K. VOGEL, Japan Remodeled, 9; C.-C. LIN, Temple  Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 77. 417 M. AOKI / H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 20. 418 Y. MIWA / J. M. RAMSEYER, Law & Society Inquiry 27 (2002) 401 ff. Die Autoren stellen darüber hinaus nicht nur das Main Bank-System, sondern sämtliche traditionell als Charakteristika japanischer Governance verstandenen Mechanismen in Frage (siehe bereits oben Kapitel 2 – E.): „The claims about the Japanese main bank system are not overstated. They are false. They are not claims for which we have only ambiguous evidence. They are claims for which we have none. Firms and workers did not bargain for lifetime employment. Banks neither promised to rescue defaulting debtors nor monitored debtors on behalf of their rivals. The keiretsu had no substance, and the government had little clout“, ibid., 420 f. 412 413

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Traditionell wird der Main Bank sowohl die Funktion eines ex ante- als auch die eines ex post-Monitorings zugeschrieben.419 Als Vorteil der Doppelrolle der Bank als Kreditgeber und Aktionär wird dabei die Verringerung des Informationsgefälles zwischen der Geschäftsführung und den Aktionären gesehen. Über ihre Funktion als Kreditgeber verfügt die Main Bank über detaillierte Informationen über die finanziellen Umstände der Unternehmen, die sonstigen Aktionären, aber auch anderen Banken normalerweise nicht zur Verfügung stehen. 420 Allerdings lässt sich durchaus daran zweifeln, ob die Bank auch an einer Steigerung der Unternehmensleistung oder als Kreditgeber nicht vielmehr vorrangig an der Sicherstellung der Rückzahlung der von ihr vergebenen Kredite interessiert ist. Damit dürfte sich ihre Funktion vor allem auf das ex post-Monitoring konzentrieren.421 Ein hinreichender Anreiz, Kosten aufzuwenden und in die Unternehmenspolitik einzugreifen wird vor allem dann bestehen, wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät und droht insolvent zu gehen.422 Darüber hinaus sind mit zunehmender Bedeutung des Kapitalmarktes 423 die Einflussmöglichkeiten der Banken zurückgegangen, da die Unternehmen nicht in demselben Maße wie bislang auf die Finanzierung durch Banken angewiesen sind.424 Es fehlt der Main Bank damit an den notwendigen Anreizen und Mitteln für ein effektives, kontinuierliches Monitoring der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung auch ex ante. Eine Überwachung, welche sich auf ein Eingreifen in Krisenzeiten beschränkt, kann eine laufende Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Kapitalmarkt, den Übernahmemarkt oder einen internen Überwachungsmechanismus nicht ersetzen. 419 M. AOKI, Monitoring Characteristics, 109, 111–113, der genau genommen von drei Phasen (ex ante, interim und ex post) spricht. 420 M. AOKI / H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 14 f. Siehe dazu auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 25; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 113. 421 Zu dieser Ansicht H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 747 f. m. w. N.; siehe auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 26 f.; C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent boards, 188, 192; vgl. H. MIYAJIMA, Comments, 267, 270. Dem widersprechen zu einem gewissen Grad R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871 ff., insb. 896 f., die zwar den Fokus ihrer Analyse der keiretsu auf die Überwachung durch den Produktmarkt legen (siehe unten 3.a)), die Kontrolle durch die Bank aufgrund ihrer Verflechtungen mit den übrgen Unternehmen der Gruppe jedoch nicht auf die eines Kreditgebers reduziert sehen. 422 Zur Theorie hinter der Rettung durch die Main Bank in Krisenzeiten siehe D. W. PUCHNIAK, Perverse rescue, 81, 85–88. Anderer Ansicht sind jedoch M. AOKI /  H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 25 f. und 41, denen zufolge Anreize für ein Monitoring auch ex ante bestehen. 423 Siehe dazu unten 3.b) und bereits oben B. II. 424 P. SHEARD, Main Banks, 188, 211 f.; siehe auch M. AOKI, Monitoring Characteristics, 109, 135–137; M. AOKI / H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 24. Auch H. KANDA, Trends, 185, 190 f. spricht 1997 davon, dass der Einfluss der Banken aufgrund der Entwicklung und Deregulierung des Kapitalmarktes zu schwinden begonnen hat. Gegen einen Bedeutungsverlust des Main Bank-Systems jedenfalls hinsichtlich der Rettung notleidender Unternehmen hingegen D. W. PUCHNIAK, Perverse rescue, 81 ff.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Vor allem aber haben sich in jüngerer Zeit auch die Beteiligungsstrukturen an den börsennotierten Aktiengesellschaften und damit die Bedeutung der Banken auch in dieser Hinsicht nicht unerheblich gewandelt.425 Während sich das cross shareholding seit Platzen der Wirtschaftsblase vor allem für große Unternehmen zunehmend aufgelöst hat, verkauften auch die Banken aufgrund notleidender Kredite ihre Anteile.426 Dieser Trend hat sich fortgesetzt und die von Banken gehaltenen Anteile an börsennotierten Unternehmen sanken, gemessen am Gesamtwert der Aktien, von 15,7 % im Jahr 1990 auf nur noch 3,7 % im Jahr 2015.427 Die geringere Bedeutung der kreditbasierten Finanzierung sowie der stark gesunkene Einfluss als Aktionär dürften zu einem weiteren Bedeutungsverlust der bereits eingeschränkten Kontrollfunktion geführt haben. 3. Marktkontrolle: Produktmarkt, Kapitalmarkt und Markt für Unternehmenskontrolle Eine Marktkontrolle kann auf drei verschiedenen Märkten stattfinden: dem Produktmarkt (a)), dem Kapitalmarkt (b)) sowie – darauf aufbauend – dem Markt für Unternehmenskontrolle (c)). a) Der Produktmarkt Ronald J. Gilson und Mark J. Roe haben vom Produktmarkt als elegantestem Überwachungsinstrument gesprochen.428 Sie beschreiben den nationalen Wettbewerb im Produktmarkt als effektivstes Werkzeug zur Überwachung in der traditionellen japanischen Corporate Governance-Struktur. 429 Die Verflechtungen innerhalb der keiretsu führten dazu, dass die Unternehmen Anreize hätten, mit ihrem Anteil an der Produktionskette zum Erfolg der Unternehmensgruppe gegenüber Wettbewerbern anderer keiretsu beizutragen. Eine Überwachung erfolge innerhalb der Gruppe gegenseitig durch die beteiligten Unternehmen. Der so beschriebene Wettbewerb auf dem Produktmarkt stellt einen Erklärungsansatz für ein alternatives, gesetzlich nicht vorgesehenes Überwachungsinstrument dar. Dieser ist jedoch zugeschnitten auf das spezifische System der Überkreuzverflechtungen innerhalb der keiretsu. Für die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs bietet er damit einen Erklärungsansatz für den internationalen Erfolg japanischer Unternehmen in denjenigen Branchen, in denen der nationale Wettbewerb auf dem Produktmarkt stark ausgeprägt 425 Daran im Jahr 1994 noch zweifelnd M. AOKI / H. PATRICK / P. SHEARD, Main Bank System, 3, 5. 426 A. MIKUNI, ZJapanR 6 (1998) 157, 160 f.; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 134. 427 Siehe dazu bereits oben B. III. 428 R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871, 891. 429 R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871, 891–894.

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war. 430 Heute haben sich die Strukturen, die diesem spezifisch japanischen Marktmechanismus zugrunde lagen, jedoch zumindest für große Unternehmen bereits weitgehend aufgelöst. b) Der Kapitalmarkt In einem optimalen Kapitalmarkt lassen sich der Wert des Unternehmens und damit die Leistung der Unternehmensleitung an den Aktienkursen ablesen.431 Eine unwirtschaftliche Geschäftsführung führt dazu, dass Aktionäre ihre Anteile verkaufen und der Aktienkurs sinkt. Das Unternehmen wird so zum potentiellen Ziel einer feindlichen Übernahme. Die Unternehmensleitung hat folglich ein Interesse daran, die Interessen der Aktionäre zu befriedigen und den Aktienkurs hoch zu halten, um eine Übernahme zu verhindern.432 Voraussetzung für die Kontrollfunktion des Kapitalmarkts durch den Handel von Aktien und das Entstehen eines Übernahmemarkts ist, dass der Markt aktiv ist und bei der Finanzierung der Unternehmen im Verhältnis zur Finanzierung durch Banken eine hinreichende Rolle spielt. In Japan wie in Deutschland kam dem Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle hingegen bis in die jüngere Vergangenheit eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Dies lag zum einen am hohen Anteil der Bankkredite an der Fremdfinanzierung, zum anderen an den Aktionärsstrukturen.433 In Japan führte das System der keiretsu mit seinem hohen Anteil an von Unternehmen und Banken als passiven Anlegern gehaltenen Anteilen dazu, dass ein erheblicher Teil der Aktien nicht gehandelt wurde. Reagiert der Markt im Falle schlechter Performance der Unternehmensleitung nur eingeschränkt mit einem Marktausstieg durch den Verkauf von Aktien, entfallen auch seine Kontrollfunktion und zudem der Druck feindlicher Übernahmen.434 Während diese in der Vorkriegszeit häufiger vorkamen, waren sie in der Nachkriegszeit bis zum Platzen der Wirtschaftsblase faktisch nicht existent. 435 Seit diesem Zeitpunkt ist es zu einer gewissen Belebung des Kapitalmarkts gekommen. Mit der Auflösung der keiretsu insbesondere bei den großen UnSiehe auch R. J. GILSON / M. J. ROE, Yale L J 102 (1993) 871, 893 f. E. F. FAMA / M. C. JENSEN, J L & Econ 26 (1983) 301, 313. 432 Siehe dazu auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 11; vgl. S. KOZUKA, Conclusions, 228, 243; E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67. 433 Zur Bedeutung der Bankenfinanzierung siehe bereits oben 2. und zu den Aktionärsstrukturen eingehend oben B. Vgl. auch H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 2–6; S. K. VOGEL, Japan Remodeled, 9; O. KIRCHWEHM, Reformen, 12–14. 434 E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 84; C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent boards, 188, 192. 435 Zur Vorkriegszeit E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 69 und zur Nachrkiegszeit ibid., 73–75; H. BAUM, Unternehmenskontrolle, 325, 330; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 4; zur diese Situation begünstigenden Rechtsprechung siehe auch H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 100 f. 430 431

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

ternehmen hat die Bedeutung der Finanzierung über den Kapitalmarkt für diese zu- und die Abschottung des Managements von potentiellen Übernahmen abgenommen. Zugleich strebt die Regierung mit ihren Reformen an, den Finanzstandort Japan zu stärken und Investitionen zu fördern. 436 Der stark gestiegene Anteil ausländischer Investoren in den großen Unternehmen, ihr Stimmverhalten und ihre Anforderungen an die Corporate Governance der Unternehmen haben bereits dazu geführt, dass diese deren Interessen verstärkt berücksichtigen müssen.437 c) Der Markt für Unternehmenskontrolle Von der Notwendigkeit, auf die Interessen vor allem der ausländischen Anleger einzugehen, ist jedoch die Frage zu trennen, ob die disziplinierende Wirkung der realen Gefahr einer Übernahme besteht.438 Das Argument, in Japan sei kein Übernahmemarkt zur Ressourcenallokation erforderlich, ist spätestens mit der Entwicklung in Richtung Streubesitz jedenfalls bei den großen Unternehmen sowie in Anbetracht einer weiter stagnierenden Wirtschaft hinfällig.439 Tatsächlich ist es auch zu einer gewissen Aktivierung des Markts für Unternehmenskontrolle und einigen Übernahmeversuchen gekommen. 440 Wie auch die Haftung der Direktoren441 wurde die weitere Entwicklung des Übernahmerechts der Rechtsprechung überlassen, welche die Interessen der Aktionäre in den Mittelpunkt stellte.442 Im Livedoor-Fall entwickelte sie die Regel, dass Abwehrmaßahmen gegen feindliche Übernahmen grundsätzlich unzulässig und nur dann ausnahmsweise zulässig sind, wenn dies den gemeinsamen Interessen der Aktionäre entspricht. 443 Gesetzliche Änderungen 436

5, 8 f.

Vgl. H. BAUM, Unternehmenskontrolle, 325, 331 f.; S. KOZUKA, ZJapanR 21 (2006)

Siehe oben C. II.2. R. DORE, Insider Management, 370, 387–389. 439 Darüber hinaus kann das Argument jedoch auch im Falle verflochtener Aktionärsstrukturen nicht überzeugen. Hier fehlt es mit den passiven und kooperierenden Aktionären gerade an einer Kontrolle. H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 106 f.; siehe auch DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 352 f. 440 Siehe dazu eingehend H. BAUM, Unternehmenskontrolle, 325, 332–340; H. BAUM /  M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 10–28 sowie S. KOZUKA, ZJapanR 21 (2006) 5 ff., die von zwei Phasen gesteigerter Übernahmeaktivität sprechen: Ende der 80er Jahre und ab Mitte des ersten Jahrzehnts nach der Jahrtausendwende. 441 Siehe dazu, insbesondere auch zur japanischen Verison der business judgment rule, oben 1. 442 S. KOZUKA, Conclusions, 228, 243. Zur Entwicklung der übernahmerechtlichen Vorschriften siehe H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 99 sowie eingehend H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 32–39. 443 OG Tōkyō, Entscheidung vom 23.3.2005, Hanrei Jihō 1899 (2005) 56, 63; zum Livedoor-Fall siehe E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 76–78; H. BAUM, 437 438

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wie die 2005 eingeführte Möglichkeit, das Direktorium jederzeit und damit auch nach einer Übernahme mit einfacher Mehrheit abzuwählen, erleichtern feindliche Übernahmen mit dem Ziel des Austauschs der Geschäftsführung zusätzlich.444 In der Bewertung dieser Entwicklung und der Rolle des Marktes für Unternehmenskontrolle für das Performance-Monitoring ist jedoch nach wie vor Zurückhaltung angebracht. Auch wenn die gestiegene Zahl an Übernahmeversuchen ein gewisses Drohpotential entwickelt, dürfte dieses bislang allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. So ist es anders als in Deutschland bislang noch zu keiner einzigen erfolgreichen genuin feindlichen Übernahme gekommen.445 Für diese Entwicklung sind sowohl das Verhalten der Aktionäre als auch die Rechtsprechung verantwortlich. Die anlegerorientierte und damit vermeintlich übernahmefreundliche Rechtsprechung darf nicht isoliert betrachtet werden. 446 Die Übernahmeversuche scheiterten in der Regel daran, dass sich die in diesen Gesellschaften nach wie vor zahlreichen kooperierenden Aktionäre (antei kabunushi) auf die Seite des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft stellten. 447 Zwar werden in jüngster Zeit Abwehrmechanismen vermehrt abgebaut. Zwischenzeitlich hatten die Unternehmen jedoch unter anderem damit begonnen, den Grad der wechselseitigen Beteiligungen wieder zu erhöhen. 448 Doch auch außerhalb dieser Unternehmensgruppen scheint bei den japanischen Anlegern das Streben nach Gewinnmaximierung jedenfalls nicht der einzige Leitgedanke zu sein. Vielmehr lässt sich bei individuellen wie auch institutionellen Anlegern nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung gegenüber feindlichen Übernahmen und eine Orientierung auch an den Interessen der anderen Stakeholder erkennen.449 Unternehmenskontrolle, 325, 337–339; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 25–28; S. KOZUKA, ZJapanR 21 (2006) 5, 12–14. Auf gesetzlicher Ebene stehen weder das Kapitalmarkt-, noch das Gesellschaftsrecht dem Ergreifen von Abwehrmaßnahmen im Weg, H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 100. Eingehend zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Unternehmensübernahmen DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 340–352. 444 So auch O. KIRCHWEHM, Reformen, 171 f. Zu diesem Recht der Aktionäre siehe bereits oben I.6.a). 445 H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 88 f.; vgl. H. BAUM, Unternehmenskontrolle, 325, 333; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 12. Buchanan, Chai und Deakin kommen in ihrer umfassenden Analyse zur Aktivität von Hedge Funds in Japan ebenfalls zu dem Ergebnis, dass diese einen vergleichsweise schwachen Einfluss auf die Überwachung des Managements gehabt hat, J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, zusammenfassend 304–310. 446 Vgl. S. KOZUKA, Conclusions, 228, 244. 447 H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 91. vgl. DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 329– 331; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 17. Zu den kooperierenden Aktionären siehe bereits oben B. II. 448 Siehe oben B. III., insb. Fn. 117. 449 Vgl. S. KOZUKA, Conclusions, 228, 243 f. Siehe zudem bereits C.2.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

Darüber hinaus betont auch die Rechtsprechung in letzter Zeit wieder verstärkt Elemente eines Stakeholder-Ansatzes. Im Bulldog Sauce-Fall wird bei der Bewertung der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen zwar die Steigerung des Unternehmenswertes als legitime Aufgabe eines Unternehmens anerkannt, jedoch neben die Interessen der übrigen Stakeholder gestellt und das Konzept des Unternehmens als Einheit aller Stakeholder betont.450 Auch die Richtlinien des Wirtschafts- und des Justizministeriums zur Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen sprechen von den „Interessen der Aktionäre“, fassen in den Erläuterungen unter diese jedoch auch die Interessen der übrigen Stakeholder.451 Während sich Deutschland bei der Ausgestaltung seines Übernahmerechts am Vereinigten Königreich orientierte, nahm sich Japan hier – anders als beispielsweise bei der Kodex-Regulierung – die USA zum Vorbild.452 Dabei trifft jedoch insbesondere die Ermöglichung von Abwehrmaßnahmen auf ein gänzlich anderes institutionelles Umfeld.453 Insgesamt scheinen die verschiedenen Stakeholder, einschließlich der nationalen Anleger, dem Erhalt der Gesellschaft als Organisationseinheit nach wie vor einen höheren Stellenwert beizumessen als einer möglichen Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung durch eine Übernahme.454 4. Die Wirtschaftsverwaltung Politik, Bürokratie und Wirtschaft sind in Japan traditionell eng miteinander verflochten (sog. iron triangle).455 Auf der einen Seite nimmt die Verwaltung OG Tōkyō, Beschluss vom 9.7.2007, Shōji Hōmu 1806 (2007) 40, 47. Auch in diesem Fall hatten die Aktionäre mehrheitlich für das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen gestimmt. Zum Bulldog Sauce-Fall siehe E. TAKAHASHI, Unternehmensübernahmen, 67, 79–81; H. BAUM, Unternehmenskontrolle, 325, 349 f.; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 24 und 147–150 sowie eingehend N. HANSEN, ZJapanR 26 (2008) 139 ff. 451 Die beiden Ministerien gaben auf Initiative des METI im Jahr 2005 Empfehlungen zu zulässigen Abwehrmaßnahmen heraus. Zu den Empfehlungen siehe H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 102–104; DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 348 f.; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 140–146. A. A. hinsichtlich der Bedeutung der Interessen der übrigen Stakeholder in Rechstprechung und Empfehlungen wohl S. KOZUKA, ZJapanR 21 (2006) 5, 15. 452 H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 94 f. mit Erklärung der beiden sich vom Grundansatz unterscheidenden Regelungsmodelle, 92–95; siehe auch DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 340 f.; H. BAUM / M. SAITŌ, Übernahmerecht, Rn. 40–43. 453 Vgl. dazu H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 103–107; C. J. MILHAUPT, ZJapanR 21 (2006) 199, 201. 454 H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 91 und eingehend J. BUCHANAN / D. H. CHAI /  S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, zusammenfassend 297–304; vgl. auch N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80. Prof. Harald Baum wendet sich dabei gegen den Versuch der Regulierung mit dem Ziel, „schlechte Übernahmen“ im Vorhinein zu verhindern: H. BAUM, Übernahmerecht, 87, 105 f.; DERS., Unternehmenskontrolle, 325, 350 f. 450

D. Konkurrierende Instrumente

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über Rechtsverordnungen, Verwaltungsanweisungen sowie informelle Instrumente wie „Verwaltungsleitlinien“ Einfluss auf die Unternehmen. Letzterem Instrument kommt zwar keine rechtliche, jedoch faktische Bindungswirkung zu, da die Unternehmen den Leitlinien in aller Regel entsprechen. 456 Auf der anderen Seite sind die Unternehmen in die staatliche Entscheidungsfindung in erheblichem Umfang eingebunden. Insbesondere bestehen auch institutionalisierte persönliche Verflechtungen über das tief verankerte System des amakudari (wörtlich: Abstieg vom Himmel), bei dem hochrangige Beamte in die Privatwirtschaft wechseln. 457 Zudem können beispielsweise Behördenvertreter nach einer zweijährigen Cooling Off-Phase Abschlussprüfer einer Gesellchaft werden, mit der sie zuvor in engem Kontakt standen.458 Diese enge Beziehung wurde zu Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs allgemein positiv bewertet, ist jedoch mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation zunehmen in die Kritik geraten. Zwar kommt insbesondere MOF und METI bei der Regulierung und Überwachung eine große Bedeutung zu. Diese beschränkt sich jedoch weitgehend auf die regulierten Industrien wie etwa den Finanzsektor. Darüber hinaus kann die Verwaltung bei der Umstrukturierung eines Industriezweigs eine Rolle spielen. Hierbei handelt es sich jedoch um spezielle Einzelfälle, in denen auf der Makro-Ebene in die Unternehmensstrukturen eingegriffen wird und die keine direkte Relevanz für die Überwachung von Performance und Compliance der einzelnen Unternehmen haben.459 III. Schlussfolgerungen Der vorangehende Abschnitt hat sich mit den konkurrierenden Instrumenten beschäftigt, die Aufgaben übernehmen, die international externen und unabhängigen Direktoren zugeschrieben werden. Der Schwerpunkt liegt dabei klar auf der Monitoring-Funktion. Es ist deutlich geworden, dass sowohl hinsichtlich des Compliance- wie auch des Performance-Monitorings auch nach den jüngsten Reformen Defizite bestehen. Diese sind eng verwoben mit dem System der „japanischen Unternehmung“. Problematisch sind selten fehlende Kompetenzen, sondern 455 Zur engen Verbindung von Politik, Bürokratie und Wirtschaft und dem Regulierungsmodell der administrativen ex ante-Regulierung der Nachkriegszeit bis zum Platzen der Wirtschaftsblase siehe eingehend H. BAUM / M. BÄLZ, Rechtsentwicklung, Rn. 52–64; vgl. zum Folgenden H. BAUM, RabelsZ 62 (1998) 739, 766 f. und 769–772; O. KIRCHWEHM, Reformen, 31 f.; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 116–118. 456 Zur „informellen Verwaltungslenkung“ siehe eindrücklich H. BAUM, Unternehmenserwerb, 87, 108–111. 457 Siehe dazu jüngst umfassend C. P.A. JONES, ZJapanR 40 (2015) 1 ff. 458 Siehe dazu oben I.5. 459 Gespräch des Verfassers mit Prof. Souichirou Kozuka an der Gakushūin Universität in Tōkyō am 19.5.2015.

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3. Kapitel – Der unabhängige Direktor: strukturelle Faktoren

vielmehr eine unzureichende Unabhängigkeit sowie teilweise Qualifikation, vor allem aber eine zu passive Aufgabenwahrnehmung durch die Kontrollinstanzen. Noch 2002 sprach etwa Harald Baum zu Recht von einem „Funktionsverlust“ der Überwachungsorgane. 460 Die jüngsten Reformen haben Verbesserungen etwa im Bereich der Unabhängigkeit der Prüfer oder einer Reaktivierung der Bedeutung der Hauptversammlung gebracht, bleiben aber bislang hinter den Erwartungen zurück. Der wirtschaftliche Erfolg japanischer Unternehmen während der Zeit des Aufschwungs spricht dafür, dass zumindest hinsichtlich einer Leistungsüberwachung andere als die gesetzlich vorgesehenen Mechanismen effektiv gewirkt haben. 461 Dies gilt jedenfalls sofern man nicht der Corporate Governance jeden Einfluss auf den Unternehmenserfolg absprechen möchte. Die Frage, wie genau diese alternative Kontrolle aussah und warum sie seit Platzen der Wirtschaftsblase im heutigen Umfeld ganz offensichtlich nicht mehr funktioniert, ist höchst komplex und konnte hier nur angerissen werden. Ein Zusammenhang mit dem zunehmenden Rückgang der wechselseitigen Beteiligungen sowie den gewandelten Aktionärsstrukturen und damit der Erschütterung eines Teils der Grundfeste der japanischen Unternehmung liegt nahe. Zugleich schafft diese Entwicklung Raum für und auch Bedarf an einem neuen Ansatz der Unternehmensüberwachung. Allein die soziale Kontrolle innerhalb der japanischen Unternehmen scheint jedenfalls heutzutage keine hinreichenden Anreize zu bieten. Zudem kann sie das Problem des mangelnden „Blicks nach außen“ und „Inputs von außen“ nicht lösen.

E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung

Seit der Reform 2001/2002 hatten japanische Aktiengesellschaften die Wahl zwischen der Ausgestaltung als Gesellschaft mit Prüferrat (ManagementModell) sowie einer Organisation als Gesellschaft mit Ausschüssen (Monitoring-Modell). Während erstere das traditionelle Modell darstellt, ist letztere klar monistisch strukturiert und setzt auf mehrheitlich extern, wenn auch nicht zwingend unabhängig besetzte Ausschüsse. Mit der 2015 in Kraft getretenen jüngsten Reform ist eine dritte, „hybride“ Organisationsverfassung hinzugekommen. Je nach Ausgestaltung nähert sie sich einem der beiden anderen Modelle an. Doch auch abseits der Grundstrukturen der Aktiengesellschaft haben sich die strukturellen Faktoren für die Rezeption des Instruments der UnabhänH. BAUM, Handelsgesetz, 1, 24 f.; siehe auch DERS., RabelsZ 62 (1998) 739, 745 f. Vgl. H. BAUM, Marktzugang, 86–90; DERS., RabelsZ 62 (1998) 739, 746 ff.; H. BAUM / E. TAKAHASHI, Commercial and Corporate Law, 330, 395; C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 56 f. 460 461

E. Zusammenfassung

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gigkeit in den letzten Jahren in erheblichem Umfang zu wandeln begonnen. Die Überkreuzverflechtungen und der Einfluss der Banken sind jedenfalls bei den großen Unternehmen deutlich zurückgegangen. Demgegenüber ist der Anteil ausländischer, insbesondere institutioneller Investoren, die ihre Interessen im Verwaltungsrat vertreten wissen wollen, stark gestiegen. Zusammen mit dem erheblichen Druck der wirtschaftlichen Stagnation sowie der Reformen auf Gesetzes-, Börsen- und Kodex-Ebene haben die gewandelten Aktionärsstrukturen mittel- bis langfristig das Potential, auch auf das Unternehmensverständnis durchzuschlagen. Ein Umdenken unter den verschiedenen Stakeholdern ist elementare Voraussetzung für die Implementierung externer und unabhängiger Direktoren und einen Wandel der Corporate Governance. Dass ein solcher erforderlich ist, zeigt ein Blick auf die traditionellen, konkurrierenden Überwachungsinstrumente. Diese sind sowohl unter dem Gesichtspunkt der Compliance als auch der Performance zumindest im heutigen Umfeld defizitär. Bislang zeigen sich jedoch nur erste Anzeichen für eine aktivere Rolle der Aktionäre und ein Aufbrechen des Insider-basierten und nach außen abgeschlossenen Systems der japanischen Unternehmung. Wie das Beispiel der Aktionärsklage zeigt, kann bei legal transplants auch oder gerade in Japan nicht davon ausgegangen werden, dass diese eins zu eins so funktionieren wie im Ursprungsland. Vielmehr spielen die institutionellen Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle dafür, wie sich ein einzelner Mechanismus in das Gesamtgefüge der Corporate Governance einfügt. 462 Dies gilt umso mehr, als bereits das erste Kapitel gezeigt hat, dass es „den“ unabhängigen Direktor nicht gibt. Die Erkenntnisse dieses Kapitels zu den Grundstrukturen der japanischen Aktiengesellschaft sowie zu Aktionärsstrukturen, Unternehmensverständnis und konkurrierenden Instrumenten bilden daher das Fundament für die Beschäftigung mit der Ausgestaltung des Unabhängigkeitsmodells im folgenden vierten Kapitel.

462 Ähnliches zeigt die Erfahrung mit der Rezeption der duty of loyalty, H. KANDA /  C. J. MILHAUPT, Legal Transplants, 437, 438; C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 60 f.

4. Kapitel

Der unabhängige Direktor in der japanischen Corporate Governance: Ausgestaltung 4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Nachdem im dritten Kapitel mit den strukturellen Faktoren die lokalen Rahmenbedingungen im Fokus standen, wird im vierten Kapitel die Ausgestaltung des independent director im japanischen Kontext untersucht. Um den gegenwärtigen Stand der Rezeption besser nachvollziehen zu können, steht am Beginn der Betrachtung eine Metaanalyse der bislang recht spärlichen Anzahl empirischer Untersuchungen zu den Auswirkungen der Ernennung externer, nicht notwendigerweise unabhängiger Direktoren in Japan (A.). Im Anschluss wird der politische Hintergrund der jüngsten Reform des Gesellschaftsgesetzes näher beleuchtet (B.). Darauf baut die Auseinandersetzung mit den einzelnen Aspekten der Ausgestaltung auf: der rechtstechnischen Umsetzung des Unabhängigkeitsansatzes in Gesetz, Börsenregelungen und Kodex (C.), dem Unabhängigkeitsbegriff (D.), den Funktionen externer bzw. unabhängiger Direktoren (E.), den Anforderungen an ihre Qualifikation (F.) sowie den Anreizstrukturen (G.). Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst (H.).

A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen zu externen Direktoren in Japan A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen

Die theoretische Diskussion um die Rolle und Zusammensetzung des Verwaltungsrats und die Überwachungsstrukturen in- und außerhalb des Unternehmens bildet die Grundlage jeder Corporate Governance-Reform. Jedoch sollten empirische Untersuchungen, die die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen in der Praxis untersuchen, keinesfalls außen vor bleiben. Sie bilden den Gradmesser für den Erfolg vergangener Reformen und lassen Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten künftiger Vorhaben zu. Ziel insbesondere der jüngsten Reformen war die Verbesserung der Überwachung der Geschäftsführung und daraus resultierend eine Steigerung der Unternehmensleistung. Die entscheidenden Fragen lauten daher, ob erstens empirische Untersuchungen belegen, dass die Ernennung eines oder mehrerer externer oder unabhängiger Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat zu einer gesteigerten Unternehmensleistung führt, und zweitens, ob die beiden

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Organisationsformen mit einem bzw. mehreren Ausschüssen gegenüber derjenigen mit Prüferrat zu einer gesteigerten Unternehmensleistung führen. Die Zahl empirischer Studien zu diesen Fragestellungen ist bislang gering.1 Zudem beziehen sie sich ausnahmslos auf die Auswirkung der Ernennung externer Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat und damit auf die erste der beiden Fragen. Zwischen externen und unabhängigen Direktoren wurde bislang ebenso wenig unterschieden. Die bisherigen Studien können daher nur erste Hinweise liefern. Der Gesetzgebungsrat jedoch scheint nicht einmal die vorhandenen Untersuchungen bei den Beratungen zur jüngsten Reform vollständig ausgewertet zu haben.2 Yoshiro Miwa und Mark J. Ramseyer veröffentlichten soweit ersichtlich im Jahr 2005 die erste Studie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen externen Direktoren und der Unternehmensleistung beschäftigt.3 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass kein Zusammenhang zwischen der Ernennung externer Direktoren und der Unternehmensleistung besteht. Vielmehr sorgten Marktkräfte dafür, dass sich die Zusammensetzung der Verwaltungsräte nach den jeweiligen Unternehmens-Charakteristika richte, woraus sie auf eine aus Sicht der Unternehmensleistung optimale Zusammensetzung schließen.4 Die Relevanz dieser Untersuchungsergebnisse für die heutige Diskussion lässt sich zum einen deshalb hinterfragen, weil sich die Studie auf Daten aus den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts stützt.5 Seitdem haben sich die Faktoren sowie die Ausgestaltung des Instruments externer bzw. unabhängiger Direktoren massiv verändert. Die Auswirkungen auf die Leistung der Unternehmen können im heutigen Umfeld ganz andere sein. Zum anderen lassen sich auch die Methoden der Untersuchung in zweierlei Hinsicht kritisieren.6 Erstens wird nicht untersucht, ob die Auswirkungen der Ernennung externer Verwaltungsratsmitglieder im Zusammenhang mit bestimmten Unternehmenscharakteristika stehen. Ein bloßer Vergleich von Unternehmen mit und ohne bzw. mehr oder weniger externen Direktoren allein ist nicht zielführend, um deren Effektivität zu untersuchen. Zweitens kann von der Annahme, 1 In englischer Sprache scheint es nur die Untersuchung von Liu, Liu und Uchida zu geben, C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent directors, 188 ff., sowie die Analysen von Takuji Saitō, T. SAITŌ, Boards und DERS., Determinants. Die Untersuchungen auf Japanisch sind etwas zahlreicher. Goto, Matsunaka und Kozuka bieten zudem einen guten englischsprachigen Überblick über die japanische Literatur, G. GOTO / M. MATSUNAKA /  S. KOZUKA, Gradual Reception, III.1. (Für eine Zusammenfassung bisheriger Untersuchungen auf Japanisch siehe K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 9–11 sowie K. UCHIDA, Shōji Hōmu 2007 (2013) 41 ff.) Die folgende Darstellung stützt sich auf diese Zusammenfassung und bezieht weitere Quellen mit ein. 2 Zum politischen Hintergrund und den Beratungen im Ausschuss siehe unten B. 3 Y. MIWA / J. M. RAMSEYER, JEMS 14 (2005) 299 ff. 4 Y. MIWA / J. M. RAMSEYER, JEMS 14 (2005) 299, 333. 5 Vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.1.a. 6 Vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.1.a. und b.

A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen

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dass sich die Zusammensetzung der Verwaltungsräte nach bestimmten Charakteristika der Unternehmen richtet, nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass dies auch die für die Überwachung der Geschäftsführung und die Unternehmensleistung optimale Zusammensetzung ist. Im Folgenden werden die Ergebnisse einiger jüngerer empirischer Untersuchungen kritisch hinterfragt. In Anlehnung an die beiden Ergebnisse der Studie Miwas und Ramseyers werden zunächst Arbeiten ausgewertet, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und wie sich die Einführung externer Direktoren in Abhängigkeit von bestimmten Unternehmenscharakteristika auf die Unternehmensleistung auswirkt (I.). Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie sich bestimmte Unternehmenscharakteristika auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats auswirken (II.). Abschließend werden die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen zusammengefasst und bewertet (III.). I.

Externe Direktoren und Unternehmensleistung

Die Untersuchungsgegenstände empirischer Untersuchungen zur Ernennung externer Direktoren in Gesellschaften mit Prüferrat lassen sich aufteilen in die Auswirkungen der Ernennung auf den Aktienwert und die operative Leistung des Unternehmens sowie die Auswirkungen auf das Verhalten des Verwaltungsrats im Einzelnen. Eine Besonderheit der Studien zu Japan ist, dass – anders als etwa bei Studien jüngeren Datums zu den USA – reine InsiderBoards mit solchen mit mindestens einem externen Mitglied verglichen werden konnten. 7 Damit lässt sich nicht nur untersuchen, wie sich ein höherer Anteil externer Direktoren auswirkt, sondern ob die Ernennung des ersten nicht internen Direktors und damit das formale „Aufbrechen“ des traditionellen Systems zu messbaren Unterschieden führt. 1. Unternehmenswert und operative Leistung Takuji Saitō (2012a) kommt zu dem Ergebnis, dass die Ernennung des ersten externen Direktors in rein internen Verwaltungsräten einen signifikant positiven Einfluss auf den Unternehmenswert und die operative Leistung hat. Die Ernennung weiterer externer Direktoren zeige hingegen nur insignifikante Auswirkungen.8 Erstaunlich ist dabei, dass bereits ein externer Direktor einen Einfluss auf die große Mehrheit an Insidern zu haben scheint.9 Konari Uchida (2009) kommt in einer Untersuchung hinsichtlich der operativen Leistung zu demselben Schluss wie Saitō.10 In einer späteren Studie aus dem Jahr 2012 7 T. SAITŌ, Boards, 1 und 30. Mittlerweile hat ein ganz großer Teil der börsennotierten Gesellschaften zumindest einen externen Direktor ernannt, siehe unten C. IV.2. 8 T. SAITŌ, Boards, 2 f. und 29 f., im Einzelnen 10–21. Die Untersuchungen basieren auf Daten 483 großer Publikumsgesellschaften von 1996 bis 2006, ibid., 2. 9 T. SAITŌ, Boards, 4 und 29 f., im Einzelnen 10–21. 10 K. UCHIDA, Shōji Hōmu 1874 (2009) 15, 20 f.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

macht er darüber hinaus aber auch einen positiven Einfluss der Erhöhung des Anteils externer Direktoren aus. Dies gelte allerdings nur für Unternehmen, deren Eigentum durch einen hohen Grad an Überkreuzverflechtung und einen geringen Anteil ausländischer Aktionäre gekennzeichnet ist. Im Umkehrschluss ergebe sich für Unternehmen mit einem hohen Anteil ausländischer Aktionäre ein negatives Ergebnis. 11 Der Autor sieht demzufolge die Unabhängigkeit des Boards nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung der traditionellen Strukturen. Hideaki Miyajima und Ryō Ogawa (2012) finden demgegenüber allgemein keinen, für Unternehmen mit geringen Informationsbeschaffungskosten für Externe jedoch einen klar positiven Einfluss der Ernennung des ersten sowie der Erhöhung der Zahl externer Direktoren.12 2. Konkretes Verhalten des Verwaltungsrats Neben der Ernennung externer Verwaltungsratsmitglieder wirken sich viele weitere Faktoren auf die Unternehmensleistung aus. Diese können in den Untersuchungen nicht vollständig berücksichtigt werden, sodass die Frage der Kausalität praktisch nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden kann.13 Demgegenüber lassen sich die Auswirkungen der Ernennung externer Direktoren auf einzelne Handlungen des Verwaltungsrats eindeutiger nachvollziehen. Beispielsweise kommt Saitō (2012a) in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Ernennung des ersten externen Direktors einen positiven Einfluss auf die Genauigkeit der Umsatz- und Ergebnisprognose des Unternehmens hat.14 Hinsichtlich des Einflusses externer Direktoren auf den Zusammenhang zwischen Verschlechterung der Unternehmensleistung und Wechsel des Managements – gemessen am Wechsel des CEO (sog. turnover) – sind die Ergebnisse der vorhandenen Studien allerdings nicht eindeutig. Während Saitō zu dem Schluss kommt, dass bereits die Ernennung des ersten externen Direktors – und zugleich auch nur diese – zu einer höheren Wahrscheinlichkeit führt, dass das Management ausgetauscht wird,15 sehen Chunyan Liu, Jianlei Liu und Konari Uchida (2011) diesen Effekt erst ab einer Mehrzahl externer Direktoren16 und Miyajima und Ogawa finden gar keinen signifikanten Zusammenhang.17 11 K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 17, im Einzelnen 15–17. Die Untersuchungen basieren auf Daten aller börsennotierten Unternehmen von Ende 2002 bis Anfang 2011, ibid., 11. Uchida spricht zwar von der Erhöhung der Unabhängigkeit, meint in der Sache jedoch die Ernennung externer Direktoren und nicht solcher, die darüber hinausgehenden Unabhängigkeitsanforderungen entsprechen. 12 H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 93, im Einzelnen 89–93. 13 Vgl. T. SAITŌ, Boards, 3. 14 T. SAITŌ, Boards, 3 f. und 29 f., im Einzelnen 21–29. 15 T. SAITŌ, Boards, 3 f. und 29 f., im Einzelnen 21–29. 16 C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent directors, 188 und 209 f., im Einzelnen 199– 209. Die Autoren untersuchten Daten für das Finanzjahr 2008, welches im März 2009

