Imaginationen des Islam: Bildliche Darstellungen des Propheten Mohammed im westeuropäischen Buchdruck bis ins 19. Jahrhundert 9783110311662, 9783110311624

Bildliche Darstellungen des Propheten Mohammed gab es in Europa schon lange vor dem sogenannten "Karikaturenstreit&

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Imaginationen des Islam: Bildliche Darstellungen des Propheten Mohammed im westeuropäischen Buchdruck bis ins 19. Jahrhundert
 9783110311662, 9783110311624

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Einleitung
Fragestellung
Methode
Forschungsstand
Anmerkungen zum Buch
1. Mohammedtypen im frühen Buchdruck
Der Prophet als Antiheld
Mohammed als Richter und Kriegsherr
Mohammed als Häretiker
Der Prophet als Antichrist
Trügerischer Schein und bildliche revelatio
2. Der Prophet der „Türken“: Mohammed als Osmane
Osmanische Gewänder und die Herkunft des Propheten
Mohammed ad vivum
Der Prophet als Produzent falscher Bilder
Die Welt als Bild und Mohammed im Emblem
Mohammed als Prodigium
3. Mohammed im Porträt
Probleme der Mohammedbildnisse
Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer
Vera icon und imago falsa
Historische Distanz und Interpretation
Mohammed als Spiegel
4. Die Mohammedbilder der Aufklärung
Zwei Gesichter des Propheten
Anschauliche Relativität
Maskenspiel: Mohammed als Bühnenfigur
„Fanatismus“ und künstlerische Freiheit
Der Prophet und die Natur
5. Mohammed in Romantik und Kolonialismus
Carleyls Held
Poet der Wüste
Schwert und Buch
Der Prophet und die Nation
Mohammed als andalusischer Ritter
Konklusion
Katalog
Bibliographie
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Namensregister
Abbildungsnachweise

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Imaginationen des Islam

Alberto Saviello

Imaginationen des Islam Bildliche Darstellungen des Propheten Mohammed im westeuropäischen Buchdruck bis ins 19. Jahrhundert

Gedruckt mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der Gesellschaft der Freunde islamischer Kunst und Kultur e.V.

ISBN 978-3-11-031162-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-031166-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038305-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 Walter De Gruyter GmbH Berlin/München/Boston Einbandabbildung: Jean-Michel le jeune del./Jean Baptist Simonet sculp., Titelkupfer aus: Mouradgea D’Ohsson, Ignatus: Tableau général de l’Empire Othoman […], Bd. 1, Paris: Firmin Didot 1787 (Detail). Layout und Satz: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Für Apfel, Gecko und Chamäleon

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.

2.

11

Fragestellung Methode Forschungsstand Anmerkungen zum Buch

17 19 21 23

Mohammedtypen im frühen Buchdruck

25

Der Prophet als Antiheld Mohammed als Richter und Kriegsherr Mohammed als Häretiker Der Prophet als Antichrist Trügerischer Schein und bildliche revelatio

27 42 53 57 65

Der Prophet der „Türken“: Mohammed als Osmane

81

Osmanische Gewänder und die Herkunft des Propheten Mohammed ad vivum Der Prophet als Produzent falscher Bilder Die Welt als Bild und Mohammed im Emblem Mohammed als Prodigium

82 89 96 105 110

3.

Mohammed im Porträt

113



Probleme der Mohammedbildnisse Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer Vera icon und imago falsa Historische Distanz und Interpretation Mohammed als Spiegel

113 119 133 145 157

4.

5.

Die Mohammedbilder der Aufklärung

169

Zwei Gesichter des Propheten Anschauliche Relativität Maskenspiel: Mohammed als Bühnenfigur „Fanatismus“ und künstlerische Freiheit Der Prophet und die Natur

170 174 195 203 216

Mohammed in Romantik und Kolonialismus

231

Carleyls Held Poet der Wüste Schwert und Buch Der Prophet und die Nation Mohammed als andalusischer Ritter

232 235 255 272 276

Konklusion

301

Katalog

313



Bibliographie Primärliteratur Sekundärliteratur Namensregister Abbildungsnachweise

371 371 378 410 416

Danksagung

Die erste Anregung und die Möglichkeit, mich in das Thema dieser Arbeit zu vertiefen, verdanke ich meinem Doktorvater Avinoam Shalem. Aus der anfänglich als Aufsatz geplanten Studie zu den Bildern des Propheten in Koranübersetzungen entstand dank zahlreicher Funde schnell eine sehr viel umfangreichere Arbeit, die schließlich 2011 von der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation angenommen wurde. Die zeit- und kostenaufwendige Materialsuche, das Quellenstudium und die Niederschrift fanden größtenteils während meiner Zeit als Mitarbeiter des von Professor Shalem geleiteten Forschungsprojekts Crossing Boundaries, Creating Images: In Search of the Prophet Muhammad in Literary and Visual Traditions am Kunsthistorischen Institut in Florenz / Max-Planck-Institut und darauf als Assistent von Avinoam Shalem am Lehrstuhl für Islamische Kunstgeschichte an der LMU München statt. Für seine Betreuung und andauernde Unterstützung gilt ihm mein herzlicher Dank. Zudem möchte ich Claudia Märtl und Ulrich Pfisterer danken, die die Arbeit als Zweitkorrektorin und als Prüfer in der Disputation mit ihren Hinweisen bereichert haben. Ein wissenschaftlich äußerst anregendes Umfeld bot mir das Kunsthistorische Institut in Florenz, an dem wesentliche Teile der Arbeit entstanden sind und wo ich unter der Leitung von Gerhard Wolf eine für mich prägende Zeit als Mitarbeiter und Stipendiat verbringen durfte. Zu Dank bin ich auch dem Zentrum für Mittelalter- und Renaissancestudien der LMU München verpflichtet, das mir während der Niederschrift einen Aufenthalt als Junior Fellow gewährte. Das Buch wäre in seiner jetzigen Form nicht ohne die finanzielle Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der Gesellschaft der Freunde islamischer Kunst und Kultur e.V. zu Stande gekommen, die sich an den Kosten der Drucklegung beteiligt haben. Diesen großzügigen Förderern gilt mein besonderer Dank. In die Herstellung des Buches ganz unmittelbar involviert waren Katja Richter und Verena Bestle, denen ich für die freundliche und reibungslose verlegerische Betreuung danke. Doreen Westphal gebührt mein Dank für das sorgfältige Lektorat und Petra Florath für die sichere Formgebung beim Satz des Textes. Insa Verbeck half mir bei der formalen Gestaltung der Bibliographie.

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Danksagung

Zahlreiche weitere Personen haben mich auf vielfältige Weise bei der Entstehung des Buches unterstützt. In erster Linie sind hier meine ehemaligen Kolleginnen aus dem Florentiner Forschungsprojekt zu nennen: Christiane J. Gruber, Michelina di Cesare und Heather Coffey haben mit ihrer Sachkenntnis und ihrer Bereitschaft, ihr Wissen zu teilen, meine Arbeit an vielen Stellen bereichert. Wertvolle Anregungen verdanke ich auch Hannah Baader, Peter Bell, Robert Born, Michail Chatzidakis, Karin Gludovatz, Henrike Haug, Ulrike Ilg, Urte Krass, Klaus Krüger, Eckhard Leuschner, Joachim Rees, Gabriele Siegmund-Mairinger, Dirk Suckow und Ittai Weinryb. Trotz meiner Reisen war es mir nicht möglich, alle für das Thema relevanten Quellen in ihren zahlreichen, bisweilen von einander abweichenden Ausgaben selbst zu sichten. Freunde und hilfsbereite BibliotheksmitarbeiterInnen halfen mir diese Lücken mit Auskünften und teilweise mit Reproduktionen zu schließen. Mirjam Brusius danke ich für die Sichtung einiger seltener Ausgaben von Koranübersetzungen in der Cambridge University Library. Für ihre unkomplizierte Hilfe und Informationsbereitschaft ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich Nick Smith (Cambridge University Library), Sharon Lawler (University of Glasgow Library), Dennis C. Landis und Valerie Andrews (The John Carter Brown Library, Providence), Steve Rogers (Ohio State University Libraries) und Douglas Black (Robert Frost Library, Amherst College). Darüber hinaus sei den MitarbeiterInnen der Staatsbibliotheken in Berlin, München, London, Florenz und Paris sowie der Universitätsbibliotheken in Basel und Düsseldorf gedankt, die mir Zugang zu ihren Beständen gewährt und die Fertigung von Reproduktionen ermöglicht haben. Paola von Wyss-Giacosa danke ich für die freundliche Bereitstellung des Bildmaterials aus Picarts Cérémonies. Tatkräftige, intellektuelle und moralische Unterstützung erfuhr ich von meiner Familie und meinen Freunden. Aus diesem Kreis seien besonders Julia Saviello und Thorsten Hübbers genannt, die die Entstehung des Buches mit großem Engagement begleitet haben.

Einleitung

I doubt not but by this time your Curiosity will prompt you to enquire after the pourtraiture of this extraordinary person. His great Soul was lodged in a body of a middle size, he had a large head, a brown complexion but fresh colour, a beard long and thick but not grey, a grave aspect wherein the awfulness of Majesty seem’d to be tempered with admirable sweetness, which at once imprinted beholders respect, reverence, and Love. (Henry Stubbe, An Account of the Rise and Progress of Mahometanism […], um 1671–76) Das einleitende Zitat aus einer Mohammedbiographie, die der englische Arzt und Gelehrte Henry Stubbe wahrscheinlich zwischen 1671 und 1676 verfasst hat, ist ein sprechendes und zugleich herausragendes Zeugnis des Interesses, das dem islamischen Propheten Mohammed (ca. 570–632) in Westeuropa entgegengebracht wurde.1 Der Wunsch, sich ein Bild von dem Begründer der muslimischen Religion zu machen, existiert in Europa also nicht erst seit dem so genannten Karikaturenstreit, der 2005 durch die von einer dänischen Tageszeitung in Auftrag gegebenen, diffamierenden Bilder vom Propheten aus-

1  Der Text gilt als die erste von einem europäischen Christen verfasste durchweg positive Lebensbeschreibung Mohammeds. Eine solche intellektuelle und literarische Auseinandersetzung mit dem Koran und dem Propheten konnte in der Frühen Neuzeit, vor allem wenn sie von den geläufigen antiislamischen Positionen abwich, für Autor, Drucker und Verleger zu einer empfindlichen sozialen Diskreditierung und sogar zu konkreten Strafmaßnahmen führen. Hierin dürfte der Hauptgrund dafür liegen, dass die für ihre Zeit ungewöhnliche Darstellung Mohammeds lange lediglich als Manuskript in Gelehrtenkreisen zirkulierte und erst 1911 von einem muslimischen Forscher publiziert wurde. Vgl. Stubbe, Henry: An Account of the Rise and Progress of Mahometanism with the Life of Mahomet and a Vindication of Him and His Religion from the Calumnies of the Christians. From a Ms. copied by Charles Hornby of Pipe Office in 1705 with some Variations and Additions, hrsg. v. Hafiz M. Khan Shairani, London 1911.

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Einleitung

gelöst wurde.2 Bereits aus dem 8. Jahrhundert sind in Europa schriftliche Berichte über Mohammed tradiert und die frühste heute bekannte bildliche Darstellung stammt aus dem 12. Jahrhundert.3 In der westeuropäischen Auseinandersetzung mit dem muslimischen Glauben nahm die Figur des Propheten stets eine zentrale Position ein. Maßgeblich dafür war nicht nur die falsche Annahme, dass Mohammed im Islam dieselbe Bedeutung zukäme wie Christus im Christentum,4 sondern ebenso der Wunsch, der oft mit starker Ablehnung betrachteten, unbestreitbar aber erfolgreichen und beständigen Religion ein Gesicht zu verleihen. In der Imagination des christlichen Europa erscheint Mohammed daher geradezu als Personifikation des Islam, als eine Figur, mittels derer sich die eigenen Vorstellungen über den Charakter und die Inhalte der anderen Religion verkörpern und konkret zur Anschauung bringen ließen.5

2  Die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten druckte am 30. September 2005 unter dem Titel Muhammeds ansigt („Mohammeds Gesicht“) zwölf Karikaturen. Die Kontroverse um diese Bilder führte, angestachelt durch die Veröffentlichung weiterer, nun stark diffamierender Schmähbilder und die Instrumentalisierung derselben duch verschiedene radikale Lager in mehreren islamischen Staaten zu Protesten mit gewaltsamen Ausschreitungen. Der Streit um die diffamierende Darstellung des Propheten entwickelte sich so zu einer internationalen Krise. Zum Karikaturenstreit vgl. Klausen, Jytte: The Cartoons that Shook the World, New Haven u. a. 2009; Der Karikaturenstreit und die Pressefreiheit. Wert- und Normenkonflikte in der globalen Medienkultur, hrsg. v. Bernd Debatin, Berlin/Münster 2007; Piasecki, Stefan: Das Schaufenster des Schreckens in den Tagen des Zorns. Eine inhaltliche Analyse der Darstellung von Islam, Islamismus und islamischer Religiosität in der Berichterstattung über den Karikaturenstreit in Spiegel, Stern und Focus sowie ihre Wirkung auf eine säkularisierte Gesellschaft und ihre Tradition von christlicher bzw. islamischer Religiosität, Diss., Marburg 2008. 3  Zu den frühsten Autoren gehört Johannes von Damaskus (um 676–749), der mit seiner polemischen Schilderung die Vorstellung von Mohammed bis in die Neuzeit prägte. Vgl. Daniel, Norman: Islam and the West. The Making of an Image, Edinburgh 1960, S. 3–5; Bobzin, Hartmut: Mohammed, München 32006a, S. 9–10. Seine Verurteilung des Islam als eine christliche Häresie findet sich im zweiten Teil seiner Quelle der Erkenntnis (Pege gnoseos), die im 12. Jahrhundert zunächst von Burgundino da Pisa und später von Robert von Grosseteste ins Lateinische übertragen wurde. Die Abhandlung der Häresien ist unter dem lateinischen Titel Liber de Haeresibus bekannt. Zu der Verbreitung im europäischen Buchdruck vgl. Kotter, Bonifatius O.S.B.: Die Schriften des Johannes von Damaskos, Bd. IV, Liber de haeresibus. Opera polemica, hrsg. v. Byzantinischen Institut der Abtei Scheyern, Berlin/New York 1981, S. 91–94. Die erste bildliche Darstellung Mohammeds findet sich in einer Abschrift von Robert Kettons Koranübersetzung von 1143 und wird in Kapitel 3, S. 120–121 besprochen. 4  Dies erschließt sich bereits aus der bis ins 20. Jahrhundert üblichen Bezeichnung des Islam als „mohammedanische Religion“. Vgl. Kaufmann, Thomas: „Türckenbüchlein“. Zur christlichen Wahrnehmung „türkischer Religion“ in Spätmittelalter und Reformation, Göttingen 2008, S. 21–22. 5  Entsprechend der generellen Tendenz zur Personalisierung des „Anderen“ haben westeuropäische Betrachter bis ins 19. Jahrhundert Mohammed als pars pro toto für den Islam gesehen. Zu Mohammed als Personifikation des Islam vgl. Saviello, Alberto/Shalem, Avinoam: Der Betrachter ist im Bild. Visualisierungen des Islam im europäischen Buchdruck, in: Götterbilder und Götzendiener in der Frühen Neuzeit. Europas Blick auf fremde Religionen, hrsg. v. Maria Effinger, Cornelia Logemann u. Ulrich Pfisterer,

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Einleitung

Anders als die Karikaturen von 2005 dienten die historischen Mohammedbilder jedoch nicht der gezielten Provokation von Muslimen,6 sondern richteten sich sowohl thematisch wie angesichts der im Vergleich zu heute geringeren medialen Reichweite der Bilder zuvorderst an nicht muslimische Rezipienten. Zwar war die grundsätzliche Ablehnung von Kultbildern im Islam den meisten Autoren bewusst, eine Reflexion des „islamischen Bilderverbots“ seitens der europäischen Bildermacher fand aber lediglich am Rande statt und stand, anders als bei den modernen Karikaturen, in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gestaltung und Verbreitung der Mohammedfiguren.7 Die vorliegende Arbeit widmet sich einem Teilbereich der langen Geschichte der europäischen Beschäftigung mit dem islamischen Propheten: den bildlichen Darstellungen Mohammeds in westeuropäischen Koranübersetzungen und Prophetenbiographien vom späten 15. bis ins 19. Jahrhundert. Die beiden Textgattungen und die in ihnen enthaltenen Illustrationen können als die maßgeblichen Quellen gelten, aus denen sich die westeuropäischen Vorstellungen vom islamischen Propheten speisten. Die Übertragungen des heiligen Buches der Muslime in die jeweiligen Volkssprachen und die Lebensbeschreibungen Mohammeds bildeten Schnittstellen zwischen einer gelehrten Auseinandersetzung mit dem Islam, wie sie zunächst vor allem von christlichen Theologen und ab dem 17. Jahrhundert verstärkt auch von den Vertreten der sich als Universitätsfach etablierenden Arabistik betrieben wurde, und den Interessen und Erwartungen eines breiteren Publikums. Als Medien stehen die Untersuchungsobjekte damit zwischen

Heidelberg 2012, S. 68–79; Schulze, Reinhard: Orientalism. Zum Diskurs zwischen Orient und Okzident, in: Kunst und Kirche, 67, 4, 2004, S. 200–208, hier S. 207, Anm. 21. 6  Vgl. Klausen (2009), S. 20, 51, 56. 7  Die Ablehnung figürlicher Darstellung im Islam wird etwa in Giorgio Vasaris Schilderung von Gentile Bellinis Aufenthalt am osmanischen Hof erwähnt. Vgl. Vasari, Giorgio: Le vite de’ più eccellenti architetti, pittori, et scultori italiani, da Cimabue insino a’ tempi nostri. Nell’edizione per i tipi di Lorenzo Torrentino, Firenze 1550, hrsg. v. Luciano Bellosi u. Aldo Rossi, Turin 1986, S. 443. In den meisten apologetischen Schriften wird die muslimische Ablehnung der Bilder jedoch meist nur thematisiert, um Vergehen gegen christliche Bilder und Symbole anzukreiden und den eigenen religiösen Bildergebrauch zu verteidigen. Norman Daniel attestiert vor allem den vormodernen christlichen Autoren sogar ein generelles „[l]ack of interest in Islamic religious practice.“ Daniel (1960), S. 205. Dies wandelte sich erst mit dem Beginn vergleichender Religionsstudien im 18. Jahrhundert. – Zur komplexen Problematik des „islamischen Bilderverbotes“, die hier nicht dargelegt werden kann, vgl. Grabar, Oleg: Islam and Iconoclasm, in: Iconoclasm. Papers Given at the Ninth Spring Symposium of Byzantine Studies, hrsg. v. Anthony Bryer u. Judith Herrin, Birmingham 1977, S. 45–52; Allen, Terry: Aniconism and Figural Representation in Islamic Art, in: ders.: Five Essays on Islamic Art, [Manchester (Mich.)] 1998, S. 17–37; Flood, Finbarr Barry: Between Cult and Culture. Bamiyan, Islamic Iconoclasm, and the Museum, in: The Art Bulletin, 84, 4, 2002, S. 641–659; Newid, Mehr Ali: Der schiitische Islam in Bildern. Rituale und Heilige, München 2006, S. 72–80. Für monographische Abhandlungen des Themas siehe Naef, Silvia: Bilder und Bilderverbot im Islam. Vom Koran bis zum Karikaturenstreit, München 2007; Almir, Ibrić: Islamisches Bilderverbot. Vom Mittel- bis ins Digitalzeitalter, Wien u. a. 2006; Ders.: Das Bilderverbot im Islam. Eine Einführung, Marburg 2004.

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Einleitung

„wissenschaftlichen“ Traktaten, die in ihrer Vertiefung in fachliche Probleme (und bis ins 18. Jahrhundert meist in Latein verfasst) eine naturgemäß nur kleine Leserschaft fanden, und den bisweilen marktschreierisch vertriebenen Flugblättern, die zwar weithin rezipiert wurden, hinsichtlich ihres Aktualitätsanspruchs aber meist ein nur kurzzeitiges Interesse erregten. Stattdessen boten die hier besprochenen Publikationen durch die von ihnen geleistete Zusammenfassung und Aufarbeitung des jeweils verfügbaren Wissens über den Islam oft recht substanzielle Darstellungen, die sich an ein, wie man heute sagen würde, interessiertes Laienpublikum richteten. Die so in Umlauf gebrachten Mohammedbilder waren also durch die mit ihnen verbundenen Informationen und auch durch ihren physischen Ort im Buch auf Langlebigkeit und eine nachhaltige Wirkung im öffentlichen Diskurs angelegt. Den Bildern selbst kamen dabei im Wesentlichen zwei Funktionen zu. Während in rein akademischen Schriften schon aus Kostengründen meist auf Illustrationen verzichtet wurde, verweist bereits ihr Erscheinen auf eine populäre Ausrichtung der Publikation. Die Mohammedbilder sollten die Attraktivität des Buches und seine Verkaufszahlen steigern, indem sie eine sehr viel konkretere Anschauung vom Propheten boten, als die bloße Beschreibung seiner Person und Taten dies vermochte. Die Bilder verliehen dem Propheten eine beinah leibliche Präsenz und transferierten ihn in die Gegenwart der jeweiligen Rezipienten. Die Leser erhielten so die Möglichkeit „Augenzeugen“ der Geschehnisse aus dem Leben Mohammeds zu werden oder ihm, im Falle von Bildnissen, sogar von „Angesicht zu Angesicht“ zu begegnen. Neben dieser mal mehr, mal weniger ins Spiel gebrachten Fähigkeit zur Präsenzillusion dienten die Druckgraphiken zugleich immer auch der Vermittlung von Wissen beziehungsweise bestimmter Anschauungen und Standpunkte in Bezug auf den Islam. Dabei illustrierten die Bilder nicht bloß den Text, zum Teil artikulierten sie auch von ihm abweichende Vorstellungen und eröffneten ganz eigene Sichtweisen. Der spezifische Beitrag und die Funktion der Bilder in den Diskursen über den Islam sollen hier erörtert werden. Der gewählte Untersuchungszeitraum umfasst den Beginn und die Hochzeit der Verbreitung von Mohammedbildern in den im Fokus stehenden Textgattungen. Ein verstärktes und breitere Kreise der Bevölkerung erfassendes Interesse an Informationen über den Islam setzte nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 ein. Mit den Ängsten, zum Teil aber auch den Hoffnungen, die sich im christlichen Europa mit den vorrückenden Osmanen verbanden,8 lebte die nach den Kreuzzügen und den gescheiterten Missionsbestrebungen des 14. Jahrhunderts abgeebbte Beschäftigung mit dem Islam wieder auf. Dies fiel zeitlich in etwa mit der Inbetriebnahme der Gutenberg’schen Druckerpresse zusammen. Bezeichnenderweise ist das frühste erhaltene Produkt dieser Presse ein sogenannter Türkenkalender und auch in den folgenden Jahrzehn8  Zu den widerstreitenden Gefühlen vis-à-vis den Osmanen vgl. Kissling, Hans-Joachim: Türkenfurcht und Türkenhoffnung im 15./16. Jahrhundert. Zur Geschichte eines „Komplexes“, in: Südost-Forschungen. Internationale Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Landeskunde Südosteuropas, 23, 1964, S. 1–18.

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Einleitung

ten und bis ins 16. Jahrhundert machten die Turcica – Schriften, die sich mit dem Osmanischen Reich beschäftigten –, einen beachtlichen Teil der Druckerzeugnisse aus.9 Ausgehend von der ersten bekannten graphischen Darstellung Mohammeds im Buchdruck des späten 15. Jahrhunderts beschreibt die Arbeit die Wandlungen und Konstanten der Bilder bis ins 19. Jahrhundert. Während zuvor auch Publikationen renommierter Historiker und Orientalisten mit bildlichen Darstellungen Mohammeds aufwarteten, änderte sich dies gegen Ende des Untersuchungszeitraums. Seit dem 18. Jahrhundert gerieten bei der (vergleichenden) Erforschung und Darstellung der Religionen statt der unanschaulichen theologischen Dogmen verstärkt Realien in den Blick. Durch dieses Interesse an den konkreten Formen, Gegenständen und Riten der Religionen wurde auch den Bildern eine andere Funktion beigemessen. Die graphische Darstellung von konkreten Personen, Orten und Objekten sollte nun einer visuellen Erforschung der Religionen dienen. Zu Gunsten dieses sich allmählich durchsetzenden wissenschaftlichen Anspruchs verzichteten die Autoren und Herausgeber vermehrt auf eine Visualisierung des Propheten, da eine solche Bebilderung den Vorstellungen von Authentizität und Objektivität zunehmend widersprach.10 Vereinzelt traten Reproduktionen islamischer Bilder, denen eine größere Glaubwürdigkeit zugesprochen wurde, an die Stelle der Inventionen der europäischen Graphiker.11 Letztere verschwanden aber nicht völlig. Zwar wurden die europäischen Mohammedbilder angesichts ihrer als mangelnd erachteten Fähigkeit zur Vermittlung authentischen Wissens aus den gelehrten Publikationen weitgehend verbannt, zugleich fanden sie aber eine neue Verwendung als Werbematerial für industrielle Produkte.12 Eine Diskussion dieser Kommerzialisierung 9  Zur eminenten Bedeutung des Osmanen-Themas für den Buch- und Flugschriftendruck des 16. Jahrhunderts vgl. Göllner, Carl: Turcica, Bd. 3: Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert, Bukarest/Baden-Baden 1978. Den Beginn des Druckzeitalters mit dem Türkenkalender erwähnt Mertens, Dieter: „Europa, id est patria, domus propia, sedes nostra …“. Zu Funktionen und Überlieferung lateinischer Türkenreden im 15. Jahrhundert, in: Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter, Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft, 20, hrsg. v. Franz R. Erkens, Berlin 1997, S. 39–57, hier S. 42. 10  Zur Herausbildung der epistemischen Kategorie der „Objektivität“ bei der Bebilderung wissenschaftlicher Publikationen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Daston, Lorraine/Galison, Peter: Objectivity, New York 22007; Zimmermann, Anja: Ästhetik der Objektivität. Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert, Bielefeld 2009. 11  Das frühste Beispiel für diese Praxis ist der Tableau général de l’empire Othoman von Ignatius Mouradgea d’Ohsson von 1787, der in Kapitel 5, S. 258–268 behandelt wird. 12  Die im 20. Jahrhundert betriebene Kommerzialisierung des Labels „muhammedanisch“ schloss auch die Mohammedfigur mit ein, die nun vermehrt auf Sammelbildchen und anderen Werbemitteln erschien (siehe Abb. 90). Etwa zeitgleich änderte sich auch die öffentliche Sicht auf islamische Kunstobjekte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Meisterwerke“ gefeiert wurden. Zur sich wandelnden Beurteilung islamischer Kunstobjekte vgl. Troelenberg, Eva-Maria: Eine Ausstellung wird besichtigt. Die Münchner „Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst“ 1910 in kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive, Frankfurt a. M. u. a. 2011; Shalem, Avinoam: The 1910 Exhibition

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Einleitung

der Mohammedbilder, die auf den ersten Blick Parallelen und vielleicht auch Zusammenhänge mit der von Edward Said beschriebenen kolonialistischen Perspektive auf den islamischen Orient aufweist, würde sicher zu interessanten Ergebnissen führen.13 Sie liegt jedoch angesichts der Loslösung dieser Bilder vom Kontext der betrachteten Textgattungen außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Um die Darstellungen Mohammeds in den Koranübersetzungen und Biographien in einen Überblick über die jeweils zeitgenössischen Islamdiskurse einzugliedern und die Wandlungen der Bilder möglichst an ihren neuralgischen Punkten zu erfassen, wurden bisweilen auch Graphiken aus anderen Textgattungen in die Betrachtung einbezogen. Zwar finden sich bereits im 16. Jahrhundert monographische Lebensbeschreibungen des Propheten im westeuropäischen Buchdruck,14 weitaus häufiger erschienen biographische Passagen aber in anderen Zusammenhängen, wie in apologetischen Schriften und Häretikerkatalogen, in Chroniken, Kosmographien und Berichten über das Osmanische Reich. Darüber hinaus bedienten sich auch rein fiktionale Literaturgattungen, wie etwa Theaterstücke, der Figur Mohammeds. Die Arbeit versucht auch die von diesen Texten und ihren Graphiken ausgehenden Impulse für die Visualisierungen des Propheten zu berücksichtigen. Hinsichtlich der bildlichen Darstellungen Mohammeds in westeuropäischen Koranübersetzungen kann die Studie Vollständigkeit beanspruchen, für die anderen Gattungen kann dies jedoch nicht gewährleistet werden. Insgesamt wurden im Verlauf der Studie knapp 900 historische Publikationen gesichtet. In diesen fanden sich 113 verschiedene Mohammedbilder, die im beigefügten Katalog gelistet sind.15 „Meisterwerke muhammedanischer Kunst“ Revisited, in: After One Hundred Years. The 1910 Exhibition „Meisterwerke muhammedanischer Kunst“ Reconsidered, hrsg. v. dems. u. Andrea Lermer, Leiden/Boston 2010, S. 3–15. 13  Die seit Edward Saids Publikation von 1978 viel diskutierte These des Orientalism als der Ausprägung eines westlichen Überlegenheitsdiskurses zur Legitimierung kolonialer Bestrebung ist in dieser Untersuchung besonders für die im fünften Kapitel verhandelten Mohammedbilder des 19. Jahrhunderts von Bedeutung, da einige der Exemplare von einer kolonialistischen Sichtweise geprägt zu sein scheinen. 14  Bei der wahrscheinlich frühesten handelt es sich um Knaust, Heinrich: Von geringem herkommen, schentlichem leben, schmehlichem ende, des Türckischen, schentlichen Abgots Machomets, vnd seiner verfluchten, verdamlichen und Gotßlesterischen Ler […], Berlin 1542. Der Text dieser Publikation wird im zweiten Kapitel (S. 80–82) eingehender behandelt. Vermehrt treten eigenständige Mohammedbiographien jedoch erst seit dem Ende des 17. und vor allem im 19. Jahrhundert auf. 15  Zur Ermittlung der Koranübersetzungen wurden neben öffentlichen Online-Ressourcen folgende Bibliographien konsultiert: Bobzin, Hartmut: Latin Translations of the Koran. A Short Overview, in: Der Islam, 70, 2, 1993, S. 193–206; Mohammed und der Heilige Koran, hrsg v. Marc-Edouard Enay, Hamburg 1995; Binark, İsmet/Eren, Halit/İhsanoğlu, Ekmeleddin: World Bibliography of Translations of the Meanings of the Holy Qur’an. Printed Translations 1515–1980, Istanbul 1986; Chauvin, Victor: Biblio­ graphie des ouvrages arabes ou relatifs aux arabes publiés dans l’Europe chrétienne de 1810 à 1885, Liége/ Leipzig 1892–1922, davon insbesondere Bd. 10: Le Coran et la tradition (1907), Bd. 11: Mahomet (1909), Bd. 12: Le Mahométisme (1913–22); Pearson, James D.: Bibliography of Translations of the Qur’an into

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Einleitung

Fragestellung Ein grundlegendes Problem aller Mohammedbilder ist, dass sich vom Propheten kein visuelles Zeugnis erhalten hat, das vor das 12. Jahrhundert zurückreicht.16 Während von vielen historischen Personen der Antike und selbst von Jesus Bilder erhalten sind, deren Echtheit in der Frühen Neuzeit von weiten Teilen der Bevölkerung Europas anerkannt wurde, gibt es für die bildlichen Darstellungen Mohammeds kein unmittelbares Vorbild. Zwar hat sich in der islamischen Überlieferung eine eigene literarische Gattung der Beschreibung der äußeren Erscheinung und moralischen Tugenden des Propheten herausgebildet, hinsichtlich der Gestaltung der Mohammedbilder durch die europäischen Graphiker scheinen diese seit dem Mittelalter in Europa verfügbaren Texte jedoch keine Auswirkung gehabt zu haben.17 Es stellt sich also die Frage, nach welchen Vorbildern und Vorlagen die Illustratoren ihre Bilder schufen und wie sie sich bezüglich möglicher Authentizitätsansprüche verhielten.

European languages, in: Arabic Literature to the End of the Umayyad Period, hrsg. v. Alfred F. L. Beeston u. Thomas M. Johnstone, Cambridge u. a. 1983, S. 502–520; Arias Torres, Juan Pablo: Bibliografía sobre las traducciones del Alcorán en el ámbito hispano, in: TRANS. Revista de traductología, 11, 2007, S. 261– 272; Pearson, James D.: „Translation of the Kur,ān“, . in: Encyclopaedia of Islam, Second Edition, hrsg. v. Peri J. Bearman u. a., Online-Version, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-ofislam-2/ al-kuran-COM_0543 (26.01.2014); Catalogue of Arabic Books in the British Museum, 4 Bde., hrsg v. Alexander G. Ellis, London 1894–1926; Catalogue de la bibliothèque de l’école des langues orientales vivantes, Bd. I, hrsg v. Egon Lambrecht, Paris 1847. 16  Dies schließt die Bilder aus den islamischen Kulturen mit ein. Die früheste bekannte bildliche Darstellung Mohammeds von der Hand eines islamischen Künstlers ist eine Miniatur aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, die sich in der persischen Handschrift des Liebesepos Warqa wa Gulšāh findet (Topkapı Sarayı Müsezi, Ms. H481, fol. 70r). Vgl. Grabar, Oleg/Natif, Mika M.: The Story of Portraits of the Prophet Muhammad, in: Studia Islamica 96, 2003, S. 19–38. 17  Die Beschreibungen der äußeren und charakterlichen Eigenschaften Mohammeds finden sich in den Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten (hadīt-) und in der Gattung der šamā,ilTexte, die vor allem in der populären Devotion beliebt sind. Das Bild des Propheten entspricht dabei dem männlichen Schönheitsideal der Zeit. Vgl. Schimmel, Annemarie: And Muhammad is His Messenger. The Veneration of the Prophet in Islamic Piety, London 1985. Für eine recht nüchterne Wiedergabe der in diesen Beschreibungen immer wieder genannten Eigenheiten vgl. Khalidi, Tarif: Images of Muhammad. Narratives of the Prophet in Islam Across the Centuries, New York 2009, S. 96–97. Der erste westeuropäische Autor, der die islamischen Beschreibungen für sein eigenes Muhammedbild als maßgeblich ansah, war der zu Beginn zitierte Henry Stubbe (um 1671–76). Vgl. Almond, Philip C.: Heretic and Hero. Muhammad and the Victorians, Wiesbaden 1989, S. 88. Hans Haas erkennt sogar eine gewisse Ähnlichkeit dieser Beschreibungen mit dem Lentulus-Brief, einer Schilderung der Gestalt Christi, die der Sage nach aus apostolischer Zeit stammt, aber wohl erst im 13. Jahrhundert entstand und für die Anleitung christlicher Maler von Bedeutung war. Allerdings erscheint seine Vermutung, dass der christliche Autor sich hierbei an den islamischen Vorbildern orientiert habe, überzogen. Vgl. Haas, Hans: Das Bild Muham­ meds im Wandel der Zeiten, in: Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft, 31, 6–12, 1918. Heft 6–12, S. 161–171; 193–203; 225–239; 258–269; 289–295; 321–333; 353–365, hier S. 163.

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Wenn eine mimetische Übereinstimmung mit der historischen Person Mohammed in den meisten Fällen nicht das leitende Interesse der Bilder war, so gilt es, mögliche andere ihnen zu Grunde liegende Absichten zu erörtern. Es ist davon auszugehen, dass die Bildschöpfer, aber auch die Autoren, Herausgeber und Verleger, die die Graphiken in Auftrag gaben oder zumindest für ihre Publikation auswählten, die Darstellungen nicht ausschließlich als verkaufsfördernden Buchschmuck betrachteten, sondern mit ihnen bestimmte Aussageintentionen verknüpften. Wie bereits erwähnt, erscheint der Prophet in den Bildern oftmals in diffamierender Gestalt. Es scheint aber, als richteten sich diese pejorativen Darstellungen keineswegs ausschließlich gegen die Person Mohammeds oder gegen die muslimische Religion. Als imaginative, gleichsam mythische Figur von ihrer Historizität befreit, diente Mohammed auch der Verkörperung sozialer und weltanschaulicher Problematiken, die rein innereuropäischer Natur waren. Die Arbeit versucht daher, die Darstellungen des Propheten hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Intentionen und oftmals betriebenen Propaganda zu erörtern. Leitend sind dabei die Fragen, auf welche Art die Bilder Vorurteile und Kenntnisse über den Islam vermittelten, welche bildspezifischen, das heißt sich aus der Medialität und der ästhetischen Beschaffenheit der Bilder ergebenden Sichtweisen sie dem Betrachter eröffneten und wie die so kreierten visuellen Paradigmen im Kontext der zeitgenössischen, schriftlich fixierten Islamdiskurse zu bewerten sind. Der zweite, vom ersten nicht völlig zu trennende Schwerpunkt der Untersuchung betrifft die kunsthistorische Relevanz der Mohammedbilder. In der Forschung wurde bereits dargelegt, dass gerade die Darstellung von Personen am Rande und außerhalb der eigenen Gesellschaft Künstlern einen größeren Spielraum zur Erprobung ihrer gestalterischen Fähigkeiten, etwa die Möglichkeit zur Einführung neuer Darstellungsmodi und Bildthemen, bot.18 Ob dies auch für die Mohammedbilder gilt, ist zu überprüfen. In der Wahrnehmung des westlichen Europa nahm der muslimische Prophet aber nicht bloß eine kulturelle Randstellung ein. Eine durch die Jahrhunderte konstante Sichtweise bestand in der Konfrontation Mohammeds mit Jesus. Dem Propheten wurde nachgesagt, er hätte sich selbst mit Jesus verglichen, und viele Autoren sahen in ihm ein Gegenmodell, wenn nicht gar einen regelrechten Nachahmer Christi und Antichrist. Für die Geschichte der Mohammedbilder ist dies bedeutsam, da der Prophet gerade in der Abgrenzung von Christus bzw. als dessen Imitation eine Figur darstellte, anhand derer

18  Sauerländer, Willibald: Phisionomia est doctrina salutis. Über Physiognomik und Porträt im Jahrhundert Ludwig des Heiligen, in: Das Porträt vor der Erfindung des Porträts, hrsg. v. Martin Büchsel u. Peter Schmidt, Mainz 2003, S. 101–121, hier S. 105: „Bei der Darstellung der Randgruppen werden zuerst jene Beobachtungs- und Darstellungstechniken erprobt, die später im Porträt gesellschaftliche Akzeptanz erlangen und dabei ihre pejorativen Konnotationen abstoßen.“ Vgl. ebenso Büchsel, Martin: Nur der Tyrann hat sein eigenes Gesicht. Königsbilder im 12. und 13. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland, in: Büchsel/Schmidt (2003), S. 123–140.

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sich verschiedene Problematiken im Spannungsfeld von bildender Kunst und Religion reflektieren ließen. Die Arbeit versucht darzulegen, wie in den westeuropäischen Mo­ ham­medbildern Fragen nach der Möglichkeit bildnerischer Vermittlung religiöser Inhalte verhandelt wurden. Zentrale Punkte bilden dabei das Verhältnis künstlerischer Nachahmung und Täuschung zu „falschen“ und „echten“ religiösen Offenbarungen, die Frage nach der generellen Darstellbarkeit von Transzendentem sowie nicht zuletzt die problematische Grenzziehung zwischen religiöser und künstlerischer Inspiration.

Methode In einem Überblick über fünf Jahrhunderte ist es kaum möglich, alle relevanten geistesgeschichtlichen Strömungen in ihren spezifischen Darstellungen und Wahrnehmungen des Islam adäquat wiederzugeben. Dies wird zudem dadurch erschwert, dass es, wie bereits von anderen Studien aufgezeigt wurde, in keiner der untersuchten Epochen ein einheitliches oder allgemeingültiges Verständnis vom Islam und seinem Propheten gab.19 Allerdings können die westeuropäischen Koranübersetzungen und Biographien Mohammeds, die einerseits durch die frühneuzeitliche und moderne Orientalistik immer wieder neue Erkenntnisse und Impulse erhielten und andererseits auf eine breite Leserschaft ausgerichtet waren, als zentrale Dispositive eines öffentlichen Diskurses gelten. Im Zentrum der Untersuchung stehen also weniger partikulare Lesarten und Interessen als vielmehr Deutungen und Darstellungen Mohammeds, die dem gesellschaftlichen Mainstream entsprachen oder für ihn prägend waren. Die Erörterung der sich wandelnden Sichtweisen erfolgt durch die detaillierte Analyse exemplarischer Werke der beiden genannten Textgattungen und ihrer graphischen Illustrationen. Die Gliederung des Buches folgt dabei aus zwei Gründen einer weitgehend chronologischen Ordnung. Erstens lässt sich in den untersuchten Publikationen ein sich im Laufe der Zeit verändernder und erweiternder Wissensfundus bezüglich der islamischen Religion und der Lebensgeschichte Mohammeds feststellen. Die europäischen Autoren konnten und mussten auf dieses bestehende Wissen zurückgreifen und dazu Stellung nehmen. Zweitens erleichtert eine der Chronologie folgende Untersuchung den Abgleich der Objekte mit den von der Kunstgeschichte beschriebenen, sich in den Jahrhunderten ebenfalls ändernden Bildauffassungen und künstlerischen Paradigmen. Zugleich ist die Arbeit um eine diachrone Perspektive bemüht. In dieser wird deutlich, dass von einem Entwicklungsnarrativ Abstand genommen werden muss. Zwar änderten sich die Vorstellungen vom Propheten, aber dass sich letztlich ein „aufgeklärteres“ oder gar objektives Bild durchsetzte, kann nicht behauptet werden. Die bildlichen

19  Zu den unterschiedlichen Rezeptionsebenen und Lesarten des Korans im europäischen Mittelalter hat Thomas E. Burman eine erhellende Studie vorgelegt. Vgl. Burman, Thomas E.: Reading the Qur’ān in Latin Christendom 1140–1560, Philadelphia 2007.

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Darstellungen Mohammeds erklären sich im Kontext ihrer jeweiligen Zeit, sie lassen jedoch kein übergeordnetes historisches Telos erkennen. Die Untersuchung der einzelnen Bilder und Bildprogramme erfolgt im Wesentlichen in drei Schritten, deren Reihenfolge in der Behandlung der einzelnen Beispiele allerdings variiert. Ein zentraler Punkt ist es, die Graphiken in Anbetracht ihrer jeweiligen Vorbilder, der verwendeten Bildgattungen und Ikonographien zu beschreiben. Dabei gilt es, sowohl die den Graphiken eigenen bildnerischen und ästhetischen Ausdrucksmodalitäten zu erfassen als auch die jeweiligen Konstruktionen und Präsentationen der Mohammedfigur im Kontext der den Bildern in den zeitgenössischen Kunsttheorien zugewiesenen Funktionen zu beleuchten. Ein zweites Kriterium ist der Kontext der Graphiken in der jeweiligen Publikation. Dabei ist der konkrete Ort der Illustrationen im Buch ebenso von Bedeutung, wie es die sich ergebenden reziproken Text-Bild-Bezüge sind. Das mediale Zusammenspiel wird nicht nur dahingehend analysiert, ob sich die Graphiken in einer Illustration der schriftlichen Aussagen erschöpfen, eine Erweiterung oder gar eine Inversion derselben leisten, sondern auch wie sich die medial differenten Darstellungen Mohammeds in Bezug auf die Vermittlung von Wissen und Affekten generell zueinander verhalten. Von besonderem Belang sind hierfür die im dritten Kapitel diskutierten Porträts, die in den Koranübersetzungen bisweilen als Autorenbildnisse erscheinen. Anhand dieser Beispiele wird untersucht, welche Funktion das Bild des (vermeintlichen) Autors und die von ihm geleistete Charakterisierung Mohammeds für die Kommunikation des Buches mit dem Leser hatte. Schließlich gilt es, die in den Publikationen präsentierten Graphiken im historischen Zusammenhang zu verorten. Die europäische Wahrnehmung des Islam wurde von verschiedenen äußeren Faktoren beeinflusst: Neben den Verhältnissen der Staaten zum Osmanischen Reich, das sein militärisches Bedrohungspotential im 18. Jahrhundert weitgehend verlor, änderte sich auch das generelle Geschichtsverständnis, das in der Loslösung von seiner Orientierung am christlichen Heilsplan neue Paradigmen suchte. Innereuropäische Religionskonflikte, wie die Reformation, die Debatten um den Deismus sowie die Individualisierung des Glaubens, waren ebenfalls von Bedeutung für die Figurationen des islamischen Propheten. All diese Phänomene und Wandlungen können nicht in extenso behandelt, allerdings soll überprüft werden, wie die Mohammedbilder sich als visuelle Konstruktionen, die sowohl negative als auch positive Anschauungen und Konnotationen vermitteln konnten, zu diesen Themen positionierten.

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Forschungsstand Eine Erforschung der bildlichen Darstellungen Mohammeds begann vor gut zehn Jahren und richtet sich bisher hauptsächlich auf Objekte der sogenannten islamischen Kunst. Einen Grundstein hierzu legte Priscilla P. Soucek mit ihrer Untersuchung der Buchmalerei der Ilkhaniden vom späten 13. bis ins frühe 14. Jahrhundert. Oleg Grabar und Mika Natif beschäftigten sich in einem Aufsatz mit Mythen über nicht von Menschenhand gemachte Bildnisse des Propheten und Christiane Gruber stellte in ihrer Erforschung der mi,rağnāma-Tradition (Berichte über die Himmelfahrt des Propheten) erstmals die religiös-symbolische und rituell-devotionale Relevanz der bildlichen Darstellungen Mohammeds in der Buchmalerei heraus.20 Hinsichtlich westeuropäischer Darstellungen fanden sich bis vor wenigen Jahren lediglich Einzelstudien zu Werken des Mittelalters, wie etwa der Aufsatz von Walter Cahn zum ältesten erhaltenen Mohammedbild und ein Kapitel in einer Monographie von Debra Strickland, die mittelalterlichen Fremdheitsdarstellungen gewidmet ist.21 Um diesem Manko zu begegnen, begründete Avinoam Shalem 2007 am Kunsthistorischen Institut in Florenz das Forschungsprojekt Crossing boundaries, creating images. In search of the Prophet Muhammad in literary and visual traditions, das die Traditionen abendländischer Darstellungen Mohammeds in ihrer breiten Vielfalt untersuchte. Aus dieser Forschergruppe sind bereits einige Publikationen hervorgegangen und auch die vorliegende Arbeit ist im Rahmen dieses Projektes entstanden.22 20  Vgl. Soucek, Priscilla P.: The Life of the Prophet. Illustrated Versions, in: Content and Context of Visual Arts in the Islamic World, Papers from a Colloquium in Memory of Richard Ettinghausen, hrsg. v. ders., Pennsylvania 1988, S. 193–217; Grabar/Natif (2003); Gruber, Christiane: The Ilkhanid Book of Ascension. A Persian-Sunni Devotional Tale, London/New York 2010a; Dies.: The Ilkhanid Mi‘rājnāma as an Illustrated Sunni Prayer Manual, in: The Prophet’s Ascension. Cross-Cultural Encounters with the Islamic Mi‘rāj Tales, hrsg. v. ders. u. Frederick Colby, Bloomington/Indianapolis 2010b, S. 27–49; Dies.: Between Logos (Kalima) and Light (Nūr). Representations of the Prophet Muhammad in Islamic Painting, in: Murqanas, 26, 2009a, S. 229–262; Dies.: The Timurid Book of Ascension (Mir‘ajnama). A Study of Text and Image in a Pan-Asian Context, Valencia 2008. 21  Cahn, Walter B.: The „Portrait“ of Muhammad in the Toledan Collection, in: Reading Medieval Images. The Art Historian and the Object, hrsg. v. Elizabeth Sears u. Thelma K. Thomas, Michigan 2002, S. 51–60; Strickland, Debra H.: Saracens, Demons, & Jews. Making Monsters in Medieval Art, Princeton 2003, S. 165–193. Eine Linkliste mit 57 Darstellungen Mohammeds in der europäischen Buchmalerei findet sich im Internet. Gonzalez, Fernando: Índice de iluminaciones de manuscritos cristianos sobre el profeta Muhammad, www.academia.edu/7618415/Indice_de _iluminaciones_ de_manuscritos_cristianos_medievales_sobre_el_profeta_Muhammad (19. 07. 2014). 22  Zu nennen sind hier: Constructing the Image of Muhammad in Europe, hrsg. v. Avinoam Shalem, Berlin/Boston 2013, mit Beiträgen von Michelina Di Cesare, Heather Coffey und Alberto Saviello sowie Di Cesare, Michelina: The Pseudo-Historical Image of the Prophet Mu h ammad in Medieval Latin Literature. A Repertory, Berlin/Boston 2012; The Image of the Prophet between Ideal and Ideology. A Scholarly Investigation, hrsg. v. Christiane Gruber u. Avinoam Shalem, Berlin/Boston 2014. Da der letztgenannte

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In Anbetracht der Geschichte der europäischen Islamrezeption und der literarischen wie wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Propheten Mohammed kann sich die vorliegende Untersuchung auf eine reiche Sekundärliteratur stützen. Detaillierte Aufarbeitungen der Biographie Mohammeds nach den frühsten islamischen Quellen wurden unlängst von Hans Jansen und von Tilman Nagel vorgelegt.23 In Bezug auf die historischen Verhältnisse zwischen „Europa“ und dem „Islam“ dienen die immer noch instruktive Studie Islam and the West von Norman Daniel (1960) sowie jüngere Publikationen von Thierry Hentch, Maxime Rodinson, Franco Cardini, Frederick Quinn und Suzanne Conklin Akbari als Grundlagen der Arbeit.24 Allerdings möchte die vorliegende Untersuchung gerade durch die Analyse der Mohammedbilder dafür sensibilisieren, dass es sich bei Gegenüberstellungen im Sinne von „der Westen und der Islam“ nicht um historische Entitäten, sondern um Konstruktionen und Projektionen handelt, die einzelne Merkmale von Kulturen als vermeintlich essentiell herausgreifen und dabei eine sehr viel komplexere Realität verdecken. Die erste wissenschaftliche Aufarbeitung der europäischen Mohammedrezeption legte Alessandro D’Ancona 1912 vor,25 in der er sich insbesondere mit den apologetischen Schriften der christlichen Autoren des Mittelalters beschäftigte. Weitere Publikationen, die sich der gesamten Geschichte der europäischen Mohammedliteratur widmen, stammen von Hans Haas, Clinton Bennett, Hartmut Bobzin, Minou Reeves und John Tolan.26 Diese Werke wie auch Philipp Almonds Monographie Heretic and Hero und Matthew Dimmocks Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture,�27 die speziell die Darstellung des Propheten in England verhandeln, bilden die Basis für die zu leistende historische Kontextualisierung der graphischen Darstellungen Mohammeds. Band zur Zeit der Überarbeitung dieses Buches noch nicht vorlag, konnten dessen Beiträge nicht mehr aufgenommen werden. 23  Vgl. Jansen, Hans: Mohammed. Eine Biographie, München 2008; Nagel, Tilman: Mohammed. Leben und Legende, München 2008. 24  Vgl. Hentsch, Thierry: L’Orient imaginaire. La vision politique occidentale de l’Est méditerranéen, Paris 1988; Rodinson, Maxime: Die Faszination des Islam, München 1985; Cardini, Franco: Europa und der Islam. Geschichte eines Mißverständnisses, München 2004; Quinn, Frederick: The Sum of All Heresies. The Image of Islam in Western Thought, Oxford 2008; Conklin Akbari, Suzanne: The Rhetoric of Antichrist in Western Lives of Muhammad, in: Islam and Christian-Muslim Relations, 8, 1997, 3, S. 297– 307. 25  D’Ancona, Alessandro: La leggenda di Maometto in Occidente [1912], hrsg. v. Andrea Borruso, Salerno 31994. 26  Haas (1916); Bennett, Clinton: In Search of Muhammad, London/New York 1998; Bobzin (32006a); Reeves, Minou: Muhammad in Europe. A Thousand Years of Western Myth-Making, New York 2000; Tolan, John V.: European Accounts of Muhammad’s . life, in: The Cambridge Companion to Muhammad, hrsg. v. Jonathan E. Brockopp, Cambridge u. a. 2010, S. 226–250. 27  Almond (1989); Dimmock, Matthew: Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture, New York/Cambridge 2013.

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Die für die Analyse der Objekte herangezogene kunsthistorische Literatur ist weniger spezifisch, da sich im Laufe des etwa 400 Jahre umfassenden Untersuchungszeitraums sehr unterschiedliche Bildkonzepte, Methoden und Theorien der Buchillustration herausgebildet haben. Die jeweils relevante Literatur wird daher in den einzelnen Kapiteln diskutiert.

Anmerkungen zum Buch Die Graphiken des untersuchten Bildkorpus sind ebenso wie die Vergleichsabbildungen im Text mit „(Abb. #)“ gekennzeichnet. Eine weitere Ziffer („Kat. #“) verweist auf den dazugehörigen Eintrag im anschließenden Katalog. Kursivierte Katalognummern sind nicht abgebildet, auch haben nicht alle im Katalog angeführten Objekte in die Argumentation des Haupttextes Eingang gefunden. Bei im Deutschen geläufigen arabischen oder persischen Personennamen und Begriffen wurde zu Gunsten der Lesbarkeit auf eine Umschrift verzichtet. In anderen Fällen folgt die Schreibung den Transliterationsregeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DIN 31635).28� Die Zeitangaben folgen dem gregorianischen Kalender.

28  Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken (= RAK-WB), Leipzig/Frankfurt a. M./Berlin 21996, Anlage 5, Tab. 2.

1. Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Die Beschäftigung mit dem Propheten Mohammed und dem Islam er­langte durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in Westeuropa eine Verbreitung, die erstmals über die Schichten von Klerus und Adel hinausging und eine neue Öffentlichkeit erreichte. Dabei bediente die durch die neue Technik ermöglichte schnellere und kostengünstigere Vervielfältigung von Schriften zugleich ein gestiegenes Interesse am Islam. Durch das Aufstreben des Osmanischen Reiches, das 1453 mit der Eroberung Konstantinopels das Erbe des byzantinischen Kaiserreiches angetreten war, und sein militärisches Vorrücken nach Europa hatte die Auseinandersetzung mit dem islami­schen Glauben an Aktualität und Brisanz gewonnen. Zu dieser äußeren Bedrohung durch Andersgläubige kam im Laufe des 16. Jahrhunderts mit der erneuten Spaltung der christlichen Kirche durch die Reformation eine tiefgreifende Verunsicherung im eigenen Glauben. Die mithin dringlich gewordene religiöse Orientierung und Selbstvergewisserung schürte ebenfalls das Interesse an der fremden Religion.1

1  So wurde beispielsweise die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen von zahlreichen Autoren der lateinischen Christenheit als Strafe Gottes für die Laster der Byzantiner und nicht zuletzt für deren Abspaltung von der lateinischen Kirche gewertet. Vgl. Thumser, Matthias: Türkenfrage und öffentliche Meinung. Zeitgenössische Zeugnisse nach dem Fall von Konstantinopel (1453), in: Erkens (1997), S. 59–78, hier S. 63; Bisaha, Nancy: Creating East and West. Renaissance Humanists and the Ottoman Turks, Philadelphia 2004, hier S. 126–132; Schwoebel, Robert: The Shadow of the Crescent. The Renaissance Image of the Turk (1453–1517), New York 1969, S. 14–18. Das Interpretationsmuster, die osmanische Expansion als eine „Geißel Gottes“ anzusehen, blieb auch im 16. Jahrhundert prominent und wurde vor allem von protestantischer Seite zur Diffamierung der Papstkirche eingesetzt. Somit spielte die „türkische“ Bedrohung eine bedeutende Rolle in der geistigen und politischen Entwicklung der Reformation. Vgl. FischerGalati, Stephen A.: Ottoman Imperialism and German Protestantism, 1521–1555, Cambridge 1959; Andermann, Ulrich: Geschichtsdeutung und Prophetie. Krisenerfahrung und -bewältigung am Beispiel der osmanischen Expansion im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: Europa und die Türken in der Renaissance, hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann, Tübingen 2000, S. 29–54; Bohnstedt, John W.: The Infidel Scourge of God. The Turkish Menace as Seen by German Pamphleteers of the Reformation Era, Philadelphia 1968.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Dem Propheten Mohammed kam als dem Begründer einer neuen Glaubenslehre und eines weltlichen Imperiums aus Sicht der Christen eine exponierte Rolle zu.2 In seiner Figur konnten die Bedrohung, das Fremdartige und Geheimnisvolle, das mit dem Islam verbunden wurde, anschaulich und in eindrucksvoller Form verkörpert werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Texte über den Propheten und die ab der Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals gedruckten Koranübersetzungen auch mit bildlichen Darstellungen Mohammeds versehen wurden. Die Bilder befriedigten nicht nur die Schaulust des Publikums und ließen den Propheten „greifbar“ werden, sie dienten auch dazu, im Zusammenspiel mit der textlichen Beschreibung eigene Vorstellungen zu vermitteln. Die Darstellungen Mohammeds im Buchdruck sind ohne die mittelalterlichen Vorläufer nicht denkbar, denn in Manuskripten und Miniaturen beschäftigten sich die europäischen Autoren und Maler bereits seit Jahrhunderten mit dem islamischen Propheten. In ihrem Kern zeigen sich die ersten Beschreibungen des Propheten aus der Buch­­presse als eine Fortführung der mittelalterlichen Tradition. Dies begründet sich vor allem damit, dass durch den Niedergang der im Zuge der Missionsbemühungen im 14. Jahrhundert noch blühenden Arabischstudien in Europa nur wenig neue Informationen verfügbar waren und sich die Verfasser des 15. und 16. Jahrhunderts im Wesentlichen auf das von den früheren christlichen Autoren bereits tradierte Wissen stützen mussten.3 Mit dem neuen Medium der druckgraphischen Buchillustration verband sich eine spezifische Ausdrucksform. Wie Carsten-Peter Warncke gezeigt hat, ging es der frühneuzeitlichen Druckgraphik weder um die rein mimetische Abbildung individueller Begebenheiten noch um eine bloße Illustration des jeweiligen Textes.4 Die eigentlichen Bezugsgrößen der Bilder waren weder die Natur noch das Wort selbst, sondern der konkretisierbare Wortsinn, der als eine „Begriffsfigur“ körperlich und gegenständlich veranschaulicht werden konnte.5 Die aus den mittelalterlichen Vorlagen entlehnten Motive zur Darstellung des Propheten verfestigten sich in den Holzschnitten der frühen Buch2  Mohammed galt als der Stammvater der Sarazenen und später der Osmanen. Kardinal Isidor von Kiew behauptete in seinem Schreiben an den Papst, dass der Eroberer Konstantinopels, Sultan Mehmet II., ein Nachfolger Mohammeds sei. Vgl. Pertusi, Agostino: La caduta di Costantinopoli. Bd. I, Le testimonianze dei contemporanei, Verona 1976, S. 92–94, 101. Der unbestreitbare Erfolg dieser islamischen Reiche stand aus christlicher Sicht in einem starken Kontrast zu dem lediglich als Irrglauben wahrgenommenen Islam und bedurfte einer Erklärung. Anhand der Figur Mohammeds wurden derartige Probleme und Fragen verhandelt. 3  Vgl. Dannenfeldt, Karl H.: The Renaissance Humanists and the Knowledge of Arabic, in: Studies in the Renaissance, 2, 1955, S. 96–117. 4  Zum doppelten Abbildverhältnis frühneuzeitlicher Buchillustrationen als „Begriffsfigur“ vgl. Warncke, Carsten-Peter: Sprechende Bilder – sichtbare Worte. Das Bildverständnis in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1987, bes. S. 35. 5  Ebd., S. 62–63.

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Der Prophet als Antiheld

illustration daher zu unterschiedlichen Typen: Mohammed erschien, in Abhängigkeit von der jeweiligen Textgattung und der spezifischen Intention von Autor und Künstler, als Richter, Kriegerfürst, Häretiker oder Antichrist, also in Gestalt literarisch und visuell meist schon vorgeprägter Figuren. Einen eigenen und einheitlichen Figurentypus bildete Mohammed anfangs nicht aus, stattdessen bewirkte die Pluralität der verwendeten Typen ebenso wie deren durch Rekombination und Wiederverwendung in anderen Kontexten und Bewertungszusammenhängen mögliche Polysemie6 eine für die Phase charakteristische Vielschichtigkeit und Komplexität in der Darstellung des islamischen Propheten. Ein Typus, der für die westeuropäischen Mohammedbilder von besonderer Tragweite war und bis ins 19. Jahrhundert nicht an Bedeutung verlor, war der des Antichrist. Für diese Untersuchung ist er von besonderer Wichtigkeit, weil die Figur des Antichrist in ihrer täuschenden Gestalt paradigmatisch für die späteren Mohammedbilder und die in ihnen vollzogene künstlerische Selbstreflexion wurde. Daher wird bei der Vorstellung der frühneuzeitlichen Mohammedtypen auf diesem ein besonderes Augenmerk liegen.

Der Prophet als Antiheld Die Reisen des Ritters Jean de Mandeville bilden den ersten literarischen Rahmen, in dem druckgraphische Darstellungen des Propheten verbreitet wurden. Diese fiktionale Er­ zählung einer Fahrt ins Heilige Land und zum Priesterkönig Johannes wurde 1356 oder 1357 von einem bisher nicht mit Sicherheit zu identifizierenden Autor verfasst, der sich selbst als Ritter Jean de Mandeville bezeichnet.7 Das französischsprachige Original wur6  Susanna Burghartz argumentiert, dass diese druckgraphische Repräsentationspraxis nicht bloß eine Festschreibung des Fremden in Stereotypen bedeute, sondern dass durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Medien von Text und Bild sowie durch die Zirkulation, den Austausch und die Rekontextualisierung der Bildtypen die Möglichkeit zu Aktualisierungen und Transformationen der jeweiligen Bedeutungsinhalte gegeben war. Vgl. Burghartz, Susanna: Transformation und Polysemie. Zur Dynamik zwischen Bild, Text und Kontext in den „Americae“ der de Bry, in: Text und Bild in Reiseberichten des 16. Jahrhunderts. Westliche Zeugnisse über Amerika und das Osmanische Reich, hrsg. v. Ulrike Ilg, Venedig 2008, S. 233–268. Zur Bedeutung „visueller Topoi“ für die Organisation bestehenden und die Generierung neuen Wissens vgl. auch Pfisterer, Ulrich: „Die Bilderwissenschaft ist mühelos“. Topos, Typus und Pathosformel als methodische Herausforderung der Kunstgeschichte, in: Visuelle Topoi. Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italienischen Renaissance, hrsg. v. dems. u. Max Seidel, S. 21–47, München/Berlin 2003. 7  Aktuelle Hypothesen nennen den Benediktinermönch Jean de Long (Jean d’Ypres) oder den bis 1372 in Lüttich lebenden englischen Arzt Jean de Bourgogne als mögliche Autoren. Konsens besteht darüber, dass die geschilderte Reise ebenso wie die Identität des Ich-Erzählers des Buches fiktiv sind. Vgl. Seymour, Michael C.: More Thoughts on Mandeville, in: Jean de Mandeville in Europa. Neue Perspektiven in der Reiseliteraturforschung, hrsg. v. Ernst Bremer u. Susanne Röhl, München u. a. 2007, S. 19–30, hier S. 28. Vgl. Giovannini, Elena: L’immagine dell’Islam nella letteratura di viaggio tedesca tardomedievale. Prospettive a confronto, Göppingen 2005, S. 101, 105 (mit weiterer Literatur).

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

de bereits früh in andere Sprachen übertragen und war einer der meistgelesenen Texte im Europa des späten Mittelalters, der auch im Buchdruck zahlreiche Auflagen erlebte. Mit Holzschnitten bebilderte Ausgaben erschienen 1481 in zwei unterschiedlichen deutschen Übersetzungen bei Anton Sorg in Augsburg und in Basel bei Bernard Richel.8 Die Augsburger Fassung widmet sich an zwei Stellen dem Propheten Mohammed; einmal im Anschluss an die Beschreibung der Stadt Bethlehem mit ihren Weingärten, auf die eine kurze Erläuterung zum Verbot des Weines durch den Propheten folgt, sowie im Zuge eines Berichts über den Glauben der im Text als „Heyden“ bezeichneten Muslime, der eine ebenfalls etwa eine Seite umfassende Beschreibung des Werdegangs Mohammeds miteinschließt. Beiden Passagen widmet Sorgs Edition jeweils eine Holzschnittillustration (Kat. 1a–b). Hinsichtlich der Erklärung des islamischen Weinverbots heißt es unmittelbar nach dem Holzschnitt: [W]ann machmet hat alle die verflucht die wein trinken od[er] die in kaufen. daru[m]b das er einest truncken ward do erstach sein knecht einen einsidel der was im gar vast lieb un[d] gab im sein schwert in sein hannd die weil er also in seiner trunckenheit lag und schlieff unnd stach es durch den einsidel. unnd do machmet erwachet do fannd er das schwert in seiner hand und durch den einsidel gestochen do wanet er er hätte es gethan in seiner tru[n]ckenheit als sein knecht sprach der was dem einsidel nicht hold darumb das machmet den einsidel geren hort unnd vil zu i[h]m gieng so müßt er sein all weg lang do warte[n]. darnach verbot er den wein.9 Der Graphiker wählte für die Darstellung den anschaulichsten Moment der Geschichte: den des Verbrechens (Kat. 1a, Abb. 1). Dabei ist die Bilderzählung formal wie inhaltlich auf das Wesentliche reduziert. Gezeigt wird der junge, bartlose Knecht, der zwischen die beiden im Rausch darniederliegenden Männer getreten ist und Mohammed gerade das Schwert in die Hand legt, dessen Spitze auf die Brust des Einsiedlers gerichtet ist.10 Dass es sich bei der Darstellung um ein Geschehen in der Fremde handelt, wird in der detailarmen Graphik allein durch die Kopfbedeckungen veranschaulicht. Diese waren in den Bildern des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, auch in Ermangelung konkreten visuellen Wissens, die zentralen, meist stereotypen Marker kultureller Alterität.11 8  Mandeville, Jean: Das Buch des Ritters Herr Hannsen von Monte Villa, übers. v. Michel Velser, Augsburg 1481; Ders.: [Reise ins Heilige Land], übers. v. Otto von Diemeringen, Basel 1481. 9  Mandeville (Augsburg 1481), fol. [26r]. 10  Die Geschichte wird bereits in der Buchmalerei in Abschriften der Reisen dargestellt. Allerdings konnte für die Komposition des Holzschnitts keine unmittelbare Vorlage gedunden werden. Vgl. Gonzalez (2014), Nr. 38–42. 11  Zur Kopfbedeckung als Bildmotiv sozialer Distinktion und Ausgrenzung vgl. Mellinkoff, Ruth: Outcasts. Signs of Otherness in Northern European Art of the Late Middle Ages, Berkeley u. a. 1993, Bd. 1, S. 57–94. Hierin behandelt Ruth Mellinkoff im Wesentlichen die bildliche Darstellung von Juden. Zur

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Der Prophet als Antiheld

Abb. 1  Mord an dem Einsiedler, aus: John Mandeville, Das Buch des Ritters Herr Hannsen von Montevilla […], Augsburg 1481, fol. 26r (Kat. 1a)

Den zeitgenössischen Orienttypen entsprechend, trägt Mohammed eine mit einem Tuch umwundene konische Kappe und sein Knecht einen Hut mit einer an der Stirn nach oben geschlagenen Krempe und einem nach hinten gebogenen Zipfel.12 Durch die geschickte Anordnung der Figuren im Bild wird das darauffolgende Geschehen angedeutet. Der etwas höher lagernde Prophet wird wohl von seinem Felsen abrutschen und dadurch seinen am Boden liegenden Freund mit der Waffe aufspießen. Herausbildung realistischerer Darstellungen vor allem in Bezug auf die Gewänder der Osmanen vgl. St.  Claire, Alexandrine N.: The Image of the Turk in Europe, in: The Art of Imperial Turkey and Its European Echoes, Ausstellungskat. Metropolitan Museum of Art, New York 1973, S. 5; Dies.: „Türkengefahr“, in: Islamic Art in the Metropolitan Museum of Art, hrsg. v. Richard Ettinghausen, New York 1972, S. 315–334. 12  Während Mohammed eine Art Turban mit zentraler Kappe (taj) trägt, ist die Kopfbedeckung des Dieners wahrscheinlich eine Abwandlung der Janitscharenkappe (keçe). Realistischere Darstellungen dieser Filzmütze osmanischer Infanteristen finden sich bereits 1463 auf einem Cassone-Bild des Apollonio di Giovanni und ebenso in den späteren Holzschnitten des Liber Chronicarum des Nürnberger Hartmann Schedel von 1493. Vgl. Watson, Paul F.: Apollonio di Giovanni and Ancient Athens, in: Allen Memorial Art Museum Bulletin, 37, 1, 1979, S. 3–25, hier S. 12–13.

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Die beiden schlafenden, sich in ihren Posen und Gewändern gleichsam spiegelnden Männer und der zwischen ihnen stehende Jüngling erscheinen durch die visuelle Verdichtung und Überschneidung ihrer Körper in dem quadratischen Bildraum als eine beinahe intime, wenn auch unglückselig verbundene Gemeinschaft. Durch diese Verquickung der Figuren gibt der Holzschnitt auf eigene Art die im Text genannte emotionale Bindung zwischen Mohammed, dem Einsiedler, den er sehr stark lieb („gar vast lieb“) hatte, und dem Knecht wieder, der von den Treffen ausgeschlossen und wohl aus Eifersucht dem Einsiedler „nicht hold“ war. Mit dieser Geschichte über Zuneigung, Trunksucht und Verrat wird dem Leser implizit zu verstehen gegeben, dass Mohammeds Verbot des Weins ein Fehler gewesen sei, da seine Entscheidung einerseits auf dem Laster der Maßlosigkeit und andererseits auf seiner Täuschung durch den Knecht beruht habe. Zentral erscheint zudem, dass die Hand des Propheten, wenn auch fremdgesteuert, sowohl im Text als auch im Bild an der Ermordung beteiligt ist, sodass Mohammed im tragischen Sinn als „schuldlos schuldig“ am Tod seines Freundes angesehen werden kann. Die zweite Darstellung Mohammeds bezieht sich auf die Sage, Mohammed habe unter epileptischen Anfällen gelitten. Der Text berichtet Folgendes: Nun het machmet den vallenden siechtagen das er gar offt viel und das was der frawen gar laid das sy in geno[m]men hett. Da gab er der frawen zu verstan [der] engel gabriel redt mitt im. und wenn er in sähe so müst er vallen von [der] Schön und vo[n] des Scheine wege[n] den der engel an im hett, darumb so sprechent die heyden dass machmet offt mitt de[n] engel redt.13 Der Holzschnitt zeigt den Propheten am Boden liegend, wie er sich einer schmerzhaften Behandlung unterzieht (Kat. 1b, Abb. 2). Diese wird von einem Mann vollzogen, der sich durch seine hohe, mit ausladenden Krempen versehene und durch ein Zierband ge­ schmückte Kopfbedeckung auszeichnet. Er hält dem Propheten eine brennende Fackel unter die Fußsohle.14 Die heute befremdlich wirkende Darstellung zeigt die von der Antike bis ins 18. Jahrhundert praktizierte Behandlungsform des „Brennens“.15 Bei die13  Mandeville (Ausgburg 1481), fol. [102r]. 14  Die Kopfbedeckung ist wahrscheinlich eine phantastische Abwandlung einer byzantinischen Hutform, wie sie etwa in Pisanellos Zeichnung der Gewänder der griechischen Gesandten in Ferrara und Florenz 1438/39 überliefert ist. Vgl. Karabacek, Josef v.: Abendländische Künstler zu Konstantinopel im XV. und XVI. Jahrhundert, Wien 1918, S. 38–39, T. VI. Zur Abwandlung und Umdeutung byzantinischer Gewänder in der europäischen Druckgraphik des 15. Jahrhunderts vgl. Weiss, Roberto: Pisanello’s Medallion of the Emperor John VIII Paleologus, [London] 1966, bes. S. 27; Saviello, Alberto: EL GRAN TURCO als „maskierter“ Tyrann. Ein Topos druckgraphischer Darstellungen des osmanischen Sultans im 15. und 16. Jahrhundert, in: Islamic Artefacts in the Mediterranean World. Trade, Gift Exchange and Artistic Transfer, hrsg. v. Catarina Schmidt Arcangeli u. Gerhard Wolf, Venedig 2010, S. 213–226, hier S. 223–224. 15  Diese Deutung wurde auch von Matthew Dimmock vorgeschlagen. Vgl. Dimmock (2013), S. 49.

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Abb. 2  Behandlung der Fallsucht, aus: John Mandeville, Das Buch des Ritters Herr Hannsen von Montevilla […], Augsburg 1481, fol. 45v (Kat. 1b)

ser sich auf die Säftelehre berufenden Therapie sollte durch die Hitze der Kauterisation, des Verbrennens oder Verätzens von Gewebe, der Körper des Patienten von einem Überschuss an kalt-feuchtem Schleim (phlegma) befreit werden, auf den die Anfälle zurückgeführt wurden.16 Die beiden vom Erzähler Mandeville kolportierten Geschichten gehörten bereits lange zum Kanon der lateinischen Literatur über den Propheten. Die Fabel vom ermordeten Einsiedler kann als eine Weiterdichtung der bereits im 8. Jahrhundert bei Johannes von Damaskus erwähnten Geschichte vom ketzerischen Mönch Bahira gelten, der Mohammed bei der Verfassung des Korans geholfen haben soll.17 Auf eine Unterweisung 16  Vgl. Krämer, Günter: Kleines Lexikon der Epileptologie, Stuttgart u. a. 2005, S. 46, 157. Die Methode des Brennens ist ebenfalls für das späte Mittelalter nachgewiesen. Vgl. Schmid, Wolfgang: Ein Heiltumsdruck für Kornelimünster, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, 107/108, 2005–2006, S. 149– 167, hier S. 163. Auch in der islamisch-persischen Kultur hat es die Praxis des „Ausbrennens“ gegeben. Vgl. Schneble, Hansjörg: Heillos, heilig, heilbar. Die Geschichte der Epilepsie von den Anfängen bis heute, Berlin u. a. 2003, S. 16. 17  Johannes von Damaskus deutete dabei wahrscheinlich selbst eine arabische Quelle um. Die frühen Biographen Muh ammad b. Ish āq und Muh ammad b. Sa,d aus dem 8. und 9. Jahrhundert berichten von einem syrischen Mönch, der Mohammed im Knabenalter als den Gesandten Gottes erkannt habe. Vgl.