A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen

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Liu, Liu und Uchida stellen zudem fest, dass die Ernennung einer Mehrzahl externer Direktoren eine geringere Wahrscheinlichkeit dafür zur Folge hat, dass bei schlechter Unternehmensleistung die Dividenden gekürzt werden. 18 Sie schließen daraus, dass externe Direktoren das Management aus Sicht der Aktionäre überwachen.19 In eine ähnliche Richtung gehen die Ergebnisse Naohito Abes und Satoshi Shimizutanis (2005), welche die Auswirkungen der Aktionärsstruktur und der Zusammensetzung des Verwaltungsrats auf Maßnahmen zur Senkung der Personalkosten untersucht haben. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Externe eher zu einer Verringerung der Arbeitnehmerzahl tendieren, während Insider die Zahl der Arbeitnehmer halten, um diese zu schützen. Dieses Ergebnis bringen sie mit einer stärkeren Profit- und Anlegerorientierung in Zusammenhang.20 3. Zwischenergebnis Die Ergebnisse der wenigen bislang vorhandenen empirischen Analysen deuten darauf hin, dass die Ernennung eines externen Direktors und möglicherweise auch die Erhöhung des Anteils externer Direktoren jedenfalls für Unternehmen mit bestimmten Charakteristika zu einer Steigerung der Unternehmensleistung führen könnte. Auch zwischen der Ernennung externer Direktoren und dem konkreten Verhalten des Verwaltungsrats könnte ein Zusammenhang bestehen. Den bisherigen Analysen zufolge könnten sie zu Entscheidungen führen, die sich stärker an der Unternehmensleistung und den Interessen der Aktionäre orientieren. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass die Ernennung externer Direktoren – unabhängig davon, ob sie bereits im Durchschnitt aller Unternehmen oder erst unter Berücksichtigung bestimmter Unternehmenscharakteristika zu einer Verbesserung der Unternehmensleistung führt – sich keinesfalls in allen Unternehmen positiv auszuwirken scheint. 21 II. Unternehmenscharakteristika und Zusammensetzung des Verwaltungsrats An die Frage der Auswirkungen der Ernennung externer Direktoren auf die Unternehmensleistung schließt sich die Frage danach an, wie sich bestimmte endete, ibid., 188 und 193. Sie geben zu bedenken, dass sie in einer Studie für das Jahr 2007 nicht zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind, was nahe lege, dass die externen Direktoren die genannte Funktion nur im Falle heftiger Interessenkonflikte zwischen Aktionären und anderen Stakeholdern – wie zur Finanzkrise – erfüllen, ibid., 209. 17 H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 91. 18 C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent directors, 188 und 209 f., im Einzelnen 199– 209. Zur Beschränkung der Ergebnisse auf Krisenzeiten siehe oben Fn. 16. 19 C. LIU / J. LIU / K. UCHIDA, Independent directors, 188, 204. 20 N. ABE / S. SHIMIZUTANI, Employment Policy, 16 f., im Einzelnen 13–16. 21 Diesen Schluss zieht auch K. UCHIDA, Shōji Hōmu 2007 (2013) 41, 42.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Charakteristika der Unternehmen auf die Zusammensetzung der Verwaltungsräte in Gesellschaften mit Prüferrat auswirken. Verfügen diese ohnehin über eine aus Sicht der Unternehmensleistung optimale Zusammensetzung, so wäre unter diesem Gesichtspunkt eine Regelung, welche die Einsetzung externer Direktoren befördert oder gar erzwingt, nicht sinnvoll. 22 Allerdings kommen sowohl Saitō (2012b) 23 als auch Miyajima und Ogawa 24 in ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass japanische Verwaltungsräte insgesamt nicht optimal zusammengesetzt sind.25 Die Aussage Saitōs, das Management schirme sich von einer effektiven Kontrolle durch externe Direktoren ab, entspricht den Erkenntnissen dieser Arbeit zu den bisherigen Unternehmensstrukturen in der traditionellen Organisationsverfassung. Unternehmen mit geringen Informationsbeschaffungskosten für Externe und einem erhöhten Überwachungsbedarf tendierten dazu, seltener einen externen Direktor zu ernennen und weniger externe Direktoren zu ernennen als Unternehmen mit hohen Informationsbeschaffungskosten und einem geringeren Überwachungsbedarf. Gerade diejenigen Unternehmen, die davon einen Nutzen hätten, verfügten demnach über weniger externe Verwaltungsräte.26 Insbesondere kommt der Autor zu dem Schluss, dass sich die Verwaltungsräte in den letzten Jahren noch weiter von einer optimalen Zusammensetzung entfernt haben. Zwar sei die Zahl externer Direktoren insgesamt gestiegen, gerade die Verwaltungsräte in Unternehmen mit geringen Informationsbeschaffungskosten und einem erhöhten Überwachungsbedarf seien jedoch seit der Reform 2001/2002 weniger unabhängig vom Management als zuvor.27 Miyajima und Ogawa kommen hinsichtlich der Informationsbeschaffungskosten zu demselben und hinsichtlich des Überwachungsbedarfs zu einem differenzierten Ergebnis. Bei größerem Markteinfluss richte sich die Zusammensetzung eher nach dem Überwachungsbedarf des Unternehmens. Gleichzeitig führe eine Verschlechterung der Unternehmensleistung eher zu einer Zunahme der Zahl externer Direktoren als bei Unternehmen, die unter einem geringeren Einfluss des Marktes stehen. Daraus schließen die Autoren, dass bei einem hohen Anteil an Insider-Eigentum der Anteil externer Direktoren geringer sein könnte als für eine optimale Zusammensetzung erforderlich.28 K. UCHIDA, Shōji Hōmu 2007 (2013) 41, 44. T. SAITŌ, Determinants. Die Untersuchungen basieren auf Daten 500 großer Publikumsgesellschaften von 1997 bis 2008, ibid., 3. 24 H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81 ff. 25 T. SAITŌ, Determinants, 4 und 27. 26 T. SAITŌ, Determinants, 3 f. und 27, im Einzelnen 17–26. Die Ergebnisse fallen noch eindeutiger aus, wenn die Definition für „extern“ enger gefasst wird als diejenige des GesG und erhebliche Geschäftsbeziehungen ausschließt, ibid., 22 f. 27 T. SAITŌ, Determinants, 4 und 27, im Einzelnen 25 f. 28 H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 93, im Einzelnen 83–89. Eine hohe Zahl institutioneller Anleger führe hingegen eher dazu, dass sich die Zusammen22 23

A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen

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Nach Saitō und Uchida ernennen gerade Unternehmen mit einem höheren Anteil ausländischer Aktionäre eher externe Direktoren, wobei Uchida diesen Trend auch für Unternehmen mit einem geringen Grad an Überkreuzverflechtung ausmacht. 29 Berücksichtigt man die Ergebnisse der Untersuchungen Miyajimas und Ogawas, müssten diese Verwaltungsräte aufgrund des Markteinflusses nahe am Optimum zusammengesetzt sein. Dem scheint jedoch die oben unter 1. genannte Analyse Uchidas zu widersprechen, nach der gerade diese Unternehmen mit der Ernennung externer Direktoren keine Steigerung der Unternehmensleistung verzeichnen.30 Insgesamt deuten die bisherigen Untersuchungen darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Analysen zum Einfluss externer Direktoren auf die Unternehmensleistung die japanischen Verwaltungsräte insgesamt nicht optimal besetzt sind. Gerade Unternehmen mit geringen Informationsbeschaffungskosten verfügen wohl nicht über hinreichend unabhängige Verwaltungsräte. Zudem scheint dies zumindest bei einem hohen Grad an Insider-Eigentum auch für Unternehmen mit einem hohen Überwachungsbedarf zu gelten. Unternehmen mit einem hohen Anteil ausländischer Aktionäre verfügen den Untersuchungen zufolge eher über unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensleistung optimal zusammengesetzte Verwaltungsräte und ernennen zudem verhältnismäßig viele externe Direktoren. Diesem Ergebnis widerspricht jedoch immerhin eine Untersuchung, der zufolge gerade bei diesen Unternehmen mit der Erhöhung der Unabhängigkeit des Verwaltungsrats keine Leistungssteigerung einhergehe. III. Zusammenfassung und Bewertung Aus der Metaanalyse empirischer Untersuchungen zu externen Direktoren in der japanischen Corporate Governance lassen sich folgende Schlüsse ziehen. 1. Unzureichende Untersuchungen Insbesondere im Vergleich zu den USA sind Anzahl und Umfang der Untersuchungen bislang noch gering. Die verfügbaren japanischen Studien unterscheiden sich zudem in der Auswahl der Unternehmen, den untersuchten Zeiträumen und den Methoden wie zum Beispiel den Kriterien, die für die Bewertung der Unternehmensleistung herangezogen werden. Insbesondere in Anbetracht des Ausmaßes der Reformen wäre es hilfreich, zumindest deren Auswertung mit umfassenderen, vergleichbaren Untersuchungen zu begleisetzung des Verwaltungsrats an den Charakteristika und Bedürfnissen des Unternehmens orientiert, H. MIYAJIMA, Comments, 267, 272. 29 T. SAITŌ, Determinants, 20 f.; K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 17, im Einzelnen 11–15. 30 Siehe oben I.1.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

ten. Denkbar sind etwa Zeitreihen für alle börsennotierten Unternehmen unter Berücksichtigung verschiedener Unternehmenscharakteristika und unter Verwendung derselben Bewertungskriterien. Neben einer konsequenteren Auswertung des vorhandenen Datenmaterials bleibt zudem Raum für eine inhaltliche Ausweitung der Untersuchungen. Compliance-Fragen blieben bislang außen vor, dürften empirisch jedoch auch schwer messbar sein. Die Existenz mehrerer externer Direktoren konnte jedenfalls den Skandal um massive Bilanzfälschungen bei Olympus nicht verhindern. 31 Allerdings wurde auch bezogen auf das Performance-Monitoring der Untersuchungsgegenstand bislang zu eng gefasst. Der Fokus lag klar auf den Gesellschaften mit Prüferrat. Es fehlt fast gänzlich an Vergleichen mit Gesellschaften mit Ausschüssen32 und auch die Gesellschaften mit Kontrollausschuss sollten in den kommenden Jahren als Vergleichsgruppe herangezogen werden. Aufschlussreich dürften auch Daten zur Leistung eines Unternehmens vor und nach dem Wechsel zu einer anderen Organisationsform sein. Darüber hinaus beschränken sich die Untersuchungen zur Gesellschaft mit Prüferrat auf das bloße Vorhandensein externer Direktoren. Auf ihre Funktion wird im Zusammenhang mit Auswirkungen auf die Unternehmensleistung ebenso wenig eingegangen wie auf ihre Qualifikation oder den elementaren Unterschied zwischen bloß externen und den zunehmend auch ernannten unabhängigen Direktoren. Diese Aspekte haben jedoch entscheidenden Einfluss auf die Effektivität des Unabhängigkeitsinstruments. Ohne dessen konkrete Ausgestaltung zu berücksichtigen und die Aufgabenwahrnehmung in der Praxis mit einzubeziehen, lässt sich die Frage nach einem Mehrwert von independent directors nur schwer beantworten. Die vorliegende Arbeit kann umfangreichere empirische Untersuchungen keinesfalls ersetzen. Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels sollen jedoch die bisherigen Studien um ein Verständnis der Funktionsweise des Instruments der Unabhängigkeit in Japan ergänzen. 2. Implikationen für gesetzgeberische Vorhaben Trotz ihrer geringen Zahl und inhaltlichen Beschränktheit lassen sich aus den bisherigen Untersuchungen einige erste Rückschlüsse für die Ausgestaltung des Instruments der Unabhängigkeit ziehen. Auffällig ist insbesondere, dass die Ergebnisse der Studien hinsichtlich des Einflusses der Ernennung externer Direktoren auf die Unternehmensleistung tendenziell positiver ausfallen als die Untersuchungen zu den USA. Eine Besonderheit an den Arbeiten zu B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 86 f. Zum Olympus-Skandal siehe bereits oben Kapitel 3 – D. I.6.b). 32 Einige Ansätze finden sich bei R. J. GILSON / C. J. MILHAUPT, Am J Comp L 53 (2005) 343, 366–369; Interviews zu den Auswirkungen der Gesellschaft mit Ausschüssen führte P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 140–153. 31

A. Metaanalyse empirischer Untersuchungen

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Japan ist dabei der Umstand, dass eine Vielzahl an Unternehmen einbezogen werden konnte, die auf Board-Ebene ein vollständig von Insidern beherrschtes System erstmalig für externen Einfluss geöffnet haben. Die Autoren der bislang vergleichsweise wenigen Studien sind sich in zwei Punkten einig: Zum einen scheinen japanische Verwaltungsräte zumindest zu einem gewissen Grad aus Sicht der Steigerung der Unternehmensleistung nicht optimal zusammengesetzt zu sein. Zum anderen deuten die Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass die Ernennung externer Direktoren tendenziell zu einer Leistungssteigerung führen könnte, wobei Bedingungen und Umfang variieren. Für einen Teil der Unternehmen hat die Einführung externer Direktoren allerdings zumindest unter den bis zur letzten Reform geltenden Anforderungen keine positiven Effekte gezeigt. Hinsichtlich der Frage, ob und wenn ja wie der Gesetzgeber auf eine Ernennung externer oder unabhängiger Direktoren hinwirken sollte, besteht daher Uneinigkeit. Aufgrund der Ergebnisse ihrer Studien haben vor der Reform 2014 unter anderem Saitō, Uchida und Miyajima und Ogawa Maßnahmen zur Steigerung der Unabhängigkeit japanischer Verwaltungsräte gefordert.33 Ein solches gesetzgeberische Eingreifen sollte möglichst auf diejenigen Unternehmen beschränkt werden, die von der Regelung tatsächlich profitieren.34 In der Praxis lässt sich dieses Vorhaben jedoch nicht vollständig umsetzen. Eine zwingende Regelung trifft auch diejenigen Unternehmen, bei denen die Kosten der Einsetzung die Vorteile übersteigen. Eine comply or explainRegelung als zweite Option sorgt hingegen für Kosten der Offenlegung bei denjenigen Unternehmen, die keinen Bedarf an zusätzlichem externen oder unabhängigen Einfluss haben und bietet andererseits möglicherweise nicht genug Anreiz für alle Unternehmen, bei denen solche Direktoren zu einer Leistungssteigerung führen würden. Welchem Regelungsansatz der Vorzug zu geben ist, richtet sich danach, wie der Bedarf insgesamt über alle Unternehmen hinweg verteilt ist. Diese Frage dürfte in der Praxis schwer zu beantworten sein.35 In jedem Fall fehlt es dafür an umfangreichen Untersuchungen. Auf Grundlage der bisherigen Arbeiten ergibt sich folgendes Bild: Mit Saitō wird einer zwingenden Regelung der Vorzug zu geben sein.36 Die Ergebnisse der übrigen Autoren sprechen hingegen eher für eine nicht zwingende Regelung. 37 Uchidas Analyse lässt sich hingegen auch so interpretieren, 33 Explizit K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 17; H. MIYAJIMA /  R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 94. 34 So auch G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.1.c. 35 Vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.1.c.; M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 41. 36 T. SAITŌ, Determinants, 5. 37 So begrüßen auch Miyajima und Ogawa die Lösung des Gesetzgebungsrates, H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 94; vgl. auch H. MIYAJIMA, Comments, 267, 273.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

dass eine nicht zwingende Regelung dazu führen würde, dass in Unternehmen mit hohem Anteil ausländischer Aktionäre in aller Regel externe Direktoren ernannt werden, während einige „traditionellere“ Unternehmen von einer Einsetzung absehen, obwohl gerade sie davon profitieren würden. Damit könnte auch einer zwingenden Regelung der Vorzug gegeben werden. Aufgrund der Datenlage können die hier gezogenen Schlüsse nur Anhaltspunkte bieten. In jedem Fall aber sollten die gesetzlichen Regelungen den Wechsel zum Monitoring-Modell nicht erschweren.38

B. Politischer Hintergrund B. Politischer Hintergrund

Die Regelung der Corporate Governance eines Landes hängt in hohem Maße auch von den Machtverhältnissen und Koalitionen unter den verschiedenen Stakeholdern ab.39 Diese sind jedoch nicht direkt für den Inhalt der Gesetze und deren Auslegung verantwortlich, sondern der Gesetzgeber und die Gerichte, sodass auch deren Motive zu berücksichtigen sind. 40 Der politische Hintergrund gibt Aufschluss darüber, warum das Reformgesetz, aber auch die reformierten Börsenregelungen und der neu geschaffene Kodex in den nunmehr gültigen Fassungen zustande gekommen sind, und welche Diskussionen und gegensätzlichen Meinungen den Regelwerken zugrunde liegen. Er ist daher wesentlich für das Verständnis der Regelungsänderungen und die Bewertung der Ausgestaltung der Rolle externer bzw. unabhängiger Direktoren innerhalb der institutionellen Rahmenbedingungen.41 Die folgende Betrachtung widmet sich zunächst der Frage, wie die Verpflichtung zur Ernennung externer Direktoren auch in den Gesellschaften mit Prüferrat Teil der Reformagenda wurde (I.). Danach wird untersucht, wie es statt einer verpflichtenden Ernennung zur Kompromisslösung eines comply or explain kam (II.). Es folgt eine Auseinandersetzung mit den weiteren Reformpunkten und sonstigen Maßnahmen im Bereich der Corporate Governance (III.). Abschließend werden die Erkenntnisse zusammengefasst und die Ergebnisse bewertet (IV.).

So zu recht M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 41. S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 40. 40 H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 26. 41 Eingehend zum politischen Hintergrund der Reform mit Verweisen auf die verschiedenen Entwürfe, Stellungnahmen und Beratungen G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.; mit Fokus auf dem Gesetzgebungsverfahren H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25 ff. 38 39

B. Politischer Hintergrund

I.

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Die Verpflichtung zu externen Direktoren als Reformaufgabe

Während das Gesellschaftsgesetz von 2005 unter Regierung der Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP) verabschiedet wurde, begannen die Überlegungen zu einer erneuten Reform des Gesellschaftsrechts unter Regierung der von den Gewerkschaften gestützten Demokratischen Partei Japans (DPJ), die im Jahr 2009 an die Macht gelangt war.42 Nicht zuletzt aufgrund des weit gefassten Arbeitsauftrags an den Gesetzgebungsrat 43 war weithin erwartet worden, dass die seit jeher von den Gewerkschaften gestützte DPJ entgegen der Stoßrichtung der Reform des Jahres 2005 Regelungen im Interesse der Arbeitnehmer einführen würde. 44 Neben den Arbeitnehmern bildeten jedoch Anleger die zweite Wählerbasis der für ein liberaleres Wirtschaftssystem eintretenden Partei. Diese versuchte daher, eine Reform auf den Weg zu bringen, die auch im Anlegerinteresse lag.45 Zwar einte beide Gruppen das Interesse an einer Disziplinierung des Managements, 46 die Vorstellungen über den Inhalt der Maßnahmen gingen jedoch auseinander. Auf Betreiben der Gewerkschaften übernahm ein Projekt-Team der DPJ den Vorschlag in seinen Entwurf, einen Teil der Prüfer von den Arbeitnehmern wählen zu lassen.47 Gleichzeitig sah der Entwurf zwar keine verpflichtende Einführung, jedoch zumindest eine Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren vor.48 Den Interessenvertretern der Arbeitnehmer ging es mit der Neubesetzung des Prüferrats vorrangig um eine Verbesserung des Compliance-Monitorings, wohingegen Anleger eine Überwachung der Performance der Geschäftsführung im Sinne der Aktionäre und damit den Ausbau einer am shareholder value orientierten Corporate Governance anstrebten.49 Während der im Entwurf des Projekt-Teams der DPJ enthaltene Vorschlag einer Arbeitnehmervertretung im Prüferrat vom Unterausschuss des Gesetzgebungsrats frühzeitig wieder fallen gelassen wurde,50 fanden Regelungen zur G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 15; G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.c. 43 Siehe den Wortlaut oben unter Kapitel 2 – D. I.1. 44 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 15 und 30. 45 S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 40 f. 46 Kozuka spricht von einer „Koalition“ der Arbeitnehmer und Anleger gegenüber dem Management im Machtgefüge der Stakeholder, S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 40 f. 47 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 15 und 30. Nach H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 30 Fn. 7 sollte das deutsche Mitbestimmungssystem als Vorbild dienen. 48 Prof. Gen Goto (Universität Tōkyō) per Mail an den Verfasser am 8.3.2017. 49 Vgl. S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 41. 50 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 30 f. Nachdem die Gewerkschaften erklärt hatten, sie seien nicht an einer Verschiebung des Machtgefüges zwischen Arbeitnehmern und Aktionären, sondern einer Vereinfachung des Whistleblowing durch Arbeitnehmer auch im Sinne der Aktionäre interessiert, strich der Gesetzgebungsausschuss den Reformpunkt von 42

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Ernennung externer Direktoren Eingang in die Grundsätze für ein Reformgesetz. Kurz nach deren Übergabe durch den Gesetzgebungsrat an den Justizminister 51 erfolgte nach Parlamentswahlen ein erneuter Machtwechsel. Das Reformprojekt wurde daher unter Führung der traditionell von der Wirtschaft favorisierten LDP weiter verfolgt. Diese überführte, mit Ausnahme dreier inhaltlicher Änderungen, den Reformentwurf in einen Gesetzentwurf.52 Der Grund, warum neben einer Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren auch die Frage deren verpflichtender Ernennung auf die Agenda kam, war weder der Rechnungslegungsskandal bei Olympus oder die großangelegte Rückrufaktion durch Toyota aufgrund fehlerhafter Fahrzeuge in den USA, noch die Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008, die nur einen geringen Einfluss auf die japanische Finanzindustrie hatte.53 Der OlympusSkandal machte zwar auch die Bedeutung und bislang fehlende Effektivität externer Direktoren für das Compliance-Monitoring deutlich, 54 liegt jedoch zeitlich nach Erarbeitung der Grundsätze für die Reform. Die Probleme Toyotas bei der Qualitätssicherung seiner Fahrzeuge hingegen wurden nur selten überhaupt in einen Zusammenhang mit der Corporate Governance des Unternehmens gebracht. 55 Die Diskussion um eine weitere Verbreitung zumindest externer Direktoren geht vielmehr auf einen Vorschlag der Asian Corporate Governance Association (ACGA) zurück, in dessen Folge METI und FSA zwei Arbeitsgruppen einsetzten. Diese kamen in ihren am 17. Juni 2009 zeitgleich veröffentlichten Studien zu dem Schluss, dass zur Belebung der japanischen Wirtschaft eine Stärkung des Vertrauens ausländischer Investoren in die japanische Corporate Governance erforderlich sei.56 Im Gegensatz zum Vorschlag der Gewerkschaften zur Arbeitnehmermitbestimmung geht es in der Diskussion um Monitoring durch externe Direktoren folglich nicht um Fragen der Compliance, sondern um eine Belebung der japanischen Wirtschaft durch eine Verbesserung des Performance-Monitoring und die Stärkung des Vertrauens der, insbesondere ausländischen, Anleger.57 der Agenda und nahm stattdessen einige Änderungen am internen Compliance-System und den Offenlegungsvorschriften vor. Ein Zusammenhang zwischen Machtwechsel zurück zur LDP und Fallenlassen der Regelung zur Arbeitnehmermitbestimmung und Konzentration auf eine anlegerorientierte Regelung lässt sich demzufolge nicht ausmachen. So aber wohl S. IWAHARA, Jurisuto 1472 (2014) 11, 12. Mit einem Begründungsansatz für das Verhalten der Gewerkschaften im Reformprozess H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 30 Fn. 7. 51 Zum zeitlichen Ablauf der Reform siehe bereits oben Kapitel 2 – D. I.1. 52 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 15 f. Zu den drei Änderungen siehe unten III. 53 G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.c. 54 Vgl. K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 9. 55 Vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.c. Zum Toyota-Skandal siehe auch bereits oben Kapitel 3 – C. II.2. 56 Vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.b. Zu den beiden Berichten und deren Bedeutung für die jüngste Reform siehe auch H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 43 f.

B. Politischer Hintergrund

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Während der Diskussionen wurde unter den möglichen Funktionen eines externen Direktors die Überwachung der Leistung des Managements als diejenige ausgemacht, die von den Prüfern selbst nicht geleistet werden kann.58 Dass externe Direktoren bzw. eine gesteigerte Unabhängigkeit im Hinblick auf die Überwachung des Verwaltungsrats von Vorteil sind, war im Ausschuss grundsätzlich anerkannt.59 Jedoch wurden dabei wohl keinesfalls alle, sondern zu Japan nur eine empirische Untersuchung Saitōs und eine Untersuchung Uchidas herangezogen.60 Ob die Reform damit auf eine fundierte ökonomische Basis gestellt war, lässt sich zumindest bezweifeln. II. „Comply or explain“ als Kompromisslösung Dass es dennoch nicht zu einer Verpflichtung zur Ernennung mindestens eines externen Direktors in der Gesellschaft mit Prüferrat kam, ist auf zwei Umstände zurückzuführen.61 Zum einen gab es auch sehr kritische Stimmen, insbesondere von Seiten der Wirtschaft. Die Frage einer verpflichtenden Einführung mindestens eines externen Direktors in den börsennotierten Gesellschaften war sogar der am heftigsten umstrittene Punkt der Reform. 62 Bereits in der Vergangenheit waren zwei grundsätzlich konträre Ansichten aufeinandergeprallt. Während insbesondere institutionelle Investoren – unter diesen vor allem die ausländischen Investoren – ihre Interessen unter dem gegenwärtigen, Insider-basierten System nicht hinreichend geschützt sahen, sträubte sich die Wirtschaft gegen den Zwang zur Einführung „Externer“ und befürwortete ein System, das den Unternehmen breiten Gestaltungsspielraum bei der Wahl des passenden Governance-Systems lässt. 63 Auch dieses Mal 57 Insbesondere letzteren Aspekt betonte auch ein Vertreter der Pension Fund Association im Unterausschuss, G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.a.: Overview of the Discussions at the Working Group. 58 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 18 f.; vgl. N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 81. Zur Funktion externer bzw. unabhängiger Direktoren siehe eingehend unten E. 59 M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 77. 60 Referenzmaterial Nr. 21 der 9. Sitzung des Unterausschusses des Gesetzgebungsrats vom 26.1.2011, abrufbar unter . 61 Siehe dazu und zum Folgenden G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.a. sowie G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21; siehe auch H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 27 Fn. 4. 62 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 60; vgl. auch G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21; G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, I. sowie E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 71 f. Hinsichtlich der übrigen Reformpunkte bestand hingegen weniger Konfliktpotential. So war auch der Wirtschaft – mit Ausnahme der Regelungen zu externen Direktoren – an einer schnellen Implementierung der in den Grundsätzen beschlossenen Regelungen gelegen, S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 8 (Wortbeitrag Mishima). 63 B. ARONSON, ZJapanR 30 (2010) 67, 79.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

argumentierten die Vertreter des Wirtschaftsverbands Keidanren mit den ganz individuellen Anforderungen der einzelnen Unternehmen.64 Die Befürworter einer zwingenden Regelung fürchteten demgegenüber, dass mit einer hart erkämpften Verpflichtung zur Einsetzung nur eines externen Verwaltungsratsmitglieds auf absehbare Zeit das Ende der Diskussion erreicht sei. Unterstützung fanden die Kritiker bei Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur. Insbesondere Kenjirō Egashira zeigte sich nicht nur skeptisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Reform, sollte es zu keinem Wandel des traditionellen Unternehmensverständnisses kommen.65 Vielmehr kritisierte er auch einen Zwang zur Einsetzung externer Verwaltungsratsmitglieder mit der Begründung, dass der Markt für einen angemessenen Einsatz externer Direktoren sorge. Bestünde kein Druck seitens der Aktionäre, so sei nicht ersichtlich, warum faktisch vor allem die kleineren börsennotierten Gesellschaften zu einer Einsetzung gezwungen werden sollten. 66 Gegen diese Begründung sprechen allerdings die – wenn auch noch unzureichenden – Untersuchungen, denen zufolge die Verwaltungsräte gerade nicht optimal zusammengesetzt sind und gerade die Unternehmen mit traditionellen Strukturen von einer Ernennung Externer profitieren würden.67 Der zweite Grund dafür, dass sich eine verpflichtende Regelung nicht durchsetzen konnte, ist die Arbeitsweise des Unterausschusses des Gesetzgebungsrats. Dessen Entscheidungen erfolgen zwar formell mit einfacher Mehrheit, faktisch jedoch einstimmig. 68 Diese Praxis ist dadurch bedingt, dass der Ausschuss als Instrument dafür angesehen wird, eine vom demokratischen politischen Prozess losgelöste, ausgewogene Entscheidung durch Experten herbeizuführen. Darüber hinaus sind sich die verschiedenen Parteien darüber im Klaren, dass sie bei der nächsten Reform wieder aufeinander treffen werden. Aus diesem Grund ließen sich die Vertreter der Wirtschaft auch auf den Kompromiss einer comply or explain-Regelung im Gesetz ein, obwohl sie auch dieser ablehnend gegenüber standen.69 Seit der Reform des Gesetzgebungsverfahrens im Gesellschaftsrecht von 199770 besteht zudem für 64 Für eine Übersicht über die im Gesetzgebungsrat vorgebrachten Argumente siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 77 f. sowie H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 44. 65 Siehe dazu oben Kapitel 3 – C. II.1. 66 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 60–62; kritisch auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 72 sowie Prof. Maki Saitō in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Universität Kyōto am 8.10.2014. 67 Siehe oben A. 68 Siehe auch dazu G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 17. Zur Zusammensetzung des Gesetzgebungsausschusses siehe ibid., 16. 69 G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.a.: Opposition of Keidanren. 70 Siehe dazu eingehend H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 26–30; knapp auch H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 32 f.

B. Politischer Hintergrund

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Parlamentsmitglieder die Möglichkeit, Gesetzentwürfe ohne Beteiligung des Gesetzgebungsausschusses direkt in das Parlament einzubringen. Diese Reform war vom Keidanren und einigen Mitgliedern der LDP betrieben worden71 und stellt ein Verfahren dar, das dem Management als mächtiger Interessengruppe mehr Einfluss verleiht. Die Möglichkeit, die eigenen Interessen in einem solchen Gesetzgebungsverfahren auf eigene Initiative durchzusetzen, wirkt sich auch auf die Verhandlungsposition der Wirtschaft im Gesetzgebungsausschuss aus und erschwert ein Durchsetzen von Reformen gegen den Willen der Wirtschaftsverbände.72 So kam es letztlich zur Kompromisslösung einer comply or explain-Regelung. III. Weitere Reformpunkte und sonstige Maßnahmen Allerdings trug der Gesetzgebungsrat zusätzlich zur Aufnahme einer comply or explain-Regelung in den Gesetzentwurf in einem Nebenbeschluss den Börsen auf, ihre Zulassungsregeln um eine Pflicht zu ergänzen, sich ernsthaft um die Einsetzung mindestens eines unabhängigen (nicht lediglich externen) Direktors (und nicht wahlweise Prüfers) zu bemühen.73 Des Weiteren kam es zu zwei weiteren bedeutenden Neuerungen im Bereich der Corporate Governance: der Einführung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss sowie der Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren, die wohl deutlich weniger umstritten waren.74 Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass die LDP drei Änderungen zur Stärkung des comply or explain-Ansatzes vornahm, bevor der Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht wurde.75 Zuvor hatte nach Abschluss der Arbeiten des Gesetzgebungsrates die LDP in ihrem Strategiepapier die Einführung mindestens eines unabhängigen und nicht nur externen Direktors befürwortet. Darüber hinaus hatte die Regierung in einem Kabinettsbeschluss die Einführung von und die interessenunabhängige Kontrolle durch externe Direktoren

H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 28 f. H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 29–31. Passive Stakeholder, deren Interessen im alten Verfahren im Gesetzgebungsausschuss als Expertengremium vertreten werden, haben im neuen System hingegen weniger Gewicht. 73 Siehe SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 5 f. und 79; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 44; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 12 (Wortbeitrag Saitō); M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 20; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21 f.; vgl. E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 72. Zur Umsetzung der Vorgabe siehe unten C. III. 74 Siehe bereits oben Kapitel 2 – D. I.2. Zu den Anforderungen an externe und unabhängige Direktoren siehe noch unten D. und zur Gesellschaft mit Kontrollausschuss E., insb. IV.3. 75 Bei diesen Änderungen handelt es sich, im Bereich der Stärkung der Überwachung durch den Verwaltungsrat, um die einzigen Änderungen des Gesetzentwurfs gegenüber den Grundsätzen des Rats, vgl. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 9 f. 71 72

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

angemahnt.76 Auch dabei spielte der Olympus-Skandal keine Rolle. Vielmehr erfolgten die Änderungen am Gesetzentwurf nicht aufgrund der Erwartungen der Öffentlichkeit, sondern gehen im Wesentlichen auf das Betreiben einzelner Politiker innerhalb der LDP zurück.77 Es blieb allerdings nicht bei den Neuregelungen auf Gesetzesebene sowie den Änderungen der Zulassungsregeln der Börse. 78 Vielmehr wurde nach Verabschiedung des Gesetzes im Parlament innerhalb kurzer Zeit auf Betreiben der LDP der Corporate Governance Kodex durchgepeitscht und von den Börsen zeitgleich mit Inkrafttreten des reformierten Gesetzes implementiert. Betrachtet man die heftigen Diskussionen um die Einführung nur eines externen Direktors im Gesetzgebungsrat, so mag dieses Vorgehen verwundern. Immerhin fordert der Kodex die Ernennung mindestens zweier unabhängiger, nicht lediglich externer Direktoren.79 Verständlich wird die Entwicklung seit Verabschiedung des Reformgesetzes vor dem Hintergrund des seit dem Jahr 2014 forcierten Wirtschaftsprogramms „Abenomics“. 80 Sie ist ein weiterer Indikator dafür, dass die Regierung mit Nachdruck versucht, die Unternehmen für Investoren attraktiver zu gestalten.81

S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 6. Zu den Regelungen im Einzelnen siehe unten C. I.1. Eingehend zu den Hintergründen der Änderungen G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.b. Dass die LDP nach Abschluss der Arbeit des Gesetzgebungsausschusses nicht noch weiter ging, führt Goto darauf zurück, dass sie nun wieder Regierungspartei und damit zu einem gewissen Grad an die einstimmige Entscheidung des Expertengremiums als der die Entscheidung vorbereitenden Institution gebunden war. Während die DPJ an der Regierung war, war aus Reihen der LDP noch eine Zwangsregelung befürwortet worden. Ebenso brachte die DPJ, welche zu ihrer Regierungszeit nicht so weit gegangen war, eine zwingende Regelung zu befürworten, nun als Oppositionspartei einen Gegenentwurf für eine Reform ein, der gerade eine solche Regelung enthielt, S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 9 (Wortbeitrag Sakamoto). Einen anderen Ansatz für die Ergänzungen durch die LDP bietet H. MORITA, ZJapanR 37 (2014) 25, 35 f. Dagegen allerdings G. GOTO /  M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, III.2.b. 78 Zu den Anforderungen auf Gesetzesebene und in den Börsenregelungen siehe bereits oben Kapitel 2 – D. I.2. und II.2. sowie im Einzelnen unten C. I. und II. 79 Zu den Anforderungen des Kodex siehe bereits oben Kapitel 2 – D. II.1. sowie im Einzelnen unten C. III. 80 Siehe dazu bereits oben Kapitel 2 – D. II. 81 S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 48 f. und bezogen auf die Anpassungen am Gesetzentwurf durch die LDP M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 20. Kozuka zufolge könnte ein weiterer Grund für das Betreiben einer Politik gegen die Interessen der Wirtschaftsverbände darin liegen, dass diese sich mit der Wahl der DPJ 2009 zu einem gewissen Grad von der LDP losgesagt hatten. Der Druck, die japanische Wirtschaft zu beleben, dürfte hier aber das vorrangige Motiv sein. 76 77

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

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IV. Zusammenfassung und Bewertung Hintergrund der Diskussion um eine gesetzliche Verpflichtung zur Einsetzung externer Direktoren auch in der Gesellschaft mit Prüferrat sind Untersuchungen des METI und der FSA, die den Einsatz externer Direktoren zur Belebung der japanischen Wirtschaft anmahnen. Jedenfalls im Ergebnis hatten die Federführung der DPJ zu Beginn und ein späterer Machtwechsel zur LDP auf den Ausgang der Reform des GesG keinen Einfluss. 82 Vielmehr sorgten heftige Kritik von Seiten der Wirtschaft und die Eigenheiten des Entscheidungsprozesses im Gesetzgebungsrat dafür, dass es zur Kompromisslösung eines comply or explain kam. Die Einführung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss als weiterer Wahlmöglichkeit sowie die Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren waren vergleichsweise wenig umstritten. Allerdings sorgte ein Nebenbeschluss des Rats zur Verschärfung der Börsenzulassungsregelungen und insbesondere auf Betreiben einzelner Politiker in der LDP wurde auch die comply or explain-Regelung vor Einbringung des Gesetzes in das Parlament verschärft. Vor allem aber erstaunt in Anbetracht der langwierigen Diskussionen im Gesetzgebungsrat die kürze der Zeit, in welcher der Kodex im Rahmen des Wirtschaftsprogramms „Abenomics“ erarbeitet und samt seiner Anforderungen sogar an unabhängige Direktoren implementiert wurde.

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

Eine grundlegende Frage, die sich bei der Ausgestaltung des Unabhängigkeitsinstruments stellt und die auch im Gesetzgebungsrat heftig diskutiert wurde, ist die nach der rechtstechnischen Umsetzung. Die Untersuchung im Rahmen des ersten Kapitels hat ergeben, dass ganz grundsätzlich neben der Regelung einer verpflichtenden oder einer freiwilligen Ernennung externer bzw. unabhängiger Direktoren auch eine Regelung in Form des comply or explain in Betracht kommt, welche die Unternehmen zu einer Ernennung „drängt“. In Japan ist seit der jüngsten Reform zwischen Anforderungen auf drei Regelungsebenen zu unterscheiden: dem Gesellschaftsgesetz (I.), den Listing Rules der TSE (II.) und dem Corporate Governance Kodex (III.). Auf eine Untersuchung dieser drei Ebenen folgt eine Auseinandersetzung mit der Wahl und Gestaltung der drei Organisationsverfassungen in der Praxis (IV.), bevor die Erkenntnisse zusammengefasst und bewertet werden (V.).

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Vgl. auch S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 39 f.

198 I.

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Das Gesellschaftsgesetz: Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen

Der japanische Gesetzgeber hat sich dazu entscheiden, den Unternehmen mit der Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen die Entscheidung zwischen drei verschiedenen Governance-Modellen zu überlassen. Aktiengesellschaften können sich nunmehr auf einer vorgelagerten Ebene zwischen einem Management-Modell, einem Monitoring-Modell sowie einer hybriden Form entscheiden. 83 Für jede dieser Verfassungen hält das Gesellschaftsgesetz unterschiedliche Anforderungen an die Einsetzung externer Direktoren und damit die Zusammensetzung des Verwaltungsrats bereit. Allein die Listing Rules der TSE sowie der Corporate Governance Kodex treffen für alle börsennotierten Unternehmen Regelungen hinsichtlich der Einsetzung unabhängiger – nicht lediglich externer – Direktoren.84 1. Die Gesellschaft mit Prüferrat: „comply or explain“ (1) Dem Verwaltungsrat kommt auch in der traditionellen Organisationsverfassung der Gesellschaft mit Prüferrat im Rahmen seiner Doppelrolle die Aufgabe zu, die Geschäftsführung insbesondere durch Wahl und Abwahl zu überwachen.85 Er führt damit die Aufsicht (kantoku) über die Geschäftsführung. 86 Dennoch besteht nach wie vor keine gesetzliche Verpflichtung zur Ernennung externer Direktoren. Vielmehr wurde mit der jüngsten Reform die Kompromisslösung einer comply or explain-Regelungen nach Vorbild des UK Corporate Governance Kodex eingeführt. a) Inhalt der Regelung Bereits im Entwurf des Gesetzgebungsrats fand sich die nunmehr umgesetzte Verpflichtung für alle großen Publikumsgesellschaften, die einen jährlichen Jahres-Aktienbericht (yūka shōken hōkoku-sho) veröffentlichen müssen, in ihrem Geschäftsbericht (jigyō hōkoku) zu erklären, wenn und warum sie von externen Direktoren keinen Gebrauch machen.87 Nach Ansicht des Gesetzgebers weisen diese Gesellschaften aufgrund ihres großen Einflusses und der hohen Fluktuation sowie der Unbestimmtheit ihrer Aktionäre einen hohen Überwachungsbedarf auf. Ihnen sei es zumutbar, die mit der Ernennung eines externen Direktors einhergehenden Kosten zu tragen.88

Siehe zu den drei Organisationsverfassungen bereits oben Kapitel 3 – A. II. Siehe dazu sogleich II. und III. 85 Siehe bereits oben Kapitel 3 – A. II. im Überblick sowie eingehend D. I.1. 86 Zur Unterscheidung zwischen Prüfung (kansa) und Aufsicht (kantoku) hinsichtlich der Überwachungsaufgabe siehe oben Kapitel 3 – D. zu Beginn. 87 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 80. 88 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 82 f. 83 84

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

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Die Regelung findet sich nicht im Gesellschaftsgesetz, sondern ist Gegenstand der Durchführungsverordnung des MOJ, die zum Gesellschaftsgesetz ergangen ist.89 Erforderlich ist dem Wortlaut der Regelung zufolge eine Begründung dafür, warum die Einsetzung eines Direktors „nicht angemessen“ (sōtō de nai) ist. Dabei soll es nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht ausreichen, darzulegen, warum eine Einsetzung für das Unternehmen keinen Vorteil bringt. Vielmehr muss deutlich werden, warum eine Einsetzung für das Unternehmen von Nachteil wäre („Minus“).90 Wie bereits angesprochen blieb es jedoch nicht bei den vom Gesetzgebungsrat vorgesehenen Regelungen. Vielmehr griff die LDP nach Verabschiedung der Grundsätze durch den Rat und vor Einbringung des Gesetzentwurfs in das Parlament nicht unerheblich in den Gesetzgebungsprozess ein. Dieser Eingriff geht auf Beratungen im Legislativausschuss des politischen Forschungsrats der LDP (Jiyū Minshu-tō Seimu Chōsa-kai Hōmu Bukai) zurück. 91 Ziel war eine weitere Verdeutlichung des Anliegens, die Corporate Governance zu verbessern und den Druck in Richtung der Einsetzung externer Direktoren auch gesetzlich zu verankern.92 Die Arbeit des Ausschusses führte zu den folgenden drei Änderungen.93 Erstens wurde die Erklärungspflicht sachlich ausgeweitet.94 Eine Begründung muss nicht nur im Rahmen des Geschäftsberichts erfolgen, sondern darüber hinaus mündlich auf der jährlichen Hauptversammlung sowie im Rahmen der Dokumente für die Hauptversammlung, falls die Vorschläge zur Wahl neuer Direktoren keinen Kandidaten enthalten, der die Anforderungen an externe Direktoren erfüllen würde.95 Die Erklärungspflicht auf der Haupt89 Art. 124 Abs. 2, 3 DurchführungsVO GesG. Zur Verordnung siehe bereits Kapitel 3, Fn. 292. Zeitpunkt für die Bestimmung der Frage, ob die Gesellschaft eine große Publikumsgesellschaft mit Pflicht zur Veröffentlichung eines Jahres-Aktienberichts ist, ist der letzte Tag des jeweiligen Geschäftsjahres, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 84. 90 Siehe zur Regelung S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 85; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 84; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 10 (Wortbeitrag Sakamoto). Zur Durchsetzung und den Sanktionsmöglichkeiten siehe sogleich b). 91 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 80. 92 N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 83; vgl. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18. 93 Dazu und zu den folgenden Absätzen Prof. Gen Goto (Universität Tōkyō) per Mail an den Verfasser am 8.3.2017. Zu den nunmehr geltenden Pflichten im Überblick siehe auch S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 80 f.; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 42. 94 Prof. Gen Goto (Universität Tōkyō) per Mail an den Verfasser am 8.3.2017; vgl. auch H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 44. 95 Zur ersteren Verpflichtung siehe Art. 327-2 GesG. Zur Verortung der Erklärung innerhalb der Tagesordnung der Hauptversammlung siehe S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 14 f. (Wortbeitrag Saitō). Letztere Verpflichtung ist in Art. 74-2 DurchführungsVO GesG geregelt.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

versammlung bedeutet, dass eine mündliche Erklärung unabhängig davon erforderlich ist, ob Aktionäre von ihrem Fragerecht Gebrauch machen.96 Die Regelung dient damit auch der Ermächtigung der Aktionäre, indem sie durch Informationsversorgung in die Lage versetzt werden, sich ein eigenständiges Urteil zu bilden.97 Aus diesem Grund – und um die Ernennung externer Direktoren weiter voranzutreiben – besteht die Erklärungspflicht auf der Hauptversammlung jedes Jahr, unabhängig davon, ob auf ihr neue Direktoren gewählt werden oder nicht.98 Um ihr besonderes Gewicht zur verleihen, wurde diese Verpflichtung, im Gegensatz zu den anderen beiden, nicht in einer Verordnung umgesetzt, sondern in das Gesellschaftsgesetz aufgenommen.99 Zweitens wurde die Erklärungspflicht inhaltlich präzisiert.100 Um vorgefertigte Erklärungen (sog. boiler plates) zu verhindern, müssen die Begründungen spezifisch auf die Situation des Unternehmens im jeweiligen Geschäftsjahr abgestimmt sein. Deshalb gibt es auch keine Beispiele oder eine allgemeine Antwort des Gesetzgebers auf die Frage, wann die Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem kommt die Ansicht der LDP, dass Prüfer und externe Direktoren eben nicht dieselbe Funktion erfüllen, darin zum Ausdruck, dass allein das Vorhandensein externer Prüfer keine hinreichende Begründung für fehlende externe Direktoren ist. Da andernfalls jede Gesellschaft die gleiche Erklärung abgeben könnte und zudem jede Gesellschaft mit externen Prüfern einen hinreichenden Grund hätte, klären diese Spezifizierungen eigentlich Selbstverständlichkeiten. Auch die Erklärung, es habe keine geeigneten Kandidaten gegeben, soll nicht hinreichend sein. Drittens wird in einer ergänzenden Regelung die Regierung verpflichtet, die Auswirkungen der Reform zwei Jahre nach deren Inkrafttreten zu evaluieren und falls erforderlich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Explizit genannt wird eine verpflichtende Einführung externer Direktoren.101 Die Pflichten zur mündlichen Erklärung auf der Hauptversammlung und zur Erklärung im Geschäftsbericht unterscheiden sich von derjenigen zur Erklärung in den Dokumenten der Hauptversammlung sowohl in der Häufigkeit der Erklärung als auch im Zeitpunkt, auf den sich die Erklärung beziehen muss. Die ersten beiden Pflichten erfordern auf jeder Hauptversammlung bzw. in jedem Geschäftsbericht eine Erklärung. Diese muss sich auf den letzten Tag M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 18 f. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 81. 98 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 86. 99 N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 83. 100 Prof. Gen Goto (Universität Tōkyō) per Mail an den Verfasser am 8.3.2017; siehe auch S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 85 und Fn. 1–3; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 19; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 83 f.; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 10 f. (Wortbeitrag Sakamoto). 101 Prof. Gen Goto (Universität Tōkyō) per Mail an den Verfasser am 8.3.2017; siehe auch bereits Kapitel 2 – D. I.2.d). 96 97