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durch den Einsiedler deutet in den Reisen der Hinweis, dass Mohammed ihm gerne zuhörte („geren hort“) und oft zu ihm ging. Als direkte Vorlage für diese Episode diente dem Autor wahrscheinlich der Traktat De statu Saracenorum (1271–73) des Wilhelm von Tripolis, auf den noch einzugehen ist.18 Die Behauptung, Mohammed habe unter Epilepsie, der Fallsucht, gelitten, lässt sich bis auf die Chronographia des Byzantiners Theophanes (gest. 818) zurückverfolgen und wurde besonders durch die lateinischen Mohammedbiographen des beginnenden 12. Jahrhunderts verbreitet.19 Mit der Epilepsie, die bis ins 19. Jahrhundert von nicht muslimischen Autoren immer wieder herangezogen wurde, um Mohammeds Unterweisungen durch den Erzengel Gabriel als Krankheitssymptome abzutun,20 verband sich im Mittelalter die Vorstellung, der von den Anfällen Heimgesuchte sei von bösen Geistern oder Dämonen besessen.21 Dieser Glaube speiste sich nicht zuletzt aus den Evangelien, die berichten, Jesus habe durch die Austreibung eines Geistes einen Besessenen geheilt, der als mondoder fallsüchtig galt.22 Eine noch drastischere Erklärung gab der Erzbischof Embrico von Mainz in der ihm zugeschriebenen Vita Machometi (um 1100). Hier ereilt den Propheten die Epilepsie als eine göttliche Strafe für seine schlechten Taten:

D’Ancona (1994), S. 39–40; Johannes Damaskenos und Theodor Abū-Qurra. Schriften zum Islam. Kommentierte griechisch-deutsche Ausgabe, hrsg. v. Reinhold Glei/ Adel Theodor Khoury, Würzburg u. a. 1995, S. 44–46; Bobzin (32006a), S. 10. Zu Muh ammad b. Ishāq und Muh ammad b. Sa,d vgl. Jones, J./ Marsden B.: Ibn Ishāk, in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline.com/entries/ encyclopaedia-of-islam-2/ibn-ishak-SIM_3222; Fück, Johann W.: „Ibn Sa’d“, in: ebd., http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/ibn-sad-SIM_3343, beide (25.01.2014). 18  Giovannini (2005), S. 73. 19  Theophanes’ Chronographia (810) wurde von Anastasius Bibliothecarius (gest. vor 886) ins Lateinische übertragen. Vgl. Di Cesare (2012), S. 52–53. Während die Behauptung, Mohammed habe an Epilepsie gelitten, unter den lateinischen Autoren sehr verbreitet war, finden sich in den arabischen Quellen keine eindeutigen Hinweise auf eine Erkrankung Mohammeds. Vgl. Temkin, Owsei: The Falling Sickness. A History of Epilepsy from the Greeks to the Beginnings of Modern Neurology [1945], Baltimore/ London 1994, S. 153; Bennett (1998), S. 80. Zu den frühen lateinischen Divulgatoren der Epilepsie-Legende zählen die Gesta des Benediktiners Guibert von Nogent, die in Versform verfasste Vita Machometi des Embrico von Mainz sowie Walter von Compiègnes Otia de Machomete. Vgl. Guiberti Novigenti Historia qui dicitur Gesta Dei per Francos, Recueil des Historiens des Croisades: Historiens Occidentaux, Paris 1879, Bd. 4, Lib. I, Kap. IV. Zitiert nach Luchitskaja, Svetlana: The Image of Muhammad in Latin Chronography of the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: Journal of Medieval History, 26, 2000, 2, S. 115–126; Pont, Alexandre du: Le Roman de Mahomet de Alexandre Du Pont (1258), édition critique précédée d’une étude sur quelques aspects de la légende de Mahomet au Moyen Age. Avec le texte des „Otia de Machomete“ de Gautier de Compiègne (12e siècle), hrsg. v. Yvan G. Lepage, Paris 1977, S. 138, Vers 401. 20  Etwa bei Muir, William: The Life of Mahomet, London 1861, With Introductory Chapters on the Original Sources for the Biography of Mahomet, and the Pre-Islamite History of Arabia, Bd. 1, S. 21. 21  Vgl. Temkin (1994), S. 85–102, 137–144. 22  Vgl. Lukas 9,38–42; Matthäus 17,14–18; Markus 9,17–29.

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Hinc sibi vindictam Dominus memor esse relictam, Mammutium subito percutit, et merito; Nam male pro gestis capit hunc epileptica pestis, Quae vexat miserumpro numero scelerum.23 Der die Fallsucht des Propheten illustrierende Holzschnitt verleiht der Geschichte jedoch einen anderen Charakter. Einerseits diente das Bild dazu, den sonst so mächtigen Mann im Zustand der Hilflosigkeit zu zeigen und durch die Abwesenheit jeglicher Licht- oder Engelserscheinung zu verdeutlichen, dass die Offenbarungen Mohammeds keineswegs auf göttliche Inspiration zurückzuführen seien. Andererseits geben weder Text noch Bild einen Hinweis darauf, dass die Anfälle eine göttliche Strafe seien, noch werden sie auf böse Geister zurückgeführt. Gerade die Darstellung der Therapie des Brennens deutet an, dass die vermeintliche Fallsucht des Propheten nicht auf eine übernatürliche Kraft zurückzuführen, sondern rein physikalisch zu erklären und behandeln ist. Damit wird die Behauptung Mohammeds, er spräche während der Anfälle mit Gabriel, zwar keineswegs moralisch oder theologisch legitimiert, jedoch liegt der Hauptakzent nicht auf einer Verurteilung Mohammeds, sondern auf der Darstellung seines außergewöhnlichen und erschreckenden Schicksals. Tatsächlich war die seit der Antike auch als morbus sacer (heilige Krankheit) oder im neuzeitlichen Französisch als mal des prophètes bekannte Epilepsie nicht ausschließlich negativ bewertet, sondern wurde bisweilen auch mit positiven Fähigkeiten, wie etwa der Gabe der Weissagung, in Zusammenhang gebracht.24 In Tommaso Campanellas Dialog La Città del Sole von 1602 findet sich sogar die Aussage, die Epilepsie sei ein Charakteristikum besonders talentierter Männer. Mohammed erscheint hier als eine der Geistesgrößen, die unter der Krankheit litten: „Questa malattia [il morbo sacro] è indizio di non ordinario ingegno ed andaronvi soggetti gli uomini più celebri come Ercole, Scoto, Socrate, Callimaco e Maometto.“25 Die Basler Ausgabe der Reisen widmet der Geschichte Mohammeds einen einzigen etwas ausführlicheren, hinsichtlich der geschilderten Ereignisse aber weitgehend identischen Passus, der am Ende des Buches steht. Hier figuriert der Prophet in drei Holzschnitten, die jeweils eine Seite nach der dazugehörigen textlichen Schilderung folgen.

23  Hildebertus Cenomanensis: Venerabilis Hildeberti primo Cenomanensis episcopi deinde Turonensis archiepiscopi opera omnia, in: Patrologia Latina, hrsg. v. J.-J. Bourassé, Bd. 171, Paris 1845, 1343–1366, 1359D, Canto XI. Das Gedicht wurde früher Hildebert von Tour (um 1056–1133), dem Bischof von Le Mans, zugeschrieben. Zur darin gegebenen Darstellung Mohammeds vgl. Tolan, John V.: Anti-Hagiography: Embrico of Mainz’s „Vita Mahumeti“, in: Journal of Medieval History, 22, 1996, S. 25–41; Rotter, Ekkehard: Embricho von Mainz und das Mohammed-Bild seiner Zeit, in: Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik, hrsg. v. Franz Staab, Speyer 1994, S. 69–136. 24  Schneble (2003), S. 17, 50. 25  Campanella, Tommaso: La città del sole [1623], Lugano 1836, S. 53.

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Abb. 3  Mohammed als Kamelführer, aus: John Mandeville, [Reise in das Heilige Land], Basel 1481, o. P., Kap. 15 (Kat. 2a)

Im ersten Bild erscheint die große Figur des jungen, noch bartlosen Mohammed mit Stock und Schwert, wie er ein mit Transportgut beladenes Kamel führt (Kat. 2a, Abb. 3). Die Graphik bezieht sich auf die zu Beginn der Lebensbeschreibung erwähnte niedrige Herkunft des Propheten. Mohammed sei ein „arm knecht“ und Kameltreiber in Diensten arabischer Kaufleute gewesen.26 Die durch ein dynamisches Schrittmotiv und einen energischen Griff in das Geschirr des Kamels charakterisierte Figur, die mit dem Stock in der Linken aus dem Bildfeld hinausdrängt, lässt die Agilität und die großen Ambitionen des Dargestellten allerdings bereits erahnen.27 Eine andere Position vertritt die Basler Übersetzung hinsichtlich Mohammeds vermeintlicher Epilepsie. Der Holzschnitt zu dieser Passage zeigt den nun älteren, bärtigen Propheten mit verdrehten Gliedern vor seiner Frau auf dem Boden liegend (Kat. 2b, Abb. 4). Diese reißt bestürzt die Arme in die Luft. Die dazugehörige Schilderung lautet:

26  Mandeville (Basel 1481), fol. [101v]. 27  Sehr ähnliche Darstellungen der Episode finden sich bereits in der Buchmalerei. Vgl. Gonzalez (2014), Nr. 31–35.

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Abb. 4  Der betrunkene Prophet, aus: John Mandeville, [Reise in das Heilige Land], Basel 1481, o. P., Kap. 15 (Kat. 2b)

Machomet hatt ovch einen sitten an Im das er dick gar truncken wart und dick nider viel und ward sind wib denn betrübt vnd wond es wer von siechtagen und so er den wider zu Im selber kam so gab er denn sinem wib zu v[er]stant und anderen lüten, Gabriel der engel wer by Im gesin […].28 Wieder instrumentalisiert Mohammed die ihn ereilende Ohnmacht, um seiner Umgebung glaubhaft zu machen, der Erzengel Gabriel kommuniziere mit ihm. Anders als in der Augsburger Fassung leidet Mohammed hier jedoch nicht an einer Krankheit („siechtagen“), wie seine Frau zunächst annimmt („wond“). Vielmehr sei seine Angewohnheit, oft sehr betrunken („dick gar truncken“) zu sein, für die Zustände der Bewusstlosigkeit verantwortlich. Das Erzählmotiv des Alkoholmissbrauchs wird auch in der Folge weitergeführt, wenn wie in der Basler Fassung die Geschichte vom Mord an dem mit dem Propheten befreundeten Einsiedler berichtet wird.29 Der Illustrator entschied sich jedoch, nicht 28  Ebd., fol. [102r]. 29  Auch diese Geschichte erscheint in der Basler Fassung leicht abgewandelt. Hier finden die Knechte den trunkenen Propheten im Schoße des Einsiedlers schlafend und wollen ihn mit seinem eigenen

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Abb. 5  Mohammed verflucht den Wein, aus: John Mandeville, [Reise in das Heilige Land], Basel 1481, o. P., Kap. 15 (Kat. 2c)

diese Szene, sondern die darauf folgende Verfluchung des Weines durch Mohammed ins Bild zu setzen (Kat. 2c, Abb. 5). Dieser Holzschnitt wurde dadurch herausgehoben, dass er größer ist als die vorherigen, außerhalb des Textspiegels steht und das Buch abschließt. Mohammed, dessen Gewandung und Barttracht hier wieder den zeitgenössischen Orientalen-Ikonographien entsprechen, womit er der Figur der Augsburger Ausgabe ähnelt, steht vor einem ihn überragenden Weinstock, dessen Reben er gerade mit seinem Bann belegt. Die bildliche Gegenüberstellung von Prophet und Weinrebe lässt sich allegorisch auslegen: Mohammeds Verwünschung der Pflanze kann als Parallele zum einzigen Strafwunder Christi gelesen werden, der einen fruchtlosen Feigenbaum durch sein Wort verdorren ließ (Matthäus 21,18–20). Jedoch tritt Mohammed hier in Opposition zu Christus, worauf gerade durch die Bildpräsenz der üppigen Trauben hingewiesen wird, die deren symbolische Valenz nahelegt. Die religiöse Bedeutung des Weines, der zum Blut Christi gewandelt zum Sakrament des Abendmahls gehört, war jedem Christen S­ chwert erschlagen. Doch der Einsiedler rettet den Propheten, indem er sich selbst ins Schwert wirft. Als Mohammed kurz darauf erwacht, geben ihm die Knechte zu verstehen, er habe den Einsiedler erschlagen. Vgl. ebd., fol. [102v].

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geläufig. Zudem finden sich in der christlichen Bildtradition zahlreiche Beispiele für die Gleichsetzung Christi mit der Weinrebe.30 Das islamische Verbot des Weines wird somit bildlich als eine bewusste Ablehnung des christlichen Altarsakraments interpretiert.31 Damit erscheint Mohammed bereits in einer der frühsten druckgraphischen Darstellungen als Gegenspieler Christi – eine Tradition, die sich bis in 20. Jahrhundert fortsetzt.32 Der letzte Holzschnitt der Basler Reisen forciert somit eine Deutung Mohammeds als Widersacher Christi und vermittelt damit eine Sichtweise, die in dieser Deutlichkeit vom Text nicht artikuliert wird. Insgesamt entwerfen die kurzen „Biographien“ der beiden Ausgaben der Reisen ein eher schillerndes denn eindeutig antichristliches Bild von Mohammed. Zentrales Motiv der Erzählungen ist die steile gesellschaftliche Karriere des Propheten: Aus ärmsten Verhältnissen stammend und zunächst als einfacher Knecht arbeitend, habe er schnell selbst Reichtum erlangt und sei zum Berater eines Fürsten bzw. des Königs von Corodan (Chorasan) aufgestiegen.33 Nach dessen Tod habe er die Witwe geheiratet und sei selbst zum Herrscher des Landes geworden. Um seine weltliche Autorität noch durch eine religiöse zu mehren und seine Epilepsie bzw. seine Trinksucht zu kaschieren, habe Mohammed schließlich behauptet, der Erzengel Gabriel habe ihm die Gesetze Gottes übermittelt. Als einziges übersinnliches Element berichten die Ausgaben von dem ersten Wunder, dass Mohammed in der Wüste Arabiens (bzw. im Sinai) vollbracht haben soll: Beim Eintreten des Propheten habe sich die kleine Tür eines Kastells (bzw. das Häuslein des Einsiedlers) in ein großes Tor (ein großes Haus) verwandelt.34 Während die Augs30  Christus soll sich selbst mit einem Weinstock verglichen haben. Im Neuen Testament heißt es bei Johannes 15:1: „Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater der Weingärtner.“ Die bildliche Gleichsetzung Christi mit der Weintraube findet sich schon in frühchristlicher Zeit. Vgl. Eckhart, Lothar: „Die große Traube Christus“. Ein römerzeitliches Grabrelief aus dem nördlichen Wienerwald, in: Jahrbuch für Antike und Christentum, 19, 1976, S. 173–198. Eine Verknüpfung des Symbols der Christus-Traube mit der Passion findet sich auch in der Ikonographie der mystischen Kelter. So etwa in der Darstellung auf dem heute im Mittelrhein-Museum in Koblenz befindlichen Triptychon des Meisters des BartholomäusAltars von 1500–1510. Siehe Spiegel der Seligkeit. Privates Bild und Frömmigkeit im Spätmittelalter, hrsg. v. Frank M. Kammel, Ausstellungskat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2000, S. 188, Abb. 24b. 31  Diese Deutung findet sich bereits im Liber peregrinationis des Iacobus de Verona (nach 1335), der das muslimische Weinverbot als gegen die Eucharistiefeier gerichtet versteht. Vgl. Di Cesare (2012), S. 459, 464. 32  Vgl. hierzu etwa den 1904 von Sascha Schneider gestalteten Buchdeckel zu Karl Mays Reiseerzählungen, auf dem Mohammed und Jesus als vermeintliche Gegenspieler unmittelbar nebeneinanderstehen (Abb. 91, Kat. 68). 33  Vgl. Mandeville (Augsburg 1481), fol. [45v]; Ders. (Basel 1481), fol. [101r]. Das Gebiet Chorasan in Zentralasien gehörte zum sassanidischen Großreich, bis es 651, also nach Mohammeds Tod, im Zuge der arabischen Expansion unter islamische Herrschaft fiel. 34  Dieses Wunder findet sich auch in den Lebensbeschreibungen des Wilhelm von Tripolis, die dem Text Mandevilles als Vorlage dienten. Allerdings handelt es sich bei dem wundersam verwandelten Tor hier um den Eingang eines Klosters. Vgl. Di Cesare (2012), S. 351, 360.

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burger Fassung deutlich macht, dass es sich hierbei um kein wirkliches Wunder handle, da es „mit [L]isten“ geschah, gibt die Basler Fassung lediglich an, dass es sich bei dieser Geschichte um eine Sage der „Heiden“ handle.35 Zwar lässt sich bei vielen dieser biographischen Angaben eine zumindest grobe Ähnlichkeit mit den islamischen Überlieferungen feststellen, die einzelnen Elemente sind jedoch in ihrem Sinn entstellt und ins Fabulöse gesteigert. Die Quellen legen zwar nahe, dass Mohammed, der als Vollwaise seit seinem achten Lebensjahr unter der Obhut seines Onkels Abū Tālib  stand, nicht in Reichtum aufwuchs. Jedoch war sein Vormund das Oberhaupt eines angesehenen arabischen Klans, des Banū Hāšim, und betrieb einen Karawanenhandel mit Syrien. Schlichtweg falsch ist die Behauptung über Mohammeds Adelsheirat, denn seine erste Frau Hadiga war zwar die wohlhabende Witwe eines Karawanenbesitzers, aber keine Königin oder Fürstin.36 Auch durch diese Abwandlungen erscheint die Karriere des Propheten nur noch erstaunlicher. Ein anderes rein fiktionales Element ist die Bezeichnung Mohammeds als „heiden got“ oder „abgot“.37 Diese Benennung entspricht der Darstellung des Islam in der Dichtung und Ritterepik, wie sie in den Chansons de geste geläufig war, in denen die Sarazenen häufig als pagane Götzendiener und Mohammed als einer ihrer Götter beschrieben wurden. Jedoch erscheint diese Titulierung Mohammeds in den Reisen als wenig ernst gemeint,38 denn in der Folge wird in einer Übersetzung des Glaubensbe­ kenntnisses (aš-šahāda) sogar das muslimische Verständnis von der Einheit Gottes und der Rolle Mohammeds als dessen Bote herausgestellt.39

35  Mandeville (Augsburg 1481), fol. [45v]; Ders. (Basel 1481), fol. [102r]. 36  Acker, Marieke van: Mahomet dans ses biographies occidentales du Moyen Âge. Entre anti-saint et antéchrist, Diss., Gent 1999, S. 64–67. In der Vita Machometi des Adelphus (12. Jh.) wird Hadiga als die Witwe des Königs von Babylonien beschrieben. Ebd., S. 67. Die Überlieferung dieser Episode aus Mohammads Leben war im lateinischen Westen über die Chronographia des Theophanes bekannt und wurde im 14. und 15. Jahrhundert auch in der Buchmalerei dargestellt. Vgl. Fontana, Maria Vittoria: Muhammad and Khadija in an Illustration of a 14th-Century Manuscript of the „Satirica Ystoria“ by Paulinus Venetus (MS. Vatican Latin 1960), in: Schmidt Arcangeli/Wolf (2010), S. 205–216. 37  Mandeville (Augsburg 1481), fol. [45r]; Ders. (Basel 1481), fol. [6r]. 38  Pellat unterteilen die islamspezifische Literatur des Mittelalters in drei Kategorien, die sich hinsichtlich ihrer Sachlichkeit und Kenntnis in der Darstellung des Islam unterscheiden. Die Charakterisierung Mohammeds als Gott der Muslime ist ein Motiv, das zur dritten, realitätsfernen Kategorie der epischen Darstellungen gehört. Pellat Y./Pellat, Charles: L’idée de Dieu chez les „Sarrasins“ des Chansons de Geste, in: Studia Islamica, 22, 1965, S. 5–42, hier S. 12: „[L]es œuvres qui appartiennent à cette troisième catégorie présentent les Sarrasins comme des polythéistes dont le panthéon, de dimensions variables, a pour clé de voûte Mahomet et s’en tiennent à cette vision fantaisiste de l’Islam dans un dessein dont on essaiera de percer le mystère; cette image, on l’a devine, est celle qu’offrent les chansons de geste.“ 39  Vgl. Mandeville (Augsburg 1481), fol. [45v–46r].

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Zwei Punkte sind an der in den Reisen enthaltenen Beschreibungen Mohammeds und des Islam besonders hervorzuheben: Zunächst ist zu bemerken, dass Mandeville und seine Übersetzer zwar ein fabulöses und negatives Bild des Propheten entwerfen, dieses aber, verglichen mit der Mehrzahl der im 15. und 16. Jahrhundert publizierten Schriften, in seiner antiislamischen Grundhaltung gemäßigter ist. Anstatt die Unterschiede zum Christentum als vermeintliche „Fehler“ des Islam in den Vordergrund zu stellen, werden die Übereinstimmungen der beiden Religionen betont. So berichtet Mandeville, dass die Muslime nicht nur an die Jungfräulichkeit Mariens glaubten, sondern dass sie, wie die Christen, Fastenzeit hielten und Jesus als den größten der Propheten verehrten.40 Er kommt sogar zu dem Schluss, dass die Muslime leicht zum Christentum zu bekehren seien. Zur Bekräftigung seiner These fügt er die Behauptung an, die Muslime sähen ein, dass nur der christliche Glaube Bestand haben werde.41 Diese Schilderung des Islam hängt mit der Entstehungszeit und den bei der Abfassung des Textes verwendeten Quellen zusammen.42 Gegen Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts erlebten die Missionsbestrebungen der lateinischen Kirche, betrieben vor allem durch die noch jungen Orden der Franziskaner und Dominikaner, aber auch von herausragenden Einzelpersonen, wie Raimund Lull (1232–1316), der sich unter anderem für die Etablierung des Studiums der arabischen Sprache in Europa einsetzte, einen Höhepunkt. In der Betonung der Übereinstimmungen zwischen Christen und Muslimen spiegeln die Reisen das damalige Ansinnen einer Konvertierung der Muslime in Nordafrika. Für die Darstellung des Islam und Mohammeds stützte sich der Autor besonders auf die beiden Wilhelm von Tripolis zugeschriebenen Werke Notitia de Machometo et de libro legis qui dicitur Alcoran […] und De statu Sarracenorum et de Mahometo pseudopropheta eorum et de ipsa gente et eorum lege, die 1271 beziehungsweise

40  Ebd., fol. [44r, 44v]. 41  Ebd., fol. [44v]: „darumb so wären sy [die Muslime] leicht zu bekeren wann sy vil artickel unsers gelaubens halten. Und wenn man in sagt von christo und inen die prophecien außlegt dass hören sy geren und das des machmets gelaub werd zergeen als der juden gelaub, aber der cristen gelaub wird beleiben.“ Die Basler Ausgabe ist in dieser Hinsicht etwas zurückhaltender. Hier heißt es lediglich, Mohammed „lobte christum und mariam und die propheten“. Ders. (Basel 1481), fol. [101v]. 42  Die Forschung sieht in den Darstellungen Mandevilles eine gemessen an seiner Zeit offene und respektvolle Haltung gegenüber kulturell Anderen, was nicht nur Muslime, sondern auch Heiden und „Wilde“ betreffe. Die Natur und der „God of nature“ werden als Kräfte betont, die alle Erdbewohner verbinden. Vgl. Moseley, Charles W. R. D.: Mandeville and the Amazons, in: Bremer/Röhl (2007), S. 67–78, hier S. 69. Neben der Betonung der religiösen Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam werden in Mandevilles Beschreibung auch die interreligiösen Kooperationen in Handel, Politik und Kriegsführung deutlich. Vgl. Grady, Frank: „Machomete“ and Mandeville’s Travels, in: Medieval Christian Perceptions of Islam. A Book of Essays, hrsg. v. John V. Tolan, New York/London 2000, S. 271–288, bes. S. 283.

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1272–73 entstanden und in denen sich der Dominikaner ebenfalls für eine friedliche Missionierung der Muslime einsetzte.43 Es ist bemerkenswert, dass diese angesichts der sich verschärfenden militärischen Bedrohung durch das Osmanische Reich gegen Ende des 15. Jahrhunderts anachronistisch anmutende Beschreibung des Islam in den Texten der Editionen aus Basel und Augsburg kaum abgewandelt wurden. Generell spricht dies für die von Guy Le Thiec vertretene These, während der Auseinandersetzungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich habe es eine beständige Hoffnung auf eine krypto-christliche Einstellung der Osmanen und deren baldige Konvertierung gegeben.44 Diese Hoffnung spiegelt sich sowohl in einer erneuten Beschäftigung mit dem Islam und dem Koran durch einzelne irenische Theologen,45 sie wurde aber auch für die einfache Bevölkerung rezipierbar in 43  Vgl. Daniel (1960) S. 237; Kedar, Benjamin Z.: Crusade and Mission. European Approaches toward the Muslims, Princeton 1984, S. 181; Il Corano e la tiara. L’epistola a Maometto di Enea Silvio Piccolomini (papa Pio II), hrsg. v. Luca D’Ascia, Bologna 2001, S. 21. Die Zuschreibung des Tractatus de statu Sarracenorum an Wilhelm von Tripolis wird neuerdings in Frage gestellt. Vgl. Tolan, John V.: Saracens. Islam in the Medieval European Imagination, New York 2002, S. 204. Michelina Di Cesare greift den Ansatz der Pellats auf und unterteilt die verschiedenen schriftlichen Auseinandersetzungen mit Mohammed im orbis christianus des Mittelalters in Abhängigkeit vom jeweiligen literarischen Genre und der Aussageintention in drei verschiedene Gattungen: Das „pseudo-historische“ Bild vom Propheten entstand in der frühen Auseinandersetzung mit dem Islam im 7. Jahrhundert in Syrien und im 8. Jahrhundert in Spanien und greift auf ursprünglich islamische Quellen zurück, die es im eigenen Sinne abwandelt. Damit zeigen diese Texte, bei denen es sich meist um apologetische und missionarische Schriften handelt, noch die größten Übereinstimmungen mit den geschichtlichen Beschreibungen islamischer Tradition. Die beiden anderen Gattungen, das „legendäre“ Bild und die Darstellungen des „Gottes Mohammed“, entstammen der Erbauungsliteratur, in Prosa und Dichtung, wobei die Vorstellung von Mohammed als Gott bzw. Idol ein spezifisches Produkt der Kreuzfahrerliteratur ist. Vor allem die zweite Gattung neige dazu, das Leben des Propheten mit fantastischen Elementen, wie etwa den Berichten über gefälschte Wunder, auszuschmücken. Vgl. Di Cesare, Michelina: The Prophet in the Book. Images of Muhammad in Western Medieval Book Culture, in: Shalem (2013), S. 9–32, hier S. 10–11. Die Schilderungen des Wilhelm von Tripolis rechnet Di Cesare der Gattung des „pseudo-historischen“ Bildes zu. Vgl. ebd., (2012), S. 349–364. 44  Vgl. Le Thiec, Guy: „Et il y aura un seul troupeau“. L’imaginaire de la confrontation entre Turcs et Chrétiens dans l’art figuratif en France en Italie de 1453 aux années 1620, Diss., Lille 1994, S. 3. Zu der nach 1453 noch populären Hoffnung auf eine baldige Konvertierung der Osmanen zum Christentum vgl. Schwoebel (1969), S. 14. 45  Beispiele für eine aktiv vertretene, irenische und missionarische Haltung gegenüber den Osmanen finden sich in den Schriften von Nikolaus von Kues und Juan de Segovia. Unmittelbar nach dem Fall Konstantinopels 1453 schrieb von Kues gegen die allgemeine Kreuzzugsbegeisterung an. Sowohl in De pace fidei von 1453 als auch in der Cribratio Alcorani von 1460/61 sucht er gemeinsame Anknüpfungspunkte zwischen den Religionen, um einen Dialog zu ermöglichen. Vgl. Hagemann, Ludwig: Der Kur῾ān . in Verständnis und Kritik bei Nikolaus von Kues. Ein Beitrag zur Erhellung islamisch-christlicher Geschichte, Frankfurt a. M. 1976, Vorwort und S. 182. Im Zuge einer auf eine friedliche Bekehrung der Muslime setzenden Politik spielte auch die Übersetzung des Korans eine zentrale Rolle. So kritisierte der spanische Theologe und 1449 zurückgetretene Kardinal Juan de Segovia, dass sich die christlichen Autoren in ihren Darstellungen des Islam auf ihre Phantasie gestützt hätten. Mit der vorherigen Übersetzung Rober Ket-

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Der Prophet als Antiheld

Bildern zum Ausdruck gebracht, wenn sich etwa bei Darstellungen der „Heiligen Drei Könige“ über die Kleidung und Standarten als Muslime identifizierbare Figuren in den Tross zur Huldigung des Christuskindes einreihen.46 Mohammed erscheint in Mandevilles Reisen weniger als eine Bedrohung denn als eine tragische Figur, die durch Ehrgeiz und Begabung Erstaunliches erreicht, aber von Krankheit und Lastern gezeichnet ist und durch Betrug in die Irre geleitet wird. Allerdings bricht Mohammed dabei mit den Konventionen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Von der niedrigsten sozialen Schicht zum Herrscher aufsteigend, erlebt er eine für die zeitgenössischen Leser unerhörte Karriere. Als Grenzüberschreiter ist Mohammed zwar eine faszinierende Gestalt, er muss jedoch aufgrund der Anwendung illegitimer Praktiken und seiner Regelbrüche gegen die „gottgegebene“ soziale Ordnung scheitern und kann eben keine Heldenfigur werden.47 Auch wenn mit der bildlichen Darstellung der Verfluchung der Weinrebe und der expliziten Schilderung des Weinverbotes bereits Motive anklingen, die Mohammed als einen Gegenspieler Christi erscheinen lassen, liegt der Fokus der Reisen nicht auf einer religiösen Verurteilung des Propheten. Stattdessen liest sich die Lebensbeschreibung Mohammeds wie die Geschichte eines Antihelden. Denn während es zu den damals gängigen Erzählmustern gehörte, dass der christliche Held, nachdem er den armen Verhältnisse seiner Kindheit entronnen war, entdeckt, dass

tons unzufrieden, fertigte er mit Hilfe des Muslimen Yça Giedlli 1456 eine neue Übertragung ins Katalanische und Lateinische. Leider ist dieses Werk bis auf den überlieferten Prolog und ein kürzlich wiederentdecktes Fragment verschollen. Vgl. Fromherz, Uta: Johannes von Segovia als Geschichtsschreiber des Konzils von Basel, Diss., Basel/Stuttgart 1960, S. 52; Bobzin, Hartmut: Der Koran im Zeitalter der Reformation. Studien zur Frühgeschichte der Arabistik und Islamkunde in Europa, Stuttgart 1995, S. 66; López-Morillas, Consuelo: The Genealogy of the Spanish Qur’an, in: Journal of Islamic Studies, 17, 3, 2006, S. 255–294, hier S. 272–277. Roth, Ulli/Glei, Reinhold F.: Die Spuren der lateinischen Koranübersetzung des Juan de Segovia. Alte Probleme und ein neuer Fund, in: Neulateinisches Jahrbuch, 11, 2009, S. 109–154. 46  Etwa in den Kupferstichen der „Anbetung der Könige“ von Martin Schongauer (1482) und Albrecht Dürer (1511), die hinter den Königen Reiter mit Halbmondflaggen in orientalischen und bei Dürer sogar als osmanisch zu identifizierenden Gewändern zeigen. Vgl. Scherbaum, Anna: Albrecht Dürers Marienleben. Form, Gehalt, Funktion und sozialhistorischer Ort, Wiesbaden 2004, S. 37, Abb. 12; Martin Schongauer. Das Kupferstichwerk, hrsg. v. Tilman Falk/Thomas Hirthe, Ausstellungskat. Staatliche Graphische Sammlung München, München 1991, S. 47. 47  Als Parvenu, der mit Raffinesse und Skrupellosigkeit die Ordnung der Gesellschaft durchbricht, erscheint Mohammed auch noch in den literarischen Schöpfungen des 15. Jahrhunderts. So etwa in Laurent de Premierfaits französischer Übersetzung De la ruyne de nobles hommes et femmes (1476) von Giovanni Boccaccios De casibus virorum illustrium. Premierfait fügte der Version Boccaccios, der den Propheten zwar erwähnt, seine Geschichte aber nicht erzählt, eine eigene hinzu, in welcher der Prophet vom Kameltreiber zum Herrscher aufsteigt. Vgl. Badir, Magdy G.: Voltaire et l’Islam, Banbury/Oxfordshire 1974, S. 35–42.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

er eigentlich ein verlorener Königssohn ist, erlebt Mohammeds Aufstieg keine nachträgliche Legitimierung.48

Mohammed als Richter und Kriegsherr Die Chroniken und Kosmographien des späten 15. und des 16. Jahrhunderts zeigten weniger Interesse am gesellschaftlichen und „privaten“ Schicksal des Propheten. Ihr Hauptaugenmerk galt seinen politischen und militärischen Taten. Entsprechend wurde Mo­ hammed in den Texten und Bildern als Gesetzgeber und Kriegsherr vorgestellt. Buch und Schwert erscheinen hier erstmals als die zentralen Attribute seiner Figur. Anders als der listige Parvenu der Reisen waren diese Typen nicht a priori negativ konnotiert. Wenn auch das Urteil der hier behandelten Autoren über den Propheten durchweg pejorativ blieb, eröffnete die von ihnen angestrebte historische und geographische Kontextualisierung seiner Figur eine Sichtweise, die vor allem in der Aufklärung ab dem späten 17. Jahrhundert von zentraler Bedeutung werden sollte. Die mit 1.809 Holzschnitten überaus reich illustrierte Weltchronik des Arztes und humanistischen Gelehrten Hartmann Schedel (1440–1514) erschien 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg zunächst auf Latein und knapp sechs Monate später in der deutschen Übersetzung von Georg Alt (1450–1510). Einer christlichen Zeiteinteilung folgend führt sie den Propheten als eine der Personen des „sechsten Weltzeitalters“ an und präsentiert ihn in einem Holzschnitt, der anders als die meisten übrigen Graphiken des Buches nur einmal, ausschließlich für diesen Zweck verwendet wurde (Kat. 3a, 3b, Abb. 6).49 Als Incipit der Mohammed gewidmeten Passage erscheint der Prophet am linken Rand des annähernd quadratischen Bildfeldes unter einem Baldachin thronend mit einem aufgeschlagenen Buch auf dem Schoß. In dem Saal vor ihm befinden sich drei weitere Figuren: ein älterer Mann, der auf die Knie gefallen ist und sich mit einem Supplikationsgestus an den Propheten richtet, zwischen diesen Figuren, unmittelbar zur Rechten des Baldachins ein weiterer Mann, der seinen Kopf in Richtung des Propheten neigt und dabei mit seinem Finger auf den Knienden verweist, und am rechten Rand ein die Szene abschließender Schwertträger mit Bart und Turban. Letztere Figur, deren Schwert als Symbol der richterlichen Macht des Propheten oder aber als Richtschwert gedeutet wer-

48  Darin unterscheidet sich die Schilderung Mohammeds etwa von der des Ritterhelden in Andrea de Barbarinos Guerrino il Meschino, der etwa um 1410 verfasst wurde und in Italien, Frankreich und Spanien Verbreitung fand. Zur Darstellung der Muslime und Mohammeds, der in diesem Roman als abtrünniger Kardinal der römischen Kirche beschrieben wird, vgl. Allaire, Gloria: Portrayal of Muslims in Andrea da Barberino’s Guerrino il Meschino, in: Tolan (2000), S. 243–269. Zur Schilderung Mohammeds als ehemaligen Kardinal siehe im Folgenden auch das Unterkapitel „Der Prophet als Antichrist“. 49  Nach der für Schedels Buch maßgeblichen christlichen Einteilung gliedert sich die Weltgeschichte entsprechend der Tage der Schöpfung in sieben Zeitalter. Das sechste habe mit Christus begonnen und dauere bis zum Kommen des Antichrist an, das den Untergang der Welt besiegle.

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Mohammed als Richter und Kriegsherr

Abb. 6  „Machomet“, aus: Hartmann Schedel, Das buch der Cronicken […], Nürnberg 1493, fol. CLIv (Kat. 3a)

den kann,50 und die Gesten der anderen Beteiligten lassen darauf schließen, dass es sich um eine Gerichtsszene handelt.51 Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit finden sich zahlreiche Gerichtsdarstellungen und Gerechtigkeitsbilder, die für die Gestaltung der Graphik als Vorbild gedient haben können. Sie finden sich sowohl in den Primärquellen der Jurisprudenz, wo sie zeitgenössische und historische Prozesse abbilden und dabei juristische Praktiken exemplarisch ins Bild setzen, als auch in anderen Kontexten wie als Gemälde und Fres50  Für vergleichbare Darstellungen, in denen der Richter das Attribut seiner Amtsgewalt nicht selbst hält, aber auch Bilder von Scharfrichtern siehe Kocher, Gernot: Zeichen und Symbole des Rechts. Eine historische Ikonographie, München 1992, Abb. 10, 15, 239; 32, 235. 51  Der Zeigegestus von Mohammeds Adlatus wird häufig von Zeugen, Schöffen oder Anklägern vollführt, ist aber nicht immer klar auslegbar. Vgl. ebd., S. 37, 145–146. Auch die bittende Handhaltung des knienden Mannes gehört zu den geläufigen Gebärden bei Gerichtsszenen. Vgl. ebd., Abb. 59, 60.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

ken seit dem späten 15. Jahrhundert in Gerichtsstätten und Rathäusern.52 Unterscheidbar sind die Darstellungen auch dahingehend, ob es sich um das Exempel eines gerechten oder ungerechten Prozesses handelt. Während zum Beispiel Salomon als Prototyp des weisen und unbestechlichen Richters figuriert, erscheinen etwa Pilatus, Kaiphas oder Midas als dessen Gegenbilder. Es stellt sich also die Frage, wie Mohammed in seiner Funktion als Richter bildlich charakterisiert wird? Anders als bei König Midas, der auf seinem Richterstuhl bisweilen mit den ihm von Apoll verliehenen Eselsohren dargestellt wird, ist der Fall hier weniger eindeutig.53 Ein möglicher Hinweis mag im Habitus des Propheten liegen. Während in den meisten Gerichtsdarstellungen auf eine Körperhaltung des Richters Wert gelegt wird, die eine besondere Würde und Ruhe ausstrahlt, und der Vorsitzende etwa durch das aus der Herrscherikonographie entlehnte Motiv überkreuzter oder übereinandergeschlagener Beine kennzeichnet ist,54 erscheint Mohammed im Holzschnitt mit einer ungewöhnlich unruhigen Beinhaltung. Allerdings zeigen andere Gerichtsszenen eine so große Bandbreite an verschiedenen Beinstellungen, dass dieses Motiv für eine eindeutige Charakterisierung nicht ausreicht.55 Bei näherer Betrachtung verspricht die Szene allerdings wenig Hoffnung auf Milde für den Angeklagten. Dies vermitteln nicht nur die nach unten gezogenen Mundwinkel des Propheten, sondern auch das erhobene, sich leicht in Richtung des Angeklagten neigende Schwert in der Hand des kräftigen Mannes, der gerade durch seine Position hinter dem Knienden einem Scharfrichter nicht unähnlich ist. Aber nicht nur angesichts der Möglichkeit, dass es sich bei dem Angeklagten durchaus um einen Schuldigen handeln kann, sondern auch aus einer zeitgenössischen Quelle wäre das furchteinflößende Antlitz des Richters zu legitimieren. So heißt es etwa in der Soester Gerichtsordnung von 1500, dass der Richter auf seinem Richterstuhl wie ein „griesgrimmiger Löwe“ sitzen solle.56 Ein in Richterdarstellungen der Zeit hingegen un­gewöhnliches Attribut ist das aufgeschlagene Buch.57 Es erhält in dem Holzschnitt zudem Gewicht, da

52  Zu der hier weniger relevanten Differenzierung juristischer Primär- und Sekundärquellen vgl. ebd., S. 11. 53  So etwa in der berühmten „Verleumdung des Apelles“ von Sandro Botticelli. In dieser Hinsicht ebenfalls sehr viel eindeutiger sind etwa die Szenen des wortgewandten Belial vor dem Richterstuhl Salomons in Jacobus de Teramos Belial (um 1470) oder die „Verurteilung der heiligen Dorothea Cäserea“ durch Sabricius in einer illumierten Handschrift von Jacobus de Voragines Legenda Aurea. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 795, fol. 36r, und Cod. Pal. germ. 144, fol. 139v. 54  Clausdieter Schott hat überzeugend dargelegt, dass die überkreuzten Beine nicht auf den von Walther von der Vogelweide beschriebenen Gestus der Melancholie zurückzuführen sind, sondern sich von der Herrscherikonographie ableiten. Vgl. Schott, Clausdieter: Die Sitzhaltung des Richters, in: Symbolische Kommunikation vor Gericht in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Reiner Schulze, Berlin 2006, S. 153–187, hier S. 168–172. 55  Zu den vielfältigen Darstellungsformen vgl. ebd. 56  Ebd., S. 156. 57  Vgl. Schild, Wolfgang: Bilder von Recht und Gerechtigkeit, Köln 1995, S. 189.

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Mohammed mit dem Zeigefinger darauf verweist. Da aus dem Bild selbst nicht zu ersehen ist, um welche Schrift es sich hier handelt, kann dieses Objekt zugleich als ein intermedialer Verweis auf den vorliegenden Text verstanden werden. Die Erläuterung des „Buches“ und „Gesetzes“ des Propheten nimmt in der nur knapp eine Seite langen Darlegung des Textes relativ viel Raum ein.58 Zunächst wird beschrieben, dass Mohammed sich mit dem hebräischen und christlichen Gesetz auseinandersetzte, wobei er den Juden vorgeworfen hätte, sie würden die jungfräuliche Geburt Mariens abstreiten, und den Christen, dass sie annähmen, der göttliche Bote Jesus sei einen schändlichen Kreuzestod gestorben. Stattdessen hätte der Prophet sein eigenes Gesetz verkündet, mit welchem er die Sarazenen befreien und zu Herrschern über ihre Nachbarn machen wollte. Etwas später im Text erläutert Schedel im Konsens mit der zeitgenössischen theologischen Beurteilung des Korans, dass das Buch Mohammeds eine Mischung aus mosaischen und evangelischen Texten sei, die der Häresie der Nestorianer nahestehe.59 Durch den Textbezug erschließt sich, dass Mohammeds im Bild gemäß seines „häretischen“ Gesetzbuches gefälltes Urteil nicht rechtens sein kann. Allerdings weist die Graphik nicht darauf hin, dass es sich bei dem Verurteilten um einen Juden oder Christen handelt, denn die Gewänder, die die Figuren charakterisieren, entsprechen, abgesehen von den exotischen Kopfbedeckungen des Propheten und des Schwertträgers, dem europäischen Kleidungsstil der Zeit. Wäre es Schedel lediglich um eine Verurteilung des Propheten und seines Glaubens gegangen, so hätte dies weit drastischer und eindeutiger ins Bild gesetzt werden können. Die Entscheidung, Mohammed als Vorsitzenden einer Verhandlung zu präsentieren – ein Darstellungstyp der übrigens ohne Nachfolge blieb –, betont unabhängig von der Frage, ob es sich bei ihm um einen gerechten Richter handelt, zuvorderst, dass Mohammed als Oberhaupt eines eigenen Rechtssystems und Gemeinwesens anzusehen ist. In Anbetracht dessen, dass Gerichts- und Gerechtigkeitsbilder nicht nur in juridischen und juristischen Codices, sondern seit dem 15. Jahrhundert nördlich der Alpen vermehrt auch in öffentlichen Gebäuden angebracht wurden, um die Kapazität und Legitimation der verschiedenen Körperschaften zu betonen,60 erscheint somit auch dem islamischen 58  Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird hier die deutsche Fassung zitiert. Das lateinische Original weicht lediglich gegen Ende des Mohammed-Passus leicht von der deutschen Übersetzung ab. Dabei geht es genauer auf die Freuden des islamischen Paradieses ein und erwähnt auch die vermeintliche Grabesstätte des Propheten in Mekka. Vgl. Schedel, Hartmann: Liber chronicarum. Registrum huius operis libri cronicarum ac figuris et ymagibus ab inicio mundi, Nürnberg 1493a, fol. 151v. 59  Die Behauptung einer Abhängigkeit vom Nestorianismus, womit der Islam als eine christliche Häresie verstanden wird, findet sich bereits in den frühen griechischen Quellen und wurde unter anderem durch das Corpus Toletanum verbreitet und von lateinischen Theologen übernommen, so etwa von Nikolaus von Kues (1401–1464) und Dionysius dem Kartäuser (1402/3–1471). Vgl. Bobzin (32006a), S. 12; Tolan (2002), S. 139. 60  Vgl. Schild (1995), S. 215–216; Kahsnitz, Rainer: „Gerechtigkeitsbilder“, in: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI), Bd. 2, Sp. 134–140, hier. Sp. 136–137.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Gesetz der Charakter einer öffentlichen Institution zugesprochen, die parallel zu den europäischen und christlichen Organisations- und Gesellschaftsformen existiere. In seiner im Vergleich zu den Reisen nüchterneren Beschreibung, in der zum Beispiel kein Mirakelbericht, sondern lediglich der weniger aufregende Hinweis enthalten ist, Mohammed habe sich der „schwarzen Kunst“ (Magie) bedient, um die Völker Asiens zu verführen,61 betont Schedel eindringlich die vom Gesetz des Propheten ausgehende Gefahr. So hätten die unter Mohammed vereinten Sarazenen nicht nur schon den Kaiser Heraklius zu einem „unglückhaftigen“ Menschen gemacht, mittlerweile seien große Teile Asiens und Europas von „mahometischen Fürsten underworffen“. Um die Bedrängnis der zunehmenden Verbreitung des Islam durch die Expansion des Osmanischen Reiches zu veranschaulichen, greift Schedel beziehungsweise in diesem Fall sein Übersetzer Alt mit der Rede vom „Ecklein Europa“ die „angulus“-Metapher auf, die von Papst Pius II. und seinem Sekretär, dem humanistischen Gelehrten Flavio Biondo, ge­ prägt wurde: 62 Dieser mißglawb nymbt yetzo vil meer uberha[n]d dan[n] vor. dan[n] gantz asia und affrica und auch ein großer teil europe sind den machometischen fürsten underworffen. yetzo understeen sich die turcken zu land und wasser uns auß disen egklein europe auch zeveriagen.63 Wenn auch im Holzschnitt das Schwert nicht in der Hand des Propheten erscheint, so wird durch seine Darstellung als Herrscher und Richter deutlich, dass Mohammed als Gründer einer eigenen Gesetzesordnung und eines damit verbundenen Gemeinwesens angesehen werden muss, dessen ungebrochene Macht nun vor allem von den Osmanen verkörpert werde. Zwei weitere Bilder, in denen Mohammed als Herrscher firmiert, finden sich in den Ausgaben der Cosmographia des Universalgelehrten und Universitätsprofessors für Hebräisch, Sebastian Münster. Erstmals 1544 publiziert, erfreute sich das Buch so großer Beliebtheit, dass es bis 1628 einundzwanzigmal in verschiedenen Sprachen aufgelegt

61  Vgl. Schedel, Hartmann: Das buch der Cronicken vnd gedechtnus wirdigern geschichte[n]: vo[n] anbegyn[n] d[er] werlt bis auf dise vnßere zeit, Nürnberg 1493b, fol. 151v. 62  Dieter Mertens hat in seiner Analyse der rhetorischen Auseinandersetzung mit der osmanischen Bedrohung auf das „Angulus“-Syndrom verwiesen. Vgl. Mertens, Dieter: Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter, in: Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Heinz Duchardt, Köln/Wien 1991, S. 45–90, hier S. 52–53. In der lateinischen Fassung der Weltchronik erscheint das Motiv allerdings abgewandelt und die Europäer werden mit „Kaninchen“ verglichen, die von den Rändern Europas vertrieben werden. „Instant nunc thurci terra ac mari, ut nos tanquam cuniculos ex his europe lateribus eruant.“ 63  Schedel (1493b), fol. 151v.

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wurde (Kat. 7a, 7b).64 Auch Münsters Weltbild ist in seinen Grundzügen theologisch geprägt; im Vergleich zu der ein halbes Jahrhundert früher verfassten Schedel’schen Chronik lässt sich jedoch „eine deutliche Profanisierung der Inhalte“65 erkennen. Erstaunlich ist, dass Münsters Präsentation von Mohammed im Zuge seiner empirisch argumentierenden Beschreibung der Welt nicht nur negativer ausfällt als diejenige Schedels, sondern auch mehr fiktionale Elemente beinhaltet. Bei Münster erscheint der Prophet des Islam als eine Figur von heilsgeschichtlicher Bedeutung. So heißt es bereits in der Vorrede, dass der Teufel sich nach der Erfindung der Vielgötterei etwas anderes ausgedacht habe, um die Völker zu verführen: Vn[d] do das auch geschehen / hat der listig Satan etwas anders erdacht / vnd die menschen in einer andere[n] gestalt angriffen / betrogen vnd verfürt / vnnd seinen anschlag dohin bracht / das die völcker in dem kleinen Asia / in Armenia / Arabia / Persia / Syria / Assyria / Media / Egypten / Numidia / Libya / Mauritania / Thracia vn[d] Griechenland / Christum den waren Heyland der welt haben übergeben/ vnnd Mahumeto dem falschen Propheten vnnd fallensichtägige[n] menschen geschwore[n] / Göttliche eer bewisen / und seine verfürische lere angenommen.66 Neben der bei den Zeitgenossen üblichen Verurteilung des Islam als eine mit Sinnesfreuden lockende Verführung der Menschen und der Benennung Mohammeds als falschen Propheten tauchen hier erneut die Fabeln von seiner epileptischen Erkrankung und seiner vermeintlichen Verehrung als Gott auf. Die im Vergleich zu Schedel harschere Verdammung der muslimischen Religion und insbesondere der Person Mohammeds ist wahrscheinlich auf die akuter gewordene militärische Bedrohung durch das Osmanische Reich wie auf die Erschütterung der christlichen Gemeinschaft durch den Reformationsstreit zurückzuführen. Nach einer Phase der Entspannung unter den Sultanen Bajezid II. (reg. 1481–1512) und Selim I. (reg. 1512–1520) hatten sich die osmanischen Expansionsbestrebungen unter der Regierung Süleymans I. (reg. 1520–1566) wieder stärker auf Europa gerichtet. Süleyman eroberte gut ein Drittel des heutigen Ungarns und belagerte 1529 mit seinen Truppen die Stadt Wien, was die Angst vor den Osmanen schürte. Zugleich erlangten die Themen von religiöser Differenz und falscher Lehre gerade im Zuge der innerchristlichen Auseinander-

64  Vgl. Burmeister, Karl H.: Sebastian Münster. Versuch eines biographischen Gesamtbildes, Basel/ Stuttgart 1963, S. XVI. 65  Haberland, Detlef: Die Kosmographie – Typologie und Medienstrategien, in: Cognition and the Book. Typologies of Formal Organisation of Knowledge in the Printed Book of the Early Modern Period, hrsg. v. Karl A. E. Enenkel u. Wolfgang Neuber, Leiden u. a. 2005, S. 125–159, hier S. 142. 66  Münster, Sebastian: Cosmographia. Beschreibung aller Lender durch Sebastianum Munsterum, in wölcher begriffen aller Völcker Herrschafften, Stetten […] Härkommen, Sitten, Gebreüch […], fürnemlich teütscher Nation; alles mit Figuren und schönen Landttafeln erklärt […], Basel 1545, [fol. 4v].

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Abb. 7  Mohammed als Feldherr, aus: Sebastian Münster, Cosmographia […], Basel 1545, fol. IVv, S. DCXCIV, DCCXXXVI (Kat. 7a)

setzungen eine neue Brisanz und waren auch für das Leben von Münster von erheblicher Bedeutung.67 67  Die religiöse Verunsicherung der Menschen während der Reformationszeit führte zu einer besonders heftigen Ablehnung des Islam. Dabei diente die Distanzierung von dieser „falschen Lehre“ nicht nur der Festigung der eigenen Identität, der Islam wurde im Religionsstreit bewusst eingesetzt, um den innerchristlichen Gegner zu diffamieren. Vgl. Heath, Michael J.: Islamic Themes in Religious Polemic, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance, 50, 2, 1988, S. 289–315. Die Vita Sebastian Münsters wurde stark von den Religionswirren geprägt. 1512 zum katholischen Priester geweiht und als franziskanischer Ordenslehrer in Heidelberg tätig, war seine Rückkehr an die Basler Universität 1529 mit einem Konfessionswechsel verbunden. Zu Münsters persönlichen Schwierigkeiten im Religionsstreit vgl. McLean, Matthew: The Cosmographia of Sebastian Münster. Describing the World in the Reformation, Aldershot u. a. 2007, S. 31–42.

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Mohammed als Richter und Kriegsherr

Abb. 8  Mohammed als Feldherr, aus: Sebastian Münster, Cosmographei […], Basel 1550, fol. IVv (Kat. 7b)

Münster behandelt die militärische Bedrohung durch die Osmanen mit großer Eindringlichkeit. Bemerkenswert sind dabei nicht nur die ausführliche, in weiten Teilen nüchterne Beschreibung des Staates, der Religion und Sitten der Türken, sondern auch die lobenden Worte für die Disziplin des osmanischen Heeres.68 Die Wahrnehmung des Islam als eine vor allem militärische Bedrohung zeigt sich in der langen Auflistung der von Muslimen beherrschten Länder in der oben zitierten Vorrede und drückt sich auch in der Beschreibung Mohammeds als „oberster Hauptmann“ der zum Islam bekehrten

68  Vgl. ebd., S. 247–248. Dabei ist zu bedenken, dass das Lob des Gegners eine Kritik an der eigenen Gesellschaft impliziert. Münster findet zwar einiges Positives an den Osmanen, letztlich bleiben sie für ihn jedoch ein grausames, einem falschen Glauben verschriebenes Volk.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Völker aus.69 Ihren sprechendsten Ausdruck findet sie jedoch in den bildlichen Darstellungen des Propheten. In der Basler Ausgabe von 1545 erscheint der Holzschnitt Mohammeds gleich an drei Textstellen, die explizit Mohammed oder dem Islam gewidmet sind (Kat. 7a, Abb. 7). Der Prophet ist hier im herrschaftlichen Ganzkörperporträt dargestellt. In der ausgestreckten Rechten hält er ein Zepter, während seine Linke auf dem Knauf eines riesigen, gegürteten Schwertes ruht. Sein raumgreifendes Standmotiv und sein gebauschtes, aufwendiges Gewand unterstreichen die Herrschaftlichkeit seiner Figur. Zugleich deuten die Fransen an den Schultern, die Kopfbedeckung, die mit ihren zwei Spitzen der Darstellung Mohammeds in der Schedel’schen Chronik ähnelt, wie auch der übertrieben große Schnurrbart darauf hin, dass es sich um einen fremdländischen Herrscher handelt.70 In der Ausgabe von 1550 wurde ein anderes Bild zur Darstellung Mohammeds verwendet (Kat. 7b, Abb. 8). Im Bildausschnitt und in der Pose des Dargestellten folgt es weitgehend dem älteren Holzschnitt. Jedoch gelingt es dem Holzschneider der zweiten Fassung, Mohammed noch eindrucksvoller erscheinen zu lassen. Die vormals leichte Aufsicht ist in eine leichte Untersicht gewandelt und der imposante Körper des Propheten füllt den Bildraum nun fast vollständig aus. Darüber hinaus ist sein Kopf ins Profil gewandt, wodurch Mohammed entschlossen und unnahbar in eine dem Betrachter unbekannte Ferne blickt. Die auffälligste Veränderung betrifft jedoch die Kleidung. Statt mit exotischen Fransen verziert, erscheint der Prophet nun in einem mächtigen Brustpanzer, der an antike römische Uniformen erinnert. Als Anregung für die Umgestaltung könnte die Darstellung des Kriegsgottes Mars gedient haben, die der Basler Künstler Hans Burgkmair der Ältere geschnitten hat (Abb. 9).71 Der neue Holzschnitt unterstreicht nicht nur den martialischen Aspekt. Die bügelkronenartige, mit einem Zackenreif versehene Kopfbedeckung weist ebenso wie das Zepter und das Krummschwert mit seinem adlerförmigen Knauf auf den imperialen Anspruch des Trägers.72

69  Münster (1545), S. DCCXXXVI. 70  Der Schnurrbart war seit der Verbreitung von Bildern des osmanischen Sultans Selim I. und vor allem in der Regierungszeit des in Europa berühmten Süleyman I. (reg. 1520–1566) ein gängiges Element bei der Darstellung von Osmanen. Für das Ende des 16. Jahrhunderts beschreibt Matthew Dimmock den Schnurrbart, vor allem im Theater, als sprichwörtliches Attribut für die Darstellung von Osmanen. Vgl. Percy, William: William Percy’s Mahomet and His Heaven. A Critical Edition, hrsg. v. Matthew Dimmock, Aldershot 2006, S. 185. 71  Das Blatt ist das dritte in einer Serie von sieben Darstellungen der Planetengötter und wird um 1510 datiert. Vgl. Hans Burgkmair. Das Graphische Werk, bearb. v. Tilman Falk, Ausstellungskat. Staatsgalerie, Stuttgart, Stuttgart 1973, Kat. 64. 72 Zum Adler als Symbol kaiserlicher Macht vgl. Keller, Otto: Thiere des classischen Alterthums in culturgeschichtlicher Beziehung, Innsbruck 1887, S. 236–276. Als Verweis auf die kaiserliche Familie erscheinen die Schwerter mit Adlergriffen in der Porphyrskulptur der Tetrarchen an der Fassade von San Marco

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Mohammed als Richter und Kriegsherr

Abb. 9  Hans Burgkmair d. Ä., „Mars“, Blatt aus der Planetenserie, 1510

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Anders als in der Schedel’schen Chronik wurde der Holzschnitt nicht ausschließlich für Mohammed verwendet, auch Osman, der Begründer der osmanischen Dynastie, sowie auch spätere osmanische Sultane werden mit demselben Bild repräsentiert. Einerseits ermöglichten solche Wiederverwendungen von Holzschnitten eine Senkung der Produktionskosten, andererseits ergeben sich aus ihnen auch Implikationen hinsichtlich der mit den Bildern verbundenen Funktionen und Semantiken. Die in der Graphik präsentierte Figur ist nicht als mimetische Abbildung einer im modernen Sinne individuellen Person zu verstehen.73 Das Bild zeigt einen Typus oder nach Warncke eine „Begriffsfigur“, die eine recht abstrakte Vorstellung, nämlich die eines „kriegerischen Herrschers“, visuell konkretisiert. Damit verkörpert das Bild einen überindividuellen Sinngehalt, der nicht nur für die Charakterisierung Mohammeds, sondern auch für die osmanischen Sultane verwendet werden konnte. Die mehrfache Nutzung desselben Bildtypus dient somit zugleich einer Strukturierung des zu vermittelnden Wissens, denn durch die ikonische wird zugleich eine semantische Verknüpfung evoziert, die die unterschiedlichen, mittels des Typus dargestellten Personen zueinander in Beziehung setzt. Viele Wiederverwendungen von Bildern in der frühneuzeitlichen Druckgraphik geschahen also nicht wahllos, sondern waren mit dem Prozess einer „Informationsverarbeitung“ verbunden, bei dem das in den Bildtypen archivierte Wissen jeweils aktu­alisiert und für die Aneignung und Systematisierung neuer Erfahrungen und Zusammenhänge adaptiert werden konnte. Die Übertragung einer Graphik in einen anderen Kontext leistete einen typologischen Bezug, der die unterschiedlichen dargestellten Objekte sinnstiftend miteinander verknüpfte und so auch Neues mittels bekannter Formen verständlich machen konnte. Da die Verwendung von Bildtypen stets mit einer „(Re-) Konstruktion und Transformation von Bedeutungen und Bewertungen“74 einherging, erwies sich das typologische Wissens- und Ordnungssystem zudem als sehr dynamisch und wandelbar.75

in Venedig. Ebenfalls mit einem Schwert mit Adlergriff gerüstet ist die Bronzeskulptur Kaiser Karls V. von Leone Leoni (1550–1553) im Museo del Prado von Madrid. 73  Vgl. Soeffner, Hans-Georg: „Typus und Individualität“ oder „Typen der Individualität“? Entdeckungsreisen in das Land, in dem man zuhause ist, in: Typus und Individualität im Mittelalter, hrsg. v. Horst Wenzel, München 1983, S. 11–44. Soeffner entwickelt die Theorie von epochenabhängigen Verständnissen von Individualität. Das Individuum des Mittelalters sei dabei lediglich von außen, nämlich hinsichtlich der Pluralität seiner gesellschaftlichen Identitäten beschreibbar. 74  Burghartz (2008), S. 234. 75  Warncke (1987), S. 103: „Dieses Denken und Bilden in Typen, die als Muster zu festen Formeln geronnen waren, gestattete es [den Künstlern], jeder kreativen Aufgabe gewachsen zu sein, weil Neues und Unbekanntes mit ihm ähnlichem Vorgewußten verbunden und dadurch begreifbar wurde.“ Nach Warncke brachte die auf der Ähnlichkeit (simile) der Zeichensysteme beruhende Austauschbarkeit der Zeichen „sogar einen Zugewinn an Erkenntnisvermittlung, weil immer andere Facetten einer im letzten Grunde nicht erfaßbaren Wirklichkeit begreifbar wurden“. Ebd., S. 61. In der von Raimund Lull bis Leibniz verwendeten „Kombinatorik“ wurden solche Prozesse systematisiert. Vgl. ebd., S. 106–107.

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Mohammed als Häretiker

Sowohl in der Schedel’schen Weltchronik als auch in Münsters Kosmographie dienen die Holzschnitte also dazu, die im Text geschilderte historische Bedeutung des Propheten durch die visuelle Konkretisierung als entsprechenden Typus zu belegen. Die Bilder verstärken die Aussage des Textes, indem sie dem Leser das textlich Dargelegte als Bild vor Augen stellen. Im Fall der Cosmographia erscheint Mohammed zudem, da er im Buch die erste historische Person ist, die mittels der wiederholt verwendeten Graphik dargestellt wird, gleichsam als Ursprung oder Ur-Typus der sich geschichtlich wiederholenden Konstellation einer Bedrohung durch kriegerische muslimische Herrscher.76 Auf diese Verbindung zwischen der Wahrnehmung des Osmanischen Reiches und den zeitgenössischen Mohammedbildern wird im zweiten Kapitel noch näher eingegangen.

Mohammed als Häretiker Eine weitere traditionelle, wiederum bis auf Johannes von Damaskus zurückreichende Charakterisierung Mohammeds war die des falschen Propheten und Häretikers.77 Diese Klassifizierung war gerade hinsichtlich einer theologischen Auseinandersetzung mit dem Islam bedeutsam, da durch sie sowohl die Differenz der beiden Lehren als auch die vermeintliche Abhängigkeit des islamischen vom christlichen Glauben herausgestellt werden konnten. Ein frühneuzeitliches Beispiel hierfür ist die bereits erwähnte, wohl um 1451–52 auf Anregung des Kardinals Nikolaus von Kues verfasste Apologie und Widerlegung des islamischen Glaubens Contra perfidiam Mahometi libri quatuor von Dionysius dem Kartäuser (Dionysius Rijkel, 1402/3–1471). Das Hauptanliegen dieser Auseinandersetzung mit dem Islam, die sich inhaltlich im Wesentlichen auf das Corpus Toletanum stützte, war es, Mohammeds Lehre als Häresie darzustellen.78 Anhand von fünf Punkten versucht Dionysius, die Falschheit des Korans und im Gegenzug die Wahrhaftigkeit der christlichen Lehre darzulegen,79 wobei er das muslimische Gesetz als ein Modellbeispiel für eine Irrlehre vorstellt, an dem sich die Charakteristika auch anderer Häresien exem-

76  Zur Bedeutung der militärischen Bedrohung durch die Osmanen für die europäische Wahrnehmung des Islam vgl. auch Hentsch (1988), S. 81–89. 77  Vgl. D’Ancona (1994), S. 39–40; Glei/Khoury (1995), S. 44–46. 78  Sandoval Martínez, Salvador: La Figura de Mahoma en „Contra Perfidiam Mahometi“, de Dionisio Cartujano, in: Espacio y tiempo en la percepción de la Antigüedad tardía. Homenaje al profesor Antonino González Blanco […], hrsg. v. Elena Conde Guerri, Rafael González Fernández u. Alejandro Egea Vivancos, Murcia 2006, S. 627–645, hier S. 639: „Dionisio considera a Mahoma como el receptáculo de todas las herejías que, desde los primeros siglos del cristianismos y con matices diversos (adopcionismo, monofisismo, docetismo, etc.), negaban la plena divinidad de Cristo: Arrio, Nestorio, Fontino, Eunomio, Maniqueo o Manes, Marción, son nombres citados en el Contra perfidiam Mahometi.“ Zu den Quellen des Kartäusers vgl. ebd., S. 631–634. 79  Hagemann (1976), S. 51–52.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

plifizieren ließen.80 Eine lateinische Fassung wurde erstmals 1533 bei Peter Quentel in Köln gedruckt und 1540 erschien eine stark gekürzte und recht freie deutsche Übersetzung bei Hans Schott in Straßburg.81 Letztere Version ist mit einer Titelillustration versehen, die bemerkenswert ist. Unter dem Buchtitel erscheinen von links nach rechts: eine Gruppe von fünf Personen, die von der Bildüberschrift als Ausschuss der Juden („Der Juden Ußschutz“) bezeichnet wird, in der Mitte vor schwarzem Grund eine kleinere Figur im Mönchshabit, die mit „Sergius der Ketzer“ betitelt ist, und rechts, als größte Figur der Reihe, „Mahomet“ selbst (Kat. 6, Abb. 10). Der Prophet wird als bärtiger Mann gezeigt und trägt eine einfache Bundhaube (coif), aus der an Stirn und Schläfen lockige Haare hervorquellen, sowie ein stoffreiches Gewand, dessen unterer Saum mit einem Zierband geschmückt ist. Wie an den unterschiedlichen Dimensionen und dem schraffierten Hintergrund der mittleren Figur leicht zu erkennen ist, setzte der Illustrator hier einfach drei unterschiedliche Holzschnitte, die wohl jeder für sich bereits in einem anderen Kontext Verwendung gefunden hatten, zu einem neuen Bild zusammen. An diesem Beispiel zeigen sich die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der in der Frühen Neuzeit gängigen Praxis, Druckstöcke wiederzuverwenden und sogar zu kombinieren.82 Der Graphiker sah sich vor die Aufgabe gestellt, die zentrale Aussage des Buches in ein anschauliches Titelbild zu übersetzen. Allerdings gab es für die Visualisierung der oft auf abstrakten theologischen Argumentationen basierenden Charakterisierung des „Häretikers“ keinen so eindeutigen ikonographischen Typus wie etwa zur Darstellung eines Richters oder Kriegers. Der Frage, wie ein Häretiker angemessen bildlich darzustellen sei, widmete der italienische Theologe Gabriele Paleotti in seinem Discorso intorno alle imagine sacre e profane von 1582 sogar einen eigenen Passus, auf den im dritten Kapitel noch näher eingegangen wird. Gängige Bildformen waren, den Irrlehrer als einer menschlichen oder göttlichen Strafe erliegend zu zeigen, wie etwa den aus dem Himmel abstürzenden Simon Magus oder Darstellungen der Hinrichtung des Andersdenkenden auf einem Scheiterhaufen. Derartige Bilder passten jedoch weder zur persönlichen Historie Mohammeds noch wären sie der von den Zeitgenossen wahrgenommenen, akuten 80  Humphrey Prideaux verfolgt 250 Jahre später denselben Ansatz, wenn er Mohammed als einen Modellbetrüger beschreibt, an dem sich zeigen ließe, wie ein Betrug funktioniert, und behauptet, dass diese Merkmale für den christlichen Glauben nicht zutreffen. Prideaux, Humphrey: The True Nature of Imposture Fully Display’d in the Life of Mahomet with a Discourse Annex’d, for the Vindicating of Christianity from this Charge; Offered to the Consideration of the Deists of the Present Age, London 31698, Vorwort, S. IV: „That none of those Marks and Properties which are so visible in the Imposture of Mahomet, and must be also in all other Impostures in Religion, can possibly be charged upon that holy Religion which we profess.“ Siehe hierzu ausführlicher das Kapitel 4, S. 176–179. 81  Vgl. Bobzin (1995), S. 72. Zur Übersetzung von 1540 vgl. auch Mougel, D. A.: Dionysius der Karthäuser, 1402–1471. Sein Leben, sein Wirken, eine Neuausgabe seiner Werke, Mühlheim a. d. Ruhr 1898, S. 95. 82  Zu dieser in der Buchillustration gängigen Praxis vgl. Kunze, Horst: Geschichte der Buchillustration in Deutschland. Das 16. und 17. Jahrhundert, Textbd., Frankfurt a. M./Leipzig 1993, S. 108–109.

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Mohammed als Häretiker

Abb. 10  „Der Juden ußschutz / Sergius der Ketzer. Mahomet“, Titelblatt, aus: Dionysius Rijkel, Alchoran […], Straßburg 1540 (Kat. 6)

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Bedrohung durch den Islam gerecht geworden, da sie einen bereits errungenen Sieg über die „Irrlehre“ suggerieren. Stattdessen zeigt die Titelvignette die „geistigen Väter“83 des Islam, wie sie vom Text beschrieben werden. In einer Passage des Buches wird die Entstehung des Korans wie folgt geschildert: Dißer Sergius underrichtet den Mahomet in vilen / uß beyden Testamenten / bog die Schrifft wohyn er wolt / richtet und beschrib den Alchoran (das ist uff Arabisch / ein zůsam[m]enlesung der gebott) das Türckisch Gesatzbůch / mit vil seltzamen fabelen / lugen / und erdichten träumen / so von den Juden und Heiden zůsam[m]en gelesen […] Nun waren in statt Mecham drey namhafftiger gelerter Juden / die sorgte[n] / dz Mahomet mit der zeit der Christen glauben / darin er dann etwas von Sergio underricht / erst recht würd annemen / thetten sich auch vß falschem schein zů ym / ynderwurffen sich seiner leer und sect / flickten auch in den Alchoran vil schandtliche lugen.84 Auf dem Titelblatt erscheinen also die drei vom Text genannten, an der Verfassung des Korans beteiligten Parteien, wobei die Figur des an anderer Stelle als Nestorianer bezeichneten Sergius in beiden Medien eine zentrale Position einnimmt. Allerdings zeigen die für die Darstellung ausgewählten Holzschnitte sonst kaum Übereinstimmungen mit dem Text. So erscheinen anstatt der genannten drei jüdischen Gelehrten im Bild fünf Figuren. Zudem ist lediglich Sergius durch seinen Habit als christlicher Mönch charakterisiert, während bei Mohammed und den exotisch gekleideten „Juden“ Hinweise auf ihre Herkunft und Religion fehlen. Der Sinngehalt der Figuren ergibt sich also wesentlich aus den Bildüberschriften und dem Kontext des Buches. Wie am Beispiel der Cosmographia Sebastian Münsters bereits erläutert, erwartete der Bildbetrachter der Renaissance von der Repräsentation einer Person im Holzschnitt nicht die Darstellung eines Individuums im heutigen Sinne. Für die Darstellung Mohammeds und seiner vermeintlichen Konspiranten reichte es scheinbar aus, bereits vorhandene Bilder, die im weitesten Sinne der darzustellenden „Begriffsfigur“ bzw. dem Typus entsprachen, schriftlich umzudeklarieren.85 Jedoch fügt sich die Kombination der drei Holzschnitte weder ikonographisch noch ästhetisch zu einem kohärenten Gesamtbild. Die Figuren der Druckstöcke bleiben nicht nur wegen ihrer verschiedenen Dimensionen, sondern auch durch ihre unterschied­ lichen Ausrichtungen unverbunden, so dass der vom Text beschriebene Austausch zwischen ihnen kein visuelles Äquivalent findet und ihr Verhältnis zueinander unbestimmt bleibt. Allerdings scheint das Titelbild dem Verkauf nicht abträglich gewesen zu sein. Es 83  Bobzin (1995), S. 72. 84  Dionysius Cartusianus: Alchoran, das ist des Mahometischen Gesatzbuchs und türckischen Aberglaubens Ynnhalt und Ablänung, Straßburg 1540, fol. 2r. 85  Zum Verhältnis von Bild und Typus vgl. Warncke (1987), bes. S. 64–77.

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Der Prophet als Antichrist

wurde zehn Jahre später für die zweite Auflage erneut verwendet. Dass die recht offensichtliche Sparsamkeit des Druckers Schott nicht auf zu großen Widerwillen gestoßen ist, mag vielleicht daran liegen, dass das graphische Potpourri gerade in seiner disharmonischen Zusammenstellung als Sinnbild für die – nach Dionysius selbst – aus nicht zusammenpassenden Teilen, aus dem christlichen Gesetz und „seltzamen fabelen / lugen / und erdichten träumen“86, zusammengeflickte Lehre Mohammeds angesehen wurde. Gerade in Hinblick auf diese Verurteilung des Korans könnte die ästhetisch unbefriedigende und inkohärente bildliche Zusammenschau seiner vermeintlichen Schöpfer als sinnfälliges Titelbild erachtet worden sein.