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

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des Geschäftsjahres beziehen und vergangenheitsbezogen sein. Die Pflicht zur Erklärung in den Dokumenten erfordert eine Erklärung hingegen nur dann, wenn Direktoren gewählt werden. Sie muss sich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Dokumente für die Hauptversammlung beziehen und zukunftsbezogen sein. 102 Auch den Pflichten zur Erklärung im Geschäftsbericht und zur mündlichen Erklärung auf der Hauptversammlung kommt jeweils eine eigenständige Bedeutung zu. Erstere ist für alle auf der Hauptversammlung abwesenden Aktionäre von Bedeutung. Demgegenüber erfordert letztere von den Direktoren eine aktive, mündliche Erklärung gegenüber den anwesenden Aktionären anstatt einer bloßen Niederschrift in einem Dokument.103 Bislang hat es auf Hauptversammlungen wenig Widerspruch hinsichtlich der Wahl von Direktoren gegeben. Insbesondere die Verwaltungsräte dürften gespannt sein, ob und wie sich das Verhalten der ausländischen und insbesondere auch inländischen Aktionäre aufgrund der Erklärungspflichten verändern wird.104 b) Übergangsvorschriften und Folgen bei Verstoß gegen die Erklärungspflichten Für die Erklärungspflichten gab es anders als für die erhöhten Anforderungen an externe Direktoren keine Übergangsregelungen. 105 Sie galten daher schon mit der ersten Hauptversammlung nach Inkrafttreten des reformierten Gesetzes, und zwar unabhängig davon, ob der letzte Tag des Geschäftsjahres vor Inkrafttreten lag.106 Hinsichtlich der Folgen von Verstößen gegen die Erklärungspflichten und möglichen Sanktionen ist zwischen dem Unterlassen und inhaltlich unzutreffenden Erklärungen auf der einen und nicht rationalen und unzureichenden Erklärungen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Kommen die Direktoren ihrer Erklärungspflicht aus Art. 327-2 GesG auf der Hauptversammlung nicht nach, so verstoßen sie nicht nur gegen diese, sondern auch gegen ihre Sorgfaltspflicht (Art. 330 GesG, Art. 640 ZG). 107 Die Erklärungspflicht steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit der S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 87 f. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 88. 104 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 8 (Wortbeitrag Mishima). 105 Zu den Übergangsvorschriften hinsichtlich der Anforderungen siehe unten D. I.2. 106 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 92; siehe auch S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 11 (Wortbeitrag Sakamoto). Auch Gesellschaften, die auf der ersten Hauptversammlung nach Inkrafttreten des Gesetzes externe Direktoren ernennen wollten, mussten eine Begründung für das abgelaufene Geschäftsjahr abgeben, wohl aber nicht in demselben Umfang. Eine Erklärung in den Unterlagen zur Hauptversammlung war allerdings nicht erforderlich, S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 15 (Wortbeitrag Sakamoto). 107 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 89. 102 103

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Wahl der Direktoren, bezieht sich aber auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Eine Auswirkung auf die Wahl der Direktoren wird sich daher nicht leugnen lassen, sodass ein Unterlassen der Erklärung einen Verstoß gegen das Verfahren bei Hauptversammlungsbeschlüssen darstellt. Die auf die Wahl von Direktoren bezogenen Beschlüsse sind daher fehlerhaft und anfechtbar gemäß Art. 831 Abs. 1 Nr. 1 GesG.108 Gleiches gilt im Fall einer inhaltlich unzutreffenden Erklärung. 109 Zudem drohen bei fehlender oder unzutreffender Erklärung Geldstrafen nach Art. 976 Nr. 6 GesG. Nach der reformierten Verordnung des MOJ sind bei fehlender oder unzutreffender Erklärung in den Unterlagen für die Hauptversammlung die Beschlüsse ebenfalls anfechtbar. Zudem drohen bei fehlender oder unzutreffender Erklärung im Geschäftsbericht Geldstrafen.110 Die Erklärungspflichten dienen vor allem der Information der Aktionäre. In erster Linie liegt es daher an diesen zu beurteilen, ob sie die Erklärung als hinreichend erachten und dementsprechend von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Ein Verstoß gegen die Erklärungspflicht liegt in Fällen irrationaler oder unzureichender Erklärungen nicht vor.111 Dies gilt allerdings nur, solange die oben genannten Anforderungen an die Darlegung eines negativen Einflusses auf die Gesellschaft erfüllt und die individuellen Umstände der Gesellschaft im jeweiligen Geschäftsjahr berücksichtigt werden. Andernfalls greifen die Folgen einer unterlassenen oder inhaltlich unzutreffende Erklärung.112 Der Umstand, dass nicht nur die Nichteinsetzung, sondern vielmehr die Unangemessenheit einer Einsetzung begründet werden muss, zeigt in Verbindung mit den potentiellen Folgen für die Hauptversammlungsbeschlüsse einmal mehr die klare Stoßrichtung des Gesetzgebers hin zu einer Einführung externer Direktoren auch gegen den Willen der Wirtschaftsverbände.113 2. Die Gesellschaft mit Ausschüssen bzw. mit Kontrollausschuss: extern besetzte Ausschüsse im Verwaltungsrat Mit der Wahl der Organisationsverfassung geht auch die Entscheidung für oder gegen den zwingenden Gebrauch externer Direktoren einher. Sowohl die Gesellschaft mit Ausschüssen als auch die mit der letzten Reform 2015 ein-

108 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 89; vgl. auch M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 20; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 11 (Wortbeitrag Iwahara). 109 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 89. 110 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 89 Fn. 1 und 2. 111 Vgl. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 91. A. A. hingegen N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 83. 112 Vgl. S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 91. 113 N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 83. Zu den Reaktionen und Schwierigkeiten der Unternehmen, eine hinreichende Begründung zu finden, siehe unten IV.2.

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

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geführte Gesellschaft mit Kontrollausschuss stützen sich auf die Arbeit eines bzw. mehrerer extern besetzter Ausschüsse. Der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Ausschüssen besitzt drei Ausschüsse: den Prüfungsausschuss, den Nominierungsausschuss und den Vergütungsausschuss.114 Jeder Ausschuss besteht aus mindestens drei Mitgliedern, von denen die Mehrheit extern (shagai) sein muss.115 In der Gesellschaft mit Kontrollausschuss gibt es demgegenüber keinen Ernennungs- und keinen Vergütungsausschuss. Der Kontrollausschuss muss jedoch ebenso aus mindestens drei Mitgliedern bestehen, von denen die Mehrheit extern (shagai) sein muss.116 Darüber hinaus ist sowohl für alle Mitglieder des Prüfungsausschusses als auch alle Mitglieder des Kontrollausschusses eine personelle Trennung von Überwachungssubjekt und -objekt verwirklicht. Ähnlich der Regelung zum Prüferrat können sie unter anderem nicht gleichzeitig Geschäftsführer bzw. geschäftsführender Direktor sein.117 II. Die Listing Rules der TSE: „Verpflichtung zum Bemühen“ Auf einer zweiten Ebene enthalten die Listing Rules der TSE seit Anfang 2014 in Umsetzung des Annex-Beschlusses des Gesetzgebungsrats die modifizierte Regelung, dass alle gelisteten Unternehmen sich darum bemühen müssen, mindestens einen unabhängigen – nicht bloß externen – Direktor zu ernennen. 118 Nach wie vor enthält das Regelwerk daneben die bisherige Verpflichtung zur Ernennung entweder eines unabhängigen Prüfers oder eines unabhängigen Direktors. 119 Das bedeutet, dass Gesellschaften mit einer der beiden Ausschussstrukturen nach den Börsenzulassungsregeln zwingend mindestens einen unabhängigen Direktor ernennen müssen, da für sie gesetzlich keine Prüfer vorgesehen sind. Gesellschaften mit Prüferrat können wahlweise auch nur einen unabhängigen Prüfer ernennen, müssen sich dann aber weiterhin um die Ernennung eines unabhängigen Direktors bemühen. Die Pflicht zum Bemühen blieb auch nach Einführung des Kodex bestehen, da sie anders als dieser eben nicht einem comply or explain-Ansatz folgt und somit nicht überflüssig wird.120 Art. 2 Nr. 12 GesG. Art. 400 Abs. 1 und 3 GesG. 116 Art. 331 Abs. 6 GesG. Neben dem Kontrollausschuss können weitere Ausschüsse eingesetzt werden. Auf diese sind allerdings die Regelungen für den Nominierungs- und den Vergütungsausschuss in der Gesellschaft mit Ausschüssen nicht anwendbar, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 28. 117 Art. 400 Abs. 4 GesG für den Prüfungsausschuss und Art. 331 Abs. 3 GesG für den Kontrollausschuss. Für den Nominierungs- und den Vergütungsausschuss gilt die Anforderung hingegen nicht. Zum Prüferrat siehe bereits oben Kapitel 3 – D. I.2.b). 118 Regel 445-4 TSE Listing Rules. Zur Entwicklung der Anforderungen der Listing Rules siehe oben Kapitel 2 – C. III. und D. II.2. 119 Regel 436-2 TSE Listing Rules. 120 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59. 114 115

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Die Unternehmen müssen eine Independent Director/Auditor Notification zum Stand der Befolgung der Verpflichtung zur Ernennung eines unabhängigen Direktors oder Prüfers einreichen. Im Falle einer Änderung ist vor dieser das Einreichen einer neuen Mitteilung notwendig.121 In beiden Fällen müssen Unternehmen einer Veröffentlichung durch die TSE zustimmen. Zum Stand des Bemühens um die Ernennung eines unabhängigen Direktors ist hingegen keine Erklärung erforderlich. 122 Darüber hinaus müssen die Unternehmen einen Corporate Governance-Bericht einreichen und auch in diesem Angaben zur Ernennung unabhängiger Direktoren und Prüfer machen.123 Hinsichtlich möglicher Sanktionen gilt Folgendes: Bei Missachtung der Verpflichtung der Ernennung mindestens eines unabhängigen Direktors oder Prüfers ist die Verhängung einer Geldstrafe möglich und explizit geregelt.124 Die Verletzung der Pflicht zum Bemühen fällt hingegen lediglich unter die allgemeine Kompetenz der TSE, bei Verletzung der Börsenzulassungsregeln ein Strafgeld zu verhängen.125 Die Ausführungsbestimmungen enthalten zur Sanktionierung eines Verstoßes gegen die genannten Pflichten keine weiteren Regelungen. Inwieweit das Bemühen der Unternehmen in der Praxis überprüft und fehlendes Bemühen sanktioniert werden kann, scheint insbesondere deshalb fraglich, da die Notification keine Begründung im Falle der Nichternennung eines unabhängigen Direktors erfordert. Der Umstand, dass der Gesetzgebungsrat die Börsen zur Einführung einer Pflicht zum Bemühen angehalten hat, bringt zwar die Überzeugung von einer Notwendigkeit der Einsetzung unabhängiger Direktoren zum Ausdruck. Die Börsen wurden jedoch gerade nicht verpflichtet, eine zwingende Ernennung unabhängiger Direktoren vorzusehen und eine fehlende Ernennung in jedem Fall zu sanktionieren.126

121 Regel 436-2 TSE Enforcement Rules for Securities Listing Regulations (as of 3 June 2016) (TSE Enforcement Rules), abrufbar unter (Provisional Reference Translation). Zur Einreichung und Erneuerung der Mitteilung siehe T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 63 f. 122 Das Formular für die Erklärung im Excel-Format auf Japanisch ist abrufbar unter . 123 Regeln 204 Abs. 12 Nr. 1, 211 Abs. 12 Nr. 1 TSE Listing Rules. Die Anforderungen sind näher spezifiziert in Regeln 211 Abs. 4 Nr. 6, 226 Abs. 4 Nr. 6 TSE Enforcement Rules. 124 Regel 509 TSE Listing Rules regelt die Verhängung eines Strafgelds und erfasst unter Abs. 1 Nr. 2 die Pflichten aus Kapitel 4, Abschnitt 4 (Code of Corporate Conduct), Unterabschnitt 1 (Matters to be Observed) und damit auch die Verpflichtung aus Regel 436-2. Regel 509 Abs. 2 i. V. m. Regel 504 der TSE Enforcement Rules regelt das Verfahren im Detail. 125 Regel 509 Abs. 1 Nr. 3 TSE Listing Rules. Die Verpflichtung aus Regel 445-4 fällt lediglich unter die Matters Desired to be Observed des Unterabschnitts 2. 126 Vgl. G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 22.

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

205

III. Der Corporate Governance Kodex: „comply or explain“ (2) Für alle börsennotierten Gesellschaften enthält der 2015 zeitgleich mit dem reformierten Gesellschaftsgesetz in Kraft getretene Corporate Governance Kodex unabhängig von deren Organisationsform eine weitere Regelung zu unabhängigen Direktoren. Diese sollen dem Kodex zufolge zu dauerhaftem Wachstum und zur mittel- bis langfristigen Steigerung des Unternehmenswerts mit beitragen. Jede Gesellschaft soll daher mindestens zwei unabhängige, nicht lediglich externe Direktoren ernennen.127 Um eine Zusammenarbeit mit den Prüfern in der Gesellschaft mit Prüferrat und die Kommunikation mit dem Management zu erleichtern und zu institutionalisieren, wird darüber hinaus die Ernennung eines sogenannten lead independent director nach britischem Vorbild als Ansprechpartner vorgeschlagen.128 Der Kodex ist nicht wie in Deutschland gesetzlich verankert, sondern wie der UK CGC in den Regelungen der Börse. Er verfolgt ebenso wie die Regelung zu den externen Direktoren im reformierten Gesellschaftsgesetz und wie international für die Kodex-Regulierung üblich einen comply or explainAnsatz.129 Die Unternehmen sollen im Lichte der Kernpunkte und des Geistes des Kodex die eigene Governance hinterfragen und den Grundsätzen des Kodex entsprechen oder die Nichtentsprechung begründen.130 Die Umsetzung der Erfüllung der Anforderungen liegt damit bei den Unternehmen und deren Bewertung bei den Aktionären und übrigen Stakeholdern. Sie sollen im Dialog mit dem Unternehmen soweit erforderlich für eine Verbesserung der Governance sorgen.131 Dieser Mechanismus soll die Transparenz erhöhen und überlässt die Durchsetzung des Kodex dem Markt. 132 Aufgrund dieser regulierenden Funktion des Marktes auf dem Weg zu einer Best Practice sollen sich auch keine allgemeinen Aussagen treffen lassen, JCGC, Grundsatz 4.8. JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.8.2. Entsprechende Vorschläge hatte es bereits vor Inkrafttreten des Kodex von Seiten der Literatur gegeben. Siehe etwa K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63. 129 Regel 436-3 TSE Listing Rules; siehe auch JCGC, 35 Nr. 11 (Appendix). Der Regelung in den Listing Rules zufolge gilt der Kodex für alle börsennotierten Unternehmen. Eine Erklärung im Falle der Nichtbefolgung müssen die Unternehmen der ersten und zweiten Sektion für alle Grundsätze, alle sonstigen Unternehmen jedoch nur für die Allgemeinen Grundsätze abgeben. 130 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 58; M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 10 f., der sich gegen die Kritik wendet, der Kodex sei zu vage. Detaillierte Vorgaben stünden dem Gedanken der Kodex-Regulierung vielmehr entgegen. Zur Kodex-Regulierung und dem Unterschied von Regeln und Prinzipien siehe auch H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 15–17. 131 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59. 132 H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 18; M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 11 spricht davon, dass keine Sanktionen durch die öffentliche Gewalt vorgesehen sind, der Markt jedoch eine sanktionierende Wirkung entfalten kann. 127 128

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

welches Vorgehen den Anforderungen des Kodex genügt.133 Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie zur comply or explain-Regelung im GesG.134 Die Unternehmen müssen, wie bereits erläutert, eine Erklärung über die von der Gesellschaft ernannten Prüfer und Direktoren abgeben und entsprechende Angaben im Corporate Governance-Bericht machen. 135 Davon zu trennen ist die Erklärung über die Befolgung oder Nichtbefolgung der Anforderung an unabhängige Direktoren sowie alle weiteren Anforderungen des Kodex im Corporate Governance-Bericht. 136 In diesem wurden neue Abschnitte für die Erklärung der Nichtbefolgung einzelner Grundsätze des Kodex sowie für die nach einigen Grundsätzen erforderliche Offenlegung von Informationen geschaffen.137 Im Falle von Änderungen, die den Bericht betreffen, ist die Einreichung eines neuen Berichts erforderlich.138 Für das Funktionieren des comply or explain-Ansatzes sind dabei zwei Voraussetzungen entscheidend:139 erstens müssen die Aktionäre eine begründete Nichtbefolgung einzelner Grundsätze akzeptieren und nicht pauschal als ein Zeichen schlechter Governance werten; zweitens müssen die Unternehmen hinreichend begründete Erklärungen abgeben, um den Aktionären eine Bewertung auch zu ermöglichen. Es müssen die individuellen Umstände des Unternehmens berücksichtigt und zudem dargelegt werden, warum der Zweck des Kodex trotzdem erfüllt werden kann, wie künftig vorgegangen werden soll und ob die Grundsätze in Zukunft befolgt werden sollen. Vorgefertigte Angaben sind nicht zulässig.140 Die Pflicht zur Erklärung über die Entsprechung ist wie auch die Pflicht zur Ernennung mindestens eines unabhängigen Direktors oder Prüfers in den Listing Rules im Abschnitt Code of Corporate Conduct unter Matters to be Observed geregelt.141 Damit ist eine Verletzung auch dieser Pflicht Gegenstand von Maßnahmen zur Sicherstellung der Befolgung der Listing Rules wie zum Beispiel Strafgeldern. Aufgrund der Natur des comply or explainAnsatzes kommen solche Maßnahmen jedoch nur in Betracht, wenn eine M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 11. Siehe oben I.1. 135 Siehe oben II. 136 Regel 436-3 i. V. m. Regeln 419, 204 Abs. 12 Nr. 1, 211 Abs. 12 Nr. 1 TSE Listing Rules. Die Anforderungen sind näher spezifiziert in Regeln 211 Abs. 4 Nr. 6, 226 Abs. 4 Nr. 6 TSE Enforcement Rules. 137 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59 f. samt Abbildung einer Seite des Berichts. 138 Regel 419 TSE Listing Rules i. V. m. Regel 415 TSE Enforcement Rules. Siehe dazu auch T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 61. 139 M. YUFU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 4, 9; siehe auch JCGC, 35 Nr. 12 (Appendix) 140 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 59; zu den vorgefertigten Erklärungen siehe auch JCGC, 35 Nr. 12 (Appendix). 141 Regel 436-3 TSE Listing Rules. Zur Pflicht zur Ernennung und der Einteilung in den Listing Rules siehe oben II. 133 134

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C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

Gesellschaft die Grundsätze offensichtlich nicht befolgt und entweder keine Erklärung oder eine offensichtlich unzutreffende Erklärung abgibt.142 Tabelle 4: Rechtstechnische Umsetzung des Instruments der Unabhängigkeit auf drei Ebenen GesG/Verordnung

TSE Listing Rules

CGC

Adressat

Große PublikumsgeBörsennotierte sellschaften, die Unternehmen Jahres-Aktienbericht veröffentlichen müssen

Börsennotierte Unternehmen

Inhalt

Mind. ein externer Direktor

1. Anforderung: mind. ein unabhängiger Direktor oder Prüfer 2. Anforderung: mind. ein unabhängiger Direktor

Mind. zwei unabhängige Direktoren

Modus

comply or explain (3 Modalitäten)

Bzgl. 1.: Pflicht Bzgl. 2.: Pflicht zum Bemühen

comply or explain

Sanktionen

Vorrangig durch Aktionäre; bei fehlender oder offensichtlich unrichtiger Erklärung je nach Modalität Anfechtbarkeit der HVBeschlüsse; daneben Strafgelder möglich

1.Strafgeld bei Nichtbefolgung (explizit geregelt)

Vorrangig durch Aktionäre; bei fehlender oder offensichtlich unrichtiger Erklärung Strafgelder möglich

2. Strafgeld möglich; praktische Relevanz fraglich

IV. Wahl und Gestaltung der Organisationsverfassungen in der Praxis Wie sich die auf drei Regelungsebenen verteilten Anforderungen auf die Unternehmen auswirken, hängt wesentlich davon ab, welche der drei Organisationsformen in der Praxis gewählt werden (1.). Für Gesellschaften mit einer der beiden Ausschussstrukturen ist die gesetzliche comply or explain-Regelung unerheblich, da sie zwangsweise mindestens zwei externe Direktoren benennen müssen. Zudem können sie keine unabhängigen Prüfer ernennen und müssen daher nach den Listing Rules einen unabhängigen Direktoren wählen und sich nicht nur darum bemühen. Die Anforderung des Kodex, sich zu erklären, wenn nicht mindestens zwei unabhängige Mitglieder im Verwaltungsrat sitzen, wirkt sich hingegen unabhängig von der Organisationsform 142

Siehe dazu T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 58 f.

208

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

auf alle Unternehmen aus. Eine zweite Frage ist, wie sich die Regelungen und der Druck in Richtung einer zunehmenden Ernennung externer und unabhängiger Direktoren in den börsennotierten Unternehmen auf deren Zahl ausgewirkt haben (2.). 1. Bedeutung der drei Organisationsverfassungen in der Praxis Mit der Regelung einer Wahlmöglichkeit hat es der Gesetzgeber den Unternehmen überlassen, die für sie passende Organisationsform zu finden. Der Idee nach entscheidet der Markt darüber, welches jeweils die geeignetste und effektivste Organisationsstruktur ist. Bis zur jüngsten Reform und auch darüber hinaus haben sich nur wenige Gesellschaften für eine Organisation als Gesellschaft mit Ausschüssen entschieden.143 Das bedeutet, dass bis zur jüngsten Reform und der Einführung einer dritten Organisationsverfassung die Aktiengesellschaften auch ein Jahrzehnt nach Einführung einer auf dem Monitoring-Modell basierenden Struktur zum ganz überwiegenden Teil als Gesellschaften mit Prüferrat organisiert waren. Grund hierfür ist insbesondere der Widerstand der Präsidenten und geschäftsführenden Direktoren gegen die Wahl ihrer Nachfolger unter Beteiligung externer Direktoren sowie gegen die Bestimmung der Wahlvorschläge für Direktoren durch eine Mehrheit externer Direktoren im Nominierungsausschuss. 144 Es gibt jedoch auch eine optimistischere Sichtweise auf die geringe Zahl der Unternehmen, die einen Wechsel vollzogen haben. Danach sei zu berücksichtigen, dass die Wechsel trotz der Skandale bei Enron und WorldCom in den USA sowie einer weltweit insgesamt zunehmend auch kritischen Haltung gegenüber dem Monitoring-Modell vorgenommen wurden.145 Zudem sei die Zahl der wechselnden Unternehmen seit 2003 konstant geblieben und einige der großen, repräsentativen Unternehmen hätten sich für das neue Modell entschieden. Allerdings ist im Vergleich zur Untersuchung durch die TSE mit Daten aus dem Jahr 2012 der prozentuale Anteil der Gesellschaften mit Ausschüssen wieder leicht gesunken.146 Mit Stand vom 14.7.2014 betrug die Zahl der an der Tōkyōter Börse gelisteten Gesellschaften mit Ausschüssen lediglich 1,7 % (2,5 % in der ersten Sektion) und 57 Gesellschaften in absoluten Zahlen, TSE, White Paper 2015, 15. Auch nach der jüngsten Reform ist der Anteil nur unwesentlich auf 2 % gestiegen (Stand 14.7.2016), TSE, White Paper 2017, 67 f. (Diagramm 51). 144 Vgl. R. DORE, Insider Management, 370, 377; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 18 f.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 76; B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 101 f. 145 P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 133. Zur zunehmenden Kritik am unabhängigen Board siehe oben Kapitel 1 – B., insb. II.4. 146 Während der Anteil nunmehr bei 2 % liegt und bei der vorigen Untersuchung bei 1,7 % (siehe Fn. 143), lag er bei der Untersuchung mit Daten aus dem Jahr 2012 noch bei 2,2 %, TSE, White Paper 2013, 15. 143

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

209

Gradmesser für die Entwicklung der Leitungs- und Überwachungsstrukturen in den Gesellschaften darf jedoch nicht allein die Wahl der Organisationsverfassung sein. Vielmehr haben einige Unternehmen auch im Rahmen der traditionellen Organisationsverfassung strukturelle Änderungen vorgenommen.147 Teilweise wird von hybriden Modellen gesprochen, die den Informationszugang durch Insider mit der größeren Unabhängigkeit Externer verbinden, um eine effektive Leitung und Kontrolle zu ermöglichen. Viele Unternehmen scheuen einen Wechsel zur Ausschussstruktur, nehmen aber durchaus Anpassungen innerhalb des alten Systems vor, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. 148 Darüber hinaus ist über alle Gesellschaften hinweg zu beobachten, dass sich die Größe der Verwaltungsräte zunehmend verringert hat. 149 Der Durchschnitt aller an der TSE notierten Gesellschaften lag zuletzt bei 8,25 Direktoren.150 Hierin liegt eine klare Abkehr von der früher im internationalen Vergleich großen Anzahl an Direktoren in den Verwaltungsräten.151 Demgegenüber hatten nicht alle Gesellschaften, die zur Ausschussstruktur gewechselt sind, auch eine Verbesserung ihrer Leitungs- und Überwachungsstrukturen im Blick. Allein mit dem Wechsel als solchem wird zwar den mit der Ausschussstruktur vertrauten ausländischen Investoren das Bild einer „besseren“ Corporate Governance vermittelt und in Corporate GovernanceRankings werden mehr Punkte erzielt.152 Kritische Stimmen merken jedoch an, dass die neue Organisationsverfassung bis zur jüngsten, im Jahr 2015 in Kraft getretenen Reform von Unternehmensgruppen genutzt wurde, um ihre Tochtergesellschaften enger an sich zu binden und sich vor externer Überwachung gerade zu schützen. Die bis dahin gültige Definition externer Direktoren erlaubte eine Einsetzung von Direktoren oder Angestellten der Muttergesellschaft sowie Vertretern eines Großaktionärs in die drei Ausschüsse des Verwaltungsrats der Tochtergesellschaft.153 Man wird folglich zwischen UnB. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 96. B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 101–103. Zu Zahl und Hintergrund externer wie unabhängiger Direktoren auch in der Gesellschaft mit Prüferrat siehe sogleich 2. 149 K. UCHIDA, Shōken Anarisuto Jānaru 50-2 (2012) 8, 9; H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 32. Im letzten Jahr ist die Zahl allerdings wieder leicht gestiegen. 150 TSE, White Paper 2017, 74 f. (Diagramm 57); TSE, Appointment 2016, 5. 151 Siehe allerdings unten E. IV.1.c) zum System der special directors und des executive board (jōmu-kai), welches auch bislang die Größe der Verwaltungsräte in den Gesellschaften mit Prüferrat relativierte. 152 P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 139; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 68; R. DORE, Insider Management, 370, 376 f. Darüber hinaus können sich rechtliche Vorteile etwa betreffend die Haftung der Direktoren und die Übertragung von Kompetenzen der Hauptversammlung auf den Verwaltungsrat ergeben, ibid. 153 Siehe dazu noch unter D. I. Von den ersten 71 Unternehmen, die zur neuen Struktur wechselten, waren 45 börsennotiert und von diesen wiederum waren fast die Hälfte Tochtergesellschaften von Hitachi, R. J. GILSON / C. J. MILHAUPT, Am J Comp L 53 (2005) 343, 355. 147 148

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

ternehmen unterscheiden müssen, die ihre Strukturen tatsächlich ändern wollen, und solchen, die nahestehende Personen ins Board berufen und den Wechsel zum System mit Ausschüssen aus kosmetischen Gründen vornehmen, während sie das bisherige Modell faktisch beibehalten.154 Bei den Beratungen zur jüngsten Reform des GesG war zwar die Frage eines Zwangs zur Einführung externer Direktoren der umstrittenste Punkt. Auf der Agenda stand jedoch auch die Einführung einer dritten Organisationsform. Einerseits war man davon überzeugt, dass die Prüfung (kansa) durch den Prüferrat aufgrund fehlender Stimmrechte im Verwaltungsrat nur begrenzt weiter gestärkt werden kann und dass externe Direktoren zur Stärkung der Aufsicht (kantoku) über die geschäftsführenden Personen mittels Einfluss auf Ernennung und Vergütung erforderlich sind.155 Andererseits war man sich des Widerstandes eines Großteils der Unternehmen gegen die Übertragung der Kompetenz zur Nominierung und Vergütung der Direktoren sowie zur Ernennung und Vergütung der Geschäftsführer auf externe Verwaltungsratsmitglieder bewusst. Auch die gleichzeitige Ernennung externer Prüfer und Direktoren in der traditionellen Organisationsform wurde als Belastung empfunden. Die neu eingeführte Gesellschaft mit Kontrollausschuss soll es den Gesellschaften daher erleichtern, von der Funktion externer Direktoren Gebrauch zu machen.156 Sie stellt eine kodifizierte „hybride“ Form dar, die Elemente der traditionellen Organisationsverfassung und solche der Ausschussstruktur verbindet,157 wobei sie je nach Ausgestaltung eher zur einen oder zur anderen Seite tendiert.158 Im Vergleich zur geringen Zahl der Gesellschaften mit Ausschüssen haben sich gleich mit der ersten Hauptversammlungs-Saison nach Inkrafttreten des reformierten Gesellschaftsgesetzes deutlich mehr Unternehmen für den Wech-

154 Vgl. P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 152; R. DORE, Insider Management, 370, 375, der Marc Goldstein zitiert, einen Vertreter der Institutional Shareholder Services Inc. (ISS). Teilweise wird allerdings auch vertreten, dass die Ausschussstruktur in Industrien wie der Elektronikindustrie von Vorteil sein kann, die ein flexibleres Management erfordern, R. J. GILSON / C. J. MILHAUPT, Am J Comp L 53 (2005) 343, 362–364; kritischer hingegen P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 138 f. 155 Zu ersterem Aspekt siehe N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 81. Zu letzterem und der Begründung für die Ernennung externer Direktoren auch in der Gesellschaft mit Prüferrat siehe bereits oben B. I. Zur Unterscheidung zwischen Prüfung (kansa) und Aufsicht (kantoku) hinsichtlich der Überwachungsaufgabe siehe oben Kapitel 3 – D. zu Beginn. 156 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 18 f.; siehe auch N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 81; vgl. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23. 157 Vgl. B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 97. 158 Siehe zur Grundstruktur oben Kapitel 3 – A. II. sowie zur Funktion externer und unabhängiger Direktoren in der neuen Organisationsform eingehend unten E.

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C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

sel zur Gesellschaft mit Kontrollausschuss entschieden. 159 Zum Stichtag 14. Juli 2016 waren dann bereits 18,2 % der an der TSE notierten Gesellschaften solche mit der neuen Organisationsstruktur.160 Kenjirō Egashira war der Auffassung, vor allem kleinere und mittlere Gesellschaften würden von der neuen Organisationsform Gebrauch machen.161 Ob dies der Fall ist, muss sich noch zeigen. Möglicherweise versprechen sich Gesellschaften von einem Wechsel tatsächlich eine bessere Überwachung und Leistungssteigerung. Ein Anreiz könnte aber auch darin liegen, dass die neue Organisationsform mit zwei externen Direktoren der Zahl der Personen nach sogar weniger externen Einfluss erfordert als die Gesellschaft mit Prüferrat. In dieser muss es mindestens zwei externe Prüfer und, folgt man der neuen Regelung des GesG, einen externen Direktor geben.162 Letztlich wird es darauf ankommen, wie die Gesellschaften mit Kontrollausschuss die Governance-Struktur im Detail gestalten und ob der Ausschuss gegenüber dem Prüferrat einen Mehrwert bietet.163 Tabelle 5: Anteile der drei Organisationsverfassungen an der Gesamtzahl der an der TSE gelisteten Unternehmen164 2006

2008

2010

2012

2014

2016

GmPR

97,5 %

97,7 %

97,8 %

97,8 %

98,3 %

79,8 %

GmA

2,5 %

2,3 %

2,2 %

2,2 %

1,7 %

2%











GmKA

18,2 %

Abkürzungen: GmPR = Gesellschaft mit Prüferrat; GmA = Gesellschaft mit Ausschüssen; GmKA = Gesellschaft mit Kontrollausschuss

2. Zahl externer und unabhängiger Direktoren in den Verwaltungsräten Nicht nur die Zahl der Gesellschaften, die schon aufgrund ihrer Organisationsverfassung mindestens zwei externe Direktoren ernennen müssen, war bis zur letzten Reform äußerst gering. Auch griffen relativ wenige Unternehmen, 159 Die TSE ging kurz nach Inkrafttreten des reformierten Gesetzes davon aus, dass nach der Hauptversammlungs-Saison 2015 187 Gesellschaften den Wechsel vollzogen haben werden, „Yakuin-kai kansa kinō takameru [Stärkung der Kontrollfunktion von Verwaltungs- und Prüferrat]“, Nihon Keizai Shinbun (Yūkan), 19.6.2015, 1. 160 TSE, White Paper 2017, 67 f. (Diagramm 51). 161 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63. Für größere, mehrheitlich bereits externe Direktoren aufweisende Gesellschaften bestehe kein Anreiz für einen Wechsel. 162 So zu Recht K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 22. 163 Siehe dazu unten E., insb. IV.3. 164 TSE, White Paper 2017, 67 f.; TSE, White Paper 2015, 15; TSE, White Paper 2013, 15; TSE, White Paper 2011, 15; TSE, White Paper 2009, 15; TSE, White Paper 2007, 12.

212

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

die bei der traditionellen Struktur geblieben waren, freiwillig auf externe Verwaltungsratsmitglieder zurück. Insgesamt lag im Juli 2014 der Anteil der an der TSE gelisteten Gesellschaften mit externen Direktoren bei 64,4 % und der Anteil derjenigen mit unabhängigen Direktoren bei 46,7 %.165 Unter den Gesellschaften mit Prüferrat war noch über ein Drittel ohne einen einzigen externen Direktor und nur etwa ein Viertel hatte zwei oder sogar mehr externe Verwaltungsratsmitglieder ernannt. 166 Die Gesellschaften mit Ausschüssen, die aufgrund der Wahl ihrer Organisationsverfassung mindestens zwei externe Direktoren aufweisen müssen, hatten hingegen fast ausschließlich mindestens drei und etwa zur Hälfte mindestens fünf solcher Board-Mitglieder ernannt. 167 Was die unabhängigen Direktoren betrifft, so erfüllte bei mehr als der Hälfte der Gesellschaften mit Prüferrat keines der Verwaltungsratsmitglieder die entsprechenden Anforderungen. Nur etwa ein Zehntel dieser Gesellschaften wiesen mindestens zwei unabhängige Direktoren auf. 168 Gesellschaften mit Ausschüssen müssen nach den Listing Rules der TSE faktisch mindestens einen unabhängigen Direktor haben, da sie keinen unabhängigen Prüfer ernennen können. 169 Darüber hinaus hatten etwa drei Viertel von ihnen mindestens zwei und etwa die Hälfte mindestens vier unabhängige Direktoren ernannt.170 In Anbetracht des Umstandes, dass der ganz überwiegende Teil der Gesellschaften solche mit Prüferrat sind, lässt sich an diesen Zahlen leicht ablesen, dass bis zur letzten Reform ein erheblicher Teil der börsennotierten Gesellschaften nach wie vor keinen oder nur einen externen Direktor ernannt hatte. Für unabhängige Direktoren waren die Werte noch geringer. Gesellschaften, die ein Drittel oder sogar die Hälfte extern oder unabhängig besetzt hatten, waren äußerst selten. Darin lag weiterhin ein klarer Gegensatz zu den in der Regel überwiegend unabhängig besetzten Boards im Vereinigten Königreich sowie insbesondere den fast ausschließlich unabhängig besetzten Boards in den USA.

TSE, Appointment 2014, 6; TSE, White Paper 2017, 83 f. (Diagramme 66 und 67); vgl. auch TSE, White Paper 2015, 21. Die Definition externer Direktoren richtet sich nach Art. 2 Nr. 15 GesG. Unabhängige Direktoren sind in der Statistik all diejenigen, die der TSE von den Gesellschaften als unabhängige Direktoren bekannt gegeben worden sind, TSE, White Paper 2017, 83 Fn. 51 sowie TSE, White Paper 2015, 21 Fn. 29. Zur Definition von „extern“ und „unabhängig“ siehe unten eingehend D. 166 TSE, White Paper 2015, 22 (Diagramm 25). 167 TSE, White Paper 2015, 23 (Diagramm 27). Sieben oder mehr externe Direktoren sind hingegen auch unter diesen Gesellschaften äußerst selten. 168 TSE, White Paper 2015, 23 (Diagramm 26). 169 Siehe dazu oben II. 170 TSE, White Paper 2015, 23 (Diagramm 28). Sieben oder mehr unabhängige Direktoren sind hingegen auch unter diesen Gesellschaften äußerst selten. 165

213

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

Tabelle 6: Anteil der Gesellschaften mit externen bzw. unabhängigen Direktoren insgesamt171 2008

2010

2012

2014

≥ 1 Ext.

45,4 %

48,7 %

54,7 %

64,4 %

≥ 1 Unabh.





33,8 % (2013)

46,7 %

Tabelle 7: Externe und unabhängige Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat172 2008

2010

2012

2014

≥ 1 Ext.

44 %

47,6 %

53,6 %

63,8 %

≥ 2 Ext.

20,6 %

22,1 %

24,4 %

25,8 %

≥ 3 Ext.

8%

8,7 %

9,7 %

9,3 %

≥ 1 Unabh.





33 %

45,6 %

≥ 2 Unabh.





11,6 %

11,8 %

≥ 3 Unabh.





3,9 %

3,3 %

Tabelle 8: Externe und unabhängige Direktoren in der Gesellschaft mit Ausschüssen173 2008

2010

2012

2014

≥ 2 Ext.

100 %

100 %

100 %

100 %

≥ 4 Ext.

58,3 %

62,7 %

71,4 %

80,8 %

≥ 6 Ext.

18,3 %

17,6 %

20,4 %

28,1 %

≥ 1 Unabh.





100 %

100 %

≥ 2 Unabh.





71,4 %

73,7 %

≥ 4 Unabh.





44,9 %

50,9 %

≥ 6 Unabh.





16,3 %

17,5 %

TSE, White Paper 2015, 21; TSE, White Paper 2013, 23; TSE, White Paper 2011, 19; TSE, White Paper 2009, 19 zum Anteil externer Direktoren und TSE, Appointment 2014, 6 zum Anteil unabhängiger Direktoren. 172 TSE, White Paper 2015, 22 f. (Diagramme 25 und 26). 173 TSE, White Paper 2015, 23 (Diagramme 27 und 28). 171

214

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Auf der anderen Seite lassen die obigen Statistiken insbesondere in den letzten Jahren den klaren Trend einer Zunahme externer wie unabhängiger Direktoren erkennen. Noch 2006 lag die Zahl der Gesellschaften mit externen Direktoren insgesamt bei nur 40,8 %.174 Auch in der ersten Sektion der TSE, in welcher die großen Gesellschaften notiert sind, lag er noch 2010 bei unter 50 % und war bis Juli 2014 auf 74,3 % gestiegen.175 Zudem haben sich auch weitere namhafte Gesellschaften auf den Hauptversammlungen im Jahr 2014 zur Ernennung externer Direktoren entschieden.176 Vor allem aber sind mit Inkrafttreten des neuen GesG sowie des Corporate Governance Kodex im Sommer 2015 nicht nur zahlreiche Gesellschaften zur Organisation als Gesellschaft mit Kontrollausschuss gewechselt. Vielmehr zeigen die Statistiken seit der letzten Reform, dass die Zahl der an der TSE notierten Gesellschaften mit externen und unabhängigen Direktoren erneut ganz erheblich gestiegen ist: im Falle externer Direktoren auf 95,8 % und für unabhängige Direktoren auf 88,9 %. Damit gibt es heute kaum noch börsennotierte Gesellschaften ohne externe und nur etwas über zehn Prozent ohne unabhängige Direktoren. Zudem stieg auch die Zahl der Gesellschaften mit mindestens zwei unabhängigen Direktoren merklich auf 60,4 %. 177 Für die Gesellschaften in der ersten Sektion der Tōkyōter Börse liegen die Zahlen noch höher.178 Tabelle 9: Anstieg der Gesellschaften mit externen und unabhängigen Direktoren im Zuge der jüngsten Reform 2014

2016

≥ 1 Ext.

64,4 %

95,8 %

≥ 1 Unabh.

46,7 %

88,9 %

≥ 2 Unabh.

13,1 %

60,4 %

Gewisse Zweifel an einer zunehmenden Verbreitung externer oder auch unabhängiger Direktoren durch die Reform haben sich damit nicht bestätigt.179 TSE, White Paper 2015, 21. N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 84. Der Anstieg bis zum Jahr 2014 wird insbesondere der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Reform des GesG sowie den angepassten Regelungen der Börse zugeschrieben, vgl. S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 13 (Wortbeitrag Saitō). 176 H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 45. 177 TSE, Appointment 2016, 4; TSE, White Paper 2017, 84 (Diagramme 66 und 67). 178 TSE, Appointment 2016, 4. 179 Zweifel äußerte etwa G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 24, bestätigt aber in einem anderen Beitrag selbst, dass noch vor der Reform die Zahlen weiter gestiegen sind, G. GOTO /  M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.2. 174 175

C. Rechtstechnische Umsetzung und Praxis

215

Im Gegenteil scheint es vielmehr der Fall zu sein, dass Gesellschaften keine Begründung finden, die den Anforderungen der gesetzlichen comply or explain-Regelung genügen würde.180 Auch liegen die Raten für die Befolgung des Kodex sehr hoch. Die Befolgungsrate für die Anforderung, mindestens zwei unabhängige Direktoren zu ernennen, ist zwar die sechstniedrigste unter allen Grundsätzen, lag im Dezember 2016 aber für Gesellschaften der ersten und zweiten Sektion bereits bei 79,5 %.181 Der eindeutige Reformdruck auf mehreren Regelungsebenen im Zusammenspiel mit dem Druck der Märkte zeigt hier eine klare Wirkung. Die eindeutigen Auswirkungen auf die Struktur der Verwaltungsräte sind sicher im Sinne des Gesetzgebers. Teilweise wird jedoch bereits befürchtet, dass der comply or explain-Ansatz in der Praxis zu einem faktischen Zwang führen wird.182 Sollten die Befolgungsraten weiterhin hoch bleiben oder noch weiter steigen, ist mit kritischen Stimmen zu rechnen, die das Entstehen einer in Deutschland bereits diskutierten „Abweichungskultur“ für erforderlich halten.183 V. Zusammenfassung und Bewertung Bei der Ausgestaltung des Unabhängigkeitsmodells hat sich der japanische Gesetzgeber für einen Mix aus zwingenden und nicht zwingenden Regelungen, eine Unterscheidung zwischen externen und unabhängigen Direktoren sowie eine Verteilung der Normen auf drei Regelungsebenen entschieden. Berücksichtigt man, dass Aktiengesellschaften schon auf vorgelagerter Ebene die Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen haben, die in erheblichem Umfang Raum für eine Ausgestaltung im Spannungsfeld zwischen Management-Modell und Monitoring-Modell lassen, so ergibt sich ein recht komplexes System aus Wahlmöglichkeiten, Pflichten, Aufforderungen und ähnlichen, leicht zu verwechselnden, aber keinesfalls bedeutungsgleichen Begriffen.

Zu den Schwierigkeiten für die Unternehmen siehe etwa S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 10 und 16 (Wortbeiträge Sakamoto); K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 8611 (2014) 59, 61; vgl. S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 48. Ähnlich äußerte sich in einem Gespräch mit dem Verfasser am 9.2.2015 an der Städtischen Universität Ōsaka Prof. Dr. Dr. Eiji Takahashi. Für Überlegungen zu möglichen Begründungsansätzen siehe S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 14 (Wortbeiträge Mishima und Saitō); N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 84; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 19 f. 181 TSE, How Listed Companies Have Addressed Japan’s Corporate Governance Code (Status as of December 2016), 4, abrufbar unter . Insgesamt liegt die Zahl der Gesellschaften der ersten und zweiten Sektion, welche mit allen Grundsätzen übereinstimmen, bei 19,9 % und der Anteil der Gesellschaften, welche mit mindestens 90 % der Grundsätze übereinstimmen, bei 64,8 %, ibid., 2 f. 182 Vgl. die Kritik bei H. KANSAKU, Shōji Hōmu 2068 (2015) 13, 18 f. 183 Zu Diskussion um eine Abweichungskultur siehe oben Kapitel 1 – B. IV.3.b). 180

216

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Gegen ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit als solches, welches die Berücksichtigung der Charakteristika der einzelnen Gesellschaften erlaubt, ist nichts einzuwenden. Beschäftigt man sich jedoch näher mit der rechtstechnischen Umsetzung in Japan sowie der japanischen und westlichen Literatur, so kommen Zweifel auf, dass alle Beteiligten und dabei insbesondere auch die Anleger und die betreffenden Personen in den Unternehmen den Überblick behalten. Die Undurchsichtigkeit des bereits häufig reformierten Systems wird über die Behandlung des sogleich zu untersuchenden Unabhängigkeitsbegriffs nur noch gesteigert. In der Praxis dominiert nach wie vor die Ausgestaltung als Gesellschaft mit Prüferrat und die Gesellschaft mit Ausschüssen wurde nicht immer mit dem Ziel gewählt, externen Einfluss im Verwaltungsrat zu erhöhen. Andererseits finden auch innerhalb der traditionellen Struktur unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben Veränderungen statt und eine nicht unerhebliche Zahl an Gesellschaften hat bereits den Wechsel zur neu geschaffenen Gesellschaft mit Kontrollausschuss vollzogen. Zudem lässt sich ein deutlicher Anstieg der Zahl der Gesellschaften mit externen und unabhängigen Direktoren verzeichnen, der durch die letzte Reform noch einmal an Schwung gewonnen hat. Aufgrund dieser Entwicklung kann jedenfalls nicht davon gesprochen werden, dass sich Japan der Rezeption des unabhängigen Direktors verweigert.184 Dies gilt insbesondere vom Blickpunkt der Zahl der Gesellschaften mit externen und unabhängigen Direktoren.185 Allerdings ist allein der Anstieg der Zahl der Gesellschaften, die überhaupt externe oder unabhängige Direktoren aufweisen, nicht mit einer wirkungsvollen Umsetzung des Unabhängigkeitsmodells gleichzusetzen. Drei Punkte gilt es dabei zu berücksichtigen. Erstens stellt sich die Frage, ob diejenigen Gesellschaften externe und unabhängige Direktoren in der erforderlichen Anzahl ernennen, die davon tatsächlich profitieren. Hierzu liegen nur ansatzweise empirische Untersuchungen vor, die dringend ausgebaut werden sollten. 186 Klar erkennbar ist jedenfalls auch weiterhin ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Anteil ausländischer Aktionäre und der Zahl der ernannten externen und unabhängigen Direktoren. 187 Demgegenüber deuten die bislang verfügbaren empirischen Untersuchungen darauf hin, dass gerade Unternehmen mit einem geSo zu Recht G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, IV., die von einem graduellen Wandel sprechen. Die Autoren vergleichen zudem die Dauer der Rezeption mit der Entstehung des unabhängigen Direktors über etwa zwei Jahrzehnte in den USA. 185 Dies ist auch die Entwicklung, die von der TSE gerne beworben wird, siehe etwa TSE, Appointment 2014, 2 f.; TSE, Appointment 2015, 2 f. und TSE, Appointment 2016, 2 f. und 6. 186 Siehe dazu bereits oben A. 187 TSE, White Paper 2017, 87–89 (Diagramme 73–75); siehe zu externen Direktoren TSE, White Paper 2015, 25 und 29 f. (Diagramme 31, 42 und 44). 184

D. Der Begriff der Unabhängigkeit

217

ringeren Anteil ausländischer Aktionäre von mehr externem Einfluss im Verwaltungsrat profitieren würden.188 Zweitens darf die stark gestiegene Zahl der Unternehmen mit externem oder unabhängigem Einfluss im Verwaltungsrat nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Unternehmen, in denen mindestens ein Drittel oder gar die Hälfte des Verwaltungsrats extern oder unabhängig ist, zwar ebenfalls gestiegen, jedoch nach wie vor vergleichsweise gering ist. 189 Insgesamt hatten im Juli 2016 28,3 % der an der TSE notierten Gesellschaften mindestens ein Drittel und nur 6,8 % mindestens die Hälfte ihres Verwaltungsrats extern besetzt. Für die unabhängigen Direktoren liegen die Werte nur bei 19,4 % bzw. 3,8 %.190 Drittens entscheidet nicht allein die Zunahme der Zahl an Personen, die bestimmte Unabhängigkeitsanforderungen erfüllen, darüber, ob diese eine bedeutende Rolle im Verwaltungsrat spielen. Im Folgenden soll daher die weitere Ausgestaltung des Instruments untersucht werden: der Begriff der Unabhängigkeit (D.), die Funktionen externer und unabhängiger Direktoren in Theorie und Praxis (E.), die Qualifikation dieser Direktoren (F.) sowie die Anreizstrukturen in Form von Vergütung und Haftung (G.).

D. Der Begriff der Unabhängigkeit D. Der Begriff der Unabhängigkeit

Auch für die japanische Diskussion ist Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Unabhängigkeitsbegriff der nicht geschäftsführende Direktor.191 Zu unterscheiden ist zwischen der Entscheidung über die Führung der Geschäfte (gyōmu shikkō no kettei) sowie der Ausführung der Geschäfte (gyōmu shikkō). Die geschäftsführenden Direktoren (gyōmu shikkō torishimari-yaku) bzw. in der Gesellschaft mit Ausschüssen die unterhalb des Verwaltungsrats stehenden Geschäftsführer (shikkō-yaku) führen die Geschäfte der Gesellschaft. Je nach Organisationsform kann der Verwaltungsrat auch seine Entscheidungskompetenz in mehr oder weniger großem Umfang auf einzelne Direktoren bzw. die Geschäftsführer übertragen. Die nicht mit Geschäftsführungsaufgaben betrauten Direktoren bezeichnet das Gesetz an mehreren Stellen als nicht geschäftsführende Direktoren (hi-gyōmu torishimari-yaku).192 Siehe oben A., insb. I.3. Siehe TSE, Appointment 2016, 5 und TSE, White Paper 2017, 87 (Diagramm 72) im Vergleich zu TSE, Appointment 2014, 7. 190 TSE, Appointment 2016, 5; zu den unabhängigen Direktoren siehe auch TSE, White Paper 2017, 87 (Diagramm 72). Bei einem Durchschnitt von 8,26 Direktoren im Verwaltungsrat lag die Zahl externer Direktoren bei 2,16 und diejenige unabhängiger Direktoren bei 1,97, TSE, Appointment 2016, 5. 191 Vgl. zum Folgenden bereits oben Kapitel 3 – A. II. Zur allgemeinen Begriffsklärung siehe oben Kapitel 1 – B. I. 192 Siehe etwa Art. 427 Abs. 1 GesG. 188 189

218

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Für die weitergehenden Anforderungen an externe und unabhängige Direktoren ist wieder zwischen den einzelnen Regelungsebenen zu unterscheiden. Das GesG enthält Anforderungen an externe Direktoren (I.), die Regelungen der TSE sowie der Kodex solche zu unabhängigen Direktoren (II.). Abschließend folgt eine Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse (III.). I.

Das Gesellschaftsgesetz: Anforderungen an externe Direktoren

Das GesG stellt hinsichtlich der Ernennung externer Direktoren an die drei Organisationsverfassungen die im vorangehenden Abschnitt dargestellten Anforderungen. Bis zur letzten, 2015 in Kraft getretenen Reform enthielt es eine negative, recht weit gefasste Definition des Begriffs „extern“. Allgemein gesprochen durfte die jeweilige Person nicht bei der betreffenden Gesellschaft angestellt sein. Geschäftsführende Direktoren, Geschäftsführer und Angestellte einschließlich Manager der betreffenden Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft waren auch bislang von der Position ausgeschlossen. 193 Das GesG erlaubte es jedoch, Vertreter von Muttergesellschaften als externe Direktoren zu ernennen, wodurch sich die bis dahin ohnehin noch geringe Zahl externer Direktoren weiter relativierte. So wurde auch die Gesellschaft mit Ausschüssen vor allem von Unternehmensgruppen gewählt, die das Ziel der engeren Anbindung der Tochtergesellschaften verfolgten.194 Mit der jüngsten Reform wurden die Anforderungen in zwei Richtungen erweitert.195 Zum einen ging man auf die oben genannte Kritik ein und erkannte Beziehungen zu Mutter- und Schwestergesellschaften als problematisch an. Zum anderen wurde erkannt, dass es auch bei Partnern und nahen Angehörigen der geschäftsführenden Personen zu Interessenkonflikten kommen kann. Durch eine Verschärfung der im Folgenden näher beleuchteten Anforderungen soll diesen Interessenkonflikten nunmehr entgegengewirkt und die Funktionserfüllung durch eine Stärkung der Unabhängigkeit sichergestellt werden.196

Art. 2 Nr. 15 GesG a. F. Siehe bereits oben C. IV.1. Siehe dazu G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 19; kritisch auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 74 f.; vgl. C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 105 sowie N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 85, demzufolge aber vor allem auch externe Prüfer in Gesellschaften mit Prüferrat häufig Funktionsträger oder wichtige Angestellte der Muttergesellschaft sind. 195 Vgl. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 21 f. Siehe oben Kapitel 2 – D. I.2.b). 196 Die geänderten Anforderungen erstrecken sich zudem auf die externen Prüfer. Siehe dazu bereits oben Kapitel 3 – D. I.2.b). Für eine grafische Übersicht über die nach der Reform geltenden Anforderungen siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 95. 193 194

D. Der Begriff der Unabhängigkeit

219

1. Inhalt der Änderungen der Reform 2014 Nach dem neu gefassten Art. 2 Nr. 15 GesG erfüllen folgende Personen nicht die Anforderungen an einen externen Direktor:197 – Direktoren, Geschäftsführer sowie Manager und sonstige Angestellte der Muttergesellschaft; – geschäftsführende Direktoren, Geschäftsführer sowie Manager oder sonstige Angestellte („geschäftsführender Direktor usw.“) 198 der betreffenden Gesellschaft, einer Tochter- oder einer Schwestergesellschaft; – Ehepartner und nahe Angehörige von Direktoren, Geschäftsführern, Managern und sonstigen bedeutenden Angestellten199 der betreffenden Gesellschaft. Die Verschärfungen werden damit begründet, dass andernfalls eine effektive Überwachung nicht zu erwarten sei, da die Muttergesellschaft über ihre Stimmrechte auf der Hauptversammlung die Geschäftsführung der Tochter faktisch bestimmen bzw. Einfluss auf die Geschäftsführung der Schwestergesellschaft der betreffenden Gesellschaft ausüben könne. 200 Partner und nahe Angehörige sind deshalb ausgeschlossen, da man typischerweise davon ausgehen könne, dass sie gleichgelagerte wirtschaftliche Interessen verfolgen. Eine effektive Überwachung, die verhindern soll, dass die Interessen der Gesellschaft hintan gestellt werden, sei bei diesen Personen nicht zu erwarten.201 Durch die Neuregelung werden zum einen Anstellungsverhältnisse in einem erweiterten Umfang, zum anderen aber auch persönliche Beziehungen zur Gesellschaft bzw. dessen Management erfasst. Insofern nähert sich der Zusammenfassende Übersetzung durch den Verfasser. Siehe dazu auch E. TAKAZJapanR 35 (2013) 63, 75 f.; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20 f.; S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 93 f. 198 Der Begriff „geschäftsführender Direktor usw.“ (gyōmu shikkō torishimari-yaku tō) wird so in Art. 2 Nr. 15 lit. a) GesG definiert und entsprechend im Folgenden als Sammelbegriff für geschäftsführende Direktoren, Geschäftsführer sowie Manager oder sonstige Angestellte gebraucht. Er ist zu unterscheiden vom Begriff der „geschäftsführenden Person“ (gyōmu shikkō-sha). Siehe daz unten II. 199 Der Begriff umfasst diejenigen Angestellten, die vom Verwaltungsrat ernannt werden, siehe Art. 362 Abs. 4 Nr. 3 GesG. Es handelt sich dabei um ein objektiv zu beurteilendes Merkmal, welches nicht dem subjektiven Urteil des Managements unterliegt, ob ein Angestellter als bedeutend einzustufen ist, S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 18 (Wortbeitrag Iwahara). 200 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 104 f. und 106; N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 84. Eine Person kann hingegen gleichzeitig externer Direktor in mehreren Schwestergesellschaften sein. 201 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 107 f. sowie 109. Die Anforderung gilt auch dann, wenn der betreffende Direktor nicht geschäftsführend ist, da sich die Überwachung durch externe Direktoren auf alle Direktoren und nicht nur die geschäftsführenden bezieht. 197

HASHI,

220

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

japanische Begriff des externen Direktors dem international vorherrschenden Begriff des unabhängigen Direktors an.202 Allerdings werden geschäftliche Beziehungen zur Gesellschaft weiterhin nicht erfasst und auch Beziehungen zu einem Aktionär spielen unabhängig von der Höhe dessen Beteiligung an der Gesellschaft keine Rolle.203 Zudem wurden die Anforderungen an externe Verwaltungsratsmitglieder gleichzeitig auch abgesenkt. Während bislang ehemalige geschäftsführende Direktoren und Angestellte der betreffenden Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften von der Position des externen Direktors ausgeschlossen waren, 204 führt das Reformgesetz statt der generellen Sperre eine Zehn-Jahres-Frist ein.205 Dadurch soll es den Unternehmen ermöglicht werden, genügend geeignete Kandidaten zu finden.206 Die Änderung dient also allein dazu, sicherzustellen, dass ein Anstieg der Zahl externer Direktoren nicht daran scheitert, dass die Gesellschaften keine geeigneten Personen finden. Sie stellt eine Lockerung der Anforderungen da, soll sich aber nicht negativ auf die Unabhängigkeit der Direktoren auswirken. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass sich die Beziehung zur Gesellschaft aus einer vorigen Tätigkeit mit der Zeit abschwächt.207 Für das Erfordernis der fehlenden Beziehung zur Muttergesellschaft wurde auf eine Ausweitung in die Vergangenheit sogar gänzlich verzichtet, da man davon ausging, dass nach Beendigung der Tätigkeit kein Einfluss seitens der Muttergesellschaft mehr zu erwarten sei.208 Hatte die betreffende Person innerhalb der letzten zehn Jahre eine andere Position bei der Gesellschaft als die eines „geschäftsführenden Direktors usw.“ inne, so bezieht sich die oben genannte Frist auf die zehn Jahre vor Beginn dieser Tätigkeit.209 Das bedeutet beispielsweise, dass eine Person, die im Jahr 2017 externer Direktor einer Gesellschaft werden soll, deren nicht Vgl. G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20, der insoweit von einer Annäherung an den globalen Standard spricht. Zum Begriff der Unabhängigkeit in den USA, dem Vereinigten Königreich sowie Deutschland siehe oben Kapitel 1 – B. und allgemein zu den Elementen der Unabhängigkeit B. I. 203 Siehe jedoch unten II. zu den Anforderungen der TSE und des Corporate Governance Kodex an unabhängige (dokuritsu) Direktoren. 204 Art. 2 Nr. 15 GesG a. F. Siehe dzau G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.a.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 76. 205 Art. 2 Nr. 15 a) GesG. Siehe dazu M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22. Für ein übersichtliches Schaubild zu den Fallgruppen unter der neuen Regelung siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 103. 206 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 99 f.; E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 75 f.; G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21 Fn. 47. 207 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 99 f. Im Unterausschuss wurde sogar die Meinung vertreten, dass bereits eine Frist von fünf Jahren genüge, ibid., Fn. 4. 208 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 104 f. 209 Art. 2 Nr. 15 b). Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 101–103 mit einem Schaubild. 202

D. Der Begriff der Unabhängigkeit

221

geschäftsführender Direktor sie seit 2010 war, in den Zehn Jahren zuvor und damit von 2000 bis 2010 weder geschäftsführender Direktor, noch Geschäftsführer, noch Angestellter dieser Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft gewesen sein darf. In solchen Fällen geht man davon aus, dass der Einfluss der Gesellschaft aufgrund des Verbleibs in dieser nach Beendigung der Tätigkeit als „geschäftsführender Direktor usw.“ noch zu groß ist, als dass man erwarten kann, dass die Aufgabe eines externen Direktors zufriedenstellend erfüllt wird.210 Die Anforderungen an externe Direktoren wurden also einerseits verschärft, andererseits aber auch abgesenkt. Rechtsvergleichend gilt es dabei jedoch zu berücksichtigen, dass beispielsweise in Deutschland erst im Jahr 2009 überhaupt eine Regelung eingeführt wurde, die vorsieht, dass Vorstandsmitglieder erst nach einer Sperrfrist von zwei Jahren in den Aufsichtsrat wechseln können.211 Insoweit stellt die japanische Regelung sogar strengere Anforderungen auf.212 Bedeutender scheint daher aus vergleichender Perspektive, dass es weiterhin ein Kriterium gibt, welches den japanischen Begriff des externen Direktors vom international vorherrschenden Unabhängigkeitsstandard unterscheidet: Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen sind nach wie vor unschädlich.213 Begründet wird dies damit, dass man im Gesetzgebungsrat aufgrund der Bedeutung der Anforderungen auch für die Wirksamkeit der Beschlüsse des Verwaltungsrats nach einer klaren, rechtssicheren Regelung suchte. Letztendlich hätte man sich jedoch weder hinsichtlich des konkreten Standards, noch der Einführung der Anforderung als solcher einigen können.214 Eine weitergehende, alle Aspekte der Unabhängigkeit adressierende Regelung bleibt damit dem Kodex und den Börsen mit ihren Vorgaben zu unabhängigen Direktoren überlassen.215 In Anbetracht der Regelung von Unabhängigkeitsanforderungen auf drei Ebenen darf auch in diesem Zusammenhang das Gesellschaftsgesetz nicht isoliert betrachtet werden.216 Unabhängig von den Auswirkungen der neuen Anforderungen in der Praxis sind diese in jedem Fall komplexer geworden. Es wird daher erwartet, dass die Zahl der den potentiellen Kandidaten im Auswahlprozess gestellten S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 101 f. § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG. Siehe dazu K. J. HOPT, Supervisory Board, 11; P. C. LEYENS, ZEuP 2016, 388, 404. 212 Die Vertretung von Angestellten ist über die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat zudem sogar zwingend vorgeschrieben. Siehe oben Kapitel 1 – B. IV.1.b). 213 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 21; vgl. G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.c.; H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 42. Zu den Bestandteilen des Unabhängigkeitsbegriffs siehe oben Kapitel 1 – B. I. 214 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 111 f.; vgl. M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 21. 215 Vgl. auch H. KANDA, Jiyū to Seigi 65-12 (2014) 41, 42. 216 Vgl. S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 19 (Wortbeitrag Saitō). 210 211

222

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Fragen zunehmen wird und die Gesellschaften ihre schon bislang umfangreichen Fragebögen zur Verdeutlichung um Beispiele und Schaubilder ergänzen werden. 217 Während für einige Unternehmensgruppen die Möglichkeit besteht, durch Reorganisation die Ernennung externer Direktoren in Tochtergesellschaften zu umgehen, bleibt allen anderen Gesellschaften nur die Ernennung von Personen, welche die Anforderungen erfüllen.218 Insbesondere kleine und mittlere börsennotierte Gesellschaften hatten bislang häufig Direktoren der Muttergesellschaft oder anderer mit der Gesellschaft in Beziehung stehender Gesellschaften als externe Direktoren eingesetzt.219 Dies hatte die Frage aufgeworfen, ob die entsprechenden Personen rechtzeitig in genügender Zahl ersetzt werden können. Der deutliche Anstieg der Zahl externer Direktoren unmittelbar vor und auch nach der Reform220 legt jedoch nahe, dass die Sorge, es ließen sich nicht genügend geeignete Kandidaten finden, unbegründet war. Dies könnte nicht zuletzt daran liegen, dass für Vertreter der Muttergesellschaft gerade keine zehnjährige Sperrfrist gilt, sodass die Beendigung der Beziehung zu dieser ausreicht, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. 2. Übergangsvorschriften und Folgen bei Verstoß gegen die Anforderungen Um den Unternehmen ausreichend Zeit zu lassen, die Einhaltung der neuen Anforderung sicherzustellen, wurden Übergangsregelungen geschaffen. Durch diese sollte auch ein Durcheinander parallel geltender Anforderungen für bisherige und neu gewählte Direktoren vermieden werden.221 Seit Ablauf der Übergangsphase dürfte der Umstand, dass ein Direktor die Anforderungen an externe Direktoren nicht oder nicht mehr erfüllt, in den Gesellschaften mit Ausschussstruktur zu Verfahrensfehlern und damit der Anfechtbarkeit der Beschlüsse des jeweiligen Ausschusses führen.222 Besteht hingegen wie bei der Gesellschaft mit Prüferrat keine gesetzliche Pflicht zur Zu ersterem Punkt siehe N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 85, zu letzterem S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 18 f. (Wortbeitrag Mishima). 218 Zu ersterem Punkt siehe S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 20 (Wortbeitrag Mishima), zu letzterem N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 85 f. 219 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 61. 220 Siehe oben C. IV.2. 221 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 113–115; siehe auch S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 16–18 (Wortbeitrag Sakamoto); N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 85. Gesellschaften mit externen Direktoren mussten nicht bei Inkrafttreten des reformierten Gesetzes eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, sondern es genügte, wenn auf der nächsten regulären Hauptversammlung die Anforderungen erfüllt wurden. Gleiches galt zur Vereinheitlichung auch für die nach Inkrafttreten gewählten Direktoren. Neue externe Direktoren einer Gesellschaft, die bisher nur externe Prüfer hatte, mussten jedoch mit Inkrafttreten gleich den neuen Anforderungen genügen. 222 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 17 (Wortbeitrag Sakamoto) m. w. N. 217

D. Der Begriff der Unabhängigkeit

223

Ernennung externer Direktoren, so hat der Umstand, dass kein Direktor die Voraussetzungen an einen externen Direktor erfüllt, grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Beschlüsse des Verwaltungsrats.223 Anderes gilt, wenn der Begründungspflicht im Rahmen der comply or explain-Regelung nicht Genüge getan wird.224 II. Die Listing Rules der TSE und der Corporate Governance Kodex: Anforderungen an die Unabhängigkeit Im Gegensatz zum GesG verwenden die Listing Rules der TSE sowie der Kodex nicht den Begriff extern (shagai) in ihren Anforderungen.225 Vielmehr müssen die Unternehmen nach den Listing Rules mindestens einen unabhängigen (dokuritsu) Prüfer oder Direktor ernennen. Hat eine Gesellschaft mit Prüferrat diese Pflicht erfüllt, indem sie einen unabhängigen Prüfer ernannt hat, besteht für sie dennoch die Pflicht, sich weiterhin zu bemühen, mindestens einen unabhängigen Direktor zu ernennen. Der Kodex geht darüber hinaus und fordert die Ernennung mindestens zweier unabhängiger Direktoren, folgt dabei aber wie das Gesetz einem comply or explain-Ansatz. Die Definition der Unabhängigkeit in den Listing Rules setzt Folgendes voraus:226 1. Die betreffende Person muss extern nach der Definition des Art. 2 Nr. 15 GesG sein. 2. Es muss darüber hinaus unwahrscheinlich sein, dass die Person in einen Interessenkonflikt mit der Allgemeinheit der Aktionäre geraten wird. Es handelt sich folglich um keine formalistische Definition, sondern eine Bestimmung, die aufbauend auf der gesetzlichen Definition des externen Direktors allein auf das Fehlen potentieller Interessenkonflikte abstellt.227 Ein Direktor, der bereits nicht extern ist, kann denklogisch niemals unabhängig sein. Der Kodex verweist für den Begriff der Unabhängigkeit auf die genannte Regelung der Börsen. 228 Allerdings sollen die Unternehmen aufbauend auf diesen Bestimmungen eigene Kriterien entwickeln und veröffentlichen. Die individuellen Standards sollen laut Kodex ermöglichen, dass als unabhängig erklärte Direktoren zu ehrlichen, aktiven und konstruktiven Diskussionen im Verwaltungsrat beitragen.229

S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 17 (Wortbeitrag Sakamoto). Siehe dazu oben C. I.1.b). 225 Siehe zum folgenden Absatz bereits eingehend oben C. und insb. das Schaubild am Ende des dortigen Unterabschnitts III. 226 Regel 436-2 Abs. 1 TSE Listing Rules. [Freie Übersetzung durch den Verfasser.] 227 G. GOTO / M. MATSUNAKA / S. KOZUKA, Gradual Reception, II.1.b. 228 JCGC, Grundsatz 4.7 Fn. 9. 229 JCGC, Grundsatz 4.9. 223 224

224

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Bis zur jüngsten Reform enthielten die Durchführungsbestimmungen zu den Börsenzulassungsregeln eine Aufzählung an Merkmalen, bei deren Vorliegen davon ausgegangen wurde, dass ein Interessenkonflikt besteht und die betreffende Person die Unabhängigkeitsanforderung daher nicht erfüllt (sog. Negativkriterien). 230 Wurde die Person dennoch für unabhängig erklärt, so war eine Erklärung dieses Umstandes und für einige Merkmale darüber hinaus eine Begründung erforderlich. Diese Unterscheidung wurde im Zuge der Reform des Gesellschaftsgesetzes und der Einführung des Kodex aufgegeben.231 In den Fällen, die bislang einer Begründung bedurften, ist nunmehr ebenfalls nur noch eine Offenlegung des Umstands erforderlich, dass eines der Negativkriterien erfüllt wird. Damit soll zum einen eine Vereinfachung des Systems erreicht werden und zum anderen dem Gedanken des comply or explain des Kodex Rechnung getragen werden.232 Es soll verhindert werden, dass Unternehmen aufgrund der Begründungspflicht zu konservativ vorgehen und Kandidaten deshalb außen vor lassen, weil sie befürchten, diese würden aufgrund der mit einer Begründungspflicht einhergehenden Vermutung gegen die Erfüllung der erforderlichen Standards vom Markt nicht als unabhängig angesehen. Vielmehr sollen Unternehmen aufbauend auf den Regelungen der TSE ihre eigenen Standards entwickeln, die in diesen Vorschriften genannten Umstände gegebenenfalls offenlegen und die Bewertung ihrer Standards den Aktionären und damit dem Markt überlassen. Neben der Abschaffung der Begründungspflicht wurde die Liste an Negativkriterien auch an die reformierte Definition des externen Direktors im GesG angepasst.233 Bei folgenden Personen ist nunmehr einheitlich eine Offenlegung der genannten Eigenschaften erforderlich, wenn sie als unabhängig deklariert werden:234 – Personen, die in der Vergangenheit geschäftsführende Person235 der betreffenden Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft waren (falls ein exterRegeln 211 Abs. 4 Nr. 5, 226 Abs. 4 Nr. 5 TSE Enforcement Rules a. F. Zu der Regelung vor Erneuerung im Zuge der Reform siehe auch I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI /  T. KIHIRA, Corporations, 254 f. Nr. 652. 231 Siehe für eine Erklärung der alten sowie der neuen Regelung T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 62–64; für ein Schaubild mit einer Gegenüberstellung von alter und neuer Regelung siehe ibid. sowie TSE, Development of Listing Rules, 8. 232 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 62 f.; vgl. TSE, Development of Listing Rules, 3; JCGC Final Proposal, Background zu Grundsatz 4.9. 233 Zu letzterer siehe oben I.1. 234 Regeln 211 Abs. 4 Nr. 6 und 226 Abs. 4 Nr. 6 TSE Enforcement Rules. [Übersetzung durch den Verfasser.] 235 Für den Begriff der „geschäftsführenden Person“ (gyōmu shikkō-sha) verweisen die Durchführungsbestimmungen der Börse auf Art. 2 Abs. 3 Nr. 6 DurchführungsVO GesG. Er umfasst im Wesentlichen die gleichen Personen wie der Begriff „geschäftsführender Direktor usw.“ (gyōmu shikkō torishimari-yaku tō) in Art. 2 Nr. 15 lit. a) GesG: geschäfts230

D. Der Begriff der Unabhängigkeit



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– – – –



225

ner Prüfer als unabhängiger Prüfer/Direktor bestimmt werden soll auch Personen, die nicht geschäftsführender Direktor oder Rechnungslegungsberater waren); Personen, die in der Vergangenheit geschäftsführende Person der Muttergesellschaft waren (einschließlich Personen, die nicht geschäftsführender Direktor und, falls ein externer Prüfer als unabhängiger Prüfer/Direktor bestimmt werden soll, Prüfer waren); Personen, die in der Vergangenheit geschäftsführende Person einer Schwestergesellschaft waren; Personen, die in der Vergangenheit geschäftsführende Person einer Entität waren, für welche die betreffende Gesellschaft ein bedeutender Kunde236 ist, sowie Personen, die in der Vergangenheit geschäftsführende Person eines bedeutenden Kunden der betreffenden Gesellschaft waren; Personen, die in der Vergangenheit Mitglied einer Wirtschaftsberatungsoder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einer Rechtsanwaltskanzlei (beschränkt auf Zusammenschlüsse von Personen wie juristische Personen oder Personengesellschaften) waren und in dieser Funktion zusätzlich zu einer Vergütung als Direktor / Prüfer von der betreffenden Gesellschaft größere Summen Geld oder Sachwerte erhalten haben; ein bedeutender Aktionär 237 der betreffenden Gesellschaft (für den Fall, dass der Aktionär eine juristische Person ist, Personen, welche deren geschäftsführende Person sind oder waren); nahe Verwandte der vorgenannten Personen (mit Ausnahme der nicht bedeutenden Personen); Kunden der betreffenden Gesellschaft sowie deren geschäftsführende Personen oder Personen, welche dies innerhalb der letzten zehn Jahre waren; Geschäftsführende Personen anderer Gesellschaften oder Personen, welche dies innerhalb der letzten zehn Jahre waren, für die eine geschäftsführende Person der betreffenden Gesellschaft oder eine Person, welche dies innerhalb der letzten zehn Jahre war, als externer Direktor/Prüfer fungiert; Personen, die Zuwendungen von der betreffenden Gesellschaft erhalten (in Fällen, in denen die Entität, welche die Zuwendungen erhält ein Zusammenschluss von Personen wie etwa eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, geschäftsführende Personen oder Personen, welche dies innerhalb der letzten 10 Jahre waren, sowie Personen, welche diesen gleichgestellt sind).

führende Direktoren, Geschäftsführer sowie sonstige Funktionsträger, welche die Geschäfte führen und Angestellte. 236 Für den Begriff des bedeutenden Kunden findet sich keine Legaldefinition. 237 Bedeutender Aktionär ist, wer mindestens 10 % der Stimmrechte auf sich vereinigt, Regel 2 Abs. 2 Nr. 13-3 TSE Enforcement Rules i. V. m. Regel 402 Nr. 2 lit. b) TSE Listing Rules i. V. m. Art. 163 Abs. 1 FBG.

226

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Die entsprechenden Angaben über die als unabhängig deklarierten Direktoren müssen die Unternehmen sowohl im Corporate Governance-Bericht als auch der Independent Director/Auditor Notification machen.238 Die von den Unternehmen nach Anregung durch den Kodex gegebenenfalls selbst entwickelten Unabhängigkeitsstandards sollen in der Mitteilung unter dem Punkt „Zusätzliche Erklärung“ (hosoku setsumei) dargelegt werden.239 Nachdem sich die Definition externer Direktoren zum einen dem „globalen Standard“ für unabhängige Direktoren weiter angenähert hat, zum anderen aber für Beziehungen in der Vergangenheit die Anforderungen gelockert wurden, hat sich das Verhältnis zwischen externen und unabhängigen Direktoren verschoben. Beziehungen zur Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft schließen ebenso wie bestimmte persönliche Beziehungen nunmehr bereits das „Externsein“ aus. Andererseits können ehemalige Angestellte und geschäftsführende Direktoren seit der Reform externe Direktoren werden, wenn die alte Position mindestens zehn Jahre in der Vergangenheit liegt. Die Anforderungen der TSE gehen daher nunmehr in drei Punkten über die gesetzlichen Anforderungen an externe Direktoren hinaus: Erstens werden geschäftliche Beziehungen als drittes Element der Unabhängigkeit neben Anstellungsverhältnissen und den nunmehr auch vom GesG erfassten persönlichen Beziehungen mit einbezogen. Zweitens kann ein bedeutender Aktionär oder dessen geschäftsführende Person zwar externer, nicht jedoch unabhängiger Direktor sein. Drittens gilt die Lockerung der Anforderungen für Beziehungen zur Gesellschaft in der Vergangenheit zwar für externe, wie der Katalog der Listing Rules darlegt jedoch nicht für unabhängige Direktoren. III. Zusammenfassung und Bewertung In japanischen Verwaltungsräten gibt es geschäftsführende sowie nicht geschäftsführende Direktoren. Davon ausgehend ist zwischen der positiven Definition des externen Direktors im GesG und den darüber hinausgehenden Anforderungen an unabhängige Direktoren in den Börsenzulassungsregelungen und dem Kodex zu unterscheiden. Letztere basieren auf einer allgemein gehaltenen Definition, welche um eine Liste an Negativkriterien ergänzt wird. Im Zuge der letzten Reform sind die Anforderungen an externe Direktoren verschärft worden und haben sich dem internationalen Standard unabhängiger Direktoren angenähert. Gleichzeitig wurden jedoch durch Einführung einer Cooling Off-Phase die vergangenheitsbezogenen Anforderungen gelockert, die nunmehr nur noch von unabhängigen Direktoren erfüllt werden müssen. Siehe bereits oben C. II. Bei T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 63 findet sich auch eine Abbildung und Gegenüberstellung von alter sowie neuer Mitteilung, die im Zuge der Überarbeitung der Börsenregelungen ebenfalls angepasst wurde. 239 T. SATŌ, Shōji Hōmu 2065 (2015) 57, 63. Alternativ kann unter diesem Punkt auf die an anderer Stelle veröffentlichten Standards verwiesen werden. 238

D. Der Begriff der Unabhängigkeit

227

Wirtschaftliche Beziehungen zur Gesellschaft und Verbindungen zu einem bedeutenden Aktionär werden ebenfalls nur von der Definition des unabhängigen Direktors erfasst. Unter einem bedeutenden Aktionär versteht das Gesetz einen Aktionär, der mindestens 10 % der Stimmrechte auf sich vereint. Die in den kleineren und mittleren Gesellschaften mit Prüferrat weiter verbreiteten Überkreuzverflechtungen werden von dieser Regelung nicht erfasst. Die miteinander verflochtenen Unternehmen halten jeweils Anteile aneinander, die deutlich unter diesem Wert liegen, sodass ein Vertreter eines verbundenen Unternehmens als unabhängig gelten kann.240 Abweichungen von den Anforderungen des Kodex erfordern nach dem Prinzip des comply or explain eine Begründung. In Anbetracht dessen muss es verwundern, dass mit der Reform das Erfordernis einer Begründung in solchen Fällen entfallen ist, in denen ein Negativkriterium erfüllt, die betreffende Person aber dennoch als unabhängig deklariert wird. Gesellschaften müssen diesen Umstand nur noch offen legen und können dann angeben, den Anforderungen des Kodex einer Ernennung zweier unabhängiger Direktoren zu entsprechen. Der Gedanke der Kodex-Regulierung erfordert es jedoch gerade, dass Abweichungen nicht nur als solche offen gelegt, sondern auch begründet werden, damit die Aktionäre eine Bewertung vornehmen können. Die Argumentation, mit der Änderung wolle man den Unternehmen die Sorge vor einer negativen Bewertung des Marktes nehmen und folge gerade dem Ansatz des comply or explain, kann in Anbetracht dessen nicht überzeugen. Folge dieser Änderung ist, dass im Jahr 2016 beispielsweise der Anteil geschäftsführender Personen von Geschäftspartnern des betreffenden Unternehmens bei 26,2 % aller unabhängigen Direktoren lag ohne dass die Unternehmen hätten begründen müssen, warum diese Personen dennoch unabhängig sein sollen.241 Kritikwürdig sind auch die Umsetzung der Unterscheidung zwischen externen und unabhängigen Direktoren und der Dualismus aus positiver Definition sowie weit gefasster und um Negativkriterien ergänzter Definition. Die sich daraus ergebende Komplexität wird dadurch erhöht, dass jedes Unternehmen von den Unabhängigkeitsstandards ohne Begründung abweichen und zudem eigene Standards veröffentlichen kann. Wie bereits im Rahmen der Bewertung der rechtstechnischen Umsetzung geäußert spricht nichts gegen eine Regelung, die den Unternehmen Freiraum für eine individuelle Ausgestaltung lässt. Im Zusammenspiel mit der Wahl zwischen drei Organisationsverfassungen und Regelungen zur selben Materie auf drei Ebenen führt die Ausgestaltung mit sich überschneidenden Anforderungen zwingender wie nicht zwingender Regelungen zu externen wie unabhängigen Direktoren und auch Prüfern jedoch zu einem System, das sich nur noch schwer überblicken 240 241

Daduch könnten die alten Strukturen aufrechterhalten werden, siehe unten E.VI. TSE, White Paper 2017, 92 (Diagramm 79).