Der Prophet als Antichrist Eine andere Art der Illustrierung der zu Beginn des Kapitels vorgestellten Mohammedbiographie aus den Reisen des Ritters Mandeville findet sich in dem Lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron des Londoner Druckers Wynkyn de Worde von 1515 oder 1519 (Kat. 5).87 Zwar handelt es sich bei dem sogenannten Traktat lediglich um einen mit einer neuen Einleitung versehenen und leicht abgewandelten Auszug der entsprechenden Passage der Reisen,88 dennoch lohnt sich eine genauere Analyse der wahrscheinlich frühsten englischen Publikation, die sich ausschließlich mit dem Koran und seinem Propheten beschäftigt und darüber hinaus auch eine bildliche Darstellung Mohammeds enthält. An ihr lässt sich zum einen die Vermarktung der Mohammedfigur veranschaulichen, zum anderen weist sie eine auffallende Differenz zwischen der textlichen und bildlichen Darstellung Mohammeds auf.89 In der Geschichte des Buchdrucks spielt de Worde vor allem wegen der marktwirtschaftlichen Ausrichtung seiner Produktion eine bedeutende Rolle.90 Während sich

86  Dionysius Cartusianus (1540), fol. 2r. 87  Here begynneth a lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron. And also it speketh of Machamet the nygromancer, London 1515 oder 1519. 88  Vgl. Saviello, Alberto: Muhammad’s Multiple Faces. Printed Images of the Prophet in Western Europe, in: Shalem (2013), S. 87–141, hier S. 89–90; Dimmock (2013), S. 53. 89  De Worde hatte die Reisen bereits 1499 und anschließend 1500, 1503 und 1510 vollständig in englischer Übersetzung herausgegeben: Here Begynneth a Lytell Treatyse or Booke Named Johan Mau[n] deuyll […], London 1499. Diese Ausgabe enthält jedoch keine bildliche Darstellung des Propheten. Vgl. Letts, Malcolm: The Source of the Woodcuts in Wynkyn de Worde’s Edition of Mandeville’s Travels 1499, in: The Library. The Transactions of the Bibliographical Society, 3–4, 1951, S. 154–161; Mandeville, Jean: The Travels of Sir John Mandeville. With Three Narratives in Illustration of It: The Voyage of Johannes de Plano Carpini, The Journal of Friar William de Rubruquis, The Journal of Friar Odoric, New York 1964, S. V; Dimmock (2013), S. 53. 90  Der aus Wörth im damaligen Herzogtum Lothringen stammenden Wynkyn de Worde war als Assistent des ersten englischen Buchdruckers, William Caxton, nach London gekommen, dessen Werkstatt er 1490 übernahm und in eigener Ägide weiterführte. Vgl. Moran, James: Wynkyn de Worde. Father of Fleet

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

viele der frühen englischen Buchdrucker der Unterstützung finanzkräftiger Mäzene verschrieben hatten, suchte de Worde den Profit am offenen Markt und gestaltete seine Produkte so, dass sie für ein großes Publikum interessant und bezahlbar waren.91 Dies bedeutete nicht nur, dass er seine Bücher in englischer Sprache produzierte, sondern auch, dass er Genre und Umfang der Publikationen auf das Leseinteresse des Publikums zuschnitt. Er produzierte zahlreiche kleinere Bücher und Hefte mit Balladen, Bagatellen, Volksgeschichten sowie Schriften komischen und religiösen Inhalts und kam während seiner vierundvierzigjährigen Tätigkeit als Drucker auf die bemerkenswerte Zahl von circa 900 Publikationen.92 Unter diesen Schriften findet sich eine Reihe von Drucken, die mit „Here begynneth a lytell treatyse“ überschrieben sind. In diesen Heften von meist überschaubarem Umfang wurden die behandelten Themen nicht en detail, sondern in zusammengefasster oder gekürzter Form dargeboten.93 Die Idee, den Lesern, die nicht über die notwendigen Ressourcen für ein eingehendes Studium verfügten, die Möglichkeit zu offerieren, sich mittels einer allgemein verständlichen Lektüre schnell und kostengünstig Einblick in ein Thema zu verschaffen, erscheint geradezu modern: eine Art Reader’s Digest der Renaissance! Aber nicht nur die Texte wurden auf ein größeres Publikum hin ausgewählt und konzipiert. Ein weiteres Mittel, das Interesse der Käuferschaft zu wecken, waren die Holzschnittillustrationen. Bezüglich der Quantität der Bebilderung war de Worde ein Vorreiter unter den Druckern in England und besonders bei der Gestaltung der für den Marktverkauf wichtigen Titelblätter zeigte er sich erfinderisch.94 Zur Affizierung und

Street. With a Chronological Bibliography of Works on Wynkyn de Worde Compiled by Lotte Hellinga and Mary Erler and a Preface by John Dreyfus [1960], London 32003, S. 17. 91  Ebd., S. 21: „His place in history is that of the first publisher and printer to popularise the products of the printing press.“ Ebenso Plomer, Henry R.: Wynkyn de Worde and His Contemporaries. From the Death of Caxton to 1535 [1925], Bristol/Tokyo 1996, S. 66. 92  Da diese für den Volksgeschmack hergestellten Bücher meist schlechtere Erhaltungschancen hatten als kostspielige Folianten, ist der Umfang der Gesamtproduktion von de Wordes Offizin nicht mit Genauigkeit zu bestimmen. Vgl. Driver, Martha W.: The Illustrated de Worde. An Overview, in: Studies in Iconography, 17, 1996, S. 349–403, hier S. 350. 93  Mit der Formel „Here begynneth“ beginnen häufig englische Drucke des 16. Jahrhunderts. Die weitere Bezeichnung „a lytell treatyse“ findet sich hingegen besonders häufig bei den Publikationen de Wordes. So etwa beispielsweise: Here begynneth a lytell treatyse of the horse, the shep, and the goos mit 12 Folios, wahrscheinlich von 1499; Here begynneth a lytell treatyse called the contraverse between a lover and a Iaye, ebenfalls 12 Folios, um 1525; Here begynneth a lytell treatyse for to lerne English and Frensshe, um 1497 und Here begynneth a lytell treatyse called the Lucydarye, mit 32 Folios. 94  Vgl. Moran (2003), S. 28: „De Worde is credited with printing the first book with a title page, The Chastising of God’s Children [STC 5065] of 1493, in Westminster.“ Vgl. auch Driver, Martha W.: Ideas of Order. Wynkyn de Worde and the Title Page, in: Texts and Their Contexts. Papers from the Early Book Society, hrsg. v. Vincent J. Scattergood u. Julia Boffey, Dublin 1997, S. 87–149, hier S. 88. Zur Bedeutung der Titelblattgestaltung im frühen Buchdruck siehe Neuber, Wolfgang: Ökonomie des Verstehens. Markt, Buch und Erkenntnis im technischen Medienwandel der Frühen Neuzeit, in: Die Verschriftlichung der

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Der Prophet als Antichrist

Abb. 11  Titelblatt, aus: Here begynneth a lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron […], London 1515 o. 1519

Wissensvermittlung, die das Titelblatt bei den potenziellen Käufern zu leisten hatte, eigneten sich Bilder in besonderem Maße.95 Auch der nur sechs Folios umfassende Traktat über das „türkische Gesetz“ ist ein solches für eine breite Leserschaft angefertigtes Pro-

Welt. Bild, Text und Zahl in der Kultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Horst Wenzel, Wilfried Seipel u. Gotthart Wunberg, Wien 2000, S. 181–211, hier S. 183–190. 95  Driver (1996), S. 363: „Subject and/or author are graphically presented through the image, explaining at a glance what a book was about, who wrote it, and, in some cases who made it. This is not only an effective marketing technique but also a new way of presenting, labelling, and identifying the book for the potential readership.“

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

dukt. De Worde wird vermutet haben, dass angesichts des gesteigerten Interesses der Europäer an den Osmanen auch eine Informationsschrift zu Mohammed und dem Koran ihre Käufer finden würde.96 Das Titelblatt des Lytell treatyse zeigt einen Mann, der, in der zeitgenössischen Kleidung der Geistlichen mit einem Barett auf dem Haupt, eine Kanzelpredigt vor seiner Gemeinde hält (Abb. 11).97 Letztere ist durch einige auf Bänken sitzende Figuren in der rechten Hälfte des Bildes angegeben. Als eyecatcher auf dem Titelblatt wartet das Bild mit einer Ungewöhnlichkeit auf: Der Prediger hält statt eines Kreuzes ein blankes Schwert in die Höhe. Die konkrete Bedeutung dieses Kuriosums erfährt der Leser im folgenden Text, indem es heißt: And whan yt the predycante or prechour shal go to preche theyr fals byleve he hath a naked swerde in his hande as longe as his sermon shall endure & last.98 Das Bild soll also einen muslimischen, in der Schrift als türkisch bezeichneten Prediger darstellen. Auch bei dieser Geschichte handelt es sich nicht, wie es zunächst scheinen mag, um eine Erfindung des Autors, denn bei der Predigt (hutba) vor dem Freitagsgebet  soll der Prediger traditionsgemäß auf einem Stab, Bogen oder Schwert lehnen, da dies die Attribute der Richter im alten Arabien waren.99 Allerdings wird dieses Zeichen der Autorität des Predigers, dessen ursprüngliche und häufiger anzutreffende Form, wie Carl Heinrich Becker berichtet,100 der Stab sei, in der Interpretation des Autors zum sichtbaren Gegensatz zwischen Muslimen und Christen. Denn Letztere stellten, so lautet es weiter, anstatt des Schwertes „for humylyte and not for fere and thretenynge“101 ein Kreuz in die Mitte der Kirche. Dabei dient das Motiv des Schwertes zur Veranschaulichung des unter den Christen verbreiteten Vorurteils, der muslimische Glaube würde auf Gewalt fußen. Diese Ansicht wurde etwa von der Schrift Contra legem Sarracenorum (1300) des

96  Zur Beliebtheit von Publikationen über die Osmanen im Buchdruck des 16. Jahrhunderts vgl. Göllner (1978). 97  Vavra, Elisabeth: „Barett“, in: Lexikon des Mittelalters, hrsg. v. Robert-Henri Bautier, München u. a. 1980, Bd. 1, Sp. 1459–1460. Eine vergleichbare Kleidung findet sich in der zeitgleichen Darstellung des Straßburger Predigers Geiler von Kaysersberg auf dem Titelblatt von Geiler von Kaysersberg, Johannes: Doctor keiserspergs pater noster. Des hochgelerte[n] würdige[n] Predica[n]ten der loblichen statt Straßburg. Vßlegung über das gebette des Herre[n] […], übers. v. Johann Adelphus, Straßburg 1515. Dort aber eben nicht mit Schwert, sondern mit der Geste der Argumentation (digitus argumentalis). 98  Here begynneth a lytell treatyse (1515/1519), S. [3]. 99  Vgl. Wensinck, Arent J.: „K - hu - tba“, in: Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline. com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/khutba-SIM_4352 (26.01.2014). 100  Vgl. Becker, Carl Heinrich: Die Kanzel im Kultus des alten Islam, Gießen 1906, S. 6–7. 101  Here begynneth a lytell treatyse (1515/1519), S. [3].

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Der Prophet als Antichrist

Riccoldo da Montecroce verbreitet, in welcher der dominikanische Missionar mehrfach betont, Mohammed sei kein Prophet der Wunder, sondern des Schwertes.102 Auf den zweiten Holzschnitt des Traktates, der Verso des Titelblattes gedruckt wurde, nimmt der Text an keiner Stelle Bezug (Kat. 5, Abb. 12). Am linken und am rechten Rand des Bildes ist je eine Kanzel dargestellt, auf der zwei Personen stehen, und unter diesen, ebenfalls in zwei Gruppen geteilt, die jeweiligen Zuhörer der Predigt. Der Holzschnitt ist eine grob und detailarm ausgeführte Kopie einer Illustration, die 1498 das erste Mal in den von Sebastian Brant in Basel herausgegebenen Revelationes divinae a sanctis angelis factae erschien (Abb. 13).103 In diesem Buch, das die apokalyptische Vision des Pseudo-Methodius aus dem 7. Jahrhundert enthält, schildert das Bild, wie aus der Benennung der Figuren ersichtlich wird, die Predigten der beiden Zeugen Elias und Ennoch gegen den Antichrist. Letzterer steht auf der gegenüberliegenden, rechten Kanzel und wird durch den hinter ihm stehenden, soufflierenden Teufel gekennzeichnet. Der Antichrist erscheint in der Kleidung eines zeitgenössischen Klerikers und damit für die damaligen Betrachter in einer vertrauenerweckenderen Gestalt als die beiden Zeugen, die mit ihren zotteligen Bärten an den Bildtypus des Einsiedlers erinnern. Aber nicht nur durch die Gestalt des Teufels hinter dem Antichrist, auch aus dem Verhalten ihrer Gefolgschaft wird deutlich, dass es sich bei diesem, auf den ersten Blick attraktiveren Lager, um das der falschen Lehre handelt. So wendet sich eine der Zuhörerinnen mit offener Hand an den Prediger, damit dieser seine Worte durch eine Gabe noch ansprechender mache, während in der Gruppe vor ihr eine junge Frau an einen hässlichen Mann verkuppelt wird, der durch seine einer phrygischen Kappe ähnelnden Kopfbedeckung als Fremder charakterisiert ist.104 Unterhalb der Kanzel der Zeugen geht 102  So etwa im ersten Kapitel von Contra legem Sarracenorum: „[Mahomet] ad haec autem credendum nullum miraculum ostendit, sed nudans ensem dixit: non in virtute miraculorum, sed armorum a deo se missum esse.“ Zitiert nach Ehmann, Johannes: Ricoldus de Montecrucis „Confutatio Alcorani“ (1300). Martin Luther, „Verlegung des Alcoran“ (1542). Kommentierte lateinisch-deutsche Textausgabe, Würzburg/Altenberge 1999, S. 44. Kaum eine Schrift zum Islam war so einflussreich wie das Werk Riccoldos, das nicht nur in der lateinischen Kirche rezipiert wurde, sondern auch in Byzanz. Zur Wirkungsgeschichte der Schrift vgl. Mérigoux, Jean-Marie: L’ouvrage d’un frère Prêcheur florentin en Orient a la fin du XIIIe siècle. Le „Contra legem Sarracenorum“ de Riccoldo da Monte di Croce, in: Fede e controversia nel ’300 e ’500, (Memorie Domenicane, nuova serie, 14), Pistoia 1986, S. 1–144, hier S. 46–58. Gerade zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfreute sich die Schrift Riccoldos besonderer Beliebtheit. Sie wurde 1506 in Rom und 1509, 1511 und 1514 in Paris herausgegeben. Vgl. ebd., S. 54–55. 103  Das Buch erschien bei Michael Furter und wurde von diesem 1500, 1504 und 1510 weitere Male aufgelegt. 104  Das Bildthema des ungleichen Paares, teilweise erweitert um die dritte Figur der Kupplerin, war bereits im 15. Jahrhundert verbreitet und stand sinnbildlich für das Laster der Wollust. Vgl. Blöcker, Susanne: Studien zur Ikonographie der sieben Todsünden in der niederländischen und deutschen Malerei und Graphik von 1450 bis 1560, Diss., Münster u. a. 1993, S. 177–178. Zur „phrygischen“ Kappe als bildlicher Markierung von Alterität vgl. Saviello, Alberto: Zu einer Bildtopographie des Fremden. Völkerdarstellungen an der Piazza di San Marco in Venedig, in: Fremde in der Stadt. Ordnungen, Repräsentationen

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Abb. 12  Predigt des Propheten, aus: Here begynneth a lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron […], London 1515 o. 1519, fol. 1r (Kat. 5)

es hingegen gesitteter zu. In Gedanken versunken sitzen dort ein Mann und eine Frau auf einer Bank, wobei die Frau als Hinweis auf das von ihr gesprochene Gebet einen Rosenkranz in der Hand hält. In all diesen Details stimmen der Basler und der Londoner Holzschnitt überein. Jedoch fehlen in der Kopie des Lytell treatyse die Überschriften, die die Personen identifizieren. Es ist daher nicht mit absoluter Sicherheit zu belegen, dass es sich in dem englischen Druck um eine Darstellung Mohammeds handelt. Zwar wird Mohammed im Text an keiner Stelle unmittelbar mit dem Bild in Zusammenhang gebracht, da er aber unzweifelhaft die Hauptfigur der Abhandlung ist, erscheint es naheliegend, ihn als den Protagonisten des zweiten Holzschnittes zu identifizieren. Die zeitgenössische Kleidung der Predigerfigur ist dafür kein Gegenargument. Diese Darstellungsform erscheint im Wesentlichen zwei Funktionen zu erfüllen. Zum einen dürfte sie ein leichteres Verständund Praktiken (13.–15. Jahrhundert), hrsg. v. Peter Bell, Dirk Suckow u. Gerhard Wolf, Frankfurt a. M. u. a. 2010, S. 89–115, 465–473, hier S. 104, Anm. 50.

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Der Prophet als Antichrist

Abb. 13  Predigt des Antichrist, aus: Pseudo-Methodius, Revelationes divinae a sanctis angelis factae […], Basel 1498, o. P.

nis des Bildes bewirkt haben, denn über die Kleidung wird Mohammed als Religionslehrer gekennzeichnet. Zum anderen, und dies erscheint als die eigentliche Intention, spiegelt sich in ihr die Auffassung, den Islam als verfälschte Kopie des christlichen Glaubens zu verstehen und ihm dadurch jede Eigenständigkeit und Originalität abzusprechen. Diese verbreitete Vorstellung fand ihre anschaulichste literarische Fassung in einer Geschichte, der zufolge Mohammed einst ein Kardinal war, der den Koran lediglich aus Rache über seine verlorene Papstwahl ersonnen hätte.105 Auch in mittelalterlichen Buch-

105  Derart phantasievolle Herleitungen der Mohammedbiographie waren vor allem in der epischen Literatur verbreitet. In England war die Geschichte bereits im späten 14. Jahrhundert durch William Longlands Piers the Plowman bekannt. In Italien, Spanien und Frankreich wurde sie durch Andrea Barbarinos Guerrino il Meschino populär. Vgl. Setton, Kenneth M.: Western Hostility to Islam and Prophecies of Turkish Doom, Philadelphia 1992, S. 14; D’Ancona (1994), S. 66–72; Melville, Gert: Fiktionen als pragmatische Erklärungen des Unerklärbaren. Mohammed, ein verhinderter Papst, in: Historisches und fiktionales Er­­ zählen im Mittelalter, hrsg. v. Fritz P. Knapp u. Manuela Niesner, Berlin 2002, S. 27–44; Allaire (2000), S. 247.

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illustrationen schlug sich diese Vorstellung nieder, wie etwa in einer französischen Übersetzung von Boccaccios De Claribus Mulieribus, die Mohammed im Habitus eines Kardinals darstellt.106 Im Lytell treatyse wird mit der Wiederverwendung des Bildes aus den Revelationes des Pseudo-Methodius der Typus des Antichrist also, aller Wahrscheinlichkeit nach, auf den Propheten Mohammed übertragen.107 Zwar ist die Interpretation Mohammeds als Antichrist weder neu noch ungewöhnlich,108 es ist jedoch ebenso wie für die Basler Ausgabe von Mandevilles Reisen festzustellen, dass der Text eine solche Charakterisierung nicht beinhaltet und die Bilder somit über die Funktion der Illustration hinausgehend den Text um eine eigene Typisierung des Propheten bereichern. Möglicherweise erachtete de Worde die vom Text vermittelte Charakterisierung Mohammeds als allein nicht mehr zeitgemäß und setzte das Bild zur zusätzlichen Diffamierung ein.109 De Wordes Verwendung der Ikonographie des Antichrist kann jedoch noch andere Gründe haben. Zum einen macht diese Darstellung den Propheten zu einer erschreckenden und faszinierenderen Figur von heilsgeschichtlicher Bedeutung. Zum anderen verbindet sich mit dem Antichrist auf bildlicher Ebene das Motiv der Täuschung, denn der Gegenchrist verführt die Menschen durch seine äußerliche Attraktivität und seine vermeintliche Christusähnlichkeit. Dieses Spiel von irreführender Gestalt und dem darauf folgenden dramatischen Moment der Ent-Täuschung war sowohl für die bildenden Künstler als

106  Den Hinweis auf die Darstellungen verdanke ich Michelina Di Cesare. Die rote Robe und der auffällige Galero präsentieren Mohammed hier unmissverständlich als Kardinal. Siehe Meister der Apokalypse des Jean de Berry „Mahomets Predigt“, in: Giovanni Boccaccio, Mésaventures des nobles dames et gentilhommes illustres, Bibliothèque nationale de France, Paris, Man. occidentaux francais 228, fol. 354v, frühes 15. Jh. 107  Diese Vermutung äußert auch Dimmock, der nachweisen konnte, dass der Holzschnitt bereits 1505 von de Worde für das Buch The arte or crafte to lyve well and to dye well in einem Kapitel verwendet wurde, das sich dem Antichrist widmet. Vgl. Dimmock (2013), S. 56. 108  Schon im Buch der Häresien des Johannes von Damaskus wird Mohammed als Vorläufer des Antichrist tituliert. Vgl. Bobzin (32006a), S. 17. Neben der bis ins 19. Jahrhundert fortlebenden Typisierung waren auch andere eschatologische Identifikationen gängig. So wird Mohammed mit dem „falschen Propheten“ in Matthäus’ Darstellung der Endzeit (24,11) und sein Reich mit dem gehörnten Tier aus dem Buch Daniel (7,23) verglichen. Ein frühes Bild, das Mohammed im Bunde mit dem Teufel zeigt, findet sich in den Fresken des Apokalypsezyklus in S. Caterina in Galatina. Vgl. Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Anfänge und Entfaltung 1400–1470, München 1996, Bd. 1, Taf. 40. Hier erscheint der falsche Prophet, aus dessen Mund als Sinnbild seiner Irrlehre drei Kröten fahren, als Gefolgsmann des Teufels. Die Kopfbedeckung des falschen Propheten, die zeitgenössischen Turbandarstellungen entspricht, der lange Bart und vor allem der grüne Mantel lassen keinen Zweifel an der Identifikation der Figur als islamischer Prophet. 109  Dass de Worde auf eine negativere Darstellung des Propheten zielte, zeigt sich auch in den leichten Abwandlungen des Textes gegenüber den früheren Publikationen der Reisen. Bespielsweise ersetzte er an einer Stelle das Personalpronomen „he“ durch „this fals nygromancer Mahomet“ und die Umschreibung „the great astronomer“ durch „a fals nygromancer“. Vgl. Dimmock (2013), S. 54.

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auch für das Publikum besonders reizvoll und bot Anlass, die bildnerischen Mittel hinsichtlich ihrer narrativen und illusionistischen Fähigkeiten auszuloten. Mit Blick auf den Buchmarkt erscheint die Darstellung des Propheten als Antichrist daher weniger als eine theologisch ernstzunehmende Bestimmung Mohammeds, sondern vielmehr als ein publikumswirksames Mittel visueller Affizierung.

Trügerischer Schein und bildliche revelatio Der von dem venezianischen Buchdrucker Andrea Arrivabene 1547 herausgegebene und von dem aus Belluno stammenden Geistlichen Giovanni Battista Castrodardo aus dem Lateinischen ins Italienische übersetzte Alcorano di Macometto greift die in den Holzschnittillustrationen zu Mandevilles Reisen anklingende Thematik des Antichrist auf und setzt sie auf effektvolle Weise für die Gestaltung des Titelblattes ein.110 Zudem ist der Alcorano von besonderem Interesse, weil es sich um die erste gedruckte Koranübersetzung in einer Volkssprache handelt und weil sein Titelholzschnitt das Leben Mohammeds erstmals in einer Bilderfolge darstellt, die sogar die bildliche Umsetzung islamischer Überlieferungen einschloss (Kat. 8, Abb. 14). Hieraus ergibt sich die Frage, was die Intention einer solch detaillierten Präsentation des Propheten gewesen sein könnte. Der Titel des Buches erscheint mit dem Zusatz, dass es sich um eine direkte Übersetzung aus dem Arabischen handle, auf einem Vorhang, der eine Nische in der Mitte des Blattes verdeckt. Dieses zentrale Motiv erfüllt zwei unterschiedliche Funktionen. Erstens spielt es auf die sakrale Praxis an, heilige Bilder und Orte zu verdecken, und gibt damit einen Hinweis auf den religiösen Inhalt des Buches.111 Zweitens vermittelt der Vorhang die Idee, er könnte gleichsam mit dem Aufschlagen des Buches beiseitegezogen werden. Diese „apokalyptische“ Anspielung bezieht sich nicht nur auf das Anliegen des Autors, das Wesen der islamischen Religion aufzudecken, die in dem Vorhangmotiv

110  Die Übersetzung von Theodor Biblianders Basler Edition des Corpus Toletanum von 1543 ins Italienische stammt, wie Pier Mattia Tommasino jüngst dargelegt hat, von einem Belluneser Geistlichen namens Giovanni Battista Castrodardo (um 1517–1587/88). Neben einer weiteren Übersetzung aus dem Lateinischen, Niccolò Leonicos De varia historia libri III, soll Castrodardo auch einen Kommentar zu Dantes Divina Commedia verfasst haben. Vgl. Tommasino, Pier Mattia: Giovanni Battista Castrodardo Bellunese traduttore dell’Alcorano di Macometto (Arrivabene, 1547), in: Oriente moderno. Rivista d’informazione e di studi per la diffusione della conoscenza della cultura dell’oriente sopratutto musulmano, Nuova Serie, 88, 1, 2008, S. 15–40. 111  Zu der mit dem Vorhang verbundenen Symbolik der Revelation vgl. Nova, Alessandro: Hangings, Curtains, and Shutters of Sixteenth-Century Lombard Altarpieces, in: Italian Altarpieces: 1250–1550, hrsg. v. Eve Borsook u. Fiorella Gioffredi Superbi, Oxford 1994, S. 177–189, hier S. 179–181. Zur Symbolik des Vorhangmotives (cortina-Motiv) auf Buchtitelseiten und dessen Verbindung mit dem biblischen „Vorhang im Tempel“ vor dem Allerheiligsten vgl. Eberlein, Johann K.: Apparitio regis – revelatio veritatis. Studien zur Darstellung des Vorhangs in der bildenden Kunst von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters, Wiesbaden 1982, bes. S. 49–96.

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Abb. 14  Holzschnitttitel, aus: L’Alcorano di Macometto […], Venedig 1547 (Kat. 8)

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Abb. 15  Holzschnitttitel, aus: Biblia quale contiene i sacri libri del vecchio testamento […], Venedig 1532

implizierte Idee der Enthüllung kann zugleich als Schlüssel für das gesamte Bildprogramm des Holzschnitttitels gelesen werden, wie im Folgenden gezeigt wird. Die zentrale Nische wird von sechs Szenen gerahmt, die unterschiedliche Episoden aus Mohammeds Leben präsentieren. Das obere querformatige Bildfeld über dem Titel zeigt die Geburt des Propheten. Zwei kleinere hochformatige Szenen erscheinen zu beiden Seiten des Vorhangs. Die Bilder auf der linken Seite präsentieren zwei Wunder: Im oberen erkennt ein Esel den Säugling Mohammed als den Gesandten Gottes, das untere zeigt ihn als Knaben bei der Waschung seines Herzes durch Engel. Auf der rechten Seite erscheint Mohammed im oberen Feld als Jüngling, wie er, vor einem älteren, bärtigen Mann stehend, aus einem Buch rezitiert. Im Bild darunter werden der Sieg einer Reiterarmee und die fliehenden Gegner gezeigt, während in der letzten Szene im untersten Register, die wie die erste die ganze Breite des Blattes einnimmt, Mohammed auf einem Sockel vor einer Gruppe von Zuhörern steht und predigt.

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Die Gestaltung eines Titelblatts mit einem bebilderten Rahmen, einer sogenannten cornice istoriata, findet sich selten im Buchdruck des 16. Jahrhunderts.112 Ein mögliches Vorbild könnte die fünfzehn Jahre früher, im Jahr 1532 bei Lucantonio Giunta in Venedig gedruckte Bibel gewesen sein (Abb. 15).113 Beide Bücher präsentieren sich nicht nur als Neuübersetzung aus dem Griechischen, Hebräischen beziehungsweise dem Arabischen, eine weitere interessante Gemeinsamkeit ist, dass beide Publikationen in der Folge von der katholischen Kirche verboten wurden.114 Es kann zwar nicht zweifelsfrei bewiesen werden, dass die cornice istoriata des Alcorano als eine formale Analogie zu zeitgenössischen Titelholzschnitten in Bibeln angelegt war,115 es ist jedoch auffällig, dass diese Gestaltungsform vor allem nördlich der Alpen häufig für die heilige Schrift verwendet wurde.116 In jedem Fall war die Fertigung und Verwendung eines bebilderten Rahmens kostspieliger als die einer rein ornamentalen Titelblattgestaltung.117 Im Gegenzug verlieh die cornice istoriata dem Buch eine prachtvolle Erscheinung und bot dem Betrachter bereits auf dem Titelblatt eine Art visuelle Zusammenfassung vom Inhalt des Buches. Während Giuntas Bibel eine Bildfolge mit Szenen des Alten und Neuen Testaments – von der Erschaffung Evas bis zur Predigt des heiligen Paulus – präsentiert, sind die Darstellungen auf dem Titelblatt der Koranübersetzung thematisch beschränkter. 112  Vgl. Barberi, Francesco: Il frontespizio nel libro italiano del Quattrocento e del Cinquecento, Mailand 1969, Bd. 1, S. 131–132. Diese Form des Titelblattes war vor allem in Deutschland beliebt, während Barberi für Italien in der erste Hälfte des 16. Jahrhunderts lediglich drei Beispiele nennt. Zahlreicher hingegen war die Gestaltung des Rahmens mit Heiligen- und Autorenbildnissen. Vgl. Richardson, Brian: Series of Woodcut Borders in Early Sixteenth-Century Venetian Title Pages, and the Career of Pietro Aretino, in: La bibliofilia. Rivista di storia del libro e di bibliografia, 103, 2, 2001, S. 137–164. 113  Zum Frontispiz dieser von Antonio Brucioli ins Italienische übertragenen Bibel vgl. Palumbo, Genoveffa: Le porte della storia. L’età moderna attraverso antiporte e frontespizi figurati, Rom 2012, S. 28–38 (mit weiterer Literatur). Palumbo äußert die These, dass die Auswahl der im Rahmen gezeigten Szenen auf das Anliegen des Autors Bezug nehmen, die heilige Schrift in Volkssprache zugänglich zu machen. 114  Vgl. Le civiltà del libro e la stampa a Venezia. Testi sacri ebraici, cristiani, islamici dal Quattrocento al Settecento, hrsg. v. Simonetta Pelusi, Ausstellungskat. Libreria Sansoviniana, Venedig 2000, S. 142–143. 115  Ein Beispiel für die Verwendung einer cornice istoriata auf dem Titelblatt einer säkularen Schrift ist Antonio Musa Brasavolas Index Refertissimus in omnes Galeni libros, qui ex Iuntarum quarta editione extant, der 1565 bei Lucantonio Giunta in Venedig erschien. 116  Vor 1547 finden sich mehrere Bibelausgaben und Evangelien, die mit einer cornice istoriata versehen wurden: Hans Holbein d. J., Das newe Testament, Basel 1523; ders., Biblia, London 1535/1536/1537/1540. Auch in der folgenden Dekade erscheint der bebilderte Rahmen bei Bibeltiteln beispielsweise mit den Holzschnitten von Virgil Solis. Vgl. Hollstein’s German Engravings, Etchings and Woodcuts: ca. 1400– 1700, hrsg. v. Friedrich W. H. Hollstein u. a., Amsterdam u. a., 1954, Bd. 14a (Hans Holbein d. J.), S. 97, 194; Bd. 68 (Virgil Solis), S. 156; Bd. 69 (Virgil Solis), S. 16, 34. 117  Einerseits weil die künstlerische Gestaltung hinsichtlich der Invention und Umsetzung anspruchsvoller und zeitintensiver war, andererseits weil ein solcher Holzschnitt kaum eine Wiederverwendung in anderen Kontexten erlaubte.

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Die Passagen im Koran, die das Alte Testament aufgreifen oder Jesus und Maria erwähnen, wurden wohl bewusst weggelassen. Statt Mohammed in eine Reihe mit den vorherigen Propheten zu stellen und ihn so in der biblischen Tradition zu verorten, bedeutet die Fokussierung auf sein Leben sowohl seine Isolierung wie die „seines“ Korans.118 Entsprechend der Gestaltung des Holzschnitttitels ist auch im Buch selbst der Koranübersetzung eine Biographie des Propheten vorangestellt. Dabei wird sein Leben in zwei unterschiedlichen Versionen vorgestellt. Die erste trägt den Titel La Vera Vita di Macometto119 und basiert auf den von Giovanni Battista Castrodardo redigierten Texten christlicher Autoren, während die zweite aus vier unterschiedlichen Episoden besteht, La Generatione di Macometto, La Nativiá di Macometto, La Nodritura di Macometto und La Vita i costumi la forma la statura e l’oppinioni di Macometto, die ursprünglich der islamischen Überlieferung entstammen.120 Diese Anordnung der Texte geschah planmäßig, denn es sei, wie der Autor erklärt, für die Sicherheit des christlichen Lesers besser, dass dieser zunächst das „wahre“, „verdammenswerte“ Leben Mohammeds kennenlerne, bevor er mit den islamischen Texten konfrontiert werde.121 Ganz im Gegensatz zu der im Vorwort geäußerten Besorgnis, ein positives Bild des Propheten an den Anfang des Werkes zu stellen, geht der anonyme Künstler des Holzschnitts gewagter vor, indem er Szenen aus der islamischen Tradition für die Darstellung wählt. Diese Entscheidung scheint, wie Guy Le Thiec vermutet, im Kontrast zu der generell antiislamischen Haltung des Buches zu stehen.122 Schließlich komponierte

118  Mohammed erscheint somit außerhalb der Traditionslinie der alttestamentarischen Propheten, in der er laut dem Koran steht. Die dezidierte Bezeichnung des Korans als „sein Buch“ war eine Strategie zur Negierung des göttlichen Ursprungs des Korans, die sich gleichfalls in den Reiseberichten des 15. Jahrhunderts findet. Vgl. Giovannini (2005), S. 64. 119  L’Alcorano di Macometto, nel quale si contiene la doctrina, la vita, i costumi, e le leggi sue […], übers. v. Giovanni Battista Castrodardo, Venedig 1547, Liber I, La Vera Vita di Macometto tratta dall’historie di cristiani, fol. II–XI. 120  Dieser Teil des Buches basiert auf dem Liber generationis Mahumet et nutritia eius und der Doctrina Mahumet, die 1142 von Hermann von Dalmatien ins Lateinische übertragen wurden und bereits Teil des ersten, 1543 erschienenen lateinischen Korandruckes von Theodor Bibliander in Basel waren. Bezüglich der arabischen Quellen dieser Texte vgl. Kritzeck, James: Peter the Venerable and Islam, Princeton 1964, S. 33, 84–88, 138. 121  L’Alcorano (1547), Liber I, Alli pii lettori, fol. Iv: „E poscia che l’animo nostro è di darvi l’Alcorano, loro legge, volgare, & a maggior bellezza del libro, la Geneaologia, Nativita, Notritura, e Vita di Maco­ metto, d’inviolabile osservanza apresso Hismaheliti, hò voluto à sicurezza de pii lettori, prima premonirgli della vera vita di quello […] a fine che scoprendosi la sporca vita delloro Profeta [...].“ 122  Le Thiec sieht in der bildlichen Präsentation des Titelblattes den Schritt hin zu einer positiveren Sichtweise des Propheten. Jedoch bleibt seine Interpretation vage. Le Thiec (1994), S. 123: „Le frontispice a résisté à l’entreprise de justification: comment introduire la dénonciation de ces fables dans une planche dépourvue encore de légendes? Les pièces ultérieures ont plausiblement eu comme visée de détourner le feu de l’Index, christianisant en quelque sorte inconcevable opération d’une traduction du Coran. À ce frontispice, les Turcs s’ils avaient conquis une place pour leur Prophète, demeuraient encore peut-être de

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der Holzschneider die Szenen der islamischen Quellen sogar in Anlehnung an christliche Ikonographien: Die Geschichten islamischen Ursprungs erscheinen hier also im Gewand christlicher Bildsprache. Der Grund für die Verwendung allgemein bekannter Bildformulare mag auch hier wieder im erleichterten Verständnis liegen, denn auf diese Weise konnten die dem Betrachter wahrscheinlich unbekannten Details aus dem Leben Mohammeds in vertrauter Form vermittelt werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Verwendung christlicher Bildtypen den Betrachter nicht nur dazu anleiten konnte, die Gemeinsamkeiten, sondern ebenso die Unterschiede wahrzunehmen. Bereits auf den ersten Blick dürfte der Holzschnitt mit der Geburt Mohammeds den zeitgenössischen Betrachter an christliche Ikonograhien erinnert haben. Das Bett der Wöchnerin im häuslichen Ambiente und die Ammen, die das Kind am Fuße des Bettes in einer Schale baden, gemahnen unweigerlich an die Geburt Mariens, während das Lichtwunder und die sich feierlich auf den Säugling zubewegenden Männer mit ihren Geschenken Szenen der Geburt Christi ins Gedächtnis rufen. Dabei richtet sich die Komposition fast vollständig nach der Übersetzung der arabischen Quelle La Nativitá di Macometto. Sowohl der bärtige Mann, der vor dem Knaben niederkniet, um diesem die „Schlüssel des Sieges, des Gesetzes und der Prophezeiung“ zu überreichen, wie auch die drei ihm folgenden Jünglinge, deren Köpfe von strahlenden Nimben umgeben sind, entsprechen genau der literarischen Vorlage.123 Auch das göttliche Licht, das aus dem sich öffnenden Himmel auf das Kind scheint, kann auf den Text zurückgeführt werden. In diesem wird Mohammed als der Prophet beschrieben, durch den das bereits vor der Schöpfung existierende Ur-Licht (nūr), das Gott in den Samen Adams einsetzte und das über die Generationen der Propheten bis zu Mohammed weitergegeben wurde, mit diesem schließlich in die Welt hinausstrahlt.124 Der Künstler des Holzschnittes reflektiert damit die islamische Tradition des nūr Muhammad. Im Unterschied zur islamischen Bildtradition lässt er das Licht jedoch nicht in Form einer Flamme vom Propheten selbst ausgehen, sondern interpretiert es im Sinne der Bildtradition der Geburt Christi als eine Himmelserscheinung. Neben diesen Elementen, die Mohammed auch einem mit dem islamischen Glauben nicht vertrauten Betrachter als eine heilige Person erkennen lassen, zeigt das simples auditeurs d’un Saint dont l’épée pourrait séparer la vraie religion de celle ces faux prophètes. Mais une iconographie musulmane se frayait incontestablement une voie dans les Corans imprimés.“ 123  L’Alcorano (1547), Liber I, La Natitività di Macometto, fol. 7v: „[U]n huomo di bianco vestito […] veniva con tre chiavi, […] e quelle presentò al nato fanciullo […] la chiave della vittoria, la chiave della legge, e la chiave della Prophetia. Dopo seguivano tre huomini con la faccia piena de raggi simili al Sole.“ 124  Ebd., fol. 6v: „Si e giunto per ordine lungo de secoli al termine, il quale Iddio haveva prescritto, e veduto, e nel quale doveva nascere al Mondo il lume del Propheta Macometto.“ Zur arabischen Tradition, Mohammed als Träger des Licht Gottes (nūr) zu bezeichnen, vgl. Gruber (2009a), bes. S. 247–252; Rubin, Uri: Pre-Existence and Light. Aspects of the Concept of Nūr Muhammad, in: Israel Oriental Studies, 5, 1975, S. 62–119; Dies.: „Nūr Muhammadī“, in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks. brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/nur-muhammadi-SIM_5985 (26. 01. 2014).

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Bild auf den zweiten Blick zugleich einige Ungewöhnlichkeiten. So erscheint Mohammeds Mutter Amina trotz der laut dem Text schmerzlosen Geburt recht erschöpft.125 Lediglich mit einem dünnen Gewand bekleidet, in der sich ihr Körper deutlich abzeichnet, liegt sie breitbeinig und ohne Überdecke auf dem Bett. Ihre Figur ähnelt durch die betonte Körperlichkeit eher einer Danae, die Jupiter als Goldregen in ihrem Schoß empfängt, als an die in der christlichen Bildtradition züchtig bedeckten Wöchnerinnen. Die visuelle Attraktivität der Mutter wird zudem dadurch hervorgehoben, dass der linke der durch die Strahlenkränze ausgezeichneten Männer entgegen seiner Laufrichtung nur Augen für sie, nicht jedoch für das Kind am rechten Bildrand hat. Auch die nächste Szene, die Mohammed als Säugling in den Armen seiner auf einem Esel reitenden Amme Halima zeigt, dürfte den Betrachter durch ihre Ähnlichkeit zu christlichen Ikonographien überrascht haben. Am deutlichsten sind die Übereinstimmungen der Komposition mit Darstellungen der „Flucht nach Ägypten“.126 Lediglich das Alter des Mannes der Amme, der mit seinem geschulterten Wanderstab die für Joseph typische Position einnimmt, und das Niederknien des Esels dürften als Differenzen zu dieser wohlbekannten Ikonographie wahrgenommen worden sein. Die tatsächliche Bedeutung des Bildes erschließt sich dem mit den islamischen Überlieferungen nicht vertrauten Betrachter erst durch die Lektüre der islamischen Prophetenvita. Diese berichtet von dem Wunder, dass eine Eselin den Säugling Muhammed erkannte, vor ihm niederkniete und ihn mit menschlicher Stimme als den Gesandten Gottes pries.127 Als Darstellung eines Wundergeschehens dürfte diese Szene auf dem Titelblatt jedoch auch ohne Kenntnis des Textes verstanden worden sein. Signifikant sind das Niederknien und die Umwendung des Esels, die aber unterschiedlich ausgelegt werden können. Der Esel war nicht nur aus dem Alten Testament als das Tier bekannt, das „die Krippe seines Herrn“ erkennt128, auch die in ganz Europa populären Hagiographien des Antonius von Padua berichten von einem Lasttier, das in einer Hostie Christus erkannt

125  L’Alcorano (1547), Liber I, La Natitività di Macometto, fol. 6v: „La madre di lui, fe fede, che mai senti per lui dolore alcuno, ne mentre lo porto nel ventre, ne dopò il parto, ne meno partorendolo […].“ 126  Das Motiv der mit dem Kind im Arm auf einem Esel reitenden Maria und Joseph, der mit seinem Wanderstab hinterherläuft, ist zahlreich in der italienischen Malerei. Mögliche Vorbilder finden sich von Duccio bis Tizian. 127  Ebd., Libro I, La Nodritura di Macometto, fol. 9v. Hier berichtet die Amme: „[…] e noi parimente ci partiamo, e sedendo in su l’Asina il marito mi porge il fanciullo, e quella quasi adorandola s’inginocchia […].“ Erst später während der Reise beginnt der Esel zu sprechen. Ebd.: „L’Asina allhora favellando con humane parole, & ad alta voce dice, […] egli è il Sigillo de Propheti, egli è Signor de Giudici, miglior de primi, e Nuntio di Dio omnipotente, che debbio dir piu.“ 128  Jesaja 1,3: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk vernimmt’s nicht.“ Für den Hinweis danke ich Avinoam Shalem.

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habe und niedergekniet sei.129 Vor diesem Hintergrund könnte die Darstellung des Holzschnittes als weiterer Hinweis auf die Heiligkeit des Säuglings verstanden worden sein. Allerdings erlaubt das Bild auch eine andere Interpretation. Im Kontext der sich von rechts nach links bewegenden Gruppe kann das Niederknien des Esels ebenso als eine Weigerung verstanden werden, die Reise fortzusetzen. Eine derartige Lesart fände ihre Entsprechung in der Geschichte des Propheten Bileam, dessen Eselin von einem für den Reiter unsichtbaren Engel Gottes gestoppt wird, um Bileam von seinem Vorhaben abzuhalten, das Volk Israel zu verfluchen. In den druckgraphischen Illustrationen dieser Geschichte verweigert das Tier ebenfalls kniend die Weiterreise und wendet dabei den Kopf zu seinem Herrn um.130 Wie in der ersten Szene scheint es auch hier die Intention des Künstlers gewesen zu sein, durch das Zitat und die Abwandlung einer christlichen Bildformel eine irritierende und mehrdeutige Darstellung des aus der islamischen Überlieferung stammenden Wunderberichts zu schaffen. Obwohl die Geschichte von der Herzwaschung des Propheten auch in der Vita christlichen Ursprungs erscheint, bediente sich der Künstler abermals der islamischen Quelle.131 Dort heißt es, Mohammed sei, als er im Knabenalter auf einer Weide Schafe hütete, drei Männern begegnet, die seinen Brustkorb öffneten, sein Herz herausnahmen und es wuschen. Dem Künstler standen für die bildnerische Umsetzung dieser genuin aus der islamischen Tradition stammenden Geschichte keine christlichen Modelle zur Verfügung und auch eine Adaption islamischer Vorlagen ist sehr unwahrscheinlich, da dieses Thema in der islamischen Kunst nur sehr selten dargestellt wurde und weder stilistisch noch motivisch Anleihen erkennbar sind.132

129  Zur Verbreitung des Antoniuskultes immer noch maßgeblich: Mandach, Conrad von: Saint Antoine de Padoue et l’art italien, Paris 1898, darin zum Eselwunder mit mehreren Bildbeispielen S. 230–238. 130  Vgl. 4. Mose 22,21–38. Die Ikonographie von Bileams gestoppter Reise war über Schedels Liber Chronicarum von 1493 und die 1540 gedruckte Leienbibel weit verbreitet. Für diesen Hinweis danke ich Ittai Weinryb. 131  Dies wird an den drei Engeln und der Berglandschaft ersichtlich, die lediglich in der „islamischen“ Quelle genannt werden. L’Alcorano (1547), Liber I, La Nodritura di Macometto, fol. 10r. Mohammed berichtet hier selbst: „Tre huomini cavandomi de Pascholi mi condussero qui [in cima ad uno Monte], il primo mi sparò fino al bellico sanza farmi punto di male, e mi lavo le viscere, e fecele bianche come neve, il secondo mi parti il cuore in due parti, cavando del mezzo un grano negro, & gettandolo via, disse questa è la portione del Diavolo, Il terzo mi rimesse le viscere nel ventre, e ritornommi come voi vedete ch’io sono.“ Die christliche Fassung ist hingegen deutlich kürzer. Ebd., Libro I, La vera vita di Macometto, fol. 7v: „[…] diremo anchora d’alcuni suoi fualosi [sic] miracoli, quantunque non s’havesse testimonio alcuno, & il primo, quando essendo fanciullo, e ne pascoli solo gli fu aperto il petto dall’angelo Gabriello suo custode, e trattogli la fece, ò non so che di cattivo attaccato al cuore […].“ 132  Die einzig bekannte bildliche Darstellung der Herzwaschung islamischen Ursprungs stammt aus ilkhanidischer Zeit gegen Ende des 14. Jahrhunderts und findet sich in Bal‘amīs Übersetzung von Tabarīs . Ta’rīkh al-Rasul wa al-Mulūk (Tarikhnama), Washington D. C., Freer Gallery, 57.16, fol. 138r. Vgl. Coffey, Heather: Encountering the Body of Muhammad. Intersections between Mir‘aj Narratives, the Shaqq al-

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Das Bild zeigt den vor dem entkleideten Jungen knienden Erzengel Gabriel mit zwei himmlischen Gehilfen. Die Figuren befinden sich in einer Felsenlandschaft, deren Hintergrund unmittelbar hinter ihnen von einer steilen Felswand abgeschlossen wird, so dass nur ein kleines Stück Himmel sichtbar ist. Innerhalb dieses beengten Bildraumes wirkt die von den Engeln vollzogene Operation recht harsch. Gabriel greift mit beiden Händen in den klaffenden Brustkorb des bewusstlosen Knaben und der Engel hinter ihm hält das Herz Mohammeds ostentativ in die Luft. Die Stimmung der Szenerie ist zudem von einer latenten Unruhe geprägt. Hierzu tragen die zerzausten Haare Gabriels, die an seiner Stirn wie zwei Hörner abstehen, ebenso bei wie die aufgewühlte Frisur Mohammeds – beachtlich ist die Differenz mit dem glatt gescheitelten Schüler Mohammed in der folgenden Szene – und die energischen Kreuzschraffuren über der Brust und dem Kopf des Knaben. Die stärkste Verunsicherung über den Charakter dieses himmlischen Eingriffs wird jedoch durch das Kreuz im Vordergrund der Szene erzeugt. Scheinbar zufällig formen hier zwei Äste ein Kreuz, an dessen Querbalken ein geringeltes, wurmartiges Gebilde lehnt. Diese Intrusion der Kreuzform geht auf keine der schriftlichen Quellen zurück und stellt eine Invention des Künstlers dar. Im Kontext des Bildes bleibt dieses Gebilde ein mehrdeutiges Zeichen, das nicht vollständig geklärt werden kann. Als ein mögliches Symbol für Opfer, Tod und Auferstehung unterstreicht das Kreuz jedoch die Dramatik des Geschehens und lässt den Betrachter über den Zustand des bewusstlosen Knaben im Zweifel. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Künstler die in der Übersetzung der islamischen Quelle noch spürbare sakrale Atmosphäre der Herzwaschung in eine bedrohlich wirkende Zeremonie verwandelt hat.133 Dies könnte auf eine gedankliche Verknüpfung der Szene mit Dantes Divina Commedia hindeuten, denn eine im Alcorano dem Text angefügte Glosse stellt ebenfalls einen Bezug her zwischen der Herzwaschung und der von Mohammed in Dantes Inferno verbüßten symbolischen Strafe, wo er für die ihm angelastete Spaltung der Glaubensgemeinschaft vom Kinn bis zu den Genitalien aufgeschlitzt umherläuft.134 Möglicher-

Sadr, and the Divina Commedia in the Age before Print (c. 1300–1500), in: Shalem (2013), S. 33–86, hier S. 71–73; Soucek (1988), S. 195–198. 133  Nach muslimischem Glauben bedeutet die Herzwaschung Mohammeds seine Vorbereitung auf das künftige Prophetenamt. Zu den unterschiedlichen islamischen Beschreibungen der Herzwaschung vgl. Birkeland, Harris: The Legend of the Opening of Muhammed’s Breast, Oslo 1955. 134  L’Alcorano (1547), Liber I, La Nodritura di Macometto, fol. 9v; „Forse augura questo scrittore che Macometto sia cosi sfesso dal mento in sin dove si trulla, come scismattico, del quale Dante [scrive] nel canto XXVIII. del Inferno[.]“ Vgl. Dante, Alighieri: La Divina commedia di Dante Alighieri, hrsg. v. Baldassare Lombardi u. a., Padua 1822, Bd. 1, Inferno, Canto XXVIII, Verse 22–24, 28–31: „Già veggia, per mezzul perdere o lulla, / Com’io vidi un, così non si pertugia, / Rotto dal mento insin dove si trulla. […] Mentre che tutto in lui veder m’attacco, / Guardommi e con le man s’aperse il petto, / Dicendo: Or vedi com’io mi dilacco; / Vedi come storpiato è Maometto“. S. 603–605. Zudem ist denkbar, dass Dante für seine Schilderung der Mohammedfigur selbst durch Überlieferungen der Geschichte der Herz-

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weise hatte daher auch der Künstler beim Entwurf des Holzschnitts Dantes Beschreibung Mohammeds im Sinn und wollte darauf anspielen.135 Im nächsten Bildfeld erscheint Mohammed als Jugendlicher, wie er einem älteren, auf einer Kathedra sitzenden Mann aus einem Buch vorliest. Die Begegnung spielt sich vor einer hügeligen Landschaft mit am Horizont angedeuteten Architekturen ab, wobei die linke Himmelshälfte von einer voluminösen Quellwolke bedeckt ist. Während der Junge mit seiner gut sitzenden, dem 16. Jahrhundert entsprechenden Kleidung und seinem ordentlich zurückgekämmten Haar das Bild eines Musterschülers abgibt, wirkt der ältere Mann mit seinem langen Bart und seinem wallenden Gewand wie ein antiker Philosoph. Zwar ist in der ersten Biographie des Alcorano zu lesen, dass Mohammed ein Junge von großer Schönheit, Anmut und scharfem Verstand war,136 aber weder aus diesem noch aus den folgenden Texten erschließt sich die Szene. Eine zumindest partielle Übereinstimmung ergibt sich mit einer Überlieferung aus der arabischen Tradition, die berichtet, dass der jugendliche Mohammed auf seiner ersten Reise nach Syrien von einem gelehrten Eremiten als künftiger Prophet erkannt wurde. Jedoch ist nicht davon die Rede, dass Mohammed ein Schüler dieses Mannes war.137 Zudem widerspricht es einer muslimischen Sichtweise, Mohammed mit einem Buch darzustellen, denn in islamischer Tradition wird der Prophet meist als des Lesens unkundig beschrieben.138 Obgleich die konkrete literarische Quelle nicht nachgewiesen werden kann, erlaubt auch diese Szene einen Vergleich mit dem Leben Christi. Dass der strebsame Junge seinen Lehrer so zu beeindrucken weiß, dass dieser von seinem Sitz herabsteigt, könnte als eine Parallele zu dem zwölfjährigen Jesus verstanden werden, der die Priester des Tempels durch seine frühreife Weisheit in Erstaunen versetzte.139 Das direkt darunterliegende Bildfeld zeigt das Gefecht zweier Reiterarmeen. Auch hier ist es, da die beteiligten Soldaten nicht zu identifizieren sind und in den Viten waschung aus der arabischen Tradition inspiriert wurde und diese in ein negatives Gegenbild wandelte. Vgl. Coffey (2013), S. 33–34, 75–86. 135  Der vom Kommentar hergestellte Bezug zwischen der Herzwaschung und der Darstellung Mohammeds in Dantes Inferno, mag angesichts der Zuschreibung der Übersetzung an Giovanni Battista Castrodardo nicht überraschen, da dieser in der Geschichte der Stadt Belluno auch als der Verfasser eines DanteKommentars genannt wird. Vgl. Tommasino (2008), S. 28–29. 136  Vgl. L’Alcoran (1547), Liber I, La Vera Vita di Macometto, fol. 2v. 137  Seit dem Mittelalter war die Geschichte des syrischen Mönches, der Mohammed als den Gesandten Gottes erkannte, in Europa bekannt und wurde von den christlichen Autoren so umgeschrieben, dass Mohammed von dem nun als Häteriker beschriebenen Mönch den Koran erhalten habe. Vgl. Reeves (2000), S. 105–106. 138  Mohammeds „Analphabetismus“ wurde von islamischen Gelehrten als ein Argument für die Originalität des Korans gebraucht. Da Mohammed so nicht durch die Schriften der Juden und Christen beeinflusst worden sein konnte, stellte er ein „reines Gefäß“ für die göttliche Botschaft dar. Vgl. Günther, Sebastian: Muhammad. . The Illiterate Prophet. An Islamic Creed in the Qur’an and Qur’anic Exegesis, in: Journal of Qur’anic Studies, 4, 1, 2002, S. 1–26, hier S. 11. 139  Vgl. Lukas 1,42–47.

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von mehreren Feldzügen berichtet wird, nicht möglich, eine konkrete Textquelle für die Darstellung anzugeben. Die generische Schlachtenszene, die neben den dynamischen Reitern mit der im Bildvordergrund liegenden Figur des Gefallenen prominent die Schrecken des Krieges veranschaulicht, kann als eine Überleitung zum letzten Bildfeld verstanden werden. In diesem erscheint Mohammed als Triumphator in einer antikischen Rüstung, wie er vor den Einwohnern einer Stadt eine Rede hält. Was auf den ersten Blick wieder wie die Adaption eines christlichen Heiligenbildes anmutet – Le Thiec sieht die Szene als eine Anspielung auf die Ikonographie des heiligen Paulus –, kulminiert schließlich in der gegensätzlichen Interpretation Mohammeds als Antichrist.140 Die beiden letzten Szenen bedeuten eine deutliche Wende in der bildlichen Prophetenvita. Während die vorherigen Darstellungen durch die Anlehnung an christliche Ikonographien Mohammed den Anschein von Heiligkeit und Christusähnlichkeit verliehen, wird der Prophet nun als weltlicher Eroberer präsentiert, der durch das Schwert an die Macht gekommen ist.141 Dabei ähnelt seine Figur der zwei Jahre später entstandenen Darstellung Mohammeds in Sebastian Münsters Cosmographia (Kat. 7b). Die Enthüllung Mohammeds als Antagonist Christi wird durch unterschiedliche Bilddetails erzielt. Der erste Hinweis ergibt sich aus dem Verhalten der Anhänger, die den Propheten umgeben. Auffällig sind nicht nur die körperbetonenden Kleider des den Betrachter von links in das Bild einführenden festaiuolo, sondern auch das homoerotische Paar, das unmittelbar am Fuße von Mohammeds Podium beieinanderliegt.142 Der 140  Trotz der Ähnlichkeit, die der ein Schwert haltende Mohammed mit der Darstellung des predigenden Paulus auf dem Titelblatt von Giuntas Bibel aufweist (Abb. 4), kann diese Darstellung kaum als treffender Vergleich herangezogen werden, wie etwa Le Thiec annimmt: „L’iconographie qui reprend donc plusieurs scènes de la vie de Mahomet, ne rendrait pas compte de la tension perceptible dès l’épître dédicatoire à moins, comme il a déjà été indiqué, de voir dans le prédicateur des Turcs à l’épée, au bandeau inférieur du frontispice, un saint Paul apôtre des Gentils.“ Le Thiec (1994), S. 119. 141  Der Kontrast zwischen der friedlichen Botschaft Christi und der vermeintlichen Gewalttätigkeit des Propheten wird auch im Text explizit erwähnt. L’Alcorano (1547), Liber II, La Vita i costumi la forma la statura e l’oppinioni di Macometto, fol. 11r: „[La] Religione di Macometto [è] fondata i[n] violentia, e crudeltà, e non in carità & amore.“ 142  Nach alttestamentarischer Auslegung ist der Begriff der Idolatrie mit Unzucht und Ehebruch verbunden, so dass die idolatrische Präsentation Mohammeds und das sexuell freizügige Verhalten seiner Anhänger ein kohärentes Bild ergeben. Vgl. Bibel-Lexikon, hrsg. v. Herbert Haag, Einsiedeln/Köln/ Zürich 21968, col. 9. Auch in der Antichrist-Darstellung in Wynkyn de Wordes Lytell treatyse zeigt die Zuhörerschaft ein ähnlich „ungesittetes“ Verhalten (Kat. 5). Es gehörte zu den gängigen Vorurteilen, den Muslimen eine zügellose Sexualität zu unterstellen, und gerade den Osmanen wurde nachgesagt, homosexuelle Praktiken zu pflegen. L’Alcoran (1547), Liber I, Della legge mahomettana, fol. 46v. Die Türken seien: „molto imbrattati del vitio della sodomia, in modo tale, che non è poßibile per alcuna via, se ne possano astenere. Et perche tutti sono macchiati di questa pece, fra loro non ne danno punitione, & hanno nel loro Coraam, che quelli, che usano questo vitio, sono perduti in questo mondo & dell’anima, & del corpo: & in alcuni libri restati di Mahometto, dicono haverne veduta chiaramente la isperienita.“ Die

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

zweite Hinweis ist der elegante Sockel des Redners, der an die Bildtradition des von seinem Thron, dem Tempel in Jerusalem, predigenden Antichrist anknüpft und auf die Selbsterhöhung Mohammeds zum Idol verweist.143 Das deutlichste, jedoch nur bei näherem Hinsehen zu entdeckende Zeichen für die dämonische Natur des Predigers sind die beiden Hörner auf seiner Stirn. Zusammen mit der antiken Rüstung und dem Sockel hat Mohammed die Gestalt eines paganen Götzenbildes, wie sie in den Kreuzzugschroniken und Chansons de geste beschrieben wurden.144 In ihnen wurde nicht nur der pagane Götterkult mit dem muslimischen Glauben der Sarazenen gleichgesetzt,145 auch die Bezeichnung von gehörnten Figuren als „mahommet cornue“ war geläufig.146 Thematisiert wurde sogar die mögliche Verwechslung der Götzenbilder mit christlichen Figuren. So beschreibt Radulf von Caen in seinem frühen Kreuzzugsbericht, den Gesta Tancredi (1131), wie der Held Tancred bei der Einnahme Jerusalems eine prachtvoll geschmückte und offenbar kultisch verehrte Silberstatue vorfindet und zunächst im Zweifel darüber ist, ob es sich nicht um ein Bild Christi handle. Erst als er erkennt, dass es ein Bild des „Antichrist, des verderbten Mahomet“ ist, lässt er es von seinen Männern zerstören.147 Auch wenn gerade die Theologen des 15. Jahrhunderts vor der Gefahr des diabolischen Scheins warnten,148 dürfte die Darstellung Mohammeds in den letzten Szenen Stelle findet sich nahezu identisch in Giovanni Antonio Menavinos (geb. um 1492) Bericht von seiner Gefangenschaft bei den Osmanen. Vgl. Menavino, Giovan A.: Trattato de costumi et vita de Turchi, composto per Giouan Antonio Menauino Genouese da Vultri, Florenz 1548, S. 47–48. Zwar soll der Alcorano laut eigener Angabe erst 1547 erschienen sein, da es sich bei diesem Buch jedoch weitgehend um eine Kompilation handelt, kann davon ausgegangen werden, dass der Text von Menavino, der 1513 aus dem Osmanischen Reich floh, als Vorlage diente. Zu Menavino vgl. Göllner (1978), S. 31. 143  Das bekannteste Vorbild für ein derartige Darstellung dürfte Luca Signorellis Fresko mit der „Predigt des Antichrist“ in der Cappella di San Brizio im Dom von Orvieto sein, das 1499–1502 entstand. 144  Die Beschreibung der Muslime als Götzendiener erscheint in den lateinischen Schriften erstmals gegen Ende des 10. Jahrhunderts. Populär wurde das Motiv jedoch erst im 12. Jahrhundert mit den Chroniken des ersten Kreuzzuges und den thematisch darauf basierenden Ritterepen der Chansons de geste, die den Kult der Sarazenen mit dem Polytheismus der Antike gleichsetzten. Mohammed ist meist nicht als Prophet dargestellt, sondern als von den Sarazenen angebetetes Götterbild. Vgl. Tolan, John V.: Muslims as Pagan Idolaters in Chronicles of the First Crusade, in: Western Views of Islam in Medieval and Early Modern Europe. Perception of the Other, hrsg. v. David R. Blanks u. Michael Frasetto, New York u. a. 1999, S. 97–117. Besonders verbreitet war das Rolandslied, in dem Mohammed als der oberste der sarazenischen Götter bezeichnet wird. Vgl. Konrad, [der Pfaffe]: Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Mittelhochdeutsch – Neuhochdeutsch, hrsg. u. übers. v. Dieter Kartschoke, Stuttgart 2001, Verse 3492–3493: „Dâ wârne siben hundert apgot, Machemt was der hêrest unter in.“ 145  Vgl. Tolan (2002), S. 126. 146  Vgl. Camille, Michael: The Gothic Idol. Ideology and Image-Making in Medieval Art, Chicago 1989, S. 131. 147  Vgl. ebd., S. 142–144. 148  Groebner, Valentin: Defaced. The Visual Culture of Violence in the Late Middle Ages, New York 2004a, S. 112: „Whereas fourteenth-century theologians had tended to warn more generally of the errors that might arise from a false manner of looking at the Passion (that is, of the danger of confusing the real

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des Titelblattes kaum mehr in Analogie zu Christus wahrgenommen worden sein. Stattdessen erfolgt hier die bereits in dem zentralen Motiv des Vorhangs implizierte Enthüllung, durch welche die zunächst als gottgefällig erscheinenden Wundergeschichten aus dem Leben des Propheten als Täuschung entlarvt werden. Während die Verknüpfung Mohammeds mit dem Typus des Antichrist durchaus traditionell war, kann die hierzu angewandte, ausgeklügelte Bildstrategie des Titelblattes als innovativ gelten. Den von der cornice historiata erzielten Effekt und die von ihr vermittelte Information gilt es in Bezug auf den historischen Kontext der Publikation näher zu untersuchen. Zunächst ist zu bemerken, dass die im Buchtitel geäußerte Behauptung, es handle sich um die erste direkte italienische Übersetzung aus dem Arabischen, falsch ist. Tatsächlich beruht das Buch auf der lateinischen Koranübersetzung Machumetis Saracenorum Principis vita ac doctrina omnis, die Theodor Bibliander vier Jahre zuvor herausgebracht hatte.149 Das Buch Biblianders, der als Professor für das Alte Testament in Basel lehrte, war die erste lateinische Übertragung des Korans, die gedruckt wurde. Aber auch dieses Buch bot keine Neuübersetzung. Als der Text vom Drucker Johannes Oporinus verlegt wurde, war er bereits 400 Jahre alt.150 Die ursprüngliche Übersetzung entstand im Auftrag des Abtes von Cluny, Petrus Venerabilis, im Jahr 1143. Es würde zu weit führen, die gesamte Geschichte europäischer Koranübersetzungen aufzurollen, dennoch ist es sinnvoll, die geschichtliche Situation zu erläutern, in welcher der erste gedruckte Koran entstanden ist, wirft doch die „Basler-Affäre“ ein Licht auf die Wahrnehmung des Korans und seine Instrumentalisierung im Zeitalter der Reformation.151 Bibliander und sein Drucker hatten einige Hindernisse zu überwinden, bevor ihr Buch auf den Markt kam.152 Der Stadtrat von Basel trug schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Veröffentlichung, da er befürchtete, es könnte der Christenheit und dem Ruf der Stadt schaden, ein solches Werk zu verbreiten.153 Erst nachdem sich Martin

body of Christ with the image), fifteenth-century tracts concentrated on the dangers of deception and simulation – that is, the danger of confusing Christ with a diabolical replication.“ 149  Bereits der holländische Gelehrte Joseph Justus Scaliger (1540–1609) bemerkte, dass die italienische Übersetzung des Korans auf dem Corpus Toletanum beruhte. Vgl. Bobzin (1993), S. 197. 150  Trotz der Schwierigkeiten, die Bibliander und Oporinus bei der ersten Ausgabe des Korans hatten, muss diese ein finanzieller Erfolg gewesen sein, denn bereits 1550 kam in Basel eine leicht überarbeitete Fassung heraus. Vgl. De Frede, Carlo: La prima traduzione italiana del Corano sullo sfondo dei rapporti tra Cristianità e Islam nel Cinquecento, Neapel 1967, S. 10; Bobzin (1995), S. 262. 151  Eine wissenschaftliche Untersuchung dieses Themas legte Hartmut Bobzin vor (Bobzin, 1995). Zur gegenseitigen Identifizierung der Katholiken und Protestanten mit dem muslimischen „Glaubensfeind“ vgl. Heath (1988), S. 291. 152  Als der Basler Stadtrat erfuhr, dass das Projekt ohne vorherige Erlaubnis begonnen worden war, ließ er Oporinus in Haft nehmen und konfiszierte die bis zu diesem Zeitpunkt gefertigten Bücher. Vgl. Bobzin (1993), S. 195. 153  Zu den Positionen im Basler Streit um den Koran vgl. Clark, Harry: The Publication of the Koran in Latin. A Reformation Dilemma, in: Sixteenth Century Journal, 15, 1, 1984, S. 3–12.

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

Luther persönlich für das Projekt eingesetzt hatte, indem er argumentierte, dass den Osmanen nichts Schädlicheres passieren könne, als die „Falschheit“ ihres Glaubens öffentlich zu machen, durfte das Buch verkauft werden. Nach Luthers Auffassung war die Übersetzung des Korans jedoch nicht nur dazu dienlich, die Lehre Mohammeds bloßzustellen, das Buch wurde zugleich zu einem Bezugspunkt im innerchristlichen Glaubensstreit.154 Ähnlich wie es bereits Dionysius der Kartäuser dargelegt hatte, betrachteten beide christlichen Konfliktparteien den Koran als Modell-Häresie, mittels derer alle anderen Irrlehren dargelegt und abgeurteilt werden konnten. Während Luther auf die vermeintlichen Gemeinsamkeiten zwischen Mohammed und dem Papst verwies,155 bemühte sich die katholische Propaganda ihrerseits, eine Verwandtschaft zwischen der islamischen und lutheranischen Lehre aufzuzeigen.156 Als Anhänger des Evangeliums der Waldenser, das bereits seit dem 13. Jahrhundert von der römischen Kirche gebrandmarkt und von der Inquisition verfolgt wurde, war Andrea Arrivabene ebenfalls in die Reformationskonflikte verwickelt und in einem Fall sogar der Häresie angeklagt.157 Arrivabene nutzte seinen Alcorano jedoch nicht, um eine Kritik an der katholischen Kirche zu üben; und obgleich das Buch später im Index Librorum prohibitorum erschien, traf ihn der Vorwurf der Häresie nicht wegen dieser Publikation.158 Die spezifische Haltung, die das Buch gegenüber dem Islam einnimmt, erklärt sich besser aus der historischen Situation der Republik Venedig. Dieser Zusammenhang wird von drei Argumenten gestützt: Erstens bestand nach der Äußerung Arrivabenes in der Widmung ein wesentlicher Nutzen des Buches darin, dass es 154  Luthers Interesse am Koran zielte auf eine „polemische[] Gegenüberstellung von Papstkirche und Türkenreich“, Bobzin (1995), S. 15. Denn mittels der Kenntnis des Korans, so die Meinung Luthers, seien die Feinde im Inneren der Kirche erst zu erkennen. Vgl. ebd., S. 18.  155  Vgl. Ricoldus de Montecrucis: Verlegung des Alcoran Bruder Richardi Prediger Ordens Anno 1300 […], übers. u. komm. v. Martin Luther, Wittenberg 1542, o. P. (In der an Riccoldo anschließenden Widerlegung des Korans durch Luther): „Und ich halt den Mahmet nicht für den Endechrist / Er machts zu grob / und hat einen kendlichen schwarzen Teuffel / der weder Glauben noch vernunfft betriegen kann […] Aber der Bapst bey uns ist der rechte Endechrist / der hat den hohen / subtilen / schönen gleissenden Teuffel.“ Vgl. Grislis, Egil: Luther and the Turks, in: Muslim World, 64, 3, 1974, 3, S. 180–193, 275–291, hier S. 183. Große Popularität erreichte der Vergleich von Papsttum und Türken, von katholischer Kirche und Islam in Luthers berühmtem Kinderlied Erhalt uns Herr, das „den Bapst und Türken“ als „die zween Ertzfeinde Christi und der heiligen Kirche“ benennt. Vgl. Luther, Martin: Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge, bearb. v. Markus Jenny, Köln u. a. 1985, Nr. 38. S. 304–305.  156  So war es wohl eines der Anliegen Johann Albrecht Widmannstetters, der 1543 ebenfalls eine Koranübersetzung plante, die Gemeinsamkeiten zwischen den Lutheranern und den Muslimen aufzuzeigen, jedoch erhielt er für sein Projekt von der Nürnberger Stadtregierung keine Genehmigung. Vgl. Bobzin (1995), S. 7, 356–358. Zur Instrumentalisierung des Islam und des Korans in der Reformationspropaganda vgl. Kaufmann (2008), S. 21–23.  157  Vgl. De Frede (1967), S. 40. 158  Ebd., S. 42–43.

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Trügerischer Schein und bildliche revelatio

den Lesern helfen sollte, sich über die Religion und Sitten der Muslime zu informieren, um im Umgang mit diesen keine Fehler zu machen und ein möglichst friedliches Auskommen zu wahren.159 Diese Einstellung, die eine Koexistenz mit den islamischen Herrscherhäusern befürwortet, entsprach weitestgehend der Grundhaltung der Serenissima, deren Realpolitik auf die Erhaltung und Schaffung profitabler Handelsbeziehungen ausgelegt war und religiösen Differenzen in dieser Hinsicht ein geringeres Gewicht beimaß. Generell, und dies ist das zweite Argument für eine typisch venezianische Sichtweise, spiegelt der Alcorano die emotionale Diskrepanz, eine Mischung aus Angst und Faszination, mit welcher die Venezianer ihre muslimischen Gegenüber wahrnahmen.160 Das Titelblatt baut auf das Interesse für muslimische Themen, indem es das Buch als authentische Informationsquelle zum Islam und als Sensation anpreist. Es ist nicht nur die Behauptung des Titels, dass Buch sei eine Direktübersetzung aus dem Arabischen, es ist ebenso die aufwendige cornice istoriata, die den Betrachter zunächst mit der Ähnlichkeit zu zeitgenössischen Bibelausgaben und der Nachahmung christlicher Ikonographien in Erstaunen versetzen soll, um schließlich in der Entlarvung des Propheten als Antichrist zu gipfeln. Diese visuelle Offenbarungs-Rhetorik führt zum dritten Argument. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Art der Darstellung des islamischen Glaubens von einem Text inspiriert wurde, der im 16. Jahrhundert zu den am höchsten geschätzten und meistgelesenen Turcica zählte. Es ist der Tractatus de moribus condictionibus et nequicia turcorum des Georg von Ungarn, der auch Teil von Biblianders Koranausgabe war und daher Arrivabene und seinem Übersetzer Castrodardo bekannt gewesen sein muss. In der Schilderung seiner zwanzigjährigen Gefangenschaft im Osmanischen Reich warnt Georg die Christen vor einer gefährlichen Täuschung durch die Muslime. So erklärt er, dass er die Osmanen als moralische und sehr tugendhafte Menschen kennengelernt habe, kommt aber zu dem Schluss, dass es sich bei diesen positiven Eigenschaften nur um eine trügerische Fassade und einen Trick des Teufels handle, mit dem dieser versuche, die Christen von ihrem Glauben abzubringen.161� Diese Warnung vor der Attraktivität des Islam und 159  Vgl. L’Alcorano (1547), Libro I, Allo Illustriss. Signor Gabriel de Lvoes [de Luetz] […], S. [7]: „[…] per esser piu pienamente instrutti & saper meglio come haversi da governare in ogni evento, ò di pace ò di guerra che possa nascere, non essendo di piccola importanza il sapersi di maniera portarsi con un tal potentato [il turco], ch`egli ò non ci sia piu nimico, ò dovendoci pur essere non venga à farsi quel danno che talhora portebbe.“ 160  Diese von Hans-Joachim Kissling als grundlegendes Muster in der europäischen Wahrnehmung des Osmanischen Reiches beschriebene Dichotomie dürfte, mit Blick auf das einerseits von blutigen Kriegen und andererseits von profitablen Handelsbeziehungen geprägte Verhältnis zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich, für die Seerepublik besonders gegolten haben. Vgl. Kissling (1964), S. 1–18.  161  Georg von Ungarn beschreibt Mohammed zudem als einen Vorläufer des Antichrist. Vgl. Georgius de Hungaria: Tractatus de moribus condictionibus et nequicia turcorum [1481]. Traktat über die Sitten, die Lebensverhältnisse und die Arglist der Türken, hrsg. u. übers. v. Reinhard Klockow, Köln 1993, S. 42, 165. Vgl. Classen, Albrecht: The World of the Turks Described by an Eye-Witness. Georgius de Hungaria’s

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1.   Die Mohammedtypen im frühen Buchdruck

der osmanischen Kultur war von besonderer Aktualität.�162 Nicht nur Georg von Ungarn, der nach seiner Rückkehr Dominikaner wurde, scheint in „Gefahr“ gewesen zu sein, zum Islam zu konvertieren. Während des gesamten 16. Jahrhunderts liefen gut ausgebildete und beruflich erfahrene Christen zu den Osmanen über und nahmen bisweilen auch den muslimischen Glauben an, um am Sultanshof Karriere zu machen.163� Diese Entwicklung war für die venezianische Republik von besonderer Brisanz, da ihre Stellung als Seemacht zu einem guten Teil auf ihrem überlegenen Wissen in Schiffsbau, Navigation und Seefahrt beruhte – ein Vorteil, der mit der Abwanderung von Spezialisten leicht an den osmanischen Konkurrenten verloren gehen konnte. Angesichts dieser Situation bekommt die Übertragung der aus dem Tractatus entlehnten Rhetorik von der täuschenden, attraktiven Maske der Osmanen auf die visuelle Repräsentation Mohammeds auf dem Titelblatt des Alcorano eine besondere Bedeutung.164 Die visuelle Enthüllung des islamischen Propheten als Antichrist sollte nicht nur das Cover eines Bestsellers werden, mit ihr verband sich wohl auch eine an die christlichen und vor allem die venezianischen Leser gerichtete Botschaft, sich nicht von ihrem Glauben und ihrer Republik abbringen zu lassen.

Dialectical Discourse on the Foreign World of the Ottoman Empire, in: Journal of Early Modern History, 7, 3–4, 2003, S. 257–279, hier S. 277. Das Erklärungsmodell, Ähnlichkeiten zwischen der christlichen und anderen Religionen als bloße Täuschungen bzw. Parodien des Teufels zu charakterisieren, findet sich auch in den Beschreibungen der fernöstlichen und amerikanischen Religionen des 16. und 17. Jahrhunderts. Vgl. Kern, Margit: Transkulturelle Imaginationen des Opfers in der Frühen Neuzeit. Übersetzungsprozesse zwischen Mexiko und Europa, Berlin/München 2013, S. 96–98. 162  Auch Henrich Knausts Mohammedbiographie verwendet das Motiv vom gefährlichen und attraktiven Schein der Osmanen. Sein Buch sei eine Warnung an die, die „sich nicht villeicht durch den grossen schein des Turckischen glaubens mochten verfuren lassen und vom Christlichen glauben abweichen.“ Knaust (1542), [10]. 163  Dursteler, Eric R.: Venetians in Constantinople. Nation, Identity, and Coexistence in the Early Modern Mediterranean, Baltimore 2006, S. 112: „The period from 1500 to 1650 represents the golden age of the renegade; their numbers were so great that the flow from Christianity to Islam has been characterized as a ‚haemorrhage of men‘ and a ‚religious nomadism‘.“ Für eine detaillierte Auflistung italienischer Konvertiten zum Islam vgl. Rostagno, Lucia: Mi faccio turco. Esperienze ed immagini dell’Islam nell’Italia moderna, Rom 1983. Auch Carlo de Frede sah in seiner Analyse des venezianischen Korans eine Verbindung zur Abwanderung von Christen ins Osmanische Reich. De Frede (1967), S. 52: „Dunque il numero e la frequenza grandissima dei rinnegati (tra i quali i più erano provenienti dai dominî veneti) poteva facilmente sollecitare un editore veneziano a offrire loro, sul mercato librario, un testo volgare della Scrittura ch’essi ufficialmente avrebbero dovuto imparare.“ 164  Zu einer vergleichbaren Strategie in den Repräsentationen osmanischer Sultane in der italienischen Druckgraphik vgl. Saviello (2010).

2. Der Prophet der „Türken“: Mohammed als Osmane

Wie im ersten Kapitel dargelegt, erfolgte die Darstellung des Propheten Mohammed von der Zeit des beginnenden Buchdrucks bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts über literarisch und bildnerisch vorgeprägte Typen. Abhängig vom Textgenre und der jeweiligen Intention der Autoren lag der Fokus auf Mohammeds Beschreibung als Richter, Feldherr, Häretiker oder Antichrist.1 Bildlich trat er dementsprechend ebenfalls in unterschiedlichen Gestalten auf: in pseudo-orientalischem Gewand, gerüstet als antikrömischer Heerführer oder gar im Habit eines lateinischen Klerikers. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts zeichnete sich eine Festlegung der Ikonographie der Mohammed­ figur ab, die fortan meist in osmanischen Gewändern dargestellt wurde. Die ersten druckgraphischen Darstellungen, die Mohammed in der Gestalt eines osmanischen Sultans oder Emirs zeigen, finden sich in den 1597 in Frankfurt am Main bei den Brüdern Johann Theodor und Johann Israel de Bry erschienenen Acta Mechmeti I. Saracenorum Principis.2 Der Aufwand, mit der die im Buch enthaltene Prophetenvita bebildert wurde, stellt gegenüber den früheren Publikationen ein Novum dar. Die Biographie enthält zehn große, jeweils etwa zwei Drittel des Quartformats einnehmende Kupferstiche, in denen die Figur Mohammeds insgesamt sechsmal erscheint. Weniger innovativ ist die von den Acta vermittelte Beurteilung des Propheten, da Text und Bild im Wesentlichen auf den antiislamischen Stereotypen des Mittelalters fußen und Mohammed als moralisch pervertierten Religionsbetrüger vorstellen.3 Bei der Moham1  Diese Typen entsprechen den unterschiedlichen, lange Zeit nebeneinander existierenden Charakterisierungen Mohammeds in der europäisch-christlichen Wahrnehmung, wie Frederick Quinn in seiner historischen Untersuchung aufgezeigt hat. Vgl. Quinn (2008), S. 24. 2  In der Buchmalerei reichen die Zeugnisse der Darstellung Mohammeds als Osmane bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zurück. Das früheste bekannte Beispiel, das im folgenden Kapitel (S. 123–126) eingehender behandelt wird, zeigt den Propheten als osmanischen Sultan im Profilbildnis. Paris, Bibliothèque Nationale de France, Ms. lat. 3670, fol. 1r. 3  Die Kompilation der Texte wurde von einem nicht näher bekannten Michael Julius gefertigt, dessen Name im Antragsschreiben für die Druckerlaubnis genannt wird, im Buch selbst jedoch nicht erscheint. Vgl. Groesen, Michiel van: The Representations of the Overseas World in the De Bry Collection of Voyages

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2.   Der Prophet der „Türken“: Mohammed als Osmane

medvita der Acta handelt es sich um ein 1542 von dem Lehrer und Dramatiker Heinrich Knaust verfasstes Pamphlet, das unter dem Eindruck einer habsburgischen Militäroffensive gegen die Osmanen entstand, um gegen die „Glaubensfeinde“ mobil zu machen.4 Die angebliche Lüsternheit des Propheten wird durch die Darstellung seines Ehebruchs mit einer ägyptischen Magd ins Bild gesetzt, ebenso werden die Geschichte von Mohammeds Epilepsie und die vermeintlich von ihm mit dressierten Tieren inszenierten „Wunder“ dargestellt (Kat. 9a–b, 9d–f).

Osmanische Gewänder und die Herkunft des Propheten Dem traditionellen Geschichtsverständnis entsprechend, ist es ein Anliegen der Acta, das Leben Mohammeds und den Ursprung des Islam mit der christlichen Heilsgeschichte in Einklang zu bringen. Dies geschieht gleichermaßen in Schrift und Bild, wenn der Ursprung der Muslime auf das Alte Testament zurückgeführt wird. Die Entstehung des Islam erscheint hier ursächlich verknüpft mit Noahs Verfluchung seines jüngsten Sohnes Ham (1. Mose 9,18–29) sowie der Vertreibung Hagars und Ismaels aus dem Hause Abrahams (1. Mose 21,8–21).5 Vom Text als Nachfahre Hams und Ismaels bezeichnet, erscheint Mohammed als der Spross eines bereits seit dem alten Bund verfluchten und (1590–1634), Leiden/Boston 2008, S. 403–404. Zum antiislamischen Charakter der Publikation, die Vorbild war für die holländische Ausgabe von 1640, vgl. Theunissen, Hans: Barbaren en ongelovigen. Turcica in de Nederlanden 1500–1800, in: Topkapil & Turkomanie. Turks-Nederlandse ontmoetingen sinds 1600, hrsg. v. dems., Annelies Abelmann u. Wim Meulenkamp, Ausstellungskat. Museum voor Land- en Volkenkunde Rotterdam, Amsterdam 1989, S. 37–53, 183–193, hier S. 39; Le Thiec (1994), S. 124. 4  Zu Knaust und dem historischen Kontext des Buches, das 1596 in Berlin ein weiteres Mal mit dem Titel Mahometische Genealogia. Das ist vom Beschreibung, Herkommen unnd Absterben Machemetis […] aufgelegt wurde, vgl. Michel, Hermann: Heinrich Knaust. Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, Berlin 1903, S. 70–72. 5  I. Acta Mechmeti I Saracenorvm principis. Natales, vitam, victorias, imperivm et mortem eivs ominosam complectentia […], hrsg. v. Johann I. de Bry u. Johann T. de Bry, Frankfurt a. M. 1597, S. [4–5]: „In principio creauit DEVS coelum & terram & mare & omnia […].“ Die Vorrede an den Leser beginnt mit einem Zitat aus der Genesis (1. Mose 1,1). Nach der Verfluchung „Chamus“ durch Noah hätten die Völker in fleischlicher Lust („carnis illecebris capti, cupiditatibus fraena liberè“) gelebt und das ewige Heil verloren. Unter diesen seien die Türken herausragend, die wie gemeinhin gesagt werde, von Hagar, der Magd Abrahams, abstammten („inter quos vel praecipuos Turcas statuimus, quorum historia[m] in praesenti libello tractamus, quosq[ue]; originem suam ab Hagar ancilla Abrahae, […] deducere consentaneum est“). Traditionell gelten die Söhne Noahs Sem, Ham und Japhet als die Urväter der Völker Asiens, Afrikas und Europas. Vgl. Brincken, Anna-Dorothee von den: Mundus figura rotunda, in: Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler in der Romanik, Ausstellungskat. Schnüttgen-Museum in der Josef-HaubrichKunsthalle, hrsg. v. Anton Legner, Köln 1985, Bd. 1, S. 99–106, hier S. 100. Bereits Marino Sanudo nutzte in seinem Liber Secretorum fidelium crucis von 1316 das Argument, die muslimischen Herrscher Palästinas stammten von dem durch Noah verfluchten Ham ab, um für einen neuen Kreuzzug zu werben. Vgl. Tigler, Guido: Le facciate del Palazzo Ducale. L’ispirazione dell’artista. La cultura figurativa di Filippo

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Osmanische Gewänder und die Herkunft des Propheten

Abb. 16  Johann Theodor de Bry, Die Vertreibung Hagars, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597, S. 1

verdammten Zweiges des Menschengeschlechts. Diese biblische Herleitung drückt sich auch in der Gestaltung der Bilder aus.6 So wird die Vita des Propheten nicht mit einer Darstellung Mohammeds, sondern, zur Erläuterung seiner Abstammung, mit einem Kupferstich von der Vertreibung der Hagar eröffnet (Abb. 16). Das Bild illustriert und interpretiert die in der Bibel geschilderte Passage, in der Abraham seiner Magd und ihrem Sohn Brotbeutel und Wasserschlauch als Proviant mitgibt. Dabei scheint es, als wolle Ismael, der den Wanderstab schon in den Händen hält und seine sich noch umwendende Mutter zum Aufbruch drängt, die beiden zusätzlich vom Vater angebotenen Proviantbeutel nicht annehmen. Bestätigt wird dies durch die Simultandarstellung im Hintergrund, die Mutter und Sohn mit nur einem Brotsack in der Wildnis zeigt. Damit wird nicht nur die den Betrachtern sicher vertraute biblische Erzählung kommentiert, in der Calendario, in: Il poema del tempo. I capitelli del Palazzo Ducale di Venezia. Storia e iconografia, hrsg. v. Antonio Manno, Venedig 1999, S. 17–33, hier S. 30. 6  In koranischer Tradition gilt Ismael (Ismā‘īl), der Sohn Abrahams (Ibrāhīm) und seiner zweiten recht­ mäßigen Frau Hagar, als Prophet. Auf göttliche Anweisung lässt Ibrāhīm seinen Sohn und seine Frau in Mekka zurück, wo sie zuvor gemeinsam die Kaaba errichtet haben. Vgl. Sure 2, 127.

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Ismael in der Wüste beinahe verdurstet wäre und dies seinem eigenem Widerwillen zugeschrieben wird. Sondern zudem verbirgt sich – dem noch näher zu erläuternden Bildverständnis der Brüder de Bry entsprechend – in dem Spiel mit der Ein- beziehungsweise Dreizahl der äußerlich identischen Proviantbeutel, die durch den deiktischen Gestus Abrahams in ihrer Bedeutung noch unterstrichen werden, wohl eine Anspielung auf die Ablehnung der Dreifaltigkeit durch Ismael und seine Nachfahren. Gerade in der Annahme beziehungsweise der Zurückweisung des Mysteriums der Trinität erkannten die christlichen Theologen nämlich eine der wesentlichen Differenzen zwischen Christentum und Islam.7 Neben dieser allegorisch vermittelten theologischen Sinnebene konkretisiert der Kupferstich die von den Acta beschriebene Ahnenreihe von Ismael bis zu Mohammed, indem sie die Figur des vom Text als gewalttätig und verkommen beschriebenen Ismaels im darauffolgenden Stich nochmals zur Darstellung von Mohammeds Vater ‘Abd Allāh verwendet.8 Text und Bild vermitteln damit die Vorstellung eines bereits in der Schöpfungsgeschichte angelegten und somit heilsgeschichtlich fundierten christlich-islamischen Antagonismus. Über diese traditionelle, antiislamische Deutung des Propheten hinausgehend, sollen im Folgenden die Fragen erörtert werden, was zur Kanonisierung der Ikonographie Mohammeds als Osmane führte und wie der zeitgenössische Diskurs über die Funktionen des Bildmediums sowie die spezifische Bildverwendung der Brüder de Bry mit dieser neuartigen Darstellung des Propheten in Verbindung stand. Dabei lässt sich aufzeigen, dass Mohammed in den Acta zu einer Reflexionsfigur wurde, anhand derer die zeitgenössische Problematik optisch-empirischer Weltaneignung und die daraus resultierende Bedeutung mimetischer bildlicher Repräsentation verhandelt wurden. Die erste druckgraphische Darstellung Mohammeds als osmanischer Sultan ziert das Titelblatt der Acta (Kat. 9a, Abb. 17). Auf einem schwungvoll vorkragenden Postament erscheint der Prophet links neben der Titelei als figurales Pendant eines ebenfalls am Gewand zu erkennenden byzantinischen Kaisers auf der rechten Seite. Die Figur Mohammeds und die Komposition des Blattes gehen dabei zum Teil auf die Gestaltung des Kupfertitels der ein Jahr zuvor im selben Verlagshaus erschienenen Vitae et Icones Sultanorum Turchorum des Jean Jacques Boissard zurück (Abb. 18).9 Auch dieses Blatt wird durch die Gegenüberstellung eines christlichen Kaisers, Rudolf II. (reg. 1576–1612), und des hier auf der rechten Seite erscheinenden osmanischen Sultans Mehmet III. (reg. 1595–1603) bestimmt. Letztere Figur diente mit ihrem reichen, mit zahlreichen Tressen 7  Dieser Punkt wird etwa in Martin Luthers Übersetzung der Widerlegung des Korans des Dominikanermönches Riccoldo da Montecroce besonders hervorgehoben. Vgl. Ehmann (1999), S. 38. 8  Siehe Bry (1597), S. 3. 9  Auf die Ähnlichkeit dieser Titelblätter hat Ulrike Ilg bereits in einem Vortrag auf der Tagung Crossing Boundaries, Creating Images: In Search of the Prophet Muhammad in Literary and Visual Traditions im Juli 2009 in Florenz hingewiesen.

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Abb. 17  Johann Theodor de Bry, Kupfertitel, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597 (Kat. 9a)

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versehenen Kaftan, dem Schwert, dem Zepter mit Mondsichel und dem mit einer Krone verzierten taj in der Mitte des Turbans als Muster für die Gestaltung Mohammeds auf dem Titelblatt der Acta.10 Ein Anlass für Mohammeds Visualisierung als Osmane dürfte die Aktualität und Brisanz der Auseinandersetzung mit der Hohen Pforte gewesen sein. Seit 1593 standen die Habsburger und ihre Verbündeten mit dem Osmanischen Reich im so genannten „Langen Türkenkrieg“ (1593–1606) und 1596, also nur ein Jahr vor der Publikation der Acta, hatte der selbst sein Heer befehligende Mehmet III. bei der größten Schlacht dieses Krieges im ungarischen Mezőkeresztes einen Sieg errungen.11 Den Gegenwartsbezug und den militärischen Charakter der christlich-islamischen Auseinandersetzung verdeutlichen auf dem Titelblatt der Acta die beiden zeitgenössisch gerüsteten Soldaten, ein Janitschar und ein christlicher Ritter, die zu beiden Seiten auf dem Gebälk der Architektur lagern. Die neben diesen Figuren stehenden Vasen symbolisieren dabei die jeweiligen Erdteile: Während das Rauchgefäß links neben dem Osmanen zu den traditionellen Attributen der Personifikation Asiens gehört, stehen die drei Lilien auf der rechten Seite für die Grundlehren des christlichen Glaubens – die Unbefleckte Empfängnis und die Dreifaltigkeit –, der wiederum fest mit der Darstellung Europas verknüpft war.12 Der Kontrast der beiden Seiten wird zudem durch die Gegenüberstellung weiblicher und männlicher Hermen und Trägerfiguren zum Ausdruck gebracht, die zwischen der figürlichen Darstellung und der Architektur vermitteln und die antagonistische Semantik der Komposition in die steinerne Form des Triumphbogens einschreiben. Eine Auflösung dieser Opposition scheint in der zentralen Kartusche der Sockelzone lediglich angedeu10  Lediglich durch seine Physiognomie erscheint Mohammed in den Acta von Mehmet III. auf dem Titelblatt Boissards differenziert. Für die Darstellung des Letzteren griff Boissard auf druckgraphische Porträts des Sultans zurück, die in Europa verbreitet waren, so etwa Giacomo Francos Kupferstich von 1595. Vgl. Wilson, Bronwen: Reflecting on the Turk in Late Sixteenth-Century Venetian Portrait Books, in: Word & Image, 19, 2003, S. 38–58, hier S. 41. 11  Dieser Bezug wird in der Dedikation der Acta an den protestantischen Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz angedeutet, in der das seit dem 15. Jahrhundert gängige Motiv zur Beschreibung der „Türken“ als Geißel Gottes verwendet wird. Bry (1597), Dedikation an Friedrich IV., Herzog von Bayern, S. II: „[…] orbi Christiano flagellum suum atrocißimum Turcam immisit, unde disceremus quam graviter Deus sceleribus nostris offensis sit.“ Die theologisch-eschatologische Auslegung der osmanischen Expansion war im 16. Jahrhundert besonders im deutschen Sprachraum verbreitet. Vgl. Bohnstedt (1968), S. 3, 17. Zur historischen Bedeutung des Krieges und des letzten großen Sieges der Osmanen in Ungarn 1596 und den politischen Hintergründen vgl. Niederkorn, Jan P.: Die europäischen Mächte und der „Lange Türkenkrieg“ Kaiser Rudolfs II. (1593–1606), Wien 1993. 12  Ein frühes Beispiel für die Darstellung der Personifikationen Asiens und Europas mit Rauchgefäß und kreuzbekröntem Globus ist der Kupfertitel zu Abraham Ortelius’ Theatrum orbis terrarum, Antwerpen 1570. Dabei steht das Rauchgefäß einerseits für den alttestamentarischen Ritus des Brandopfers und andererseits für das reiche Vorkommen von Weihrauch in Asien. Vgl. Poeschel, Sabine: Studien zur ­I konographie der Erdteile in der Kunst des 16.–18. Jahrhunderts, Diss., München 1985, S. 71, 101–102, 169. Zu den christlichen Attributen der Europa vgl. ebd., S. 151.

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tet. Hier ist die in ihrer Plastizität stark zurückgenommene Zeichnung einer Siegesallegorie zu sehen, die auf Faszien und Feldzeichen thronend zu beiden Seiten über gefesselte Gefangene – eine weitgehend entblößte, nicht näher bestimmte Frau und einen am Turban zu erkennenden Osmanen – triumphiert. Ein zweiter Grund dafür, dass Mohammed hier im Sultansgewand und dem seit Süleyman I. (reg. 1520–1566) im Westen häufig zur Darstellung von Osmanen verwendeten Schnurrbart figuriert,13 liegt im zeitgenössischen Sprachgebrauch. Spätestens mit den Eroberungen des Mamelukenreiches in Nordafrika (1517–1518) und des ungarischen Buda (1529) war das Osmanische Reich zur militärischen Großmacht aufgestiegen und hatte als neuer Hauptkontrahent des sich selbst als christlich definierenden Europas die „Sarazenen“ als Bannerhalter des Islam abgelöst.14 Dies hatte zur Folge, dass die Bezeichnung „Türke“ in den europäischen Sprachen zum Sammelbegriff für alle Muslime des Mittelmeerraums wurde und dass Mohammed, als Identifikationsfigur des Islam, den Namenszusatz „Prophet der Türken“ erhielt.15 Die Darstellungen Mohammeds als Osmane in den de Bryschen Kupferstichen können somit einerseits als signitive Bilder beziehungsweise als „wörtliche“ Darstellungen verstanden werden, die die Sprachfigur „Prophet der Türken“ bildlich konkretisieren.16 Andererseits gehen sie über eine typologische Charakterisierung Mohammeds hinaus, denn die von den sich mimetisch gerierenden Repräsentationen behauptete äußere Ähnlichkeit suggeriert eine tiefergehende Verwandtschaft zwischen dem Propheten und den osmanischen Sultanen. Durch die Titelei, in der Mohammed in einer für die Zeit untypischen Weise als „Mechmet I.“ 13  Das Gesicht und vor allem der Schnurrbart Mohammeds erinnern an Darstellungen Süleymans I. (1520–1566), unter dem das Osmanische Reich sein goldenes Zeitalter erlebte und dessen Gestalt in Europa über druckgraphische Bildnisse und Medaillen hinlänglich bekannt war. Vgl. Necipoğlu, Gülru: Süleyman the Magnificent and the Representation of Power in the Context of Ottoman-Hapsburg-Papal Rivalry, in: The Art Bulletin, 71, 3, 1989, S. 401–427. 14  Der Begriff „Türke“ war in ganz Westeuropa ein Synonym für „Moslem“. Vgl. Göllner (1978), S. 5; Bohnstedt (1968), S. 18; Höfert, Almut: Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600, Diss., Frankfurt a. M. u. a. 2003, S. 180. Soykut hebt zudem hervor, dass der Abschluss der christlichen Reconquista Spaniens dazu beitrug, dass die Muslime aus europäischer Sicht allein von den Osmanen vertreten wurden. Soykut, Mustafa: The Image of the „Turk“ in Italy. A History of the „Other“ in Early Modern Europe (1453–1683), Diss., Berlin 2001, S. 1. 15  Diese Entwicklung zeichnete sich bereits nach dem Fall Konstantinopels 1453 ab. Vor allem exilierte Gelehrte aus Byzanz trugen dazu bei, dass der Islam im Wesentlichen als Religion der „Türken“ wahrgenommen wurde. Vgl. Le Thiec (1994), S. 117–118; Bohnstedt (1968), S. 18. 16  Anders als mimetische Bilder, deren primäre Funktion das Nachbilden natürlicher Formen ist, schaffen signitive Bilder visuelle Konkretisierungen von Sprachfiguren. Das signitive Bild illustriert jedoch nicht unmittelbar das Wort selbst, sondern den vor dem Wort existierenden „Begriff“ beziehungsweise die von ihm bezeichnete Idee. Das signitive Bild ist damit zwar ein sich auf die Sprache beziehendes, letztlich jedoch eigenständiges Zeichensystem. Vgl. Warncke (1987), S. 39–42, 62–63. Die von Warncke differenzierten signitiven und mimetischen (und symbolischen) Abbildfunktionen können, wie bei de Bry, in einem Bild zusammenfallen.

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Abb. 18  Theodor de Bry (?), Kupfertitel, aus: Jean Jaques Boissard, Vitae et icones Sultanorum Turcicorum […], Frankfurt a. M. 1596

bezeichnet wird,17 wird gar eine genealogische Verbindung zu dem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Westen berühmten und gefürchteten Eroberer Konstantinopels, Mehmet II. (reg. 1451–1481), und dem zeitgenössischen Sultan Mehmet III. impliziert.18 17  Zwar ist „Mechmed“ das türkische Äquivalent des arabischen Namens „Muhammad“, . dennoch findet sich diese Form zur Bezeichnung des Propheten sehr selten. Die gewöhnlichen lateinischen Bezeichnungen sind „Machometus“ oder „Mahomet“. Zu den Auslegungen dieses Namens vgl. Masson, Michel: A propos de la forme du nom de Mahomet, in: Bulletin de la SELEFA [Société d’Études Lexicographiques & Étymologiques Françaises et Arabes], 2, 2003, S. 1–8. 18  Der Buchtitel bezeichnet Mechmet III. als letztes Glied der „genealogia successorum“ des Propheten. Dass Mohammed hier als Mechmet I. bezeichnet werden konnte, hängt sicher auch damit zusammen, dass der gleichlautende osmanische Sultan Mehmet I. (1413–1421), im Gegensatz zu den berühmten Mehmet II. und III., einem Großteil des europäischen Publikums unbekannt gewesen sein dürfte. Um die

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Mit dem ersten und dritten „Mechmet“ benennt das Titelblatt außerdem zugleich den Anfang und das vermeintliche Ende des Islam, denn mit Sultan Mehmet III. sollte, so wie die im zweiten Teil des Buches enthaltene Prophezeiung vorhersagt, die muslimische Weltmacht untergehen. Allerdings bietet auch die in den Acta geleistete bildliche Konkretisierung der Sprachfigur „Prophet der Türken“ keine hinlängliche Erklärung, da sie offenlässt, warum Mohammed nicht schon früher als Osmane dargestellt wurde.19 Neben den Intentionen hinter Mohammeds Repräsentation als Osmane ist daher die Frage nach den dafür notwendigen Voraussetzungen zentral.

Mohammed ad vivum Trotz des großen Interesses, das den Osmanen seit dem 15. Jahrhundert in Westeuropa entgegengebracht wurde,20 dauerte es bis etwa zur Mitte des folgenden Jahrhunderts, bis sich in den Bildkünsten eine realistische, auf empirischen Erkenntnissen beruhende Ikonographie der Osmanen herausgebildet hatte.21 Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung authentischer Bildzeugnisse von Osmanen leisteten die gegen Mitte des 16. Jahrhunderts aufkommenden Trachtenbücher, die sich zusammen mit den anderen zeitgenössischen Produkten des Buchmarktes, wie Kosmographien, Atlanten, Herbarien und historische Richtigkeit zu wahren, wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei dem zeitgenössischen Herrscher um den neuen („modernum“) Mechmet III. handle. Eine vergleichbare Verknüpfung zwischen Mohammed und dem osmanischen Sultan Mehmet II. findet sich bereits in den frühsten Schriftquellen zur Eroberung Konstantinopels (1453). Vgl. Pertusi (1976), S. 92–94, 101. Eine typologische Verknüpfung zwischen Mohammed und dem Begründer des osmanischen Herrscherhauses, Osman I., wurde auch in Sebastian Münsters Cosmographia durch die Verwendung derselben Holzschnitte für Mohammed und Osman I. evoziert. Siehe Kapitel 1, S. 52f. 19  Wynkyn de Wordes Lytell treatyse von 1515 (1519) bezeichnet den Koran beispielswiese schon als „turkish law“, der Prophet erscheint darin aber im Habit eines Klerikers und nicht als Osmane. Vgl. Kapitel 1, S. 61–64. 20  Im 16. Jahrhundert erschienen in Frankreich doppelt so viele Publikationen zum Osmanischen Reich wie zum neu entdeckten amerikanischen Kontinent. Anhand der deutschen Publikationen lässt sich ein solches Übergewicht der Turcica jedoch nicht nachweisen. Vgl. Herkenhoff, Michael: Die Darstellung außereuropäischer Welten in Drucken deutscher Offizinen des 15. Jahrhunderts, Diss., Berlin 1996, S. 278; Atkinson, Geoffroy: Les nouveaux Horizons de la Renaissance française, Paris 1935, S. 10–12, 250. Zu den Turcica des 16. Jahrhunderts immer noch maßgeblich Göllner (1978). 21 Ilg, Ulrike: On the Difficulties of Depicting a „Real“ Turc. Reflections on Ethnographic Orientalism in European Art (14th to the 16th Centuries), in: Schmidt Arcangeli/Wolf (2010), S. 231–244, hier S. 236: „Nevertheless, we have to wait until the middle of the 16th century for images which reveal a scientifically correct approach in representing the ‚alien‘ Orient. Only then Nicolas de Nicolay (1517–1583) managed to offer the European audience what was by then surely the most elaborate and accurate visualization of the topic.“ Saint-Claire zählt die Holzschnitte Melchior Lorcks, deren Vorzeichnungen zwischen 1555 und 1559 entstanden, zu den ersten westlichen Drucken, die authentische Bildzeugnisse vom Osmanischen Reich verbreiteten. Vgl. St. Claire (1973), S. 5; Dies. (1972), bes. S. 322.

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Abb. 19  Léon Davent, „Emir. parent de Mahomet“, aus: Nicolas de Nicolay, Les quatre premiers livres des navigations et peregrinations orientales, Lyon 1567, nach S. 121

antiquarischen Enzyklopädien, mit naturgetreuen bildlichen Darstellungen um die „visuelle[] Erfassung des gesamten Wissens der Zeit“ bemühten.22 Eine Darstellung Mohammeds, die über eine generisch orientalische Typisierung hinaus eine ethnographische Distinktion und seine Wiedererkennbarkeit als „Türke“ gewährleistet hätte, war vor der Verbreitung des nötigen Bildwissens also gar nicht realisierbar. Tatsächlich stützten sich die Brüder de Bry für die Fertigung ihrer Kupferstiche auf Vorlagen, die als authentische Bildzeugnisse vom Osmanischen Reich bereits einige Bekanntheit erlangt hatten. 22  Thimann, Michael: Erinnerung an das Fremde. Jean Jacques Boissards Trachtenbuch für Johann Jakob Fugger, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 32, 2005, S. 117–148, hier S. 117. Das erste illustrierte Trachtenbuch Recueil de la diversité des habits qui sont en usage tant es pay d’Europe, Asie, Affrique & Isles sauvages wurde 1562 bei Richard Breton in Paris gedruckt. Zur Bedeutung der Trachtenbücher für die Herausbildung und Verbreitung ethnologischen Wissens vgl. Ilg, Ulrike: The Cultural Significance of Costume Books in Sixteenth-Century Europe, in: Clothing Culture 1350–1650, hrsg. v. Catherine Richardson, Aldershot u. a. 2004, S. 29–47; Dies.: Stefano della Bella and Melchior Lorck. The Pratical Use of an Artist’s Model Book, in: Master drawings, 41, 1, 2003, S. 30–43. Zu den das ethnologisch-ikonographische Wissen des 16. Jahrhunderts ebenfalls bereichernden Reiseberichten vgl. Defert, Daniel: Les collections iconographiques du XVIe siècle, in: Voyager à la Renaissance. Actes du colloque de Tours 1983, hrsg. v. Jean Céard u. Jean-Claude Margolin, Paris 1987, S. 531–543.

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Abb. 20  Die Krönung Mohammeds, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597, S. 13 (Kat. 9c)

Wie Ulrike Ilg gezeigt hat, entlehnten sie mehrere Figuren aus Nicolas de Nicolays Quatre premiers livres des navigations et peregrinations orientales, die erstmals 1567 in Lyon erschienen.23 Für die Darstellungen Mohammeds in den Szenen der mit einer Taube und einem Ochsen (Kat. 9e, 9f, Abb. 21) fingierten Wunder griffen die de Bry etwa auf die Figur des Emirs aus den Navigationes zurück, die sie in ihrer Pose leicht abwandelten und an das jeweilige Bildgeschehen anpassten (Abb. 19). Dasselbe Verfahren wurde bei anderen Figuren angewendet, wie etwa bei Ismael und Mohammeds Vater, die auf das Bild einer türkischen Mutter und ihrer Kinder zurückgehen, oder bei den Männern am „Grab des Propheten“ (Abb. 23), die bei Nicolay ohne bildräumlichen Kontext erscheinen und als Mekka-Pilger und Wasserverkäufer bezeichnet werden.24 Mittels dieser und zahlreicher weiterer Übernahmen aus Nicolays Navigationes wird das Leben des 23  Ilg, Ulrike: Vom Reisebericht zum ethnographischen Kompendium. Zur Rezeptionsgeschichte von Nicolas de Nicolays „Quatre premiers livres des navigations et peregrations orientales“ (1567), in: Ilg (2008), S. 161–192, hier S. 192. 24  Siehe Jean Jaques Boissard, „Femme turque menans ses enfans“; „Pellerins mores revenans de la Mecque“; „Sacchaz de nation Moresque porteur d’eau pelerin de la Meque“, in: Nicolay, Nicolas de: Les

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Propheten von den Bildern der Acta in ein osmanisches Ambiente verlegt. Besonders deutlich wird diese Verortung in der Darstellung der „Krönung des Propheten“ (Kat. 9c, Abb. 20). Hier wird der wie ein Sultan gewandete Mohammed nicht nur von zeitgenössischen Janitscharen umgeben und von einer Renaissancearchitektur hinterfangen, auch die im Hintergrund von mehreren Galeeren geschlagene Seeschlacht passt nicht in das Arabien des 7. Jahrhunderts, sondern erinnert vielmehr an die Seekriege mit dem Osmanischen Reich, die mit der Schlacht von Lepanto 1571 einen dramatischen Höhepunkt fanden.25 Eine Intention für die Übernahme der Nicolay’schen Figuren lag in einer Aktualisierung des historischen Geschehens, die es, ähnlich wie die heilsgeschichtliche Herleitung der Genealogie des Propheten zu Beginn der Vita, dem Betrachter erlaubte, vergangene und zeitgenössische Ereignisse in Verbindung zu sehen.26 Die Bildzitate ermöglichen jedoch noch weitere Aufschlüsse hinsichtlich des Bildverständnisses der Acta und damit auch für die vom Buch geleistete Repräsentation des Propheten. Ein wesentlicher Aspekt, der mit dem im 16. Jahrhundert verstärkten empirischen Interesse an fremden Völkern und der damit einhergehenden Veränderung der Reisekultur in Zusammenhang steht, ist die Frage nach der Authentizität der Bilder. Für das Bemühen um eine bildliche Darstellung der Osmanen, die auf Augenzeugenschaft beruht und Tatsachen wiedergibt, können die Navigationes von Nicolas de Nicolay als paradigmatisch gelten. Der Reisebericht des Geographen, der 1551 mit der Gesandtschaft des französischen Botschafters Gabriel de Luetz nach Istanbul reiste, gehörte in seiner Zeit zu den unvoreingenommensten Beschreibungen des Osmanischen Reiches.27 Generell folgen die Navigationes dem Trend der sich im 16. Jahrhundert etablierenden Reise zur Weiterbildung beziehungsweise zur empirischen Informationsgewinnung, die die theologisch motivierte Pilgerfahrt mehr und mehr abzulösen begann.28 Bei dieser ErschlieQvatre Premiers Livres Des Navigations Et Peregrinations Orientales, Lyon 1568, Graphiken nach S. 75, 124, 126. 25  Zum enormen künstlerischen Nachhall der Schlacht von Lepanto vgl. Döbele, Isolde: Die Künstler und die Seeschlacht von Lepanto (1571) im 16. und 17. Jahrhundert, in: Europa und der Orient 800–1900, LeseBuch, hrsg. v. Gereon Sievernich u. Hendrik Budde, Berlin 1989, S. 68–75; Gibellini, Cecilia: L’immagine di Lepanto. La celebrazione della vittoria nella letteratura e nell’arte veneziana, Venedig 2008. 26  Zu diesem im 16. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlichen Verständnis einer wandelbaren und neu konfigurierbaren Vergangenheit, das auch bei Jean Jacques Boissard nachgewiesen werden kann, der im intellektuellen Austausch mit der Familie de Bry stand, vgl. Harms, Wolfgang: Eine Kombinatorik unterschiedlicher Grade des Faktischen. Erweiterungen des emblematischen Bedeutungspotentials bei dem Archäologen Jean Jacques Boissard, in: Mimesis und Simulation, hrsg. v. Andreas Kablitz u. Gerhard Neumann, Freiburg im Br. 1998, S. 279–307, hier S. 279–280, 283. 27   Brafman, David: Facing East. The Western View of Islam in Nicolas Nicolay’s „Travels in Turkey“, in: Getty Research Journal, 1, 2009, S. 153–160. Zur Ausbildung ethnologischer Episteme in den Reisebeschreibungen des Osmanischen Reiches vgl. Höfert (2003). 28  Stagl, Justin: A History of Curiosity. The Theory of Travel 1550–1800, London/New York 2004, S. 47: „About the year 1550 pilgrimage had ceased to be a plausible justification for travel. A new legitimation was needed. It was found in education.“ Bei diesen Erkundungen ging es nicht mehr darum, das antike

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ßung der Welt wurde gerade dem Sehsinn ein besonderer Stellenwert eingeräumt und die „Autopsie wurde zu einem autonomen Erkenntnismittel, demgegenüber andere, etwa theologisch begründete Wahrheitskategorien in den Hintergrund traten“29. Was die Navigationes aus der Masse der anderen Reiseberichte zusätzlich hinaushob, war ihre Bebilderung. Die 62 vom Illustrator Léon Davent geschaffenen Radierungen seien,30 wie de Nicolay in seiner Publikation mehrfach betont, alle „ad vivum“ (nach dem Leben) entstanden.31 Nicht nur die Authentizität, sondern auch die von den Bildern geleistete umfassende Darstellung der osmanischen Gesellschaft, von Sklaven und Derwischen bis zur Hofdame, waren ein absolutes Novum, in dem sich das aufkeimende ethnographische Interesse der Zeit widerspiegelt.32 Die in den Bildern erfahrbare neue Qualität visueller Aufzeichnung ergibt sich dabei einerseits aus der Detailliertheit, welche erst durch die nach der Jahrhundertmitte zur Buchillustration eingesetzten Tiefdrucktechniken möglich wurde, andererseits aus der Loslösung der dargestellten Figuren aus ihrem jeweiligen Kontext.33 Der von de Nicolay selbst beschriebene Prozess, die Figuren aus ihrem Umfeld zu extrahieren,34 entspricht einem Verfahren, das ebenso von Botanikern zur Darstellung von Pflanzen eingesetzt wurde und eine analytische, auf das jeweilige Objekt konzentrierte Betrachtung ermöglichen soll.35 In den Navigationes wurden die und theologische Wissen in der Welt bestätigt zu finden, sondern dieses kritisch zu prüfen. Vgl. Wunder, Amanda: Western Travelers, Eastern Antiquities, and the Image of the Turk in Early Modern Europe, in: Journal of Early Modern History, 7, 1–2, 2003, S. 89–119. 29  Ilg (2008), S. 175. Dabei leiteten einige Reisende aus dem von Gott gegebenen Sehsinn die Aufgabe ab, die Welt zu beschreiben. Vgl. Höfert (2003), S. 226. 30  Zur Identität des Stechers Léon Davent vgl. Grodecki, Catherine: Le graveur Lyon Davent, illustrateur de Nicolas de Nicolay, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance, 36, 2, 1974, S. 347–351. 31  Die Bezeichnung ad vivum taucht zwar schon in Villard d’Honnecourts Skizzenbuch auf, wo es in Bezug auf einen Löwen heißt, er „fu contrefais al vif“. Als Garant mimetischer Abbildung erfuhr der Begriff ad vivum jedoch erst ab den 1530er Jahren eine stärkere Konjunktur. Vgl. Swan, Claudia: Ad vivum, naer het leven, From the Life. Defining a Mode of Representation, in: Word & Image, 11, 4, 1995, S. 353–372. 32  Vgl. Brafman (2009). In Bezug auf das Osmanische Reich hat Almut Höfert diese Entwicklung epistemischer Neuordnung anhand der Untersuchung von Reiseberichten des 16. Jahrhunderts nachgewiesen. Vgl. Höfert (2003), bes. S. 261–263. 33  Bei der Etablierung von Tiefdrucktechniken wie der Radierung und vor allem des Kupferstichs zur Illustration von Büchern waren die Publikationen Christoph Plantins in Antwerpen gegen Ende der 1550er Jahre maßgeblich. Vgl. Harthan, John: The History of the Illustrated Book. The Western Tradi­ tion, London 1997, S. 98–99. Bei der Verbreitung des Kupferstiches als Buchillustration in Deutschland war das Verlagshaus de Bry seit den 1570er Jahren wegweisend. Vgl. Kunze (1993), S. 152, 331–344. 34  De Nicolay (1568), S. [VI]: „[C]es quatre premiers livres de mes susdictes Navigatio[n]s en lumiere [sont] accompagné de soixante figures, tant d’hommes que de femmes de diverses nations, port, maintien & habitz, que i’ay extraictes du naturel sur les lieux mesmes […].“ 35  Zu den in den Navigationes erstmals auf die Repräsentation von Osmanen übertragenen naturwissenschaftlichen Darstellungsmodi vgl. Ilg (2008), S. 183–186. Zum „Conterfei“ und der epistemischen Funktion des Zeichnens nach der Natur im 16. Jahrhundert vgl. Thimann, Michael: „Idea“ und „Conter-

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Osmanen und vor allem ihre Kleidung damit zu einem empirisch und beinah wissenschaftlich betrachteten Gegenstand ethnographischen Interesses.36 Die Dekontextualisierung der Figuren diente dabei nicht nur einer Freistellung des Blickes,37 sondern schien auch eine leichtere Transponierbarkeit der Motive zu gewährleisten – ein Faktor, der wohl mitverantwortlich dafür war, dass die Figuren der Navigationes bis weit ins 18. Jahrhundert hinein die westeuropäische Bilderwelt vom osmanischen Orient bevölkerten.38 Um Mohammed als „Propheten der Türken“ zu repräsentieren, griffen die Brüder de Bry also auf das authentischste mimetische, das heißt naturgetreue Bildmaterial zurück, das über das Osmanische Reich verfügbar war. Wie verhielt es sich jedoch mit dem Anspruch auf die Wahrhaftigkeit der Abbildungen, wenn ad vivum gefertigte Bilder in anderen Kontexten, etwa für die Illustration historischer Begebenheiten wiederverwendet wurden? Wie im vorherigen Kapitel gesehen, erlaubte die Illustrationspraxis des 16. Jahrhunderts den Einsatz ein und desselben Bildes für unterschiedliche Darstellungsaufgaben, so lange die jeweils dargestellten Objekte oder Personen der vom Bild verkörperten Begriffsfigur bzw. dem Typus zugeordnet werden konnten oder eine solche Zuordnung etabliert werden sollte. Dies war auch zur Zeit der Brüder de Bry noch möglich. So wiesen die Verleger ihre Leser in einer anderen Publikation darauf hin, dass sie das Bild Sevillas aus Mangel an authentischem Material durch die Graphik einer anderen Hafenstadt ersetzten.39 Einerseits konnte der Bildtypus „Hafenstadt“ also noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts recht problemlos zur bildlichen Darstellung auch individueller Hafenstädte eingesetzt werden. Andererseits wurden auch solche Bilder für typologische bzw. signitive Darstellungen verwendet, die eigentlich als mimetische Repräsentationen eines individuellen Sachverhalts entstanden waren. Allerdings scheint die Wiederverwendung mimetisch geschaffener Bilder, zu­ mindest von Seiten des Verlagshauses de Bry, mit einer gesteigerten Sensibilität für das zwischen den jeweils dargestellten Objekten bestehende Ähnlichkeitsverhältnis zu korrelieren. Dieses Verhältnis wird nicht mehr rein typologisch bzw. durch einen überge-

fei“. Künstlerisches und wissenschaftliches Zeichnen in der Frühen Neuzeit, in: Disegno. Der Zeichner im Bild der Frühen Neuzeit, hrsg. v. dems. u. a., Berlin 2007, S. 15–30. 36  Ilg (2004), S. 33–35: „[C]ostume books indeed share some characteristics of the encyclopedia: they present dress as an object of scientific enquiry and thus are another example of the secular approach to the profane world manifest in the encyclopaedic movement of the sixteenth century.“ 37  Nach Lorrain Daston und Peter Galison ließe sich hierbei jedoch noch nicht von Objektivität sprechen, sondern lediglich von Anfängen bildlicher Darstellungen unter dem Paradigma der Naturtreue. Zur Geschichte der Objektivität als Kategorie wissenschaftlicher Illustration vgl. Daston/Galison (22007), S. 55–62. 38  Vgl. Brafman (2009). 39  Vgl. Warncke (1987), S. 65–66. Zur de Bryschen Praxis, Bildvorlagen und Motive anderer, auch in den jeweiligen Titeln nicht als Quellen angegebenen Werkstätten zu verwenden, vgl. Keazor, Henry: Theodore De Bry’s Images for America, in: Print Quarterly, 15, 2, 1998, S. 131–149.

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Mohammed ad vivum

ordneten Begriff, sondern durch konkretere Ähnlichkeitskategorien bestimmt, wie sie von Michel Foucault für die Frühe Neuzeit erörtert wurden.40 An den für die Mohammedbiographie zweckentfremdeten Graphiken aus den Navigationes lässt sich zeigen, dass die Übertragungen durch unterschiedliche Ähnlichkeitsverhältnisse – etwa die Gemeinsamkeit des Ortes (conviventia), die Widerspiegelung sich entsprechender Verhältnisse (analogia) oder eine auf „Nachahmung“ beruhende Ähnlichkeit (aemulatio) – gerechtfertigt sind. So wird die Adaption der Figur des Emirs dadurch sinnfällig, dass dieser in den Navigationes als „parent de Mahomet“ beschrieben und damit eine Art Familienähnlichkeit behauptet werden kann.41 Zudem entsprechen die von de Nicolay gegen die bei den Muslimen im Rufe der Heiligkeit stehenden „Emires“ erhobenen Vorwürfe bezüglich ihrer vermeintlich verdorbenen Natur sowie ihres Hasses gegen Christen und Juden so sehr den antiislamischen Vorstellungen vom Propheten, dass der Emir schon bei de Nicolay in ein aemulatives Verhältnis zum Propheten Mohammed tritt.42 Als auf conviventia und einer analogen Ähnlichkeit beruhend kann auch die Wiederverwendung der beiden Fahnen tragenden „Mekkapilger“ aus den Navigationes verstanden werden, die in den Acta am Grab des Propheten erscheinen. Da der Text der Acta fälschlicherweise behauptet, die Grabesstätte des Propheten befände sich im „Tempel von Mekka“, sind die beiden Pilger hier gerade am Ziel ihrer Reise angekommen und in Andacht niedergekniet.43 Die Bilder der Acta können also nicht wie ihre Vorlagen aus den Navigationes den Anspruch erheben, „ad vivum“ gefertigt zu sein, jedoch wird der den Figuren eignende mimetische Abbildcharakter nicht gänzlich negiert, da sich die vorgenommenen Bildübertragungen auf gängige Ähnlichkeitsvostellungen berufen können.

40  Vgl. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt a. M. 1974, S. 46–77. Die von Foucault dargelegten Episteme der Ähnlichkeit (conviventia, aemulatio, analogia, sympathia) beschreibt auch Warncke als wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Abbildfunktionen in der frühneuzeitlichen Bildpraxis. Vgl. Warncke (1987), bes. S. 106–110. 41  Vgl. Ilg (2008), S. 191 42  De Nicolay (1568), S. 121: „Ils sont aussi communement appellés Emirs, qui se peut intrepreter, parens du Prophete: & sont tenus en telle reputation de sainteté de vie […]. Mais ils sont si meschans & malheureux, que pour argent ne sont conscience de porter tout tel faulx tesmoignage, que l’on veut (nomméme[n]t si c’est contre vn Iuif, où vn Chrestien: desquels ils sont ennemis mortels). […] Et par ce qu’ils sont de tres perverse & abominable nature, plusieurs entre ce barbare & rustique peuple sont contraints plus pour la peut qu’ils ont de leur faulx tesmoignage, que pour sainteté qu’ils cognoissent en eux, de leur porter grand honneur & reverence.“ 43  Vgl. Bry (1597), S. 27.

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Der Prophet als Produzent falscher Bilder Trotz dieser Bemühungen um eine lebensnahe und im damaligen Sinne angemessene bildliche Visualisierung der Prophetenvita verzichteten Theodor und Israel de Bry im Vorwort der Acta auf jede Authentizitätsbehauptung. Stattdessen werden die Bilder lediglich hinsichtlich ihrer Schönheit gelobt, die den Betrachter erfreuen solle. Diese Sensibilität im Umgang mit Bildern ist typisch für das Verlagshaus, das sich im Buchmarkt besonders durch seine umfangreichen und qualitätsvollen Illustrationen hervortat.44 Wie im Folgenden gezeigt werden soll, wurden die bereits in früheren Publikationen der Familie de Bry aufgeworfenen Problematiken der Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Blicks und des richtigen und falschen Umgangs mit Bildern in den Acta anhand der Figur des Propheten exemplifiziert. Der Kupfertitel des Buches kann in dieser Hinsicht als paradigmatisch gelten, da er die Natur des menschlichen Blicks in gleich mehrfacher Hinsicht thematisiert (Kat. 9a, Abb. 17). Generell werden die Blicke der Figuren, wie etwa der beiden Hermen links und rechts des Buchtitels, dazu verwendet, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu lenken und die beiden Seiten des Blattes kompositorisch zu verbinden. Dabei sind die sich treffenden Blicke der Figuren zugleich Bedeutungsträger und veranschaulichen, wie im Fall der beiden Soldaten auf dem Gebälk, die Konfrontation und gewaltbereite Spannung zwischen den beiden Lagern. In dieser Hinsicht noch sinnreicher ist das Verhältnis der beiden Hauptfiguren, bei dem sich zunächst die Frage stellt, warum Mohammed gerade mit einem byzantinischen Kaiser konfrontiert wird, war doch das Byzantinische Reich zum Zeitpunkt der Publikation bereits seit knapp 150 Jahren untergegangen. Diese ungewöhnliche Gegenüberstellung erklärt sich in Bezug auf den zweiten Teil des Buches, in dem der byzantinische Basileus Leo der Weise (reg. 889–911) als einer der Weissager des zukünftigen Falls des islamischen Imperiums genannt wird.45 Während Mohammeds Augen gesenkt sind und er sich auf die Eingabe des Vogels auf seiner Schulter zu konzentrieren scheint, wendet der Kaiser sein leicht geneigtes Haupt dem Propheten zu und registriert mit seinem Blick das Geschehen auf der gegenüberliegenden Seite. Die Vermutung liegt nahe, dass Leo der Weise, als der prophetische Seher des künftigen Untergangs des Islam, die betrügerische Vorspiegelung des Propheten hier nicht nur kritisch betrachtet, sondern dass sein Blick als Instrument der Erkenntnis wirksam 44  Als Verleger, die das technische Know-how zur Verwendung des Kupferstichs als Buchillustration mit auf den deutschen Markt brachten, zeichneten sich die Publikationen des Hauses besonders durch Qualität und Quantität der Bebilderung aus. Von den zwischen 1590 bis 1623 erschienenen 192 Publikationen waren lediglich 5% ohne Illustrationen. Vgl. Groesen (2008), S. 76, 80–81. 45  Eine der im Buch enthaltenen Prophezeiungen wird dem byzantinischen Kaiser Leo dem Weisen zugeschrieben. Derartige Prophezeiungen vom Untergang des Osmanischen Reiches waren zahlreich. Vgl. Mango, Cyril: Byzantinism and Romantic Hellenism, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 28, 1965, S. 29–43, hier S. 36–37. Zur Tradition und zur soziologischen Bedeutung solcher Prophezeiungen vgl. Andermann (2000), S. 29–54.

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Abb. 21  Mohammed und die dressierte Taube, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597, S. 17 (Kat. 9e)

wird, er den trügerischen Schein durchschaut und Mohammed somit als „falschen Propheten“ entlarvt. Dass Mohammed hier ein falsches Bild von sich abgibt und damit überhaupt als Betrüger vorgeführt wird, ist durch den Vogel angedeutet, der von rechts auf sein Ohr zufliegt. Mit dieser Präsentation wird auf eine Geschichte angespielt, deren erste Spur bis zu einem Libellus in partibus transmarinis de Machometi fallaciis zurückreicht und die im 13. Jahrhundert vor allem durch den Speculum historiale des Vincenz von Beauvais (1256) sowie die Legenda aurea (um 1273) des Jacobus de Voragine im lateinischen Westen verbreitet wurde.46 In diese Tradition reiht sich die in den Acta enthaltene Lebens46  Vgl. D’Ancona (1994), S. 59; Seitz, Annette: Darstellungen Mohammeds und seiner Glaubenslehre in lateinischen Weltchroniken, in: Mittelalter im Labor. Die Mediävistik testet Wege zu einer transkulturellen Europawissenschaft, hrsg. v. Michael Borgolte u. a., Berlin 2008, S. 116–130, hier S. 123. Es wurde

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beschreibung des Propheten ein. Hier wird im Zuge einer weiteren bildlichen Darstellung der Geschichte geschildert (Kat. 9e, Abb. 21), dass Mohammed die Bevölkerung Mekkas auf einem öffentlichen Platz zusammenrief, um sie dort durch ein fingiertes Wunder von seiner göttlichen Sendung zu überzeugen. Dazu heißt es im Text, Mohammed habe eine Taube dazu abgerichtet, in seinem Ohr versteckte Samenkörner zu picken, um dem Volk so vorzugaukeln, es handle sich um den Heiligen Geist, der ihm eine Botschaft übermittle.47 Die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte, die in einem eklatanten Widerspruch zu der vom Islam gelehrten Einheit Gottes (tauhīd) . steht, der sich eben nicht in der Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist verkörpere, wurde erst im folgenden Jahrhundert in Zweifel gezogen.48 Stattdessen beklagt der Text lediglich die „unglaubliche Dummheit“ des Volkes, auf eine solch primitive Täuschung hereinzufallen.49 Für die Beurteilung dieser Szene und der Darstellung Mohammeds auf dem Titelblatt ist es zunächst wichtig, zu bemerken, dass hier dieselbe Bildstrategie zur Anwendung kam, die bereits anhand des Titelblattes des venezianischen Alcorano von 1547 erörtert wurde (Kat. 8, Abb. 14). Denn mit dem Bildzitat der Heiliggeist-Taube erscheint Mohammed auch in den Acta in Anlehnung an eine genuin christliche Ikonographie.50 Geläufig war das Bild den christlichen Betrachtern durch die Darstellungen des Papstes und Heiligen Gregor des Großen, der am Schreibpult sitzend oder den Text einem Schreiber diktierend eine Inspiration durch den Heiligen Geist empfängt (Abb. 22).51 Interessanterweise referiert das auf Mohammed übertragene Bildformular damit nicht nur auf ein geistliches Oberhaupt, eine Position, die Mohammed für sich selbst ebenfalls in Anspruch nimmt, sondern gerade auf jenen der lateinischen Kirchenväter, der sich besonders für die Verwendung von Bildern zur Vermittlung christlicher Glauvermutet, dass es sich bei der von Vincenz selbst als Libellus in partibus transmarinis bezeichneten Quelle um die 1182 von Wilhelm von Tyrus verfasste Historia Rerum in partibus transmarinis gestarum handelte. In dieser findet sich die Geschichte mit der abgerichteten Taube jedoch nicht. Zu der Darstellung Mohammeds in der Legenda aurea vgl. Mula, Stefano: Muhammad and the Saints. The History of the Prophet in the „Golden Legend“, in: Modern Philology, 101, 2, 2003, S. 175–188, hier S. 179. 47  Bry (1597), S. 18: „Stultus ecce, & fascinatus populus Spiritum sanctum in specie columbae apparuisse, ac Mahometi leges dictare firmissime coepit credere, non animadavertens columbam ex eius aure cibum capere, sed permissione divina, sactum est, vt Diabolus populum impium excacaret, & pro meritis excarnificaret.“ 48  Erstmals von dem englischen Orientalisten Edward Pococke (1604–1691). Siehe Kapitel 3, S. 147f. 49  Bry (1597), S. 19: „o immensam populi stupiditatem!“ 50  Dieselbe Strategie, Mohammed als Anti-Heiligen darzustellen, der die klassischen Erkennungsmerkmale der Heiligkeit lediglich in täuschender Absicht kopiert, wurde von John Tolan bereits an der Vita Mahumeti des Embrico von Mainz dargelegt. Vgl. Tolan (1996). 51  Die Geist-Taube erscheint bisweilen auch in den Darstellungen anderer lateinischer Kirchenväter, am häufigsten jedoch bei Gregor dem Großen, für den sie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit das wichtigste Attribut bleibt. Zu dieser Ikonographie maßgeblich Eberlein, Johann K.: Miniatur und Arbeit, Frankfurt a. M. 1995, S. 11–114.

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Abb. 22  Gregor der Große mit der Taube, aus: Dialogi, um 1150–1175, Brüssel, Bibliothèque Royale, MS 9916–17, fol. 2v

bensinhalte eingesetzt hat.52 Gerade durch die Motivübertragung von dem Bildbefürworter Gregor I. auf den vermeintlichen Bildbetrüger Mohammed,53 die sich bereits in 52  Ebd., S. 113: „Der große Papst war es, der dem Bild die künftige Möglichkeit eröffnete, sich unter dem Schutzmantel seiner frommen Aufgabe der Theologie zu entziehen.“ Vgl. hierzu ebenso Kessler, Herbert L.: Gregory the Great and the Image Theory in Northern Europe During the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: A Companion to Medieval Art. Romanesque and Gothic in Northern Europe, hrsg. v. Conrad Rudolph, Malden/Oxford 2006, S. 151–172. Gerhard Wolf bezeichnet Gregor I. als den „Stammvater der westlichen Bilderlehre“. Wolf, Gerhard: Caecilia, Agnes, Gregor und Maria. Heiligenstatuen, Madonnenbilder und ihre künstliche Inszenierung im römischen Sakralraum um 1600, in: Aspekte der Gegenreformation, hrsg. v. Victoria von Flemming, Frankfurt a. M. 1997, S. 750–795, hier S. 750. 53  Ein wesentlicher Unterschied in der Verwendung des Motivs der Heiliggeist-Taube in der Vita des Heiligen Gregor ist jedoch, dass dieser seinen Mitbruder, der Zeuge der göttlichen Inspiration war, mit einem Schwur darauf verpflichte hatte, diese Wundererscheinung niemandem zu berichten. Die Demut des Gregor steht also in deutlichem Kontrast zur vermeintlichen Schaulust Mohammeds.

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früheren Zeugnissen der Buchminiatur findet,54 wird die eklatante Differenz zwischen den unterschiedlichen Naturen bildlicher Darstellungen deutlich: Einerseits können sie, wie Gregor I. selbst es formulierte, Wissen vermitteln und in Erinnerung rufen, andererseits vermögen sie den Betrachter zu täuschen und in die Irre zu führen. Die Gefahr, die von falschen Bildern und Zeichen ausgehe, wird ebenso wie die Fehlbarkeit der menschlichen Wahrnehmung an mehreren Stellen der Acta betont. Dabei wird die erlittene Täuschung nicht nur mit der bereits erwähnten angeblichen Dummheit des Volkes erklärt, der Text warnt mit einer Anspielung auf Paulus generell davor, dass die Sinne schwach und fehlbar seien, vor allem wenn Gott es dem Teufel gestattet habe, die Augen der Menschen mit Finsternis zu bedrängen.55 Vor diesem Hintergrund werden die Wundergeschichten Mohammeds referiert. Neben der Beschreibung eines inszenierten Quellwunders, bei dem Mohammed aus versteckten Amphoren habe Milch und Honig fließen lassen, findet sich ebenso eine bildliche Darstellung der Geschichte von dem Bullen, der, ebenfalls von Mohammed dressiert, diesem eine Schrifttafel als vermeintlich heilige Botschaft überbracht habe (Kat. 9f). Diese angeblich von Mohammed zur Bestätigung seiner Lehre fingierten Zeichen werden nicht nur in allem Detailreichtum des Kupferstiches zur Anschauung gebracht, sondern vom Text zugleich kritisch hinterfragt und als trügerischer Schein entlarvt. In dieser Hinsicht ebenso bedeutsam ist die Geschichte, die zu Beginn des letzten Kapitels der Prophetenvita im Kupferstich präsentiert wird (Abb. 23). Das Bild zeigt neben den drei aus den Navigationes entlehnten Figuren zwei weitere orientalisch gewandete Männer, die in einem tonnengewölbten Raum vor einem im Hintergrund in der Luft schwebenden Sarkophag zum Beten niedergekniet sind oder mit ihren Fingern auf diesen weisen. Dieser Sarg, so der Text, sei aus Metall und von den Anhängern des Propheten durch in die Decke eingelassene Magnete in der Schwebe gehalten, wodurch der Eindruck erzeugt werden solle, der darin ruhende Leichnam Mohammeds trotze der Schwerkraft aufgrund einer übernatürlichen Kraft.56 Diese Geschichte findet sich das erste Mal in der Embrico von Mainz zugeschriebenen Vita Mahumeti vom Ende des 11. Jahrhunderts. Auch wenn sie bereits in dem Pilgerbericht des Magister Thietmarus (nach 1217) als falsch herausgestellt und ein weiteres Mal von dem Bologneser Abenteurer Ludovico Varthema widerlegt wurde, der sich, als Mameluk verkleidet, Zutritt 54  In einer Miniatur von 1410 aus einer französischen Übersetzung von Boccaccios De claris mulieribus wird zusätzlich zur Taube mit der Tiara ein weiteres Element aus der Ikonographie Gregor des Großen übernommen, womit die vermeintlich von Mohammed angestrebte Kopie des Kirchenvaters umso deutlicher wird. Siehe Meister des Genfer Boccaccio, „Mohammeds Predigt“, in: Boccaccio, Giovanni: Des cas des nobles hommes et femmes, Genf, Bibliothèque publique et universitaire, MS. fr. 190, t. I, fol. 147. 55  Bry (1597), S. 19: „Nostrae etenim vires sunt imperfectae, & sensus debiles, ac ratio in divinis caliginosa, quando Deus à Satana oculis nostris tenebras offundi permittit, vt ne crassissimos errores agnoscere aut diiudicare valeamus, sed eos quasi veros & inculpabiles obstinatè, caeca mania, defendere nihil vereamur.“ Vgl. 2. Korinther, 4:3–4. 56  Vgl. Bry (1597), S. 27.

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Abb. 23  Johann Theodor de Bry, Die Verehrung des Sargs des Propheten, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597, S. 26

zu den heiligen Stätten in Mekka und Median verschafft hatte, gehörte sie zu den weit verbreiteten Motiven in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.57 In Le Tiers Livre von 1588 legte Pier Belon zudem dar, dass die Fabel vom schwebenden Sarg auf eine Passage in der Naturalis historia von Plinus d. Ä. zurückgehe.58 57  Zur Bedeutung der Geschichte für das mittelalterliche Verständnis vom islamischen Propheten und der so erfolgten Stilisierung seiner vermeintlichen Grabesstätte in Mekka als Gegenbild zur Grabeskirche in Jerusalem vgl. Reichert, Folker: Der eiserne Sarg des Propheten. Doppelte Grenzen im Islambild des Mittelalters, in: Grenze und Grenzüberschreitung im Mittelalter, hrsg. v. Ulrich Knefelkamp u. Kristian Bosselmann-Cyran, Berlin 2007, S. 453–469. Zu Magister Thietmarus’ Iter ad Terram Sactam vgl. Di Cesare (2012), S. 206–208. Vgl. Varthema, Lodovico de: Reisen im Orient [Itinerario de Ludouico de Varthema Bolognese, 1510], eingeleitet, übers. u. kommentiert von Folker Reichert, Sigmaringen 1996, S. 79; vgl. Reichert (2007), S. 462. 58  Vgl. Smith, Jane: French Christian Narratives Concerning Muhammad and the Religion of Islam from the Fifteenth to the Eighteenth Centuries, in: Islam and Christian-Muslim Relations, 7, 1996, 1,

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Eine derartige Skepsis vermittelt die Beschreibung der Geschichte in den Acta nicht. In ihr heißt es lediglich, dass dieses Schauspiel heute nicht mehr besichtigt werden könne, da der Tempel des Propheten 1470 durch einen Blitzschlag zerstört worden sei.59 Dennoch wird ausdrücklich betont, dass der schwebende Sarg den Muslimen auch heute noch als „sicherstes Zeugnis für die Wahrheit der Mohammedanischen Doktrin und unfehlbares Zeichen der Ehre“ des Propheten gelte.60 Alessandro Vanoli hat gezeigt, dass das Motiv eines zum Schweben gebrachten Bildes oder Sarges in der islamischen, jüdischen und christlichen Literatur verbreitet war und dabei als ein Zeichen für die abzulehnende idolatrische Praxis der jeweils geschilderten Religionsgemeinschaft verstanden . im 10. Jahrhundert, dass wurde.61 So beschrieb etwa der arabische Reisende Ibn Hawqal er gehört habe, die Christen in Palermo hätten den schwebenden Sarg des Aristoteles verehrt und um Regen und Wunderheilungen ersucht, bevor die Kirche nach der Eroberung durch die Muslime in eine Moschee umgewandelt wurde.62 Mit der täuschenden Kraft von Zeichen und Bildern, die im schlimmsten Falle, wie hier an Mohammed exemplifiziert, zu einer falschen religiösen Verehrung anleiten könnten, griffen die Brüder de Bry ein Thema auf, das bereits in den Publikationen ihres Vaters, des Gründers des Verlagshauses, Theodor de Bry, präsent war. Auf drei der zum Teil mehrfach verwendeten Kupfertitel der bekannten Amerika-Serie des Hauses wird an prominenter Stelle, nämlich direkt oberhalb der Titelei, die Götzenverehrung der eingeborenen Stämme bildlich dargestellt (Abb. 24).63 Diese Szenen, die in den jeweiligen Büchern nebst der erneuten Abbildung der Idole textlich erläutert werden, stimmen in ihrem Aufbau – den zu beiden Seiten des erhöhten Götzenbildes kniend Betenden – mit der Darstellung des schwebenden Sarges in den Acta überein. Mohammed erscheint somit nicht nur als ein Schöpfer täuschender Aufführungen, sondern wird gleich selbst zum Objekt idolatrischer Verehrung. Diese Betonung der Idolatrie, die in den Kommentaren Theodor de Brys mehrfach als „Blindheit“ oder „heidnysche Blindheit“ bezeichnet

S. 47–61, hier S. 52. Vgl. Plinius Secundus, Gaius: Naturkunde. Lateinisch-deutsch, Bd. 34, Metallurgie, hrsg. u. übers. v. Roderich König u. Gerhard Winkler, München u. a. 1989, Kap. 42. 59  Vgl. Bry (1597), S. 27. Derartiges berichteten auch die Pilgerreisenden Felix Fabri (1439–1502) und Bernhard von Breydenbach (1440–1497), die in der Zerstörung der Grabesstätte, die sie ebenfalls in Mekka vermuteten, eine göttliche Strafe sahen. Einen realen Brand, der zu einer Erneuerung der Kuppelkonstruktion am Grab des Propheten führte, gab es im Jahr 1481. Vgl. Reichert (2007), S. 461. 60  Bry (1597), S. 27: „[In opinione perseverent] [h]inc factum […] veritatis Mahometicae doctrinae fuisse certissimum testimonium, & eius gloriae infallibile signum.“ 61 Vgl. Vanoli, Alessandro: Tra cielo e terra. Idoli e immagini nel Mediterraneo medievale, in: Revista Miscelánea de Estudios Árabes y Hebráicos. Sección Hebreo, 57, 2008, S. 247–278. 62  Vgl. ebd., S. 247–248. 63  Neben dem hier abgebildeten Titelblatt des dritten Bandes, der sich den brasilianischen Ureinwohnern widmet, findet sich das Motiv der ein zentral und erhöht stehendes „Götzenbild“ anbetenden Ureinwohner auch auf den Titelblättern des ersten und vierten Bandes. Diese berichten von der Entdeckung Virginias und der Eroberung des Inkareiches und erschienen 1590 bzw. 1596.

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Abb. 24  Theodor de Bry, Kupfertitel, aus: Americae tertia pars Memorabil ˜e provinciae Brasiliae […], Frankfurt a. M. 1592

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und dem wahren Sehen als Mittel der Erkenntnis gegenüberstellt wird,64 ist nicht bloß als ein Rückgriff auf das im Mittelalter populäre, antiislamische Motiv der Götzenverehrung zu verstehen.65 Michiel van Groesen hat darauf hingewiesen, dass gerade die Hervorhebung von Themen, hinsichtlich derer in den unterschiedlichen christlichen Glaubensrichtungen Konsens bestand, eine Strategie des Verlagshauses war, die Produkte möglichst unabhängig von den konfessionellen Grenzen vertreiben zu können.66 Der calvinistische Glaube der Familie de Bry spielte in Bezug auf ihre Publikationstätigkeit also eine nur untergeordnete Rolle. Dementsprechend erscheint Mohammed in den Acta, wie schon in den Kreuzzugsepen, als Feind aller Christen und wird nicht, wie in den früheren Schriften der Reformationszeit, im Sinne des innerchristlichen Glaubensstreits instrumentalisiert. Neben dieser einenden Funktion gemeinsamer Feindschaft schimmert in der Verurteilung der angeblichen Idolatrie der Muslime unterschwellig, jedoch an keiner Stelle im Buch konkretisiert, die gefühlte Überlegenheit des calvinistischen Standpunktes einer generellen Ablehnung von Kultbildern durch.

64  So im Vorwort zum dritten und vierten Band der Amerika-Serie. Vgl. America de Bry: 1590–1634. Amerika oder die Neue Welt. Die „Entdeckung“ eines Kontinents in 346 Kupferstichen, hrsg. v. Gereon Sievernich, Berlin u. a. 1990, S. 113, 150; Groesen (2008), S. 221. 65  In diesem Zusammenhang hat Conklin Akbari zu Recht darauf hingewiesen, dass die seit Richard W. Southerns Western Views of Islam in the Middle Ages (1962) und Norman Daniels Islam and the West (1960) in der Wissenschaft vorgenommene Trennung zwischen einer „gelehrten“ und einer „populären“ Darstellung des Islam in der Literatur des Mittelalters nicht mit voller Schärfe vollzogen werden kann. Mit dem Motiv des kultisch verehrten, schwebenden Sarges, das etwa im Roman de Mahomet und der Chanson d’Antioche vorkommt, wird nämlich der eigentlich dem populären Islambild zugeschriebene Aspekt der Idolatrie bisweilen auch auf die sogenannte gelehrte Sichtweise des Islam übertragen. Die Trennung zwischen einer historisch fundierten und einer weiterhin von phantastischen Elementen durchzogenen Darstellung Mohammeds wird von den Autoren und Künstlern der Frühen Neuzeit immer wieder durchbrochen. Vgl. Conklin Akbari, Suzanne: Idols in the East. European Representations of Islam and the Orient 1100–1450, Ithaca/London 2009, S. 200–203, 221–235. Zur Darstellung der Sarazenen als pagane Diener des Götzen Mahom (auch Mahum, Mahumet, Mahounde u. Ä.) vgl. Camille (1989), S. 142–151; Tolan (2002), S. 105–135. 66  Entgegen der von der Forschung zuvor vertretenen Meinung äußerte Groesen zu Recht, dass sich an den Publikationen der Verleger de Bry keine Intention zu konfessioneller Propaganda ablesen lasse. Dabei hebt er hervor, dass sie berufliche Kontakte sowohl zu protestantischen als auch zu katholischen Humanisten pflegten. Vgl. Groesen (2008), S. 103–104. Damit entspricht das Verlagshaus der meist weitgehend liberalen Geschäftspolitik der Druckereibetreiber in den Zeiten von Reformation und Gegenreforma­t ion. Zahlreiche konfessionell übergreifende Kooperationen zwischen Buchdruckern am Beispiel der Stadt Köln zeigt Arndt, Johannes: Der spanisch-niederländische Krieg in der deutschsprachigen Publizistik 1566–1648, in: Krieg und Kultur. Die Rezeption von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich 1568–1648, hrsg. v. Horst Lademacher u. Simon Groenveld, Münster u. a. 1998, S. 401–418, bes. S. 406–407.

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Die Welt als Bild und Mohammed im Emblem

Die Welt als Bild und Mohammed im Emblem Die in den de Bryschen Publikationen spürbare hohe Sensibilität im Umgang mit Bildern bezieht sich nicht nur auf den Bereich des Sakralen. Ganz generell werden die positiven und negativen Eigenschaften der eigenen Kupferstiche thematisiert und der richtige Gebrauch derselben angemahnt. Einen Einblick in das konkrete Bildverständnis der Verleger und Graphiker vermittelt das Vorwort von Johann Theodor und Johann Israel de Bry zum vierten Teil ihrer Serie Orientalisches Indien von 1600. Hierin verweisen sie nicht nur auf die Authentizität ihrer Stiche, die auf vor Ort gefertigten Zeichnungen basierten, sondern loben ihre evokative Kraft, Dinge und Landschaften, die bisweilen tausende von Meilen entfernt seien, so zu präsentieren, dass der Betrachter das Gefühl habe, er sähe sie mit eigenen Augen. Dabei gelinge es den Illustrationen, den sonst „toten“ und „dunklen“ Text zu erhellen und lebendig vor Augen zu stellen.67 Neben diesem positiven Aspekt der Bilder, deren korrekter Gebrauch dazu diene, dem Betrachter die Schönheit und Wunderbarkeit der göttlichen Schöpfung nahezubringen, warnen die Verleger aber auch vor Missbrauch. Dabei geht es nicht nur um die religiöse Verehrung von Bildern, sondern auch um das Verständnis der durch sie kommunizierten Inhalte. So mahnt der Gründer des Hauses, Theodor de Bry, in seinem Vorwort des ersten Bandes der Amerika-Serie den Leser, unrechtmäßig nachgestochenen Graphiken „keinen Glauben“ zu schenken, nicht nur weil sich deren Produzenten einen unrechtmäßigen Vorteil von der Arbeit anderer verschafften, sondern weil in seinen „Bildnissen […] etliche heimliche Marken verborgen [sind], welche, so sie nicht gebührlicherweise angemerket, eine große Verwirrung verursachen“68. Worin diese „Marken“ bestehen, 67  Vierder Theil Der Orientalischen Indien, In welchem erstlich gehandelt wirdt, von allerley Thieren, Früchten, Obs, vn[d] Bäumen, hrsg. v. Johann T. de Bry/ Johann I. de Bry, Franfurt a. M. 1600, Vorrede an den Leser: „Es hat aber Gott der Herr den Menschen unter andern / auch die Kunst deß Malens / Kunststechens Reyssens und deren verwanten Künsten geoffenbaret dadurch seine Wunderwerck/ desto rühmlicher unnd ansehenlicher zumachen / sintemal hiedurch können für Augen gestellet werden solche dinge / die uber viel tausent Meilen zu sehen / sich zugetragen und geschehen seynd / welche uns sonst wol verborgen blieben / dann ob wol dieselben / etlicher massen auch durch den Truck der Schrifft können offenbar gemacht werden / so bleiben sie doch gleichsam Tod und verfinstert / wann sie nicht durch die Kunst illuminieret und gleichsam lebendig gemacht werden / sintemahl durch die figürliche Fürbildung uns alles dermassen für Augen gestellet werden kann / als wann wir an den Orten selbst zugegen weren / und alles Persönlich mit unsern Augen selber sehen.“ Zitiert nach Burghartz (2008), S. 238. Damit schreiben die Brüder den Bildern gegenüber der Schrift eine größere Kraft zur Vergegenwärtigung und Verlebendigung des Dargestellten zu. Zur theoretischen Grundlegung dieses Bildverständnisses als Übertragung des rhetorischen Konzepts der enargeia auf die Bildkunst vgl. Rosen, Valeska von: Die Enargeia des Gemäldes. Zu einem vergessenen Inhalt des „Ut-pictura-poesis“ und seiner Relevanz für das cinquecenteske Bildkonzept, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 27, 2000, S. 171–208. 68  Warhafftige Contrafacturen und Gebräuche dero Innwohner der Landschaft Virginia in Kupfer gestochen […], hrsg. v. Theodor de Bry, Frankfurt a. M. 1590, Vorwort an den Leser. Zitiert nach Sievernich (1990), S. 14.