228

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

lässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich durch die häufigen Reformen die Anforderungen zwischen den einzelnen Ebenen verschieben. Beispielhaft für die Probleme, die sich aus dieser Ausgestaltung ergeben, ist eine von der Börse veröffentlichte grafische Übersicht zu der Frage, wann ein Direktor unabhängig ist. 242 Diese deckt sich nach dem Verständnis des Verfassers nicht mit den Anforderungen der Börsenregelungen.243

E. Funktionen E. Funktionen

Bevor man sich mit der von den externen bzw. unabhängigen Direktoren zu erfüllenden Funktion beschäftigt, ist als Vorfrage zu klären, welches Ziel mit ihrer Einsetzung verfolgt wird. Nach dem Zusammenbruch der bubble economy zu Beginn der 90er Jahre ist die japanische Wirtschaft in eine Rezession gerutscht. Aus der sogenannten lost decade sind two lost decades geworden und trotz aller Bemühungen und des als Abenomics bekannten Programms zur Wiederbelebung der Wirtschaft deutet derzeit alles darauf hin, dass sich ein drittes Jahrzehnt anschließen dürfte.244 Der dritte „Pfeil“ der Abenomics sind die Strukturreformen, zu denen auch Reformen der Corporate Governance insbesondere der börsennotierten Gesellschaften gehören. Zwar deuten anhaltende Skandale bei Olympus (2011) und jüngst bei Toshiba (2015) und Mitsubishi (2016) darauf hin, dass auch im Bereich der Compliance weiter Handlungsbedarf besteht. Die bisherige Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass in den letzten 20 Jahren in Japan ein Wandel in der Zielsetzung der Reformen von einer Konzentration auf die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung hin zur Verbesserung der Leistung (Performance) der Geschäftsführung und damit der Unternehmen stattgefunden hat.245 Die jüngeren Reformen beschränken sich dabei keinesfalls auf die Implementierung externer oder unabhängiger Verwaltungsratsmitglieder in die traditionelle Organisationsform der japanischen Aktiengesellschaft mit Prüferrat. Vielmehr sind seit der Jahrtausendwende gleich zwei neue Organisationsverfassungen eingeführt worden, die auf unterschiedlichen Governance-

TSE, Development of Listing Rules, 8. Beispielsweise kann dem Schaubild zufolge eine geschäftsführende Person eines bedeutenden Kunden niemals unabhängig sein. Da Geschäftsbeziehungen vom Begriff „extern“ im GesG aber nicht erfasst werden, müsste den Börsenregelungen zufolge auch in diesen Fällen eine bloße Offenlegung des Umstands genügen (vgl. oben II.). 244 Zum Platzen der Wirtschaftsblase siehe bereits oben Kapitel 2 – C. und zu den Abenomics Kapitel 2 – D. II. 245 Zum Fokus auf Fragen der Performance siehe bereits oben Kapitel 2 – C. und D. und zu den Unternehmensskandalen Kapitel 3 – C. II.2. 242 243

E. Funktionen

229

Modellen beruhen.246 Die Funktion der externen bzw. unabhängigen Direktoren kann folglich nicht losgelöst betrachtet werden, sondern steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wahl der Organisationsform und der Funktion des Verwaltungsrats. Bislang jedoch hat in der japanischen Debatte die Frage nach einer verpflichtenden Einführung externer oder unabhängiger Direktoren sowie ihrer Anzahl dominiert. Es wurde zwar häufig betont, dass die bloße Einsetzung externer Direktoren nicht genüge,247 eine genauere Auseinandersetzung mit der eigentlich entscheidenden Frage, welche Funktion diese Personen erfüllen sollen, ist man aber jedenfalls bis zum Inkrafttreten der letzten Reform 2015 schuldig geblieben.248 Zu klären wäre insbesondere, ob die zu erfüllende Funktion je nach Organisationsform eine andere ist und ob sich die Erfüllung derselben Funktion innerhalb der verschiedenen Organisationsverfassungen und in Abhängigkeit von der Rolle des Verwaltungsrats unterscheidet.249 Im Folgenden wird zunächst die Rolle des Verwaltungsrats als Organ in Abhängigkeit von der jeweiligen Organisationsverfassung beleuchtet (I.). Daraus folgt die Stellung externer und unabhängiger Direktoren als Fremdkörper oder elementarer Bestandteil des Systems (II.). Darauf aufbauend werden die Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion externer und unabhängiger Direktoren, ihre rechtlichen Anknüpfungspunkte sowie die Ansichten in Wissenschaft und Praxis untersucht (III.). Im Anschluss wird die Erfüllung der verschiedenen möglichen Funktionen nach gegenwärtiger Rechtslage und Unternehmenspraxis in Abhängigkeit von der Wahl der Organisationsverfassung näher beleuchtet (IV.–VI.). Die Ergebnisse werden sodann zusammengefasst und bewertet (VII.). I. Die Funktion des Verwaltungsrats: zwischen Geschäftsführung und Überwachung Die grundlegende Aufgabenbeschreibung der Verwaltungsräte in den drei Organisationsformen ähnelt sich sehr. Es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede in der Aufteilung der Geschäftsführungsaufgaben sowie den Gestaltungsmöglichkeiten.

Zu den verschiedenen Modellen siehe bereits oben Kapitel 3 – A. II. So unter anderem im final proposal des Corporate Governance Kodex selbst, JCGC Final Proposal, Background zu Grundsatz 4.8. 248 Auch Nicholas Benes, Direktor des Board Director Training Institute in Japan, äußerte in einem Gespräch mit dem Verfasser am 20.5.2015 in Tōkyō, dass eine Verlagerung von der Frage des Ob externer und unabhängiger Direktoren auf das Wie und damit deren Funktionserfüllung und Weiterbildung zwingend erforderlich sei. 249 So zu recht M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, insb. 38 mit einem Schwerpunkt auf der Frage des Performance-Monitoring. 246 247

230

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

1. Grundlegende Aufgabenbeschreibung Der im Gesetz vorgesehene Aufgabenkatalog des Verwaltungsrats ist bei allen drei Organisationsformen zunächst recht ähnlich ausgestaltet. Ihm obliegt die Entscheidung über Maßnahmen der Geschäftsführung (gyōmu shikkō no kettei) und in den beiden Gesellschaften mit Ausschussstruktur zudem die Entscheidung über die im Gesetz genannten Angelegenheiten.250 In allen drei Gesellschaftstypen ernennt der Verwaltungsrat die geschäftsführenden Personen: die vertretungsberechtigten oder sonstigen geschäftsführenden Direktoren bzw. in der Gesellschaft mit Ausschüssen die Geschäftsführer.251 Zudem kommt dem Verwaltungsrat als Gesamtheit die Aufgabe der Überwachung der Pflichterfüllung durch die einzelnen Direktoren bzw. in Gesellschaften mit Ausschüssen zusätzlich der Geschäftsführer zu.252 Die im Gesetz genannten Aufgaben des Verwaltungsrats werden durch den 2015 in Kraft getretenen Corporate Governance Kodex präzisiert. Nach der Formulierung des Allgemeinen Grundsatzes 4 soll der Verwaltungsrat aufgrund seiner Verantwortung gegenüber den Aktionären und um das Unternehmenswachstum zu steigern und dessen Wert zu erhöhen insbesondere drei Aufgaben wahrnehmen, die in den folgenden Grundsätzen und den dazugehörigen Ergänzenden Grundsätzen weiter ausgeführt werden. Erstens soll der Verwaltungsrat die Unternehmensziele und die allgemeine Geschäftsstrategie festlegen.253 Zweitens soll er ein Umfeld gewährleisten, das eine angemessene Risikobereitschaft des höheren Managements fördert, und ein anreizbasiertes Vergütungssystem implementieren, das mittel- und langfristigen Erfolg und mögliche Risiken mit einbezieht.254 Drittens soll er die einzelnen Direktoren und das Management unabhängig von der gewählten Organisationsverfassung unabhängig und objektiv überwachen.255 2. Geschäftsführung: Zuweisung und Ausgestaltungsmöglichkeiten Die gesetzlich vorgesehene Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben sowie die Möglichkeiten zu deren Ausgestaltung unterscheiden sich hingegen bei den drei Organisationsformen grundsätzlich. Zusammen mit den Vorgaben zu externen Direktoren und Ausschüssen bilden diese Regelungen die Grundlage Art. 362 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Art. 416 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Art. 399-13 Abs. 1 Nr. 1 GesG. Die im Gesetz genannten Angelegenheiten müssen zwingend entschieden werden, Art. 416 Abs. 2 bzw. Art. 399-13 Abs. 2 GesG. 251 Artt. 362 Abs. 2 Nr. 3, 363 Abs. 1 bzw. Art. 402 Abs. 1 und 2 bzw. Artt. 399-13 Abs. 1 Nr. 3, 363 Abs. 1 GesG. Zum geschäftsführenden Direktor siehe sogleich. 252 Art. 362 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Art. 416 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Art. 399-13 Abs. 1 Nr. 2 GesG. 253 JCGC, Grundsatz 4.1. 254 JCGC, Grundsatz 4.2. 255 JCGC, Grundsatz 4.3. 250

E. Funktionen

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für die Ausgestaltung als Management- oder Monitoring-Modell. Daher sieht der Kodex nicht nur vor, dass der Verwaltungsrat die Unternehmensziele und die allgemeine Geschäftsstrategie festlegt. Vielmehr sollen zudem Umfang und Inhalt der auf das Management übertragenen Aufgaben eindeutig bezeichnet werden.256 Der Verwaltungsrat in der traditionellen Organisationsform mit Prüferrat sowie der neuen Gesellschaft mit Kontrollausschuss muss mindestens eines seiner Mitglieder zum vertretungsberechtigten Direktor wählen.257 Die vertretungsberechtigten Direktoren vertreten die Gesellschaft und können für diese rechtliche wie tatsächliche Handlungen vornehmen.258 Sie sind für die Ausführung der Geschäfte (gyōmu shikkō) zuständig, soweit diese nicht durch Beschluss des Verwaltungsrats einem nicht vertretungsberechtigten Direktor übertragen ist.259 Das Gesetz bezeichnet die vertretungsberechtigten sowie die nicht vertretungsberechtigten mit der Geschäftsführung beauftragten Direktoren als geschäftsführende Direktoren (gyōmu shikkō torishimari-yaku).260 Eine Gesellschaft mit Ausschüssen muss demgegenüber mindestens einen Geschäftsführer (shikkō-yaku) haben, der oder die vom Verwaltungsrat gewählt werden.261 Entsprechend der gewandelten Rolle des Verwaltungsrats in dieser Organisationsstruktur führen nicht Direktoren, sondern die Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft (gyōmu shikkō). 262 Gibt es mehr als einen Geschäftsführer, so muss der Verwaltungsrat mindestens einen Geschäftsführer mit Vertretungsmacht bestimmen. 263 Die Regelungen zur Abwahl und Vertretungsmacht ähneln denen zu den vertretungsberechtigten Direktoren oder diese werden entsprechend angewandt.264 Der Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat kann seine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Geschäftsführung (gyōmu shikkō no kettei) nur in geringem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen. Alle wichtigen Entscheidungen müssen zwingend vom Rat getroffen werden265 (Management-Modell). Demgegenüber kann der Verwaltungsrat in der JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.1.1. Art. 362 Abs. 3 GesG. In der Gesellschaft mi Kontrollausschuss darf dies kein Mitglied des Ausschusses sein, Art. 399-13 Abs. 3 GesG. Es muss folglich insgesamt mindestens vier Direktoren geben. 258 Art. 349 Abs. 1 und 4 GesG. 259 Art. 363 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GesG. Diese Direktoren werden gewöhnlich als directors in charge of operations (gyōmu tantō torishimari-yaku) bezeichnet. 260 Art. 2 Nr. 15 a) GesG unter Verweis auf Art. 363 Abs. 1 GesG. 261 Art. 402 Abs. 1 GesG. 262 Artt. 415, 418 Abs. 2 GesG. Vgl. auch Art. 416 Abs. 3 GesG, demzufolge Direktoren von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen sind. 263 Art. 420 Abs. 1 S. 1 GesG. 264 Art. 420 Abs. 2 und 3 und Art. 421 GesG. 265 Art. 362 Abs. 4 GesG. Siehe allerdings zur Praxis der Entscheidungsfindung durch ein executive board (jōmu-kai) unten Kapitel 4 – E. IV.1.c). 256 257

232

4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Gesellschaft mit Ausschüssen auch seine Entscheidungskompetenz mit einigen Ausnahmen wie der Bestimmung der grundlegenden Geschäftspolitik auf die Geschäftsführer übertragen. 266 Der Fokus seiner Aufgabe verlagert sich damit auf die Überwachung der einzelnen Direktoren und insbesondere der Geschäftsführer (Monitoring-Modell). In der Gesellschaft mit Kontrollausschuss können grundsätzlich – wie in der Gesellschaft mit Prüferrat – die im Gesetz genannten sowie andere wichtige Entscheidungen nicht auf einzelne Direktoren übertragen werden.267 Dies liegt daran, dass anders als in der Gesellschaft mit Ausschüssen die Geschäftsführung nicht auf Geschäftsführer, sondern auf geschäftsführende Direktoren und damit Mitglieder des Verwaltungsrats übertragen wird. Da es auch keinen Nominierungs- und keinen Vergütungsausschuss gibt, sah man eine für die Aufsicht (kantoku) hinreichende Unabhängigkeit des Verwaltungsrats von der Geschäftsführung als nicht gesichert an.268 Etwas anderes gilt jedoch, sofern mindestens die Hälfte der Direktoren extern ist oder die Satzung eine Übertragung erlaubt. In diesem Fall kann die Entscheidungskompetenz per Verwaltungsratsbeschluss mit Ausnahme einiger im Gesetz aufgezählter Angelegenheiten in ähnlich weitem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen auf die Geschäftsführer.269 Begründet wird diese Regelung wie folgt: Ist mindestens die Hälfte der Direktoren extern, sei die Unabhängigkeit des Verwaltungsrats auch ohne die beiden anderen Ausschüsse hinreichend sichergestellt.270 Die Aktionäre können jedes Jahr die Geschäftsführung über die Wahl der Direktoren überwachen und werden dabei durch den mehrheitlich externen Ausschuss und dessen Meinungskundgaberecht auf der Hauptversammlung unterstützt. Mit einer Satzungsänderung hätten sie es hingegen selbst in der Hand, die Übertragung der Befugnisse je nach den Umständen der Gesellschaft zu ermöglichen. 271 Insoweit unterscheide sich die Situation von der Gesellschaft mit Prüferrat.272 Art. 416 Abs. 4 GesG. Art. 399-13 Abs. 4 GesG. 268 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 57; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18. Zur Unterscheidung zwischen Prüfung (kansa) und Aufsicht (kantoku) hinsichtlich der Überwachungsaufgabe siehe oben Kapitel 3 – D. zu Beginn. 269 Art. 399-13 V, VI GesG. Die Aufzählung der Angelegenheiten, die immer eine Entscheidung des Verwaltungsrats als Gremium erfordern, entspricht im Wesentlichen derjenigen zur Gesellschaft mit Ausschüssen. Die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf einzelne Direktoren führt nicht dazu, dass der Verwaltungsrat seine Entscheidungskompetenz verliert, N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 19. 270 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 61; siehe auch M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 24. 271 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 62 f.; vgl. N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18 f. 266 267

E. Funktionen

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Im Ausgangspunkt sieht das Gesetz folglich für alle drei Gestaltungsoptionen eine Doppelrolle des Verwaltungsrats vor: Geschäftsführung und Überwachung. Im Falle der Gesellschaft mit Prüferrat ist eine abweichende Ausgestaltung nicht möglich. Bei der Gesellschaft mit Ausschüssen ist jedenfalls die Ausführung der Geschäfte zwingend aus dem Verwaltungsrat auf die Geschäftsführer ausgelagert und in der Praxis wird regelmäßig auch die Entscheidungskompetenz in weitem Umfang auf diese übertragen. Da dies nicht zwingend ist, besteht aber zumindest theoretisch die Möglichkeit der Ausgestaltung als Monitoring-Modell „light“. Dies gilt umso mehr, als Geschäftsführer gleichzeitig Direktoren sein können, 273 womit die Grenzen zwischen Geschäftsführung und Überwachung wieder verschwimmen. 274 Die Gesellschaft mit Kontrollausschuss ist demgegenüber eine gesetzlich geregelte hybride Organisationsverfassung, die zugleich zwei Modelle zur Wahl stellt. Ist die Mehrheit der Direktoren nicht extern und verbleibt die Entscheidungskompetenz beim Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit, lehnt sich die Konstruktion stark an das Management-Modell der Gesellschaft mit Prüferrat an. Gleichzeitig ist jedoch bei einer Wahl mehrheitlich externer Direktoren sowie einer Kompetenzübertragung die Umsetzung eines Monitoring-Modells möglich und der Fokus der Arbeit des Verwaltungsrats verschiebt sich dann hin zur Überwachung. 275 Gesellschaften mit Prüferrat sollten sich daher vor einem Wechsel zur neuen Organisationsverfassung Gedanken über deren grundsätzliche Ausgestaltung machen.276 II. Externe Direktoren als Fremdkörper oder elementarer Bestandteil in der Organisationsstruktur Die Rolle des Verwaltungsrats und die Aufgabenverteilung innerhalb des Organs haben wesentlichen Einfluss darauf, wie externe oder unabhängige Direktoren in die Organisationsstruktur eingebunden sind. In der traditionellen Gesellschaft mit Prüferrat sind externe Mitglieder des Verwaltungsrats Fremdkörper in einer Gemeinschaft von Insidern, die sich jedenfalls in der Vergangenheit gegen jeden Einfluss von außen gewehrt M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 24. Art. 402 Abs. 6 GesG. 274 Siehe dazu noch unten IV.2.a). 275 So auch N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 82 f.; siehe auch M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 40. Aufgrund der Unterschiede zur Gesellschaft mit Prüferrat und der Möglichkeit einer weiteren Ausgestaltung als MonitoringModell wird zurecht von einer „hybriden“ Form gesprochen, S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 47. A. A. wohl G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 22. Nach Gotos Auffassung basiert die neue Organisationsform auf der Gesellschaft mit Ausschüssen mit einigen Erleichterungen hinsichtlich der Anforderungen. Es handele sich nicht um eine Mischung der beiden bisherigen Modelle. 276 So auch N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 82 f. 272 273

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

hat.277 Dem Verwaltungsrat kommt zwingend die Doppelrolle der Geschäftsführung und Überwachung zu, wobei letztere nur unzureichend erfüllt wird und erfüllt werden kann.278 Wie die Statistiken zeigen, gab es in diesen Gesellschaften bis vor Kurzem häufig nicht mal einen externen Direktor und auch heute sind es nur selten mehr als zwei. Die Zahl an Direktoren, die darüber hinausgehende Unabhängigkeitskriterien erfüllen, liegt noch darunter.279 Da in der Gesellschaft mit Prüferrat keine Ausschüsse vorgesehen sind, sind diese externen Direktoren einfache Mitglieder des Verwaltungsrats ohne besondere Kompetenzen, die über diejenigen der nicht geschäftsführenden Direktoren hinausgehen. In der Gesellschaft mit Ausschüssen hingegen sind externe und gegebenenfalls unabhängige Direktoren elementarer Bestandteil des Verwaltungsrats. Die Ausführung der Geschäfte ist zwangsweise auf die außerhalb des Organs stehenden Geschäftsführer übertragen und es kann auch die Entscheidungskompetenz in weitem Umfang auf diese übertragen werden, was in der Praxis auch in aller Regel geschieht. 280 Dem Verwaltungsrat kommt damit hauptsächlich die Aufgabe der Überwachung zu, für welche die Unabhängigkeit von der Geschäftsführung eine entscheidende Rolle spielt. Mit den drei Ausschüssen kommen den externen Direktoren, von denen es mindestens zwei geben muss, deren Zahl in der Praxis aber regelmäßig höher liegt, neben dem Stimmrecht im Verwaltungsrat zudem besondere, gesetzlich geregelte Aufgaben zu.281 Die Gesellschaft mit Kontrollausschuss nähert sich je nach Ausgestaltung einer der beiden anderen Organisationsformen an. Gibt es nur wenige externe Direktoren, ist die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Geschäftsführung nur in geringem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragbar. Externe Verwaltungsratsmitglieder sind in ähnlicher Weise ein Fremdkörper wie in der traditionellen Organisationsform. Der einzige Unterschied ist, dass die Aufgabe des Prüferrats auf einen extern besetzten Ausschuss übertragen wird, dessen mehrheitlich externe Mitglieder mit Stimmrechten ausgestattet sind. Ist hingegen der gesamte Verwaltungsrat mehrheitlich extern besetzt und werden Kompetenzen in weitem Umfang übertragen, gleicht die Ausgestaltung einer Gesellschaft mit Ausschüssen, in der Nominierungs- und Vergütungsausschuss fehlen. Deren Aufgaben sollen jedoch zu

277

nisses.

Siehe dazu oben eingehend Kapitel 3 – C. im Rahmen des Unternehmensverständ-

Siehe oben Kapitel 3 – D. I.1. Siehe TSE, White Paper 2017, 85 (Diagramme 68 und 69) sowie oben C. IV.2. 280 So Prof. Hideki Kanda in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Universität Tōkyō am 2.7.2015. 281 Zur Ernennung in der Praxis siehe oben C. IV.2. Zu den gesetzlich geregelten Aufgaben siehe noch eingehend unten IV.2. 278 279

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einem gewissen Grad vom Kontrollausschuss übernommen werden. 282 In diesem Fall kommt den externen Mitgliedern ein erhebliches Stimmgewicht und Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats zu. Je nach Organisationsverfassung und deren Ausgestaltung sind externe und unabhängige Direktoren folglich elementarer Bestandteil oder Fremdkörper im Verwaltungsrat. Ihre Funktion muss in Abhängigkeit von der gewählten Struktur weiter konkretisiert werden. III. Der Gesetzgeber und die Diskussion in Wissenschaft und Praxis Im Folgenden wird ein Blick auf Intention und Vorgaben des Gesetzgebers sowie die Diskussion in Wissenschaft und Praxis geworfen, bevor die derzeitige Umsetzung der Monitoring-Funktion (IV.), der Beratungs- (V.) sowie der Netzwerkfunktion (VI.) in den verschiedenen Organisationsverfassungen in der Praxis beurteilt wird. 1. Der Gesetzgeber Im Einklang mit dem Ziel der Steigerung der Ertragskraft der japanischen Unternehmen sollte mit der letzten Reformwelle die Überwachungsfunktion des Verwaltungsrats gestärkt werden. Der Fokus lag dabei auf der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. 283 Der Erklärung des Gesetzgebers zufolge standen also zum einen Fragen der Performance und nicht der Compliance im Vordergrund.284 Zum anderen liegt das Augenmerk auf der Überwachung der Geschäftsführung und nicht der bloßen Beratung. Es stellt sich die Frage, wie sich dieser Grundtenor der Reform bei der Umsetzung des Modells der Unabhängigkeit auf den drei Regelungsebenen – GesG, Regelungen der TSE und Kodex – widerspiegelt. Auffällig ist dabei zunächst, dass das Gesellschaftsgesetz auch nach Einführung der comply or explain-Regelung für Gesellschaften mit Prüferrat keinerlei Regelung zur Funktion externer Direktoren innerhalb des auf dem Management-Modell basierenden Verwaltungsrats bereithält. Für die beiden neueren Organisationsverfassungen finden sich zwar Regelungen zu den Aufgaben der mehrheitlich extern besetzten Ausschüsse. Zur Funktion innerhalb des Verwaltungsrats als Gremium finden sich jedoch ebenso wenig Vorgaben. Externe Verwaltungsratsmitglieder haben nach dem Gesetz dieselben Rechte und Pflichten wie nicht externe Direktoren. Welche Rolle genau externe MitglieSiehe bereits oben Kapitel 3 – A. II. sowie eingehend unten IV.3.b). Siehe bereits Kapitel 2 – C. und D. sowie den Beginn dieses Abschnitts (E.). 284 Allerdings verspricht man sich von den Verschärfungen der Anforderungen an die externen Mitglieder des Prüferrats bzw. Prüfungsausschusses oder Kontrollausschusses sowie der Zuweisung der Erstellung der Wahlvorschläge für die Abschlussprüfer an diese zugleich eine Verbesserung der internen Rechtmäßigkeitskontrolle. Vgl. E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 78 f. 282 283

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

der in Abgrenzung zu oder im Zusammenspiel mit den internen Mitgliedern spielen sollen, bleibt hingegen offen. Dasselbe gilt in der traditionellen Organisationsform für die Abgrenzung der Aufgaben externer Direktoren von denjenigen des Prüferrats, dem die Kontrolle der Rechnungslegung und die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung eindeutig zugeordnet ist. Auf gesetzlicher Ebene gibt es demnach – abgesehen von den Kompetenzen der Ausschüsse – keine Regelung zur Funktion externer Direktoren in Abgrenzung zu den sonstigen, „internen“ Direktoren. Ihre Rolle bleibt innerhalb des Ausschusssystems zumindest vage, innerhalb der in der Praxis weit überwiegenden Gesellschaft mit Prüferrat hingegen schlicht gänzlich ungeklärt. Die Börsenregelungen sowie der Kodex enthalten lediglich Vorgaben zu unabhängigen Direktoren und lassen damit nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf alle externen Direktoren zu. Zudem ist der einzige Anhaltspunkt zur Funktion, der sich überhaupt in den Listing Rules der TSE findet, die Regel 445-5. Ihr zufolge sollen Unternehmen ein geeignetes Umfeld schaffen, das die Erfüllung der von den unabhängigen Direktoren erwarteten Rolle ermöglicht. Welche Rolle das ist, bleibt jedoch offen.285 Der neu eingeführte Corporate Governance Kodex sollte Klarheit schaffen. Die Grundsätze 4.7 bis 4.9 beschäftigen sich explizit mit der Rolle unabhängiger Direktoren. Diese sollen, so heißt es in Grundsatz 4.7, in Fragen der Geschäftsführung beraten, das Management unter Wahrnehmung ihrer Stimmrechte kontrollieren, Interessenkonflikte zwischen Gesellschaft und Management oder Kontrollaktionären überwachen sowie unabhängig von Management und Kontrollaktionären die Interessen der Minderheitsaktionäre und anderer Stakeholder vertreten. Der Kodex adressiert damit die Funktion unabhängiger Direktoren auch außerhalb der Ausschüsse und unabhängig von der gewählten Organisationsverfassung. Auffällig sind an der Aufzählung des Kodex drei Punkte. Erstens werden Beratung und Überwachung wohl nicht als sich gegenseitig ausschließend, sondern vielmehr als komplementär betrachtet. Insoweit besteht eine Parallele zum deutschen Aufsichtsrat, bei dem von einer Überwachung ex post im Zusammenspiel mit einer Überwachung ex ante in Form von Zustimmungserfordernissen sowie der Beratung gesprochen wird. 286 Zweitens wird nicht zwischen der Überwachung der Rechtmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung unterschieden, obwohl es sich dabei um verschiedene Aufgaben handelt. Es wird allgemein von Aufsicht (kantoku) gesprochen. Die Auch die „Principles of Corporate Governance for Listed Companies“, welche bis zum Inkrafttreten des Kodex über die Listing Rules als „Matters Desired to be Observed“ verankert waren (siehe dazu oben Kapitel 2 – D. II.1.b) Fn. 121), enthielten keine weiteren Anhaltspunkte. 286 Siehe oben Kapitel 1 – B. IV.1.b). 285

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Kontrolle von conflict of interest transactions287 wird hingegen explizit aufgeführt, ohne dass auf Einzelheiten zum Verfahren eingegangen wird. 288 Drittens wird die Interessenvertretung verschiedener Stakeholder erwähnt, die jedoch nicht losgelöst von einer Überwachungs- oder Beratungsfunktion gedacht werden kann. Dass der Schutz von Minderheitsaktionären, nicht aber der Interessen der Allgemeinheit der Aktionäre explizit erwähnt wird, muss zudem verwundern. Wessen Interessen schutzwürdig sind, hängt vom vorherrschenden Interessenkonflikt und damit den Aktionärsstrukturen ab.289 Der Kodex geht damit einerseits über die Beschreibung der Aufgaben der mehrheitlich extern besetzten Ausschüsse im GesG hinaus. Andererseits werden letztlich nur alle potentiell in Betracht kommenden Funktionen externer bzw. unabhängiger Direktoren aufgezählt.290 Damit trägt das Regelwerk nicht wesentlich zur Klärung der Funktion unabhängiger Direktoren bei. Zwar sollte und kann ein Kodex, der zum Ziel hat, die Unternehmen selbst zum Handeln zu bewegen und individuelle Lösungen zu ermöglichen, keine Detailvorgaben enthalten. Eine Differenzierung zwischen den Organisationsverfassungen und ein Eingehen auf die Funktionserfüllung in Abhängigkeit von der Zusammensetzung und Ausgestaltung der Rolle des Verwaltungsrats würde hingegen für mehr Klarheit sorgen. 2. Wissenschaft und Praxis Auch in Wissenschaft und Praxis ist die genaue Funktion der externen bzw. auch der unabhängigen Board-Mitglieder insgesamt jedenfalls bis zur Reform zu wenig diskutiert worden. Kenjirō Egashira übt zu Recht deutliche Kritik, wenn er feststellt, dass die bloße Verbesserung der Außendarstellung für internationale Investoren kaum hinreichende Grundlage für Reformen und einen tatsächlichen Wandel in der Corporate Governance sein könne.291 Den-

Der Begriff Interessenkonflikte (rieki sōhan) ist im Japanischen eng gefasst und umfasst nicht alle Interessenkonflikte im weiteren Sinn, sondern lediglich die Geschäfte, die unter den englischen Begriff der conflict of interest transaction fallen. So Nicholas Benes, Direktor des Board Director Training Institute in Tōkyō in einem Gespräch mit dem Verfasser am 20.5.2016 in Tōkyō. Zu diesen Geschäften und den disinterested directors im US-amerikanischen Kontext siehe oben Kapitel 1 – B. II.2.a). 288 Zur explizit geregelten Überwachung von conflict of interest transactions durch den Kontrollausschuss siehe unten IV.3.b). 289 Im Handbuch der TSE zum Einsatz unabhängiger Direktoren und Prüfer wird beispielsweise der Begriff general shareholer verwendet, der je nach Umständen Minderheitsaktionäre oder die Allgemeinheit der Aktionäre umfasst, TSE, A Handbook on Practical Issues for Independent Directors/Auditors, 8 f., abrufbar unter . 290 Siehe zu den möglichen Funktionen Kapitel 1 – C. II. 291 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 61 f. 287

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

noch lassen sich vor allem in jüngerer Zeit einige Diskussionsbeiträge finden, die sich mit der Frage der Funktion auseinandersetzen. Manabu Matsunaka etwa wirft die ganz grundsätzliche Frage auf, warum in Gesellschaften mit Prüferrat keine externen oder vielmehr auch unabhängigen Personen mit der Evaluation der Leistung des Managements beauftragt werden und worin die unterschiedliche Behandlung der Prüfung der Rechnungslegung und Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung begründet liegt. Letztere werde schließlich von mehrheitlich externen Prüfern sowie Unabhängigkeitsansprüchen genügenden Abschlussprüfern ausgeführt.292 Kazuhiko Toyama, Mitglied der Japan Association of Corporate Directors, sieht dies ähnlich und macht als Hauptaufgabe der Verwaltungsräte die Aufsicht (kantoku) über die Geschäftsführung unter dem Gesichtspunkt der Performance aus. Unabhängige Direktoren könnten dazu dienen, das abgeschlossene Insider-System traditioneller Verwaltungsräte aufzubrechen, neue Sichtweisen einzubringen und über ihre Stimmrechte auf die Wahl der Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Diese Aufgabe könne von Prüfern nicht übernommen werden.293 Der objektive Einfluss von außen könne zudem zu einem rationaleren Risikoverhalten führen und der häufig bemängelten Risikoaversität entgegenwirken.294 Damit liegt er auf der Linie des Gesetzgebers, betont jedoch deutlicher die Abkehr von den Strukturen der japanischen Unternehmung. In eine ähnliche Richtung geht die Argumentation Ken’ichi Ōsugis.295 Er betont zudem, dass es für externe bzw. unabhängige Direktoren über dies auch leichter sei als für Insider, bei unaufrichtigem Verhalten der Geschäftsführung eine kritische Haltung einzunehmen.296 Ein anderes Verständnis zeigt demgegenüber der Anwalt Kazuhiro Takei. Externer Einfluss könne zwar konstruktive Kritik ermöglichen, insgesamt scheint er die Funktion externer bzw. unabhängiger Direktoren aber eher in der Beratung der Geschäftsführung zu sehen. Jedenfalls aber dürften die jüngeren Entwicklungen nicht einfach mit einem Wandel zum MonitoringModell gleichgesetzt werden. Vielmehr sollten die Unternehmen ihre Verwaltungsräte im Einklang mit dem Kodex-Gedanken nach ihren Bedürfnissen strukturieren. Somit sei auch dessen Funktion oder die Funktion externer bzw. unabhängiger Direktoren nicht festgelegt.297 Grundsätzlich kritisch gegenüber einer Überwachung durch externe oder unabhängige Direktoren und auch deren verpflichtender Einführung zeigen 292 293 294

C. I.

M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 38. K. TOYAMA, Kigyō kachi, 107, 117 f. K. TOYAMA, Kigyō kachi, 107, 137. Zur Risikoaversion siehe bereits oben Kapitel 3 –

K. ŌSUGI, Kin’yū Kenkyū 32-4 (2013) 105, 169 f. K. ŌSUGI, Kin’yū Kenkyū 32-4 (2013) 105, 176. 297 Kazuhiro Takei in einem Gespräch mit dem Verfasser in Tōkyō im Büro der Kanzlei Nishimura & Asahi am 5.9.2015. 295 296

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sich auch Kenjirō Egashira und Eiji Takahashi. Fehler im Überwachungssystem spielten nur am Rande eine Rolle für die fehlende Ertragskraft. Das Problem sei vielmehr ein Mangel an fähigem Management.298 Takahashi zufolge könne das Problem der schwächelnden Performance über externe Direktoren daher nicht gelöst werden. Eine verpflichtende Ernennung eines in Vollzeit arbeitenden externen Direktors für das Compliance-Monitoring sei sinnvoll, eine Ernennung weiterer externer Direktoren für ein Performance-Monitoring oder zur Erfüllung einer beratenden Funktion müsse hingegen freiwillig bleiben. Es liege an den Unternehmen zu entscheiden, ob ein solcher Schritt für sie von Vorteil ist. Auch die Wirtschaftsverbände, allen voran der Keidanren, hatten sich in der Vergangenheit überwiegend äußerst kritisch gegenüber einer zwingenden Einführung externer Direktoren sowie des Nutzens externer und damit auch unabhängiger Verwaltungsratsmitglieder geäußert. Auch während des jüngsten Reformprozesses war entscheidend darauf hingewirkt worden, der comply or explain-Regelung gegenüber einer zwingenden Regelung den Vorzug zu geben. Die große Zurückhaltung gegenüber dem Wechsel zur Form der Gesellschaft mit Ausschüssen fußt insbesondere auf der im traditionellen Unternehmensverständnis begründeten Ablehnung externen Einflusses auf die Ernennung und Vergütung der Direktoren und des oberen Managements.299 In Wissenschaft und Praxis sind Nutzen und mögliche Funktion externer und unabhängiger Direktoren demnach hoch umstritten. Die Einzelheiten der Ausgestaltung der vom Gesetzgeber intendierten oder einer sonstigen Funktion werden hingegen noch wenig diskutiert. Umso interessanter ist die Stoßrichtung eines im Juni 2014 von der Japan Association of Corporate Directors (JACD) veröffentlichten Berichts zu der Rolle, die von externen Direktoren und dem Verwaltungsrat erwartet wird. 300 Die Ausführungen konzentrieren sich auf die Funktionserfüllung in der Gesellschaft mit Prüferrat und mahnen eine Klärung der von externen Direktoren zu erwartenden Rolle aufgrund der zahlreichen möglichen Interpretationen und vorhandenen Missverständnisse dringend an (Präambel). Für die Unternehmen dürfte dieser Leitfaden aufgrund der weitergehenden Überlegungen auch nach Verabschiedung des Kodex keine geringe Bedeutung haben.301 Die Hauptaufgabe externer und damit wohl auch weitergehenden Unabhängigkeitsanforderungen genügender Direktoren sieht die JACD in der Überwachung der Leistung des Managements (Punkte 1 und 2). Sie sollen K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 59 f.; Prof. Dr. Dr. Eiji Takahashi in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Städtischen Universität Ōsaka am 9.2.2015. 299 Siehe bereits oben C. IV.1.; vgl. auch B. II. 300 JACD, Roles Expected of Outside Directors and Boards of Directors (2014), abrufbar unter . 301 So vor Verabschiedung des Kodex T. FUJITA, Shōji Hōmu 2038 (2014) 4, 13 f. 298

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

hinsichtlich der Geschäftsstrategie und -planung Erklärungen einfordern, diese bewerten und von ihren Stimmrechten bei der Ernennung des Managements und der Entscheidung über wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen entsprechenden Gebrauch machen (Punkte 3 und 5). Wie im Kodex finden auch die conflict of interest transcations Erwähnung. Allerdings wird auch die Rechtmäßigkeitskontrolle angesprochen und insoweit konkretisiert, als die Entwicklung eines effektiven Risiko-Managements und die Gewährleistung einer angemessenen Finanzberichterstattung als weitere Aufgaben genannt werden. Letztere wird richtigerweise als Grundlage für eine angemessene Bewertung der Leistung betrachtet (Punkt 4). Ein über die Überwachung des Risiko-Managements hinausgehendes Aufdecken individuellen Fehlverhaltens sei hingegen nicht primärer Zweck externer Direktoren und des Verwaltungsrats. Hierin lässt sich eine Abgrenzung der systematischen Kontrolle des Verwaltungsrats von der auch einzelfallbezogenen Überwachung durch den Prüferrat erkennen. Um die Erfüllung der genannten Aufgaben zu gewährleisten sollen alle nicht grundlegenden Geschäftsführungsentscheidungen im zulässigen Umfang auf das Management übertragen (Punkt 6) und eine hinreichende Zahl vom Management unabhängiger Direktoren ernannt werden (Punkte 8 und 9). Im Einklang mit der derzeit vorherrschenden Praxis wird zwar eine Ernennung von Direktoren mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen befürwortet. Angesichts der Hauptaufgabe, grundlegende Geschäftsentscheidungen zu bewerten, wird jedoch gegenwärtigen oder ehemaligen Managern anderer Unternehmen mit den notwendigen Kenntnissen eine besondere Bedeutung beigemessen (Punkt 10). Der Vorschlag der JACD überrascht zunächst aufgrund der offensichtlichen Nähe zum klassischen Monitoring-Modell, die auch unter den Punkten 11 und 12 klar benannt wird. Die Funktion externer Direktoren wird nicht auf die Rolle eines Beraters beschränkt, sondern die Überwachungsfunktion insbesondere hinsichtlich der Leistung der Geschäftsführung in den Mittelpunkt gestellt. Grund für diesen Wandel könnte die Erkenntnis sein, dass die Entwicklung hin zur Einsetzung externer und auch unabhängiger Direktoren und eine Annäherung an das Monitoring-Modell aufgrund des Drucks der Politik, der ausländischen Anleger und auch von Teilen der Wissenschaft und Anwaltschaft mittlerweile unumkehrbar geworden sind. Dies wäre ein Grund, frühzeitig Einfluss auf die Ausgestaltung in der Praxis zu nehmen, Zugeständnisse zu machen, aber die Funktion externer und unabhängiger Verwaltungsratsmitglieder gleichzeitig auch einzuschränken. So befürwortet die JACD zwar die Ernennung mehrerer externer Direktoren, jedoch keinesfalls einer Mehrheit. Das Ergänzen eines traditionellen Insider-Boards um mehrere externe Direktoren macht aus dem Board noch kein Überwachungsorgan. Die Aufdeckung individuellen Fehlverhaltens wird zudem vom Aufgabenbereich ausgenommen und das Monitoring-Modell wird

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auch nicht als einziger gangbarer Weg dargestellt.302 Vielmehr wird betont, dass die Erklärung der Ausgestaltung oder Abweichung vom MonitoringModell den Aktionären erklärt werden müsse (Punkt 11). Die Überwachung wird auch nicht als Beschränkung, sondern als Unterstützung eines integren Managements verkauft, welches sich vermittelt über die externen Direktoren des Rückhalts der Aktionäre versichert (Punkt 12). 3. Zwischenfazit Der Gesetzgeber hatte mit der Überwachung der Erfolgsbezogenheit der Geschäftsführung eine klare Vorstellung von der Rolle externer und unabhängiger Direktoren. Auf keiner der drei Regelungsebenen – Gesetz, Börsenregelung und Kodex – wird diese jedoch über die Funktion der einzelnen Ausschüsse hinaus konkretisiert. Zwar enthält auch der deutsche Kodex keine nähere Bestimmung der Aufgaben unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder und die Erkenntnis, dass extern nicht gleich unabhängig ist, hat sich noch nicht überall durchgesetzt. Jedoch gibt es in Deutschland nur eine einzige Organisationsverfassung und die Aufgabe des Aufsichtsrats als Gegenstück zum Vorstand ist klar definiert und durch Rechtsprechung und Wissenschaft konkretisiert. Die Unabhängigkeit einiger Mitglieder soll hier die Überwachung durch das ohnehin jedenfalls auf Aktionärsseite externe Organ stärken.303 In der japanischen Wissenschaft und Wirtschaft hingegen herrscht über Funktion sowie Nutzen externer wie unabhängiger Verwaltungsratsmitglieder Uneinigkeit. Die konkrete Ausgestaltung der Funktionen in Abhängigkeit von der gewählten Organisationsverfassung und Zusammensetzung des Verwaltungsrats ist bislang wenig diskutiert worden. Der Vorschlag der JACD als Sprachrohr der Direktoren stellt einen ersten Schritt zur Konkretisierung und Eingrenzung dar. Im Folgenden wird daher der Versuch unternommen, sich auf Basis der seit der letzten Reform geltenden Regelungen über die derzeitige Ausgestaltung in den verschiedenen Organisationsverfassungen der Funktion externer und unabhängiger Direktoren weiter anzunähern. IV. Monitoring Hinsichtlich des Monitoring ist zwischen den Aufgaben des ComplianceMonitoring und des Performance-Monitoring zu unterscheiden. 304 Ersteres lässt sich in die Prüfung der Rechnungslegung sowie die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung aufteilen. Letzteres lässt sich aufteilen in die Überwachung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen sowie die Evaluation der Performance insgesamt.305 302 303 304

Vgl. T. FUJITA, Shōji Hōmu 2038 (2014) 4, 4 f. Siehe oben Kapitel 1 – B. III. Siehe oben Kapitel 3 – D. (zu Beginn).