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wird von ihm nicht weiter erläutert, aber es scheinen damit die sinngerechte Darstellung der bildlichen Sachverhalte und deren korrekte Verbindung mit dem Text gemeint zu sein. Jedenfalls behauptet de Bry, dass es mit dem bloß mimetischen Abkupfern der Bilder nicht getan sei, da für das Verständnis der Darstellungen wesentliche Elemente im Verborgenen lägen. Dieser enigmatische Copyrightvermerk scheint einem symbolischemblematischen Bildverständnis geschuldet zu sein, das wie im Folgenden mit Bezug auf eine weitere Publikation des Hauses und die intensiven Kontakte der Verleger zu Jean Jacques Boissard gezeigt wird, mit einer ebensolchen Weltanschauung einhergeht und für die Kupferstiche der Acta und einige der folgenden Darstellungen des Propheten Mohammed prägend war. Eine ideengeschichtliche Herleitung der Emblematik ist bei Weitem zu umfangreich und zudem wissenschaftlich nicht vollends geklärt, als dass sie hier ausgebreitet werden könnte.69 Wesentlich ist jedoch zu bemerken, dass das Emblem in seiner Bezeichnung und seiner später mehr oder minder kanonischen Form auf den Emblematum Liber des Rechtsgelehrten Andrea Alciato von 1531 zurückgeht, der im 16. Jahrhundert eine regelrechte Flut von emblematischer Literatur nach sich zog. Gewöhnlich besteht ein Emblem aus drei aufeinanderfolgenden Bausteinen:70 der inscriptio (lemma), einem Motto in Form einer meist kurzen Überschrift, der pictura (icon), der bildlichen Darstellung eines Gegenstandes oder einer Handlung, und der meist in Versform verfassten subscriptio (epigramm), die „das im Bild Dargestellte erklärt und auslegt und aus dieser Bildbedeutung häufig eine allgemeine Lebensweisheit oder Verhaltensregel zieht“71. Grundsätzlich geht es im Emblem darum, ein konkretes Objekt oder einen Sachverhalt (res) mit einer Auslegung seiner (meist moralischen) Bedeutung zu verknüpfen. Das Bild und die beiden Textelemente sollen sich dabei im gegenseitigen Bezug erhellen und dem Leser eine eigene Schlussfolgerung ermöglichen. Als beispielhaft für die Bedeutung und Funktionsweise von Emblemen kann das Titelblatt eines Manuskripts des bereits erwähnten Humanisten Jean Jacques Boissard gelten (Abb. 25). Zwar ist die unter der subscriptio erscheinende, später hinzugefügte 69  Zur Schwierigkeit einer definitorischen Eingrenzung und historischen Herleitung des Emblems vgl. zuletzt Daily, Peter M.: Emblems. An Introduction, in: Companion to Emblem Studies, hrsg. v. dems., New York 2008, S. 1–24. 70  Warncke weist zu Recht darauf hin, dass dieser von der Forschung meist als Idealtypus des Emblems angesehene Aufbau nicht vollständig von der historischen Praxis gedeckt ist und es zahlreiche Abweichungen von diesem Modell gibt. Nicht einmal das mediale Zusammenwirken von Text und Bild ist für die Erstellung eines Emblems notwendig, da zahlreiche Emblembücher auch ohne Bilder auskommen. Wesentlich für das Emblem ist eine res significans, die mittels der aus dem Mittelalter tradierten Denkform der Allegorese auf ihren verborgenen Sinn hin befragt wird. Dabei kann die res significans alles sein, sie muss jedoch nicht notwendigerweise bildlich dargestellt werden. Vgl. Warncke (1987), S. 161–192. Harms hingegen erweitert den Emblembegriff dahingehend, dass er am Beispiel Boissards auch gesta als zentrale Motive der allegorischen Auslegung ansieht. Vgl. Harms (1998), S. 287. 71  Schöne, Albrecht: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 31993, S. 19.

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Abb. 25  Jean Jaques Boissard (?), Vorlage für das Titelblatt zu Emblemata cum tetrastichis Latinis, Metz 1584

Anmerkung, es handle sich um eine Zeichnung Theodor de Brys, falsch,72 es ist jedoch sicher, dass Letzterer spätestens seit 1593 mit der Emblemsammlung Boissards vertraut war, als er Teile von ihr überarbeitete und als Emblematum liber cum figuris auf den Markt brachte.73 Das Eröffnungsemblem der Handschrift ist mit „Mundus imago dei est“ betitelt, worunter das Bild eines Globus gegeben ist, der von einer Sphäre mit den Tierkreiszeichen umgeben und von dem strahlbekränzten Gottesnamen „Jehova“ bekrönt 72  Vgl. Bouteron, Maurice/Tremblot, Jean: Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, bibliothèque de l’Institut, ancien et nouveau fonds, Paris 1928, S. 128–129. 73  Vgl. Harms, Wolfgang: Mundus imago dei est. Zum Entstehungsprozess zweier Emblembücher Jean Jacques Boissards, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 47, 1973, S. 223–244, hier S. 234–235.

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ist. Unter der Darstellung der Erdenkugel klärt die subscriptio darüber auf, dass es mittels menschlicher Kunst zwar nicht möglich sei, den Geist der ewigen Schöpfung zu „malen“, dass dieser aber durch die geschaffenen Dinge erforscht werden könne, da die Welt ein Bild des unsichtbaren Gottes sei.74 Die Welt hat demnach Zeichencharakter; sie weist als Ausdruck des lebendigen Willens ihres Schöpfers über sich hinaus und bedeutet dabei mehr, als sie darstellt. Insofern bedarf es zu ihrem Verständnis nicht nur der genauen Autopsie ihrer sichtbaren Gestalt, sondern ebenso einer gewissenhaften Auslegung derselben. Dieser Sichtweise, die hinter der äußeren Erscheinung der Dinge den göttlichen Plan sucht, entsprechen auch die Kupferstiche in den Acta. Dies erschließt sich nicht nur inhaltlich, wie in der ersten Graphik der „Vertreibung der Hagar“, in der das Bild einer nicht erfolgten Proviantübergabe zugleich Träger einer theologischen Botschaft ist. Auch formal zeigt die Bildverwendung in den Acta Übereinstimmungen mit zeitgenössischen Emblemen. In sechs der insgesamt elf Abschnitte der Prophetenvita erscheinen die Kupferstiche unmittelbar nach den Kapitelüberschriften und sind gefolgt von erläuternden Texten. Ein entsprechender Aufbau der Blätter findet sich auch in dem Emblematum liber des Verlags de Bry nach den Entwürfen Boissards. Zwar sind die den Bildern folgenden Texte in den Acta nicht in Versform ver75 fasst, jedoch sind sie ebenso wie die subscriptiones Boissards darauf angelegt, den in den Bildern dargestellten, konkreten Sachverhalten eine moralische Bedeutung abzugewinnen. Ein Beispiel hierfür ist das vierte Kapitel, dessen Überschrift verkündet, dass es im Folgenden um die Lüsternheit und in allen Belangen mangelnde Keuschheit des Propheten gehe (Kat. 9b, Abb. 26).76 Die dazugehörige pictura zeigt Mohammed auf der linken Seite des Bildes zusammen mit einer Frau. Die sexuell konnotierten Gebärden der 74  „Est Deus aeterno consistens Spiritus ortu / Humana qui non pingier arte potest. / Congnitio est eius rebus concessa creatis. / Namque invisibilis mundus imago Dei est.“ Auf die programmatische Bedeutung dieses Blattes für die Emblematik Boissards hat bereits Wolfgang Harms hingewiesen. Bei seiner paraphrasierenden Wiedergabe der subscriptio kommt er jedoch zu einer anderen Interpretation, indem er im letzten Vers „invisibilis“ auf „mundus“ und nicht auf „dei“ bezieht. Vgl. Harms (1998), S. 284. Danach wäre die „unsichtbare Welt“ ein Bild Gottes. Eine derartige Übersetzung steht jedoch in Widerspruch zu dem vorherigen Vers, der bestätigt, dass eine Erkenntnis des göttlichen Schöpfergeistes durch die Anschauung der weltlichen Dinge möglich ist. Dass in Vers zwei geäußert wird, der stets schöpfende Geist könne durch die Kunst nicht wiedergegeben werden, steht der hier neu vorgeschlagenen Interpretation nicht entgegen, da in diesem Vers lediglich zwischen menschlicher und göttlicher Schöpferkraft differenziert wird. Zudem stellt der syntaktische Bezug von „invisibilis“ und „deus“ die ästhetisch ansprechendere Form dar, da durch das sich so ergebende Hyperbaton die Welt („mundus imago“) wie in der pictura von einem unsichtbaren Gott umfangen wird und damit die Schrift selbst bildliche Qualität erhält. 75  Hierbei ist anzumerken, dass Embleme bisweilen auch längere, in Prosa verfasste Epigramme aufweisen. Vgl. Schöne (1993), S. 18. 76  Bry (1597), S. 8. Die trichterförmig sich auf das Bild darunter zuspitzende Kapitelüberschrift lautet: „De libidinosa et ab omni castimonia alienißima Mahometis vita, aliisq[ue] enormibus sceleribus, quibus Bestia quotidie se turpiter polluere consuevit.“

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Abb. 26  Mohammeds Ehebruch, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt 1597, S. 8 (Kat. 9b)

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beiden – er fasst ihr an die Brust und sie lupft ihren Rock – finden zwar in einem Innenraum statt, erscheinen aber angesichts der durch das offene Fenster und den Eingang sichtbaren Piazza im Hintergrund dennoch nicht in Heimlichkeit vollzogen. So ist es kaum überraschend, dass von der rechten Seite zwei Frauen ins Bild treten, die die Handlung des Liebespaares mit aufgebrachten Gesten kommentieren. Der anschließende Text kommt erst auf der folgenden Seite dazu, das bildlich Dargestellte konkret als Mohammeds Ehebruch mit einer ägyptischen Magd zu benennen.77 Unmittelbar auf das Bild folgt stattdessen eine allgemeine moralische Verurteilung des Propheten und seiner Lehre, die er nur erfunden habe, um damit seine sexuellen Ausschweifungen zu legitimieren. In diesem Kontext erscheint die bildliche Darstellung von Mohammeds Ehebruch in erster Linie als eine res significatoria, als ein Sachverhalt, durch den die im Titel genannten Abstrakta Lüsternheit und Unkeuschheit veranschaulicht und schließlich moralisch abgeurteilt werden. Erst bei weiterer Lektüre erschließt sich dem Leser, dass es sich um eine konkrete Episode aus Mohammeds Leben handeln soll.

Mohammed als Prodigium An der Figur Mohammeds verdeutlicht sich in mehrfacher Hinsicht die Reflexion der Brüder de Bry über die Natur von Bildern und den korrekten Umgang mit ihnen. Zwar präsentierten sie den Propheten nicht, wie etwa das Titelblatt des venezianischen Korans von 1547, in der theologisch bedeutsamen Rolle des Antichrist, doch griffen sie die Thematik der täuschenden Erscheinung auf andere Weise auf. Wenn Mohammed eine Taube abrichtet, um mit ihr das Heiliggeistwunder Papst Gregor des Großen nachzuahmen, oder sein schwebender Sarg die Pilger zu idolatrischer Verehrung anregt, erscheint er als Figur, die zu Lebenszeiten und noch posthum falsche Bilder produziert, um die Menschen in die Irre zu führen. Die de Brys, selbst Bildproduzenten, deren Drucke gerade wegen ihrer reichen und qualitätsvollen Bebilderungen geschätzt wurden, präsentieren sich in dieser Funktion gewissermaßen als Gegenspieler Mohammeds. Während sie Mohammed und den Muslimen Wundergläubigkeit und Bilderverehrung unterstellten, lehnten sie als Calvinisten eine solche selbst grundsätzlich ab. Nach ihrer Auffassung sollten Bilder dazu dienen, die Schönheit der göttlichen Schöpfung zu vermitteln, und zugleich dabei helfen, über die genaue visuelle Wiedergabe der Welt zu dem hinter den äußeren Gestalten sich verbergenden, höheren Sinn durchzudringen. Als Spiegel der göttlichen Schöpfung konnten die Bilder somit auch ein Mittel der Erkenntnis sein. Bereits das Titelblatt der Acta, das zeigt, wie der scharfe Blick des weisen Kaisers Leo die angebliche Scharlatanerie des Propheten durchschaut, erscheint dabei vorbildlich die vom Leser gegenüber den Bildern einzunehmende Rezeptionshaltung anzuzeigen: Hinter der Gestalt sollen der verborgene Sinn und die moralische Botschaft der Bilder erkannt werden. 77  Vgl. ebd., S. 9.

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Mohammed als Prodigium

Abb. 27  Johann Theodor de Bry, Prodigien bei der Krönung Mohammeds, aus: I. Acta Mechmeti […], Frankfurt a. M. 1597, S. 6

Das Bestreben, eine mimetisch möglichst genaue Repräsentation der Welt zu geben, stand dabei nicht im Widerspruch zu einer symbolischen bzw. emblematischen Auslegung der Bilder. Ein Beispiel für ein solches Zusammengehen von detaillierter Naturwiedergabe und religiöser und moralischer Interpretation findet sich in den zeitgenös­ sischen Darstellungen von „Monstren“ und Prodigien. Die Vorstellung, dass Naturphänomene, wie menschliche und tierische Körperdeformationen oder ungewöhnliche Himmelserscheinungen, göttliche Zeichen seien, geht auf die Antike zurück und wurde von Augustinus für das Christentum adaptiert.78 Dabei führte der Kirchenvater den Begriff „Monstrum“ auf das lateinische „monstrare“ (zeigen) zurück und sah in monströsen Gestalten die Anzeichen göttlichen Zornes und kommenden Unheils.79 78  Zur Praxis der emblematischen Auslegung von körperlicher Missgestaltung im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Bates, Alan W.: Emblematic Monsters. Unnatural Conceptions and Deformed Births in Early Modern Europe, Amsterdam/New York 2005, S. 43–64. 79  Vgl. Augustinus, Aurelius: Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, übers. v. Alfred Schröder, München 1911–16, Buch 21, Kap. 8, www.unifr.ch/bkv/ kapitel1939-7.htm (03. 12. 2010). Hinweis darauf aus Park, Katharine/Daston, Lorraine J.: Unnatural Conceptions. The Study of Monsters in Sixteenth and Seventeenth-Century France and England, in: Past & Present, 92, 1981, S. 20–54, hier S. 25. Die Interpretation von Monstern als unmittelbarer Ausdruck des göttlichen Willens und als Vorzeichen wurde erst in den 1670er Jahren zunehmend von den Gelehrten abgelehnt und von den bereits zuvor schon existierenden medizinischen Erklärungsmodellen gänzlich

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2.   Der Prophet der „Türken“: Mohammed als Osmane

Auch in den Acta wird, noch bevor der Prophet selbst das erste Mal im Bild erscheint, von Himmelsphänomen und abnormalen Geburten berichtet, die zu der Zeit von „Mohammeds Krönung“ in Griechenland und Konstantinopel aufgetreten seien. Diese werden dem Leser zu Beginn des Kapitels in einem Kupferstich präsentiert, der die missgestalteten Körper zweier Kinder zeigt. Ein Knabe mit vier Füßen und ein Mädchen mit zwei Köpfen stehen darin vor einer Landschaft mit einer Stadtansicht, deren Himmel von mehreren ungewöhnlichen Phänomenen durchzogen ist (Abb. 27). Der Kupferstich entspricht in der detailgetreuen Wiedergabe und Zusammenstellung unterschiedlicher Phänomene und „Zeichen“ anderen zeitgenössischen Darstellungen, wie sie sich in den seit der Mitte des Jahrhunderts beliebten Prodigienbüchern finden.80 Das unmittelbare Vorbild für die Acta dürfte jedoch ein Holzschnitt aus dem Schedel’schen Liber Chronicarum gewesen sein, der vor der kurzen Lebensbeschreibung des Propheten dieselben atmosphärischen Wunderzeichen und spezifischen Missbildungen abbildet.81 Wie in der Weltchronik werden die Phänomene auch in den Acta als Vorzeichen kommenden Unheils aufgefasst: Zur Zeit der „Krönung Mohammeds“ aufgetreten, seien sie Hinweise für den zukünftigen Untergang des byzantinischen Kaiserreichs gewesen.82� Die vermeintliche Naturtreue solcher Prodigienbilder, die beinahe den Eindruck vermittelt, der Künstler habe seine Objekte ad vivum studiert, bezeugt nicht nur das Inter­ esse am natürlichen Phänomen selbst, sondern diente auch seiner genaueren Auslegung, denn die konkrete Gestalt der „Monstren“ konnte als Hinweis auf spezifische Sünden ausgelegt werden.�83 Vor diesem Hintergrund erhalten auch die ersten Darstellungen Mohammeds als Osmane eine weitere Sinnebene. Sie dienten nicht nur dazu, den Propheten mit der Erfahrungswelt der Leser zu verknüpfen und so den Eindruck größerer Lebendigkeit und Authentizität zu erzeugen. Die sowohl in ihrer technischen Umsetzung als auch hinsichtlich der bloßen Anzahl der Bilder detaillierte Darstellung sollte dem Betrachter eine genaue Vorstellung von dem so unerhörten Leben des Propheten geben. Dabei ging es aber nicht darum, Mohammed als individuellen Charakter zu erfassen, sondern ihn als ein absonderliches „Monstrum“ zu präsentieren, dessen angeblich krank- und lasterhaftes Leben als ein Vorzeichen für die Schrecken der islamischen Herrschaft und deren kommenden Untergang gelesen werden konnte. abgelöst. Vgl. Daston, Lorraine J./Park, Katharine: Wunder und Ordnung der Natur 1150–1750, Frankfurt a. M. 2002, S. 209. 80  Ein verstärktes Auftauchen von Monster-Darstellungen lässt sich in der Publizistik des frühen 16. Jahr­ hunderts und vor allem in der Reformationspropaganda feststellen. Die ersten Kompendien erscheinen um die Jahrhundertmitte. Vgl. Park/Daston (1981), S. 30, 32. 81  Siehe Prodigien der kommenden Herrschaft Mohammeds, in: Schedel (1493b), fol. 151r. 82  Bry (1597), S. 7: „Phaenomena tum visebantur varia & prodigiosa, haud parum terroris Graecis importantia, quae Mahometis facinora, & res temerario ausu gerendas praefigurabant.“ Vgl. Schedel (1493b), fol. 151r. 83  Vgl. Bates (2005), S. 48–49.

3. Mohammed im Porträt

Die erste bekannte druckgraphische Darstellung Mohammeds im Porträt findet sich in einem „Häretikerkatalog“, der 1607 in den Niederlanden veröffentlicht wurde (Kat. 10a, 10b, Abb. 34). Der in diesem und in den folgenden Bildnissen vollzogene bildnerische Zoom auf das Gesicht des Propheten bedeutete weit mehr als nur einen Wechsel der Bildgattung. Die Konzentration der Darstellung auf das nun dargebotene Antlitz Mohammeds kann generell als Indiz dafür gewertet werden, dass sich das Interesse der Europäer am islamischen Propheten zu wandeln begann. Denn neben der Bestimmung von Alter, Amt und gesellschaftlichem Stand erwartete der neuzeitliche Betrachter eines Porträts etwas über das Individuum und den Charakter der dargestellten Person zu erfahren. Die Darstellung des Propheten im Porträt kann damit als ein erster Schritt zu einer Neubewertung angesehen werden, mit der Mohammed über die bildliche Typisierung als Antichrist, Häretiker und Gewaltherrscher hinaus erstmals als Mensch in den Blick der europäischen Rezipienten rückte. Dank der osmanischen Gewänder hatte Mohammed bereits eine aktuellere und authentisch wirkende Erscheinung erhalten, hinsichtlich der mit der Bildgattung des Porträts verbundenen Erwartungen erwies sich die Darstellung Mohammeds jedoch als problematisch.

Probleme der Mohammedbildnisse Die Frage, ob ein Bildnis den Geist und Charakter und damit das „Innere“ eines Menschen zur Anschauung bringen könne, wurde von den Künstlern und deren Auftraggebern be­ reits in der Frühphase neuzeitlicher Porträtkunst reflektiert. In dieser Hinsicht kommentierte zum Beispiel Raffaele Zovenzoni sein von Giovanni Bellini gestaltetes Porträt, das Zovenzonis Epos Istria als Autorenbildnis beigegeben war, kritisch. Zovenzoni traute Bellinis Porträt lediglich die Nachbildung seiner äußeren Gestalt zu und war der Ansicht, dass allein der Text seines Werkes Aufschluss über seinen wirklichen Charakter gäbe.1 1  Vgl. Kapfhammer, Gerald/Löhr, Wolf-Dietrich/Nitsche, Barbara: Einleitung, in: Autorbilder. Zur Medialität literarischer Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. dens., Münster 2007, S. 9–25.

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3.   Mohammed im Porträt

Eine derartige Skepsis gegenüber dem Bild, die, wenn sie zudem aus der Feder des Künstlers selbst stammt, zugleich ein Topos der Bescheidenheit ist, findet sich auch in Albrecht Dürers Bildnissen des Erasmus von Rotterdam und des Philipp Melanchthon. Dürer versah die Kupferstichporträts der beiden Gelehrten mit Inschriften, die ebenfalls besagen, dass die literarischen Werke der beiden ein besseres Bild von ihnen gäben.2 Gerade bei Bildnissen von Autoren wurde eine Differenz im Darstellungsvermögen der unterschiedlichen Medien wahrgenommen, wobei der Schrift eine ausgeprägtere Fähigkeit zur Charakterisierung beigemessen wurde als dem Bild, das auf eine lediglich äußere Ähnlichkeit beschränkt bleibe.3 Der somit postulierte Unterschied zwischen einer körperlich-bildlichen und einer geistig-schriftlichen Repräsentation wurde zu einem wesentlichen Kriterium für die Gestaltung und Wahrnehmung der Mohammedbildnisse im europäischen Buchdruck. Zunächst dürften sich den Erfindern der Mohammedporträts jedoch andere Fragen gestellt haben. Aus bildnerischer Sicht lag die Problematik solcher Darstellungen im Wesentlichen in zwei Aspekten. Erstens verband sich mit der Gattung des Porträts gewöhnlich der Anspruch ad vivam effigiem, also nach Anschauung der realen Person entstanden zu sein oder zumindest auf ein authentisches Bildzeugnis zurückzugehen. Zweitens bedeutete das Porträt im Normalfall eine Ehrung des Dargestellten und stand lediglich gesellschaftlich angesehenen oder sehr wohlhabenden Personen offen, welche die Fertigung solcher Bilder oft anlässlich denkwürdiger Ereignisse wie Hochzeiten, Verleihungen von Titeln oder sonstiger gesellschaftlicher Erfolge in Auftrag gaben. Bereits mit dem Authentizitätsanspruch, auf das lebendige Vorbild zurückzugehen, geraten die Bildnisse des Propheten in Konflikt, ist doch festzustellen, dass sich von Mohammed kein zeitnahes visuelles Zeugnis erhalten hat. Alle bildlichen Darstellungen des Propheten, christlichen wie islamischen Ursprungs, sind Objekte künstlerischer Invention.4 Inspiration für die Schaffung eines möglichst authentischen Prophetenbil-

2   Vgl. Preimesberger, Rudolf: Albrecht Dürer: „… propriis sic … coloribus“ (1500), in: Porträt, hrsg. v. dems., Hannah Baader u. Nicola Suthor, Berlin 1999, S. 210–227. Und zu Erasmus „THN. KPEITTΩ. TA.ΣYΓΓPAMMATA. ΔEIΞEI“ (Das bessere Bild von ihm werden seine Schriften zeigen.) Vgl. ders.: Albrecht Dürer. Imago und effigies, in: ebd., S. 228–238. Zum bereits in der Antike gängigen Topos, dass das Bild nur die äußere Gestalt, aber nicht die innere Natur des Menschen abbilde, vgl. Speyer, Wolfgang: Das wahre Bildnis, in: ders.: Frühes Christentum und Antike im Strahlungsfeld. Ausgewählte Aufsätze, Tübingen 1989, S. 395–401. 3  Hans Belting sieht diese Relativierung des Bildes und seinen Konflikt mit der Schrift im Wesentlichen im Zeitalter der Reformation und der massenhaften Verbreitung von Porträtbildnissen entstehen, was er am Beispiel der Darstellungen Luthers erörtert. Vgl. Belting, Hans: Das echte Bild. Bildfragen als Glaubensfragen, München 2005, S. 190–196. 4  Entsprechend der acheiropoeita in der christlichen Tradition finden sich auch in Texten muslimischer Autoren Mythen über nicht von Menschenhand gemachte Bildnisse des Propheten. Vgl. Grabar/Natif (2003). Die beiden Autoren analysieren in diesem Artikel die Geschichte einer islamischen Gesandtschaft zum Kaiser Heraklius, die in unterschiedlichen Versionen überliefert ist. In dieser Geschichte präsen-

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Probleme der Mohammedbildnisse

des hätten die Künstler in den Beschreibungen der äußeren Erscheinung Mohammeds gewinnen können, die in der arabischen Überlieferung weit verbreitet sind. Eine solche Quelle zur Gestalt des Propheten war zwar bereits im Corpus Toletanum enthalten und fand später auch Eingang in die italienische Koranübersetzung von 1547,5 jedoch war das darin vermittelte Bild eines ideal-schönen Mannes nicht konform mit den christlichen Vorstellungen, so dass ein Einfluss des Textes auf die bildlichen Darstellungen nicht nachweisbar ist.6 Stattdessen entwarfen die Autoren ihre eigene Vorstellung vom Propheten und beschrieben ihn meist als von abstoßender und Angst einflößender Gestalt.7 Eine erstmalige Wertschätzung der islamischen Texte zur äußeren Erscheinung Mohammeds findet sich in Henry Stubbes Account of the Rise and Progress of Mahometanism. Stubbe, der bis zu seiner Entlassung wegen einer gegen den Klerus gerichteten Publikation als Bibliothekar in der Bodleian Library in Oxford Zugang zu den entsprechenden Quellen hatte, kann als Vorreiter einer positiven Beurteilung des Propheten gelten.8 Mohammed erscheint in seiner Beschreibung von beinah übermenschlicher Schönheit:

tiert der byzantinische Kaiser den Gesandten aus Mekka eine Serie von Bildnissen, die alle Propheten von Adam bis Mohammed zeigten. Diese seien ein Geschenk von Gott an Adam gewesen, welcher die nach ihm folgenden Propheten sehen wollte. Der erste Hinweis auf diese arabische Überlieferung findet sich bereits bei Joseph von Hammer-Purgstall. Vgl. Hammer-Purgstall, Joseph v.: Über die Personalbeschreibung der Propheten nach der Überlieferung der Morgenländer, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde, 3, 1837, S. 77–79. 5  Bei der lateinischen Vorlage handelt es sich um die Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum des Robert von Ketton aus dem Corpus Toletanum, die wiederum auf eine arabische Quelle zurückgeht. Vgl. Di Cesare (2012), S. 96. 6  L’Alcoran (1547), Liber I, La Vita, i costumi, la forma, la statura e l’oppinioni di Macometto, S. 12v. Der Text übermittelt die Beschreibung des Propheten aus dem Munde ‘Alīs: „Et ‘Ali addomandato da alcuni altri della qualita sua similmente rispondeva, che egli havea gran capo, la faccia tra bianca, e nera, e la pelle di conveninente colorem la barba lunghissima, e le gambe di assai convenevol forma, e che caminando aßsimigliava il moto piacevole dell’acqua d’un fiume che scendem affermando di non havere mai veduto persona degna di tanto honore, e cosi riverenda quanto era Macometto per la buona phisonomia che egli haveva, la faccia sua di splendore trapassò ogni altra faccia di tutte le genti che furono in alcun tempo, non essendo però meno benigno ne magnanimo di cuore […].“ Bibliander hatte in seiner Ad nominis Christiani Socios consultatio, quanam ratione Turcarum dira potentia repelli possit ac debeat a populo Christiano von 1542 bereits vor dem Koran eine von fabulösen und antiislamischen Elementen geprägte Biographie des Propheten veröffentlicht, in der der Prophet als gutaussehend, willensstark, eloquent und gewitzt beschrieben wird. Jedoch habe Mohammed diese exzellenten Anlagen nicht für das Gute eingesetzt, sondern sich dem Teufel verschrieben. Vgl. Francisco, Adam S.: Martin Luther and Islam. A Study in Sixteenth-Century Polemics and Apologetics, Leiden/Boston 2007, S. 56. 7  Zu Beispielen aus der englischsprachigen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Almond (1989), S. 88. 8  Vgl. Stubbe (1911), S. XVI–XVII.

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3.   Mohammed im Porträt

I doubt not but by this time your Curiosity will prompt you to enquire after the pourtraiture of this extraordinary person. His great Soul was lodged in a body of a middle size, he had a large head, a brown complexion but fresh colour, a beard long and thick but not grey, a grave aspect wherein the awfulness of Majesty seem’d to be tempered with admirable sweetness, which at once im­ printed beholders respect, reverence, and Love. His eyes were quick and sparkling, his limbs exactly turn’d, his Mien was great and noble, his Motion free and easy, and every Action of his had grace so peculiar that it was impossible to see him with indifference [...].9 Stubbes für einen westeuropäischen Autor geradezu revolutionäre Beschreibung, die er wahrscheinlich zwischen 1671 und 1676 verfasste, zirkulierte als Manuskript lange Zeit nur in Gelehrtenkreisen und wurde erst durch die Drucklegung 1911 einem größeren Publikum zugänglich. Wie anhand nachfolgender Werke aufgezeigt wird, war es noch während des 18. Jahrhundert keineswegs unproblematisch, eine derart ungetrübt positive Haltung gegenüber dem Propheten zu vertreten. Jedenfalls begannen sich die arabischen Beschreibungen von Mohammeds Aussehen in der westeuropäischen Literatur erst lange nach der ersten Verbreitung der druckgraphischen Mohammedbildnisse als verbindlich durchzusetzen. Maßgeblichen Einfluss erlangte dabei die französische Übersetzung von Ab¯u l-Fid¯as (gest. 1331) Prophetenvita durch den angesehenen Orienta­ listen Jean Gagnier aus dem Jahr 1723,10 auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird. Gerade bei der Präsentation orientalischer Figuren scheint die Hemmschwelle zu einer freien Erfindung der Gesichter aber weniger hoch gewesen zu sein als etwa bei Personen, die dem eigenen Kulturkreis angehörten. Ein Beispiel dafür findet sich in dem 1563 unter dem Titel De origine imperii Turcorum publizierten Bericht über das Osmanische Reich. In seiner Vorrede zu diesem Text hob Philipp Melanchthon die dem Buch beigefügten, fiktiven Bildnisse der osmanischen Sultane gar besonders hervor: „Du lernst die ganze Reihe von Herrschern kennen, wenn Du die Tafeln mit schrecklichen, Gorgonenähnlichen Formen der Türken betrachtest.“11 Tatsächlich zeigen die runden, an Münz- oder Medaillenbildnisse erinnernden Holzschnitte die Sultane mit grotesken und abstoßenden Physiognomien (Abb. 28). Ob die Bilder eine korrekte Wiedergabe der äußeren Erscheinung der Sultane leisten, lässt Melanchthon in seiner Einleitung offen,   9  Ebd., S. 141. 10  Vgl. Almond (1989), S. 89. 11  Georgijevi, Bartolomej: De origine Imperii Tvrcorvm eorvmque administratione et disciplina: brevia quaedam capita notationis loco collecta. Cui Libellvs de Tvrcorvm moribus, collectus a Bartholemaeo Georgieuiz, adiectus est / cum praefatione […] Philippi Melanthonis, Wittenberg 1563, 2v: „Ita universam Monarchiarum seriem intuearis, cum has tabulas & terribiles Turcorum formas ceu Gorgonas aspicies.“ Das Buch enthält die Aufzeichnungen des aus der osmanischen Gefangenschaft zurückkehrten Bartolomej Georgijević. Übersetzung nach Pelc, Milan: Illustrium imagines. Das Porträtbuch der Renaissance, Leiden/Boston u. a. 2002, S. 80.

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Probleme der Mohammedbildnisse

Abb. 28  „IX. MAHOMETVS“, aus: Bartolomej Georgijevic, ´ De Origine Imperii Turcorum […], Wittenberg 1560, fol. 9r

denn die mimetische Qualität der Bildnisse scheint keine Rolle zu spielen. Wie aus der kurzen Beschreibung klar wird, finden die Bilder ihre Legitimation bereits darin, dass sie die a priori festgelegte Grausamkeit der Herrscher physiognomisch sichtbar machen. Ein entsprechendes Porträtverständnis wurde auch von Guillaume de Rovillés vertreten, der mit seinem Promptuarium Iconum von 1553 eine umfassende Porträtsammlung berühmter Männer veröffentlichte. Da es gemäß der Physiognomik möglich sei, das Wesen eines Menschen aus der Form seines Gesichtes zu erschließen, schien der Umkehrschluss zu erlauben, die Züge eines Menschen zu rekonstruieren, wenn nur genügend über dessen Charakter bekannt war. Mit dieser Argumentation, dass das vollkommene Bildnis eben nicht aus der Anschauung, sondern aus der Idee entstehe,12 recht-

12  Diese Praxis erregte jedoch auch Widerspruch. Enea Vico wandte sich in seinen Discorsi entschieden gegen die erfundenen Porträts, „perché le imagini imaginate, rendere non possono la vera imagine altrui, né sodifare interamente al desiderio del lettore“. Vico, Enea: Discorsi di M. Enea Vico Parmigiano sopra le medaglie de gli antichi […], Venedig 1558, S. 92. Zur Diskussion um die Authentizität der Bildnisse in der Reproduktionsgraphik vgl. Meier, Hans J.: Das Bildnis in der Reproduktionsgraphik des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zu den Anfängen serieller Produktion, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 58, 4, 1995, S. 449–477, hier S. 456–457.

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3.   Mohammed im Porträt

fertigte Rovillés die Aufnahme auch alttestamentarischer und mythologischer Figuren wie Adam, Noah und Hector in seine Porträtreihe. Das zweite Legitimationsproblem für eine Darstellung Mohammeds im Porträt bestand darin, dass es als wesentliche Aufgabe der Bildgattung erachtet wurde, Andenken (memoria) und Ruhm beziehungsweise Nachruhm (fama) der Dargestellten zu sichern.13 Daher implizierte bereits die formale Anwendung dieser Bildgattung eine Ehrung des Dargestellten. Darüber hinaus konnte das Bildnis als Substitut für eine faktisch nicht anwesende Person dienen.14 Es konnte nicht nur angesprochen oder geküsst und somit wie die von ihm repräsentierte, reale Person behandelt werden, 15 auch bei juristischen, symbolischen und rituellen Handlungen trat das Bild bisweilen an die Stelle des Abgebildeten.16 Neben der Ehrung wurde der Bildgattung des Porträts also auch die Fähigkeit zugesprochen, die dargestellte Person zu vergegenwärtigen und ihr eine (symbolische) Präsenz zu verleihen. Das Porträt des von den christlichen Autoren bis ins 19. Jahrhundert überwiegend als verachtenswert und gefährlich vorgestellten islamischen Propheten bedurfte 13  Vgl. Alberti, Leon B.: Über die Malkunst = Della pittura, eingeleitet, übers. und kommentiert v. Oskar Bätschmann u. Sandra Gianfreda, Darmstadt 2002, § 25, S. 100–101; Pommier, Édouard: Théories du Portrait. De la Renaissance aux Lumièrs, Paris 1998, S. 40–43. Zu der von Alberti beschriebenen „göttlichen Kraft“ der Malerei, Abwesende zu vergegenwärtigen und Verstorbene fast lebendig zu machen, und der daraus erwachsenden konfliktreichen Parallele zwischen der Fähigkeit der Kunst und der transzendenten Kraft des Göttlichen vgl. Freedberg, David: The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response, Chicago/London 1989, S. 44–53. 14  Dies ergibt sich bereits aus einem der Ursprungsmythen der Porträtkunst, den Plinius in seiner Naturalis historia schildert. In dieser Geschichte fertigt der korinthische Töpfer Butades aus Sycon für seine Tochter das Porträt des von ihr geliebten jungen Mannes in Ton, weil dieser die Heimat verlassen muss. Vgl. Plinius Secundus, Gaius: Naturkunde. Lateinisch-deutsch, Buch 35, Bd. 35, Farben, Malerei, Plastik, hrsg. u. übers. v. Roderich König u. Gerhard Winkler, Düsseldorf/Zürich 21997, S. 114–115. 15  In Literatur und bildender Kunst erscheint das Porträt oft als Movens der Liebe, bei der das Bild die Gefühle für die dargestellte Person entfacht oder an dem Liebeshandlungen vollzogen werden. Vgl. Syson, Luke: Circulating a Likeness? Coin Portraits in Late Fifteenth-Century Italy, in: The Image of the Individual. Portraits in the Renaissance, hrsg. v. dems. u. Nicholas Mann, London 1998, S. 113–125, hier S. 113. Die über die Kraft eines Porträtbildes entfachte Liebe ist ebenfalls ein beliebtes Thema der persischen Literatur. Vgl. Bürgel, Johann C.: The Feather of Simurgh. The „Licit Magic“ of the Arts in Medieval Islam, New York u. a. 1988, S. 119–137. 16  So wurde im Namen des Herrschers vor dessen Bild Recht gesprochen oder die Bestrafung nicht fassbarer Verbrecher zunächst an deren Bildern vollstreckt. Zu dieser Substitution des realen Körpers durch das Bild vgl. Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Über das Lebensrecht des Bildes, Frankfurt 2010, bes. S. 192–230; Ders.: Repräsentation und Bildmagie der Renaissance als Formproblem, München 1995, S. 30–37. Der Rechtsfunktion der Bilder entsprach es auch, dass mittels der Darstellung die Person des Verbrechers öffentlich und ihr jeweiliges Vergehen evident gemacht wurden. Vgl. Krüger, Klaus: Bildlicher Diskurs und symbolische Kommunikation. Zu einigen Fallbeispielen öffentlicher Bildpolitik im Trecento, in: Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kulturwissenschaftlich angeleiteten Mediävistik, hrsg. v. Jan-Dirk Müller, München 2007, S. 123–162.

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

daher, wohl noch mehr als bei den osmanischen Sultanen, einer besonderen Rechtfertigung.17 Gerade der katholische Klerus der Gegenreformation zeigte sich vor dem Hintergrund der zu verteidigenden Bilderverehrung in dieser Frage besonders sensibel. Der Bischof von Bologna, Gabriele Paleotti, widmete in seinem Discorso intorno alle imagine sacre e profane von 1582 der Frage des Häretikerporträts sogar ein eigenes Kapitel. Ausdrücklich befürwortet er die traditionelle Zerstörung solcher Bilder und mahnt, dass es selbst für den Besitz derartiger Werke keine Entschuldigung gäbe.18 Die einzige für ihn denkbare Form einer legitimen Darstellung von Häretikern sei eine solche, die „ihre Gottlosigkeit mit sichtbaren Zeichen und gerechter Strafe zu Anschauung bringt“19. Als Beispiele nennt er den von seinem Hochmut geblendeten, aus dem Himmel stürzenden Simon Magus oder das Bild Martin Luthers in der Gestalt eines schwarzen Wolfes. Auch wenn Paleotti von diesen Bildern als „ritratti degli eretici“ spricht,20 gehören derartige Darstellungen nach heutigem Verständnis nicht zur Gattung des Porträts, da ihre Intention nicht in der Wiedergabe der äußeren Gestalt einer Person, sondern lediglich in ihrer Typisierung und Verurteilung liegt. Das Porträt des Häretikers war also – vor allem aus gegenreformatorischer Sicht – ein Tabu, da es die Gefahr barg, als Ehrung verstanden zu werden und dem Irrlehrer Andenken und Anerkennung zu sichern. Angesichts dieser Problematik ist es sicher kein Zufall, dass die meisten Bildnisse des Propheten als Illustrationen in Büchern erscheinen. Denn so war die Möglichkeit gegeben, das Bild ausführlich zu kommentieren und es mit einer unmissverständlichen Deutung zu belegen.

Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer Die druckgraphischen Bildnisse Mohammeds waren nicht die ersten Darstellungen, die dem Propheten ein Gesicht verliehen. Bereits in mittelalterlichen Manuskripten begegnet der Leser dem Antlitz Mohammeds als Randillustration oder Miniatur. Um die Spezifik der druckgraphischen Bildnisse darzulegen, ist es angebracht, zunächst kurz auf 17  Gerade zur Zeit der Gegenreformation wurde von der Zensur besonders auf die korrekte Darstellung ehrwürdiger und heiliger Personen geachtet, was bei Zuwiderhandlung sogar mit Gefängnisstrafen belegt werden konnte. Vgl. Kunze (1993), S. 102–104. 18  Paleotti führt hier die Tradition an, häretische Schriften zu verbrennen, was ebenso wie die Zerstörung der lästerlichen Bilder geschehe, um die Memoria der Irrlehrer auszulöschen. Vgl. Paleotti, Gabriele: Discorso intorno alle immagini sacre e profane diviso in cinque libri [1582], in: Trattati d’arte del Cinquecento fra manierismo e Controriforma, hrsg. v. Paola Barocchi, Bd. 2, Bari 1961, S. 117–509, hier S. 345–347. 19   Ebd., S. 347: „Eccettuamo però quando tali ritratti fossero accompagnati con segni manifesti e giuste vendette della empietà loro [heretici], overo contenessero qualche accidente notabile contro la perfidia di essi e chiara dimostrazione del castigo datoli dal signor Dio […].“ 20  Ebd., S. 345.

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3.   Mohammed im Porträt

diese Vorläufer einzugehen. An ihnen zeigt sich nicht nur, wie bereits im ersten Kapitel dargelegt, dass die europäischen Autoren und Künstler der Vormoderne keine einheitliche Anschauung vom Propheten besaßen, sondern auch, dass es diesen frühen Gesichtsdarstellungen nicht um eine individuelle Charakterisierung des Propheten, sondern um seine Bestimmung als Typus gelegen war.

Abb. 29  Signum des Propheten Mohammed, aus: De generatione Machumet et nutritura eius, Cluny 12. Jh., Paris, Bibliothéque de l’Arsenal, MS. Arsenal 1162, fol. 11r

Die frühste bekannte bildliche Darstellung Mohammeds findet sich in der wohl ersten Abschrift des Corpus Toletanum, die durch Petrus Venerabilis nach Cluny gelangte und die heute in der Pariser Bibliothèque de l’Arsenal (MS 1162, fol. 11) aufbewahrt wird. Mohammed wird hier in einer in die Textkolonne integrierten Zeichnung als ein Wesen mit einem runden, bärtigen Kopf an einem Fischkörper visualisiert (Abb. 29). Obwohl der nebenstehende Text der De generatione Mahomet et nutritura eius von Mohammeds Geburt handelt, musste der Schreiber seine kleine Zeichnung noch mit der Bezeichnung „Mahumeth“ versehen, um die Identifikation seiner Figur sicherzustellen. Die chimärenhafte Gestalt wurde von Walter B. Cahn überzeugend als eine Darstellung Mohammeds als Sirene ausgelegt, wobei Cahn darauf hinwies, dass die mit ihrem Gesang die Menschen in die Irre leitende antik-mythologische Figur im Mittelalter als Symbol für religiöse Irrlehrer und ihre falsche Doktrin verwendet wurde.21 Zwar kann die Zeichnung, auch wenn sie das Gesicht des Propheten ins Zentrum der Darstellung rückt, nicht als ein Porträt angesehen werden, dennoch kommt ihr in Zusammenhang mit dem Text eine authentifizierende Funktion zu. Sie erscheint nicht nur unmittelbar

21  Ausführlicher hierzu Cahn (2002), S. 51–60. Die Federzeichnung erscheint in leicht abgewandelter Form in zwei weiteren Abschriften aus dem späten 13. und 14. Jahrhundert.

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

nach der Stelle, in der von dem Zeichen berichtet wird,22 das Mohammed als göttliches Signum zwischen seinen Schultern trug. Darüber hinaus erinnert ihre graphisch abbrevierte Gestalt an die Rekognitionszeichen, die in mittelalterlichen Urkunden sowohl beglaubigende wie wohl auch apotropäische Funktionen erfüllten. Bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts brachten die Kanzleinotare den so genannten „Bienenkorb“, ein gra-

Abb. 30  „Bienenkorb“ aus der Urkunde Kaisers Ottos I. an das ­K loster der hll. Felix und Regula, 1. März 952, Zürich Staatsarchiv, C II 2, Nr. 10a

phisches Gebilde, das aus der Unterschriftsformel „subscripsi“ entstand, unmittelbar neben dem kaiserlichen Siegel an (Abb. 30).23 Zwar verlor diese spezielle Beglaubigungsformel in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts an Bedeutung; da die Verwendung graphischer Rekognitionszeichen, wie etwa der Rota, damit aber nicht abbrach, ist es möglich, dass der Schreiber des Corpus Toletanum mit seiner Zeichnung auf diese ältere Praxis referierte.

22  Die kleine Zeichnung erscheint genau dort, wo der Text von den körperlichen Zeichen Mohammeds, den Malen an der Stirn und zwischen den Schulterblättern, berichtet, an denen ein Sterndeuter namens Kabalachbar den Neugeborenen als den Gesandten Gottes erkannt habe. Zitiert nach der gedruckten Fassung von 1550. Machumetis Saracenorum principis eiusque successorum vitae ac doctrina ipseque Alcoran […], hrsg. v. Theodor Bibliander, Basel 1550, darin: De generatione Machumet et nutritura eius. Quod transtulit Hermannus Dalamata, S. 201: „Quem undique versum perspiciens, omnem[que] modum eius & conversationem observans, ita quidem ut ipsas etiam corporis notas easdem quas praesignaverat, reperiret, ut in fronte maculam, inter [Zeichnung] scapulas huiusmodi characterem, hunc ipsum Machumet esse plene depraehendit.“ (Hervorh. d. A.) Auf diesen Zusammenhang zwischen Text und Bild hat mich Michelina Di Cesare hingewiesen. Vgl. Shalem, Avinoam: Introduction, in: Shalem (2013), S. 1–7, hier S. 6. 23  Vgl. Rück, Peter: Fünf Vorlesungen für Studenten der École des Chartes, (Paris, 24.–28. April 1995), in: Arbeiten aus dem Marburger hilfswissenschaftlichen Institut, hrsg. v. Erika Eisenlohr u. Peter Worm, Marburg a. d. L. 2000, S. 243–314, hier S. 254.

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3.   Mohammed im Porträt

Abb. 31  Mohammed entfährt ein unreiner Geist, aus: Petrus von Poitiers, Compendium historiae in genealogia Christi, Anfang 13. Jh., Windsor, Ms. 96, fol. 16v

In der Universalchronik Compendium historiae in genealogia Christi, die von Petrus von Poitiers (ges. 1205) begonnen und von einem unbekannten Autor bis ins Jahr 1245 weitergeführt wurde,24 erscheint Mohammeds Kopf in einem runden, durch zwei Linien gebildeten Rahmen inmitten der Textkolonne, die ihn als „mahum pseudopropheta“ bezeichnet und eine kurze, pejorative Vorstellung von seiner Lehre entwirft (Abb. 31). Die Zeichnung zeigt den Propheten im nach links gewandten Dreiviertelprofil, wie ihm aus dem geöffneten Mund ein gehörnter Spiritus entweicht. Dieser Dämon kann auf zwei Arten interpretiert werden: Entweder handelt es sich, nach der Lesart Debra Stricklands, um eine Darstellung von Mohammeds Tod, bei dem der Prophet mit seinem letzten Atemzug auch seinen „bösen Geist“ aushaucht,25 oder das Bild versteht sich als Anlehnung an die Beschreibung des falschen Propheten in der Offenbarung des Johannes, aus dessen Mund ebenfalls ein unreiner Geist fährt.26 Dies würde mit der Bezeichnung Mohammads als „pseudopropheta“ drei Zeilen über dem Bild übereinstimmen, wobei dem Geist jedoch die in der Apokalypse beschriebene Gestalt eines

24  Als Entstehungsort der Schrift wird St. Albans angenommen. Vgl. Morgan, Nigel J.: Early Gothic Manuscript: 1190–1250, (A survey of Manuscripts Illuminated in the British Isles, Bd. 4.1), London 1982, S. 140–141. 25  Strickland (2003), S. 191. 26  Off. 16,13: „Und ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tiers und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister gehen, gleich den Fröschen.“

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

Frosches fehlt.27 In jedem Fall wird durch die Hinzufügung des Spiritus deutlich, dass es dem Bild nicht um die Darstellung von Mohammeds individueller Gestalt ging. Die Aussage der Zeichnung und die Natur des Propheten sind durch den schwarzen Geist bereits vollständig determiniert und die karikaturartig deformierte Physiognomie Moham-

Abb. 32  Profilbildnis Mohammeds, aus: Lex Saracenorum […], Florenz 1516, Paris, BnF MS lat. 3670, fol. 1r, Detail

meds, die an zeitgenössische Spottbilder antisemitischer Propaganda erinnert, wäre gar nicht mehr nötig gewesen, um ihn als bösartig zu charakterisieren.28 Auch wenn die Zeichnung das Gesicht des Propheten in den Fokus der Darstellung rückt und durch ihre Form wie auch durch das unvermittelte Abbrechen der Darstellung am Hals des Propheten unweigerlich die Erinnerung an antike Münzbilder wachruft, bleibt der Ausdrucksgehalt dieses Bildes auch hier beschränkt auf die Typisierung Mohammeds als von einem bösen Geist gelenkter, falscher Prophet.29 Das erste Porträt des Propheten, das hinsichtlich seiner formalen Gestaltung einen solchen Namen tatsächlich verdient, findet sich in einer illuminierten Abschrift von Robert von Kettons Koranübersetzung, die wahrscheinlich um 1516 in Florenz ent-

27  Michelina Di Cesare präferiert eine Interpretation des Bildes, bei der die gehörnte Kreatur als Sinnbild der vermeintlich verderbten Botschaft des predigenden Propheten verstanden werden kann, und vergleicht die Darstellung mit zeitgenössischen Bildern vom Antichrist. Vgl. Di Cesare (2013), S. 19–20. 28  Strickland beschreibt die Darstellung des Propheten als „functional Jew“. Vor allem die Kopfbedeckung erinnere an zeitgenössische Darstellungen von Juden. Strickland (2003), S. 190, 192. 29  Die Literatur zum Themenbereich „Bildnis und Individuum“ ist kaum zu überblicken. Wesentliche Beiträge sind Böhm, Gottfried: Bildnis und Individuum. Über den Ursprung der Porträtmalerei in der italienischen Renaissance, München 1985; Jauss, Hans Robert: Zur Entdeckung des Individuums in der Porträtmalerei, in: Individualität, hrsg. v. Manfred Frank u. Anselm Haverkamp, München 1988, S. 599– 605; Sommers Wright, Georgia: The Reinvention of the Portrait Likeness in the Fourteenth Century, in: Gesta, 39, 2, 2000, S. 117–134.

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3.   Mohammed im Porträt

stand.30 Bas de Page erscheint auf folio I der Lex saracenorum ein Profil Mohammeds in einem kreisförmigen Rahmen (Abb. 32). Vor einer niedrigen Horizontlinie ragt der nach links gewandte Oberkörper Mohammeds weit in den blauen Himmel des Hintergrunds auf. Das Bild verwendet damit eine gängige, jedoch im Vergleich zu dem im 16. Jahrhundert häufiger gegebenen Dreiviertelprofil etwas antiquierte Porträtform, die angelehnt an Münz- und Medaillenbilder dem Dargestellten einen autoritativen Ausdruck verleiht. Bekleidet ist der Prophet mit einem grünen Gewand, einem prächtigen, roten, goldverzierten Umhang sowie mit einem osmanischen Turban. In seiner rechten Hand hält er ein Buch, das in diesem Kontext nur der Koran sein kann. Thomas E. Burman wies auf die Übereinstimmungen dieser Miniatur mit den Bildnissen des osmanischen Sultans Mehmet II. hin, wie das berühmte Porträt von Gentile Bellini und die Medaillen des Herrschers (Abb. 33).31 Damit ist dieses Bild auf zweifache Weise innovativ: Es ist nicht nur die erste Darstellung des Propheten in der Gattung des Porträts, zudem erscheint Mohammed erstmals in Anlehnung an die Darstellung osmanischer Sultane. Durch die Ähnlichkeit Mohammeds mit dem Profil des Sultans, die nicht nur die Kleidung betrifft, sondern bis in Details wie die unter dem Turban abgeknickte Ohrmuschel reicht, figuriert Mohammed als imposanter und ehrwürdiger Souverän und nicht als monströser Christenfeind. Im Kreis des Florentiner Humanismus, in dessen Umfeld die Abschrift wahrscheinlich gefertigt wurde, bestand offensichtlich ein Interesse am Islam, das über dessen religiöse und moralische Verurteilung hinausging. Dies hängt sicher mit der den arabischen Gelehrten bereits seit dem 13. Jahrhundert von den europäischen Scholaren gezollten Achtung zusammen, die auch in den Darstellungen orientalisch gewandeter, antiker Philosophen in den Miniaturen des 15. Jahrhunderts ihren Ausdruck findet.32 Zudem konnte Nancy Bisaha aufzeigen, dass es im 15. und 16. Jahrhundert gerade die Humanisten waren, die im Bewusstsein einer durch die arabischen Autoren vermittelten

30  Die folgenden Ausführungen gehen zurück auf einen Vortrag, den Thomas Burman 2009 am Kunsthistorischen Institut in Florenz gehalten hat und der mittlerweile erschienen ist, aber nicht mehr eingearbeitet werden konnte. Vgl. Burman, Thomas/Giamalva, Leah: A Sixteenth-Century European Author Portrait of Muhammad and Medieval Latin Traditions of Qur’an Reading, in: Gruber/Shalem (2014), S. 201–222. 31  Zu Bellinis Bildnis in der Londoner National Gallery siehe Campbell, Caroline: Potrait of Mehmed  II, 1480, in: Bellini and the East, hrsg. v. ders. u. Alan Chong, Ausstellungskat. National Gallery London, London 2005, S. 78–79, fig. 23. Zur Begeisterung Mehmets II. für Bronzemedaillen, die sich aus der Tradition der antiken Kaisermünzen und deren Wiederbelebung in der Frühen Neuzeit in der Form des Medaillenbildnisses erklärt, vgl. Raby, Julian: Pride and Prejudice. Mehmed the Conqueror and the Italian Portrait Medal, in: Italian Medals, hrsg. v. Graham J. Pollard, London/Hanover 1987, S. 171–194. 32  Ein bekanntes Beispiel ist die 1483 von Girolamo da Cremona gefertigte Darstellung des Disputs zwischen Aristoteles und Averroës, in welcher der iberische und der griechische Philosoph durch ihre Kopfbedeckungen voneinander differenziert werden. Siehe Aristoteles: Opera, New York, Pierpont Morgan Library, PM L 21194–21195 (2, fol. 1r, 1483).

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

Abb. 33  Costanzo da Ferrara, Medaillenbildnis Sultan ­Mehmeds II., 1475–80, Washington, National Gallery, Samuel H. Kress Collection 1957.14.695

Antike den zuvor auf den religiösen Antagonismus fixierten abendländischen Diskurs um politische, kulturelle und historische Argumente erweiterten und damit differierende Sichtweisen auf das Osmanische Reich ermöglichten.33 Besonderes Interesse und besondere Bewunderung hegten die Humanisten aber nicht nur für die arabischen Autoren, sondern ebenso für den osmanischen Staatsapparat.34 In Niccolò Machiavellis staatstheoretischem Traktat Il Principe ist es sogar Mohammed selbst, dessen staatsmännisches Handeln indirekt Anerkennung erfährt, wenn der Autor zu Bedenken gibt: „dass

33  Vgl. Bisaha (2004), S. 93. Jedoch ergab sich aus dieser Horizonterweiterung nicht notwendigerweise eine positive Beurteilung. So zeichnen die Humanisten der Frühen Neuzeit ebenso für die Konstruktion einer ethnozentrisch definierten Dichotomie verantwortlich, die dem Okzident eine dem Orient überlegene Kultur bescheinigte und die in ihren Nachwirkungen bis heute spürbar ist. Vgl. ebd., S. 183 und Cardini (2004), S. 191–192. 34  Besonders das effiziente Funktionieren des Staates registrierten die westeuropäischen Autoren mit Anerkennung. Göllner (1978), S. 251: „Als vorbildlich im Osmanischen Reich galten den einsichtsvollen Betrachtern der osmanischen Staatstruktur vornehmlich die Zentralisierung aller staatlichen Macht in der Hand des Sultans und das straff organisierte Herr.“ Vgl. Sturmberger, Hans: Das Problem der Vorbildhaftigkeit des türkischen Staatswesens im 16. und 17. Jahrhundert und sein Einfluß auf den europäischen Absolutismus, in: Actes et rapports du XIIe congrès international des sciences historiques, Bd. 4, Wien 1967, S. 201–209. Auch in Sebstian Münsters Cosmographia wird trotz der generellen Ablehnung des Islam die Disziplin des osmanischen Heeres als vorbildlich beschrieben. Vgl. Kap. 1.

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3.   Mohammed im Porträt

alle bewaffneten Propheten siegreich gewesen sind, die unbewaffneten aber untergingen“35. Innerhalb dieses Kontextes ist es weniger erstaunlich, dass der Illustrator der Koranübersetzung Mohammed als einen ehrwürdigen orientalischen Staatsmann und Gesetzesgeber präsentierte. Das einzige negativ auslegbare Element des Bildes, dass der Prophet mit dem Buch in der Hand gleichsam als Verfasser des Korans präsentiert wird – was als ein Widerspruch zum Offenbarungscharakter seiner Lehre verstanden werden kann –, entspricht zugleich der Bewertung Mohammeds nach rein weltlichen Kriterien, die eine derart positive Darstellung erst möglich machte. Es ist anzunehmen, dass diese von den traditionell negativen Bildern abweichende Darstellung des Propheten nur einem beschränkten Rezipientenkreis zugänglich und zudem nicht auf eine weite Verbreitung ausgelegt war. Dies ergibt sich bereits aus dem Medium der Buchminiatur, die selbst bei einer Abschrift des Textes gewöhnlich nicht mit kopiert wurde und somit in den meisten Fällen ein Unikat blieb. Bei der gedruckten Buchillustration hingegen mussten die Bildschöpfer ihre Produkte für eine größere und recht unbestimmte Rezipientenschicht fertigen. Die Verleger und ihre Graphiker mussten stärker als die Gestalter eines Manuskripts darauf achten, dass ihre Artikel dem Markt gerecht wurden, wobei auch die Zensur eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellte. Diese Faktoren dürften der Grund dafür sein, dass von der „Norm“ abweichende Mohammedbilder, wie das des Florentiner Koranmanuskripts, im zeitgenössischen Buchdruck nicht vorkommen. Gerade bei Büchern, die sich mit dem Islam beschäftigten, betrieb die katholische Kirche eine umfangreiche Zensur.36 Daher ist wenig überraschend, dass das erste druckgraphische Bildnis Mohammeds aus einer Offizin in den reformierten Niederlanden stammt (Kat. 10a, 10b, Abb. 34). Die 1607 in Leiden bei dem Buchdrucker Henrik (auch Hendrik) van Haestens produzierte Schrift präsentiert Mohammed in einer Reihe mit 16 weiteren als Ketzer gebrandmarkten Männern.37 Ein Teil der Bildnisse der Häretiker war bereits kurz zuvor von dem Künstler Christoffel van Sichem in Form von Ein35  Machiavelli, Niccolò: Il Principe [1532], Turin 1972, S. 13: „Di qui nacque che tutt’i profeti armati vinsono, e li disarmati ruinorono. Perché, oltre alle cose dette, la natura de’ populi è varia; et è facile a persuadere loro una cosa, ma è difficile fermarli in quella persuasione. E però conviene essere ordinato in modo, che, quando non credono più, si possa fare loro credere per forza.“ (Hervorh. d. A.) Auch Machiavellis Beschreibung des osmanischen Staates und sein Vergleich mit Europa zeichnen sich dadurch aus, dass er säkular argumentiert und auf die übliche Betonung einer Dichotomie von Christentum und Islam verzichtet. Vgl. Hentsch (1988), S. 101. 36  Zur Zensur von Koranübersetzungen siehe Kapitel 5, Anm. 173. 37  Vor allem während der nachreformatorischen Religionskonflikte und des Dreißigjährigen Krieges erforderte und förderte der Betrieb einer Offizin mit ihren vielfältigen Produkten, Auftraggebern und Kundenschaften die religiöse Liberalität der Buchdrucker. Auch van Haestens zeigte sich konfessionell durchaus aufgeschlossen. 1620 siedelte er vom streng calvinistischen Leiden in das katholische Löwen über und reüssierte dort, obwohl er Konvertit und vormals ein Unterstützer des gegnerischen politischen

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

blattdrucken mit deutschen und holländischen Bildunterschriften verbreitet worden.38 Van Haestens fügte die einzelnen Blätter zu dem Buch Grouwelen der voornaemster hooft-ketteren zusammen und ließ die Bilder mit kurzen Texten zu den jeweiligen „Irrlehrern“ versehen. Bereits ein Jahr später erschien das kommerziell wohl sehr erfolgreiche Buch in einer weiteren niederländischen Ausgabe sowie in einer deutschen und lateinischen Übersetzung. Van Haestens steht mit seiner Publikation in der Tradition des Textgenres der Häretikerkataloge, das bis in das frühe Christentum im 2. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann und gerade in nachreformatorischer Zeit eine Blüte erlebte.39 So wie in der Gattung üblich bietet van Haestens’ Katalog zu jedem der vermeintlichen Ketzer eine kurze Biographie, in der dessen Sünden und Laster angeprangert werden, sowie eine Aufzählung der irrigen Punkte von dessen Lehre, die Doxographie.40 Zudem werden die Häretiker zu Beginn ihrer jeweiligen Nennung jeweils einzeln im Bildnis präsentiert. Bemerkenswert ist, dass es sich bei dem Großteil der in dieser Schrift behandelten Männer um Wiedertäufer und andere Sektierer des 16. Jahrhunderts handelt. Lediglich Arius (ges. 336) und Mohammed, die als Urväter der Ketzerei vorgestellt werden, stammen aus früheren Jahrhunderten. Dabei folgt die Publikation dem sowohl bei den Reformierten wie bei den Katholiken verbreiteten Verständnis, dass „die so wirkungsvollen Häretiker der Gegenwart […] nur alte, längst von den Konzilien verurteilte Irrtümer zurück[rufen]“41. Dementsprechend richten sich die Grouwelen auch nicht primär gegen den Islam. In der Aufzählung figuriert Mohammed vielmehr als Archetyp des Irrlehrers und wird als „Aerts Ketter“ (Erzketzer) vorgestellt, womit er

Lagers war, als öffentlicher Drucker der Stadt und der Universität. Vgl. Simoni, Anna E. C.: Henrich van Haestens, from Leiden to Louvain via „Cologne“, in: Quaerendo, 15, 1985, S. 187–194, hier S. 187–188. 38  Zu den Kupferstichen vgl. Hollstein’s Dutch & Flemish etchings, engravings and woodcuts: ca. 1450– 1700, Bd. 27: Christoffel van Sichem I to Herman Specht, hrsg. v. Karel G. Boon u. Dieuwke De Hoop Scheffer, Amsterdam 1983, S. 14–26, n. 32–50. 39  Zum spätantiken Häretikerkatalog vgl. Löhr, Winrich A.: „Häretikerkatalog“, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, hrsg. v. Siegmar Döpp u. Wilhelm Geerlings, Freiburg u. a. 32002, S. 310– 311. Mit Beispielen zum auflebenden Interesse an der Gattung nach der Reformation vgl. Rahner, Karl: „Häresiengeschichte“, in: Lexikon der Theologie und Kirche, 14 Bde., hrsg. v. dems. u. Josef Höfer, 5. Bd., Freiburg 21960, Sp. 8–11. 40  Der ursprüngliche Sinn der Kataloge war die leichtere Klassifizierung und Identifizierung von häretischen Lehren und ihrer Vertreter, nicht jedoch deren theologische Widerlegung. Dabei diente die biographische Beschreibung der Irrlehrer dazu, „deren Ethos [zu denunzieren]“. Löhr (2002), S. 310. 41  Höhle, Michael: Universität und Reformation. Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 266. Hier mit Bezug auf Konrad Wimpinas Sectarum, errorum, hallutinationum & schismatum ab origine ferme Christianae ecclesiae ad haec usque nostra tempora, der die Schriften Luthers mit älteren Irrlehren vergleicht. Die Lutheraner bedienten sich derselben Argumentation, wenn sie die Lehre der katholischen Kirche auf Arius zurückführten. Vgl. Kat. 11.

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3.   Mohammed im Porträt

Abb. 34  „MAHOMET.“, aus: Apocalypsis, or The revelation of certain notorious advancers of heresie […], London 1655, S. 58 (Kat. 10b)

zur Richtschnur für die aktuellen und als akutere Gefahr wahrgenommenen inländischen Glaubensfeinde wird.42 Unterhalb der Porträts ist jeweils ein Distichon in die Druckplatten eingraviert worden, in dem die Männer vorgestellt und charakterisiert werden. Im Falle Mohammeds ergreift der Dargestellte sogar selbst das Wort: Adsum ingens Mahometes ego, lachrymabile mundi Prodigium, omnigeni dux, et origo mali43 Die Ansprache Mohammeds verstärkt durch das „Adsum […] ego“ den durch seinen Blick aus dem Bild bereits entstehenden Eindruck der Präsenz. In dieser vermeintlichen 42  Die Serie hat Ähnlichkeit mit der bildlichen Proskription auf Steckbriefen, wie sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufkam. Auch bei den Steckbriefen ging es meist nicht darum, eine flüchtige Person ausfindig zu machen. Schon die bildliche Repräsentation konnte zusammen mit der Auflistung der verübten Missetaten als Schandbild dafür einstehen, dass die von der angezeigten Person ausgehende Gefahr bereits aktenkundig und damit bewältigt war. Zu den Identifikationsmerkmalen und zum Steckbrief in Mittelalter und Früher Neuzeit vgl. Groebner, Valentin: Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Europa des Mittelalters, München 2004b, bes. S. 64–67. 43  „Hier bin ich, der ungeheuerliche Mahomet, die beweinenswerte Missgeburt der Welt, Führer aller Völker und Ursprung des Übels.“ (Ü. d. A.)

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

Anwesenheit stellt sich der Prophet nicht nur dem prüfenden Blick des Betrachters, Mohammed offenbart sich ihm sogar in einer Selbstanklage, die jede positive Interpretation seines Bildes von vornherein verbietet. Wie in den im letzten Kapitel diskutierten Acta Mechmeti geht auch hier der Anschein einer authentischen mimetischen Darstellung des Propheten, der bei den Brüdern de Bry auf einer über frühneuzeitliche Ähnlichkeitsepisteme gerechtfertigten Adaption ad vivum gefertigter Bildvorlagen gründete und sich bei van Haestens zunächst allein aus der verwendeten Bildgattung des Porträts ergibt, mit einem emblematischen Bildverständnis einher. In der klassischen Dreiteilung des Emblems folgt im Häretikerkatalog auf die inscriptio „Mahomet“ die pictura und darauf die subscriptio, welche die in der pictura abgebildete res deutet und hier, der emblematischen Tradition entsprechend, in Versform abgefasst ist. Die Verwendung eines Porträts als emblematische pictura erscheint zwar ungewöhnlich, doch Albrecht Schöne hat auf die Zusammenhänge zwischen Emblematik und Physiognomik hingewiesen. Letztere erscheint geradezu als Anwendung der alten emblematischen Prinzipien auf die Einzelzüge der menschlichen Erscheinung, insofern ja auch sie den Bildbetrachter und Leser lehren will, in der materia physica die forma moralis, im Äußeren, Augenscheinlichen, durchaus Faktischen das Innere, Verborgene und die höhere Bedeutung zu erkennen […].44 Dementsprechend ergänzen sich beide Lesarten hier. Im Zuge einer emblematischen Auslegung erscheint das Bild des Propheten zunächst weniger als Porträt im klassischen Sinn, sondern vielmehr als die mimetische Präsentation eines Objektes beziehungsweise eines natürlichen Sachverhaltes, den es bezüglich des von ihm konkretisierten moralischen Gehaltes zu ergründen gilt. Ein derartiges Bildverständnis wird durch Mohammeds in der subscriptio wiedergegebene Rede bestätigt, in der er sich selbst als „Prodigium“ und damit als eine gemeinhin als göttliches Vorzeichen und Warnung verstandene, allegorisch auszulegende Missbildung bezeichnet.45 Als emblematische res wird die persona des Propheten damit selbst zu einem Zeichen göttlichen Wirkens und zum Träger einer verborgenen moralischen Botschaft. Die Physiognomik, die der Sehnsucht nach einer eindeutigen Lesbarkeit des Gegenübers entspringt, scheint ihrerseits das notwendige Instrumentarium an die Hand zu geben, das eine konkrete Deutung der im Bild wiedergegebenen Gestaltmerkmale ermöglicht. Zwar scheinen auch die Porträtisten der Frühen Neuzeit mit ihrem Eingeständnis, dass die Schrift letztlich ein besseres Bild von der seelischen Natur eines Menschen gäbe, einzugestehen, dass es auch mit den Mitteln der Physiognomik nicht möglich war, die interpretatorische Offenheit eines Gesichts und dessen bildlicher Repräsentation

44  Schöne (1993), S. 52. 45  Vgl. die Ausführungen zum zeitgenössischen Verständnis von Prodigien in Kapitel 2, S. 110–112.

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3.   Mohammed im Porträt

letztlich abzuschließen.46 Dennoch zeigt sich hier das Anliegen des Künstlers, der vermeintlichen Natur des Dargestellten auch mit seinen Mitteln klaren Ausdruck zu verleihen. Weitaus unmittelbarer als in den vorherigen Repräsentationen des Propheten stellte sich der Illustrator hier der Frage nach Mohammeds Charakter. Für die Schaffung des Bildnisses orientierte sich Christoffel van Sichem an einer Darstellung des osmanischen Sultans Mehmet II. Der große Turban mit dem Zierband und dem Edelstein auf der Stirnseite, die eine etwas grobe Abwandlung der tatsächlich als Turbanschmuck eingesetzten Agraffe (sorguç) darstellen,47 geht ebenso wie die Physiognomie Mohammeds auf den Holzschnitt Jost Ammans in der deutschen Übersetzung der Türckischen Chronica von Vasco Díaz Tanco zurück, die 1577 bei Sigmund Feyerabend in Frankfurt erschien (Abb. 35).48 Die geballte Kraft und Dynamik der Sultansfigur in Ammans Halbfigurenbildnis, in dem das Dreiviertelprofil Mehmets mit einer Rückenansicht kombiniert ist, hat van Sichem für sein Brustbild des Propheten jedoch zurückgenommen. Bei ihm bietet sich Mohammed in ruhiger Haltung und beinah frontal dem Betrachter dar. Zugleich ist auch die Physiognomie Mohammeds weniger expressiv als in der Vorlage. Die Enden des Schnurrbartes sind bei van Haestens kürzer und kräuseln sich nicht, und auch die ausdrucksstarke Adlernase des Sultans erscheint bei dem Propheten runder und weniger prononciert. Bemerkenswert ist nicht nur, dass Mohammed hier wieder, wie schon in den de Bryschen Acta, in der Gestalt eines osmanischen Herrschers präsentiert wird. Wesentlich ist auch, dass van Sichem mit der von ihm vorgenommenen „Bändigung“ der Am­ man’schen Sultansfigur versuchte, das Bild des Propheten den Konventionen der klassischen Porträtdarstellung anzupassen. Anstelle der energischen und zugleich verdrehten Haltung des Sultans – die für den Betrachter zwar sichtbare, aber hinter dem Rücken ge­­ballte Faust, hat etwas geradezu Hinterhältiges – verlieh der Kupferstecher dem Prophe-

46  Ebenso wie die Emblematik entfaltet auch die physiognomische Semiotik ihr eigentliches Bedeutungspotential erst in der Interrelation mit dem jeweiligen Bildkontext. Somit wird die physiognomische Interpretation nicht allein aus der Anschauung der Person gewonnen, sondern zugleich an sie herangetragen. Vgl. Reißer, Ulrich: Physiognomik und Ausdruckstheorie der Renaissance. Der Einfluss charakterologischer Lehren auf Kunst und Kunsttheorie des 15. und 16. Jahrhunderts, München 1997, S. 201. Mit dem Diktum, dass die Schrift eine bessere Vorstellung von der wahren Persönlichkeit gäbe als die Darstellung im Porträt, schienen die Gelehrten und Künstler des 16. Jahrhunderts ebendiese Problematik zu reflektieren. Vgl. Preimesberger (1999b). 47  Der Turbanschmuck „sorguç gehörte zu den wichtigsten Insignien des padişahs“. Kurtuluş, Tuba: Höfische Kopfbedeckungen der Osmanen, in: Tulpen, Kaftane und Levnî. Höfische Mode und Kostüm­ alben der Osmanen aus dem Topkapı Palast Istanbul, Ausstellungskat. Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt a. M., hrsg. v. Deniz Erduman-Çaliş, München 2008, S. 192–203, hier S. 193. 48  Tanco, Vasco Díaz: Türckische Chronica. Warhaffte eigentliche vnd kurtze Beschreibung, der Türcken Ankunfft, Regierung, Königen vnd Keysern, Kriegen, Schlachten […], übers. v. Heinrich Müller, Frankfurt a. M. 1577.

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Das erste druckgraphische Bildnis und seine Vorläufer

Abb. 35  Mehmed II., aus: Vasco Diaz Tanco, Türckische Chronica […], Frankfurt a. M. 1577, fol. 16r

tenporträt ruhigere Züge und bot dem Betrachter so Gelegenheit, einen tieferen Einblick in das Gemüt des Dargestellten zu gewinnen. Mohammeds Gesicht ist keineswegs so monströs und hässlich, wie Paleotti es von einem Häretikerbildnis verlangt hätte. Dennoch ergibt sein nach links unten, entgegen der Drehung des Kopfes gerichteter Blick gemessen an zeitgenössischen Bildnissen eine ungewöhnliche und leicht verdrehte Pose. Sie führt dazu, dass Mohammed aus den Augenwinkeln schaut und die Pupille der dem Betrachter abwandten Gesichtshälfte über den Nasenrücken hinweg nur halb zu sehen ist. Mohammeds Mundwinkel sind von dem kräftigen bis zum Kinnbart herunterreichenden Schnurrbart verdeckt. Der sichtbare Teil der Unterlippe und die nach oben geschwungene Schraffur um den Mund deuten darauf hin, dass die nicht sichtbaren Mundwinkel unter dem Bart zu einem Lächeln nach oben gezogen sind. Zusammen mit dem schrägen Blick und der leicht hochgezogenen, linken Augenbraue lässt sich Mohammeds Gesichtsausdruck als gewitzt oder im negativen Sinne als verschlagen beschreiben. Dabei drückt sich die Verschrobenheit des Dargestellten zusätzlich in dem buschigen, sich perspektivisch nicht richtig in das Profil einfügenden Schnurrbart aus. Durch die sinistere Mimik und die perspektivische Unstimmigkeit entsteht zusammen mit dem spitz zulaufenden Kinnbart sowie der ausgeprägten Muskulatur des Unterkiefers, die Entschlossen- oder gar Verbissenheit evozieren, auch in der reduzierten Dynamik des Bildnisses der Eindruck eines unberechenbaren und gefährlichen Charakters.

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3.   Mohammed im Porträt

Abb. 36  „Adam Pastor“, aus: Apocalypsis, or The revelation of certain notorious advancers of heresie […], London 1655, S. 74

Wie bereits angemerkt, lassen sich solche, auf physiognomischen Betrachtungen beruhende „Einfühlungen“ in die Gesichtszüge eines Menschen kaum objektivieren. Neben dem Kontext des Bildes, der eine negative Lesart favorisiert, wird die diffamierende Intention des Bildnisses auch in der Zusammenschau mit den anderen Porträts des Buches deutlich. Zur Seite geneigte Köpfe, glotzende Augen, wulstige und schräge Münder, wie beispielsweise in der Darstellung des Wiedertäufers Adam Pastor (Abb. 36), sollen die mit der Bildgattung gewöhnlich verbundene Ehrung untergraben und die Dargestellten diskreditieren. Es ist daher fraglich, ob angesichts dieser ersten visuellen Fixierung und Erörterung von Mohammeds angeblichem Charakter von einem Individualbildnis gesprochen werden kann. Zwar darf es als (zugegeben fragwürdige) Leistung des Künstlers gewertet werden, die angeblich pervertierten Charaktere der Irrlehrer abzubilden, ohne dabei die Grenzen der Porträtgattung gänzlich zu sprengen, jedoch fehlt den Dargestellten die nach Gottfried Böhms Definition für ein Individualbildnis notwendige „Selbstbezüglichkeit“ und mimische Balance.49 Ähnlich wie bei den von Melanchthon gelobten Phantasiebildnissen der osmanischen Sultane in De origine Imperii Tvrcorvm stehen in dem Häretikerkatalog van Haestens’ bildliche Darstellung und Text konfliktlos nebeneinan49  Zu den Kriterien des selbständigen Bildnisses, das auf die Repräsentation eines Individuums zielt, siehe Böhm (1985), bes. S. 19–32, 51–70.

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der. Die vom Text vorgetragene negative Charakterisierung der Personen zeigt sich als das wesentliche Agens für die Konstruktion der Bilder, die bisweilen sogar komische Züge annehmen. Mohammed figuriert hier somit nicht als Repräsentant seiner selbst, sondern als physiognomische Zuspitzung und als res significans eines häretischen Charakters.

Vera icon und imago falsa Knapp zwanzig Jahre später erschien in der Histoire générale de la religion des Turcs des französischen Hofhistorikers Michel Baudier (1589–1645) ein weiteres, dem Kupferstich van Sichems jedoch kaum ähnelndes Porträt Mohammeds (Kat. 12, Abb. 37). Der unbekannte Illustrator erfand ein neues Gesicht für den Propheten,50 blieb jedoch der mittlerweile etablierten Darstellungskonvention treu und zeigte Mohammed als bärtigen Mann mittleren Alters mit einem prächtigen osmanischen Turban, einem verzierten Untergewand (entari) aus feinem glänzenden Stoff und einem schweren Kaftan.51 Entsprechend der Gewandung betitelt die Inschrift am oberen Rand des Bildes Mohammed als „Prophet des Turcs“52, wobei die Bildunterschrift diese Angabe gleich präzisiert und, seine Macht unterstreichend, ihn ebenso als Propheten der „Mauren, Araber, Ägypter, Perser, Tartaren und einiger Inder“ bezeichnet.53 Der Kupferstich bildet wie bei van Haestens das visuelle Incipit einer Lebensbeschreibung und Mohammed figuriert, ähnlich wie auf dem Kupfertitel der Acta Mechmeti, damit erneut als Begründer eines aus christlicher Sicht weitgehend homogenen islamischen Reiches. Wodurch sich das Porträt jedoch deutlich von seinem Vorläufer im Häretikerkatalog abhebt, ist das hier komplexere Verhältnis von Schrift und Bild. Der Stecher entwarf nämlich ein Porträt, das von der Darstellung Mohammeds im Text abweicht. Während Michel Baudier in seiner erstmals 1625 publizierten Schilderung der Sitten und Religion im Osmanischen Reich, die er im Wesentlichen aus Reiseberichten zeitgenössischer christlicher Autoren kompilierte, weitgehend sachlich argumentiert,54 bleibt er bei der Darstellung des Propheten den 50  Eine konkrete Vorlage für diesen Stich ist nicht bekannt. 51  Zur Oberkleidung der osmanischen Sultane vgl. Vitzthum, Iris Gräfin: Von Kontinuität und Geometrie. Der Schnitt des osmanischen Kaftankostüms, in: Erduman-Çaliş (2008), S. 132–139. 52  Die konventionelle Bezeichnung Mohammeds als „Prophet der Türken“ erklärt sich im Wesentlichen aus der zeitgenössisch synonymen Verwendung der Worte Muslim und Türke. Siehe Kap. 2. 53  Vgl. Baudier, Michel: Histoire générale de la religion des Turcs. Avec la naissance, la vie, et la mort, de leur prophete Mahomet, et les actions des quatre premiers Caliphes qui l’ont suiui. […], Paris 1625, S. 7. Interessanterweise werden keine europäischen Völker genannt, als wären die Eroberungen der Osmanen dort nicht mit einer Islamisierung der Bevölkerung einhergegangen und die Intaktheit eines christlichen Europas gewahrt. 54  Smith (1996), S. 47–61, bes. S. 49, 61 (Fußn. 15). Zum Osmanischen Reich veröffentlichte Baudier außerdem den Inventaire général de l’histoire des Turcs (Paris 1617) und Histoire générale du sérail et de la cour du grand Turc (Paris 1624). Seine Informationen zu den Religionspraktiken der Osmanen seien sogar

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3.   Mohammed im Porträt

antiislamischen Stereotypen treu.55 Zwar ist Mohammed bei ihm kein Teufel oder Schwarzmagier, dafür legt Baudier aber ein besonderes Gewicht auf seine Präsentation als Betrüger („imposteur“).56 Als Begründung seiner Verurteilung Mohammeds führt er die von der apologetischen Literatur kolportierten Wundergeschichten und Anekdoten an.57 Angesichts dieser traditionell pejorativen Darstellung mag die Prophetengestalt, die der Kupferstecher dem Betrachter vor Augen stellt in ihrer Pracht und Erhabenheit überraschen. Das Bildformat und die Figurengestaltung stehen ganz im Dienst eines herrschaftlichen Ausdrucks. Das nach links ins Dreiviertelprofil gewandte, büstenartige Schulterstück füllt das mehr als die Hälfte der Buchseite einnehmende Querformat des Kupferstichs vollständig aus. Die körperlicher Präsenz des Dargestellten wird dabei sowohl durch den Schatten an der Rückwand58 als auch durch den sehr plastisch modellierten Turban betont, dessen zentrale Kappe (taj) in das Feld mit der Inschrift hineinragt, so dass der Eindruck entstehen kann, die Figur hebe sich tatsächlich von der Fläche des Blattes ab. Im Kontrast zu seiner betont körperlichen Präsenz wirkt Mohammed selbst jedoch eher in sich gekehrt. Er scheint die äußere Welt auszublenden und auf einen gedanklichen Gegenstand konzentriert zu sein. Durch den introvertierten Blick erhält die auf Majestät angelegte Darstellung ein Moment der Innerlichkeit, der den Propheten als einen Vertreter der vita contemplativa ausweist.59

zuverlässiger als die Angaben André Du Ryers, der 1647 die erste volkssprachliche Direktübersetzung aus dem Koran fertigte und mehrere Jahre in Istanbul lebte. Vgl. Hamilton, Alastair/Richard Francis: André Du Ryer and Oriental Studies in Seventeenth-Century France, Oxford 2004, S. 95. 55  Badir (1974), S. 44: „Le roman de Baudier devient le recueil de toutes les légends occidentals du Prophète qui circulaient depuis le moyen âge et sa biographie est le répertoire de toutes les abominations et de tous les crimes inimaginables.“ Siehe auch Smith, Jane: Old French Travel Accounts of Muslim Beliefs Concerning the Afterlife, in: Christian-Muslim Encounters, hrsg. v. Yvonne Yazbeck Haddad u. Wadi Z. Haddad, Gainesville (Fl.) 1995, S. 221–244, hier S. 233. 56  Vgl. Grosrichard, Alain: The Sultan’s Court. European Fantasies of the East, London u. a. 1998, S. 102– 104. 57  Für eine Zusammenfassung der von Baudier angeführten Geschichten vgl. ebd., S. 234. Auch die bei den christlichen Autoren besonders beliebte Anekdote von dem gefälschten Wunder mit der abgerichteten Taube findet sich bei Baudier (1625), S. 16. 58  Zur Verstärkung der Präsenzillusion durch die Darstellung innerbildlicher Schatten vgl. Gombrich, Ernst H.: Shadows. The Depiction of Cast Shadows in Western Art, London 1995, S. 33. 59  Baudier (1625), S. 8. Zur Rolle von vita activa und vita contemplativa in der Staatstheorie und der Herrscherikonographie der Renaissance vgl. Matzner, Florian: Vita activa et contemplativa. Formen und Funktionen eines antiken Denkmodells in der Staatsikonographie der italienischen Renaissance, Diss., Frankfurt a. M. u. a. 1991, bes. S. 52–64. Zur Diskussion über die Vorrangstellung von contemplatio oder actio durch die Humanisten vgl. Kristeller, Oskar: Teorie umanistiche della Vita attiva e della Vita contemplativa, in: Pio II e la cultura del suo tempo. Atti del I convegno internazionale, hrsg. v. Luisa Rotondi Secchi Tarugi, Mailand 1991, S. 13–27.

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Abb. 37  „MAHOMET PROPHETE DES TVRCS“, aus: Michel Baudier, Histoire générale de la religion des Turcs […], Paris 1625, S. 7 (Kat. 12)

Das Bildnis erweckt den Eindruck, Mohammed sei hier erstmals, unabhängig von einer topischen Kategorisierung oder einer moralischen Auslegung als „Monstrum“, um seiner selbst Willen dargestellt. Seine Physiognomie wirkt im Vergleich zur Graphik in van Haestens Häretikerkatalog natürlich und frei von Deformationen. Die Mimik des Propheten ist gemessen, wobei die Kontraktion der Stirnfalten um die Nasenwurzel einen interessanten Kontrast zu dem neutralen, sogar leicht heiteren Ausdruck des Mundes ergibt. Gerade durch die Balance dieser gegenläufigen, aber miteinander kommunizierenden Gesichtszüge entsteht der Eindruck einer psychischen Regung, die auf eine

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3.   Mohammed im Porträt

vielschichtige Persönlichkeit schließen lässt. In der Ausgewogenheit der Affekte, der Selbstbezüglichkeit und Okkasionalität der Mimik entspricht das Bild den Kriterien eines Individualbildnisses.60 Allein, die nachfolgende Beschreibung Mohammeds als ehrgeiziger („ambitieux“) Tyrann und als abscheulicher Betrüger („imposteur abominable“) widerspricht dem vom Bild vermittelten Eindruck eines kontemplativen und würdevollen Mannes vollständig. Angesichts dieser Konterkarierung der Bildaussage stellt sich die Frage, welchen Zweck es hatte, ein Gesicht für den Propheten zu erfinden, wenn dieses offensichtlich keine gültigen Informationen über die Person zu vermitteln vermochte? Was zunächst wie eine Unstimmigkeit zwischen den Medien erscheint, erweist sich als bewusste Inszenierung. Im Zusammenspiel mit dem Text entpuppt sich das Bild geradezu als Beweis für das dem Propheten unterstellte betrügerische Talent. Gerade weil Mohammed es schaffe, seinen angeblich verdorbenen Charakter hinter einer attraktiven Gestalt zu verbergen, und sein äußeres Bild den Betrachter täuscht, wird es zum Ausweis der ihm unterstellten Falschheit.61 Doch nicht nur der Dargestellte selbst wird charakterisiert, Schrift und Bild werden als Medien unterschiedlicher Qualität ebenfalls unterschieden. Während der vom Bild vermittelte Eindruck von Mohammeds Gesicht als irreführend vorgestellt wird, wird hier der Schrift, die den wahren Charakter der Person erfasse, eine revelatorische Funktion zu Teil. Darauf, dass die frappierende Diskrepanz zwischen den Medien bewusst inszeniert wurde, hat der Gestalter des Buches einen Hinweis gegeben. In der Initiale, also an dem Punkt, wo sich die Medien Bild und Text überschneiden, wird der Betrachter mit einer grotesken Maske konfrontiert, aus deren Mund sich ein Strahl ergießt. Wie in einer Fußnote zum Bildnis des Propheten wird hier die Idee einer würdevollen faszialen Repräsentation untergraben. Mit dem trügerischen Schein der äußeren Gestalt greift der Kupferstecher einen Topos auf, der schon beim Titelblatt des venezianischen Alcorano von 1547 und dem Kupfertitel der Acta Mechmeti des Verlagshauses de Bry von 1597 auf Mohammed angewandt wurde. Das hier thematisierte Verhältnis von visuellem Betrug und schriftlicher Offenbarung ist jedoch nicht so simpel, wie es zunächst den Anschein hat. Einige Bild­ elemente legen die Vermutung nahe, dass es dem Künstler an mehr gelegen war als der bloßen Präsentation eines gedankenvollen „Sultans“. Der ungewöhnliche, sich in zwei Spitzen teilende Bart kann als Hinweis auf die von Mohammed reklamierte Prophetenrolle gelesen werden. Diese Bartform verbindet ihn mit den Hauptfiguren des Alten und des Neuen Testaments. Sie findet sich bei zahlreichen Darstellungen Moses’ – besonders ausgeprägt etwa an Claus Sluters „Moses60  Vgl. Boehm (1985), hier S. 9–34. 61  Einige Seiten später erwähnt Baudier selbst das attraktive Gesicht („les attraits de sa face“) und sogar das liebenswürdige Gemüt des Propheten („la gentillesse de son humeur“), durch die dieser etwa die Freundschaft des Händlers Abdemonople gewinnen konnte. Baudier (1625), S. 11.

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Abb. 38  Mandylion, Nowgorod 12. Jh., Moskau, Staatliche Tretjakov-Galerie

brunnen“ in Champmol62 – und ist zudem ein charakteristisches Merkmal des „Mandylion“ (Abb.  38) und der in zahlreichen Formen verbreiteten „Vera icon“ (Abb.  39).63 Darüber hinaus weisen auch einige physiognomische Details auf eine figurative Anlehnung des Porträts an Darstellungen Christi: Der kleine Mund, die lediglich durch Striche wiedergegebenen Bögen der Augenbrauen, der bei Mohammed elaborierter geformte Schnurrbart und der leicht unbestimmte, nicht fokussierende Blick sind Charakteristika, die sich ebenso in den acheiropoeita wie in den sich davon ableitenden Porträts Christi finden (Abb.  40). Angesichts der nachtridentinischen Bildpropaganda kann davon ausgegangen werden, dass das Bildformular der „Vera icon“ zumindest in der katho-

62  Abgebildet in Busch, Harald/Lohse, Bernd (Hrsg.): Europäische Plastik der Spätgotik und Renaissance, Frankfurt a. M. 1963, S. 23. 63  Die generelle Deutung des Bartes als Zeichen der „christoformitas“ prägte sogar die Tracht der neuzeitlichen Päpste von Clemens VII. (reg. 1523–1534) bis zu Clemens XI. (reg. 1700–1721), der 1700 erstmals wieder rasiert in die Öffentlichkeit trat. Vgl. Beyer, Andreas: Der Bart als ex voto. Der Fetisch in der Pogonologie, in: Der Code der Leidenschaften. Fetischismus in den Künsten, hrsg. v. Hartmut Böhme u. Johannes Endres, München 2010, S. 230–244, hier S. 241–242.

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3.   Mohammed im Porträt

Abb. 39  Johan Wierix (del.), Das Schweißtuch der hl. Veronika, vor 1620

lischen Bevölkerung Europas weithin bekannt war.64 Besondere Verbreitung erfuhr es an der Wende zum 17. Jahrhundert durch die Graphiken der Antwerpener Brüder und Kupferstecher Johan (1549 bis um 1618), Anton II. (1555/59–1604) und Hieronymus Wierix (1553–1619) (Abb. 39).65 Hier soll nicht behauptet werden, eine konkrete Darstellung der „Vera icon“ hätte als Vorlage für die Gestaltung des Prophetenbildnisses gedient. Jedoch scheint in den physiognomischen Übereinstimmungen und im Ethos des Dargestellten das „wahre Gesicht Christi“ als ein konzeptuelles Muster durch. Eine derartige Anschauung, bei der jeweils christliche Vorbilder als Folie zur Darstellung des Islam und als Maßstab seiner Beurteilung dienen, zeigt auch der Kupfertitel der Histoire. In sechs Bildfeldern werden hier zu beiden Seiten des Titels Szenen christlichen und islamischen Glaubens gegenübergestellt (Abb. 41). Der Islam erscheint dabei als eine Lehre, welche die christlichen Vorstellungen vom Paradies, von der Taufe und der Natur Gottes pervertiere und statt 64  Zur Bildtheorie der „Vera icon“ und ihrer Rezeptionsgeschichte vgl. Wolf, Gerhard: Schleier und Spiegel. Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte der Renaissance, München 2002. 65  Zur Rolle der Familie Wierix in der gegenreformatorischen Bildproduktion vgl. Spengler, Dietmar: Die „Ars Jesuitica“ der Gebrüder Wierix, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 57, 1996, S. 161–194.

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Abb. 40  Vera icon, aus: Matthew Paris, Chronica Maiora, ca. 1245, Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 16, fol. 53v

des Geistigen und Ewigen programmatisch das Körperliche und Wandelbare zum Ideal erhebe. Es ist daher nicht abwegig, dass sich der Stecher des Mohammedbildnisses an dieser Gegenüberstellung orientierte und es auf einen impliziten Vergleich der Bilder von Jesus und Mohammed anlegte. Im Kontrast zum „wahren Bild“ Christi erscheint das nicht nur durch den Text entlarvte Bildnis Mohammeds schließlich als eine imago falsa. Der betrügerische Charakter des Bildes beschränkt sich nicht allein auf das ikonographische Rollenspiel Mohammeds als wahrer Prophet. Die Täuschung wird auch auf formaler Ebene explizit als ein Charakteristikum der Bildproduktion selbst vor Augen geführt. Mit dem betonten rilievo, der illusionistischen Plastizität des Dargestellten, bediente sich der Kupferstecher eines Darstellungsmodus, der bereits in der Kunsttheorie der Renaissance „in besonderer Weise für die Täuschungseffekte der Malerei verantwortlich“ gemacht wurde und der den „Anspruch der Malerei auf ‚Wahrheit‘ konstatiert“66. Es ist also nicht nur das vermeintlich betrügerische Gesicht des Prophe66  Rosen (2000), S. 189: „Nicht nur wird im Anschein größtmöglicher Plastizität der Figuren im Gemälde die Annäherung an die dreidimensionale Realität versucht – und damit ist sie in besonderer Weise für die Täuschungseffekte der Malerei verantwortlich; man konstatierte im rilievo auch die Absicht des Malers, eine eigentlich nur der Skulptur eigene ‚Wirklichkeit‘ zu erlangen. Der Begriff rilievo bezeichnet

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Abb. 41  Titelkupfer, aus: Michel Baudier, Histoire générale de la religion des Turcs […], Paris 1625

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ten, das den Betrachter in die Irre leitet, sondern parallel dazu die Artifizialität des Bildes selbst. Auch auf dieser Ebene wird ein Gegensatz von Text und Bild postuliert, in dem sich die Schrift als wahrhaft, die bildnerische Präsentation hingegen als illusionistisch erweist. Das Spiel mit dieser Differenz kann in Zusammenhang gesehen werden mit der in der Kunsttheorie und Kunstkritik des 17. Jahrhundert intensiv diskutierten Fähigkeit der Bilder zur Augentäuschung, die in der zeitgenössischen Trompe-l’œil-Malerei ihren bestechendsten Ausdruck fand. Zwar erlebte der antike Topos, dass die Malerei das Auge täusche und ihm gemalte als echte Objekte vorgaukle, bereits im 14. Jahrhundert seine Wiedergeburt und wurde auch in der Folge reflektiert,67 was sich hingegen im 17. Jahrhundert grundlegend änderte, war, dass sich der vorherige Vorwurf des Betrugs nun in ein Kompliment verwandelte.68 In den Essais des merveilles de la nature et des plus nobles artifices von 1621 schrieb der Jesuitenpater René François unter dem Pseudonym Étienne Binet, dass „der beste Maler des Universums und vortrefflichste Handwerker der größte Betrüger auf Erden“ sei.69 Kurz darauf stellte Pierre Lebrun in seinem Recueil des Essaies des Merveilles de la Peinture von 1635 die Fähigkeit seiner Künstlerkollegen, die Grenzen zwischen Bildwelt und Realraum illusionistisch aufzuheben und „lebendige“ Bilder zu schaffen, als besonders lobenswert heraus.70 Mit Blick auf die aus der Antike überlieferten Geschichten künstlerischer Verwirrspiele wurden die stupenden optischen Täu-

ja ebenfalls eine skulpturale Gattung, und die Skulptur wurde – im Gegensatz zur scheinhaften Malerei – stets über ihr ‚Sein‘ definiert. Im Malereidiskurs des Cinquecento wird das Argument jedoch übertragen und auch im malerischen rilievo der Anspruch der Malerei auf ‚Wahrheit‘ konstatiert: ‚Wie gemeißelt‘ geben die ‚hervorstehenden‘ Teile, Körperlichkeit fingierend, vor, in die reale Betrachterwelt vorzudringen.“ Mit Belegstellen der Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. 67  So spricht etwa Boccaccio in seinem Commento alla Divina Commedia davon, dass es eine der wesentlichen Kapazitäten der Malerei sei, dass sie, obwohl nur Farben auf einer Leinwand, den Augen der Betrachter reale Objekte vortäuschen („ingannare“) könne. Boccaccio, Giovanni: Il commento alla „Divina Commedia“ e gli altri scritti intorno a Dante, hrsg. v. Domenico Guerri, Bari 1918, S. 82. Zitiert nach Baxandall, Michael: Giotto and the Orators. Humanist Observers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition 1330–1450, Oxford 1971, S. 66. 68  Lecoy, Anne-Marie: „Die Augen täuschen“, sagen sie. 14.–16. Jahrhundert, in: Trompe-l’œil. Das getäuschte Auge, hrsg. v. Patrick Mauriès, Köln 1998, S. 63–113, hier S. 68–69. In Italien haben Cesare Ripa und Federico Zuccari durch ihre positive Darlegung der Täuschung („inganno“), als eine Fähigkeit der Kunst bedeutend zu dieser Umbewertung beigetragen. Vgl. Kruse, Christiane: Ars latet arte sua. Zur Kunst des Kunstverbergens im Barock, in: Animationen/Transgressionen. Das Kunstwerk als Lebewesen, hrsg. v. Ulrich Pfisterer u. Anja Zimmermann, Berlin 2005, S. 95–113, hier S. 97–99, 112 (Anm. 28). Zur Reflexion der malerischen Mimesis im 16. Jahrhundert vgl. Rosen (2000), bes. S. 186–191. 69  Binet, Étienne: Essais des merveilles de la nature et des plus nobles artifices, Rouen 1621, zitiert nach Faré, Fabrice/Chevé, Domimique: Die Trompe-l’œil-Gemälde oder die Enthüllung der Illusion. 17. Jahrhundert, in: Mauriès (1998), S. 115–168, hier S. 152. 70  Vgl. Weber, Gregor J. M.: Der Lobtopos des „lebenden“ Bildes. Jan Vos und sein „Zeege der Schilderkunst“ von 1654, Hildesheim/Zürich/New York 1991, S. 65.

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3.   Mohammed im Porträt

schungen der Maler meist nicht nur positiv bewertet, sondern zugleich zum Anlass von Reflexionen über das Verhältnis von Wahrnehmung und Wahrheit. Die künstlerische Illusion wurde über den Umweg der „Enttäuschung“ sogar zu einem Mittel der Wahrheitsfindung. So galt im Frankreich des 17. Jahrhunderts die Annahme, „daß jede Kunst Täuschung sein muß, deren Ziel darin besteht, Zugang zur Wahrheit zu ermöglichen“71. Diese Ansicht manifestiere sich in der Kunstliteratur um die Mitte des Jahrhunderts im Topos vom Maler als „ehrlichem Betrüger“72. Georg Philipp Harsdörffer schrieb diesbezüglich in seinem Malereitraktat von 1689: „Wegen der sichtbarlichen Abbildungen wird das Gemähl ein lieblicher Betrug der Augen genennet und ist der beste Mahler der beste und redlichste Betrüger besagten fürnemsten Sinnes deß Gesichts.“73 (Hervorh. d. A.) Zwar entstand das Porträt des Propheten in den Anfangsjahren der literarischen Verbreitung des Motivs vom Maler als „redlichem Betrüger“, es ist jedoch angesichts der den künstlerischen Entwicklungen gewöhnlich nachfolgenden Theorie nicht unwahrscheinlich, dass der Kupferstecher es bereits 1625 auf eine Parallelisierung seines künstlerischen „Betrugs“ mit der „trügerischen“ Erscheinung des Dargestellten angelegt hatte.74 Ein Indiz dafür, dass die im Bild artikulierte Fähigkeit zur künstlerischen Täuschung autoreflexive Züge trägt, ist, dass sie besonders in der Plastizität des Turbans zur Anschauung gebracht wurde. Turbanartige Kopfbedeckungen, wie zum Bespiel der Chaperon und die Sendelbinde, wurden spätestens seit der zweiten, mit Künstlerbildnissen versehenen Ausgabe von Giorgio Vasaris Viten von 1568 zu einem innerbildlichen Signum des Künstlerstandes.75 Darüber hinaus kann die betonte Plastizität des Mohammedbild71  Faré/Chevé (1998), S. 125–127. Und folgend: „Das Trompe-l’œil gehört zu jenem Wahrnehmungsmodus, welcher mittels der Intelligenz eines Sinnesorgans versucht, hinter dem Gemälde eine Botschaft zu entdecken – die Botschaft einer zwar trügerischen, jedoch auf Wesentliches abzielenden Illusion.“ 72  Vgl. Weber (1991), S. 98, 103. 73  Harsdörffer, Georg P.: Kunstverständiger Discurs. Von der edlen Mahlerey, in: Radier-Büchlein/ Handelt von der Etzkunst/Nemlich: Wie man mit Scheidwasser in Kupfer etzen […], hrsg. v. Abraham Bosse u. Georg A. Böckler, Nürnberg 1689, S. 173. Zitiert nach Thimann, Michael: „Ein lieblicher Betrug der Augen“. Die deutsche Malerei zwischen 1600 und 1750, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, hrsg. v. Frank Büttner, Meinrad von Engelberg, Stephan Hoppe u. a., Bd. 5: Barock und Rokoko, München u. a. 2008, S. 514–523, hier S. 522. 74  Auf die Bedeutung künstlerisch erzeugter Evidenzeffekte, wie etwa die illusionistische Überschneidung von Bildrahmen, für die selbstreflexive Thematisierung medialer Darstellung in christlichen Bildern des Nachtridentinum hat Klaus Krüger hingewiesen. Dabei führte das bisweilen ins Paradoxe gesteigerte Spiel zwischen künstlerisch-medialem Illusionismus und religiöser Authentifizierung des Dargestellten, etwa durch den Bezug auf autoritative Vorbilder, schließlich „zu einer reflexiven Aufladung der visuellen Medien, die als Markierung und als Kontrolle des ‚trügerischen Blicks‘, des ‚Scheins‘, der ‚falschen Bilder‘ etc. dienen.“ Krüger, Klaus: Evidenzeffekte. Bildhafte Offenbarung in der Frühen Neuzeit, in: Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Gabriele Wimböck, Karin Leonhard u. Markus Friedrich, Münster 2007, S. 393–426, hier S. 420. 75  Vgl. Scherer, Annette: Die Kopfbedeckung des Künstlers. Kleidungsutensil und Topos, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 2004, S. 17–36. Zur haptischen Illusion der Turban-Darstellung

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Vera icon und imago falsa

nisses wiederum als spannungsvolle Bezugnahme auf christliche Bilder verstanden werden. Denn in deren Darstellung konnte eine künstlerisch inszenierte Übertretung und Ablösung des Bildes vom Bildträger auf ihre übernatürliche Qualität bzw. eine durch sie mediatisierte Heilskraft verweisen. Ein ähnlicher optischer Effekt wie beim beinahe den Bildrand überragenden Turban Mohammeds findet sich auch in den Darstellungen christlicher acheiropoíeta. In den künstlerischen Adaptionen der „Vera icon“ als Büstenporträt ist es häufig der Heiligenschein, der mit der Bildumrandung in Konflikt gerät und durch die so inszenierte Überschneidung die transzendente Qualität des Originals veranschaulicht (Abb. 40). Eine andere Darstellungskonvention, in der die „Vera icon“ in ihrer Form als Tuchreliquie gezeigt wird, betont ebenfalls die Transzendierung des Bildträgers durch das Bild, indem das Gesicht Christi als eine körperlose, vor dem Tuch schwebende Erscheinung gezeigt wird.76 Hierin besteht ein gravierender Unterschied zur Darstellung Mohammeds. Während das Gesicht Christi in der Ablösung von seinem Träger als ein übernatürliches, unmittelbares und körperloses Zeichen vorgestellt wird, behauptet das Mohammedporträt in Baudier eine geradezu leibliche Präsenz des Dargestellten. Der spirituellen Qualität der „Vera icon“ steht damit die sehr irdische Körperlichkeit des Bildes vom „falschen Propheten“ entgegen.77 Die Interpretation des (ent-)täuschenden Bildnisses vom Propheten als imago falsa und konzeptuelles Gegenbild des wahren Bilds Christi steht in einer Linie mit der bereits auf dem Titelblatt bildlich vollzogenen Gegenüberstellung von Christentum und

als Form der „Künstlersignatur“ bei Jan van Eycks „Mann mit dem roten Turban“ vgl. Bredekamp (2010), S. 81. Zum Chaperon bei van Eyck als Kleidungsstück der Künstler vgl. Dhanens, Elisabeth: Hubert und Jan van Eyck, Königsstein 1980, S. 188. In der Folgezeit konnte auch der Turban an die Stelle des Chaperon treten, als die Verkleidung als Orientale in Tronie, wie etwa in Rollen-Bildnissen Rembrandts, ein gängiger Modus künstlerischer Selbstdarstellung wurde. Vgl. Trauth, Nina: Maske und Person. Orientalismus im Porträt des Barock, München/Berlin 2009, S. 69–78; Winkel, Marieke de: Fashion and Fancy. Dress and Meaning in Rembrandt’s Painting, Amsterdam 2006, S. 135–138, 255–261. Eine noch weiter gehende Identifizierung mit dem Rollenbild des Orientalen betrieb Jean-Étienne Liotard, der sich mittels Kleidung und extravaganter Barttracht als „Türkenmaler“ stilisierte. Vgl. Schmidt-Linsenhoff, Viktoria: Liotards Bart. Transkulturelle Maskeraden der Männlichkeit, in: Männlichkeit im Blick. Visuelle Inszenierungen in der Kunst seit der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Mechthild Fend u. Marianne Koos, Köln u. a. 2004, S. 161– 180. 76  Zur Körperlosigkeit des Christusgesichtes auf dem Sudarium vgl. Wolf, Gerhard: From Mandylion to Veronica. Picturing the „Disembodied“ Face and Disseminating the True Image of Christ in the Latin West, in: The Holy Face and the Paradox of Representation, hrsg. v. dems. u. Herbert L. Kessler, Bologna 1998, S. 153–179, bes. S. 165. 77  Die Plastizität und die durch artifizielle Eingriffe oder dämonische Kräfte erzeugte „Lebendigkeit“ des Götzen waren bereits im Mittelalter wesentliche Kriterien, mit denen die Objekte des paganen Bilderkultes von den in der Zeichenhaftigkeit (sign) verbleibenden Bildern der christlichen Heiligen differenziert wurden. Vgl. Camille (1989), S. 134. „[In the play the Saracen’s] idols dissimulate the fact that there is nothing behind them, whereas the Christian’s painted icon is a direct cue to the potentia of the saint on earth“.

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3.   Mohammed im Porträt

Islam und legitimiert sich ebenso vor dem Hintergrund der schon traditionellen bildlichen Charakterisierung Mohammeds als eines Anti-Christen. In Baudiers Text wird der Vergleich zwar nicht explizit angeführt, jedoch finden sich zahlreiche Stellen, in denen Mohammed die Imitation des Christentums vorgeworfen und Nachahmung und Fälschung als wesentliche Eigenschaften seiner Lehre herausgestellt werden.78 Zwar erschließt sich die in der Gegenüberstellung der Bildnisse der beiden Religionsgründer erfahrbare Antithese von geistiger und körperlicher Natur, von transzendenter Spur und künstlerischer Illusion in der alleinigen Betrachtung des Mohammedbildes nicht notwendigerweise, jedoch findet die bildliche Akzentuierung der sinnlich-haptischen Qualitäten des Prophetenbildes ihre Entsprechung in der zeitgenössischen und im Buch geäußerten Kritik an der islamischen Religion. Anstelle des Mysteriums eines dreifaltigen Gottes verehrten die Muslime Baudier zufolge einen materiellen Gott.79 Auf gleiche Weise bezeugten auch die Lehren Mohammeds und das von ihm beschriebene Paradies, wie bereits auf dem Titelblatt anschaulich wird (Abb. 41), dass der Islam lediglich auf die Befriedigung sinnlicher Genüsse ausgerichtet sei, während Geist und Seele keine Bedeutung zugemessen werde. Allein der Körper stehe demnach im Zentrum des muslimischen Glaubens. Das Bildnis in Baudiers Histoire, das zu einem der meistkopierten Mohammedporträts der nachfolgenden Jahrhunderte avancierte,80 ist somit in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist es das erste Bild, das Mohammed über seine religiöse und gesellschaftliche Rolle hinaus als ein Individuum vorstellt und dabei zumindest an der Oberfläche auf topische Deutungsmuster verzichtet. Zum anderen offenbart es bei einer tiefergehenden Analyse erstmals eine Parallelisierung des künstlerischen Schaffens und der Charakterisierung des Propheten.

78  Baudier setzt Mohammed mehrfach dem Vorwurf aus, die Riten und Glaubensinhalte der Juden und der Christen zu imitieren. Oft werden Lehre und Tätigkeit des Propheten daher mit den Verben „singer“ und „imiter“ beschrieben. Baudier (1625), S. 167: „Mahomet singe du Iudaïsme, & du Christianisme, pervers en sa Loy, l’est encores davantage quand veut contrefaire les Chrestiens.“ 79  Baudier (1625), S. 224. Nach Baudier glaubten die Muslime „que Dieu est un corps rond, & grandement froid“. Mit Bezug auf Mohammeds Himmelfahrt und seine dort erfahrene Anschauung Gottes schreibt Baudier ebd., S. 30: „A la verité il [Mahomet] parle tres-mal du principal object d’icelle: car discourant de la personne de Dieu, il luy donne le mouvement local, comme à un corps pesant & perissable: En l’Azoare trente six, & ailleurs ordonne quatorze chandelles tousiours esclairantes devant sa face divine, dont la monstrueuse longueur est de cinq cens années de chemin.“ Zur Problematik der Visualisierung Allahs im Islam vgl. Shalem, Avinoam: Verbildlichung Allahs. Für eine andere Bildtheorie, in: Das Bild Gottes in Judentum, Christentum und Islam. Vom Alten Testament bis zum Karikaturenstreit, hrsg. v. Eckhard Leuschner u. Mark R. Hesslinger, Petersberg 2009, S. 81–92; Gruber, Christiane: Realabsenz. Gottesbilder in der islamischen Kunst zwischen 1300 und 1600, in: Leuschner/Hesslinger (2009), S. 153– 179 (nachfolgend Gruber 2009b). 80  Vgl. Katalog Nr. 22, 24, 36, 65.

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Historische Distanz und Interpretation

Die in dem Porträt Mohammeds artikulierte, in der gemeinsamen Täuschung des Betrachters gründende „Komplizenschaft“ von Kupferstecher und Prophet ist jedoch a priori auf ein Scheitern des Letzteren hin angelegt. Denn so wie die Vorspiegelungen der Kunst immer in der Enttäuschung des Betrachters enden, so werden sich aus zeitgenössisch christlicher Sicht auch die Lehren des islamischen Propheten als falsch offenbaren. Im Sinne des „redlichen Betrugs“ kann die künstlerische Illusion also auch hier als ein Instrument zur Aufdeckung der „Wahrheit“ angesehen werden. Im trügerischen Porträt der Histoire wurde Mohammed also nicht nur als Betrüger charakterisiert, sondern ebenso zu einer Figur, mit der sich die bildende Kunst selbst thematisiert. Dadurch änderte sich die negative moralische und theologische Bewertung Mohammeds zunächst nicht, jedoch erhielt seine Darstellung damit einen neuen, für die Mohammedbilder der Aufklärung zentralen Aspekt.

Historische Distanz und Interpretation Ein Markstein für eine theologisch-kritische und zugleich um Objektivität bemühte Auseinandersetzung mit dem Islam ist David Nerreters Neu eröffnete Mahometanische Moschea aus dem Jahr 1703. Der aus Nürnberg stammende, humanistisch gebildete und schon in jungen Jahren zum poeta laureatus gekürte Nerreter bekleidete als Geistlicher hohe Ämter in der protestantischen Kirche.81 Zwar schafft es auch Nerreter nicht, sich gänzlich von dem traditionellen Feindbild zu lösen, und beschreibt Mohammed als einen „Ertzbetrüger[, der] durch Trieb des Satans, nebst sich so viel tausend Menschen verderbt, und einen grossen Theil der Erden-Welt bezaubert hat“82, doch bedient er sich derartig polemischer Anschuldigungen innerhalb der ausführlichen, an arabischen Quellen orientierten Lebensbeschreibung des Propheten nur äußerst selten.83 Charakte-

81  David Nerreter (1649–1726) hatte als Mitglied des Blumenordens in der Pegnitz-Gesellschaft in Nürnberg unter dem Pseudonym Philemon bereits früh seine lyrische Begabung bewiesen und wurde 1670 zum poeta laureatus gekürt. 1672 magistrierte er in Kirchheim und wurde 1677 Hofkaplan in Oettingen. 1709 erreichte er als Generalsuperintendent von Hinterpommern in Stargard den Höhepunkt seiner klerikalen Laufbahn. Zu Nerreters Biographie siehe Jürgensen, Renate: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg, Wiesbaden 2006, S. 379–385; Heyden, Hellmuth: Kirchengeschichte Pommerns, Bd. 2, Köln-Braunsfeld 21957, S. 134. 82  Nerreter, David: Neu eröffnete Mahometanische Moschea. Worinn nach Anleitung der VI. Abtheilung von unterschiedlichen Gottes-Diensten der Welt, Alexander Rossens, erstlich Der Mahometanischen Religion Anfang, Ausbreitung, Secten, Regierungen, mancherley Gebräuche, und vermuthlicher Untergang, fürs andre, Der völlige Alkoran, nach der besten Edition Ludovici Marraccii, verteutscht, und kürzlich widerlegt wird, Nürnberg 1703, S. XIr, XIv. 83  Zwar war Nerreter des Arabischen nicht mächtig, dennoch folgte er in seiner Lebensbeschreibung Mohammeds im Wesentlichen den arabischen Autoren, die ihm durch die Übersetzungen von Edward Pococke, Johann Heinrich Hottinger und Lodovico Marracci zugänglich waren.

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3.   Mohammed im Porträt

ristisch für seine in zwei Bänden verfasste Neu eröffnete Mahometanische Moschea ist nicht nur die enorme Fülle der verwendeten und im Text angegebenen Quellen, sondern vor allem seine relativierende und distanzierte Haltung, die er durch eine kritische Prüfung der muslimischen wie christlichen Autoren gewinnt. Der erste Teil seines Buches, das sich mit der historischen Person Mohammeds und den Inhalten der muslimischen Religion beschäftigt, folgt in seinem Aufbau der sechsten Sektion aus Alexander Ross’ Pansebeia, or View of all the Religions in the World von 1653, die Nerreter bereits 1701 vollständig ins Deutsche übersetzt und kommentiert hatte.84 Für den zweiten Band, eine Übertragung des Korans ins Deutsche, verwendete Nerreter die 1698 publizierte lateinische Fassung des katholischen Paters Lodovico Marracci (1612–1700). Marraccis Text war die mit Abstand genaueste Übersetzung, die in Europa zu diesem Zeitpunkt verfügbar war, und gilt heute als Beginn einer objektiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Koran im Abendland.85 Bereits durch die Auswahl dieser Quelle machte sich Nerreter um ein besseres Verständnis des Islam verdient, denn vor ihm waren in Deutsch lediglich unzulängliche und fehlerhafte Tertiärübersetzungen erschienen.86 Auch im Vergleich zu Ross’ Abhandlung des Islam in Pansebeia, auf die sich der erste Band der Moschea stützt, zeigt sich die deutlich aufgeklärtere Haltung Nerreters. Der Unterschied der beiden Schriften liegt nicht nur darin, dass Ross seinen Fragenkatalog zum Islam auf 18 Seiten abhandelte, während Nerreter seiner Darstellung ganze 504 Seiten widmete,87 sondern auch darin, dass Nerreter häufig die fehlerhaften Angaben in 84  Vgl. Nerreter, David: Der Wunderwürdige Juden- und Heiden-Tempel. Darinn derselben Gottesund Götzen-Dinst eröffnet und gezeigt wird. Anfangs vom Alexander Roßen in Englischer Sprach beschrieben, Nunmehro aber verbessert und mit vielem Zusatz vermehret ausgeführt […], Nürnberg 1701. 85  Die Übersetzung des katholischen Paters Lodovico Marracci wurde noch von den Orientalisten des 19. Jahrhunderts genutzt. Vgl. Bell, Richard: Bell’s Introduction of the Qur’ān, hrsg. u. erw. v. William M. Watt, Edinburgh 1970, S. 174. Auch wenn Marracci in den jeweils an die Textstellen angefügten Widerlegungen des Korans weiterhin den gängigen Vorurteilen seiner Zeit verhaftet geblieben sei, sieht Maurice Borrmans seine Übersetzung als Umbruch zu einem von wissenschaftlicher Objektivität geleiteten Umgang mit dem arabischen Text. Vgl. Borrmans, Maurice: Lodovico Marracci et sa traductuion latine du Coran, in: Islamochristiana, 28, 2002, S. 73–86; Sheikh Al-Shabab, Omar A.: The Place of Marracci’s Latin Translation of the Holy Quran. A Linguistic Investigation, in: Journal of King Saud University, Languages & Translation, 13, 2001, S. 57–74. 86  So etwa der Alcoranus Mahometicus, Das ist: Der Türcken Alcoran, Religion und Aberglauben, der 1616 von Salomon Schweiger nach der italienischen Vorlage von 1547 gefertigt wurde, welche ihrerseits auf die lateinische Übersetzung von 1143 zurückgeht; oder Johann Langes Vollständiges Türckisches Gesetz=Buch, oder Des Ertz=betriegers Mahomets Alkoran, das 1688 als Teil von Eberhard W. Happels Thesaurus Exoticorum in Hamburg erschien und dem holländischen Text von Glazemaker folgt, der wiederum auf die französische Fassung Du Ryers zurückging. 87  Ross, Alexander: Pansebeia. A View of all Religions in the World […]. The Second Edition, Enlarged and Perfected; to which are Annexed, the Lives, Actions, and Ends of Certain Notorious Hereticks, with

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Historische Distanz und Interpretation

Ross’ dezidiert antiislamischem Text korrigierte.88 So räumt Nerreter mit dem aus der Übersetzung des Korans im Corpus Toletanum hervorgehenden und noch bei Ross erwähnten Irrtum auf, der Koran beinhalte 124 statt 114 Suren.89 Generell wendet sich Nerreter gegen die anekdotische und mystifizierende Ausschmückung von Mohammeds Vita, wobei er einige Sagen muslimischer Tradition als „Mährlein“90 abtut und sich auch gegen die phantastischen Anekdoten der christlichen Überlieferung verwahrt. So widerlegt Nerreter, wie vor ihm schon Pier Belon und Michel Baudier, die dennoch beharrlich weiter kolportierte Geschichte von Mohammeds durch versteckte Magnete zum Schweben gebrachten Eisensarg.91 Auch die Geschichten der vermeintlichen Taschenspielertricks mit der abgerichteten Taube und dem Ochsen lehnt er mit der Begründung ab, dass diese bei arabischen Autoren nicht nachgewiesen werden könnten. Damit greift er ein Argument auf, das erstmals von dem englischen Orientalisten Edward Pococke (1604–1691) in dessen Specimen Historiae Arabum von 1650 geäußert wurde und dessen sich auch Henry Stubbe für seine Prophetenvita bediente.92 Im Gegensatz zu Stubbe,

their Effigies in Copper Plates, London 1655, S. 162–179. Nerreter (1703), S. 1–504. 88  Ross’ vergleichende Darstellung unterschiedlicher Religionen war im 17. Jahrhundert sehr erfolgreich, wurde mehrfach neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autoren der Aufklärung kritisierten das Werk wegen seiner den mittelalterlichen Stereotypen verhafteten Beschreibungen der Religionen jedoch stark. So verurteilte der Religionsenzyklopädist Jean Frédéric Bernard Ross’ Pansebeia als „[m]auvaise & inutile compilation, s’il en fut jamais“. Zitiert nach Wyss-Giacosa, Paola von: Religions­bilder der frühen Aufklärung. Bernard Picarts Tafeln für die „Cérémonies et Coutumes religieuses de tous les Peuples du Monde“, Wabern/Bern 2006, S. 39. Zu Ross’ Darstellung des Islam und der 1662 erstmals mit weiteren Illustrationen ausgestatteten niederländischen Fassung der Pansebeia vgl. Saviello/Shalem (2012), S. 71–72. 89  Vgl. Nerreter (1703), S. 84. 90  Ebd., S. 10: „Etliche schreiben, Mahomet habe, als er völlig erwachsen, und ein Prophet worden, seine Mutter wieder aufferwecket, und zur Muselmännin gemacht. Andere aber wollen dieses nicht glauben (weil sie gescheiter sind,) und sagen dafür; er habe nur seiner Mutter Grab besucht, und […] genug geweint.“ Ebenso kritisch äußert sich der Autor zur Sage, Gott hätte alle Mekkaner zum Anlass von Mohammeds Hochzeit mit Hadiga mit köstlichem Balsam salben lassen. Ebd., S. 17. 91  Die Geschichte vom schwebenden Sarg wird in Pansebeia zwar selbst nicht erwähnt, aber in dem seit 1655 mit dem Werk gemeinsam publizierten Häretikerkatalog van Haestens’. In der französischen Ausgabe Les religions du Monde (Amsterdam 1671) erscheint der schwebende Sarg sogar auf dem Kupfertitel. In der Widerlegung dieser Anekdote beruft sich Nerreter auf das Argument Belons, dass sich selbige Geschichte schon in Plinius’ Naturalis historia findet. Vgl. ebd., S. 42. 92  Ebd., S. 49: „Was insgeheim fürgegeben wird, als hette er eine Taube gewöhnet, ihm aus dem Ohr zu essen, daß man meinen sollte, der Hl. Geist habe ihm den Alkoran also eingegeben, kan[n] aus den Arabischen Scribenten nicht erwiesen werden. Daher auch Grotius, als er vom Pocokio gefragt worden, wo er die Meinung her habe, die er L. 6. de Verit[ate] Relig[ionis] von der gewöhnten Tauben angeführet, geantwortet und frey bekannt, dass er’s bey keinem Arabischen Scribenten gelesen, sondern in des Scaligeri Notis ad Manilium. Und eben dergleichen Gattung ist auch das Gedicht vom Ochsen, auf dessen Hörnern der Alkoran dem Mahomet soll zugetragen worden seyn, da er eben von seinem Gesetze das Volk gelehrt.“ Hier zitiert Nerreter beinahe wörtlich Pococke, Edward: Specimen historiae Arabum, sive Gregorii Abul

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3.   Mohammed im Porträt

dessen Biographie als die erste durchgehend positive Darstellung des Propheten eines westeuropäischen Autors gelten kann, zielte Nerreter zwar nicht darauf, ein positives Bild von Mohammed zu entwerfen. Aber selbst in den Punkten, die er zur Anklage des Propheten anführt, sind Nerreters aufgeklärte Haltung und sein Ansatz zu einer Überprüfung und Relativierung der von ihm diskutierten Quellen erkennbar. So merkt er zwar kritisch an, dass Mohammed die erst sieben Jahre alte Aischa geheiratet habe, gibt zugleich jedoch zu bedenken, dass es „in den heisen Ländern, wie auch durch ganz Indien die Art [sei], daß die Weibspersonen allda sehr jung Mannbar werden, und ein Jahr hernach Kinder gebähren“93. An anderer Stelle scheint Nerreter das gewöhnlich gegen den Koran gerichtete Argument, nach dem Tod Mohammeds sei vieles zum Text hinzugefügt worden, sogar zur Verteidigung des Propheten einzusetzen, wenn er damit die sonst von christlichen Autoren gegen die Rationalität der koranischen Aufzeichnungen ins Spiel gebrachten „Widersprüche“ in den Suren zu erklären versucht.94 Generell vertritt Nerreter zwar weiterhin die schon vor ihm gängige Meinung, dass der Prophet sich von Satan „zu einem […] bequemen Werkzeug gebrauchen ließ“95, jenseits dieser theologischen Verurteilung, ist es jedoch ein wesentliches Verdienst seiner Abhandlung, ein historisch möglichst korrektes Bild von Mohammed anzustreben. Es ist erstaunlich, wie stark sich Nerreters zugleich traditionelle, sich aber durch kritisches Hinterfragen der Sekundärquellen von den vorherigen Autoren lösende Bewertung Mohammeds in dem Porträt des Propheten widerspiegelt, das im ersten Band seines Buches enthalten ist. Unmittelbar neben der literarischen Beschreibung der äußeren Gestalt des Propheten ist auf Seite 44 ein ganzseitiger Kupferstich eingefügt, der Farajii Malatiensis de origine & moribus Arabum succincta narratio, in linguam Latinam conversa […], Oxford 1650, S. 186–187. Auf dieselbe Stelle bei Pococke beruft sich auch Henry Stubbe, der wahrscheinlich Pocockes Arabischvorlesungen in Oxford besucht hatte. Vgl. Toomer Gerald J.: Eastern Wisdom and Learning. The Study of Arabic in Seventeenth-Century England, Oxford 1996, S. 224. Vgl. Stubbe (1911), S. 150. Zu diesem sehr anschaulichen Beispiel für die beginnende Wertschätzung der arabischen Quellen und die Ablehnung der christlichen Geschichtsfälschung vgl. Almond (1989), S. 69; Holt, Peter M.: The Study of Arabic Historians in Seventeenth Century England. The Background and the Work of Edward Pococke, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies, 19, 3, 1957, S. 444–455; Heering, JanPaul: Hugo Grotius as Apologist for the Christian Religion. A Study of his Work „De veritate religionis christianae“ (1640), Leiden/Boston 2004, S. 161–162. Auf die eminente Bedeutung des ersten Oxforder Professors für Arabisch, Edward Pococke, für die Arabischstudien in Europa kann hier nicht eingegangen werden. Allerdings sei angemerkt, dass er trotz der von ihm eingeforderten kritischen Herangehensweise in der Beurteilung des Islam selbst keine positive Meinung vom Propheten Muhammad entwickelte. Vgl. Toomer (1996), S. 223–226. 93  Nerreter (1703), S. 34. 94  So schließt er seine Ausführungen über die ihm widersprüchlich erscheinenden Sonderrechte des Propheten und die islamischen Gebote zum Umgang mit dem Wein mit dem Zitat Marraccis, „dass viel Zeugs, so Mahomet mündlich soll vorgebracht haben, erst nach seinem Tod von seinen Nachfolgern in den Alkoran gebracht worden [sei]“. Ebd., S. 62. 95  Ebd., S. 79.

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Historische Distanz und Interpretation

Abb. 42  Christoph Weigel (zug.), „MAHVMED der Falsche Prophet“, aus: David Nerreter, Neu eröffnete Mahometanische Moschea […], Nürnberg 1703, S. 44 (Kat. 22)

Mohammed in dem für diese Zeit gängigen ovalen Rahmen als Schulterstück im Dreiviertelprofil zeigt (Kat. 22, Abb. 42).96 Das nicht signierte Werk soll hier erstmals dem seit 1698 in Nürnberg ansässigen Kupferstecher Christoph Weigel (1654–1725) zugeschrieben werden.97 Nerreter und Weigel kannten sich wohl spätestens seit ihrer gemeinsamen Arbeit an Georg Andreas 96  Zu dieser gängigen Porträtform vgl. Weber, Bruno: Vom Sinn und Charakter der Porträts in Druckschriften, in: Graphische Porträts in Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Peter Berghaus, Wiesbaden 1995, S. 9–42, hier S. 19. 97  Zu Christoph Weigel vgl. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. v. Ulrich Thieme u. Felix Becker, Bd. 35, unveränderter Nachdruck, München 1999, S. 277–278;

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3.   Mohammed im Porträt

Abb. 43  Christoph Weigel, „Ein Bulgar“, aus: Charles de Ferriol, Wahreste und ­neueste Abbildung des Türckischen Hofes […], Nürnberg 1721, S. 61

Schmidts pädagogischem Geschichtswerk Sculptura Historiarum Ex Temporum Memoratrix, das 1697 erstmals in Nürnberg erschien.98 Für die Zuschreibung an Weigel sprechen nicht nur die stilistischen Übereinstimmungen in der Darstellung des Gesichts und des Blickes des Propheten im Vergleich mit dem Bild eines Bulgaren aus dem Jahr 1721 (Abb. 43), sondern auch, dass der Schöpfer des Prophetenbildnisses ebenfalls Linkshänder war, wie sich an den überwiegend von rechts unten nach links oben verlaufenden Schraffuren erkennen lässt. Bauer, Michael: Christoph Weigel (1654–1725). Kupferstecher und Kunsthändler in Augsburg und Nürnberg, Frankfurt a. M. 1983. 98  Jürgensen (2006), S. 381.

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Historische Distanz und Interpretation

Der gegenüber seinen Quellen so skeptische Nerreter hat sicherlich auch bei der Gestaltung des Bildes entscheidenden Einfluss geübt. Hinsichtlich der mit der Darstellung Mohammeds in der Porträtgattung verstärkt aufkommenden Frage nach der Authentizität versuchte sich der Autor gleich mehrfach abzusichern. Das Bildnis ist hier erstmals unmittelbar in den Kontext einer literarischen Beschreibung von Mohammeds äußerer Erscheinung eingebettet, was den Leser nicht nur zu einem unmittelbaren Vergleich anregen soll, sondern, bei erkennbaren Gemeinsamkeiten, beiden Medien auch den Anschein größerer Glaubwürdigkeit verleiht.99 Diesen Eindruck noch verstärkend, gibt Nerreter die Quelle für das von ihm präsentierte Bildnis an, anstatt dem Leser, wie sonst üblich, kommentarlos eine Invention zu präsentieren. Für den Kupferstich adaptierte Weigel das bereits diskutierte Bildnis Mohammeds aus Michel Baudiers Histoire générale de la religion des Turcs (Kat. 12, Abb. 37).100 Angesichts Nerreters intensiver Beschäftigung mit dem Werk von Alexander Ross ist es wahrscheinlich, dass Nerreter auch das Mohammedporträt aus van Haestens’ Häretikerkatalog kannte, der ab 1655 den Ausgaben von Ross’ Pansebeia hinzugefügt wurde (Kat. 10b, Abb. 34), und sich im Vergleich der beiden möglichen Vorlagen dann bewusst für das „sachlichere“ Bildnis der Histoire entschied.101 Die Bildnisse in Baudier und Nerreter entsprechen sich in den wesentlichen Punkten wie Pose, Gewandung und Physiognomie des Porträtierten. Lediglich der Blick Mohammeds hat sich geändert und ist nicht mehr auf eine unbestimmte Ferne gerichtet, sondern geht geradewegs aus dem Bild heraus. Dabei haben die wachen, den Betrachter registrierenden, aber nicht fixierenden Augen des Propheten im Vergleich zum Vorbild die Gedankenschwere weitgehend abgelegt, vor allem weil die Stirn Mohammeds hier keine Kontraktion mehr aufweist. Der bereits in der Vorlage der Histoire erscheinende Schatten an der Wand des Hintergrundes ist hier ebenso aufgegriffen und die durch ihn evozierte Räumlichkeit und Zeitlichkeit wird im Nachstich durch den Blick des Propheten noch betont, der Präsenz und Kommunikationsfähigkeit suggeriert. Komplett gewandelt hat sich die Rahmung: Während Mohammed bei Baudier in einem querrechteckigen, lediglich von einer Linie umgrenzten Bildfeld dargestellt ist, erscheint er in Nerreters Moschea in einem ovalen Bildrahmen, der durch seine Profilierung den Eindruck erweckt, als sei er in eine Wanddekoration eingefasst. Dass der Kupferstich keine genuine Darstellung ist, sondern die Abbildung eines bereits existierenden Porträt-Settings, wird dadurch verdeutlicht, dass der äußere Bildrahmen zu beiden Seiten den ovalen Rahmen der architektonischen inneren Bildeinfassung überschneidet. Der Kupferstich gibt somit auch bildlich zu verstehen, dass er kein ad vivum 99  Allerdings ist die Beschreibung der Physiognomie des Propheten recht generisch, sodass der Abgleich mit dem Bildnis problemlos funktioniert. 100  Vgl. Nerreter (1703), S. 44. 101  Ross (1655), darin mit eigener Paginierung Apocalypsis or, The revelation of certain notorious advancers of heresie […], S. 58. Vgl. Katalog 10b.

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3.   Mohammed im Porträt

gefertigtes Porträt ist, sondern die Reproduktion eines bereits in einem anderen Kontext existierenden Bildnisses. Diese Differenz ist wesentlich, nicht nur weil sie zu der verstärkten Unmittelbarkeit des Blicks des Dargestellten in Kontrast steht. Anstelle des Propheten lässt Nerreter also nur ein Bildnis des Propheten abbilden, dessen Historizität er mit der Angabe der immerhin schon 80 Jahre alten Quelle des angesehenen Historikers Baudier verbirgt. Damit gibt er sich jedoch nicht zufrieden. Nerreters Skepsis und sein Streben nach Objektivität schlagen sich auch in der Bildunterschrift nieder, die die Doppelstruktur des Bildes im Bild bewahrt. Wie bei Baudier wird der zwar in seiner Gewandung und Barttracht exotisch anmutende, in seiner stillen Erhabenheit aber zugleich beeindruckende Mann erst durch die Bildunterschrift diffamiert. Bei Baudier wird die negative Deutung des Propheten durch seine Bezeichnung als „imposteur abdominable & faux Prophete“ herbeigeführt, wobei Letztere eine Standardformel zur Herabsetzung Mohammeds wurde. Selbige taucht auch als Bildunterschrift in Weigels Kupferstich auf. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Künstler zwei unterschiedliche Schrifttypen verwendete. Der in römischer Kapitale geschriebene Name des Propheten erscheint dabei wie in den Stein gemeißelt, während der Schriftzug „der falsche Prophet“ in denselben gotischen Lettern wiedergegeben ist, die auch im Text verwendet werden. Obwohl beide Schriften dem Erfindungsreichtum des Künstlers entsprangen, deuten sie dem Betrachter unterschiedliche Zeitebenen und Autorenschaften an. Während die römische Majuskel dem vermeintlich ursprünglichen Kontext des abgebildeten Mohammed-Denkmals angehört, ist die Bezeichnung „falscher Prophet“ eine spätere Zutat, die durch den Autor der Kopie beziehungsweise des Buches hinzugefügt wurde. Diese vermeintlich differenten Zeitebenen werden in den partiellen Überschreibungen der Kapitale durch die gotischen Lettern augenscheinlich. Es entstehen somit zwei Darstellungsebenen: Die erste präsentiert ein angeblich historisches, das Andenken an den Propheten bewahrendes Bildnis, das ob seines positiven Ausdrucks vermeintlich von Mohammeds Anhängern stammend, umso authentischer wirkt. Die zweite Ebene bedeutet eine Reproduktion der ersten, die lediglich eine negative, jedoch recht lapidar daherkommende, sich selbst beinah als Stereotyp entlarvende Überschreibung leistet. Diese Akzentuierung der unterschiedlichen Bild- und Realitätsebenen ist keine Besonderheit für die Porträtstiche des beginnenden 18. Jahrhunderts und kann daher auf eine hinreichende Sensibilität der Betrachter für solche Phänomene gezählt haben. Noch deutlicher wird das Spiel mit den Rahmen in den von den Stechern der Pariser Akademie angefertigten Reproduktionen von Künstlerbildnissen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Als Beispiel sei hier ein Stich von Gaspard Duchange (1662–1757) nach einem Gemälde Hyacinthe Rigauds von 1682 genannt, das den Maler Charles de la Fosse zeigt, dessen intelligentes Spiel mit den Bildrahmen vorbildlich wurde (Abb.  44). Die in der gestochenen Wiedergabe des Bildnisses implizierte doppelte Zeitebene entsteht hier durch den Kontrast des bereits von den Einwirkungen der Zeit gezeichneten Steinrahmens zu der äußersten Lebendigkeit des Bildnisses. Die so thematisierte Diskrepanz

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Historische Distanz und Interpretation

Abb. 44  Gaspard Duchange, Bildnis des Malers Charles de la Fosse nach einem Gemälde von Hyacinthe Rigaud, 1707

von Lebendigkeit und Erinnerung wird durch den über den Rahmen in den Bildraum des Monuments hineinragenden Umhang des Porträtierten effektvoll überwunden. Mit diesem Bruch der Realitätsebenen thematisiert sich die Kunst beziehungsweise die Malerei selbst, wie die Pinsel und die Staffelei auf der anderen Seite des Sockels bezeugen. Dadurch, dass der Umhang des Malers die Grenzen zwischen dem „lebendigen Bildnis“ und dem Memorialaufbau überbrückt, wird in Anspielung auf die Vorhang-Anekdote des Malerwettstreites zwischen Apelles und Zeuxis die Illusionsfähigkeit der Malerei, Dinge und Menschen scheinbar real und lebendig darstellen zu können, gefeiert.102 In Bezug auf das Bildnis Mohammeds in Nerreters Moschea bedeutet das Spiel mit den Zeitebenen, dass die negative Charakterisierung des Propheten keineswegs eine sich naturgesetzmäßig ergebende, immerwährende Wahrheit ist, sondern dass sie eine 102  Vgl. Klingsöhr-Leroy, Cathrin: Reproduktionen von Künstlerbildnissen des 17. Jahrhunderts im 19. Jahrhundert, in: Berghaus (1995), S. 159–175, hier S. 169, Abb. 2.

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3.   Mohammed im Porträt

Interpretation darstellt, die sich zeitlich und räumlich relativieren lässt. In der Überschreibung des Namens durch den Schriftzug „der falsche Prophet“ gibt sich erstmals die Hand des Autors zu erkennen und in dem stilistischen kaum zu steigernden Unterschied zwischen den Lettern offenbart sich dabei die enorme Differenz zwischen den „beiden“ gleichzeitig präsentierten Mohammedbildern. Damit führt das Bild des Propheten anschaulich Nerreters Bestreben nach einer historischen Relativierung der Bewertung Mohammeds vor Augen und lässt die unterschiedlichen Anschauungen der muslimischen sowie der christlichen Autoren in einer simultanen Darstellung zusammenfallen. Als eigene Deutung kenntlich gemacht, wird die Bezeichnung Mohammeds als „falscher Prophet“ somit zwar nicht revidiert, sie wird jedoch erstmals als Ergebnis einer autor- und zeitabhängigen Interpretation gekennzeichnet und damit als hinterfragbar präsentiert. Mit dem Bildnis Mohammeds in Baudiers Histoire und dessen Adaption bei Nerreter war ein Modell geschaffen, auf das auch spätere Autoren und Buchdrucker für die Illustration ihrer Werke zurückgriffen. Nerreters Quellenkritik und die historische Relativierung der eigenen Perspektive waren jedoch weder der alleinige noch der maßgebliche Trend in der Darstellung des Propheten. Vier Jahre nach der Publikation der über 1300 Seiten starken Neu eröffnete[n] Mahommetanische[n] Moschea erschien 1707 bei Hendrick van Damme eine Neuauflage von Jan Hendricksz Glazemakers holländischer Koranübersetzung aus dem Jahr 1658. Dieses Buch war nicht nur hinsichtlich seines Umfangs von immerhin noch über 550 Seiten etwas leserfreundlicher, auch der bei der Übersetzung angewandte Sprachstil richtete sich eher an ein literarisch denn theologisch interessiertes Publikum.103 Dementsprechend erfolgreich war der Titel vor allem im Zeitraum zwischen 1696 und 1734, in dem er fünf Neuauflagen erlebte. Die vier gesichteten Editionen zeigen im Kupfertitel allesamt dasselbe Motiv eines auf einem zentralen Sockel meist unter einem Baldachin thronenden, orientalischen Herrschers, der zu beiden Seiten von je einer Garde flankiert wird. Während die beiden Ausgaben von 1658 und 1696 das zentrale Postament des Throns zur Anbringung der Titelkartusche nutzen,104 erscheint in den beiden späteren Ausgaben von 1707 und 1734 am selben Ort ein rund eingefasstes Bildnis des Propheten (Kat. 23, Abb. 45). Die grundlegende Botschaft der Titelblätter, dass die Macht der orientalischen Fürsten auf dem Koran basiere, blieb dabei dieselbe. Der im Schneidersitz dargestellte Herrscher ist so weit über seine Untertanen erhoben, dass er gar über ihren Köpfen zu schweben scheint. Allein die Höhe des Sockels, die sich nicht zuletzt durch den „Koran“ 103  Im Gegensatz zur sehr textnahen, teilweise aber schwer verständlichen Übersetzung Marraccis, auf die sich Nerreter stützte, verwendete Glazemaker die französische Übersetzung des Diplomaten André Du Ryer, die erstmals 1647 erschien. Zur eleganten Prosa des niederländischen Mennoniten Glazemaker vgl. Hamilton/Richard (2004), S. 115. 104  Abbildungen der beiden Kupfertitel in Hamilton/Richard (2004), S. 47, 49.

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Historische Distanz und Interpretation

Abb. 45  „MAHOMETS ALKORAN“, Kupfertitel, aus: Mahomets Alkoran: door de heer Du Ryer uit de Arabische in de Fransche taal gestelt […], Leiden 1707 (Kat. 23)

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beziehungsweise das Bildnis Mohammeds bedingt, scheint die von den westlichen Beobachtern oft bewunderte und zugleich kritisierte uneingeschränkte Macht des Sultans gegenüber seinen Untergebenen zu versinnbildlichen.105 Eine derartige Verbindung der islamischen Lehre beziehungsweise des Propheten Mohammed mit der den orientalischen Herrschern unterstellten und als Tyrannei kritisierten Allmacht war in der Literatur des 17. Jahrhunderts geläufig.106 Die Eingängigkeit dieser Botschaft und die Möglichkeit, dass Glaubensbuch der Muslime so zugleich bildlich mit dem Flair orientalischer Pracht zu verbinden, werden wohl die Gründe dafür gewesen sein, dass das Motiv immer wieder, in nur leicht abgewandelten Formen, aufgegriffen wurde. Der bei der fünften Auflage von 1707 vollzogene Austausch der Titelkartusche mit einem angeblichen Bildnis des Propheten spiegelt dabei das bereits diskutierte, neu aufkommende Interesse an der Person Mohammeds wider. Erstmals auf einem Titelblatt erscheinend, soll das Porträt des Propheten, dem hier gleichsam der Charakter eines Autorenbildnisses zukommt, die Aufmerksamkeit der potentiellen Käuferschaft auf sich ziehen. Der Titel des Buches ist, um dem plastischeren und zugleich suggestiveren Bild Mohammeds Platz zu machen, in die untere Zone des Blattes gerückt. Entsprechend dieser Interesse heischenden Aufmachung des Kupfertitels gestaltet sich auch der Inhalt des Buches. Die dem Koran hinzugefügte Vita des Propheten ist hier, wie schon bei Arrivabene, von zwei Seiten beleuchtet.107 Einerseits stützte sich Glazemaker auf die arabische Mohammedbiographie des koptischen Geschichtsschreibers al-Makīn, die zuvor von dem Utrechter Professor für Orientalistik, Thomas Erpenius (1582–1624), ins Lateinische übertragen worden war, zum anderen kompilierte er verschiedene Texte christlicher Autoren.108 Neben den Anekdoten über Mohammeds mit dressierten Tieren inszenierte Wunder wird hier ebenso die Behauptung seiner Epilepsie erneut vorgebracht. Diese Geschichten wurden seit der Ausgabe von 1696 zudem mit Kupferstichen illus-

105  Zur Bewunderung des osmanischen Staatsapparates durch die westlichen Berichterstatter vgl. etwa Göllner (1978), S. 251–277, bes. S. 254. Vor allem im 17. Jahrhundert wurde die Macht des Sultans jedoch auch Gegenstand eines antiabsolutistischen Diskurses. Vgl. Klinkenberg, Michael F.: Das Orientbild in der französischen Literatur und Malerei vom 17. Jahrhundert bis zum „fin de siècle“, Heidelberg 2009, S. 93. 106  Zur Sichtweise des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Hentsch (1988), S. 156–165; Grosrichard (1998), S. 89: „In Persia, Turkey, and The Mogul Empire, what is the despot if not Mahomet’s successor and, like him an absolute leader, not just in temporal but in the spiritual sense […].“ 107  Mahomets Alkoran. Door de Hr. Du Ryer uit d’Arabische in de Fransche taal gestelt; benevens een tweevoudige beschryving van Mahomets leven en een verhaal van des zelfs reis ten hemel, gelijk ook zyn samenspraak met de jood Abdias, übers. v. Jan H. Glazemaker, Amsterdam 1696, S. 462: „Tweevoudige Beschryving / Van / Mohomets / Leeveb; / D’eerste uit de Sarasinische Historie van / Georgius Elmacinus Arabier; / D’andere uit verscheide Schryvers der Christenheit / getrokken, en te zamen gestelt.“ 108  Zu den Quellen Bobzin, Hartmut: Jan Hendriksz Glazemaker, in: Glaubensbuch und Weltliteratur. Koranübersetzungen in Deutschland von der Reformationszeit bis heute, hrsg. v. Hartmut Bobzin u. Peter M. Kleine, Arnsberg 2007, S. 21.

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triert, die wohl eigens von Casper Luyken angefertigt wurden (Kat. 17a, 17b).109 Angesichts dieser negativen und zugleich anekdotischen Darstellung des Islam verwundert es nicht, dass auch das Bildnis des Propheten auf dem Kupfertitel keine positive Figur zeigt. Mohammed erscheint hier in einem nach links – im Nachstich von 1734 nach rechts – gewandten Dreiviertelprofil. Zwar entspricht sein himmelnder Blick einer bei christlichen Märtyrern und Heiligen geläufigen und positiv konnotierten Ikonographie,110 der wilde Bartwuchs und der verzerrte, zähnebleckende Mund konterkarieren jedoch die Himmelsschau und geben der Figur eine beinahe raubtierhafte Erscheinung. Zugleich wirken die beiden unter dem Tuch hervortretenden vom Mittelscheitel aus sich nach außen drehenden Haarlocken wie kleine Hörner. Die hier noch drastischer als in van Haestens’ Häretikerkatalog verzerrte Physio- und Pathognomie des Propheten dient dazu, Mohammed gleich auf dem Titelblatt zu denunzieren. Interessanterweise wurde dieses Bildnis knapp hundert Jahre später für die deutsche Übersetzung von Jean Gagniers La Vie de Mahomet von 1802 adaptiert, auf die im fünften Kapitel im Zuge der Porträtbildnisse des 19. Jahrhunderts zurückzukommen ist. Zunächst soll jedoch die mit Nerreters Bildnis begonnene Linie einer aufgeklärten Darstellung des Propheten weiterverfolgt werden.