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

1. Der Verwaltungsrat mit externen Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat In der Gesellschaft mir Prüferrat sind die Verwaltungsräte traditionell rein intern besetzt. Dem Verwaltungsrat kommt eine Doppelrolle der Geschäftsführung sowie der Überwachung derselben zu. In der Praxis jedoch ist letztere Funktion aufgrund der Machtkonzentration in den Händen des CEO sowie der Abgeschlossenheit des Systems nach außen erheblichen Einschränkungen unterworfen.306 Der Gesetzgeber betont zwar, dass auch in der Gesellschaft mit Prüferrat mit seinem vom Verwaltungsrat getrennten Überwachungsorgan (Prüferrat) eine hinreichende Überwachung möglich sei und man deshalb nach wie vor auch diese Organisationsform wählen könne.307 Damit widerspricht er jedoch seiner eigenen Begründung für die Einführung der neuen, dritten Organisationsform mit Kontrollausschuss.308 Jedenfalls aber lassen die Regelungen auf nunmehr drei Ebenen erkennen, dass der Gesetzgeber auf eine zunehmende Einsetzung externer und unabhängiger Direktoren gerade auch in den Gesellschaften mit Prüferrat drängt. Wie die Statistiken zeigen, nimmt die Zahl dieser Direktoren denn auch stetig zu.309 Damit stellt sich die Frage, wie externe und unabhängige Verwaltungsratsmitglieder innerhalb des traditionellen Management-Modells für eine Verbesserung der Überwachung sorgen können. a) Performance-Monitoring Die empirischen Untersuchungen für Japan sind jedenfalls bislang noch unzureichend. Sie deuten zwar auf eine Steigerung der Unternehmensleistung durch die Ernennung eines sowie weiterer externer Direktoren für viele Gesellschaften mit Prüferrat, lassen jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse zu.310 Gesetzliche Vorgaben zur Rolle externer Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat fehlen derzeit gänzlich. Der Kodex sowie das Papier der JACD nennen immerhin die Überwachung der Leistung der Geschäftsführung als eine bzw. als die Kernaufgabe externer bzw. unabhängiger Direktoren gerade auch in der Gesellschaft mit Prüferrat.311 Sie können in den Sitzungen des Verwaltungsrats Bedenken äußern. Falls diesen Bedenken nicht hinreichend RechVgl. M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 36 f. Zur Überwachung durch einen traditionell rein intern besetzten Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat siehe oben Kapitel 3 – D. I.1. 307 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 20. Als weiterer Grund werden die hohen Kosten für die Gesellschaften bei einem verpflichtenden Wechsel genannt. 308 Zu dieser siehe S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 18 f. 309 Siehe oben C. IV.2. 310 Siehe oben A. 311 Siehe oben III. 305 306

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nung getragen wird, können sie entsprechend von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, etwa bei der Wahl der geschäftsführenden Direktoren.312 Nach den jüngsten Zahlen ernennen börsennotierte Gesellschaften jedoch durchschnittlich lediglich 2,16 externe und darunter 1,97 unabhängige Direktoren.313 Die derzeit geringe Zahl externer wie unabhängiger Direktoren wirft die Frage auf, ob diesen ein für eine effektive Kontrolle hinreichender Einfluss zukommen kann.314 Dass sich ein oder zwei nicht mit dem Unternehmen verbundene Personen in einer Gruppe über Jahre im Unternehmen aufgestiegener und in diesem verwurzelter Insider behaupten können, muss zumindest bezweifelt werden. Ohne Stimmmehrheit, eigene Entscheidungskompetenzen oder zumindest spezielle Kundgaberechte oder -pflichten gegenüber den Aktionären dürfte es ihnen schwer fallen, für Veränderungen zu sorgen. Dies gilt umso mehr, als externe und unabhängige Direktoren häufig selbst hauptberufliche Direktoren oder Geschäftsführer sind. Von ihnen kann kaum erwartet werden, an dem Insider-System zu rütteln, in dem sie selbst verwurzelt sind.315 Zudem sind für externe, nicht unabhängige Direktoren geschäftliche Beziehungen zur Gesellschaft nach wie vor nicht ausgeschlossen und erschweren zusätzlich eine kritische Haltung gegenüber der Geschäftsführung.316 b) Compliance-Monitoring Für das Compliance-Monitoring ist die Ausgangslage eine andere. Rechnungslegungsskandale wie bei Olympus (2011) und Toshiba (2015) oder gefälschte Zahlen zum Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge bei Mitsubishi (2016) 317 sind zwar öffentlichkeitswirksame Ereignisse, die zu Rufen nach mehr „Kontrolle“ führen. Der Rechtmäßigkeitsaspekt des Monitoring steht nach den Bekundungen des Gesetzgebers sowie auch in der Diskussion jedoch zumindest für die Frage der zwingenden Einführung externer Direktoren in der Gesellschaft mit Prüferrat nicht im Vordergrund. Dies liegt zum einen daran, dass das Hauptaugenmerk der Reformen auf der Wiederbelebung der weiter stagnierenden Wirtschaft liegt, zum anderen daran, dass in der traditionellen Organisationsform bereits der Prüferrat als separates Organ mit der Prüfung der Rechnungslegung und Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung betraut ist. Art. 362 Abs. 3 GesG. TSE, Appointment 2016, 5. Dabei handelt es sich um alle an der TSE gelisteten Unternehmen, einschließlich der Gesellschaften mit Ausschüssen und Gesellschaften mit Kontrollausschuss. Für Gesellschaften mit Prüferrat dürften die Zahlen daher noch etwas niedriger liegen. 314 Kritisch auch B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 100; vgl. C.-C. LIN, Temple  Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 96. 315 Siehe oben Kapitel 3 – C. II.1. 316 Siehe oben D. I.1. und zu beiden Punkten noch unten unter F. 317 Siehe bereits oben Kapitel 3 – C. II.2. und D. I.6.b). 312 313

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Trotz aller Reformen dieses Organs bestehen jedoch weiterhin Defizite in der Überwachung. 318 Die genannten Skandale stellen zwar Einzelfälle dar, die nicht ohne Weiteres auf die Masse japanischer Unternehmen übertragen werden können. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Unzulänglichkeiten in der Compliance-Überwachung machen sie aber dennoch deutlich, dass auch insoweit das Ende der Diskussion noch nicht erreicht ist. Im Kodex und beispielsweise dem Vorschlag der JACD wird die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung denn auch als mögliche Funktion externer bzw. unabhängiger Direktoren genannt. Zu klären bleibt, ob und wie diese neben dem Prüferrat zur Verbesserung des Compliance-Monitoring beitragen können. Ein grundlegendes Problem stellt dabei die Abgrenzung der Kompetenzen dar. 319 Zu dieser Frage enthalten die drei Regelungsebenen ebenso wenig Vorgaben oder Vorschläge wie zur Überwachung der Rechtmäßigkeit durch externe oder unabhängige Direktoren überhaupt. Im Kodex findet sich lediglich der Ergänzende Grundsatz, dass die externen Prüfer und der oder die VollzeitPrüfer ihre „Unabhängigkeit“ und Fähigkeit zur Erlangung von Informationen bündeln und darüber hinaus mit den externen – und wohl auch den unabhängigen – Direktoren zwecks Informationsaustauschs zusammenarbeiten sollen.320 Da es in der Gesellschaft mit Prüferrat keine Ausschüsse gibt, bleiben den externen und unabhängigen Direktoren ebenso wie beim PerformanceMonitoring folglich nur die allgemeinen Rechte als Mitglieder des Verwaltungsrats. Eine besondere Rolle könnten sie bei der Einrichtung des internen Compliance-Systems spielen. Doch auch hier dürfte ihre Effektivität wesentlich von der Zahl der Direktoren abhängen. Wie darüber hinaus externe oder unabhängige Direktoren in Fragen der Compliance einen Mehrwert gegenüber dem mehrheitlich extern besetzten Prüferrat schaffen können, bleibt insbesondere mangels entsprechender Qualifikationsanforderungen in beiden Fällen fraglich. Liegt ein offensichtliches Fehlverhalten vor, stellt sich die Frage welchen Vorteil Direktoren gegenüber den Prüfern bieten. Können sie über ihre Stimmrechte keinen hinreichenden Einfluss ausüben, so stehen ihnen keine besonderen Rechte zu, die über diejenigen der Prüfer, zum Beispiel Unterlassungsansprüche, hinausgehen. Bei weniger leicht zu entdeckendem Fehlverhalten hingegen bleibt ungeklärt, welchen Vorteil die Direktoren bei dessen Aufklärung gegenüber Prüfern haben. Sie müssten besser mit Informationen versorgt sein als die Prüfer, von denen immerhin mindestens einer hauptberuflich tätig ist. Vor allem aber betont etwa der Bericht der JACD, dass es gerade nicht Aufgabe der externen Dazu eingehend Kapitel 3 – D. I.2. G. FERRARINI / M. FILIPPELLI, Independent directors, 15; C.-C. LIN, Temple-Int’l& CompLJ 24 (2010) 65, 94. 320 JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.4.1. Für eine Zusammenarbeit von externen Direktoren und Prüfern sowie internen Audit- und Controlling-Abteilungen als Insidern spricht sich Bruce Aronson aus, B. ARONSON, ZJapanR 35 (2013) 85, 100. 318 319

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Direktoren sein könne, individuelles Fehlverhalten aktiv aufzudecken.321 Die Überwachung beschränkt sich damit auf einen – möglicherweise geringen – Einfluss auf die Einrichtung des internen Compliance-Systems. c) System „spezieller“ Direktoren Die Ausgestaltung des Verwaltungsrats in der Gesellschaft mit Prüferrat als sich selbst kontrollierendes Organ wird in der Praxis nicht nur durch das Insider-System als solches sowie die Macht des Präsidenten beeinträchtigt. Darüber hinaus besteht bei einigen größeren Publikumsgesellschaften mit Prüferrat vielmehr die Praxis, ein sogenanntes executive board (jōmu-kai) einzurichten, das aus einem Teil der Direktoren besteht und die Entscheidungsfindung beschleunigen soll. 322 Diesem Komitee kommt faktisch die alleinige Entscheidungsbefugnis über die eigentlich dem gesamten Verwaltungsrat zustehende Geschäftsführung zu.323 Gesetzliche Grundlage für seine Einrichtung ist die Ernennung von sogenannten special directors (tokubetsu torishimari-yaku), denen neben den grundsätzlich übertragbaren Entscheidungen auch einige explizit genannte, sonst zwingend dem gesamten Verwaltungsrat vorbehaltene Entscheidungen übertragen werden können.324 Voraussetzung für die Ernennung ist nach der gesetzlichen Regelung ein Verwaltungsrat mit mindestens sechs Direktoren, von denen mindestens einer extern sein muss. Derartige Verwaltungsräte müssen folglich nach dem GesG zwingend über mindestens einen externen Direktor verfügen. Ob diese eine Person oder auch zwei Externe in Anbetracht der Verlagerung von Entscheidungen auf ein Untergremium des Verwaltungsrats zu einem Plus an Kontrolle führen, ist höchst fraglich. Nickt der Verwaltungsrat die Entscheidungen dieser separaten Exekutiv-Einheit wie in der Vergangenheit nur noch ab, wird die Macht in der Hand weniger konzentriert und die im Verwaltungsrat angelegte Selbstkontrolle von vornherein eingeschränkt. 2. Die Gesellschaft mit Ausschüssen In der Gesellschaft mit Ausschüssen sind externe Direktoren zwingender Bestandteil des Verwaltungsrats. Während auch dem Verwaltungsrat als Organ eine Überwachungsfunktion zukommt, übernehmen die Ausschüsse spezifische Kontrollfunktionen.

Siehe oben III.2. I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 252 Nr. 642 und 264 Nr. 685. Nach H. BAUM, Handelsgesetz, 1, 24 mit Stand 2002 ist dies sogar regelmäßig der Fall. 323 I. KAWAMOTO, Handels- und Gesellschaftsrecht, 47, 71. 324 Art. 373 Abs. 1 GesG. 321 322

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

a) Der Verwaltungsrat: Kontrolle auch durch Outsider Direktoren sind in der Organisationsverfassung mit drei Ausschüssen von der Ausführung der Geschäfte ausgeschlossen und auch die Entscheidung über die Führung der Geschäfte kann in weitem Umfang auf die außerhalb des Verwaltungsrats stehenden Geschäftsführer übertragen werden. Ist dies, wie in der Praxis häufig, der Fall, so kann sich der Verwaltungsrat auf die Überwachung der Geschäftsführer konzentrieren.325 Die bisherige Umsetzung des Monitoring-Modells in der Gesellschaft mit Ausschüssen bringt jedoch einige Probleme mit sich. Erstens finden sich zur Rolle externer Direktoren innerhalb des Verwaltungsrats als Gesamtgremium ebenso wenig Vorgaben oder Anhaltspunkte wie für die Gesellschaft mit Prüferrat. Einen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung können externe Direktoren über die Ausübung ihres Stimmrechts bei der Wahl der Geschäftsführer ausüben.326 Betreffend die Compliance können sie wie in der traditionellen Organisationsform auf die Einrichtung des internen Compliance-Systems einwirken. Allerdings müssen nach dem Gesellschaftsgesetz lediglich mindestens zwei externe Direktoren und nach den Börsenregelungen mindestens ein unabhängiger Direktor ernannt werden.327 Der gesetzlich zwingende Einfluss dieser Direktoren auf die Beschlüsse des Verwaltungsrats ist damit nicht größer als derjenige in Gesellschaften mit Prüferrat, die freiwillig ein oder zwei externe bzw. unabhängige Direktoren ernannt haben. Allerdings zeigen Statistiken, dass Gesellschaften mit Ausschüssen bereits im Jahr 2014 durchschnittlich 4,7 externe Direktoren und 3,4 unabhängige Direktoren oder Prüfer ernannt hatten. 328 Die durchschnittliche Anzahl an Direktoren pro Verwaltungsrat lag im selben Jahr über alle börsennotierten Gesellschaften hinweg bei 7,5.329 Bezieht man die Entscheidungsbefugnisse der Ausschüsse als mögliches Druckmittel mit ein, so dürfte den externen Direktoren auch außerhalb der Ausschüsse ein größeres Gewicht beizumessen sein als in der Gesellschaft mit Prüferrat. Zweitens wird jedoch eine klare Trennung von Leitung und Kontrolle auch in der Ausschussstruktur nicht durchgängig gewährleistet. Zwar sind DirektoSiehe bereits allgemein Kapitel 3 – A. II. sowie näher oben I.2. Art. 402 Abs. 2 GesG. 327 Siehe oben C. I.2. und II. 328 TSE, White Paper 2015, 22 und 50. Die Anzahl externer und unabhängiger Direktoren ist zwar seit 2014 weiter gestiegen, Veränderungen dürften aber vor allem bei den Gesellschaften mit Prüferrat stattgefunden haben. Nach Organisationsverfassung aufgeschlüsselte Zahlen zu dieser Frage sind im White Paper von 2017 nicht mehr enthalten. 329 TSE, White Paper 2015, 19. Eine Aufschlüsselung nach Organisationsverfassungen fehlt. Da bei Gesellschaften mit hohem Anteil ausländischer Investoren die Verwaltungsräte tendenziell größer sind, dürfte die Zahl hier etwas höher liegen. Nunmehr liegt die durchschnittliche Zahl für alle Gesellschaften bei 8,25. Siehe bereits oben C. IV.1. 325 326

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ren nicht in ihrer Funktion als Direktor in die Geschäftsführung eingebunden, Direktoren können jedoch gleichzeitig Geschäftsführer (shikkō-yaku) sein.330 Das Gesetz verhindert lediglich, dass ein Direktor auch anderweitig bei der Gesellschaft angestellt ist, damit er nicht gleichzeitig nach Weisung der Geschäftsführung handelt (als Angestellter) und diese kontrolliert (als Direktor). 331 Neben der fehlenden strikten personellen Trennung verhindert das Gesetz zudem nicht einmal, dass sogar die Mehrheit oder alle Geschäftsführer gleichzeitig Direktoren sind. Da zudem keine Anforderungen an das Verhältnis externer Direktoren zur Gesamtzahl der Mitglieder des Verwaltungsrats bestehen, kann dies dazu führen, dass das Kräfteverhältnis zwischen Geschäftsführung und überwachendem Verwaltungsrat faktisch umgekehrt wird.332 Hinsichtlich der Trennung von Leitung und Kontrolle unterscheidet sich die Situation dann nur unwesentlich von derjenigen in einer Gesellschaft mit Prüferrat, in der zwei externe Direktoren ernannt wurden. Durch die Zulässigkeit einer derartigen Ausgestaltung wird den Unternehmen bzw. deren Direktoren zwar der Wechsel zum Monitoring-Modell erleichtert. An der Kontrolle durch den Verwaltungsrat als Organ ändert sich dann jedoch faktisch wenig gegenüber der traditionellen Struktur.333 Grundlegende Entscheidungen, die vom Verwaltungsrat getroffen werden, können nach wie vor in der Hand einer Mehrheit interner Direktoren liegen. Dies umfasst auch die Ernennung und Entlassung der Geschäftsführer, die wiederum gleichzeitig Direktoren sein können und die Geschäfte ausführen. Befürchtungen einer Schwächung der Kontrollfunktion des Boards wird entgegengehalten, dass die Kontrolle von den Ausschüssen übernommen werden solle.334 Diese Haltung verkennt jedoch, dass das Gesetz für die Direktoren auch außerhalb der Ausschüsse eine Kontrollfunktion vorsieht. Zudem wird auch die Überwachung durch die Ausschüsse von der fehlenden klaren Trennung von Leitung und Kontrolle beeinträchtigt. Der Verwaltungsrat bestimmt nämlich die Mitglieder der mehrheitlich externen Ausschüsse.335 Dadurch kann sich eine Mehrheit an „Geschäftsführer-Direktoren“ diejenigen Direktoren auswählen, die über die Vorlagen für ihre Vergütung und Wiederwahl entscheiden.

330 Art. 402 Abs. 6 GesG. In der Gesellschaft mit Ausschüssen führen die Geschäftsführer die Geschäfte aus. Siehe bereits Kapitel 3 – A. II. sowie oben I.2. 331 Art. 331 Abs. 4 GesG. Zur Begründung für die Regelung siehe I. KAWAMOTO /  Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 298 Nr. 805. 332 So auch N. NAKAMURA, Japan, 233, 247. 333 Vgl. P. LAWLEY, Empirical analysis, 129, 139 f., der allerdings eher einen Flexibilitätsverlust denn Einbußen in der Qualität des Monitoring als Problem ausmacht. 334 Vgl. I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 297 Nr. 804. 335 Art. 400 Abs. 2 GesG.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

b) Der Prüfungsausschuss In der Gesellschaft mit Ausschüssen gibt es keine Prüfer und keinen Prüferrat.336 Dessen Rolle wird vom Prüfungsausschuss übernommen. Während der Prüferrat vom Ansatz her auf das deutsche Aufsichtsratsmodell zurückgeht, ist der Prüfungsausschuss Teil einer monistischen Organisationsstruktur.337 Von entscheidender Bedeutung für die Überwachungsfunktion des Ausschusses ist, dass seine Überwachungsaufgabe anders als die des Prüferrats nicht auf die Prüfung der Rechnungslegung sowie der Rechtmäßigkeit des Handelns der Direktoren, Geschäftsführer und, falls vorhanden, Rechnungslegungsberater begrenzt ist. Das Gesetz spricht zwar wie beim Prüferrat von Prüfung (kansa). 338 Die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind jedoch gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats und als solche an der Aufsicht (kantoku) durch den Verwaltungsrat beteiligt. Sie sind bei dessen Beschlüssen stimmberechtigt und haben somit auch Einfluss auf die Wahl und Abwahl der Geschäftsführer. Aufgrund dieses Umstandes soll sich auch die Funktion des Prüfungsausschusses auf die Prüfung der Angemessenheit der Geschäftsführung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstrecken.339 Der Prüfungsausschuss hat demzufolge nicht nur das Compliance-, sondern auch das Performance-Monitoring zur Aufgabe. Ebenso wie der Umfang der Überwachung unterscheidet sich auch die Ausführung der Kontrollaufgabe von der des Prüferrats. 340 Während dieser ebenso wie der Verwaltungsrat eine konkrete Kontrolle der Geschäftsführungsmaßnahmen vornimmt, findet die Überwachung des Ausschusses auf einer abstrakteren Ebene statt. 341 Hinsichtlich des Performance-Monitoring soll sich die Überwachung auf die allgemeine Arbeit und Leitung des Verwaltungsrats beziehen.342 Wie genau eine solche Bewertung aussieht, bleibt dabei offen. Was hingegen die Rechtmäßigkeitsprüfung betrifft, so erstellt der Prüfungsausschuss wie der Prüferrat einen Prüfbericht. 343 Während die Prüfer jedoch die Prüfung selbst durchführen, bedient sich der Prüfungsausschuss des vom Verwaltungsrat eingerichteten internen Compliance-Systems. Hauptaufgabe des Prüfungsausschusses ist es, sicherzustellen, dass das interArt. 327 Abs. 4 GesG. Siehe dazu bereits allgemein oben Kapitel 3 – A. II. und III.2.b). 338 Art. 404 Abs. 2 Nr. 1 GesG. Zur Unterscheidung zwischen Prüfung (kansa) und Aufsicht (kantoku) hinsichtlich der Überwachungsaufgabe siehe Kapitel 3 – D. zu Beginn. 339 N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 20 m. w. N.; vgl. auch T. TANIGAWA /  H. MORIYAMA, Japan, 158, 160; O. KIRCHWEHM, Reformen, 115–117. 340 Zum Verfahrensablauf innerhalb des Prüfungsausschusses und auch der anderen beiden Ausschüsse siehe I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 301 f. Nrn. 816–818; V. MECKEL, Corporate Governance, 177 f. 341 Siehe dazu O. KIRCHWEHM, Reformen, 116 f. 342 O. KIRCHWEHM, Reformen, 116 f. 343 Art. 404 Abs. 2 Nr. 1 GesG. 336 337

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ne Compliance-System in angemessener Weise eingerichtet wurde und unterhalten wird. Soweit erforderlich, gibt er der zuständigen Abteilung im Unternehmen Anweisungen.344 Eine Konsequenz aus diesem abweichenden Verständnis von der Kontrollaufgabe ist, dass anders als beim Prüferrat keine gesetzliche Pflicht zur Ernennung eines in Vollzeit tätigen Ausschussmitglieds besteht. Dies wird zurecht kritisiert, da auch die Überwachung des Compliance-Systems und insbesondere ein Überblick über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens für die im Übrigen nicht näher spezifizierte Angemessenheitsprüfung durchaus zeit- und ressourcenintensiv sind. 345 Gleichfalls ist zwar eine mehrheitlich externe Besetzung des Ausschusses zwingend und richtig, eine rein externe Besetzung kann jedoch Probleme mit der Informationsbeschaffung verschärfen und ist gesetzlich nicht ausgeschlossen.346 Als Mitglieder des Verwaltungsrats haben auch die Mitglieder des Prüfungsausschusses naturgemäß das Recht, Verwaltungsratssitzungen einzuberufen347 und an diesen teilzunehmen. Anders als der Prüferrat kann der Prüfungsausschuss zudem die Anwesenheit der Direktoren, Geschäftsführer und Rechnungslegungsberater bei Ausschusssitzungen sowie deren Erklärungen zu vom Ausschuss bestimmten Sachverhalten verlangen.348 Eine Berichtspflicht gegenüber der Hauptversammlung besteht ebenso wenig wie ein Recht auf Meinungskundgabe auf der Hauptversammlung. Stattdessen müssen Ausschüsse ein Mitglied bestimmen, das dem Verwaltungsrat unverzüglich vom Zustand der Pflichterfüllung durch den Ausschuss Bericht erstattet.349 Diese Regelung entspricht dem Grundgedanken des MonitoringModells. Während nach dem traditionellen Modell die Aktionäre informiert werden, um mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Interessen durchzusetzen,350 wird in der Gesellschaft mit Ausschüssen der Verwaltungsrat informiert, dessen Hauptaufgabe – jedenfalls in der Theorie – die Überwachung der Geschäftsführung ist. Die Berichtspflicht gegenüber dem Verwaltungsrat hinsichtlich rechtswidrigen Verhaltens von Direktoren oder Geschäftsführern351 sowie der entspre344 O. KIRCHWEHM, Reformen, 116 f., der von „Kontrolle der Kontrolle“ spricht; K. EGASHIRA, Kabushiki kaisha-hō, 560 f.; vgl. auch I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI /  T. KIHIRA, Corporations, 300 Nr. 811 sowie V. MECKEL, Corporate Governance, 176. 345 O. KIRCHWEHM, Reformen, 117. 346 O. KIRCHWEHM, Reformen, 117 f. 347 Nach Art. 417 Abs. 1 GesG kann ein Ausschuss auch dann ein Mitglied bestimmen, das Verwaltungsratssitzungen einberufen kann, wenn vom Verwaltungsrat eine für die Einberufung von Verwaltungsratssitzungen zuständige Person bestimmt worden ist. 348 Art. 411 Abs. 3 GesG. 349 Art. 417 Abs. 3 GesG. 350 Dies geschah bislang freilich nur selten, vgl. oben Kapitel 3 – C. II. 351 Art. 406 GesG.

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chende Unterlassungsanspruch352 entsprechen hingegen der Regelung zu den Prüfern. Gleiches gilt für die Informations- und Einsichtsrechte und die Rechte hinsichtlich Ernennung, Entlassung und Vergütung der Abschlussprüfer.353 In Summe besteht der Unterschied zum Prüferrat darin, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses Direktoren mit Stimmrechten im Verwaltungsrat sind. Sie überwachen die Geschäftsführung jedoch nicht mehr direkt, sondern indirekt über eine Kontrolle des ohnehin vorhandenen Compliance-Systems. Die Angemessenheitskontrolle bleibt hingegen diffus. Ob dadurch eine effektivere Überwachung gewährleistet wird, darf bezweifelt werden.354 Verwundern mag insofern auch die Begründung des Gesetzgebers für die verpflichtende Ernennung von Abschlussprüfern in allen – also auch kleinen – Gesellschaften mit Ausschüssen, nicht aber in Gesellschaften mit Prüferrat: eine hinreichende Überwachung der außerhalb des Verwaltungsrats stehenden Geschäftsführer unter Rechtmäßigkeitsgesichtspunkten sei durch den Prüfungsausschuss nicht gewährleistet.355 c) Der Nominierungs- und der Vergütungsausschuss Während die Angemessenheitskontrolle des Prüfungsausschusses recht diffus bleibt, spielen der Nominierungs- sowie der Vergütungsausschuss eine entscheidende Rolle hinsichtlich des Performance-Monitoring.356 Der Nominierungsausschuss erstellt die Vorschläge für die Wahl und Abberufung von Direktoren auf der Hauptversammlung.357 Der Vergütungsausschuss bestimmt die Vergütung der einzelnen Direktoren und Geschäftsführer, wobei sich der Mechanismus danach unterscheidet, ob in der Satzung ein fester Betrag bestimmt ist und ob es sich um eine monetäre oder nicht monetäre Vergütung handelt.358 Über die Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats sowie die Bestimmung der Vergütung können die beiden Ausschüsse auf die Leistung der Direktoren und Geschäftsführer reagieren.

Art. 407 Abs. 1 GesG. Art. 405 Abs. 1 und 2 GesG sowie Art. 404 Abs. 2 Nr. 2, Art. 399 Abs. 1 und 4 GesG. Die Informations- und Einsichtsrechte stehen den dafür vom Prüfungsausschuss bestimmten Mitgliedern zu. 354 Kritisch auch P. RODATZ, ZJapanR 15 (2003) 161, 166 in Bezug auf eine Verbesserung der Kontrolle der Rechnungslegung. Er hält eine wesentliche Verbesserung der Vorschriften für das interne Controlling sowie eine Modernisierung der Abschlussprüfung für erforderlich. Von einer Erhebung des Prüferrats in den Verwaltungsrat spricht C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 96 f. 355 O. KIRCHWEHM, Reformen, 162. 356 M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 39. 357 Art. 404 Abs. 1 GesG. 358 Artt. 404 Abs. 3 und 409 Abs. 3 GesG. 352 353

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Die mehrheitliche Besetzung mit externen Direktoren soll dabei eine unabhängige Entscheidungsfindung garantieren.359 Wie effektiv die Überwachung durch die beiden Ausschüsse funktioniert und ob sie dazu beitragen können, das Insider-System aufzubrechen, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Definition externer oder ggf. unabhängiger Direktoren eine unabhängige Entscheidung tatsächlich ermöglicht, und ob die sonstigen Voraussetzungen und das Anreizsystem dergestalt sind, dass die Direktoren ihre Überwachungsaufgabe aktiv wahrnehmen. 360 Empirische Untersuchungen zur Auswirkung externer Direktoren auf die Unternehmensleistung oder spezifische Merkmale wie einen Geschäftsführungswechsel sind bislang nur in Ansätzen vorhanden, solche zu unabhängigen Direktoren fehlen soweit ersichtlich noch vollständig.361 3. Die Gesellschaft mit Kontrollausschuss Ausgangspunkt für die Schaffung der Gesellschaft mit Kontrollausschuss war der Umstand, dass nur wenige Gesellschaften zum Typ der Gesellschaft mit Ausschüssen gewechselt waren. Hauptgrund hierfür ist die Ablehnung der Übertragung der Entscheidungsgewalt hinsichtlich Nominierung und Vergütung auf mehrheitlich extern besetzte Ausschüsse seitens der Wirtschaftswelt.362 Dennoch soll die neue Organisationsform gegenüber der Gesellschaft mit Prüferrat zu einer Verbesserung der Aufsicht (kantoku) führen.363 Dies soll ein einzelner Ausschuss gewährleisten, der mehrheitlich extern besetzt ist.364 Von der Gesellschaft mit Prüferrat unterscheidet sich die Gesellschaft mit Kontrollausschuss dadurch, dass es sich um ein monistisches Modell ohne Prüferrat handelt. Dessen Prüfungsaufgabe (kansa) wird vom Kontrollausschuss übernommen.365 Von der Gesellschaft mit Ausschüssen unterscheidet sie sich zum einen dadurch, dass es keinen Nominierungs- und keinen Vergütungsausschuss gibt. Dem Kontrollausschuss kommt jedoch ein Meinungskundgaberecht zu Wahl und Vergütung der Direktoren zu, das die Aktionäre bei der Ausübung ihrer Stimmrechte unterstützen soll.366 Zum anderen gibt es I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 299 f. Nr. 810 zum Nominierungsausschuss. 360 Zu den Eigenschaften externer bzw. unabhängiger Direktoren sowie den Anreizstrukturen siehe unten F. und G. 361 Siehe bereits oben A. 362 Siehe dazu Kapitel 3 – A. II. sowie oben C. IV.1. 363 Zur Unterscheidung zwischen Prüfung (kansa) und Aufsicht (kantoku) hinsichtlich der Überwachungsaufgabe siehe oben Kapitel 3 – D. zu Beginn. 364 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 16 f.; siehe auch N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 18. Zur Grundstruktur siehe bereits oben Kapitel 3 – A. II. 365 Art. 399-2 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 25. 366 Art. 399-2 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Artt. 342-2 Abs. 4 und 361 Abs. 6 GesG. 359

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keine Geschäftsführer, sondern die Geschäftsführung obliegt wie in der Gesellschaft mit Prüferrat den geschäftsführenden Direktoren als Mitgliedern des Verwaltungsrats.367 a) Der Verwaltungsrat Wie in der Gesellschaft mit Prüferrat soll zum einen der Verwaltungsrat als Gesamtheit die Aufsicht (kantoku) über die geschäftsführenden Direktoren führen,368 zum anderen erfolgt eine Überwachung durch die Aktionäre mittels Stimmrechten hinsichtlich Ernennung und Vergütung auf der Hauptversammlung.369 Der Unterschied besteht in der neuen Organisationsverfassung zum einen darin, dass die Überwachung durch die Aktionäre durch das Meinungskundgaberecht des mehrheitlich extern besetzten Ausschusses, das ihrer Information und Ermächtigung dient, erleichtert werden soll. 370 Zum anderen haben auch die externen Mitglieder des Ausschusses an den Entscheidungen des Verwaltungsrats und damit der Ernennung der geschäftsführenden Direktoren sowie der Erstellung der Beschlussvorlagen für die Wahl und Vergütung von Direktoren teil. Innerhalb der neuen Organisationsverfassung stehen faktisch zwei Modelle zur Wahl.371 Das eine ähnelt einer Gesellschaft mit Prüferrat mit mindestens zwei externen Direktoren mit dem einen Unterschied, dass der Kontrollausschuss den Prüferrat ersetzt. Ist hingegen mindestens die Hälfte der Direktoren extern, so kann auch die Entscheidung über die Geschäftsführung in weitem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden. In diesem Fall nähert sich die Rolle des Verwaltungsrats derjenigen in der Gesellschaft mit Ausschüssen an, in der die Entscheidungsbefugnisse in weitem Umfang auf die Geschäftsführer übertragen wurden (Monitoring-Modell). 372 Zwar gibt es in der neuen Organisationsform keine Geschäftsführer (shikkō yaku), sondern es werden wie in der Gesellschaft mit Prüferrat vom Verwaltungsrat geschäftsführende Direktoren ernannt. 373 Da allerdings auch in der Gesellschaft Artt. 362 Abs. 2 Nr. 1, 363 Abs. 1 GesG. Art. 399-13 Abs. 1 Nr. 2 GesG. 369 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 29. 370 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 41 f. 371 Siehe zum Folgenden bereits Kapitel 3 – A. II. sowie oben I.2.; vgl. auch N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 82 f. 372 Ungenau insoweit S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 53, da nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausgestaltung als Monitoring-Modell und damit eine Konzentration des Verwaltungsrats auf die Überwachung möglich ist (siehe aber die weiteren Erklärungen des Autors, ibid., 60). 373 Deshalb fehlt, anders als in der Gesellschaft mit Ausschüssen (Art. 416 Abs. 3 GesG) auch eine Bestimmung, welche die Übertragung der in Art. 399-13 Abs. 1 GesG festgelegten Pflichten auf einzelne Direktoren ausschließt, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 55 f. 367 368

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mit drei Ausschüssen Geschäftsführer gleichzeitig als Direktoren fungieren können, dürfte der Unterschied in der Praxis eher gering ausfallen. Wie auch in den anderen beiden Organisationsverfassungen finden sich auch für die neue keine konkreten Angaben zur Funktion externer Verwaltungsratsmitglieder. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die Situation nur wenig von der in der Gesellschaft mit Prüferrat unterscheidet, sofern keine Ausgestaltung als Monitoring-Modell erfolgt. Der Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats wird auch hier dadurch geschmälert, dass das System „spezieller“ Direktoren und damit die Schaffung eines faktisch die Entscheidungen treffenden executive board (jōmu-kai) zulässig ist. 374 Der Schwerpunkt der Tätigkeit dürfte dann auf der Überwachung des internen Compliance-Systems und damit den Fragen der Compliance liegen. Ist hingegen mindestens die Hälfte des Verwaltungsrats extern besetzt und die Entscheidungskompetenz in weitem Umfang auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen, besteht jedenfalls bei aktiver Wahrnehmung der Aufgabe die Möglichkeit, dass die externen Verwaltungsratsmitglieder über ihr Stimmrecht entscheidenden Einfluss auf die Fragen der Ernennung und Vergütung erhalten.375 Das System spezieller Direktoren ist bei dieser Ausgestaltung so wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen unzulässig.376 b) Der Kontrollausschuss Hauptaufgabe des Ausschusses ist die Prüfung (kansa) der Pflichterfüllung der Direktoren und gegebenenfalls der Rechnungslegungsberater, die Erstellung des Prüfberichts und der Wahlvorschläge für die Abschlussprüfer sowie die Meinungsbildung hinsichtlich der Wahl und Vergütung der Direktoren.377 Zur Erfüllung seiner Funktion stehen dem Ausschuss mehrere Untersuchungsrechte zu, die denen des Prüferrats und Prüfungsausschusses entsprechen.378 Wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen übt der Kontrollausschuss seine Prüfungsaufgabe nicht durch eigenständige Prüfung der Geschäfte und Finanzen der Gesellschaft aus, sondern bedient sich des internen ComplianceSystems, das er überwacht. 379 Es handelt sich somit um eine systematische Kontrolle des Ausschusses und nicht eine individuelle Kontrolle durch seine Mitglieder.380 Da man aufgrund dessen die Informationsversorgung der AusSiehe dazu oben 1.c). Zum System spezieller Direktoren in der neuen Organisationsform S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 58 f. 375 Vgl. N. YAMAMOTO, Hō no Shihai 176 (2015) 80, 82. 376 Art. 373 Abs. 1 i. V. m. Art. 399-13 Abs. 5 und 6 GesG. 377 Art. 399-2 Abs. 3 GesG. Das Recht auf die Meinungskundgabe ist in Art. 342-2 Abs. 4 bzw. Art. 361 Abs. 6 GesG verankert. Siehe dazu sogleich. 378 Art. 399-3 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 39 f. 379 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 37 f.; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 22; K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63. 380 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 22 (Wortbeitrag Iwahara). 374

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schussmitglieder als unproblematisch ansah, wurde keine Verpflichtung zur Ernennung eines Vollzeit-Mitglieds des Ausschusses in die neuen Bestimmungen aufgenommen.381 Diese Entscheidung ist aus denselben Gründen zu kritisieren wie die fehlende Verpflichtung eines in Vollzeit tätigen Direktors im Prüfungsausschuss der Gesellschaft mit Ausschüssen.382 Der Unterlassungsanspruch des Ausschusses bei Verstößen von Direktoren gegen Rechtsvorschriften oder die Satzung sowie die Berichtspflicht gegenüber dem Verwaltungsrat in diesen Fällen entsprechen der Regelung in den beiden anderen Organisationsverfassungen.383 Was die übrigen Rechte und Pflichten betrifft, gibt es sowohl Gemeinsamkeiten mit dem Prüferrat als auch mit dem Prüfungsausschuss. Auf der einen Seite sind die Direktoren, Rechnungslegungsberater und Abschlussprüfer wie gegenüber dem Prüferrat verpflichtet, dem Ausschuss und nicht der Hauptversammlung Bericht zu erstatten.384 Zudem müssen die Mitglieder des Kontrollausschusses Dokumente, welche die Direktoren in die Hauptversammlung einbringen wollen, untersuchen und haben eine Berichtspflicht hinsichtlich Verletzungen von Gesetzen oder Verordnungen sowie der Satzung gegenüber der Hauptversammlung. 385 Diese Regelung überzeugt jedoch nur, solange der Verwaltungsrat nicht mehrheitlich extern besetzt ist. Ist die Gesellschaft mit Kontrollausschuss als Monitoring-Modell ausgestaltet, müsste die Berichtspflicht wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen gegenüber dem Verwaltungsrat bestehen. Auf der anderen Seite gibt es auch Gemeinsamkeiten mit der Struktur mit drei Ausschüssen. Beispielsweise müssen Direktoren auf Verlangen des Ausschusses an dessen Sitzungen teilnehmen, haben hingegen kein Recht auf eine Teilnahme.386 Ebenfalls wie in der Gesellschaft mit Ausschüssen umfasst die Prüfung (kansa) nicht lediglich die Rechtmäßigkeit des Handelns, sondern auch dessen Angemessenheit. 387 Dies liegt darin begründet, dass auch 381 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 37 f.; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 22; M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23. 382 Siehe dazu oben 2.b). Kritisch auch E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 78. Die einschlägige Richtlinie bringt auch keine Präferenz für die Einsetzung eines in Vollzeit arbeitenden Ausschussmitglieds zum Ausdruck, N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 22 und dortige Fn. 47. 383 Artt. 399-4, 399-6 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 40 und 43. 384 Art. 357 Abs. 3 bzw. Art. 397 Abs. 4 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 67. 385 Art. 399-5 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 40 und 43. 386 Artt. 399-8, 399-9 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 46 f. Siehe ibid. zu Entscheidungsfindung, Protokoll und den Regelungen zur Übernahme von Kosten im Rahmen der Aufgabenausführung. 387 N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 20; K. EGASHIRA, Kabushiki kaishahō, 583.

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hier die Ausschussmitglieder gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats sind und Hauptaufgabe desselben die Aufsicht (kantoku) über die Geschäftsführung einschließlich deren Angemessenheit ist. Zwar fehlen in der neuen Organisationsverfassung Nominierungs- und Vergütungsausschuss und eine Ausgestaltung als Monitoring-Modell ist nicht zwingend. Dennoch hält sie über die Angemessenheitsprüfung des Prüfungsausschusses hinaus Mechanismen zur Überwachung der Performance bereit. Die neue Organisationsform ermöglicht daher nicht nur einen Wechsel zum Monitoring-Modell, sondern stellt gleichzeitig eine Art modifiziertes Management-Modell dar, das eine Evaluation des Managements durch Externe jedenfalls zu einem gewissen Grad ermöglichen soll.388 Wie in der Gesellschaft mit Prüferrat den Prüfern kommt den einzelnen Ausschussmitgliedern ein Meinungskundgaberecht hinsichtlich der Wahl, Abwahl oder des Rücktritts von Ausschussmitgliedern zu. 389 Zudem bedürfen, vergleichbar der Regelung für den Prüferrat, die Vorlagen für die Wahl der Ausschussmitglieder der Einwilligung des Ausschusses. 390 Auch kann sich jedes Ausschussmitglied auf der nächsten Hauptversammlung zu seinem Rücktritt äußern.391 Vor allem aber kommt, im Gegensatz zum Prüferrat, vom Ausschuss bestimmten Ausschussmitgliedern das Recht zu, auf der Hauptversammlung ihre Meinung hinsichtlich der Wahl und Vergütung der Direktoren kund zu tun.392 Der Kontrollausschuss übernimmt damit zu einem gewissen Grad auch die Funktion der Bewertung des Managements vom Nominierungs-, bzw. Vergütungsausschuss.393 Ihm kommt über die Prüfung (kansa) hinaus zumindest ein gewisser Einfluss auf die Ernennung und Vergütung der Geschäftsführung und damit die Überwachung in Form einer Aufsicht (kantoku) zu.394 Dabei ist M. MATSUNAKA, Hōritsu Jihō 86-3 (2014) 36, 40. Art. 342-2 Abs. 1 GesG. 390 Art. 344-2 Abs. 1 GesG. Anders als die Ausschüsse in der Gesellschaft mit Ausschüssen wird der Kontrollausschuss nicht vom Verwaltungsrat, sondern direkt von der Hauptversammlung gewählt. Siehe bereits oben Kapitel 3 – A. III.2.b). 391 Art. 342-2 Abs. 2, 3 GesG. 392 Art. 399-2 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Artt. 342-2 Abs. 4, 361 Abs. 6 und 361 Abs. 6 GesG. Siehe dazu S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 30 f. 393 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63. 394 Noch im Zwischenbericht sollte der Ausschuss daher auch kansa kantoku i’in-kai [wohl am ehesten: Ausschuss für Prüfung und Aufsicht] heißen. Da seine Aufgaben mit dem Meinungskundgaberecht über die Prüfung (kansa) hinausgehen und auch die Aufsicht (kantoku) betreffen, er jedoch über keine weitergehenden Entscheidungsrechte hinsichtlich Personalfragen und Vergütung verfügt, sah man den Begriff Aufsicht (kantoku) allein als unangemessen an, sodass der Name wörtlich in „Ausschuss für Prüfung usw.“ geändert wurde, M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22; vgl. auch S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 21 f.; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 20 f. (Wortbeitrag Sakamoto). Zur Verwendung des Begriffs „Kontrollausschuss“ in dieser Arbeit der Lesbarkeit halber siehe oben Kapitel 2 – D. I.2.a) und Fn. 76. 388 389

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

das Meinungskundgaberecht nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht bloßes Recht, sondern es gibt auch die Pflicht, dieses angemessen auszuüben. Schweigen wird als Zustimmung gewertet und es besteht jedenfalls die Pflicht, auf Nachfragen der Aktionäre zu antworten.395 Es ist daher zu erwarten, dass sich der Arbeitsaufwand des Ausschusses gegenüber Prüfungsausschuss und insbesondere Prüferrat hinsichtlich der Bewertung des Managements beträchtlich erhöhen wird.396 Inwieweit ein bloßes Stellungnahmerecht in der Praxis Wirkung zeigt und eine angemessene Ausübung von den Aktionären eingefordert und als Entscheidungsgrundlage genutzt wird, bleibt abzuwarten. Es bestehen zumindest Zweifel daran, ob die faktische Personalkompetenz des Präsidenten und der geschäftsführenden Direktoren gebrochen werden kann.397 Ginge die Geschäftsführung davon aus, dass die neue Regelung in der Wirkung einer Entscheidung durch Ausschüsse gleich käme, dürfte sie einem Wechsel der Organisationsform genauso abgeneigt sein wie im Falle der Gesellschaft mit Ausschüssen. Neben dem Compliance- und Performance-Monitoring kommt dem Kontrollausschuss aber auch eine Rolle zu, die sich weder für den Prüferrat, noch den Prüfungsausschuss findet. Er hat die Möglichkeit, Geschäften zuzustimmen, die ein Direktor für sich oder eine dritte Person mit der Gesellschaft tätigt und bei denen folglich ein Interessenkonflikt besteht (conflict of interest transactions). Tut er dies, so gilt die Vermutung der fahrlässigen Pflichtverletzung nach Art. 423 Abs. 3 GesG nicht.398 Die Zustimmung des Ausschusses ersetzt dabei nicht diejenige des Verwaltungsrats. 399 Fehlt letztere, so kommt es nicht zur Beweislastumkehr und es gilt Art. 423 Abs. 3 GesG. 400

395 S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 22 (Wortbeitrag Iwahara); vgl. N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 21; K. EGASHIRA, Kabushiki kaisha-hō, 585 Fn. 2; DERS., Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 64. 396 K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 64. 397 Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit eines bloßen Rechts auf Stellungnahme hegen etwa E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 78; DERS. in einem Gespräch mit dem Verfasser am 9.7.2015 an der Städtischen Universität Ōsaka sowie N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 21, der für die Einführung eines eigenen Vorschlagsrechts sowie Zustimmungserfordernisses plädiert. Jedenfalls wird man das Meinungskundgaberecht so interpretieren müssen, dass es auf jeder Hauptversammlung ausgeübt werden kann, also auch dann, wenn der Verwaltungsrat keine Unterlagen etwa zur Abwahl eines Direktors oder betreffend die Vergütung einreicht, N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 20 f.; S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 23 (Wortbeiträge Nishina und Saitō). 398 Art. 423 Abs. 4 GesG. Ausgenommen von dieser Regelung sind die Mitglieder des Ausschusses selbst. Die Regelung dürfte zudem so auszulegen sein, dass eine Zustimmung nur im Vorhinein möglich ist, N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 21 f. 399 Diese richtet sich nach Art. 356 Abs. 1 Nr. 2, 3 i. V. m. Art. 365 Abs. 1 GesG. 400 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 45 Fn. 3; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 22.