Mohammed als Spiegel Die Arbeit des Utrechter Theologen und Orientalisten Adrian Reland (1676–1718) war für eine Wandlung der europäischen Sichtweise auf den Propheten von herausragender Bedeutung.111 In seiner 1705 auf Latein verfassten Abhandlung De religione Mohammedi109  Zu Casper Luyken vgl. Thieme/Becker, Bd. 23, S. 488–489. Bereits in der Tatsache, dass Casper Luyken, der im Gegensatz zu seinem Vater, Jan Luyken, meist Illustrationen für profane Werke fertigte, die Graphiken für den Koran schuf, sehen Hamilton und Richard einen Hinweis auf die avisierte Leserschaft. Vgl. Hamilton/Richard (2004), S. 115. In dem Katalog Topkapı & Turkomanie werden die Stiche jedoch Jan Luyken zugeschrieben, vgl. Theunissen/Abelmann/Meulenkamp (1989), S. 49. 110  Zur Motivtradition und religiösen Konnotation des himmelnden Blicks vgl. Henning, Andreas: Die Physiognomie der Vision, Inspiration und Anbetung, in: „Der himmelnde Blick“. Zur Geschichte eines Bildmotivs von Raffael bis Rotari, hrsg. v. dems. u. Gregor J. M. Weber, Ausstellungskat. Dresden Staatl. Kunstsammlungen, Dresden u. a. 1998, S. 17–28. 111  Hamilton nennt den Text zu Recht „one of the first truly enlightend studies ever to be published“. Hamilton, Alastair: A Lutheran Translator for the Quran. A Late Seventeenth-Century Quest, in: The Republic of Letters and the Levant, hrsg. v. dems., Maurits H. van den Boogert u. Bart Westerweel, Leiden/Boston 2005, S. 197–222, hier S. 216. Zur Biographie Adrian Relands (auch Reeland oder Relant) vgl. Hamilton, Alastair: Adrianus Reland (1676–1718). Outstanding Orientalist, in: Zes keer zestig. 360 jaar universitaire geschiedenis in zes biografieën, hrsg. v. Hervé Jamin, Utrecht 1996, S. 22–31. Reland muss herausragende geistige Fähigkeiten besessen haben. Bereits mit 18 Jahren habe er das Traktat De libertate philosophandi verfasst, für das ihm vier Jahre später (1699) die Doktorwürde verliehen wurde. Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1718 verfasste er 37 Werke zu Themen aus nahezu allen Gebieten der damaligen Geisteswissenschaften. Vgl. Liever Turks dan Paaps? De visies van Johannes Coccejus, Gis-

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ca libri duo, die 1712 zunächst in Englisch und ab 1717 in Deutsch, Niederländisch, einer erweiterten lateinischen Fassung und schließlich 1721 auf Französisch publiziert wurde,112 vertrat Reland die Überzeugung, dass sich eine korrekte Darstellung des muslimischen Glaubens allein nach den islamischen Quellen zu richten habe.113 Damit setzte er für die gelehrte Beschäftigung mit dem Islam, die bis zu diesem Zeitpunkt in wesentlichen Punkten noch immer auf Riccoldo da Montecroces Traktat Contra legem Saracenorum aus dem 14. Jahrhundert basierte, neue Maßstäbe.114 Im Folgenden soll Relands Darstellung des Islam in Wort und Bild kurz erläutert werden, denn seine wissenschaftliche Herangehensweise war nicht nur hinsichtlich der von ihm vertretenen historischen Bewertung des Propheten, sondern auch in Bezug auf die der Publikation beigegebenen Bildtafeln bahnbrechend. Adrian Relands Beschreibung des Islam von 1705 erscheint noch heute – angesichts der Persistenz antiislamischer Vorurteile – von großer Aktualität. Denn der Utrechter Professor für orientalische Sprachen legte es nicht nur darauf an, die erfundenen Wundergeschichten der westlichen Prophetenviten zu widerlegen, sondern zielte auf eine grundlegende Neubewertung des Islam. Neben der Entkräftung spezifischer Irrtümer und Missdeutungen, wie etwa, dass die Muslime einen materiellen Gott verehrten115 oder dass sie glaubten, sich mit den rituellen Waschungen vor dem Gebet von ihren Sünden zu reinigen,116 richtete er sich gegen die generelle Vorstellung vom Islam als einer auf sinnlicher Lust und Gewalt basierenden Religion. Das hierbei von den christli-

bertus Voetius en Adrianus Relandus op de islam, hrsg. v. Jacobus van Amersfoort u. Willem J. van Asselt, Zoetermeer 1997, S. 23–28. 112  Der Text Relands wurde zusammen mit zwei weiteren Texten anderer Autoren und einer Vita des Propheten, die laut Titel auf arabische Quellen zurückgehen soll, als Four treatises concerning the doctrine, discpline and worship of the Mahometans 1712 in London publiziert Vgl. Pailin, David A.: Attitudes to Other Religions. Comparative Religion in Seventh- and Eighteenth-Century Britain, Manchester 1984, S. 82. 113  Daniel (1960), S. 295: „Reland established the principle that the sole authority for facts about Islam must be Muslim.“ Reland macht sich damit eine Position zu eigen, die in dem bereits zitierten Statement schon von Edward Pococke vertreten wurde. Vgl. Pococke (1650), S. 186–187. Zur Bedeutung von Relands Werk in Bezug auf die gelehrte Wahrnehmung des Islam vgl. ebenso Snouck Hurgronje, Christiaan: Mohammedanism. Lectures on its Origin, its Religious and Political Growth, and its Present State [1914], New York 1937, S. 7–8; Fück, Johann: Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts, Leipzig 1955, S. 102; Bobzin (32006a), S. 18. 114  Bobzin (1993), S. 204. 115  Wie etwa noch Baudier in seiner Histoire générale de la religion des Turcs (1625) behauptet. Vgl. Reland, Adrian: Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedischen Religion, Davon das erste ein kurtzer Begriff der Mohamedischen Theologie, […] Im zweyten aber Viele Dinge untersucht werden, die man bißher den Mohammedanern fälschlich beygemessen hat. […], Hannover 1717a, S. 65. Die deutsche Übersetzung beruht auf der lateinischen Erstausgabe des Buches von 1705 und nicht auf der erweiterten lateinischen Ausgabe von 1717. 116  Vgl. ebd., S. 85.

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chen Apologeten immer wieder vorgebrachte Argument der fleischlichen Natur islamischer Paradiesvorstellungen entkräftete er mit dem Hinweis, dass in dem von Mohammed beschriebenen Jenseits „auch der Seele ihre Freude zugetheilet [ist], die von dem Anschauen GOTTES kommen soll: welches die allergrösste Lust seyn wird, die auch machen wird, daß man die übrigen Wollüste des Paradieses darüber vergessen wird“117. Zudem berichtet er, dass viele muslimische Theologen die im Koran beschriebenen sinnlichen Freuden des Paradieses als ein Gleichnis für seelische Erhebungen auslegten.118 An anderer Stelle nimmt er den Propheten in Schutz, wenn er die für ihn geltende Ausnahme, mehr als vier Frauen ehelichen zu dürfen, eben nicht mit seiner vermeintlichen Wollust, sondern aus einer politischen Notwendigkeit heraus erklärt.119 Auch gegen das Vorurteil eines auf Gewalt gründenden und durch Gewalt legitimierten Islam wendet er sich. So legt er dar, dass es keineswegs dem muslimischen Glauben entspräche, anzunehmen, ein Moslem dürfe Andersgläubige jederzeit töten. Zwar habe Mohammed gesagt, dass die, die im Kampf für den Glauben stürben oder einen Feind töteten, ins Paradies eingingen, doch diese Aussage sei in Hinblick auf ihren historischen Bezug zu deuten, da Mohammed sie dezidiert auf einen Angriff seiner mekkanischen Feinde bezogen habe und sie damit keineswegs verallgemeinerbar sei.120 Bemerkenswert ist, dass Reland auch bei einer solch historisch relativierenden Interpretation der koranischen Verse seiner Intention, den Islam möglichst aus sich selbst heraus zu erklären, treu bleibt, denn die Herangehensweise entspricht den traditionellen Methoden islamischer Koran­ exegese.121 Die geistesgeschichtliche Bedeutung von Relands Text liegt schließlich darin, dass er zahlreiche Motive einführte, die für eine aufgeklärte Darstellung des Islam im 18. Jahrhundert wesentlich wurden. Auch wenn er letztlich an der Überzeugung von der Überlegenheit des christlichen Glaubens festhält, erscheint der Islam bei ihm als eine vernunftbasierte, natürliche Religion und „der Moslem“ als eine friedliebende und

117  Ebd., S. 101. 118  Ebd., S. 102. 119  Denn mit jeder geschlossenen Ehe hätte sich ein weiterer Stamm der neuen Religion angeschlossen. Und einige seiner Frauen habe Mohammed „auch unberührt wieder von sich gelassen“. Ebd., S. 131. 120  Vgl. ebd., S. 140. 121  Die Koranverse 2,191 und 4,74, auf die Reland an dieser Stelle Bezug nimmt, scheinen für sich genommen eine uneingeschränkte Aufforderung zum Krieg für den islamischen Glauben zu beinhalten. Mit seiner Forderung nach einer für das richtige Verständnis notwendigen historischen Kontextualisierung dieser Offenbarungen kann sich Reland auf die spätestens seit dem 11. Jahrhundert praktizierte Form der Koranexegese (tafsīr) der asbāb al nuzūl stützen, die ebensolche historischen Kriterien bei der Auslegung geltend macht. Allerdings stand die von Reland favorisierte pazifistische Interpretation in Diskrepanz zu der mehrheitlich vertretenen Auslegung, die in den Versen eine Legitimation und Aufforderung zu einer militärischen Expansion lesen wollten. Vgl. hierzu die erhellende Studie von Firestone, Reuven: Jihād. The Origin of Holy War in Islam, New York/Oxford 1999, bes. S. 47–65.

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moralisch integre Person.122 Gerade in der zweiten Ausgabe seiner De Mohammedica religione, für die sich Reland intensiver auch mit der zeitgenössischen Reiseliteratur zum Osmanischen Reich auseinandergesetzt hat, wird die bereits in der ersten Auflage spürbare Tendenz verstärkt. Nun werden die Muslime zu einem positiven Gegenbild der eigenen, sich vermeintlich in einem prekären Zustand befindlichen Gesellschaft:123 Die religiöse Toleranz der Muslime kontrastiert Reland mit der Verfolgung von Minderheiten in den christlichen Ländern,124 die Vertragstreue der islamischen mit den Vertragsbrüchen christlicher Herrscher,125 und der Friedfertigkeit muslimischer Männer setzt er das falsch verstandene Ehrgefühl der Europäer entgegen, indem er auf die barbarische Tradition des Duells verweist.126 Als einen für die Aufklärung besonders zentralen Punkt erwähnt Reland zudem die bei den „Persern“ und „Türken“ übliche Wertschätzung der Menschen nach ihren Fähigkeiten und Taten – eben ohne Ansehen ihrer Geburt. Selbst die Sultane seien sich bewusst, Kinder von Sklavinnen zu sein, während sich der europäische Adel weiter in genealogischer Eitelkeit ergehe.127 Eine ähnliche Vorstellung vom „Orientalen“, der der europäischen Gesellschaft ihre eigenen Defizite vor Augen führt, wurde im 18. Jahrhundert zu einem Leitmotiv der Literatur, Kunst und Religionskritik.128 122  An dieser Stelle zitiert er Lodovico Marracci, der in seinem Vorwort zur Widerlegung des Korans behaupte, dass der Islam das Wahrscheinliche des christlichen Glaubens übernommen habe, während er das Mystische und nach menschlicher Anschauung als unmöglich Erscheinende ablehne. Vgl. Reland, Adrian: De religione Mohammedica libri II […], Utrecht 1717b, Praefation, § 7, o. P.: „Habet nimirum haec superstitio qui[d]quid plausibile ac probabile in Christiana religione reperitur & quae naturae legi ac lumini consentanea videntur. Mysteria illa fidei nostrae, quae primo aspectu incredibilia & impossibilia apparent […] penitus excludit.“ Die Stelle findet sich erst in der lateinischen Fassung von 1717. Reland zitiert hier Marracci, Lodovico: Prodromus ad refutationem Alcorani. In quo per quatuor praecipuas verae religionis notas Mahumetanae sectae falsitas ostenditur. Christianae religionis veritas comprobatur […], Rom 1691, S. 21–22. 123  Vgl. Bastiaensen, Michel: Adrien Reland et la justification des études orientales (1701), in: Études sur le XVIIIe siècle, hrsg. v. Roland Mortier u. Hervé Hasquin, Brüssel 1974, S. 13–28, hier S. 25. 124  So in seiner Antrittsvorlesung in Utrecht am 21. Februar 1701. Vgl. Reland, Adrian: Oratio pro lingua Persica et cognatis literis Orientalibus […], Utrecht 1721, S. 14–15: „Sic ut securam in illis regionibus ducere vitam Christi anis liceat, quamcunque sectam atque institutionem sequantur, quod in media saepe Europa non licere tristis experientia docuit.“ Zitiert nach Bastiaensen (1974), S. 25. 125  Vgl. Reland (1717a), S. 118 (1717a = dt. Fassung, 1717b = lat. Fassung). 126  Die Gegenüberstellung findet sich nur in der erweiterten Auflage. Vgl. Reland (1717b), S. 258–259. Die Widerlegung der Vorstellung, ein Moslem dürfe jederzeit ungestraft einen Nichtmoslem töten, findet sich jedoch gleichfalls in der deutschen Fassung. Vgl. Reland (1717a), S. 139–141. 127  Vgl. Reland (1717b), S. 249–250. 128  Der kritisch-entlarvende Blick des orientalischen Fremden auf die Schwächen und Probleme der europäischen Gesellschaft wurde durch die satirischen Lettres persanes (1721) von Montesquieu zu einem Motiv, das zahlreiche literarische Nachahmungen anregte und genrebildend wirkte. Diese neue literarische Funktion des Orientalen ging jedoch nicht notwendigerweise mit einem positiveren Orientbild einher. Im persischen Reich der Lettres persanes „dominieren politischer Autokratismus, persönliche Leib-

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Abb. 46  „MAHVMED“, Frontispiz, aus: Adrian Reland, Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedischen Religion, Hannover 1717 (Kat. 24)

Die De Mahommedica religione libri wurden auch hinsichtlich ihrer Bebilderung für einige spätere Publikationen vorbildlich. Die zweite lateinische Ausgabe von 1717 enthält erstmals vier in Kupfer gestochene Falttafeln: ein Diagramm von der Genealogie Mohammeds, eine Darstellung der unterschiedlichen Gebetshaltungen der Muslime, eine zeitgenössische Ansicht der Hagia Sophia in Konstantinopel und ein größeres Faltblatt mit einer perspektivischen Ansicht des Innenbereichs (al-harām) . der Moschee in 129 Mekka mit der Kaaba, das von Jan Goeree (1670–1731) gestochen wurde. Letztere Gra-

eigenschaft, rigorose Geschlechtertrennung und die absolute sexuelle Unterdrückung der Frau“, womit der Orient weiterhin als Gegenbild zum aufgeklärten Europa konstruiert wird. Charlier, Robert: Montesquieus „Lettres persanes“ in Deutschland – Zur europäischen Erfolgsgeschichte eines literarischen Musters, in: Montesquieu. Franzose – Europäer – Weltbürger, hrsg. v. Effi Böhlke u. Etienne François, Berlin 2005, S. 131–154, hier S. 132. 129  Die Ansicht des Harām . in Mekka wurde vor allem durch den Nachstich von Andrew Motte weit verbreitet, der ab 1734 zahlreichen Ausgaben von George Sales englischer Koranübersetzung beigegeben wurde. Sie diente gar als Vorlage für eine japanische Lackarbeit vom Ende des 18. Jahrhunderts. Vgl. Schwei-

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phik geht auf eine osmanische Darstellung zurück, die Reland von dem befreundeten schwedischen Orientalisten Michael Enemann (1676–1714) aus Uppsala erhalten hatte, und war eine der ersten realistischen Ansichten der zentralen Moschee in Mekka, die in Europa Verbreitung fand.130 Ebenso wie diese Graphik beschränken sich auch die anderen Illustrationen auf eine nüchterne Wiedergabe der jeweiligen Architektur oder der muslimischen Gebetsriten und vermeiden jede Form anekdotischer Narration oder exotisierender Überformung.131 Generell lässt sich also sagen, dass die Kriterien der Unvoreingenommenheit und der Orientierung an islamischen Quellen, die für Relands Text gültig waren, auch in den Bildern Niederschlag fanden.132 Diagrammatik, Perspektivkonstruktion und die in den Trachtenbüchern des 16. Jahrhunderts entwickelten „ethnologischen“ Darstellungsmodi fungieren als visuelle Authentifizierungsstrategien, die nicht nur dem ostentativ quellenkritischen Ansatz des Autors entsprechen, sondern sich in Verbund mit diesem beglaubigen. Die so vermittelte Wahrhaftigkeit der Bilder war mit Sicherheit einer der Gründe dafür, dass zahlreiche Autoren Relands Graphiken für ihre Werke übernahmen. Besondere Verbreitung erfuhren vor allem das genealogische Diagramm und die Darstellung der mekkanischen Moschee mit der Kaaba, die beide in der ersten Ausgabe der englischen Koranübersetzung von George Sale von 1734 erschienen und mit dieser bis weit ins 19. Jahrhundert immer wieder aufgelegt wurden. Für die hier diskutierte Fragestellung ist zudem das Bild des Propheten von Interesse, das als Frontispiz, an der für ein Autorenbildnis gewöhnlichen Stelle, in den deutschen Ausgaben von 1716 und 1717 erscheint (Kat. 24, Abb. 46). Der Kupferstich, der sich anhand des Monogramms Gabriel Uhlig (1682–1741), einem sonst wenig bekannten zer, Anton/Shalem, Avinoam: Translating Visions. A Japanese Lacquer Plaque of the Haram of Mecca in the L. A. Mayer Memorial Museum, Jerusalem, in: Ars Orientalis, 39, 2010, S. 149–173, bes. S. 156–158. 130  Reland merkt jedoch an, dass er die Vorlage für den Kupferstich habe verändern lassen müssen, da die osmanischen Künstler mit der Perspektivdarstellung nicht vertraut seien. Zur korrekten Wiedergabe der Größenverhältnisse und Abstände der Gebäude habe er sich auf Maßangaben aus arabischen Schriften gestützt. Vgl. Reland (1717b), S. 119. Zur ungewöhnlichen Authentizität der Mekkadarstellung vgl. auch Wyss-Giacosa (2006), S. 104; Brafman, David: Picart, Bernard, Hermes, and Muhammad (not necessarily in that order), in: Bernard Picart and the First Global Vision of Religion, hrsg. v. Lynn A. Hunt, Margaret Jacob u. Wijnand Mijnhardt, Los Angeles 2010a, S. 139–168, hier S. 148–150; Rizvi, Kishwar: Persian Pictures. Art, Documentation, and Self-Reflection in Bernard and Picart’s Representations of Islam, in: Hunt/Jacob/Mijnhardt (2010a), S. 169–196, hier S. 193; Zu früheren Darstellungen Mekkas und Medinas vgl. Grabar, Oleg: A Preliminary Note on Two Eighteenth-Century Representations of Mecca and Medina, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam, 25, 2001, S. 268–274. Eine zusätzliche Vignette mit einer Landschaftsansicht Mekkas entstammt einer Publikation Michael Enemanns, wie in der lateinischen Fassung direkt unter dem Bild angegeben wird. Vgl. Reland (1717b), S. 115. 131  In der Ansicht der Moschee von Mekka sehen Anton Schweizer und Avinoam Shalem eine neue um wissenschaftliche Objektivität bemühte Darstellung, was mit der Intention von in Relands Text übereinstimmt. Vgl. Schweizer/ Shalem (2010), S. 159, 165. 132  Zu den Graphiken aus Relands De religione Mohammedica von 1717 und der sich in ihnen artikulierenden empirischen Sicht auf den Islam vgl. Saviello/Shalem (2012), S. 72–74.

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Mohammed als Spiegel

Abb. 47  Porta in seinem Spiegelkabinett, aus: Giovanni Battista della Porta, Magia Naturalis, Nürnberg 1713, nach S. 940

Buchillustrator aus Leipzig,133 zuschreiben lässt, greift sowohl äußerlich als auch konzeptionell Christoph Weigels Mohammedbildnis in Nerreters Moschea auf. Dass dies die Vorlage war und nicht der Stich in Baudiers Histoire, erschließt sich bereits aus dem Blick 133  Vgl. Nagler, Georg K.: Die Monogrammisten und diejenigen und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens […] bedient haben […], Bd. 3, München 1863, S. 125; zu Gabriel Uhlich siehe Thieme/Becker, Bd. 33, S. 549–550.

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des Propheten, seiner wie in der Moschea geglätteten Nasenwurzel und der hier ebenfalls etwas breiteren, aber letztlich weniger voluminösen Form des Turbans. Zudem übernimmt Uhlig den für die Darstellung in Nerreter charakteristischen Aufbau vom Bild im Bild. Insgesamt wirkt das Porträt hier jedoch nach dem Geschmack der Zeit stärker ornamental ausgestaltet und gewissermaßen theatralischer präsentiert als in der Vorlage. Mohammed trägt einen Turban aus einem mit Halbmonden gemusterten Stoff und das neu eingeführte Motiv des Vorhangs, der auf der rechten Seite über die Bildszenerie hinausragt und dabei das unterhalb des Bildes angefügte Schriftfeld teilweise verdeckt, betont den Moment der Präsentation sowie die Dramatik der szenischen Illusion. Während die Präsenz des Porträtierten im Vergleich zur Darstellung bei Nerreter zurückgenommen wurde, erscheint die Plastizität des innerbildlichen Bildträgers hingegen erhöht. Mohammeds Blick ist weniger forsch und auch der Schattenwurf der Prophetenfigur ist zu Gunsten des durch den Vorhang auf das Bild geworfenen Schattens weggelassen. Stärker noch als bei Nerreter liegt der Akzent hier auf der Präsentation eines Bildnisses von Mohammed, nicht auf einer unmittelbaren Darstellung seiner Person. Der ovale Bildträger, der etwas unvermittelt auf einer mit „MAHVMET“ beschrifteten, rechteckigen Plinthe steht, erstreckt sich in seiner bildplanen Ausrichtung fast über die gesamte Breite des Kupferstiches. Das ovale Format des Porträts erinnert an zeitgenössische Toiletten- und Wandspiegel. An dem Beispiel des neapolitanischen Arztes Giovanni Battista della Porta (1535–1615) ), in dessen Wunderkammer zahlreiche Spiegel und Porträts neben anderen optischen Geräten zu erkennen sind, zeigt sich, dass die Begeisterung für Spiegel, Bildnisse und Physiognomie oft Hand in Hand ging (Abb. 47).134 Dass eine formale Übereinstimmung von Spiegel und Porträt für die Zeit keineswegs ungewöhnlich war, bestätigt auch der Dichter Jean de La Fontaine (1621–1695). In einem Brief an seine Frau beschreibt er ein Kabinett im Schloss des Kardinals Richelieu, dessen Wände über und über mit Porträts behangen waren, „die etwa die Größe von Toilettenspiegeln“ hatten.135 Zwar verzichtet Uhlig auf weitere innerbildliche Hinweise, dass er das Bildnis Mohammeds als mögliches Spiegelbild verstanden wissen wollte, doch wird eine derartige Deutung auch durch die Bildunterschrift nahegelegt. Der Text bezeichnet Mohammed nämlich nicht nur als einen „Nachäffer“, womit das Motiv der nachahmenden Wiedergabe bereits anklingt,136 sondern er warnt 134  Giovanni Battista della Porta veröffentlichte 1586 seine Studie De humana physiognomia, die vor allem für ihre Kategorisierung menschlicher Gesichtstypen durch ihre Gegenüberstellung mit Tierköpfen bekannt ist. 135  Zitiert nach Roche, Serge/Courage, Germain/Devinoy, Pierre: Spiegel. Spiegelgalerien, Spiegelkabinette, Hand- und Wandspiegel, Tübingen 1985, S. 26. Der concetto der Ineinssetzung von gemaltem Bildnis und Spiegelbild fand bereits in Parmiganinos Selbstporträt im Konvex-Spiegel von 1523 (Wien, Kunsthistorisches Museum) seine künstlerisch überzeugendste Lösung. 136  Mit dem Motiv des „Nachäffens“ wurden in der Frühen Neuzeit ebenfalls bildende Künstler diffamiert, deren Werke nichts weiter seien als sinnentleerte Nachahmungen der Natur beziehungsweise der

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vor allem davor, dass wer diesen „Lügengeist“ „Lügen straffet“, dabei „nicht selbst den Credit verliehr“. Gemeint sind damit die antiislamischen Autoren, die aufgrund ihrer Phantasiegeschichten über den Propheten nun selbst als Lügner dastehen. Zu Beginn des Buches erscheint Mohammed als ein warnendes Gegenbild, sowohl für den aufrichtigen Verfasser wie auch für dessen Leser. Zwar bleibt das Urteil über den Propheten damit auch bei Reland negativ, jedoch erscheint die Vorstellung vom Orientalen, der den europäischen Autoren und damit der eigenen Kultur zum Spiegel gereicht, hier erstmals bildlich umgesetzt. Die Darstellung entspricht mithin der Denkfigur, die in der gegen Ende des 17. Jahrhunderts aufkommenden Redewendung, „jemandem einen Spiegel vorhalten“, das heißt, jemanden auf seine eigenen Fehler aufmerksam zu machen, ihren Ausdruck fand.137 Zwar ist der Vorgang der Spiegelung beziehungsweise der Projektion eigener Wünsche und Ängste auf die Figur Mohammeds weder neu noch ungewöhnlich, bemerkenswert ist jedoch, dass die bei Nerreter in der Bildunterschrift bereits angedeutete Schwierigkeit einer historischen Bewertung des Propheten hier als Interrelation zwischen Interpret und Interpretandum, zwischen Betrachter und Objekt, erstmals ins Bild gesetzt und problematisiert wird. Trotz des Konzeptes einer aufgeklärten Geschichtsschreibung, das diesem Mohammedbildnis zugrunde liegt, bleibt die Frage eines möglichen Widerspruchs zwischen dem vom Autor vertretenen Ideal einer auf islamischen Quellen fußenden Darstellung und der Visualisierung Mohammeds im Bild akut. Zwar gibt es zahlreiche Bilder des Propheten, die islamischen Ursprungs sind, das hier vorgestellte Bildnis kann sich jedoch lediglich auf die Histoire de la religione des Turcs von Michel Baudier von 1625 und die ebenfalls quellenkritisch argumentierende Neu eröffnete Mahommetanische Moschea David Nerreters berufen. Es ist daher fraglich, ob die Bebilderung der deutschen Fassung in Absprache mit Reland geschah oder gar von ihm intendiert wurde.138 Entsprechend göttlichen Schöpfung. Vgl. Janson, Horst W.: Apes and Ape Lore in the Middle Ages and the Renaissance, London 1952. 137  So etwa in einem Gedicht von Nicolas Boileau (gen. Despréaux, 1636–1711), in dem der Römer Caius Lucius in einer Satire den Landsleuten ihre eigenen Laster und somit „einen Spiegel vorhält“: „Aux vices des Romains présenta le miroir.“ Boileau-Despréaux, Nicolas: Oeuvres de Nicolas Boileau Despréaux. Avec des éclaircissements historiques, Bd. 2, Den Haag 1722, chant II, Verse 147–148, S. 40. Vgl. Roche/Courage/Devinoy (1985), S. 25. Freilich ist das Konzept des „vorgehaltenen Spiegels“ schon älter und fand seine Entsprechung in der mittelalterlichen Idee von der „verkehrten“ Welt und in der Figur des Narren, der, wie etwa Till Eulenspiegel, den Menschen mit seinem Spiegel ihren Hochmut vor Augen führte. Zum Narren-Spiegel vgl. Haubl, Rolf: „Unter lauter Spiegelbildern …“. Zur Kulturgeschichte des Spiegels, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1991, S. 567–588. 138  Dies gilt umso mehr für das Titelblatt der französischen Ausgabe, die 1721, also zwei Jahre nach Relands Tod publiziert wurde. Es zeigt im Vordergrund die Figur eines orientalischen Herrschers, der von Vertrauten umgeben auf einem Podest steht, auf dem der Buchtitel La religion mahometane erscheint und zu dessen Füßen die abgetrennten Köpfe zweier Hingerichteter liegen. Im Hintergrund steht eine Figur mit aufgeschlagenem Buch und weisendem Gestus. Bei dieser Figur soll es sich wahrscheinlich um einen muslimischen Gelehrten handeln, der seinem Herrn im Vordergrund aus dem Koran liest.

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der Übersetzung von Relands lateinischer Abhandlung in eine Volkssprache zielt auch das hinzugefügte Mohammedporträt, auf eine andere Art als das Diagramm und die Ansicht der Kaaba in der lateinischen Ausgabe, auf ein breiteres, nicht allein akademisches Publikum. Zu Gunsten einer plastischeren Vorstellung vom Propheten als Menschen und der damit einhergehenden stärkeren Affizierung der Betrachter wurden scheinbar auch Abstriche in Bezug auf die Wissenschaftlichkeit der Publikation in Kauf genommen. Die Bildnisse bei Nerreter und Reland sind als Grenzphänomene zu betrachten, denn der von den Autoren vertretene Anspruch historischer Korrektheit und Authentizität sorgte schließlich dafür, dass die bildliche Darstellung des Propheten zu einem Phänomen ausschließlich populärer Publikationen wurde. Spätere historische, auf dem Studium islamischer Quellen basierende Bücher verzichteten, mit wenigen Ausnahmen, entweder ganz auf Bilder Mohammeds oder verwendeten Vorlagen muslimischer Künstler. Relands konsequente Anwendung der Kriterien aufgeklärter Geschichtsschreibung auf die Darstellung des Islam wurde jedoch nicht ausschließlich als gelehrt, sondern von einigen Kritikern als ebenso polemisch bewertet. Bereits Jean-Antoine Guer bezeichnete Relands Buch in seinen Moeurs et usages des Turcs von 1747 als antikatholisch und fügte hinzu, dass alle „Panegyriker“ Mohammeds Protestanten seien.139 Auch in der Forschung wird Relands Text eine antipäpstliche Haltung attestiert.140 Ein Grund hierfür ist wohl eine gleich zu Beginn des ersten Buches gegebene Passage, in der Reland darlegt, dass alle jüngeren Religionen von den zuvor existierenden als Verirrungen dargestellt worden seien: Nachdem er beschreibt, dass die Juden von den Paganen verleumdet worden seien und in der Folge die Christen von den Juden, verurteilt Reland anschließend die von katholischen Autoren vorgebrachten, abwertenden Vergleiche zwischen Muslimen und Protestanten.141� Da er sich gerade gegen die Praxis theologischer und konfessioneller Polemik wendet, enthält er sich in seinem Text konsequenterweise konkreter Angriffe gegen den katholischen Glauben. Der Antipapismus, den Alain Grosrichard im Text Relands zu erkennen glaubt, scheint vielmehr das Produkt der von Grosrichard konsultierten französischen Übersetzung von David Durand (1721). So fügte Durand Passagen ein, wie beispielsweise die Behauptung, dass der Sultan sanftmütiger als der Papst sei und der Mufti großzügiger als der Bischof, die im Original nicht enthalten sind.�142

139  Vgl. Gunny, Ahmad: Images of Islam in Some French Writings of the First Half of the Eighteenth Century, in: British Journal for Eighteenth-Century Studies, 14, 2, 1991, S. 191–201, hier S. 198. 140  Grosrichard (1998), S. 109. 141  Reland (1717a), Vorrede, § 3, o. P. 142  Vgl. Minuti, Rolando: L’immagine dell’Islam nel Settecento. Note sulla traduzione francese de De religione Mohammedica di Adriaan Reeland, in: Studi settecenteschi, 25–26, 2005–2006, S. 23–46, hier S. 42–43.

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Bernd Roling hat die Bedeutung von Relands Arbeit betont, die mit ihrer auf arabischen Quellen fußenden Schilderung des Islam ein geradezu antithetisches Pendant zu der 1697 erschienenen, sehr populären antiislamischen Biographie Mohammeds von Humprey Prideaux darstelle.143� Was jedoch aus heutiger Sicht als ein auffälliger Kontrast zwischen zwei scheinbar unvereinbaren Darstellungen des Islam erscheint, wurde von den Zeitgenossen anscheinend nicht als derart gegensätzlich wahrgenommen. So lobte der anonyme Übersetzer von Relands De religione Mohammedica libri in der Londoner Ausgabe von 1712 nicht nur die in dem Buch geleistete Widerlegung der Märchen und Fehlurteile über den Islam, sondern bezeichnet Humphrey Prideaux im selben Atemzug als einen der Autoren, von denen er beim Studium des Islam die größte Unterstützung erfahren habe.�144 Diese Vereinbarkeit von aus heutiger Sicht adversativen Positionen erweist sich als ein geradezu charakteristisches Merkmal der MuhammedBilder der Aufklärung und wird im nächsten Kapitel eingehender behandelt.

143  Roling, Bernd: Humphrey Prideaux, Eric Fahlenius, Adrian Reland, Jacob Ehrharth und die Ehre des Propheten. Koranpolemik im Barock, in: Wahrnehmung des Islam zwischen Reformation und Aufklärung, hrsg. v. Dietrich Klein u. Birte Platow, München 2008, S. 61–76, hier S. 70. 144  Im Vorwort zu Relands Traktat nennt der anonyme Übersetzer so unterschiedliche Autoren wie „Abul Faragbius, Abul Feda, Elmacinus, Septemcastrensis, Hottinger, Busbequius und Pocock“ als seine Quellen und betont anschließend: „But those from whom I have receiv’d the greatest Assistance, are, the most learned Father Maracci, and the very learned and Reverend Dr. Prideaux, now the Dean of Norwich.“ Four Treatises Concerning the Doctrine, Discipline and Worship of the Mahometans […], London 1712, S. 6.

4. Die Mohammedbilder der Aufklärung

Nachdem das Osmanische Reich nach der gescheiterten Belagerung Wiens 1683 und den darauffolgenden militärischen Niederlagen in Osteuropa sein Bedrohungspoten­tial weitgehend verloren hatte, trat an die Stelle der vormaligen „Türkenangst“ eine in Westeuropa weite Teile der Bevölkerung ergreifende Begeisterung für den islamischen Orient, für die von der Kunstgeschichte die Begriffe „Turquerie“ und „Türkenmode“ geprägt wurden.1 Die veränderte Sichtweise auf die „orientalische Kultur“ wirkte sich auch auf das Bild des islamischen Propheten aus. Zwar blieb die Beurteilung Mohammeds im 18. Jahrhundert vor allem von einem religiösen Standpunkt aus überwiegend negativ, jedoch verlor seine eschatologische Interpretation als Antichrist weitgehend an Bedeutung. Mohammed und der Islam erschienen in Westeuropa nun kaum noch als akute militärische oder spirituelle Gefahr, stattdessen wurde der Prophet im Zuge einer sich durchsetzenden säkularisierten Auslegung seiner Taten der Leserschaft als Eroberer, Ge­ setzgeber und Reformer, bisweilen sogar als ein bedeutender Akteur der Weltge­schichte vorgestellt.2 Dabei stützten sich die Mohammedbiographen, die bei weitem nicht alle des Arabischen mächtig waren, nun vermehrt auch auf arabische Quellen, die von Vertretern der sich in Europa als universitäres Fach herausbildenden Arabistik zum Teil erstmals erschlossen wurden.3 1  Zur Perspektivänderung nach 1683 vgl. Reeves (2000), S. 141; Karlsson, Ingmar: The Turk as a Threat and Europe’s „Other“, in: International Issues & Slovak Foreign Policy Affairs, 15, 1, 2006, S. 62–74, hier S. 64: „When the Turkish threat appeared to be over, a veritable Turkish fashion broke out in Europe’s theatres and operas.“ Allerdings bedeutete „Turquerie“ im französischen Sprachgebrauch noch Mitte des 18. Jahrhunderts „Grausamkeit“ und „barbarisches Verhalten“. Vgl. „Turquerie“, in: Furetière, Antoine: Dictionnaire universel, contenant généralement tous les mots françois, tant vieux que modernes et les termes des sciences des arts, Bd. 4, Paris 1743, o. P. 2  Zur positiven historischen Bewertung Mohammeds siehe Kapitel 5. 3  Nach dem Niedergang der Arabischstudien im 14. Jahrhundert fand im 16. Jahrhundert eine erste Wiederbelebung vor allem durch die verstärkten politischen Kontakte mit dem Osmanischen Reich statt. Der französische Gelehrte Guillaume Postel (1510–1581) kann als Begründer der neuzeitlichen Arabischstudien gelten. Vgl. Fück (1955), S. 36–44; Toomer (1996), S. 26–28. Zwei neuzeitliche Arabisten, die mit

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

Diese neue, quellenkritische Herangehensweise war jedoch nicht für alle der formal und hinsichtlich ihrer Intentionen stark divergierenden Prophetenbilder, die im späten 17. und 18. Jahrhundert in Westeuropa aufkamen, maßgeblich. Parallel zu der historischen Reevaluierung Mohammeds eroberte der Prophet als fabulöse Kunstfigur die Bildwelten und Bühnen Europas. Die Ausgestaltungen der Mohammedfigur in den bildenden und darstellenden Künsten zeugen vielleicht noch stärker von der Veränderung in der Wahrnehmung des Islam als die um ein quellenbasiertes Studium bemühte Fachliteratur. Gerade die bildlichen Darstellungen des Propheten zeichnen sich oftmals dadurch aus, dass sie sich selbst als Kunstprodukte zu erkennen geben und so die Konstruiertheit und Doppelbödigkeit der eigenen Vorstellungen von Mohammed augenscheinlich werden lassen. Gegenüber dem stark interessegeleiteten und von traditionellen Sichtweisen bestimmten Gelehrtendiskurs über den Islam bewahrten die Bilder eine gewisse epistemische Unabhängigkeit und konnten als eigenständiges Ausdrucksmedium zu einer Reflexion und Relativierung der Anschauung des islamischen Propheten anregen. Allerdings sind die beiden Stränge – eine um Objektivität bemühte historische Darstellung und eine sich über die Freiheit der Kunst legitimierende, phantasievoll überzogene Prophetenfigur – nicht immer klar voneinander zu trennen. Das Theater orientierte sich bisweilen an der historischen Figur Mohammeds ebenso, wie fabulöse Elemente des Bühnenorients in die Sachliteratur Einzug halten konnten, was zu widersprüchlichen und schillernden Figurationen führte. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Präsentationsformen zudem, dass sie unabhängig von ihrem Anspruch auf historische Korrektheit erneut in die Auseinandersetzung der in Europa konkurrierenden weltanschaulichen Lager eingespannt wurden – vergleichbar mit der Instrumentalisierung des Prophetenbildes während des Reformationsstreites.

Zwei Gesichter des Propheten Die Gegensätzlichkeit der westeuropäischen Islambilder und Vorstellungen vom Propheten in der frühen Aufklärung lässt sich paradigmatisch an zwei Publikationen des Jahres 1697 aufzeigen. Die Bibliothèque orientale des französischen Orientalisten Barthélemy d’Herbelot (1625–1695) und Pierre Bayles (1647–1706) Dictionaire historique et critique4 erzielten als enzyklopädische Nachschlagewerke eine beachtliche Breitenwir-

ihren Schriften stark zu einer Wandlung des Prophetenbildes beigetragen haben, waren der bereits diskutierte Adrian Reland und der Oxforder Professor für Arabisch, Jean Gagnier, dessen Mohammedbiographie noch eingehender besprochen wird. 4  Vgl. Herbelot de Molainville, Barthélemy de: Bibliothèque orientale, ou Dictionnaire universel contenant généralement tout ce qui regarde la connaissance des peuples de l’Orient […], Paris 1697, S. 598–603 („Mohammed“). Bayle, Pierre: Dictionaire [historique et critique], Rotterdam 1697, Bd. 2,1, S. 469–492 („Mahomet“).

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kung und wurden auch in Gelehrtenkreisen intensiv rezipiert. In ihren differenten Haltungen gegenüber dem Islam blieben sie bis ins 19. Jahrhundert hinein von Bedeutung. D’Herbelots Bibliothèque orientale stellte, im Anschluss an die Arbeiten der Orientalisten Johann Heinrich Hoettinger (1620–1667) und Edward Pococke (1604–1691), den Anspruch, eine umfassende, quellenkundliche Darstellung der „orientalischen“ Kultur zu bieten. Hinsichtlich dieser Zielsetzung und ihrer Qualität wurde sie von dem Professor für Arabisch in Cambridge und Historiker Simon Ockley (1678–1720) ausdrücklich gelobt und diente zahlreichen Wissenschaftlern und Literaten wie z. B. dem Historiker Edward Gibbon (1737–1794), Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und Jean Frédéric Bernard (um 1683–1744) bei ihrer Beschäftigung mit den islamischen Kulturen als Quelle.5 Der Dictionaire des philosophischen Vertreters religiöser Toleranz, Pierre Bayle, war hingegen eine der Quellen, die das Islambild Voltaires maßgeblich prägten.6 Beide Publikationen entsprechen auf jeweils unterschiedliche Art den methodischen Ansätzen der Aufklärung im Umgang mit dem Islam. Während d’Herbelot seine Darstellung Mohammeds allein auf arabische Quellen stützte, verfolgte Bayle eine rationalistisch-skeptische Herangehensweise, bei der er sowohl christliche wie muslimische Quellen einer Prüfung unterzog. Beide Autoren lehnten zwar die Wundergeschichten und Legenden der früheren Mohammedbiographen ab, perpetuierten jedoch eine negative Vorstellung vom Islam und bezeichneten Mohammed wie ihre Vorgänger als Religionsbetrüger. Ungeachtet dieser Gemeinsamkeiten instrumentalisierten die beiden Autoren den Islam in sehr unterschiedlicher Weise. Während d’Herbelot trotz seiner Hochschätzung der orientalischen Kultur im Islam nichts anderes erkannte als eine Pervertierung der christlichen Religion,7 sah Bayle im muslimischen Glauben, ungeachtet 5  Vgl. Laurens, Henry: Aux sources de l’orientalisme. La Bibliothèque orientale de Barthélemi d’Herbelot, Paris 1978, S. 26. Laurens bezeichnet d’Herbelots Buch als „la première Encyclopédie de l’Islam“. Vgl. Gibbon, Edward/Ockley, Simon: The Saracens, their History and the Rise and Fall of their Empire, London o. J., S. 160. Zu einem Vergleich zwischen d’Herbelot und Ockley siehe Quinn (2008), S. 57. 6  Cottone, Margherita: Das Islam-Bild zur Zeit der Aufklärung in Europa. Mohammed und muslimische Religion zwischen Voltaire und Lessing, in: Deutsche Kultur und Islam am Mittelmeer, hrsg. v. ders. u. Laura Auteri, Göppingen 2005, S. 193–214, hier S. 202; Joubin, Rebecca: Islam and Arabs Through the Eyes of the Encyclopédie. The „Other“ as a Case of French Cultural Self-Criticism, in: International Journal of Middle East Studies, 32, 2, 2000, S. 197–217, hier S. 198. 7  D’Herbelot (1697), S. 88: „[I]l s’en trouva d’assez méchans parmi eux pour fournir à Mahomet les memoires peu fideles & mal conçus de l’ancien & du nouveau Testament dont il a prétendu couvrir ses impostures. Les Juifs qui s’étoient fort répandus dans l’Arabie, y ont contribué aussi de lour côté, & ce n’est pas sans raison qu’ils se vantent aujourd’huy que douze de leurs principaux Docteurs ont été les Auteurs de ce livre detestable, dans la vûë qu’ils avoient de confondre les Chrétiens sur l’étendue, & sur l’universalité de leur Religion. Il faut encore remarquer ici que l’Alcoran est plein de sentimens erronez des heretiques dont il est fait mention cy-dessus, ce qui fortifie beaucoup la conjecture qui a été faite sur la composition de ce livre.“ Vgl. auch Dew, Nicholas: The Order of Oriental Knowledge. The Making of d’Herbelot’s „Bibliothèque Orientale“, in: Debating World Literature, hrsg. v. Christopher Prendergast, London 2004, S. 233–252.

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seiner vermeintlichen Falschheit,8 im Vergleich mit dem Christentum die rationalere und tolerantere Religion.9 D’Herbelots Darstellung eines in der Antike verharrenden Orients wurde in seiner exotischen Färbung mit den von Antoine Galland übersetzten Geschichten von 1001 Nacht verglichen und legte nach Edward Said einen Grundstein für den von ihm als Orientalism bezeichneten Diskurs westlicher Überlegenheitsbehauptung und kolonialistischer Herrschaftslegitimation.10 Dagegen wird der Islam bei Bayle, wie bei vielen ihm folgenden Aufklärern, zu einem zentralen Argument in seiner Kritik an institutionalisierten Religionen. Die Publikationen, die beide auf bildliche Darstellungen verzichten, definieren somit zwei verschiedene Formen der Instrumentalisierung, welche die Darstellung des islamischen Propheten während der Aufklärung erfuhr. Trotz des Bestrebens um eine möglichst kritische und aufgeklärte Herangehensweise, das den beiden Autoren gemeinsam war,11 bleiben die jeweiligen Prophetenbilder den Weltanschauungen und Intentionen ihrer Autoren verpflichtet. Bei der Darlegung des Katholiken d’Herbelot wird deutlich, dass seine Vorstellung vom Islam als einer lediglich christlichen Häresie durch das Studium der arabischen Quellen keine grundlegende Veränderung erfahren hat.12 Das Islambild der Bibliothèque orientale steht damit weiterhin in der Tradition antiislamischer Apologetik. Zugleich ist auch an Bayles Vorstellung des Islam „offensichtlich[, dass es ihm] weniger um den Propheten selbst und um dessen Rehabilitierung [geht] als darum, anhand der antiislamischen Polemik der christlichen Autoren und im Vergleich mit dem Islam die Irrationalität und Intoleranz des katholischen Dogmatismus zu 8  Auch Bayle beschreibt Mohammed als „imposteur“, eine Bezeichnung, die bei den Enzyklopädisten bis ins 19. Jahrhundert ein Epitheton des Propheten bleibt. Almond (1989), S. 11: „Indeed, for many Christian commentators Mahomet seems to be linked with ‚impostorʻ almost as automatically as Jesus is with ‚Christʻ.“ Vgl. auch Pailin (1984), S. 92–93. Bayle gilt in seiner Darstellung des Propheten, mit der er eine Kritik an der Irrationalität von religiösen Wundergeschichten verbindet und sich damit vor allem gegen die katholische Kirche richtet, für Badir als ein Vorläufer Adrian Relands. Vgl. Badir (1974), S. 58–59. Während die Instrumentalisierung des Propheten bei Bayle jedoch offensichtlich ist, erscheint Relands Darstellung weit objektiver. 9  Vgl. Klinkenberg (2009), S. 171–172. 10  Die Verbindung ergibt sich zudem aus dem Vorwort der Bibliothèque orientale, das von Galland verfasst wurde. Said sah gerade in der von d’Herbelots Bibliothèque versuchten Zusammenstellung und Systematisierung des zuvor disparaten Orientbildes einen ersten Schritt zur Etablierung des „Orientalism“. Vgl. Said, Edward: Orientalism [1978], London 2003, S. 63–67. Zu einem anderen Ergebnis kommt Laurens, der in d’Herbelots Werk eine positive Darstellung der orientalischen Kultur sieht, welche die kulturellen Gemeinsamkeiten mit dem Okzident betone und lediglich in Bezug auf den Islam sehr ablehnend sei. Vgl. Laurens (1978), bes. S. 6, 34. 11  Israel, Jonathan I.: Enlightenment Contested. Philosophy, Modernity, and the Emancipation of Man, 1670–1752, Oxford/New York 2006, S. 615: „Both dimensions of the Enlightenment seemed disposed in some degree to heed Giannone’s [an Italian historian and philosopher of radical enlightenment] summons by studying and learning more about the Muslim past.“ 12  Zu d’Herbelots Islambild ausführlich Laurens (1978), S. 71, 78.

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entlarven“13. Das Prophetenbild von Bayle, der im Rotterdamer Exil lebte und wegen seiner Schriften des Deismus bezichtigt schließlich seine Philosophieprofessur einbüßte, kann als exemplarisch für die aufkeimende Begeisterung für den Islam unter den radikalen Aufklärern gelten. Sie übertrugen die Werte ihrer neuen Ideologie auf den Islam und richteten die Argumente der antiislamischen Apologetik nun gegen die christlichen Institutionen selbst.14 Analog zur Propaganda im Zeitalter der Konfessionalisierung wurde Mohammed erneut zu einer Figur, welche die Parteien des in Europa geführten Religionsstreites für sich zu nutzen suchten. Mohammed blieb in der Darstellung der verschiedenen Lager ein Religionsbetrüger („imposteur“). Was die Sichtweisen jedoch voneinander unterschied, war, dass die vermeintliche Falschheit der „mohammedanischen“ Lehre seitens der traditionell Gläubigen als ein Beweis für die Korrektheit des eigenen Glaubens verwandt wurde, während die Aufklärer allen Offenbarungsreligionen kritisch gegenüberstanden, wobei sie die islamische Ablehnung der Mysterien der Dreifaltigkeit und der Eucharistie guthießen und darin Ansätze zu einer auf Vernunft basierten Religion zu erkennen meinten. Die Deutungshoheit über den Islam war also ein umkämpftes Gebiet. Bezeichnenderweise setzte sich in England um 1690 der Begriff „Mahometan Christians“ als diffamierende Bezeichnung für die Bewegung der ebenfalls die Trinität ablehnenden Unitarier durch.15 Noch extremer war die Sichtweise radikaler Religionskritiker, die den vormals nur auf Mohammed gemünzten Vorwurf des Betruges nun gegen alle Buchreligionen wandten. Ein frühes Beispiel ist die Schrift eines anonymen Autors mit dem Titel De tribus impostoribus, die wohl erstmals 1640 in lateinischer Fassung im Druck erschien und die Moses, Jesus und Mohammed gleichermaßen als Betrüger darstellt.16 13  Klinkenberg (2009), S. 172; vgl. Badir (1974), S. 54–55. 14  Vgl. Rodinson (1985), S. 64–65. Bayles persönliche Sicht im Religionsvergleich hängt sicher mit seinem hugenottischen Elternhaus und dem Schicksals seines Bruders zusammen, der 1685 nach der Aufhebung des Toleranzediktes von Nantes inhaftiert wurde und kurz darauf im Gefängnis verstarb. Im Dictionaire beruft sich Bayle auf den französischen Calvinisten Pierre Jurieu (1637–1713), der behauptet, dass die Katholiken durch den Krieg gegen die Waldenser und nach dem Massaker der Bartholomäusnacht mehr Blut von Rechtgläubigen vergossen hätten, als die Sarazenen („Sarrasins“) bei der Verfolgung von Christen. Vgl. Bayle (1697), Bd. 2, 1, S. 483. 15  Champion, Justin A. I.: Legislator, Impostors, and the Politic Origins of Religion. English Theories of „Imposture“ from Stubbe to Toland, in: Heterodoxy, Spinozism, and Free Thought in Early-EighteenthCentury Europe. Studies on the „Traité des Trois Imposteurs“, hrsg. v. Silvia Berti, Françoise CharlesDaubert u. Richard H. Popkin, Dordrecht u. a. 1996, S. 333–356, hier S. 351. 16  Eine französische, veränderte Fassung erschien im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts. Gerüchte datieren die Autorenschaft dieses Buches bis in das 13. Jahrhundert zurück. So soll Friedrich II. (1194– 1250) die drei Religionsgründer als Betrüger bezeichnet haben. Die lateinische Fassung von 1640 unterscheidet sich in der Schlussfolgerung, es gäbe eine „wahre Naturreligion“ von der französischen Fassung, die den Atheismus proklamiert. Vgl. Traktat über die drei Betrüger. Traité des trois imposteurs, hrsg. v. Winfried Schröder, Hamburg 1992, S. VIII–XIX; Champion (1996), S. 335.

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

Anschauliche Relativität Eine weltanschauliche Instrumentalisierung des Mohammedbildes offenbaren auch die zeitgenössischen Biographien. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die vorher nur im Verbund mit anderen Werken, als Passagen oder Unterkapitel von Koranübersetzungen, theologischen Erörterungen oder Nachschlagewerken, publizierten Lebensberichte des Propheten nun eigenständig als Monographien erschienen und dabei auf großes Marktinteresse stießen. Mit diesen Büchern fand das steigende Interesse an der Person und dem individuellen Charakter Mohammeds, das sich bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den ersten bildlichen Porträtdarstellungen artikulierte, nun auch in der literarischen Produktion Niederschlag. Anders als das Medium der Enzyklopädie bot die literarische Gattung der Biographie nicht nur mehr Raum, die eigenen Vorstellungen über den Charakter des Propheten zu erörtern, sondern auch Gelegenheit, seine Lebensgeschichte bildlich zu illustrieren. Die beiden populärsten Prophetenviten des 18. Jahrhunderts, die jeweils in mehrfachen Auflagen und Übersetzungen erschienenen, sind somit auch hinsichtlich der ihnen beigegebenen Druckgraphiken von besonderem Interesse.17 Bemerkenswert ist, dass beide Schriften mit denselben Kupferstichen illustriert wurden, obwohl ihre Autoren, der anglikanische Theologe Humphrey Prideaux (1648–1724) und der französische Radikalaufklärer Graf Henri de Boulainvilliers (1658–1722), auf den ersten Blick ganz gegensätzliche Positionen zum Islam vertraten (Kat. 19a–j, 19a1–j1). Die ersten illustrierten Ausgaben dieser Bücher erschienen beide mit fast identischen Obertiteln, La Vie de Mahomet bzw. La Vie de Mahomed, in Amsterdam. Der Druckort erklärt sich daraus, dass Amsterdam als eine Stadt von relativ großer religiöser Toleranz und nur milder Zensur im 17. Jahrhundert zu einem europäischen Zentrum des Buchdruckes und -handels wurde. Die dort ansässigen Drucker, oft selbst in ihrer Heimat religiös Verfolgte, scheuten sich auch nicht vor der Publikation unorthodoxer oder radikaler Themen.18 Humphrey Prideauxs Mohammedbiographie wurde 1698 bei dem aus Frankreich exilierten hugenottischen Buchhändler George Gallet gedruckt, Henri de Boulainvilliers’ Arbeit erschien erst posthum 1731 bei François Changuion.19

17  Prideauxs im Folgenden behandelte Biographie war das einflussreichste Werk dieser Art in seiner Zeit. Es erschien bis 1730 in insgesamt neun Auflagen. Die ersten Übersetzungen ins Französische und ins Deutsche erfolgten 1699. Vgl. Roling (2008), S. 63. Auch die unter den Zeitgenossen sehr umstrittene Mohammedbiographie des Grafen Boulainvilliers erlebte mehrere Auflagen. Die ersten Übersetzungen ins Deutsche und Englische kamen 1747 beziehungsweise 1757 auf den Markt. 18  Vgl. Wilson, Ellen J./Reill, Peter H.: Encyclopedia of the Enlightenment, New York 2004, S. 13–14 („Amsterdam“); Wyss-Giacosa (2006), S. 40–41. 19  Bei beiden Titeln handelt es sich um die jeweils zweite Ausgabe. Die ersten Ausgaben der beiden Bücher erschienen jeweils ein Jahr zuvor in London, waren jedoch unbebildert.

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Anhand der Übereinstimmung in den Details der Illustrationen ist unzweifelhaft, dass Changuion zur Bebilderung des Werkes dieselben Kupferplatten verwendete, die schon 1698 bei George Gallet zum Einsatz gekommen waren (Kat. 19a–j).20 Wie Changuion, ein ebenfalls exilierter französischstämmiger Protestant, der seine Amsterdamer Druckerei 1718 gründete, in den Besitz dieser Platten kam, ist unklar.21 Jedenfalls ist es möglich, dass Gallet die originalen Gravuren bereits im Jahr 1699, bei der Produktion einer zweiten Ausgabe von Prideauxs Mohammedvita, nicht mehr besaß, da für diese von dem holländischen Graphiker Jacques Harrewyn (Jacobus Harrewijn, 1660– 1727) Nachstiche nach den Vorlagen der ersten Ausgabe gefertigt wurden (Kat. 19a1–j1). Zwar überragen diese Kopien die Graphiken der ersten Edition an Erzählfreude und an künstlerischer Qualität, der Qualitätsunterschied erscheint jedoch zu gering, um damit allein die notwendige Investition zur Reproduktion der Stiche zu erklären. Andererseits ist auch nicht auszuschließen, dass es sich bei der zweiten Edition um einen „Raubdruck“ handelt, für dessen Publikation sich der Produzent des illegalen Nachdrucks zur Tarnung einfach der Identität Gallets bediente.22 Die Frage, weshalb Changuion die Kupferstiche aus Prideauxs Prophetenvita für die Illustration der Biographie von Boulainvilliers wiederverwendete, dürfte sich am ehesten mit der dadurch ermöglichten Kostenersparnis beantworten lassen. Fraglich aber bleibt, wie eine solche Wiederverwendung möglich war und wie die Bilder im jeweiligen Zusammenhang mit den scheinbar so unterschiedlichen Texten zu bewerten sind. Zwei Thesen sollen im Folgenden dargelegt werden: Erstens, dass sich die Vorstellungen der beiden Autoren Prideaux und Boulainvilliers von Mohammed im Kern kaum von20  Der Name George Gallet galt in der Forschung längere Zeit als das Pseudonym eines unbekannten Druckers. Es gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass sich ein George Gallet 1688 aus Frankreich in Amsterdam niederließ und dort ab 1700 „directeur“ der Druckerei der Brüder Huguetan aus Lyon war. Vgl. De boekhandel te Amsterdam voornamelijk in de 17e eeuw. Biographische en Geschiedkundige Aanteekeningen, ’s Gravenhage 1914–1916, hrsg. v. M. M. Kleerkooper u. Wilhelmus P. van Stockum, 2. Teil II (T–Z), Supplement, S. 1268–1269; Mellot, Jean-Dominique/Queval, Élisabeth: Répertoire d’imprimeurslibraires (vers 1500 – vers 1810), Paris 2004, S. 246, Nr. 2117. Interessanterweise erschienen bei Gallet im Jahr 1699 auch zwei Bände einer Sammlung fiktiver Briefe mit dem Titel L’espion dans les cours des princes chretiens, die vorher bei einem Erasmus Kinkius publiziert wurden. Diese „Briefsammlung“, in der ein fiktiver osmanischer Spion über Geheimnisse der europäischen Höfe berichtet, war eines der Werke, die Montesquieu zu seinen 1721 erstmals anonym in Amsterdam publizierten Lettres persanes anregten. Ob es sich bei Kinkius und Gallet um denselben Drucker handelt, ist unklar. Vgl. McBurney, William H.: The Authorship of the Turkish Spy, in: Publications of the Modern Language Association of America, 72, 5, 1957, S. 915–935, hier S. 921. 21  Zu François Changuion vgl. Haag, Eugène/Haag, Emile: La France protestante, erw. Aufl., Paris 1887–1889, Bd. 3, Sp. 1074. 22  Die Angabe falscher Identitäten und Druckorte auf den Titelblättern waren im 17. und 18. Jahrhundert keine ungewöhnliche Praxis. George Gallet verwendete wohl selbst bisweilen solche Decknamen. Vgl. Harneit, Rudolf: Fingierter Druckort: Paris. Zum Problem der Raubdrucke im Zeitalter Ludwig XIV., in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte, 14, 1–2, 1989, S. 1–118, 149–312, hier S. 57, 78–81.

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einander unterscheiden und zweitens, dass die Druckgraphiken ein Bild des Propheten kreieren, das zwar zum Teil mit den Beschreibungen und Sichtweisen der Autoren übereinstimmt, die Figur Mohammeds zugleich aber auch unabhängig von den Texten mit einer ganz eigenen Deutung belegen. In der Forschungsliteratur werden die Mohammedbiographien von Prideaux und Boulainvilliers oft als geradezu gegensätzlich bewertet.23 Während das Buch des anglikanischen Theologen Prideaux ein Werk der Polemik sei, das unter der Oberfläche einer wissenschaftlichen Argumentation lediglich die traditionellen antiislamischen Stereotypen kolportiere, gilt die Mohammedvita des Comte de Boulainvilliers vielen Autoren als ein Wendepunkt, gar als eine der ersten in Westeuropa veröffentlichten positiven Darstellungen Mohammeds.24 Boulainvilliers selbst unterstreicht seine differente Haltung zum Islam, indem er sich in seinem Buch dezidiert gegen Prideauxs negative Darstellung des Propheten ausspricht.25 Ein Vergleich der Werke zeigt jedoch, dass sich ihre Bewertungen von Mohammed als „Betrüger“ einerseits und politisches „Genie“ andererseits zwar deutlich voneinander unterscheiden, ihre jeweiligen Darstellungen aber auf Prämissen beruhen, die in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Zunächst ist festzustellen, dass Prideaux und Boulainvilliers gleichermaßen für sich beanspruchen, die Irrtümer früherer Autoren zu vermeiden und die Figur des Propheten zu entmythisieren. So lehnen beide die fabulösen Geschichten der gefälschten Wunder und des schwebenden Eisensarges am Grab

23  So etwa in Kidd, Thomas S.: „Is it worse to follow Mahomet than the Devil?“ Early American Uses of Islam, in: Church History, 72, 4, 2003, S. 766–790, hier S. 776: „After Prideaux, the next most important biography of Mohammed appears to have been Henri de Boulainvilliers’s ‚The Life of Mahomet‘ […]. It offered a substantially different approach to Mohammed than Prideaux’s ‚The True Nature of Imposture‘.“ Auch in Tolans Überblick über die europäische Mohammedliteratur erscheinen die Biographien als gegensätzliche Positionen. Vgl. Tolan (2010), S. 240–241. 24  Zur Instrumentalisierung Mohammeds durch Prideaux vgl. Reeves (2000), S. 159–160. Zu Boulainvilliers vgl. Brogi, Stefano: Il cerchio dell’universo. Libertinsmo, Spinozismo e filosofia della natura in Boulainvillers, Florenz 1993, S. 133; Israel (2006), S. 615; D’Ancona (1994), S. 20. Saunders, J. J.: Mohammed in Europe. A Note on Western Interpretations of the Life of the Prophet, in: Quarterly Journal of the Historical Association, 39, 1954, S. 14–25, hier S. 19: „[Boulainvilliers’ book] has some claim to be regarded as the first friendly study of the Prophet ever produced in Christian Europe.“ Bei Rizvi heißt es etwas relativierender, Boulainvilliers’ Beschreibung stünde „among the most comprehensive and sympathetic descriptions of early Islamic history“. Rizvi (2010), S. 173. 25  Boulainvilliers, Henri Comte de: La Vie de Mahomed avec des Réflexions sur la Religion Mahometane, & les Coutumes des Musulmans, Amsterdam 21731, S. 181: „[…] lequel [Prideaux], quoiqu’Historien très judicieux, n’a pas cru devoir se départir de l’idée commune, qui fait de ce Prophete prétendu, un Imposteur aussi ignorant que méprisable; & qui n’imagine dans cette imposture d’autre artifice pour séduire les hommes, que de leur permettre la pluralité des Femmes, & de leur promettre un Paradis où ils en auroient en abondance.“

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des Propheten ab.26 Gemeinsam ist beiden Autoren auch, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die vermeintliche Sinnesfreudigkeit des Propheten und seiner Lehre richten und diesbezüglich in längeren Passagen sowohl die Polygamie als auch die dem Propheten unterstellte intensive sexuelle Begierde thematisieren. Während diese bei Prideaux zum Anlass wird, Mohammed als einen „alten Lüstling“ moralisch zu verurteilen,27 gibt Boulainvilliers, statt die angebliche Wollust des Propheten zu bestreiten, zu bedenken, dass „unsere“ moralischen Grundsätze zwar die überlegenen seien, diesen selbstgestellten Ansprüchen jedoch kaum jemand gerecht werde.28 Auch bei Boulainvilliers erscheint der Islam als eine den weltlichen Freuden zugewandte Religion, jedoch richtet der Graf den Vorwurf moralischer Dekadenz weniger gegen die Muslime als gegen die eigene Gesellschaft, woraus sich ergebe, dass die islamischen Gesetze letztlich „einfacher und natürlicher“ seien als die der Christen.29 Auch die von Prideaux immer wieder geäußerte Behauptung, dass es sich bei der Religion Mohammeds um eine seinem Machtstreben dienliche Erfindung handle, wird von Boulainvilliers nicht bestritten. Der Graf bezeichnet den Koran als ein Instrument, dessen sich Mohammed zur Erfüllung seiner ehrgeizigen Pläne bediente.30 Jedoch spielt der theologische Wahrheitsgehalt der von Mohammed offenbarten Lehre für Boulainvilliers, im Gegensatz zu Prideaux, keine Rolle.31 Statt nach religiösen Wertmaßstäben urteilt Boulainvilliers nach zivilisatorischen und politischen Gesichtspunkten, weshalb 26  Vgl. Prideaux (31698), S. 138. Dennoch findet sich bei beiden Autoren weiterhin die fiktive Geschichte, nach der der Tod des Propheten auf einen Giftanschlag zurückgehe. Ebd., S. 134–135. Boulainvilliers (21731), S. 102–103. Prideaux hält darüber hinaus an der Geschichte von dem nestorianischen Mönch (Bahira/Sergius) fest, der Mohammed unterwiesen haben soll, was Boulainvilliers als eine schlecht ersonnene Lüge ablehnt. Vgl. Prideaux (31698), S. 46–49; Boulainvilliers (21731), S. 122. 27  Prideaux (31698), S. XXII. Prideaux weist zwar darauf hin, dass der korrekte Name des Propheten Mohammed sei, dennoch weicht er nicht von der populäreren Bezeichnung „Mahomet“ ab, was symptomatisch für seine gesamte Darstellung ist. Als Synonyme für den Propheten verwendet er häufig die Begriffe „impostor“ oder „old lecher“. 28  Boulainvilliers (21731), S. 172: „En un mot, nos maximes sont préferables, mais nous nous dispensons de les suivre; & c’est en-vain que la Pureté & la Continence se présentent à nous sous la forme la plus gracieuse. Les maximes des Musulmans sont plus simples & plus naturelles, & ils y sont attachez par un principe qui n’est point different du nôtre; puisque c’est toujours la Religion qui conduit les Chrétiens & les Musulmans par deux routes si extraordinairement opposées.“ 29  Ebd. 30  Ebd., S. 240. Bei Boulainvilliers ist die Religion zwar ein politisches Mittel, das Mohammed dazu ersonnen habe, das römische und das persische Reich zu vernichten, jedoch geht der Graf nicht so weit, Mohammeds Glauben an seine eigene göttliche Berufung abzustreiten. Vgl. ebd., S. 175: „[I]l regarda cette faveur du Ciel comme la preuve du choix que Dieu en faisoit lui-même; & ne songea plus qu’à employer en cette occasion tous les avantages que la Tradition, & la prévention des Arabes lui donnoient, pour y attacher un Culte qu’il ne prévoyoit peut-être pas alors devoir passer à d’autres Nations.“ 31  Boulainvilliers äußert zwar, dass die christliche Lehre als überlegene zu bezeichnen sei, sein Lob der christlichen Ideale ist jedoch stets mit einer Kritik an der mangelnden praktischen Umsetzung derselben verbunden. Vgl. ebd., S. 239–240.

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Mohammed von ihm nicht als Betrüger, sondern als ein Gesetzgeber und Reformer charakterisiert wird.32 Ein listiger Machtmensch ist Mohammed somit bei beiden Autoren, wobei selbst der sonst ausschließlich negativ urteilende Prideaux Mohammeds Entscheidungen mehrfach als „prudent“ bezeichnet.33 Generell lässt sich feststellen, dass die Themenfelder Herrschaft, Gewalt und Sexualität in beiden Biographien großen Raum einnehmen und das jeweilige Islambild der Autoren stark determinieren, worin wohl nicht zuletzt ein Grund für den Publikumserfolg dieser Viten liegt. Der wesentliche Unterschied zwischen der Biographie Prideauxs und der Boulainvilliers’ ergibt sich also nicht aus der Schilderung der Taten und des vermeintlichen Charakters des Propheten, sondern aus den unterschiedlichen Intentionen der Autoren und den mit diesen verbundenen Deutungsmustern.34 Von der Forschung wurde bereits dargelegt, dass es beiden Autoren nicht primär um den Islam ging, sondern dass sie mit ihren Schriften Probleme der eigenen Gesellschaft verhandelten.35 Noch eindeutiger als in den Enzyklopädien Bayles und d’Herbelots wird das Bild von Mohammed hier im Streit miteinander konkurrierender Weltanschauungen instrumentalisiert. Während Prideauxs Buch sich gegen zeitgenössische Religionskritiker, vor allem gegen Unitarier, Sozianisten und Atheisten richtete, handelte es sich bei Boulainvilliers um eine Schrift gegen den Klerus.36 Prideauxs Prophetenbiographie kann als im klassischen Sinne apologetisch gelten – als eine Verteidigungsschrift des christlichen Glaubens. Der anglikanische Theologe reagiert mit seinem Buch auf die neue „Mode“ der Ungläubigkeit („infidelity“), die er 32  Damit steht Boulainvilliers in der Tradition der Radikalaufklärer, die Mohammeds vermeintlichen Religionsbetrug als einen fortschrittlichen zivilisatorischen Akt uminterpretierten und den Propheten als „Gesetzgeber“ bezeichneten. Diese Sichtweise vertrat nicht nur der englische Orientalist Henry Stubbe in seiner unveröffentlichten Prophetenvita von 1671–1675, Mohammed wurde auf diese Weise sogar als erster der drei Begründer der Buchreligionen in einer englischen Übersetzung des Traktes Tribus impostoribus rehabilitiert. Vgl. Champion (1996), S. 341. 33  So etwa in Bezug auf die Entscheidung, den Genuss von Wein zu verbieten: Prideaux (31698), S. 112. 34  Bei dem Geistlichen Prideaux nehmen die Erörterungen in Zusammenhang mit der Sexualmoral und den Frauen des Propheten einen nicht unerheblichen Teil des Buches ein. Vgl. Prideaux (31698), S. 141–158. Von geradezu übermenschlichem Ausmaß ist dabei die Potenz, die Mohammed zugesprochen wird. Prideaux beruft sich hier auf den spanischen Apologeten Juan Andrés, wenn er behauptet, „[h] e had in Venery the strength of forty other Men, and […] he knew all his Wives, when he had eleven of them, one after another in an hours time.“ Ebd., S. 153. Das Vorwort des Übersetzers der deutschen Ausgabe von Boulainvilliers’ Vita, Johann August Mebes (1755–1829), liest sich hingegen wie eine ironische Replik auf derartige Phantasien. Vgl. Boulainvilliers, Henri Comte de: Leben des Muhamed, mit Betrachtungen über die muhamedanische Religion […], übers. v. J. U. Mebes, Halle 1786, S. IV: „Ich lasse die Leidenschaften, die [Mohammed] begünstigt: unter zwanzig Millionen Menschen sind neunzehn und eine halbe, die nicht im Stande sind, sie zu befriedigen, ja nicht einmal daran zu denken.“ 35  Ziel Prideauxs sei es, „the rational doubters of the Christian revelation“ anzugreifen. Pailin (1984), S. 83. Vgl. auch Champion (1996), S. 350; Almond (1989), S. 12. 36  Johann Fück beschreibt das Werk als einen „antiklerikalen Roman“. Fück (1955), S. 103.

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vor allem bei jungen Leuten festgestellt habe.37 Tatsächlich erschienen im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts vermehrt Schriften, die die christliche Offenbarung und die Bibel in Zweifel zogen.38 Ein in diesem Sinne radikales Buch war der bereits erwähnte Traktat De tribus impostoribus, welcher die Anklage des Religionsbetruges nicht mehr nur gegen den Propheten Mohammed erhob, sondern auch gegen Moses und Jesus richtete und damit die drei Offenbarungsreligionen in Zweifel zog. Zudem zirkulierte in englischen Gelehrtenkreisen die ebenfalls bereits erwähnte Mohammedvita des Henry Stubbe. Darin gab der Arzt und Bibliothekar der Oxforder Bodleian Library nicht nur eine äußerst positive Schilderung des Propheten, sondern warf den christlichen Autoren zugleich Intoleranz und vorsätzlichen Betrug vor.39 Auf derartige Schriften scheint Prideaux zu reagieren, wenn er statt vor „Mahomet“ vor dem „Socianian, the Quaker, and the Deist“ warnt, die als die neuen Handlanger des „Wicked One“ nun das Christentum in Gefahr brächten.40 Der Theologe sah also keine akute Bedrohung durch den Islam, der Prophet diente lediglich als ein Exemplum für die antiklerikalen Strömungen seiner Zeit. Prideauxs detaillierte Darlegung, weshalb Mohammeds Lehre falsch sei, folgte letztlich dem Zweck, Merkmale für einen Religionsbetrug zu definieren, um anhand dieser – ex negativo – die Wahrhaftigkeit der christlichen Offenbarung aufzuzeigen.41 37  Vgl. Prideaux (31698), Vorwort S. II–III. 38  Der „Deismus“ bemühte sich um eine rationale Kritik der Mysterien der Religion. Beispielhaft sind etwa die Schriften des zum Protestantismus konvertierten Iren John Toland, der sich bereits 1696 in seiner unmittelbar darauf verbotenen Christianity not Mysterious für eine rein auf Vernunft basierte Auslegung des Christentums einsetzte und später in seinem Nazarenus: or Jewish, gentile, and Mahometan Christianity (London 1718) behauptete, er hätte das verlorene Evangelium des Barnabas, in dem Jesus lediglich als Mensch beschrieben werde, wiederentdeckt. 39  Zwar ist auch die Schrift Stubbes nicht frei von antiklerikalen Äußerungen, sie polemisiert jedoch weit weniger als die Prophetenvita Boulainvilliers. Publiziert wurde die Schrift erstmals 1911 in London durch Hafiz Mahmud Khan Shairani. Der Herausgeber bezeichnet den Text als „the earliest known sympathetic composition in English literature“. Stubbe (1911), S. V. Stubbes neuartige Sichtweise auf Mohammed, die ein Vorbild für die späteren Autoren der Aufklärung wird, und sein Spott über die christlichen Apologeten und ihre Wundergeschichten lässt sich in folgendem Zitat fassen: „With such stories as these have the Christians represented him [Muhammad] to be the vilest Impostor in the World, and transformed the Wisest Legislator that ever was, into a simple cheat. […] Yet in the Legends of their own Saints there are such Tales that one will not admire if they made no better Romances of their Enemies.“ Ebd., S. 151. Zur Bedeutung von Stubbes Text vgl. Holt, Peter M.: A Seventeenth-Century Defender of Islam, Henry Stubbe (1632–76) and his Book, London 1972, S. 17–18, 28; Jacob, James R.: Henry Stubbe. Radical Protestantism and the Early Enlightenment, Cambridge u. a. 1983, Kap. 8, bes. S. 65, 76. 40  Prideaux (31698), S. XIV–XVI. 41  Dazu Holt, Peter M.: The Treatment of Arab History by Prideaux, Ockley and Sale, in: Lewis/Holt (1962), S. 290–302, hier S. 292; Quinn (2008), S. 70. Prideaux steht damit in der Tradition von Hugo Grotius, der im sechsten Buch De veritate Relgionis Christianae von 1632 zum Beweis der Wahrheit des christlichen Glaubens ebenfalls die Widerlegung des Islam anführt. Vgl. Grotius, Hugo: True Religion [1632], in: The English Experience, its Record in Early Printed Books Published in Facsimile, Amsterdam/New York 1971, Nr. 318, S. 317–350.