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Kritisiert wird an der Regelung zurecht, dass sich die Anforderungen an externe Direktoren zwar auf das Verhältnis zu den geschäftsführenden Direktoren der betreffenden Gesellschaft, nicht aber zwingend zu den an der Transaktion beteiligten Dritten beziehen. Da aber die Entscheidung des Ausschusses vor Gericht justiziabel ist und man die neue Organisationsform für die Unternehmen interessant gestalten wollte, hat man sich für die genannte Regelung entschieden. 401 Darüber hinaus ist zudem fraglich, ob nicht vielmehr auch gerade die wirtschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet sein muss. Das Recht dürfte dann nicht schon mehrheitlich extern besetzten, sondern lediglich mehrheitlich unabhängig besetzten Kontrollausschüssen zukommen. Interessant ist die Regelung insofern, als die Abschirmung vor Haftung durch Entscheidungen von disinterested directors, also Direktoren, die im konkreten Fall unabhängig sind, am Beginn der Entwicklung des unabhängigen Boards in den USA stand.402 Kritiker machen die Haftungsabschirmung sogar als wahren und einzigen Zweck unabhängiger Boards aus und sehen die Überwachungsfunktion als bloße Augenwischerei.403 Laut japanischem Gesetzgeber wurde die Regelung hingegen eingeführt, da man davon ausging, dass aufgrund der „Unabhängigkeit“ des mehrheitlich extern besetzten Ausschusses mit seinem Meinungskundgaberecht eine effektive Aufsicht (kantoku) in solchen Situationen möglich ist. 404 Daran wird kritisiert, dass mit dieser Argumentation auch dem mehrheitlich externen Prüfungsausschuss in der Gesellschaft mit Ausschüssen oder dem Verwaltungsrat in der Gesellschaft mit Prüferrat das gleiche Recht zukommen müsste, sofern dieser mehrheitlich aus externen Direktoren besteht.405 Der Gesetzgeber hält dagegen, dass dem Prüfungsausschuss ohne Meinungskundgaberecht zu Ernennung und Vergütung keine Aufsicht (kantoku), sondern nur die Aufgabe der Prüfung (kansa) zukomme.406 Allerdings sind auch die Mitglieder des Prüfungsausschusses als Direktoren des Verwaltungsrats an der Aufsicht über die einzelnen Direktoren beteiligt. Worin hier der entscheidende Unterschied zum Kontrollausschuss liegen soll, ist nicht ersichtlich. Zumindest was einen insgesamt mehrheitlich extern besetzten Verwaltungsrat betrifft, lässt sich mit Recht fragen, warum diesem ein solches Recht nicht zuM. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 23. Siehe oben Kapitel 1 – B. II.2.a). 403 Siehe für die USA insbesondere die Ansicht Mitchells unter Kapitel 1 – B. II.4.c). 404 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 44 f.; N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 21. Hat ein Ausschussmitglied, welches nach Art. 399-10 Abs. 2 GesG nicht an der Entscheidung hätte teilnehmen dürfen, mit abgestimmt, dürfte die Entscheidung unwirksam sein und die Beweislastumkehr folglich nicht greifen, N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 22. 405 N. MATSUMOTO, Shōji Hōmu 2062 (2015) 17, 21 m. w. N. 406 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 44 f. 401 402

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kommen soll, solange die betroffenen Direktoren an der Entscheidung nicht beteiligt sind. Der entscheidende Grund für die Einführung dieser Regelung gerade in der neuen Organisationsform dürfte darin liegen, den Unternehmen einen weiteren Anreiz zu bieten, zum neuen Modell zu wechseln.407 Neben dem Umstand, dass die Erstellung der Wahlvorschläge sowie die Vergütung der Direktoren nicht zwingend in die Hände Externer gegeben werden müssen und der Kompetenz des Ausschusses, conflict of interest transactions zu genehmigen, gibt es noch einen dritten Anreiz, der gegenüber der Gesellschaft mit Ausschüssen den Unternehmen den Wechsel erleichtert. Das Problem das Prüfersystem zu ersetzen wird insofern deutlich abgemildert, als die Unternehmen ihre Prüfer zu Direktoren „upgraden“ können 408 und dies in der Regel auch tun. Der mehrheitlich extern besetzte Prüferrat wird so zum Kontrollausschuss. Dies muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Fraglich ist jedoch, ob die bisherigen Prüfer auch geeignet sind, die neue Aufgabe angemessen zu erfüllen.409 Nicht nur die Rechtmäßigkeitsprüfung ist mit der Überwachung des Compliance-Systems von der Art her eine andere, sondern der Ausschuss kann darüber hinaus conflict of interest transactions zustimmen und so die Direktoren vor einer Haftung abschirmen. Zusätzlich sind Fähigkeiten und Kenntnisse erforderlich, welche die Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführung im Rahmen der Prüfungsaufgabe (kansa) sowie auch die Ausübung der Aufsichtsfunktion (kantoku) über das Meinungskundgaberecht hinsichtlich Ernennung und Vergütung effektiv ermöglichen. V. Beratung Die Überwachung durch Outsider stand bislang in einem klaren Gegensatz zum Unternehmensverständnis und der Funktion des Verwaltungsrats als geschäftsführendem Organ. Zwar zeigen sich in jüngerer Zeit Ansätze eines Wandels, bisherige Stellungnahmen und Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass externe Direktoren von der Geschäftsführung wenn überhaupt als Berater angesehen und bei Bedarf herangezogen wurden.410 Zwar ist das klar formulierte Ziel der letzten Reform eine Verbesserung der Aufsicht (kantoku) durch den Verwaltungsrat. Möglicherweise kann jedoch auch die Erfüllung einer Beratungsfunktion dem dahinterstehenden Zweck, die So auch G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 23. So etwa S. KOZUKA, ZJapanR 37 (2014) 39, 48; siehe auch H. MIYAJIMA /  R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 94. 409 Zweifel hegen wohl auch H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 94; K. EGASHIRA, Hōritsu Jihō 86-11 (2014) 59, 63 sowie Prof. Dr. Dr. Eiji Takahashi in einem Gespräch mit dem Verfasser an der Städtischen Universität Ōsaka am 9.7.2015. 410 G. GOTO, ZJapanR 35 (2013) 13, 20; J. BUCHANAN / D. H. CHAI / S. DEAKIN, Hedge Fund Activism, 302 f.; Č. PEJOVIĆ, ZJapanR 35 (2013) 107, 129. 407 408

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Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu steigern, zu einem gewissen Grad gerecht werden. Moniert wird nicht zuletzt vom Gesetzgeber, dass die Geschäftsführungen japanischer Unternehmen zu wenig Innovationskraft und Risikobereitschaft zeigen. Im Gegensatz zu den USA, wo eine Eindämmung übermäßiger Risiken im Vordergrund steht, ist in Japan gerade ein gegenteiliger Anreiz intendiert. 411 Sich wandelnde Aktionärsstrukturen zeigen bereits erste Auswirkungen, aber auch externe oder unabhängige Direktoren, die hauptberuflich außerhalb des Unternehmens stehen und über Kenntnisse des Marktes und der Branche verfügen, könnten hier eine wichtige Rolle spielen. Voraussetzung ist, dass die Direktoren in ihrer Funktion als Berater ernst genommen werden. Ob hierfür ein gesetzlicher oder über die Börsen vermittelter Zwang zur Einsetzung externer oder unabhängiger Direktoren die richtige Wahl ist, lässt sich einerseits bezweifeln. Denn erfolgreiche Beratung setzt die Bereitschaft zur Kooperation voraus. Andererseits lässt sich eine solche erzwingen, wenn eine Mindestzahl externer oder unabhängiger Direktoren über entsprechende Druckmittel zur Ausübung einer Überwachungsfunktion verfügt. Das Verständnis der Funktion des Aufsichtsrats, aber auch die Diskussion zum Board etwa im Vereinigten Königreich zeigen, dass sich die Beratung möglicherweise nicht losgelöst von der Überwachung, sondern vielmehr nur als ex ante-Monitoring verstehen lässt. Bislang sind jedoch nur die wenigsten Gesellschaften als Gesellschaft mit Ausschüssen organisiert und die Gesellschaften mit Prüferrat waren und sind zumindest ganz überwiegend intern besetzt. Einen interessanten, vermittelnden Ansatz bietet die neue Gesellschaft mit Kontrollausschuss. In dieser lässt sich die Beratung durch externe oder unabhängige Direktoren mit einer Ermächtigung der Aktionäre über das Meinungskundgaberecht – sofern aktiv ausgeübt – verbinden. Das Management erhält Input aus dem Blickwinkel externer Beobachter. Sind die durch diese informierten Aktionäre mit der Geschäftsführung unzufrieden, liegt es an ihnen als Eigentümer des Unternehmens, aktiv von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Sie bestimmen über die Vergütung und haben die Möglichkeit, die Wahlvorschläge des Verwaltungsrats abzulehnen. Im Vergleich zur Gesellschaft mit Ausschüssen wird dadurch die Beratungsfunktion betont und den Aktionären eine größere Bedeutung beigemessen. Auch der Kodex sieht für Gesellschaften mit Kontrollausschuss, aber auch alle Gesellschaften mit Prüferrat, eine Mitwirkung und Beratung durch unabhängige Direktoren unter anderem in Fragen der Vergütung und der Ernennung von Direktoren und höherem Management vor.412 Ob die neuen Regelungen und insbesondere die Einführung der neuen Organisationsform in der Praxis zu einer solchen Funktionsteilung führen wer411 412

Siehe bereits oben Kapitel 3 – C. I. JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.10.1.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

den, muss die Erfahrung zeigen. Sie setzt nicht nur voraus, dass die Direktoren von ihrem neuen Meinungskundgaberecht, sondern auch die Aktionäre von ihren Stimmrechten aktiv Gebrauch machen. Letzteres zeigt sich jedoch bislang erst in Ansätzen.413 VI. Netzwerkfunktion In der Deutschland-AG spielten Vertreter von Banken und wirtschaftlich verbundenen Unternehmen als externe Direktoren im Aufsichtsrat eine wichtige Rolle für die Erhaltung der Netzwerke unter den Gesellschaften (intercompany links). 414 Gleichfalls war für die Unternehmensgruppen (keiretsu) im Japan der Nachkriegszeit das Netzwerk der über Unternehmensanteile miteinander verbundenen Unternehmen von entscheidender Bedeutung.415 In den Diskussionen hat eine mögliche Netzwerkfunktion externer Direktoren im Verwaltungsrat bislang jedoch kaum Berücksichtigung gefunden. Vielmehr war ein häufig geäußerter Kritikpunkt im Rahmen der letzten Reformen, dass externe Direktoren gerade in der beziehungsgeprägten japanischen Corporate Governance keine sinnvolle Rolle spielen könnten.416 Dabei hatte man wohl vor allem die vom Gesetzgeber intendierte Funktion der Stärkung der Überwachung des Managements im Blick, vor der sich die Verwaltungsräte schützen wollten. Daneben können externe Direktoren jedoch auch eine ganz andere Verwendung finden, die bislang wenig beachtet wurde. Zwar sind in jüngerer Zeit die traditionellen Strukturen der keiretsu und Überkreuzverflechtungen vor allem für größere Unternehmen in Auflösung befindlich. Die Definition externer Direktoren lässt jedoch die Ernennung wirtschaftlich mit dem Unternehmen verbundener Personen sowie von Aktionären zu und bis zur jüngsten Reform waren auch Vertreter der Muttergesellschaft nicht von der Position ausgeschlossen.417 Werden in engen Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen stehende Personen als externe Direktoren ernannt, so besteht die Gefahr, dass dadurch letztlich die alt hergebrachten Strukturen zementiert werden, die für die in Unternehmensgruppen verbundenen Gesellschaften mit Prüferrat charakteristisch waren. 418 Möchte der Gesetzgeber dem entgegenwirken und die Überwachungsfunktion weiter in den Vordergrund rücken, so bleibt ihm nur das Drängen hin zum Einsatz von Direktoren, die nicht lediglich extern, sondern auch unabhängig sind. Der Unabhängigkeitsbegriff erSiehe oben Kapitel 3 – C. II.2. Siehe oben knapp unter Kapitel 1 – B. IV.2.d) und C. II. 415 Siehe dazu eingehend oben Kapitel 3 – B. II. und C. I. 416 Zu dieser Kritk siehe C. J. MILHAUPT, Historical Pathways, 53, 63 f. 417 Siehe dazu oben D. I. 418 Vgl. auch G. DOOLEY, Market for corporate control, 155, 164 f.; kritisch zur bisherigen Ausgestaltung R. DORE, Insider Management, 370, 381 f. 413 414

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fasst auch wirtschaftliche Verflechtungen sowie bedeutende Aktionäre. 419 Allerdings sind die Überkreuzverflechtungen dadurch charakterisiert, dass die Unternehmen jeweils nur geringe Anteile aneinander halten.420 Da der Unabhängigkeitsbegriff nach den Börsenregelungen nur Aktionäre mit 10 % der Stimmanteile als bedeutend und nicht unabhängig ansieht,421 bleibt die Aufrechterhaltung der Netzwerke solange möglich, wie nicht ein anderes Negativkriterium der Börsenregelungen erfüllt ist.422 VII. Zusammenfassung und Bewertung Funktion und Effektivität des Einsatzes externer und unabhängiger Direktoren hängen in hohem Maße von der gewählten Organisationsverfassung und deren Ausgestaltung ab. Diese Aspekte sind in der Diskussion, die vor allem auf die Strukturen der drei Organisationsverfassungen sowie die Frage nach der verpflichtenden Einsetzung externer bzw. unabhängiger Direktoren fokussiert war, bislang viel zu kurz gekommen. Für die Überwachungsaufgabe macht es einen großen Unterschied, ob die Direktoren Fremdkörper in einem Geschäftsführungsorgan oder wesentlicher Bestandteil eines Überwachungsorgans sind. Darüber hinaus bedürfen konkrete Fragen wie die Abgrenzung zur Rolle des Prüferrats in der Gesellschaft mit Prüferrat der dringenden Klärung. Vermeintliche Details der Ausgestaltung wie etwa die Zulässigkeit von „Geschäftsführer-Direktoren“ in der Gesellschaft mit Ausschüssen haben zur Folge, dass die Grenzen zwischen Leitung und Kontrolle und die Unterschiede zwischen den einzelnen Organisationsverfassungen verschwimmen. Von Bedeutung ist zudem, ob lediglich Anforderungen an die Ernennung externer oder – wie zunehmend – auch tatsächlich unabhängiger Direktoren gestellt werden. Da wirtschaftliche Beziehungen weiterhin nur vom Unabhängigkeitsbegriff erfasst werden, können externe Direktoren dazu dienen, alte Netzwerke aufrechtzuerhalten. Zudem wird eine beratende Funktion der „Outsider“ möglicherweise nur dann ernst genommen, wenn diese mit Druckmitteln der Überwachung untermauert wird. Eine effektive Überwachung setzt jedoch unabhängige und nicht nur externe Direktoren voraus. Durch die letzten Reformen und Veränderungen der Rahmenbedingungen ist die Corporate Governance der japanischen Unternehmen in Bewegung geraten. Der Gesetzgeber hat dabei zurecht Wahlmöglichkeiten und Optionen für die Unternehmen geschaffen, um die Erfolge der Reformen abzuwarten. Allerdings sind durch die zahlreichen Änderungen und AusgestaltungsmögSiehe oben D. II. Siehe oben Kapitel 3 – B. II. 421 Siehe oben Kapitel 4 – D. II. Fn. 237. 422 Siehe zu diesen oben D. II. Im Übrigen kann bei Offenlegung seit der Reform von allen Kriterien abgewichen werden, ohne dass eine Begründung erforderlich ist. 419 420

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

lichkeiten die Strukturen auch deutlich vielfältiger und komplexer geworden. Eine vertiefte Beschäftigung aller Beteiligten mit der Funktion externer wie unabhängiger Direktoren ist daher zwingend erforderlich. Die Rezeption des Instruments der Unabhängigkeit kann nur dann gelingen, wenn die Organisationsverfassungen und deren Ausgestaltung sowie die sonstigen Charakteristika der Unternehmen berücksichtigt werden.

F. Qualifikation F. Qualifikation

Externe bzw. unabhängige Direktoren können die ihnen zugedachte Funktion nur dann effektiv wahrnehmen, wenn sie – neben der bloßen Erfüllung der Anforderungen des Begriffs extern oder unabhängig – über die dafür notwendige Qualifikation verfügen. Unter diesen Begriff werden hier die fachliche Qualifikation des einzelnen Direktors und die Zusammensetzung der Direktoren innerhalb des Verwaltungsrats (I.), ihr professioneller Hintergrund (II.), aber auch die Versorgung mit Informationen (III.) gefasst. I.

Fachliche Qualifikation und Zusammensetzung

Anforderungen an die fachliche Qualifikation externer und auch unabhängiger Direktoren stellen weder das Gesetz, noch die Börsenregelungen auf.423 Auch der Kodex bleibt vage und fordert im Zusammenhang mit der Bestimmung der Unabhängigkeitsstandards nur die Auswahl von Personen, die zu einer offenen, aktiven und konstruktiven Diskussion im Verwaltungsrat beitragen. 424 Lediglich für den Prüferrat wird gefordert, dass mindestens eine Person über die nötigen Kenntnisse in Finanzwesen und Rechnungslegung verfügt.425 In den USA müssen demgegenüber alle Mitglieder des audit committee unabhängig und zudem financially literate sein. Einer der Direktoren muss darüber hinaus Rechnungslegungskenntnisse vorweisen (accounting or financial management expertise).426 In Deutschland fordert das Aktiengesetz für den Aufsichtsrat zumindest einen Finanzexperten.427 Neben der fachlichen Qualifikation der einzelnen Direktoren wirkt sich aber auch deren Zusammensetzung innerhalb des Verwaltungsrats darauf aus, ob sie insgesamt über die nötigen Kenntnisse verfügen. In der internationalen 423 Es gelten lediglich die allgemeinen Anforderungen an Direktoren nach Art. 331 Abs. 1 GesG. Siehe dazu I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 255 f. Nr. 653–655. 424 JCGC, Grundsatz 4.9. 425 JCGC, Grundsatz 4.11. 426 Siehe dazu J. D. COX / T. L. HAZEN, Corporations, Bd. 2, 29 f. 427 Dieser muss allerdings seit Kurzem nicht mehr unabhängig sein. Siehe oben Kapitel 1 – B. IV.2.c).

F. Qualifikation

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Debatte geht der Trend weg von einer bloßen Konzentration auf die Unabhängigkeit und hin zu einem angemessenen Ausgleich von Unabhängigkeit und Expertise im Board. 428 In Japan ist die Ausgangssituation jedoch eine andere, da vorrangiges Ziel gerade ist, die Verwaltungsräte unabhängiger zu gestalten und die Insider-Strukturen aufzubrechen. Anders als zum Beispiel der deutsche Kodex, welcher die Bestimmung einer „angemessenen Anzahl“ unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder gänzlich in die Hände des Aufsichtsrats legt, fordert der Kodex in Japan zum einen die Ernennung mindestens zweier unabhängiger Direktoren. Darüber hinaus sollen Unternehmen, die zu dem Schluss kommen, dass mindestens ein Drittel ihrer Direktoren unabhängig sein sollte, einen Fahrplan für deren Ernennung veröffentlichen.429 Allerdings wird die Forderung nach einer Mehrheit unabhängiger Direktoren des UK CGC gerade nicht übernommen. Vielmehr enthält der japanische Kodex eine dem britischen Vorbild weitgehend entsprechende Forderung nach einem angemessenen Ausgleich von Wissen, Erfahrung und Fähigkeiten sowie der Gewährleistung von Diversität und einer angemessenen Größe des Verwaltungsrats.430 II. Professioneller Hintergrund In Anbetracht der recht vagen Vorgaben lohnt ein Blick auf die Statistiken, um zu erfahren, wer in der Praxis in den Verwaltungsräten sitzt. Sie beziehen sich zwar noch auf die Zeit vor Inkrafttreten des Kodex, geben aber einen guten Überblick über den professionellen Hintergrund externer und unabhängiger Direktoren. In Deutschland enthält der Kodex demgegenüber erst seit Februar 2017 überhaupt die Anforderung, dass Anzahl und Namen der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder bekannt gemacht werden.431 In Japan sind externe Verwaltungsratsmitglieder bislang ganz überwiegend, jedoch mit leicht fallender Tendenz, Angestellte anderer Unternehmen. Der Anteil lag 2014 bei 74,4 % bei den Gesellschaften mit Prüferrat und 67,2 % bei den Gesellschaften mit Ausschüssen. Für unabhängige Direktoren lag der Wert bei 64,2 % bzw. 61,2 %.432 Im Jahr 2016 schließlich lag der Wert für unabhängige Direktoren über alle drei Organisationsformen hinweg bei 59,3 %.433 Der restliche Anteil verteilt sich in absteigender Reihenfolge auf Anwälte, Rechnungsprüfer, Wissenschaftlcher, „Sonstige“ und Steuerprüfer. 428 Siehe insbesondere zum Vereinigten Königreich oben unter Kapitel 1 – B. III.1.d) und zu Deutschland unter B. IV.2.e). 429 JCGC, Grundsatz 4.8. 430 JCGC, Grundsatz 4.11. 431 Siehe oben Kapitel 2 – B. IV.2.e). 432 TSE, White Paper 2015, 31–33 (Diagramme 46–49). 433 TSE, White Paper 2017, 90 (Diagramm 77). Das White Paper 2017 enthält insoweit zu externen Direktoren keine Angaben mehr.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

In der Gesellschaft mit Prüferrat waren im Jahr 2014 38,6 % der externen Direktoren und 26,4 % der unabhängigen Direktoren geschäftsführende Person in einem anderen Unternehmen. In der Gesellschaft mit Ausschüssen lagen die Werte bei 31 % bzw. 28,6 %. Ein erheblicher Anteil der Direktoren hatte zudem mehrere Positionen als externer bzw. unabhängiger Direktor inne. In der Gesellschaft mit Prüferrat gilt dies für 38 % der externen und 41,1 % der unabhängigen und in der Gesellschaft mit Ausschüssen für 57,1 % der externen und 59,2 % der unabhängigen Direktoren.434 Folglich sind die externen und unabhängigen Direktoren mehrheitlich Angestellte und zu etwa einem Drittel geschäftsführende Personen anderer Unternehmen. Dieser Umstand ist auf der einen Seite der vom Gesetzgeber intendierten Aufgabe der Bewertung der Leistung der Geschäftsführung im Rahmen des Monitoring, aber auch der Beratung zuträglich. Sie verfügen über Erfahrung mit der Geschäftsführung und Unternehmensabläufen und möglicherweise auch über die nötige Branchenkenntnis. Für das systematische Compliance-Monitoring sind rechtliche Detailkenntnisse oder Rechnungslegungskenntnisse zudem nicht zwingend erforderlich. Auf der anderen Seite scheinen jedoch zwei Aspekte problematisch. Zum einen schließt die Definition des externen Direktors nicht aus, dass auch Angestellte und geschäftsführende Personen wirtschaftlich eng verbundener Unternehmen sowie Aktionäre mit erheblichen Anteilen ernannt werden. Wie im vorangehenden Abschnitt angesprochen können externe Direktoren dadurch dazu genutzt werden, die alten Strukturen der nach außen abgeschlossenen Unternehmensgruppen zu verfestigen und eine unbefangene Überwachung zu verhindern. Soll dies verhindert werden, bleiben nur erhöhte Anforderungen an die Ernennung nicht nur externer, sondern auch unabhängiger Direktoren. Zum anderen ist an dieser Stelle die bereits erwähnte Kritik Egashiras erneut aufzugreifen. Er zweifelt zurecht ganz allgemein daran, dass geschäftsführende Personen oder Angestellte eines anderen Unternehmens die Managementstrukturen in anderen Unternehmen hinterfragen oder aufbrechen können oder überhaupt wollen, wenn sie im eigenen Unternehmen in eben diesen Strukturen verwurzelt sind. Insoweit sind nicht nur strukturelle Veränderungen, sondern vielmehr ein Umdenken aller Beteiligten und ein Wandel des Unternehmensverständnisses erforderlich.435 Das Problem wird dadurch besonders deutlich, dass trotz der genannten Defizite in den Unternehmen und teilweise der Wissenschaft gerade kritisiert wird, dass die Verbindung externer oder gar unabhängiger Direktoren zum betreffenden Unternehmen nicht eng genug sei. Die Direktoren seien deshalb nur von eingeschränktem 434 TSE, White Paper 2015, 33–36 (Diagramme 50–53). Das White Paper 2017 enthält keine nach den Parametern der letzten Untersuchung aufgeschlüsselten Angaben. 435 Siehe oben Kapitel 3 – C. II.1.

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Nutzen, weil sie als Outsider nicht über die nötigen Kenntnisse über das Unternehmen und gegebenenfalls auch nicht über die nötigen Branchenkenntnisse verfügten.436 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine systematische Kontrolle und Bewertung der Unternehmensstrategie sowie grundlegender Entscheidungen nicht auf detaillierte Unternehmenskenntnisse angewiesen ist. Die externen und unabhängigen Direktoren sollen nicht das Management ersetzen, sondern dessen Leistung aus Sicht einer schutzwürdigen Partei (des Prinzipals) bewerten. Gleichfalls erfordert das systematische ComplianceMonitoring in Form der Überwachung des internen Compliance-Systems keine vertieften Kenntnisse über alle Handlungen des Managements. Zuzustimmen ist der Kritik insoweit, als die Branchenkenntnis je nach Unternehmen für die Evaluation der Unternehmensstrategie eine wichtige Rolle spielt und bei der Zusammenstellung der externen und unabhängigen Direktoren berücksichtigt werden sollte. Auch insoweit ist auf die international erkennbare Abkehr von einer alleinigen Fokussierung der Unabhängigkeit zu verweisen. Sofern vertreten wird, dass in bestimmten Unternehmen und Branchen eine derart vertiefte Kenntnis erforderlich ist, dass Unternehmensexterne allgemein die Effektivität nicht steigern, sondern eher hindern,437 hält jedenfalls die gegenwärtige Ausgestaltung eine Lösung bereit. Sollte der Verwaltungsrat unter Berücksichtigung aller möglichen Funktionen und professionellen Hintergründe externer Direktoren zu dem begründeten Schluss kommen, dass ein negativer Einfluss auf die Effektivität des Verwaltungsrats zu erwarten ist, so kann er diese spezifischen Gründe im Rahmen der comply or explainRegelungen offenlegen und nach wie vor auf unabhängige und sogar externe Direktoren verzichten. III. Informationsversorgung Auch hinreichend qualifizierte Direktoren in einer optimalen Zusammensetzung können ihre Aufgabe nur dann sinnvoll wahrnehmen, wenn ihnen die nötige Informationsgrundlage für ihre Entscheidungen zur Verfügung steht. Als problematisch hat sich die Informationsversorgung insbesondere in den super-majority independent boards erwiesen, die in den USA weiterhin dominieren. In diesen verfügt der CEO als einziger Insider im Board über ein Informationsmonopol.438 Zu dieser Kritik siehe C.-C. LIN, Temple Int’l & Comp L J 24 (2010) 65, 107 m. w. N.; vgl. auch H. MIYAJIMA / R. OGAWA, Shōji Hōmu 1973 (2012) 81, 94 zum Trade Off zwischen Spezialwissen und fehlender Nähe zur Gesellschaft. 437 Siehe dazu S. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2040 (2014) 6, 13 f. (Wortbeitrag Mishima). 438 Zu agency conflict und Informationsasymmetrie allgemein siehe Kapitel 1 – A. II., zu den super-majority independent boards B. II.4. und zur Kritik an der fehlenden Informationsversorgung B. II.4.b). 436

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

Doch auch in Japan, wo die Boards weit entfernt von einer vergleichbaren Zusammensetzung sind, kann es zu Informationsdefiziten kommen. Dies gilt insbesondere, wenn bei Einrichtung eines executive board (jōmu-kai) wichtige Entscheidungen nicht in den Sitzungen des Verwaltungsrats, sondern vorab und ohne Berücksichtigung der externen und unabhängigen Direktoren getroffen werden.439 Nur dem Prüfungsausschuss und dem Kontrollausschuss kommen spezielle Informations- und Einsichtsrechte zu, welche denen des Prüferrats ähneln.440 Darüber hinaus erhalten externe und unabhängige Direktoren ihre Informationen im Wesentlichen über die Teilnahme an den Sitzungen des Verwaltungsrats441 und sind im Übrigen auf einen Austausch mit den Ausschüssen bzw. mit dem Prüferrat angewiesen. Im Kodex finden sich über die gesetzlichen Rechte und Pflichten hinausgehende Ausführungen dazu, wie eine hinreichende Versorgung mit Informationen gewährleistet werden kann. Unabhängige Direktoren – Gleiches dürfte aber auch für lediglich externe gelten – sollen sich untereinander austauschen und regelmäßig getrennt von den übrigen Direktoren treffen.442 Zudem sollen sie einen geeigneten Rahmen für eine Kommunikation mit dem Verwaltungsrat und den Prüfern bzw. dem Prüferrat sicherstellen, etwa durch Ernennung eines im Vereinigten Königreich bereits etablierten lead independent director als Ansprechpartner. 443 Der Verwaltungsrat hingegen wird zu einer freien, offenen und konstruktiven Diskussion angehalten, die ebenfalls dem Informationsfluss zugutekommt. 444 An einer Stelle wird explizit auf die Informationsversorgung der Direktoren und Prüfer eingegangen, allerdings nicht beschränkt auf die unabhängigen. Vielmehr sollen sich alle Direktoren und Prüfer aktiv um die Erlangung von Informationen bemühen und der Verwaltungsrat bzw. Prüferrat soll sicherstellen, dass verlangte Informationen zur Verfügung gestellt werden.445 Ergänzende Grundsätze führen dies weiter aus und regen das Heranziehen externer Experten auf Kosten des Unternehmens an, soweit dies erforderlich wird.446 Wie auch sonst bei der Funktionserfüllung hängt bei der Versorgung mit Informationen viel vom aktiven Verhalten der externen bzw. unabhängigen Direktoren ab. Zu berücksichtigen ist, dass die Direktoren, anders als die Prüfer, jedenfalls nicht zwingend über Angestellte verfügen, die sie in ihrer Arbeit unterstützen. Wie auch der Umstand, dass es keinen externen Direktor 439 Vgl. R. DORE, Insider Management, 370, 381 f. Zum executive board (jōmu-kai) siehe oben E. IV.1.c). 440 Siehe oben E. IV.2.b) und 3.b). 441 Vgl. E. TAKAHASHI, ZJapanR 35 (2013) 63, 72 f. 442 JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.8.1. 443 JCGC, Ergänzender Grundsatz 4.8.2. Siehe bereits oben C. III. 444 JCGC, Grundsatz 4.12. 445 JCGC, Grundsatz 4.13. 446 JCGC, Ergänzende Grundsätze 4.13.1 bis 4.13.3.

G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung

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in Vollzeit geben muss, lässt sich dies zwar mit dem Charakter des Monitoring als systematischer Kontrolle begründen. Ob externe und unabhängige Direktoren, die häufig mehrere dieser Positionen neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit innehaben, auch zu einer solchen Kontrolle ohne entsprechenden Unterbau imstande sind, scheint jedoch fraglich. So räumt auch der Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses ein, dass sich ohne eine Änderung des Systems der Unterstützung externer Direktoren kein wirklicher Wandel vollziehen wird. 447 Warum in diesem Bereich dann keine höheren gesetzlichen Anforderungen, etwa zu Sekretariat, Anspruch auf Mitarbeiter oder weitere Ressourcen geregelt sind, bleibt offen.

G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung

Was die Anreize für eine effektive Funktionserfüllung betrifft, so wird argumentiert, Insider in der traditionellen Corporate Governance-Struktur hätten eine höhere Motivation, ihrer Leitungs- und auch Überwachungsaufgabe nachzukommen, da sie selbst im Unternehmen aufgestiegen und fest an dieses gebunden sind. Sie hätten daher ein höchsteigenes Interesse am Unternehmenserfolg. 448 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass rechtswidriges Verhalten nicht nur aus Eigennutz geschehen kann, sondern wie in Japan häufig Verstöße etwa gegen Anforderungen an die Rechnungslegung auch „zugunsten“ der Gesellschaft erfolgen, dieser aber letztlich schaden.449 Was die Überwachung der Leistung der Geschäftsführung betrifft, so ist Kernelement des Unabhängigkeitsansatzes keinesfalls das Ersetzen einer engagierten und motivierten Geschäftsführung. Vielmehr ist es deren unabhängige Überwachung aus Sicht des Prinzipals als schutzwürdiger Partei des jeweiligen agency conflicts. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wie diese Direktoren, die in aller Regel einer Hauptbeschäftigung nachgehen, motiviert werden können, ihrer Funktion als externer oder unabhängiger Direktor effektiv nachzukommen. In Betracht kommen dabei insbesondere die Mittel der Vergütung und der Haftung. Hierbei handelt es sich um komplexe Fragen, die im Rahmen dieser Arbeit nur angerissen werden können, um die Problematik zu verdeutlichen. Fragen der Vergütung der Direktoren sind erst in jüngerer Zeit ins Zentrum der japanischen Diskussion gerückt.450 Die Vergütung wird für externe und unabhängige Direktoren genauso bestimmt wie für die übrigen DirektoS. IWAHARA u. a., Shōji Hōmu 2042 (2014) 4, 18 (Wortbeitrag Iwahara). Siehe oben Kapitel 3 – C. I. 449 Siehe bereits oben Kapitel 3 – D. I.1. 450 Auffällig ist die hohe Zahl an Veröffentlichungen zum Thema Vergütung etwa im Jahr 2015. Ein erheblicher Teil der Beiträge in den relevanten Zeitschriften bezog sich entweder auf die Reform des GesG, die Listing Rules, den Kodex oder die Vergütung der Direktoren. 447 448

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

ren: in der Gesellschaft mit Prüferrat und der Gesellschaft mit Kontrollausschuss durch die Hauptversammlung und in der Gesellschaft mit Ausschüssen durch den Vergütungsausschuss. In der Gesellschaft mit Kontrollausschuss besteht die Besonderheit, dass die Hauptversammlung getrennt über die Vergütung der Ausschussmitglieder entscheidet und nicht für alle Direktoren zusammen.451 Der Kodex enthält kaum Regelungen zur Vergütung und wenn, dann beziehen sich diese auf das Management.452 Ein wesentlicher Bestandteil des traditionellen Insider-Systems war ein auf Seniorität basierendes Vergütungssystem. In jüngerer Zeit gibt es zwar Anzeichen für eine Entwicklung hin zu einer leistungsorientierteren Vergütung. 453 Die Besonderheiten bei der Vergütung externer und unabhängiger Direktoren und die Frage, wie für diese ein angemessener positiver Anreiz gesetzt werden kann, haben jedoch bislang wenig Berücksichtigung gefunden. Was die Haftung betrifft, so bestehen für alle nicht geschäftsführenden – und damit auch alle externen und unabhängigen – Direktoren ebenso wie für Prüfer, Rechnungslegungsberater und Abschlussprüfer über die allgemeinen Regelungen hinaus zusätzliche Möglichkeiten der Haftungserleichterung. 454 Nach Art. 427 Abs. 1 GesG kann ihre Haftung bereits im Vorhinein vertraglich auf eine Mindesthaftsumme 455 oder einen in der Satzung genannten Betrag beschränkt werden, sofern diese Möglichkeit in der Satzung vorgesehen ist. Die Einbringung eines Antrags zur Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die Satzung durch die Direktoren bedarf der Zustimmung aller Prüfer bzw. aller Mitglieder des Prüfungsausschusses oder Kontrollausschusses. 456 Ist eine Haftungsbeschränkung in der Satzung vorgesehen, haben die Aktionäre im konkreten Einzelfall keine Möglichkeit, einer vertraglichen Regelung zu widersprechen. Die Regelung soll die Position eines externen Direktors attraktiver gestalten und es dadurch erleichtern, geeignete Kandidaten zu finden.457 Gleiches dürfte für die externen Prüfer gelten. Trotz kritischer Stimmen in der Literatur hat sich der Gesetzgeber auch für die Rechnungslegungsberater458 und für die Abschlussprüfer459 für diese Regelung entschieden.

Siehe oben Kapitel 3 – A. III.2.a) und b). JCGC, Grundsatz 4.2 und Ergänzender Grundsatz 4.2.1. 453 Siehe oben Kapitel 3 – C. II.2. 454 Zum allgemeinen Haftungsregime für Organmitglieder siehe oben Kapitel 3 – D. II.1.a). 455 Zur Mindesthaftsumme siehe oben Kapitel 3, Fn. 367 und begleitenden Text. 456 Art. 427 Abs. 3 GesG. 457 I. KAWAMOTO / Y. KAWAGUCHI / T. KIHIRA, Corporations, 277 Nr. 734; O. KIRCHWEHM, Reformen, 138. 458 Zur Kritik siehe O. KIRCHWEHM, Reformen, 198; V. MECKEL, Corporate Governance, 99 f. 459 Zur Kritik siehe O. KIRCHWEHM, Reformen, 200 m. w. N. 451 452

G. Anreizstrukturen: Vergütung und Haftung

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Die Veränderung der Anforderungen an externe Direktoren hat sich auch auf die genannte Vorschrift ausgewirkt, welche bislang nur für externe Direktoren eine Haftungserleichterung vorsah. Hätte man die Regelung unverändert gelassen, wäre für alle Direktoren, die bislang extern waren, aber die seit der jüngsten Reform geltenden Anforderungen nicht mehr erfüllen, die Mindesthaftsumme gestiegen und die Möglichkeit der vertraglichen Haftungsbegrenzung entfallen. Dies sah man aufgrund des Umstandes, dass nicht nur die externen und unabhängigen, sondern alle nicht geschäftsführenden Direktoren die Aufsicht (kantoku) über die Geschäftsführung zur Aufgabe haben, als unangemessen an. Deshalb wurden die Vorschriften zur Haftungserleichterung angepasst und gelten nunmehr wie dargestellt für alle nicht geschäftsführenden Direktoren.460 Diese Begründung kann insofern nicht überzeugen, als sich die Funktionsbeschreibung des Verwaltungsrats durch die Reform nicht geändert hat. Man hat also vielmehr die Gelegenheit genutzt, die Haftungsstandards insgesamt abzusenken und die Folgen der Verschärfung der Anforderungen an Externe für diejenigen Direktoren abzumildern, welche die Anforderungen nicht mehr erfüllen. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund bedenklich, dass rechtsvergleichende empirische Untersuchungen vor den letzten Reformen gezeigt haben, dass externe Direktoren einem äußerst geringen Haftungsrisiko ausgesetzt sind. 461 Die niedrige Mindesthaftsumme eines zweifachen Jahresgehalts 462 und die Möglichkeit der vertraglichen Haftungsbeschränkung ohne Widerspruchsrecht der Aktionäre dürften ein passives Verhalten externer und unabhängiger Direktoren begünstigen.463 Durch die Zunahme der Zahl externer wie unabhängiger Direktoren wird die Frage nach der Anreizregulierung wohl zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bislang jedoch war eine aktive Überwachung durch Externe nicht Bestandteil der japanischen Corporate Governance. Möchte man die überkommenen Strukturen aufbrechen, ist eine Diskussion um den angemessenen Ausgleich von positiven Anreizen und Abschreckung daher zwingend erforderlich. 460 S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 116 zur Mindesthaftsumme und 117 f. zur vertraglichen Haftungsbegrenzung. Entsprechendes gilt für die externen Prüfer. Vgl. auch M. MAEDA, Jurisuto 1472 (2014) 18, 22. Daraus folgt, dass der Vertrag zur Haftungsbegrenzung seine Wirksamkeit nicht verliert, wenn die betreffende Person gleichzeitig geschäftsführender Direktor einer Tochtergesellschaft wird, da sie damit zwar die Anforderung an einen externen Direktor nicht mehr erfüllt, jedoch weiterhin nicht geschäftsführender Direktor der betreffenden Gesellschaft bleibt, S. SAKAMOTO (Hrsg.), Kaisei Kaisha-hō, 119. Siehe ibid., 121 und 122 zu den Übergangsregelungen für die Haftungsbegrenzung. 461 B. BLACK / B. CHEFFINS / M. KLAUSNER, Liability Risk, 343 ff. Siehe dazu H. KANDA, ZJapanR 17 (2004) 29, 36. 462 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeiten in aller Regel als Nebentätigkeit ausgeübt werden, also nicht die einzige und im Normalfall eine vergleichsweise geringe Einnahmequelle darstellen, O. KIRCHWEHM, Reformen, 147. 463 Vgl. O. KIRCHWEHM, Reformen, 147.

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4. Kapitel – Der unabhängige Direktor: Ausgestaltung

H. Zusammenfassung H. Zusammenfassung

Die empirischen Untersuchungen zu Auswirkungen externer Direktoren im Verwaltungsrat sind noch spärlich, solche zu unabhängigen Direktoren schlicht nicht vorhanden. Allerdings deuten die bisherigen Analysen, verglichen mit internationalen Studien, auf positive Effekte externer Direktoren zumindest für einen erheblichen Teil der Gesellschaften hin. Diese Studien haben zumindest zum Teil auch bei der Reform des GesG Berücksichtigung gefunden. Für deren Ausgang spielten weniger der Regierungswechsel von der DPJ zur LDP als vielmehr der Widerstand der Wirtschaft, die Eigenheiten des Entscheidungsprozesses im Gesetzgebungsrat und das Betreiben einzelner Politiker der LDP eine Rolle. Insbesondere der Kodex ist hingegen Folge der mit Nachdruck vorangetriebenen Corporate Governance-Reformen im Rahmen des von Premierminister Abe ausgerufenen Programms der „Abenomics“. Der japanische Gesetzgeber ist sichtlich bemüht, die Corporate Governance japanischer Unternehmen zu verändern und die letzten Reformen haben zu zahlreichen, umfangreichen Änderungen geführt. Die rechtstechnische Umsetzung des Unabhängigkeitsansatzes erfolgte dabei auf drei Regelungsebenen. Im Zusammenspiel mit der Wahlmöglichkeit zwischen drei Organisationsverfassungen und zwingenden wie nicht zwingenden Regelungen ergibt sich ein komplexes System, welches in seinen Einzelheiten nur schwer zu erfassen ist. Dazu trägt auch der Dualismus von externen und unabhängigen Direktoren und in der traditionellen Organisationsform der Gesellschaft mit Prüferrat zusätzlich der externen oder unabhängigen Prüfern bei. Zwar sollten die Folgen der zahlreichen Reformen zunächst abgewartet und keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Die bisherige Ausgestaltung bietet aber dennoch bereits jetzt Anlass zur Kritik. Die steigende Zahl externer wie unabhängiger Direktoren und der Gesellschaften, welche die Form der Gesellschaft mit Kontrollausschuss angenommen haben, wird ebenso wie die Verschärfung der Anforderungen an externe Direktoren gerne öffentlichkeitswirksam herausgestellt. Dass die Anforderungen an externe, aber auch unabhängige Direktoren gleichzeitig an anderer Stelle auch abgesenkt und die Möglichkeiten der Haftungsbefreiung ausgedehnt wurden, ist hingegen weit weniger bekannt. Zugleich blieben Regelungen wie die Zulässigkeit der „Geschäftsführer-Direktoren“ unangetastet und sorgen dafür, dass die Grenzen zwischen Leitung und Kontrolle weiter verschwimmen. Vor allem aber ist die Frage, welche Funktion externe und unabhängige Direktoren in Abhängigkeit von der gewählten Organisationsverfassung, deren Ausgestaltung und den sonstigen Charakteristika der Gesellschaft spielen sollen, bislang zu kurz gekommen. Die Diskussion um eine verpflichtende Einführung externer Kontrolle stand im Vordergrund, während über die konkrete Umsetzung bislang zu wenig gesprochen wurde. Externe und unab-

H. Zusammenfassung

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hängige Direktoren erfüllen nicht allein aufgrund ihrer Einsetzung eine effektive Überwachungsfunktion hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Geschäftsführung. In der Praxis stößt diese bislang vielmehr auf Widerstände der Unternehmen, welche die Direktoren eher als Berater sehen, die bei Bedarf herangezogen werden. Externe, nicht unabhängige Direktoren können sogar dazu genutzt werden, die eigentlich in Auflösung befindlichen Strukturen der verflochtenen Unternehmensgruppen zu zementieren.

Schlussbetrachtungen Schlussbetrachtungen

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Untersuchung der Frage, wie sich der unabhängige Direktor in die japanische Corporate Governance einfügt, hat zu folgenden Ergebnissen geführt: Hinter dem Begriff des unabhängigen Direktors verbirgt sich ein vielgestaltiges Instrument der Corporate Governance, dessen Untersuchung und Bewertung im länderspezifischen Kontext eines strukturierten rechtsvergleichenden Rahmens bedarf. 1. Den unabhängigen Direktor gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um ein vielgestaltiges Instrument der Corporate Governance, das seinen Ursprung in den USA findet und als legal transplant weltweit rezipiert und adaptiert wurde. 2. Er lässt sich als Mittel zur Lösung eines Problems verstehen, dessen konkrete Form mit den jeweiligen Rahmenbedingungen variiert (sog. path dependence). Im Kern steht hinter dem Unabhängigkeitsansatz das Ziel, ein Überwachungsdefizit auszugleichen, das letztlich auf die Trennung von Eigentum und Management-Funktion in der Aktiengesellschaft zurückgeht. 3. Aus der vergleichenden Analyse der Entstehung des independent director in den USA und seiner Rezeption im Vereinigten Königreich und Deutschland lässt sich ein analytisches Konzept ableiten, das eine strukturierte Untersuchung der Entwicklungen in Japan ermöglicht und hilft, diese in einen globalen Kontext einzuordnen und zu bewerten. Das Konzept besteht aus den strukturellen Faktoren des länderspezifischen Umfelds auf der einen und den verschiedenen Elementen der Ausgestaltung des Unabhängigkeitsinstruments auf der anderen Seite. Das japanische Gesellschaftsrecht ist durch eine Rezeption ausländischen Rechts auf Grundlage umfangreicher rechtsvergleichender Untersuchungen gekennzeichnet. In jüngerer Zeit steht die Stärkung der Unternehmensleistung durch einen zunehmenden Einsatz externer, vermehrt aber auch unabhängiger Direktoren im Fokus der Reformen.

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Schlussbetrachtungen

4. Die Überwachung der Geschäftsführung war schon früh Gegenstand von Reformen des japanischen Gesellschaftsrechts und Kernfragen der modernen Corporate Governance-Debatte sind auch für Japan keinesfalls Neuland. 5. Entstehung und Entwicklung des modernen japanischen Gesellschaftsrechts sind ein Paradebeispiel für das Phänomen des legal transplant. Ausländisches Recht wurde jedoch mitnichten einfach kopiert. Vielmehr wurde es auf Grundlage umfangreicher rechtsvergleichender Untersuchungen rezipiert und an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Mittlerweile besteht eine „institutionelle Gemengelage“, in der die ursprünglichen Strukturen des adaptierten deutschen Handelsgesetzes von Elementen US-amerikanischen Rechts und zunehmend auch Regulierungsansätzen aus dem Vereinigten Königreich überlagert werden. 6. Die jüngste, im Juni 2015 in Kraft getretene Reform des Gesellschaftsgesetzes schuf zusätzlich zu den beiden bisherigen eine dritte alternative Organisationsverfassung für Aktiengesellschaften. Sie brachte zudem Änderungen hinsichtlich der Ernennung und Anforderung an externe, nicht aber unabhängige Direktoren mit sich. Die Reformbemühungen der letzten Jahre gehen jedoch über die Änderungen des Gesellschaftsgesetzes hinaus. Die japanische Regierung versucht seit dem Jahr 2014 mit einem umfassenden, unter dem Schlagwort „Abenomics“ bekannten Wirtschaftsprogramm die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben. Teil dieses Programms ist eine weitere Stärkung der Corporate Governance. Der Fokus liegt auf der Steigerung der Unternehmensleistung, während Compliance-Fragen nur eine untergeordnete Rolle spielen. 7. Die Unternehmensüberwachung soll an zwei miteinander im Zusammenhang stehenden „Fronten“ gestärkt werden. Zum einen bringt der Stewardship Code zum Ausdruck, dass den Aktionären in Zukunft eine aktivere Rolle zukommen soll. Zum anderen werden die Anforderungen an die Ernennung externer Direktoren auf Gesetzesebene nunmehr durch Anforderungen an die Besetzung der Verwaltungsräte mit unabhängigen Direktoren auf Ebene der Listing Rules der Börse sowie eines zeitgleich mit dem reformierten Gesetz in Kraft getretenen Corporate Governance Kodex ergänzt. Die strukturellen Rahmenbedingungen für eine Rezeption des Unabhängigkeitsinstruments in Japan haben sich in den letzten Jahren in erheblichem Umfang geändert. Ein tatsächlicher Wandel der Corporate Governance setzt jedoch auch einen Wandel des Unternehmensverständnisses voraus, das bislang nur erste Anzeichen für Veränderungen zeigt. 8. Seit der Reform 2001/2002 hatten japanische Aktiengesellschaften die Wahl zwischen der „traditionellen“ Organisationsverfassung der „Gesellschaft mit Prüferrat“ sowie einer Ausgestaltung als „Gesellschaft mit

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Ausschüssen“. Erstere wurde ursprünglich stark vom deutschen Recht beeinflusst, letztere basiert zumindest der Form nach auf dem USamerikanischen Monitoring-Modell und ist klar monistisch strukturiert. Im Gegensatz zur bis dahin einzigen Organisationsform setzt sie auf mehrheitlich extern, wenn auch nicht zwingend unabhängig besetzte Ausschüsse. Mit der jüngsten Reform des Gesellschaftsrechts ist eine dritte, „hybride“ Organisationsverfassung hinzugekommen, die nur einen mehrheitlich extern besetzten Ausschuss erfordert und sich je nach Ausgestaltung einem der beiden anderen Modelle annähert. 9. Bislang waren die Beteiligungsverhältnisse japanischer Aktiengesellschaften durch stabile wechselseitige Beteiligungen sowie Unternehmensgruppen (keiretsu) gekennzeichnet, bei denen kooperierende Unternehmen gegenseitig Anteile aneinander hielten, welche die Kontrollmehrheit ausmachten. Die wechselseitigen Beteiligungen sowie die den keiretsu zugrundeliegenden Überkreuzverflechtungen und der Einfluss der Banken sind jedoch in den letzten Jahren jedenfalls bei den großen Unternehmen deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Anteil ausländischer, insbesondere institutioneller Investoren, die ihre Interessen im Verwaltungsrat vertreten wissen wollen, stark gestiegen. 10. Die wechselseitigen Beteiligungen und Überkreuzverflechtungen waren Grundlage für das vor äußerem Einfluss abgeschottete System der „japanischen Unternehmung“. Dieses sicherte den Verwaltungsräten als Insidern den Machterhalt und war durch eine Priorisierung der Interessen der übrigen Stakeholder vor den Aktionärsinteressen gekennzeichnet. Die gewandelten Aktionärsstrukturen haben jedoch vor dem Hintergrund der umfangreichen Reformen und des erheblichen wirtschaftlichen Drucks das Potential, auf das Unternehmensverständnis durchzuschlagen. Ein Umdenken unter den verschiedenen Stakeholdern ist elementare Voraussetzung für die effektive Implementierung externer und unabhängiger Direktoren und einen Wandel der Corporate Governance. Bislang zeigen sich jedoch nur erste Anzeichen für eine aktivere Rolle der Aktionäre und ein Aufbrechen des Systems. 11. Die traditionellen, mit der Funktion unabhängiger Direktoren konkurrierenden (Überwachungs-) Instrumente der japanischen Corporate Governance sind defizitär. Der beispiellose wirtschaftliche Aufschwung bis zum Einbruch der Wirtschaft zu Beginn der 90er Jahre legt nahe, dass sie im Zusammenspiel mit gesetzlich nicht vorgesehenen Mechanismen effektiv gewirkt haben, dies aber im heutigen Umfeld nicht mehr tun. Dadurch wird Raum geschaffen für eine an die japanischen Bedürfnisse angepasste Implementierung des unabhängigen Direktors. Mit den Reformen der letzten Jahre hat der japanische Gesetzgeber in erheblichem Umfang auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und die

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Schlussbetrachtungen

Rezeption und Ausgestaltung des Unabhängigkeitsinstruments vorangetrieben. Dabei ist die Corporate Governance der Aktiengesellschaften vielfältiger, aber auch deutlich komplexer geworden und die Frage, welche konkrete Funktion externe und unabhängige Direktoren erfüllen sollen, ist bislang zu kurz gekommen. 12. Die empirischen Untersuchungen zu Auswirkungen externer Direktoren im japanischen Verwaltungsrat sind noch spärlich, solche zu unabhängigen Direktoren schlicht nicht vorhanden. Allerdings deuten die bisherigen Analysen, verglichen mit internationalen Studien, auf positive Effekte externer Direktoren zumindest für einen erheblichen Teil der Gesellschaften hin. 13. Bei der Erarbeitung der jüngsten Reform des Gesellschaftsgesetzes haben die wenigen bislang vorliegenden empirischen Arbeiten jedenfalls zum Teil Berücksichtigung gefunden. Angestoßen wurde sie durch die Berichte zweier Arbeitsgruppen zur Stärkung der japanischen Wirtschaft. Für das Zustandekommen des Gesetzes in der letztlich verabschiedeten Form spielten vor allem der Widerstand der Wirtschaft, die Eigenheiten des Entscheidungsprozesses im Gesetzgebungsrat und das Betreiben einzelner Politiker der LDP eine Rolle. Insbesondere der Kodex ist hingegen Folge der mit Nachdruck vorangetriebenen Corporate GovernanceReformen im Rahmen des von Premierminister Abe ausgerufenen Programms der „Abenomics“. 14. Die rechtstechnische Umsetzung des Instruments der Unabhängigkeit erfolgte auf drei Regelungsebenen. Im Zusammenspiel mit der Wahlmöglichkeit zwischen drei Organisationsverfassungen, einer Unterscheidung von externen und unabhängigen Direktoren, externen und unabhängigen Prüfern und zudem nicht zwingenden wie auch zwingenden Regelungen, von denen teilweise im Detail abgewichen werden kann, ergibt sich ein komplexes System, das in seinen Einzelheiten nur schwer zu erfassen ist. 15. Die steigende Zahl externer wie unabhängiger Direktoren und der Gesellschaften, welche die neue Form der „Gesellschaft mit Kontrollausschuss“ angenommen haben, wird gerne öffentlichkeitswirksam herausgestellt. Gleichzeitig wurden jedoch die Anforderungen an externe Direktoren nicht nur an einem Ende verschärft, sondern sowohl diese als auch diejenigen an unabhängige Direktoren in gewissem Umfang abgesenkt. Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten der Haftungsbefreiung auf alle nicht geschäftsführenden Direktoren ausgedehnt. Regelungen wie die Zulässigkeit der „Geschäftsführer-Direktoren“ blieben zudem unangetastet und sorgen dafür, dass die Grenzen zwischen Leitung und Kontrolle weiterhin verschwimmen. 16. Die Frage, welche Funktion externe und unabhängige Direktoren in Abhängigkeit von der gewählten Organisationsverfassung, deren Ausgestal-

B. Ausblick

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tung und den sonstigen Charakteristika der Gesellschaft spielen sollen, und welche Qualifikation und Anreizsetzung dafür erforderlich ist, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Die Diskussion um eine verpflichtende Einführung zumindest externer Kontrolle stand im Vordergrund, während über die konkrete Umsetzung bislang zu wenig gesprochen wurde. Externe und unabhängige Direktoren erfüllen nicht allein aufgrund ihrer Einsetzung eine effektive Überwachungsfunktion hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Geschäftsführung. In der Praxis stößt eine zunehmend unabhängige Überwachung bislang vielmehr auf Widerstände der Unternehmen, welche die Direktoren wenn dann als Berater sehen, die auch nur bei Bedarf herangezogen werden. Externe, nicht unabhängige Direktoren können sogar dazu herangezogen werden, die eigentlich in Auflösung befindlichen Strukturen der verflochtenen Unternehmensgruppen zu zementieren.

B. Ausblick B. Ausblick

Die Corporate Governance japanischer Unternehmen ist sichtlich in Bewegung geraten, vielfältiger und komplexer geworden. Der Gesetzgeber hat für die Unternehmen zahlreiche Wahlmöglichkeiten, aber auch Anforderungen geschaffen. Diese bauen einen nicht unerheblichen Druck in Richtung Ernennung externer wie unabhängiger Direktoren auf, die auch von der stark gestiegenen Zahl ausländischer Investoren mit Nachdruck gefordert wird. Zwar steht das traditionelle Unternehmensverständnis der „japanischen Unternehmung“ jedem externen Einfluss im Verwaltungsrat entgegen, die Entwicklung hin zu unabhängigeren Verwaltungsräten scheint jedoch mittlerweile unumkehrbar. Der Fokus der Diskussion sollte sich daher weg von der Frage des „Ob“ der Rezeption des independent director hin zur Frage des „Wie“ verlagern. Die Ausgestaltung des Modells darf dabei nicht bei Diskussionen um die Zahl der Direktoren, die Einführung von Ausschüssen oder die Definition der Unabhängigkeit stehenbleiben. Vielmehr haben diese Aspekte und ein regelrechte Flut an möglichen Strukturen, Regelungen und Veränderungen den Blick auf entscheidende Fragen verstellt. Ein tatsächlicher Wandel kann nur erfolgen, wenn sich die Beteiligten darüber im Klaren sind, was von externen bzw. unabhängigen Direktoren erwartet werden kann, welche Funktion sie wahrnehmen sollen und welche Anforderungen sie und das Unternehmensumfeld dafür erfüllen müssen. Wie schon zu Beginn dieser Arbeit deutlich geworden ist, betreffen die Probleme bei der Ausgestaltung des Instruments keinesfalls nur den japanischen Kontext. So sollten sich auch andere Länder, die das Merkmal der Unabhängigkeit in ihren Aktiengesellschaften verankern wollen oder bereits verankert haben, Klarheit hinsichtlich des mit der Einführung verfolgten Ziels

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Schlussbetrachtungen

sowie der in dieser Arbeit aufgezeigten Rahmenbedingungen und Ausgestaltungsoptionen verschaffen. Das hierzu entwickelte analytische Konzept kann dabei eine Hilfestellung sein. Auch für Deutschland gilt, dass die Figur des unabhängigen Direktors als „globaler Standard“ nicht unüberlegt in das dualistische System gepresst werden sollte. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der bei einer Vielzahl an Unternehmen durch kontrollierende Aktionäre gekennzeichneten Beteiligungsstrukturen. Gleichzeitig darf der Bedarf an Aufsichtsratsmitgliedern, die weitergehende Unabhängigkeitsanforderungen erfüllen, aber auch nicht einfach verworfen, sondern muss auf Grundlage einer Untersuchung der Rahmenbedingungen bestimmt und konkretisiert werden. Wiederholt wurde nicht zuletzt vom Gesetzgeber geäußert, dass sich aufgrund der funktionalen und personellen Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat die Frage unabhängiger Direktoren in Deutschland bereits gar nicht stelle. Diese Einlassungen zeugen davon, dass eine von seinem US-amerikanischem Ursprung losgelöste Auseinandersetzung mit dem Unabhängigkeitsansatz noch nicht in hinreichendem Umfang stattgefunden hat. Für den japanischen Gesetzgeber sind die Arbeiten an einer Stärkung der Corporate Governance und dem Instrument des unabhängigen Direktors jedenfalls noch nicht abgeschlossen. Eine Nebenbestimmung des reformierten Gesellschaftsgesetzes sieht vor, dass zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten eine erneute Untersuchung zum System der Leitung und Kontrolle angestellt wird. Darüber hinaus wurde bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes sowie der Verankerung des Kodex in den Börsenregelungen im Juni 2015 ein neuer Expertenrat eingesetzt: der „Council of Experts Concerning the Follow-up of Japan’s Stewardship Code and Japan’s Corporate Governance Code“. Dieser traf sich bis zum Ende des Jahres 2016 bereits zehnmal, um das weitere Vorgehen im Bereich Corporate Governance zu erörtern.1 Auf der ersten Sitzung am 24. September 2015 äußerte ein Vertreter der FSA: „We consider that the establishment of these Codes was just a starting point of our efforts.“2

Siehe zum Expertenrat . Protokoll der ersten Sitzung, S. 1, abrufbar unter . 1 2

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Verzeichnis japanischer Regelwerke Verzeichnis japanischer Regelwerke Durchführungsverordnung zum Gesellschaftsgesetz (DurchführungsVO GesG) Finanzprodukte- und Börsengesetz (FBG) Gesellschaftsgesetz (GesG) Gesetz zur Erneuerung eines Teils des Gesellschaftsgesetzes Japan’s Corporate Governance Code. Seeking Sustainable Corporate Growth and Increased Corporate Value over the Mid- to Long-Term (JCGC) Japan’s Corporate Governance Code [Exposure Draft] (JCGC Exposure Draft) Japan’s Corporate Governance Code [Final Proposal] (JCGC Final Proposal) Japan’s Stewardship Code RechnungslegungsVO TSE Enforcement Rules for Securities Listing Regulations (as of 3 June 2016) (TSE Enforcement Rules) TSE Securities Listing Regulations (as of 4 November 2016) (TSE Listing Rules) Wirtschaftsprüfergesetz Zivilgesetz (ZG)

Kaisha-hō shikō kisoku, Verordnung des Justizministeriums Nr. 11/2006 i. d. F. der Verordnung Nr. 1/2016 Kin’yū shōhin torihiki-hō, Gesetz Nr. 25/1948, neu gefasst durch Gesetz Nr. 65/2006 i. d. F. des Gesetzes Nr. 63/2015 Kaisha-hō, Gesetz Nr. 86/2005, i. d. F. des Gesetzes Nr. 90/2014 Kaisha-hō no ichibu o kaisei suru hōritsu, Gesetz Nr. 90/2014, bekannt gemacht im Kanpō [Amtsblatt], 27. Juni 2014, Nr. 144 abrufbar unter (Provisional Translation)

abrufbar unter (Provisional Translation) abrufbar unter (Provisional Translation) abrufbar in einer im Mai 2017 überarbeiteten zweiten Version unter Kaisha keisan kisoku, Verordnung des Justizministeriums Nr. 13/2006 i. d. F. der Verordnung Nr. 1/2016 abrufbar unter (Provisional Reference Translation) abrufbar unter (Provisional Reference Translation) Kōnin kaikei-shi-hō, Gesetz Nr. 103/1948 i. d. F. des Gesetzes Nr. 91/2014 Minpō, Gesetz Nr. 89/1996 und 91/1998 i. d. F. des Gesetzes Nr. 27/2016

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis Sachverzeichnis Abe, Naohito 185 Abenomics 1 f., 92, 101, 196, 228 Abschlussprüfer 80, 91, 115 f., 155–158 Abwehrmaßnahmen 131, 135 f., 174–176 Adam Smith 7 f. agency conflict siehe Prinzipal-AgentenKonflikt Aktiengesellschaft – Entstehung 5–7 – Grundkonflikte 7–10, 77 – Japan – Entstehung 76 f., 100 – Geschäftsführung/Überwachung 104–108 – Normen 103 f. – Organe 109–115 – Organisationsverfassungen 104–108, 198–203, 208–215 – separation of ownership and control 9 f., 31 f., 77 – Trennung von Board und ManagementFunktion 10–12, 80 Aktiengesetz 42–49 Aktionärsklage 82, 165–167 Aktionärsstruktur 29, 69 – Deutschland 55–57 – Japan 117–123 – UK 36, 40 f. – USA 14, 29 f. Aktionsplan (EU-Komm.) 50 f. Altes Handelsgesetz 76 f. amakudari 177 American Law Institute 15 Anfechtungsklage 165 Anleger-Ombudsmann 167, 169 Anreizstrukturen 72 f., 267–269 antei kabunushi siehe kooperierende Aktionäre ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 65

Arbeitnehmermitbestimmung 45, 48, 61 f., 191 Asian Corporate Governance Association 192 audit committee siehe Prüfungsausschuss Aufsicht siehe kantoku Aufsichtsrat – dualistische Struktur 42, 44, 48–50 – Entstehung 43–45 – Organisation/Aufgabenteilung 47 f. – Professionalisierung 62 f. – unabhängige Mitglieder 49–63 Auftragsverhältnis 111, 114, 142 Ausschüsse (Japan) – Kontrollausschuss 107, 203, 253–258 – Nominierungsausschuss 106, 203, 250 f. – Prüfungsausschuss 106, 203, 248–250 – Vergütungsausschuss 106, 203, 250 f. Bachmann, Gregor 66 f. Bainbridge, Stephen M. 31 f. bedeutender Aktionär (Japan) 225–227 Beratungsfunktion 72 – Japan 117, 149, 236, 238 f., 258–260 – UK 33 f., 38 – USA 11, 15 Berle, Adolf A. 9, 19, 30 Besatzungsmacht 78, 84, 113–120 Börsenzulassungsregelungen der TSE 85 f., 96 f., 203 f., 223–226, 236 f. Buchanan, John 149 Bulldog Sauce-Fall 176 business judgment rule – Deutschland 65 – Japan 163 f., 168 Cadbury Report 33, 50 Chai, Dominic H. 149

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Sachverzeichnis

Civil Law-Tradition 41 f., 67 Clark, Robert Charles 15 collective action problem 10 Combined Code 34 Common Law-Tradition 32, 41 f. Companies Act – UK 35 – USA 6, 8 compensation committee siehe Vergütungsausschuss Compliance siehe Überwachung comply or explain – Deutschland 50, 52 – Japan 189, 193–195 – Gesellschaftsgesetz 90 f., 198–202 – Kodex 95 f., 205–207 – UK 35, 38, 40 conflict of interest transaction 17, 28, 72 – Japan 137, 236 f., 240 – Kontrollausschuss 164, 256–258 Cooling-Off 146, 148, 156, 177, 220 f. Corporate Governance – Begriff 1, 42, 130 – Systeme/Grundkonflikte 9 f., 16, 29– 31, 36, 41 f., 56 f., 81 Corporate Governance Principles 15 f., 20 Corporate Governance-Bericht 204, 206, 226 corporate social responsibility 13 f. corporate value 126 cross-shareholding siehe Überkreuzverflechtung Daiwa Bank-Fall 151, 166 datō-sei 137 f. Davies, Paul L. 39, 41 Deakin, Simon 149 Deal Decade 16 Delaware Supreme Court 16 f. Demokratische Partei Japans 191 derivative action siehe Aktionärsklage Deutschland-AG 56 f., 72, 120 director primacy 31 Dodd-Frank Act 23 Doppelrolle/-funktion – Kodex 52 – Main Bank 170 f. – Verwaltungsrat 104 f., 116, 140, 198, 233 f., 242

Douglas, William O. 11 dualistische Struktur siehe Aufsichtsrat Egashira, Kenjirō 129, 150, 164, 194, 211, 237, 238 f. Eisenberg, Melvin 14, 18, 20, 49 Empfehlung (EU-Kommission) 50 f., 53, 59 empirische Untersuchungen – Japan 181–190 – UK 39 – USA 24 f. enlightened shareholder value 55, 132 Enron 3, 21, 35, 208 Entscheidung über die Führung der Geschäfte 104 f., 217, 230–233 Entsprechenserklärung 46, 52 executive board siehe jōmu-kai externer Direktor – Begriff 12 f. – Gesellschaftsgesetz 198–203, 218–223 Feststellungsklage 165 Financial Services Agency 86, 92, 94, 192 Finanzberichterstattung – Japan 110, 114, 115, 152–155, 240 – USA 21 f. Finanzkrise 23 f., 26, 37, 72, 192 Finanzprodukte- und Börsengesetz 103, 163 Fogel, Eric M. 28 f. Fremdkontrolle 42, 69 Führung der Geschäfte 104 f., 217, 230– 233 Funktion unabhängiger Direktoren 71 f. – Deutschland 57–60 – Japan 228–262 – Gesetzgeber 235–237 – Wissenschaft/Praxis 237–241 – UK 33 f., 38–40 – USA 16 f., 19 f., 27, 31 Geier, Andrew M. 28 f. general incorporation 6 f. Geschäftsbericht 198–202 geschäftsführende Person 82, 141 f., 230, 224–226, 264 Geschäftsführer 106, 141 f., 217, 231

Sachverzeichnis Geschäftsführung siehe Führung der Geschäfte Gesellschaft mit Ausschüssen 83, 202 f. – Bedeutung 208–211 – Geschäftsführung/Überwachung 231– 235, 245–251 – Grundstruktur 106 Gesellschaft mit Kontrollausschuss 89, 202 f. – Bedeutung 208–211 – Geschäftsführung/Überwachung 231– 235, 251–258 – Grundstruktur 106 f. Gesellschaft mit Prüferrat 83, 198–202 – Bedeutung 208–211 – Geschäftsführung/Überwachung 231– 235, 242–245 – Grundstruktur 104 f. Gesellschaftsgesetz 103 f., 235 f. – Anforderungen an externe Direktoren 198–203 – Entstehung 76, 84 f. – Unabhängigkeitsbegriff 218–223 Gesetzgebungsrat 87, 90 f., 92, 96 f., 191 f., 194–196 – Unterausschuss 87, 90, 191 f., 194 f. Gilson, Ronald J. 28–30 globale Standards 98–100, 226 Gordon, Jeffrey N. 29 f. Government Pension Investment Fund 128 f. greenmail artists 118 Großaktionär 9, 13 – Deutschland 56–58 – Japan 122, 159, 209 Grünbuch (EU-Kommission) 51 Haftung 72 f. – Deutschland 64–66 – Japan 79, 82, 85, 111, 114, 151, 154 f. – Durchsetzung 164–167 – als Kontrollfaktor 168–170 – der Organmitglieder 161–164 – unabhängiger Direktoren 267–269 – USA 17, 19, 23, 28 Handelsgesetz 76 f., 80 Hauptversammlung – Deutschland 44 f. – Japan 77, 158–160

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Higgs Report 39 Hōsei Shingi-kai siehe Gesetzgebungsrat hybride Modelle 209 hybride Organisationsverfassung 104, 198, 210, 233 Independent Director/Auditor Notification 204, 206, 226 Informationsasymmetrie 10, 18, 25 f., 171, 265–267 inin siehe Auftragsverhältnis Insider-System/Outsider-System 9, 56, 124–127 institutionelle Investoren 69 – Deutschland 57 – Japan 84, 86 f., 101, 122 f., 132 f., 137, 193 – UK 36, 40 f. – USA 16, 18, 29 f. Interessenkonflikt siehe PrinzipalAgenten-Konflikt interne/externe Anleger 118–120, 122 internes Compliance-System 150–152, 162 iron triangle 176 f. Iwahara, Shinsaku 133 f. Jahres-Aktienbericht 198 Japan Association of Corporate Directors 238–241 Japan Exchange Group 92 f. Japan Revitalization Strategy 1, 92–94, 129 f., 132, 195 Japan’s Corporate Governance Code siehe Kodex Japanese Corporate Governance Forum 84 japanische Unternehmung 125–127, 132 f., 136, 160 joint stock company 6 f. jōmu-kai 140–142, 245, 253, 266 JPX-Nikkei Index 400 93 kaikei kansa-nin siehe Abschlussprüfer kaikei san’yo siehe Rechnungslegungsberater Kaisha Hōsei Bukai siehe Gesetzgebungsrat Kanda, Hideki 156, 163 f.

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Sachverzeichnis

kansa (Prüfung) 137 f., 210 – Gesellschaft mit Ausschüssen 248 – Gesellschaft mit Kontrollausschuss 251, 253 f., 255, 257 f. – Gesellschaft mit Prüferrat 198 kantoku (Aufsicht) 137 f., 210, 236, 269 – Gesellschaft mit Ausschüssen 248 – Gesellschaft mit Kontrollausschuss 232, 251 f., 255, 257 f. Kapitalmarkt – Deutschland 56 f. – Japan 124, 127, 128, 136, 173 f. – USA 18 f. Kay Review 41 Keidanren (Nippon Keidanren) 84, 90, 193 f., 195, 239 keiretsu 119–121, 124, 136, 160, 173, 260 Keizai Dōyū-kai 84 Kirchwehm, Oliver 157 Kodex – Abweichungskultur 66 f., 215 – Deutscher Corporate Governance Kodex 2, 46, 52–54, 59–61, 63 – Japan’s Corporate Governance Code 140, 150, 230, 236 f., 244, 262, 266 – comply or explain 205–207 – Überblick 93–96, 129–132, 196 – Unabhängigkeitsbegriff 223–226 – UK Corporate Governance Code 34 f., 38 – Ursprung der Kodex-Regulierung 33– 35 konkurrierende Überwachungsinstrumente 19, 70, 137–178 – Begriff 137 – externe Überwachungsinstrumente 161–177 – interne Überwachungsinstrumente 139–160 Kontrollaktionär 71 – Deutschland 49, 54, 58–60 – Japan 170, 236 – UK 38, 40 Kontrollausschuss 107, 203, 253–258 Konzeptualisierung 68–73 – Ausgestaltung 70–73 – strukturelle Faktoren 69 f. Konzessionssystem 43 kooperierende Aktionäre 119–121, 175

Kraakman, Reinier 28 Kyū shōhō siehe Altes Handelsgesetz lead independent director 205, 266 lebenslange Anstellung 125, 132 f. Lederer, Philipp 64 f. legal transplant 4 f., 73, 100 f., 166 Liberaldemokratische Partei Japans 91, 191 f., 195, 199 f. Liu, Chunyan 184 f. Liu, Jianlei 184 f. Livedoor-Fall 174 lost decade 1, 228 Loyalitätspflicht 162 Lutter, Marcus 47 f. Main Bank 119, 170–172 Management-Modell – Japan 105, 124 f., 141, 198, 230–233, 235, 242, 255 – UK 33 – USA 13 f. managerialism 11, 16, 31, 33 Märkte – Kapitalmarkt – Deutschland 56 f. – Japan 124, 127, 128, 136, 173 f. – USA 18 f. – Markt für Unternehmenskontrolle 174– 176 – Produktmarkt 172 f. Matsunaka, Manabu 238 Means, Gardiner C. 9, 19, 30 Meiji-Restauration 75 f. Meiji-Zeit 75 f. Ministry of Economy, Trade and Industry 84, 86, 176, 177, 192 Ministry of Finance 84, 177 Ministry of Justice 84, 144, 176 Mitchell, Lawrence E. 28 Mitsubishi Motors 134, 141, 228, 243 Miwa, Yoshiro 182 Miyajima, Hideaki 184, 186, 189 monistische Struktur 35, 41 f., 44 f., 48 f., 69 – Japan 80, 83, 89, 248, 251 Monitoring siehe Überwachung Monitoring Board siehe MonitoringModell

Sachverzeichnis Monitoring-Modell – Japan – Organisationsverfassungen 106 f., 198, 230–233, 252 f., 254 – Praxis 133 f., 238 – Reformen 128 f. – Rezeption (UK) 33–38 – USA – Durchsetzung 14–23 – Entstehung 13 f. – Kritik 23–32 Netzwerkfunktion 20, 72 – Deutschland 56 f. – Japan 117, 137, 260 f. New York Stock Exchange 15, 23, 68 nicht geschäftsführender Direktor 12 – Deutschland 50, 67 – Japan 217, 226, 234, 268 f. – UK 33 f. – USA 10 f. Nolan, Richard C. 39 nomination committee siehe Nominierungsausschuss Nominierungsausschuss 51 – Deutschland 53 – Japan 106, 203, 250 f. – USA 15 f., 20, 23 non-executive director siehe nicht geschäftsführender Direktor Nottage, Luke 99 Ogawa, Ryō 184, 186, 189 Olympus 95, 141, 160, 188, 192, 196, 228, 243 one-tier system siehe monistische Struktur Organisationsverfassung (Japan) 69, 104– 108, 207–215 Ōsugi, Ken’ichi 238 outside director siehe externer Direktor partnership 7 path dependence 73 Performance siehe Überwachung Pfadabhängigkeit siehe path dependence Prinzipal-Agenten-Konflikt 9 f. – Deutschland 52, 56, 58 – Japan 120 f., 123, 267 – UK 40

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– USA 14, 19, 30 f. Produktmarkt 172 f. professional director 28 professioneller Direktor 28 Prüfer und Prüferrat 77, 79 f., 82, 83, 91 – Überblick 113 f. – Überwachung 142–150 Prüfung siehe kansa Prüfungsausschuss 51 – Deutschland 53 – Japan 106, 203, 248–250 – USA 15, 20, 22 f. Qualifikation unabhängiger Direktoren 26, 37 f., 62 f., 72 – Japan – fachliche Qualifikation 262 f. – Informationsversorgung 265–267 – professioneller Hintergrund 263–265 – Zusammensetzung 262 f. Ramseyer, Mark J. 182 räuberische Aktionäre 167 Rechnungslegungsberater 84 f., 114 f., 152–155 rechtstechnische Umsetzung (Japan) 71, 197–217 – Gesellschaftsgesetz 198–203 – Kodex 205–207 – Praxis 207–215 – TSE Listing Rules 203 f. red flags 151 Reformen (Japan) siehe regulatorischer Rahmen (Japan) regulatorischer Rahmen (Japan) – 1950 bis 90er Jahre 78–83 – vor 1950 75–78 – Börsenregelungen 85 f., 91 f. – Entwicklungen 2015 91–97, 190–197 – politischer Hintergrund 190–197 – Reform 2001/2002 83 f. – Reform 2005 84 f. – Reform 2014 2, 86–91, 190–197 – Zielrichtung der Reformen 128 f. Ringe, Wolf-Georg 29 ringi-System 127 Rock, Edward B. 30 Roesler, Hermann 76 f. Saitō, Takuji 183, 184, 186 f., 189, 193

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Sachverzeichnis

Sanktionen – Gesellschaftsgesetz 201 f., 222 f. – Kodex 206 f. – TSE Listing Rules 204 Sarbanes Oxley Act (SOX) 22 f. Securities Act/Securities Exchange Act (USA) 8 f., 22 Securities Exchange Commission 15, 18, 23 Selbstkontrolle 42, 80 f., 128 f., 139, 144 f. Selbstregulierung 20 f., 35 f., 52 Senioritätsprinzip 125, 132 f., 268 separation of ownership and control 9 f., 29, 31 f., 77 shareholder empowerment 29 shareholder engagement 36 f., 40 f., 132 shareholder primacy 31 shareholder value 41 f., 70 – Begriff 16–19 – Deutschland 54 f. – Japan 87, 126, 131 f., 191 – UK 36 – USA 29 f., 32 shikkō yakuin siehe geschäftsführende Person shikkō-yaku siehe Geschäftsführer Shimizutani, Satoshi 185 short-termism 27, 32 Shō-hō siehe Handelsgesetz soft law 35, 52, 57, 71, 103 f. sōkai-ya siehe räuberische Aktionäre Sony 82 Sorgfaltspflicht 162, 201 South Sea Bubble 8 special directors 245, 253 spezielle Direktoren 245, 253 Stakeholder-Ansatz 70 – Deutschland 41 f., 44, 54–57 – Japan 126, 176 – USA 11, 16, 32 Statistiken 208–215 Stewardship Code – Japan 92, 101 – UK 37 super-majority independent board 24, 38, 62, 265 Takahashi, Eiji 238 f.

Takei, Kazuhiro 238 tekihō-sei 137 f. tokubetsu torishimari-yaku 245, 253 Toshiba 134, 141, 228, 243 Toyama, Kazuhiko 238 Toyota 134, 192 trusteeship strategy 19 TSE Listing Rules siehe Börsenzulassungsregelungen der TSE two-tier system siehe Aufsichtsrat Überkreuzverflechtung – Deutschland 56 f. – Japan 119–121, 136 f., 160, 227, 260 – Auflösung 133, 136 f., 160, 172, 260 – Kodex 131 Überprüfungsklausel 91 Überwachung – Compliance und Performance 2, 11 f., 20, 47, 70, 72 – Gesellschaft mit Ausschüssen 245–251 – Gesellschaft mit Kontrollausschuss 251–258 – Gesellschaft mit Prüferrat 140–142, 242–245 – Überwachungsfunktion 6, 14, 19 f., 33 f., 38, 72, 137 f. uchi no kaisha 126 Uchida, Konari 183–185, 187, 189 f., 193 unabhängiger Direktor – Begriff 12 f. – EU-Ebene 50 f. – Funktion siehe Funktion unabhängiger Direktoren – Haftung 64–66, 72 f., 267–269 – Konzeptualisierung 3, 68–73 – Kritik 3, 23–32, 39–41, 63–67 – Qualifikation 26, 37 f., 62 f., 72, 262– 267 – Rezeption – Deutschland 2, 49–67 – UK 2, 32–41 – Ursprung (USA) 2, 13–23 – Vergütung 64–66, 72 f., 267–269 Unabhängigkeitsbegriff 71 – Deutschland 59–62 – EU 51 – Japan 89 f., 146 f., 217–227 – Börse/Kodex (unabhängig) 223–227

Sachverzeichnis – Gesellschaftsgesetz (extern) 218– 223 – UK 37 f. – USA 23, 26, 31 Unternehmensinteresse 54 f., 58, 65, 68 Unternehmensskandale 3 – Deutschland 43–45 – Japan 80 f., 95, 128, 134, 188, 208, 243 – UK 11 f., 33 – USA 8, 11 f., 21 Unternehmensverständnis 70 – Deutschland 54 f. – Japan 3, 87, 124–137 – UK 36 f. – USA 11, 16

– Deutschland 53 – Japan 106 – USA 20, 23 Verwaltungsrat 79 – Funktion 130 f., 229–233 – Überblick 104–108, 110–113 – Überwachung 140–142, 242–245, 246 f., 252 f. – Zusammensetzung 211–215

Vergütung unabhängiger Direktoren 64– 66, 72 f., 267–269 Vergütungsausschuss 51

zaibatsu 78, 117, 118, 132, 136 Zwitterstellung 153

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Walker Review 38 Wirtschaftsblase 1, 81 f., 121, 127 f., 228 Wirtschaftsverwaltung 176 f. Woodford, Michael 160 WorldCom 21 f., 35, 208