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Auch Boulainvilliers spannte Mohammed für seine Zwecke ein, indem er ihn als einen aufgeklärten Rationalisten stilisierte, dessen Ziel es gewesen sei, eine vernunftbasierte Religion mit einer natürlichen Moralvorstellung zu verbreiten.42 Mit dieser Sichtweise formulierte Boulainvilliers eine ideologische Grundlage des „aufgeklärten“ Islambildes, die bis in das Zeitalter der Romantik Gültigkeit haben sollte. In Boulainvilliers’ Darstellung erscheint Mohammed wie der typische Besucher eines philosophischen Salons im Paris des 18. Jahrhunderts,43 denn der Graf unterstellte dem Propheten eine liberale und antiklerikale Haltung, die wohl mit seiner eigenen Sichtweise genau übereinstimmt: Il regardoit au contraire les Evêques, les Prêtres, & tout le Clergé séculier; premierement, comme un assemblage politique d’hommes réunis à ce point-ci, de faire servir la Religion à leurs passions, convoitise, avarice, faste, domination; & qui avoient trouvé le secret de persuader aux Peuples, que l’obeïssance aveugle qu’ils en exigeoient est inséparable de celle qui est dûe à DIEU. De plus, il les regardoit comme les véritables auteurs d’une infinité de disputes qui divisoient alors le Christianisme; comme inventeurs des superstitions du temps; enfin, comme des faux Docteurs, qui s’efforçoient de plonger tous les hommes dans l’erreur, selon les conditions, les rangs, les richesses, & la mesure de capacité de chacun d’eux.44 Aus dem Prideaux und Boullainvilliers gemeinsamen Ziel, mit der Figur Mohammeds Kritik an der eigenen Gesellschaft zu üben, ergaben sich mögliche Überschneidungen bei ihrer visuellen Darstellung. Ein Beispiel hierfür ist der Kupferstich mit der Darstellung eines vermeintlichen Ehebruchs Mohammeds mit einer ägyptischen Magd, der von zwei seiner Frauen entdeckt wird (Kat. 19j, 19j1, Abb. 48). Eine bildliche Darstellung dieser Episode findet sich bereits in den Acta Mehmeti der Brüder de Bry, war dort jedoch hinsichtlich der sexuellen Handlung weniger explizit (Kat. 9b, Abb. 26). Im späteren Kupferstich wird der entkleidete Prophet mit seiner Geliebten nun wirklich in flagranti unter der Bettdecke erwischt. Die sexuelle Komponente wird auch durch die vordere der beiden von links in die Szene eilenden Ehefrauen akzentuiert, deren Brust, wie die der Geliebten im Bett, ebenfalls unbedeckt ist. Diese aufreizende, keineswegs arabischen Gebräuchen entsprechende Gewandung soll wohl die generelle Freizügigkeit der dargestellten Gesellschaft betonen. Die im Bild thematisierte Diskrepanz zwischen dem Gebot ehelicher Treue und der offensichtlichen Laszivität der Handelnden wird auch in der Figur des bellenden Hündchens am Fuße des Himmelbettes zum Ausdruck gebracht. 42  Rodinson wies in diesem Kontext bereits darauf hin, dass die Begeisterung einiger Aufklärer für den Islam den Zug eines „Kampfes gegen das Christentum“ annahm. Vgl. Rodinson (1985), S. 64–65. 43  Quinn (2008), S. 60: „It was the tendency of eighteenth-century writers to fashion a Prophet that fit their own school of philosophical or religious thought, and for de Boulainvilliers’ Muhammad could have fit comfortably into a Parisian philosopher’s salon.“ 44  Boulainvilliers (21731), S. 224–225.

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Abb. 48  Jacques Harrewyn, Mohammeds Ehebruch, aus: Humphrey Prideaux, La Vie de Mahomet […], Amsterdam 1699, S. 165 (Kat. 19j1)

Einst ein Symbol der Treue hatte sich die Bedeutung des Hundes im 17. Jahrhundert in ihr Gegenteil verkehrt. Die gerade bei Kurtisanen als Schoßtiere beliebten kleinen Luxushunde sind in Wirtshaus- und Bordellszenen der Zeit gängige Symbole der Wollust (luxuria).45 45  Vgl. Dittrich, Sigrid/Dittrich, Lothar: Lexikon der Tiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts, Petersberg 22005, S. 227–228; Zur ambivalenten Symbolik des Hundes im Chris-

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Allerdings wirkt die Darstellung des Ehebruchs bei näherer Betrachtung wie eine Maskerade, bei der europäische Figuren in einem europäischen Ambiente mittels phantasievoller Kostüme und Accessoires als Orientalen inszeniert sind. Vor allem der Blick aus dem Fenster im Hintergrund der Szene, der über eine perspektivisch in die Tiefe fluchtende Zypressenallee zu einem auf einer Hügelkuppe thronenden dreiflügeligen Bau mit zentraler Kuppel führt, lässt an einer Verortung der Geschichte im Orient erhebliche Zweifel aufkommen. Selbst wenn der zeitgenössische Betrachter davon ausginge, es handle sich um die Darstellung einer arabischen Landschaft, dürfte ihm dennoch nicht deren frappierende Ähnlichkeit mit den Gartenanlagen und Schlossbauten des Absolutismus entgangen sein. Der von dem Graphiker der zweiten Version des Blattes als Bekrönung der zentralen Kuppel hinzugefügte Halbmond (Kat. 19j1, Abb. 48) führt, anstatt die Glaubwürdigkeit der Szenerie zu erhöhen, stattdessen die Theatralität dieses bewusst als durchschaubare Fassade konstruierten Pseudo-Orients noch deutlicher vor Augen. Hierin wird anschaulich, dass der Künstler bei der Gestaltung der Szene und der von ihr formulierten Persiflage auf ein sexuell freizügiges Leben die Figur Mohammeds ebenfalls dazu verwendet, um die doppelbödige Moral der eigenen Gesellschaft vorzuführen. Maskiert, genau genommen aber unmissverständlich, thematisiert die Graphik die Sitten des französischen und anderer europäischer Höfe, die ein regelrecht institutionalisiertes Mätressenwesen betrieben.46 Der Mohammed im Text vorgeworfene Ehebruch wird hier also bildlich mit einer in Europa gängigen Praxis überblendet, die sich nur oberflächlich als islamischer Orient geriert. Dabei konnte der Bildschöpfer sicher sein, dass eine derartig vermittelte Botschaft auch verstanden wurde, denn es gehörte bereits im 17. Jahrhundert zu den gängigen Praktiken der Novellisten und Dramatiker, Themen von aktueller Relevanz im Kleide des Morgenlandes zu präsentieren.47 Jedenfalls dürfte eine derartige Kritik an den höfischen Sitten sowohl im Sinne des moralisierenden Theologen Prideaux wie auch des libertinistisch, zugleich aber antimo-

tentum ebenso Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie, Religion, Psychologie, hrsg. v. Wolfgang Bauer, München 2003, S. 141. 46  Vgl. Herman, Eleanor: Im Bett mit dem König. Die Geschichte der königlichen Mätressen. Aus dem Amerikanischen übers. v. Ebba D. Drolshagen, Augsburg 2004, S. 12–15. 47  Duprat, Anne: Muslim Heroes in Early Modern French Literature. Inventing History, in: Repräsentationen der islamischen Welt in Europa der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Gabriele Hau-Moritz u. Ludolf Pelizaeus, Münster 2010, S. 221–235, hier S. 225: „This particular use of the device of exemplum, as a historical fact used to enlighten the understanding of a clouded contemporary situation, is quite typical of the polemic use French fiction could make of the Muslim hero as a revealing disguise, whose borrowed features made it possible for the Christian hero to demonstrate at the end of the thread the truthfulness and authenticity of his faith.“ Das von Duprat in Bezug auf das Theater und die Belletristik im Frankreich des 17. Jahrhunderts beschriebene Verfahren stimmt mit dem Ansatz überein, den Prideaux mit seiner Darstellung Mohammeds verfolgte.

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Abb. 49  Kupfertitel, aus: Humphrey Prideaux, La Vie de Mahomet […], Amsterdam 1698 (Kat. 19a)

narchistisch eingestellten Boulainvilliers gewesen sein.48 Trotz ihrer unterschiedlichen Bewertungen des Propheten können die Intentionen beider Autoren in diesem Bild Mohammeds übereinkommen. Der in beiden Büchern bis auf die Verlagsangabe ebenfalls identische Kupfertitel greift Themenkomplexe auf (Kat. 19a, 19a1, Abb. 49, 52), die bereits für die Mohammed48  Vgl. Tholozan, Olivier: Henri de Boulainvilliers. L’anti-absolutisme aristocratiques légitimé par l’histoire, Marseille 1999, S. 150–155.

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Abb. 50  „Mahomet marchand, Epusant Cadiga“, aus: Humphrey Prideaux, La Vie de Mahomet […], Amsterdam 1698, S. 11 (Kat. 19c)

porträts in Baudiers Histoire von 1625 und in Nerreters Neu-eröffnete Moschea von 1703 zentral waren: 49 die generelle Problematik bildlicher Wahrhaftigkeit und Täuschung sowie das Bewusstsein über die historische Distanz zum betrachteten Objekt und die Relativität des eigenen Standpunktes. 49  Vgl. Kapitel 3, S. 135–145, 151–154..

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Im Bildvordergrund sieht sich der Betrachter frontal mit der Figur eines jungen Mannes konfrontiert, der auf einem Globus sowie einem Kreuz und zwei Steintafeln steht und ein Schwert und einen Halbmond in seinen Händen hält. Ihrem Wesen nach erscheint die Figur höchst ambivalent. Der Graphiker lässt im Unklaren, ob es sich bei der Gestalt um einen Menschen oder eine Skulptur handeln soll. Für Ersteres sprächen die Bewegtheit, die Oberflächengestaltung der Kleidung und Epidermis sowie die Größe der Figur, worin sie sich in keiner Weise von den sie umringenden Männern unterscheidet. Eine hinsichtlich der Physiognomie und Kleidung identische Figur verkörpert innerhalb des Buches außerdem den jungen Mohammed in der Szene seiner „Hochzeit mit Hadiga“ (Kat. 19c, 19c1, Abb. 50). Dafür, dass es sich bei der Figur des Titelblattes um eine Skulptur des Propheten handelt, sprechen jedoch der hohe Sockel, auf dem die Gestalt isoliert ist, sowie ihre Pose und ihr Blick, die in keinem Bezug zu den anderen Bildfiguren stehen. Der Sockel und die ambigue Natur der Figur als gleichsam lebendes Bild rufen dabei einerseits die mittelalterlichen Darstellungen auf Säulen oder Altären erhöhter Götzenbilder auf, andererseits gemahnt das Spiel mit den Realitätsebenen im künstlerischen Sinne an den Mythos des antiken Bildhauerkönigs Pygmalion, dessen elfenbeinernes Standbild einer jungen Frau durch Venus zum Leben erweckt wird.50 Eine weitere Sinnebene hat der Kupferstecher mit der durch die Brüste gegebenen uneindeutigen sexuellen Natur der Figur ins Bild gelegt. Sonst klar als männlich charakterisiert, erscheint die Prophetenfigur durch die Hinzufügung des weiblichen Geschlechtsmerkmales als effeminiert. Diese Verweiblichung kann im zeitgenössischen Kontext als Kritik an der physischen Stärke und Moral des Propheten ausgelegt werden. Der Topos des „effeminierten Asiaten“ geht bis auf Hippokrates zurück, der das gleichbleibende asiatische Klima als einen Grund für die angebliche Verweichlichung der Bewohner anführt.51 Als diffamierendes Attribut findet sich das Motiv des orientalischen Herrschers mit Brüsten bereits auf dem Kupfertitel von George Sandys Reisebericht aus dem Osmanischen Reich, auf dem der amtierende Sultan Ahmet I. dargestellt ist.52 Zudem war der

50  Zum Pygmalion-Mythos und zur Frage artifizieller Lebendigkeit vgl. zuletzt Hersey, George L.: Falling in Love with Statues. Artificial Humans from Pygmalion to the Present, Chicago u. a. 2009; Stoichiţă, Victor I.: The Pygmalion Effect. From Ovid to Hitchcock, Chicago/London 2008; Assmann, Aleida: Belebte Bilder. Der Pygmalion-Mythos zwischen Religion und Kunst, in: Pygmalion. Die Geschichte des Mythos in der abendländischen Kultur, hrsg. v. Mathias Mayer u. Gerhard Neumann, Freiburg i. Br. 1997, S. 63–87; Zu den Darstellungen Mohammeds als Idol vgl. Camille (1989), S. 129–164. 51  Vgl. Bisaha (2004), S. 46. Interessanterweise kehrt Boulainvilliers in seiner Argumentation den von Hippokrates behaupteten Zusammenhang zwischen Klima und moralischer Konstitution um und behauptet nun seinerseits, es sei der beständige Wechsel der Jahreszeiten, welcher die ungezähmten Leidenschaften („passions indomptables“) im Temperament der Nordländer erzeuge. Boulainvilliers (21731), S. 3–4. 52  Vgl. Sandys, George: A Relation of a Journey Begun An. Dom. 1610 […], London 1615, Facsimile Nachdr., Amsterdam 1973. Zum Kupfertitel und seiner Gleichsetzung des Sultans Ahmed I. mit der Allegorie der Tyrannei vgl. Avcıoğlu, Nebahat: Ahmed I and the Allegories of Tyranny in the Frontispiece

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Vorwurf in Bezug auf den Propheten nicht neu, so hat etwa Hugo Grotius in seiner De Vera Religione von 1632 Mohammed als effeminierten Räuber bezeichnet.53 Da dieselbe Figur in der „Hochzeit mit Hadiga“ ohne Brüste erscheint, sollte eine weitere Bedeutung in Betracht gezogen werden. Die Brüste könnten darauf hinweisen, dass es sich um eine Personifikation bzw. um eine Allegorie handeln soll, die traditionell meist weiblich dargestellt wurde.54 Diese Deutung der Figur wird durch die ihr beigegebenen Objekte unterstützt, denn der Globus, das Kreuz und die Maske am Gürtel ergäben in einer Repräsentation Mohammeds als reale Gegenstände nur wenig Sinn. Dieser erschließt sich erst, wenn die Gegenstände als Attribute aufgefasst werden und ihnen ein symbolischer Wert zugesprochen wird. So stehen Globus, Kreuz und Gesetzestafeln unter den Füßen Mohammeds für den Machtanspruch, sich über Judentum und Christentum (Alten und Neuen Bund) zu erheben und die Welt zu regieren. Dadurch, dass der linke Fuß der Figur gerade auf dem Erdteil Europa zu stehen kommt, wie an dem Schriftzug darunter zu erkennen ist, wird die unmittelbare Relevanz dieser Dominanzbehauptung für die Leser noch unterstrichen. Werden die weiteren Objekte, das Schwert, der phantastische turbanartige Kopfputz, die über dem linken Arm hängende Schriftrolle, die wohl eine Koransure darstellen soll, und der Halbmond ebenfalls als Attribute gelesen, so ließe sich die Figur als eine sich statuenhaft gebärdende Allegorie des Islam in der Gestalt des jungen Propheten Mohammed interpretieren. Die Vieldeutigkeit und Hybridität dieser Figur wird von dem Attribut der Maske unterstrichen, das aufgrund seiner Komplexität eine etwas ausführlichere Analyse verlangt. Mit ihm wird ebenso wie mit der Maske unter dem „Porträt“ Mohammeds in Baudiers Histoire (Kat. 12, Abb. 42) die Glaubwürdigkeit des Prophetengesichtes in Frage gestellt. Allerdings eröffnet die vielfache Verwendung von Masken in der Kunst des 17. Jahrhunderts ein komplexes semantisches Feld, das die Festlegung eines definitiven Sinngehalts erschwert.55 Im Kontext der Prideaux’schen Darstellung Mohammeds als

to George Sandys’ „Relation of a Journey“, in: Muqarnas, 18, 2001, S. 203–226, worin allerdings keine Erklärung für die Brüste der Figur gegeben wird. 53  Grotius (1971), S. 329: „Mahumet a long time was robber, and always effeminate.“ So Grotius in seinem Vergleich zwischen Mohammed und Jesus. 54  Dies lag zum einen daran, dass die meisten der von den Bildallegorien verkörperten Abstrakta in der lateinischen Form ebenfalls feminin sind: justitia, prudentia, fortitudo usw. Vgl. Held, Julius: „Allegorie“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, hrsg. v. Otto Schmidt, Stuttgart 1937–2003, Bd. 1, Sp. 346–365. Andere Erklärungsmodelle werden von der Genderforschung erörtert. Vgl. Rentmeister, Cäcilia: Berufsverbot für die Musen. Warum sind so viele Allegorien weiblich?, in: Ästhetik und Kommunikation, 25, 1976, S. 92–112. 55  In Cesare Ripas Iconologia von 1593, der auch im 17. Jahrhundert einflussreichsten Beschreibung zur Konstruktion von Allegorien, erscheint die Maske als Attribut sowohl positiver als auch negativer Personifikationen. Zu Letzteren, die in der Überzahl sind, zählen: bugia, fraude, inganno, otio, simulatione und tradimento. Eine neutrale oder positive Bedeutung hat die Maske hingegen bei comedia, imitatione, pittura und thalia. Vgl. Ripa, Cesare: Iconologia overo Descrittione di diverse Imagini cavate dall’antichità,

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„imposter“ kann die Maske zunächst als Zeichen für Betrug und Falschheit verstanden werden. Diese Bedeutung ist nicht nur durch Cesare Ripas Allegorienhandbuch Iconologia belegt, sondern kann anhand eines Gemäldes von Giovanni Pietro Telesphoro de Pomis aus dem Jahr 1614, in dem die Maske erstmals als ein Attribut der Personifikation der Häresie erscheint, ganz spezifisch als Hinweis auf einen Religionsbetrug gedeutet werden.56 Die von der Maske evozierte Bedeutung des Betrugs ist jedoch facettenreich und muss sich nicht notwendigerweise allein auf eine religiöse Irrlehre beziehen. In Niccolò Machiavellis Il Principe wird das betrügerische Talent, die Fähigkeit zur Simulation und Dissimulation, sogar zu einer notwendigen Eigenschaft des Herrschers.57 Auch im 17. Jahrhundert wurde die Täuschung von einigen Autoren als eine für das öffentliche Leben notwendige Eigenschaft beschrieben.58 Vor diesem Hintergrund kommt dem Attribut der Maske zwar ebenfalls keine positive Bedeutung zu,59 als Sinnbild einer politischen Fertigkeit entspräche die Maske jedoch der Auslegung der beiden Autoren, die Mohammed als politisch kalkulierenden Machtmenschen schildern. Betrachtet man die Maske, abseits der allegorischen Lesarten, als einen Verweis auf den zeitgenössischen gesellschaftlichen Kontext, so gerät die Differenzierbarkeit zwischen Person und Maske ins Wanken. Entsprechend der doppelten Bedeutung des lateinischen Wortes persona, das sowohl mit „Person“ als auch mit „Maske“ übersetzt

& di propria inventione [1603], eingel. v. Erna Mandowsky, Hildesheim/Zürich/New York 1984, S. 46, 174, 228, 374, 455, 489 zur negativen Besetzung der Maske sowie S. 70, 223, 404, 347 für eine gegenteilige Auffassung. Darüber hinaus wird die Maske als Symbol der Falschheit von der Personifikation der lealtà zerstört. Vgl. ebd., S. 290. Eine eingehende Studie zur Ikonographie der Maske wurde von Eckhard Leuschner vorgelegt: Leuschner, Eckhard: Persona, Larva, Maske. Ikonologische Studien zum 16. bis frühen 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. a. 1997. 56  Das Gemälde zeigt den Triumph des Erzherzogs Ferdinand über die Häresie. Die Personifikation der Häresie ist als alte und hässliche Frau dargestellt, die ihre schöne Maske verliert. Vgl. Leuschner (1997), S. 130, 487. Auch in den Werken anderer Künstler findet sich die Maske als Attribut der Häresie: so in dem Romeyn de Hooghe zugeschriebenen Frontispiz zu Gottfried Arnolds Historie der kerken en ketteren von 1701 (Kat. 21a) oder sehr prominent im Kuppelfresko der Karlskirche in Wien, das Johann Michael Rottmayr zwischen 1726 und 1729 schuf. Für den Hinweis auf de Hooghe danke ich Herrn Prof. Leuschner. 57  Machiavelli (1972), Kap. 18, S. 31: „[Il principe deve] essere gran simulatore e dissimulatore, […] che colui che inganna troverrà sempre chi si lascerà ingannare.“ Zu Machiavellis Darlegung der Bedeutung der metaphorischen Maske für den Herrscher vgl. Weihe, Richard: Die Paradoxie der Maske. Geschichte einer Form, München 2004, S. 77–80. 58  So in der Nachfolge Machiavellis bei Justus Lipsius (1547–1606). Vgl. Lipsius, Justus: Politica. Six Books of Politics or Political Instruction, eingel. und übers. v. Jan Waszink, Assen 2004, Liber IV, Caput XIV, S. 513. Bei Torquato Accetto (1590/8–1640) erscheint die Dissimulation als notwendiges Mittel, um gesellschaftlichen Schaden abzuwenden. Accetto, Torquato: Della dissimulazione honesta, Neapel 1641. 59  So wird etwa Karl II. von England in einem Spottbild des Romeyn de Hooghe ebenfalls mit einer Maske dargestellt. Vgl. Zes portretten van hoofdpersonen van het Rampjaar 1672, Rijksprentenkabinet Amsterdam, inv. nr. FM 2327.

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Abb. 51  Giovanni Martinelli, Personifikationen der Malerei, Geschichte und Skulptur (?), 1630–59, Privatbesitz

werden kann, wurde eben Letztere in der frühen Neuzeit als ein integraler Bestandteil bei der Konstitution einer öffentlichen, sozial determinierten Identität angesehen.60 In dieser Hinsicht hat Nina Trauth für die bereits im 16. Jahrhundert nachweisbaren Por­ träts, in denen sich Europäer in orientalischen Gewändern darstellen ließen, den Begriff der „orientalisierenden Bildnismaskerade“ geprägt und die vielschichtige Semantik dieser 60  Baader, Hannah: Anonym, „Sua cuique Persona“. Maske, Rolle, Porträt, in: Preimesberger/Baader/ Suthor (1999), S. 239–246. Zuletzt zu dieser Thematik vgl. Weihe, Richard: Person und Maske. „Sua cuique persona“ als Schema der Maskierung, in: Wir sind Maske, hrsg. v. Sylvia Ferino-Pagden, Mailand 2009, S. 21–27.

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Masken für die Selbstrepräsentation der Dargestellten erörtert. Die orientalisierende Kleidung sei ihr zufolge nicht bloß ein beliebiges Kostüm, sondern Teil der medialen Aushandlungsprozesse sozialer und geschlechtlicher Identitätsentwürfe in der europäischen Hofkultur.61 Die „orientalisierende Maske“ wird somit von einem abnehmbaren, additiven Gegenstand des Rollenspiels zu einem konstitutiven Objekt des dargestellten Selbst, zum Moment der Identifikation. Anders als in der von den Hofleuten angelegten orientalischen Kleidung, in der Rolle und Person ineinander aufgehen und die Identität der Dargestellten somit gestärkt wird, scheint die „reale“ Maske am Gürtel des Propheten jedoch den prekären Status und die gefährliche Austauschbarkeit der persona auszudrücken. Dass die gesellschaftliche persona nicht notwendigerweise an ein Individuum gebunden war, bezeugen die im 17. und 18. Jahrhundert sehr populären fiktiven, zum Teil aber auch historischen Berichte von Betrügern, die Personalitäten erfanden oder die Identitäten anderer Menschen übernahmen.62 Vor allem der „Orientbetrug“, bei dem sich Schwindler als orientalische Adelige oder Prinzen ausgaben, um sich Vorteile zu erschleichen, war im 17. Jahrhundert kein Einzelfall.63 Die Gesichtsmaske am Gürtel des Propheten deutet somit – in Analogie zum zeitgenössischen Orientbild – auf eine primär durch Schein, Fassade und Maskerade bestimmte persona, deren wandelbare Gestalt sich einer sozialen oder anderweitigen Determinierung entzieht. Durch die Maske wird letztlich auch die Frage nach einem authentischen Bild des Propheten konterkariert, da hinter der abgenommenen Maske lediglich eine weitere Maske zum Vorschein kommt. Im Kontext des Changierens der Figur zwischen Mensch, Standbild und Allegorie, kommt dem Attribut schließlich ein weiterer Sinngehalt zu. Bereits in der Antike war die Maske ein Attribut des Theaterspiels, das Thalia und Melpomene, den Musen der Komödie und Tragödie, zugeteilt war. In der Neuzeit erscheint auch pittura, die Allegorie der Malerei, häufig mit einer Maske, die sie bisweilen wie die Figur Mohammeds im Kupfertitel am Gürtel trägt (Abb. 51). Die Maske versinnbildlicht nach Ripa die Fähigkeit der Malerei zur Nachahmung der Natur und der Kunst (imitatione della natura, & dell’arte), die fast mit einer Täuschung der Sinne (quasi con inganno) einhergehen könne.

61  Trauth (2009), S. 27. 62  Das Interesse an der Figur des „imposter“ oder „imposteur“ erlebte im 17. Jahrhundert eine regelrechte Konjunktur. Vgl. Groebner (2004b), S. 152–155; Eliav-Feldon, Miriam: Invented Identities. Credulity in the Age of Prophecy and Exploitation, in: Journal of Early Modern History, 3, 1999, S. 203–232. 63  Vgl. etwa Evelyn, John: Historia De tribus huius seculi famosis Impostoribus, Das ist: Beschreibung der dreyen unlängst beruffenen Betriegere / Nemlich des Padre Ottomanno, Mahomed Bei oder Johann Michael Cigala, und Sabatai Sevi. Deren der Erste für einen Sohn […] des verstorbenen Groß-Türcken außgeben ward. Der Ander wil seyn ein Printz aus dem Ottomannischen Hause ist aber in Warheit ein Wallache. Der Dritte ist der falsche Meßias der Juden […]. Aus dem Englischen ins Teutsche übersetzet, o. O. 1669.

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Allerdings diene diese kunstvolle Illusion bei Ripa nicht dem Betrug, sondern umgekehrt der visuellen Vermittlung intellektueller Erkenntnis.64 In der Maske an Mohammeds Hüfte manifestiert sich somit erneut die für seine Bildnisse bereits dargelegte Analogie zwischen der durch die bildliche Repräsentation hervorgerufenen, nachahmenden „Täuschung“ als einem Grundprinzip künstlerischen Schaffens einerseits und dem Vorwurf, Mohammed habe seine Anhänger mit einer das Christentum nachahmenden Lehre getäuscht, andererseits. Daher kann das Attribut der Maske als ein Bildobjekt künstlerischer Selbstreflexion verstanden werden, in welchem sich die „Kunst“ als Produzentin der hybriden Figur zu erkennen gibt und die Gestalt Mohammeds dabei zugleich in ein spannungsvolles Verhältnis zu Konzepten der bildenden und darstellenden Künste setzt. Als Maske wurde das Gesicht des Propheten gleichsam ablösbar und auf andere Figuren und Kontexte übertragbar. Damit ist sie nicht zuletzt ein Indikator für die Artifizialisierung und Theatralisierung der Prophetenfigur, wie sie im Buch selbst in der bereits diskutierten Szene des „Ehebruchs“ (Kat. 19j, 19j1) anschaulich wird und zugleich auf die im 18. Jahrhundert einsetzende Karriere „Mohammeds“ als Bühnenfigur vorausweist. Neben der Künstlichkeit der zentralen Figur hat der Gestalter des Kupfertitels auf zwei Themen hingewiesen, die von den Gelehrten der Aufklärung behandelt wurden und gerade für die Orientalisten von Bedeutung waren: die Differenz der Sichtweisen auf den Islam in Abhängigkeit vom jeweils eigenen Standpunkt und die Problematik historischer Distanz. Die erste Frage wird in den Figuren zum Ausdruck gebracht, die sich um die Basis der zentralen Prophetenfigur geschart haben. Links sind zwei Männer zu sehen, die durch ihren Habit und ihre Tonsur als christliche Geistliche zu erkennen sind. Die Männer haben ihre Köpfe einander zugewandt und scheinen über die vor ihnen stehende Figur zu diskutieren, wobei der vordere der beiden Männer etwas auf eine Tafel oder ein Blatt schreibt. Auch auf der anderen Seite des Sockels wird beraten. Hier sind es drei mittels ihrer Kopfbedeckungen und Physiognomien als muslimisch charakterisierte Männer, von denen ebenfalls der vorderste etwas auf einer Schriftrolle notiert. Die beiden Gruppen zu Füßen der Mohammedfigur sind also deutlich über ihre Kleidung als Angehörige unterschiedlicher Kulturen und Religionen differenziert, wobei auch die jeweils verwendeten Schriftmedien eine Rolle spielen. Denn die Rolle, auf die der Mann zur Rechten schreibt und von der ein weiteres Band am Arm des Propheten hängt, kann als antiquierte Aufzeichnungsform gelten, die hier mit dem Islam in Verbindung gebracht wird, während die Christen eine modernere Technik verwenden.65 Aber nicht nur die Art 64  Vgl. Ripa (1984), S. 404–405. Zur sich hier ins Positive kehrenden Bedeutung der künstlerischen Täuschung „inganno“ siehe Kruse (2005), S. 112, Anm. 28. Schließlich wurde die Maske als Sinnbild des allen Künsten gemeinsamen Prinzips der imitatio zum Attribut der Kunst generell. Ebd., S. 107–109; Leuschner (1997), S. 145–146. 65  Damit mag auf den Topos eines technisch und kulturell rückschrittlichen Orients angespielt sein. Tatsächlich sind etwa Koranhandschriften aber schon immer in der Form von Codices erstellt worden.

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der Aufzeichnung ist verschieden. Beide Gruppen gewinnen von ihrem jeweiligen Standpunkt aus sehr unterschiedliche Eindrücke von der Figur des Propheten über ihnen. Während die christlichen Rezipienten mit dem Schwert, der Maske und den beiden mit Füßen getretenen Symbolen für das Alte und Neue Testament konfrontiert werden, gewahren die muslimischen Betrachter auf der anderen Seite mit der Schriftrolle, dem Globus und dem Halbmond Attribute, die auf das muslimische Gesetz und dessen Geltungsanspruch über Europa und die Welt verweisen und damit für sie eine konstruktive und positive Bedeutung haben. Diese sich auch in der Ponderation der Figur mit ihrer nach links geschlossenen, aggressiven und nach rechts geöffneten Körperseite ausdrückende, vom Betrachterstandpunkt abhängende Charakterisierung verbildlicht, was auch von den Autoren der Aufklärung immer stärker thematisiert wurde: den eklatanten Unterschied in den Auffassungen von Mohammed, wie sie sich aus den christlichen und den islamischen Schriften ergeben. Die von Edward Pococke in seinen Specimen Historiae Arabum von 1650 an die europäischen Gelehrten gerichtete Forderung, in der Darlegung der islamischen Geschichte endlich die arabischen Quellen zu berücksichtigen, setzte sich in der Folge auch in den populären Schriften über den Propheten durch; eine Sparte, zu der auch die Werke von Prideaux und Boulainvilliers zu zählen sind. Beide Autoren beherrschten die arabische Sprache nicht oder wohl nur unzureichend, bezogen jedoch beim Verfassen ihrer Arbeiten bereits vorhandene Übersetzungen arabischer Quellen in ihre Betrachtung ein.66 Mit unterschiedlichen Ergebnissen: Während Boulainvilliers beklagt, dass sich zu wenige Gelehrte dem Studium der arabischen Sprache widmeten und deshalb über lange Zeit unter den Christen kaum korrekte Informationen über den Propheten verfügbar gewesen seien – ein Argument, das er nutzt, um gegen die christlichen Autoren und ihre Fabeln zu polemisieren –, verwendet Prideaux die arabischen Quellen alibihaft, um seinem Text den Anschein größerer Wissenschaftlichkeit zu geben. Zwar führt er die über dreißig von ihm verwendeten arabischen und zum Teil von muslimischen Autoren verfassten Quellen mit kurzen Erläuterungen im Anhang des Buches eigens auf,67 doch richtet er sich in seinem Urteil über Mohammed weiterhin ausschließlich nach den Werken der christlichen Apologetik.68 Auch war das Papier in den islamischen Gebieten Asiens und in Arabien früher bekannt als in Europa. Vgl. Bloom, Jonathan M.: Paper before Print. The History and Impact of Paper in the Islamic World, New Haven/London 2001, S. 27. 66  Zu Prideauxs Sprachkenntnissen und seiner Verwendung bereits übersetzter Schriften: Holt (1962), S. 291–294; Toomer (1996), S. 289–292. 67  Vgl. Prideaux (31698), S. 153–168. 68  Darunter etwa Alphonso de Spinas (ges. 1491) Fortalitium fidei contra iudeos saracenos aliosque; Riccoldo da Montecroces Confutatio Alcorani (um 1300) und Juan Andrés’ Libro nueuamente imprimido que se llama confusion dela secta mahomatica y del alcoran (1515). Vgl. hierzu auch Roling (2008), S. 63. Roling sieht in Prideauxs Vermischung antiislamischer Polemik mit der vermeintlichen Wahrung einer unvoreingenommen wissenschaftlichen Herangehensweise das Rezept für den Erfolg des Buches.

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Die auf dem Titelblatt gezeigte Gegenüberstellung christlicher und muslimischer Autoren verbildlicht damit eine zeitgenössische (von den beiden Biographen jedoch unzureichend eingelöste) Forderung nach einer Darstellung des islamischen Propheten, die auch arabische bzw. islamische Quellen berücksichtigt und den christlichen gegenüberstellt. Hinter dieser Forderung dürfte die zeitgenössische Vorstellung von „Unparteilichkeit“ stehen. Das Konzept der Unparteilichkeit, das oft als Vorläufer und Korrelat der Vorstellung von „Objektivität“ betrachtet wird, wurde als ein epistemologisches Prinzip und als Ethos möglichst wahrheitsgetreuer Untersuchungen vor allem seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts errötert und auf die Geschichtsschreibung übertragen.69 Mehr noch als die beiden Biographen Prideaux und Boullainvillier scheint der Erfinder der Titelgraphik eben durch die gleichzeitige Präsentation der unterschiedlichen Glaubensgruppen und ihrer differenten Ansichten des Propheten eine distanzierte und möglichst unparteiische Perspektive angestrebt zu haben. Bisher unbeachtet blieb die Szene im Hintergrund des Kupfertitels, mit welcher der Illustrator auf eine weitere Problematik des zeitgenössischen Prophetenbildes hinwies. Hier ist die Versammlung einer Reiterarmee dargestellt, hinter deren aufgerichteten Lanzen eine Art Tempelarchitektur auf einem Hügel und links davon, am Horizont eines Landschaftsausblicks, ein weiteres Gebäude zu sehen sind. Die Szene im Hintergrund ist räumlich deutlich durch einen Hügel vom Vordergrund des Bildes abgetrennt. Lediglich die auf der linken Seite des Blattes diagonal in die Tiefe fluchtende Wand, die den gemeinsamen Titel der Bücher La Vie de Mahomet trägt, leistet eine optische Verknüpfung von Vorder- und Hintergrund des Bildes. Dass die beiden Bildräume bewusst voneinander geschieden wurden, geht aus Harrewyns Nachstich von 1699 noch deutlicher hervor, indem die Szene im Vordergrund auf der linken Seite zusätzlich durch eine niedrigere Mauer eingegrenzt wurde (Kat. 19a1, Abb. 52). Anstatt die differenten Bildräume durch einen beschreitbaren Weg oder handelnde Figuren zu verbinden, war dem Entwerfer des Blattes daran gelegen, die beiden Szenen lediglich durch eine scheinbar zufällige, jedoch intentionale visuelle Überschneidung symbolisch miteinander in Beziehung zu setzen. Diese ergibt sich durch den von der Mohammedfigur im Vordergrund hochgehaltenen Halbmond, der den Anführer der Reiter im Hintergrund geradezu einrahmt. Auch in diesem Fall hat der Kopist Harrewyn nachträglich evidenzierend eingegriffen und eine Figur ergänzt, die im Hintergrund mit einer Art Zepter ebenfalls auf den Heerführer verweist. Diese Überschneidung legt in Zusammenschau mit der in die Tiefe fluchtenden Titelinschrift auf der linken Seite nahe, dass im Hintergrund eine Szene aus dem „Leben des Propheten“ präsentiert wird und dass es sich bei der kompositorisch exponierten Figur des Anführers der Reitertruppe um eine Darstellung Mohammeds 69  Vgl. Murphy, Kathryn/Traninger, Anita: Introduction. Instances of Impartiality, in: The Emergence of Impartiality, hrsg. v. dens., Leiden/Boston 2014, S. 1–29; und zur Anwendung des Konzeptes auf die zeitgenössische Geschichtsschreibung vgl. Eusterschulte, Anne: Pierre Bayle’s Dictionaire historique et critique. Historical Criticism and Impartiality of Judgement, in: Murphy/Traninger (2014), S. 305–332.

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Abb. 52  Kupfertitel, aus: Humphrey Prideaux, La Vie de Mahomet […], Amsterdam 1699 (Kat. 19a1)

handelt.70 Somit bietet das Titelblatt gleichzeitig zwei unterschiedliche Bilder des Propheten. Die Figur im Vordergrund ist als eine überzeitliche Darstellung Mohammeds und allegorische Verkörperung des Islam zu verstehen, die, über die Schriften der Christen 70  In den weiteren Graphiken des Buches erscheint der ältere Prophet in ähnlicher Gestalt (Kat. 19d, 19h). Die Biographien verweisen auf mehrere Expeditionen Mohammeds und seiner Gefolgsleute. Daher ist eine genaue Identifizierung der Szene nicht möglich. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es sich um die Darstellung des ersten Feldzugs gegen die Karawane aus Mekka handelt, zu dem Mohammed nach dem Aufrichten seines Heereszeichens, das hier als Rossschweifstandarte in der Hand des Reiters erscheint, eine Truppe von 30 Streitern um sich sammelte. Vgl. Prideaux (31698), S. 94.

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und Muslime rekonstruiert, dem Betrachter gleichsam lebendig vor Augen steht. Im Hintergrund erscheint hingegen die historische, aber weder vom Betrachter noch von den Schreibern im Vordergrund erreichbare Person Mohammeds.71 Das an dem wenige Jahre später publizierten Prophetenporträt in Nerreters Moschea (Kat. 22) bereits aufgezeigte Bewusstsein über die Problematiken historischer Distanz und der Relativität der Betrachterstandpunkte wird durch die ostentative Präsentation Mohammeds als hybrides Kunstwesen auf den Titelblättern der beiden populärsten Mohammedbiographien des 18. Jahrhunderts geradezu programmatisch vor Augen geführt. Es scheint, dass den Graphikern die Künstlichkeit ihrer Prophetenbilder bewusster war als den historisch argumentierenden Autoren. Während Letztere sich zurückhielten, die Subjektivität und Instrumentalisierung ihrer Prophetenfiguren offen einzugestehen, wiesen die Graphiker den Betrachter regelrecht auf die Problematik der Relativität der eigenen Darstellung hin. Tatsächlich waren die Stecher und Radierer durch ihre Arbeit, welche die Reproduktionen von Werken anderer und zum Teil früherer Meister einschloss, hinsichtlich der Frage der historischen Differenz besonders sensibilisiert. Dies geht etwa aus einer Schrift Bernard Picarts hervor, eines der bedeutendsten Graphiker seiner Zeit. In den Impostures innocentes verteidigt er seine Kunst gegen das zeitgenössische Vorurteil, dass die Reproduktion eines Bildes in ihrem Ausdruck niemals dem Original gleichkommen könne.72 Eine der Fragen, die in dieser kurzen, selbst mit zahlreichen Reproduktionsgraphiken versehenen Schrift verhandelt wird, ist, ob es einem modernen Graphiker möglich sei, den Stil vergangener Meister so wiederzugeben, wie es dessen Zeitgenossen gekonnt hätten. Bereits die im Zuge dieser Problematik geäußerte Grundannahme, dass ein Stecher gar nicht anders könne, als nach dem jeweiligen Gusto seiner Zeit zu arbeiten,73 zeigt deutlich, wie sehr die Reproduktionsgraphiker die historische Bedingtheit ihrer Produkte reflektierten. Während das Medium der Schrift

71  Zur bereits in der Kunst der Renaissance nachweisbaren Erzeugung des Eindrucks einer Zeithaltigkeit der bildlichen Darstellung bzw. einer visuellen Verknüpfung zeitlich differenter Bildorte durch perspektivische Verkürzungen, wie hier durch die den Titel des Buches tragende Wand, vgl. Theissing, Heinrich: Die Zeit im Bild, Darmstadt 1987, S. 192–194. 72  Vgl. Picart, Bernard: Impostures innocentes, ou recueil d’estampes d’après divers peintres illustres, tels que Rafael, Le Guide […] Gravées à leur imitation, & selon le gout particulier de chacun d’eux […], Amsterdam 1734, S. 1. 73  Ebd., S. 1–2. „Le Troisiéme enfin, que les Graveurs modernes ne pouvoient jamais rendre si bien les Tableaux des Peintres anciens, que les Graveurs qui vivoient du tems même de ces Peintres: parce, disoient-ils, que chaque Graveur gravoit dans le gout du Tems auquel il vivoit […].“ Zur Bedeutung von Picarts Impostures innocentes im Kontext der zeitgenössischen Diskussion um den künstlerischen Wert der Graphik vgl. Marchesano, Louis: The „Impostures innocentes“. Bernard Picart’s Defence of the Professional Engraver, in: Hunt/Jacob/Mijnhardt (2010a), S. 105–138; Henry, Christophe: Les „Impostures innocentes“ de Bernard Picart ou la revanche du „Marchand Forain“, in: Théorie des arts et création artistique dans l’europe du Nord du XVIe au début du XVIIIe siècle, hrsg. v. Michèle-Caroline Heck, Frédérique Lemerle u. Yves Pauwels, Lille 2002, S. 313–332.

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Maskenspiel: Mohammed als Bühnenfigur

traditionell mit dem Anspruch größerer Wahrhaftigkeit verbunden war, trugen die bildenden Künstler der frühen Aufklärung, gerade weil sie sich mit ihrer Rolle als „unschuldige Betrüger“ bereits arrangiert hatten, mit ihren offensichtlich inszenierten, fiktiven Mohammedbildern wesentlich zu einer Objektivierung der europäischen Sichtweise auf den Islam bei.74 Der Kupfertitel konnte in seiner anschaulichen Differenzierung der christlichen und islamischen Sichtweise auf den Propheten also nicht nur den beiden Biographien von Prideaux und Boulainvilliers als Titelblatt gereichen. Trotz der traditionell negativen Bewertung Mohammeds brachte er die neue akademische Herangehensweise zum Ausdruck, auch islamische Quellen zu Wort kommen zu lassen, und zeigte somit die Möglichkeit unterschiedlicher Betrachterperspektiven auf. Das in der Graphik artikulierte Bewusstsein über die historische Distanz zum dargestellten Sachverhalt ermöglichte einerseits eine Befragung und Relativierung der eigenen Perspektive, andererseits führte es zu einer Spaltung des Prophetenbildes in einen „historischen Mohammed“ und in eine sehr präsente, lebendige und schillernde Mohammedfigur, wie sie die Kunst imaginierte.75

Maskenspiel: Mohammed als Bühnenfigur Die Abspaltung der Kunstfigur von der historischen Person Mohammeds wurde nirgendwo deutlicher als im Theater. Auf die dabei behauptete Analogie zwischen Islam und Theaterspiel als jeweils nachahmende Simulationen verweist ein weiteres Bildexem74  Ann J. Adams untersucht Picarts Impostures innocentes in Bezug auf das im 18. Jahrhundert in Kunst, Religion und Gesellschaft populäre Thema des Betrugs. Picart verhandle mit seinem Werk die Reproduktionsgraphik als Medium im Spannungsfeld von authentischer Wiedergabe und künstlerischer Interpretation. Vgl. Adams, Ann J.: Reproduction and Authenticity in Bernard Picart’s „Impostures Innocentes“, in: Hunt/Jacob/Mijnhardt (2010a), S. 75–104, bes. S. 96–98. 75  Die realistischsten Darstellungen Mohammeds der christlich-mittelalterlichen Tradition können mit Michelina Di Cesare lediglich als „pseudo-historisch“ bezeichnet werden, da sie die islamischen Überlieferungen zum Teil abwandelten, um ein dezidiert antiislamisches Bild zu entwerfen. Vgl. Di Cesare (2013), S. 10–11. In der Neuzeit wurde diese Tradition zunächst nicht nur fortgeschrieben, bisweilen tauchen auch in den um eine geschichtliche Darstellung des Propheten bemühten Texten die fantastischen Elemente des „legendären“ Mohammed auf. Zum „legendären Mohammed“ vgl. ebd., S. 20–24. Eine Wende hin zur Erforschung des „historischen“ Mohammed versucht mithin, sich von den Missverständnissen und Fälschungen der früheren Beschreibungen zu befreien und eine möglichst neutrale Schilderung zu geben. Die begriffliche Differenzierung des „historischen Mohammed“ findet sich in der Forschung jedoch erst 1926, als Arthur Jeffery, angeregt durch die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung Albert Schweitzers, zu einer Re-Evaluierung der frühsten Quellen zum Leben Mohammeds aufrief. Seitdem hat die Redewendung vom „historischen Mohammed“, die eine unvoreingenommene Perspektive markiert (aber nicht automatisch einlöst), Konjunktur. Vgl. Jeffery, Arthur: The Quest of the Historical Muhammad, in: The Muslim World, 16, 1926, S. 327–348; Peter, Francis E.: The Quest of the Historical Muhammad, in: International Journal of Middle East Studies, 23, 3, 1991, S. 291–315.

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Abb. 53  Johann Andreas Thelot (del.)/Leonhard Hechkenauer (sculp.), Titelblatt, aus: Paul Rycaut, Die neu-eröffnete ottomanische Pforte […], Augsburg 1694

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pel. Im Jahr 1694 figurierte auf dem Kupfertitel „Die neu-eröffnete Ottomanische Pforte“ der deutschen Übersetzung von Paul Rycauts The Present State of the Ottoman Empire von 1665 eine Personifikation des Islam, die unabhängig von ihrer pejorativen Charakterisierung zeigt, dass die Darstellungen des Islam theaterhafte Züge annahmen (Abb. 53). Links vom zentralen Thron des osmanischen Sultans steht die Personifikation des Islam wie auf dem zuvor besprochenen Titelblatt auf den Symbolen des christlichen Glaubens und hält dabei eine Maske empor. Zusammen mit der eselsohrigen Figur hinter ihr weist sie auf den angeblich betrügerischen beziehungsweise häretischen Charakter ihrer Lehre. Dabei entspricht sie in ihrer Gestalt weitgehend der Muse der Komödie, Thalia, wie sie auf dem Titelblatt von Samuel van Hoogstratens Malereilehrbuch Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst von 1678 erscheint (Abb. 54). Aber auch Mohammed selbst wurde ein Charakter der Bühne. Das erste Theaterstück, das einen Bühnenauftritt der Figur Mohammeds vorsah, ist bereits auf den Anfang des Jahrhunderts, wohl 1601, zu datieren. In William Percys Komödie Mahomet and his Heaven sollte Mohammed, entgegen der muslimischen Vorstellung, als himmlischer Richter auftreten und dabei als ein Gegenbild des Christus Pantokrator fungieren.76 Es ist jedoch unklar, ob die Komödie jemals zur Aufführung kam.77 In früheren Stücken war Mohammeds Stimme lediglich aus dem Off zu hören oder die Bühnenpräsenz des Propheten war auf die Requisite beschränkt. In Robert Greenes The Comicall Historie of Alphonsus von 1599 war die Stimme Mohammeds etwa durch einen bronzenen, feuerspuckenden Kopf zu hören.78 Und in Robert Darbones A Christian trun’d Turk von 1612 diente der „Kopf des Propheten“ als Schwurobjekt eines zum Islam konvertierenden Piraten.79 Solche Aufführungen boten keine schauspielerischen Verkörperungen des Propheten, sondern stehen in einer bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts nachweisbaren Aufführungstradition, bei der „Mahomet“ als ein von Dämonen besessenes Götzenbild auftaucht.80 Die erste nachweisbare Darbietung, bei der „Mohammed“ die Bretter der Bühne betrat, war der Ballet du Grand Turc et Peuples d’Asie, der 1626 am Hofe Ludwigs XIII. aufgeführt wurde. Der französische König hatte das Stück nach einem diplomatischen Vorfall mit einem Gesandten des osmanischen Sultans Murad IV. in 76  Nach Matthew Dimmock ist dieses Stück das einzige in der Frühen Neuzeit, in dem Mohammed als Bühnenfigur erscheint. Vgl. Percy (2006), S. 2. Neben den Studien und der Herausgabe einzelner Stücke gibt es bisher keine Gesamtdarstellung des Mohammedbildes im europäischen Theater. Zur bewussten Gegenüberstellung der Figur mit Christus als Weltenrichter, in der Mohammed als das seitenverkehrte Spiegelbild Christi und damit wiederum als Antichrist erscheint, vgl. ebd., S. 164. 77  Vgl. ebd., S. 1. 78  Die Komödie präsentiert Mohammed ganz in der Tradition der mittelalterlichen Chansons de geste als „proud, inuirus God, Mahound“. Greene, Robert: The Comicall Historie of Alphonsus, King of Aragon. As It Hath Bene Sundrie Times Acted, London 1599, Akt III, S. 22. In Akt IV spricht der Kopf dann selbst zu den anwesenden Priestern. 79  Ebd., S. 17. 80  Vgl. Camille (1989), S. 129–130.

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Abb. 54  Samuel van Hoogstraten, „Thalia De Kluchtspeelster“ (die Possenspielerin), Titelblatt, aus: Ders., Inleyding tot de hooge schoole der Schilderkonst [...], Buch 5, Rotterdam 1678, nach S. 172

Auftrag gegeben. Aufgebracht durch die Weigerung des französischen Königs, sich bei der Überreichung des Sultanschreibens von seinem Thron zu erheben, soll der Bote Soliman geäußert haben, dass die Edelsteine an der Schabracke des Pferdes seines Herren prachtvoller seien als die am Gewand des Königs.81 Das Ballett war als Replik auf diesen Affront gedacht und sollte die osmanische Kultur und den islamischen Glauben der Lächerlichkeit preisgeben. Eine derartige Verlagerung eines politischen Konflikts in den 81  Saab, Haitham A.: The Representation of the Orient in Molière. Europe and the Turks in the „Bourgeois Gentleman“ (1670), in: Journal of King Saud University, 17, 2009, S. 37–49, hier S. 42.

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Bereich der Kunst war eine geläufige Form, sich mit dem jeweiligen Kontrahenten auseinanderzusetzen und sich ohne den Einsatz militärischer Mittel symbolisch über diesen zu stellen.82 Im ersten der fünf Aufzüge des Stückes erscheint der Prophet begleitet von islamischen Rechtsgelehrten, „marching in mock solemnity and gesticulating with a quill pen over the tremendous Koran borne on the backs of two bowed figures preceding him“83. Von dieser Szene hat sich eine kolorierte Zeichnung von Daniel Rabel (1578– 1637) erhalten (Abb. 55). Hinter den beiden Dienern, die einen riesigen Koran auf ihren Rücken tragen, schreitet als größte Figur des Bildes der Prophet einher. Drei weitere Figuren folgen Mohammed, die, wie er, übergroße Schreibfedern mit sich führen. Die Handlung des Balletts kann als Farce beschrieben werden und entsprechend sind auch die Kostüme der Figuren gestaltet.84 Bis auf die beiden Buchträger, deren

Abb. 55  Daniel Rabel, „9. Entrée de Mahomet et ces docteurs“, Zeichnung nach einem Hofballett, 1629, Paris, Bibliothèque national de France, Reserve QB-3 (1629)-fol 82  Der Ballet du Grand Turc steht damit in einer Tradition mit dem berühmten Fasanenfest Philipps des Guten von Burgund, der nach dem Fall Konstantinopels 1453 den Adel Europas an seinen Hof lud, um ihn auf einen gemeinsamen Kreuzzug einzuschwören. Bei diesem Fest wurde der Sieg über die Ungläubigen als symbolisch performativer Akt vollzogen. Ähnlich symbolische Konfrontationen mit dem Glaubensfeind fanden auch auf Turnieren statt, bei denen Türkenfiguren, im Italienischen „Sarraceni“, im Französischen „têtes de Turc“ genannt, als Zielscheiben fungierten. 83  Rouillard, Clarence D.: The Background of the Turkish Ceremony in Molière’s „Le Bourgeois Gentilhomme“, in: University of Toronto Quarterly, 39, 1969, S. 33–52, hier S. 35. 84  Im weiteren Verlauf treffen türkische auf persische Gelehrte und beginnen einen theologischen Disput. Da sie sich gegenseitig nicht von der Richtigkeit ihrer jeweiligen Sichtweise überzeugen können, versuchen die Perser schließlich ihre Argumente mittels der Bücher in die Köpfe der Türken einzuhämmern. Vgl. ebd., S. 36.

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Erscheinung durch brennende Kerzen auf ihren Köpfen ins Lächerliche gezogen wird, weisen alle Figuren karikierende Züge auf, die sich besonders deutlich in den fratzenhaften Physiognomien zeigen. Mohammed, der scheinbar inspiriert nach oben blickt, ist durch seine von einer Warze gezierte Knollennase, eine hervorstehende Unterlippe und seinen langen, den Federn gleichenden und grotesk abstehenden Bart in äußerster Hässlichkeit dargestellt. Diese wird nur noch von den beinah tierhaften Zügen des ihm folgenden Mannes übertroffen, den die Feder und die an den Hut gesteckte Brille als Gelehrten ausweisen. Auf den ersten Blick wird klar, dass es sich bei dem Figureneinzug um eine Maskerade, um die überzeichnete Darstellung eines Pseudo-Orients handelt, die einerseits zur Belustigung des Publikums dienen sollte und andererseits als Beleidigung an den osmanischen Hof adressiert war. Zwar blieb das Ballett zunächst eine frühe Ausnahme für die Bühnenpräsenz des Propheten, an ihm lässt sich jedoch die bereits an der graphischen Personifikation des Islam aufgezeigte Tendenz ablesen, den Islam als eine Komödie zu inszenieren. Diese Idee kulminierte ebenso wie das Spiel mit der ablösbaren persona des Propheten in Alain-René Lesages Farce Arlequin Mahomet, die 1714 in Foire de Saint Laurent uraufgeführt wurde. In diesem im Orient spielenden Stück erscheint die Maske, die auf dem Kupfertitel von La Vie de Mahomet (Kat. 19a, 19a1, Abb. 49, 52) noch als ein allegorisch zu entschlüsselndes Attribut zu verstehen war, als ein realer Gebrauchsgegenstand. Der Protagonist des Stücks, Harlekin – selbst ein maskierter Charakter der commedia dell’arte –, trägt die Maske des Propheten, um sich vor den muslimischen Charakteren des Stücks als Mohammed auszugeben und mit der auf diese Weise erschlichenen Autorität seine eigenen Pläne durchzusetzen. Der Kupfertitel der gedruckten Fassung von 1721 präsentiert den Höhepunkt der Handlung (Kat. 27, Abb. 56). Harlekin – mit Turban, langem weißen Bart und einer Augenmaske als Mohammed verkleidet – schleudert von seiner Flugmaschine Blitze auf die beiden darunterstehenden Männer, den König von Basra und den Tartaren Kam. Dieser Auftritt des Propheten als buchstäblicher Deus ex machina bedient sich aller Illusionsmaschinen des Theaters.85 Während die als Wolke getarnte Flugmaschine und die von Harlekin geworfenen Feuerwerkskörper als Tricks inszeniert werden, mit denen er die anderen Figuren des Stücks täuscht, werden sie dem Zuschauer als rein technische Instrumente vorgestellt. So erfährt Harlekin auf seine Nachfrage, ob denn an dem Fluggerät etwas Magisches sei, von dessen ebenfalls orientalischen Erfinder: „Non, non, de Mécanique c’est un ouvrage pur.“86

85  Zur Bedeutung der Theaterillusionen bei der Erscheinung Mohammeds als Deus ex machina vgl. Grewe, Andrea: Monde renversé – théâtre renversé. Lesage und das Théâtre de la Foire, Diss., Bonn 1989, S. 198–205, 216–220. 86  Der Erbauer der Flugmaschine, Boubkeir, wird als ein Reisender und Mathematiker vorgestellt. Vgl. Lesage, Alain-René: Arlequin Mahomet. Pièce d’un acte. Par M. le S[age]. Representée à la Foire de Saint

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Abb. 56  „Arlequin Mahomet“, Kupfertitel, aus: Alain-René Lesage, Arlequin Mahomet, Paris 1721 (Kat. 27)

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Damit bedient Lesages Plot einerseits antiislamische Vorurteile und führt, vergleichbar mit der Geschichte von der dressierten Taube, das Ansehen des Propheten auf simple Täuschungen zurück. Andererseits zeigt sich in der Betonung, dass der fliegende Kasten eben nicht magisch, sondern rein mechanisch funktioniere, die zunehmende Begeisterung des europäischen Publikums für die Wunder der Technik. Generell bleibt die Darstellung der Muslime in Arlequin Mahomet traditionellen Stereotypen verhaftet. So steht etwa die Verkleidung Harlekins, der sich hier als ein göttlicher Mohammed ausgibt, in der Tradition der in den Chansons de geste erdichteten Götzenbilder des „Mahun“.87 Auch die Reaktion des Königs von Basra und des alten Tartaren Kam, die von einer anfänglichen Verehrung des Harlekin-Mohammed zu Beleidigungen übergehen, als der Prophet gegen ihren Willen die Heirat der Königstochter mit einem fremden Prinzen einfordert, entspricht dem Bild der Sarazenen aus den Chansons de geste. Diese seien in ihrem Glauben höchst unstet und zerstörten etwa nach verlorener Schlacht aus Wut ihre eigenen Götzenbilder.88 Entsprechend ist es Harlekin trotz seiner Verkleidung erst möglich, seinen Plan durchzusetzen, nachdem er Kam und den König mit einem Knüppel verprügelt hat. Solche Szenen burlesker Komik waren in ähnlicher Form auch Bestandteil des Balletts für Ludwig XIII. Die eigentliche Neuerung des Stückes lag also nicht in der Beschäftigung mit Mohammed in Form einer Komödie, sondern darin, dass die Figur des „falschen Propheten“ hier erstmals als eigener Charakter des Theaters festgeschrieben wurde, deren sich über eine Maskierung mit Bart, Turban und orientalischem Gewand auch andere Theaterfiguren bedienen konnten. Das Maskenspiel und der täuschende Schein des Theaters sind damit die eigentlichen Themen des Stückes, in dem der islamische Orient zur Bühne wird für eine „Darstellung von Theater auf dem Theater“89.

Laurent 1714, Paris 1721, S. 116. In dieselbe Kategorie technischer Tricks gehören auch die von Harlekin geworfenen Feuerwerkskörper, die in der Regieanweisung beschrieben werden. Vgl. ebd., S. 136. 87  Vgl. Camille (1989), S. 141–152. 88  Lesage (1721), S. 135: „Le Roy: / Tout cela ne sent rien de bon: / Ce Mahomet est un fripon. […] Le Kam: / Oui, vous avez raison, Beau-père, / Mahomet est un scelerat.“ 89  Grewe (1989), S. 204. Andrea Grewe vergleicht das Stück mit zwei weiteren Werken Lesages, Arlequin roy de Serendib und Arlequin invisible, die auf der exotischen Insel Serendib und in China spielen und in denen Harlekin ebenfalls in andere Rollen schlüpft. Grewe legt dar, wie durch die klare Trennung der unterschiedlichen Handlungsräume in den Stücken (bürgerlicher, realistischer Okzident – phantastischer Orient), die in Arlequin Mahomet etwa durch das Fluggerät überwunden wird, den Zuschauern der fiktionale Charakter des theatralischen Orient vor Augen geführt wird und das Theater sich somit selbst reflektiert.

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„Fanatismus“ und künstlerische Freiheit Die Fiktionalität und künstlerische Selbstreferenzialität der Prophetenfigur war im Thea­ ter aber keineswegs immer so offensichtlich wie in der Farce von Lesage. In Voltaires Le fanatisme ou Mahomet le Prophète, dem bei weitem erfolgreichsten Stück, in dem Mohammed die Hauptrolle spielt, ist weniger klar, inwieweit es sich bei dem Plot um eine Interpretation der historischen Person Mohammeds oder um eine künstlerische Imagination handeln soll. Bei dem 1741 in Lille uraufgeführten und anschließend in Paris und in zahlreichen Städten Europas inszenierten Spiel90 handelt es sich anders als bei den beiden zuvor besprochenen Bühnenwerken nicht um eine Komödie, sondern um eine Tragödie, die in der Tradition im Orient spielender Religionsdramen, wie Pierre Corneilles Polyeucte (1643) und Jean Racines Bajazet (1672), steht.91 Obwohl das von Voltaire vermittelte Orientbild als konventionell gelten kann und auch seine Charakterisierung des Propheten den populären Vorurteilen entsprach, wurde das Stück zu einem Skandal. Voltaire präsentiert den Protagonisten als einen machthungrigen und skrupellosen Heerführer, der seinen jungen Gefolgsmann Séide derart durch den von ihm erfundenen Glauben fanatisiert, dass er ihn für seine Zwecke als Mörder einsetzen kann. Séide erdolcht schließlich auf Mohammeds Befehl dessen Kontrahenten Zopir, den als gerecht charakterisierten Herrscher über Mekka. Dabei ist Séide nicht bewusst, dass Zopir sein eigener Vater ist. Die Tragödie war ein Publikumserfolg, wurde jedoch in Frankreich etwa ein Jahr nach der Premiere verboten, da einige Zeitgenossen in ihr eine Kritik an der christlichen Kirche erkannten.92 Aus Voltaires Briefen geht hervor, dass sein mit der historischen Überlieferung der Eroberung Mekkas nicht übereinstimmender Plot vor allem auf das Vorbild eines während des französischen Religionskrieges verübten Attentats rekurriert. Das Spiel sei ein „portrait chimérique“93, wobei sich hinter dem Namen „Mahomet“

90  Für eine ausführliche Bibliographie aller Übersetzungen und Editionen vgl. Le fanatisme, ou Mahomet le prophète – De l’alcoran et de Mahomet, eingel. v. Christopher Todd, in: The complete works of Voltaire – Les œuvres complètes de Voltaire, hrsg. Theodore Besterman u. a., Oxford 2002, Bd. 20b, S. 60–135. 91  Vgl. Pao, Angela C.: The Orient of the Boulevards. Exoticism, Empire, and Nineteenth-Century French Theater, Philadelphia 1998, S. 56–57. Zu weiteren Werken fiktionaler Verarbeitung des Orientstoffes im Frankreich des 17. Jahrhunderts vgl. die Shortlist in Duprat (2010), S. 233–235. 92  Voltaires Gegner beschrieben die Tragödie als „une satire sanglante contre la religion chrétienne“ und hielten die Darstellung des Propheten sogar für einen versteckten Angriff auf Christus. Vgl. Hadidi, Djavâd: Voltaire et l’Islam, Paris 1974, S. 54–57; Orieux, Jean: Das Leben des Voltaire, übers. v. J. Kirchner, Frankfurt a. M. 1968, S. 291–292. 93  Voltaire à Frédéric II, September 1739, (D2074) „Le malheureux Said, qui croit servir dieu en égorgeant son père, n’est point un portrait chimérique. Les Jean Châtel, les Clément, les Ravaillac, étaient dans ce cas et ce qu’il y a de plus horrible c’est qu’ils étaient tous dans la bonne foi.“ Zitiert nach: Trousson,

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eine Figur wie die des Dominikaner-Priors verberge, der den Laienbruder Jacques Clément zum Mord an Henrich III. von Frankreich (1551–1589) angestiftet habe.94 Die Tragödie richte sich damit exemplarisch gegen religiösen Fanatismus, durch den die Menschen im vermeintlichen Glauben, ihrem Gott zu dienen, zu Verbrechern an der Menschheit würden.95 Ganz im Widerspruch zu seiner religionskritischen Intention widmete Voltaire das Drama nachträglich Papst Benedikt XIV. In einem Brief von 1745 trug er dem Kirchenoberhaupt seine Schrift mit den Worten an, dass er seine Satire über die Grausamkeiten und Fehler eines falschen Propheten niemand Passenderem würde widmen können als dem Stellvertreter des „Gottes der Wahrheit und der Milde“96. Voltaire hoffte wohl, eine positive Äußerung seitens des Papstes würde seine christlichen Kritiker verstummen lassen. Allerdings half selbst die von Voltaire gefälschte, um ein im Originalschreiben nicht enthaltenes Lob des Stückes ergänzte Antwort Benedikts XIV. nicht, das Spielverbot für Mahomet aufzuheben.97 Angesichts der von Voltaire selbst vorgeschlagenen Lesart kann das Stück als Synthese der Biographien von Prideaux und Boulainvilliers angesehen werden, wobei er Prideauxs dezidiert antiislamische Haltung aufgreift, diese aber mit einer Kritik an religiös motivierter Gewalt verbindet und, wie Boulainvilliers, an die eigene Gesellschaft richtet.98 Die Figur des Propheten war als maskiertes Spiegelbild der eigenen Gesellschaft Raymond: Tolérance et fanatisme selon Voltaire et Rousseau, in: Rousseau and l’infâme. Religion, Toleration, and Fanaticism in the Age of Enlightenment, hrsg. v. Ourida Mostefau u. John T. Scott, Amstderdam u. a. 2009, S. 23–64. 94  „Ma pièce représente, sous le nom de Mahomet, le prieur des Jacobins mettant le poignard à la main de Jacques Clément, encouragé de plus par sa maîtresse, au parricide.“ Voltaire: Lettres inédites de Voltaire recueillies par M. de Cayrol et annotées par M. Alph. François avec une préface de M. Saint-Marc Girardin, Bd. 1, Paris 1856, S. 453. 95  Als dessen schlimmstes Beispiel nennt Voltaire, wie bereits Pierre Bayle vor ihm, die Ermordung der Hugenotten während der Bartholomäusnacht (1572), vgl. Lettres inédites de Voltaire (1856), Bd. 1, „Lettre à M. César De Missy, 1er septembre 1743“, S. 450. 96  Voltaires Brief an den Papst vom 17. August 1745 in: Voltaire: Œuvres complètes de Voltaire, Bd. 3: Theatre, hrsg. v. P. A. Caron de Beaumarchais u. a., [Kehl am Rhein] 1785, S. 148: „A chi potrei più convenevolmente dedicare la satira della crudeltà e degli errori d’un falso profeta, che al vicario ed imitatore d’un Dio di verità e di mansuetudine?“ 97  Das später in Umlauf gebrachte Antwortschreiben, in dem der Papst die Tragödie ausdrücklich lobt (vgl. ebd., S. 150), scheint aber eine wohl Voltaire selbst zuzuschreibende Fälschung zu sein. Vgl. Gunny, Ahmad: The Prophet Muhammad in French and English Literature, 1650 to the Present, Markfield (Leicestershire) 2010, S. 99; Andrew, Edward: Patrons of Enlightenment, Toronto u. a. 2006, S. 112. 98  Hammerbeck, David: Voltaire’s Mahomet. The Persistence of Cultural Memory and Pre-Modern Orientalism, in: Agora. An Online Graduate Journal, 2, 2, 2003, S. 1–20, hier S. 7: „Ironically, Voltaire rearticulated and redirected Prideaux’s anti-Islamic strategies in order to bolster his own tactics of eradicating religious dogma and superstition while championing the Deist’s belief […].“ Die Übereinstimmungen zwischen Prideauxs und Voltaires negativer Darstellung des Propheten sieht auch Ronald Tobin, jedoch kann er in der Tragödie keine konkreten Übernahmen erkennen. Vgl. Tobin, Ronald W.:

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gedacht, sollte aber zugleich auf die historische Person Mohammeds als negatives Exempel rekurrieren. Das extrem negative Mohammedbild des Dramas entsprach einer traditionellen und populären Sichtweise, erscheint im Vergleich mit zeitgenössischen Darstellungen anderer Aufklärer und Orientalisten aber als geradezu rückständig. Voltaire revidierte seine Meinung über die Religion des Propheten in folgenden Publikationen grundlegend,99 dies änderte aber nichts daran, dass sein Stück über den Propheten zwei Generationen später auf deutliche Ablehnung stieß. Zu den bekanntesten Kritikern zählen Goethe, der selbst eine Tragödie zum Leben des Propheten plante und sich mehrfach abschätzig über das Spiel äußerte,100 und Napoleon Bonaparte, für den Mohammed als militärisches Genie und politischer Reformer eine Art Rollenmodell war.101

The Sources of Voltaire’s „Mahomet“, in: The French Review, 34, 4, 1961, S. 372–378. Zu Voltaires zwiespältigem Islambild vgl. Kuschel, Karl-Josef: Vom Streit zum Wettstreit der Religionen. Lessing und die Herausforderung des Islam, Düsseldorf 1998, S. 74–83. 99  In seinen späteren Schriften, dem erstmals 1753 veröffentlichten Essai sur les mœurs et l’esprit des nation und in Le Dîner du comte de Boulainvilliers, bezeichnete er den Propheten schließlich als einen „grande homme“. Zwar beschreibt Voltaire den Propheten auch hier weiter als machthungrig und vergleicht ihn mit Cromwell, doch im Gegensatz zu diesem habe Mohammed viel Größeres vollbracht. Voltaire: Essais sur les mœurs et l’esprit des Nations, Paris 1773, S. 61: „Ce fut certainement un très-grand homme, & qui forma des grands hommes.“ Mohammed sei ein „conquérant, législateur, monarque & pontife“ (ebd.), der den Mut Alexander des Großen und den Geist eines Numa Pompilius gehabt habe. Hier freilich aus dem Munde des Comte de Boulainvilliers. Voltaire: Le Dîner du comte de Boulainvilliers, o. O. 1728 [eigentlich 1768], S. 31–32: „Mahomet avait le courage d’Alexandre avec l’esprit de Numa.“ Die Schrift erschien 1768 wegen seines antiklerikalen Inhalts zunächst ohne Angabe eines Autors, in einer zweiten Ausgabe in Amsterdam ohne Angabe des Druckortes und mit falscher Jahresangabe unter dem Pseudonym Saint-Hiacinte. 100  Vgl. Abdel-Rahim, Said H.: Goethe und der Islam, Diss., Augsburg 1969, S. 146. Dass er selbst ein anderes Verständnis von Mohammed hatte, zeigt sich in einem Gedicht Goethes, auf das im folgenden Kapitel (S. 236f.) kurz eingegangen wird. 101  Napoleon verfasste sogar selbst eine Novelle, die von einem selbsternannten Propheten namens Hakem handelt, der im Jahr 160 n. H. im Reich des Kalifen al-Mahadī (r. 775–785) gelebt haben soll. Vgl. Bonaparte, Napoléon: „Le Masque prophète“ et autres écrits de jeunesse, Paris 1945. Die Geschichte dieser Figur erinnert in vielen Punkten an die westeuropäischen Biographien Mohammeds. Ebenso wie in den zeitgenössischen bildlichen Darstellungen des Propheten erscheint auch Hakim hier als Träger einer Maske, die er wegen einer krankheitsbedingten Entstellung seines Gesichtes verwendet, nach eigenen Angaben aber deswegen tragen müsse, da von seinem Gesicht Licht ausgehe, das für die Augen der Sterblichen nicht zu ertragen sei. Wie Andrew Martin herausgestellt hat, erscheint die Maske hier als ein Motiv für eine kommende Enthüllung, die zugleich als „heimliche“ Verbindung zwischen Prophezeiung und Literatur verstanden werden kann. Vgl. Martin, Andrew: The Mask of the Prophet. Napoleon, Borges, Verne, in: Comparative Literature, 40, 4, 1988, S. 318–334, bes. S. 321, 333. Zu Napoleons Selbsteinschätzung als „nouveau Mahomet“ vgl. Klinkenberg (2009), S. 241–244.

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Jean-Jacques Rousseau, der hinsichtlich des Propheten und in Bezug auf die Bewertung des Fanatismus eine andere Meinung vertrat, lobte Voltaires Le fanatisme ou Mahomet le Prophète dennoch. In seiner Analyse stellte er heraus, dass die Figur Mahomet, anders als der Titel des Dramas vermuten ließe, keineswegs fanatisch sei, sondern berechnend und vernunftmäßig agiere und sich lediglich des Fanatismus seiner Anhänger bediene. Mahomet sei damit das Sinnbild eines machiavellistisch agierenden Fürsten.102 Diese Interpretation denkt sich mit Voltaires Erläuterung zum Begriff des „Fanatisme“ in seinem Dictionnaire philosophique. In dem längeren Eintrag wird der Fanatismus als ein Übel der Menschheit beschrieben, wobei zahlreiche Beispiele aus der Geschichte des Christentums angeführt werden. Mohammed wird hingegen nur ein einziges Mal genannt, und zwar nach dem Hinweis, dass es nur den geschicktesten Herrschern gelinge, ihre Gefolgschaft zu fanatisieren, und dass Mohammed sehr von seinen Glaubenskriegern profitiert habe.103 Dass die Figur des Propheten in Mahomet anti-machiavellistische Züge trägt, wird besonders in der finalen Katastrophe des letzten Aktes deutlich. Palmire, die im Verlauf des Stückes durch die Intrigen des Propheten nicht nur ihren Vater Zopire, sondern durch Giftmord auch ihren Bruder Séide verliert, sieht sich schließlich schutzlos der Begierde des triumphierenden Mahomet ausgesetzt. Die gesteigerte Dramatik und Emotionalität der Handlung wird in dem druckgraphischen Frontispiz der Amsterdamer Ausgabe von 1743 durch die ausladenden Gesten der Figuren anschaulich (Kat. 35, Abb.  57). Die im Zentrum des Geschehens stehende Palmire ruft, bevor sie sich das Messer in die Brust stößt, dem Propheten anklagend entgegen: „Je meurs. […] Tu dois régner, le monde est fait pour les tyrans.“104 Palmires verzweifelter Entschluss, sich durch Selbstmord dem Tyrannen zu entziehen, erinnert an die Legenden der Römerinnen Virginia und Lucretia, die durch ihr Einverständnis, durch die Hand des Vaters zu sterben, beziehungsweise durch ihren Freitod die sie begehrenden Herrscher zu Fall bringen konnten. Voltaires Adaption dieses Motives kann sogar als Vorbild für Gotthold Ephraim Lessings Trauerspiel Emilia Galotti (1772) gelten, in dem das Thema der Herrscherwillkür und des daraus erwachsenden Unrechts an einem fiktiven absolutistischen Hof in Europa verhandelt wird.105 Im Gegensatz zu den antiken Vorbildern kommt es jedoch weder bei Lessing noch bei 102  „L’anaylse de la pièce nous a révélé un Mahomet à la dimension d’un prince de Machiavel. Telle est l’originalité de Voltaire.“ Damit präsentiere sich das Stück zugleich als ein antimachiavellistisches Statement. Vgl. Badir (1974), S. 218; Kelly, Christopher: Pious Cruelty, Rousseau on Voltaire’s „Mahomet“, in: Mostefai/Scott, Amsterdam/New York 2009, S. 175–186, hier S. 176–177. 103  Voltaire: Dictionnaire Philosophique [1764]. Nouvelle édition plus complette que toutes les précédentes, Bd. 4, Amsterdam 1789, S. 342–364, hier S. 360. 104  Voltaire: Le fanatisme ou Mahomet le Prophète, tragédie par Mr. De Voltaire, Amsterdam 1743, Akt V, Szene 4, S. 104. 105  Vgl. Nolte, Fred O.: Voltaire’s „Mahomet“ as a Source of Lessing’s „Nathan der Weise“ and „Emilia Galotti“, in: Modern Language Notes, 48, 3, 1933, S. 152–156.

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Abb. 57  Louis Fabritius Du Bourg (inv.)/Pieter Tanjé (sculp.), „MAHOMET LE PROPHETE TRAGEDIE“, Frontispiz, aus: Voltaire, Le fanatisme ou Mahomet le Prophete […], Amsterdam 1743 (Kat. 35)

Voltaire zum Sturz der Herrscher. Mohammed, der sich im Bild mit abwehrender Haltung von der Szene des Selbstmords abwendet und sich durch einen Schritt auf die Treppe zu entziehen sucht, gelingt es am Ende der Aufführung, das aufgebrachte Volk von Mekka mit einem fingierten Gottesentscheid zu besänftigen. Voltaire war sich durchaus bewusst, dass der Plot seiner Tragödie stark von der historischen Überlieferung abweicht, ja, dass er „nicht eine einzige wahre Begebenheit

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Abb. 58  Edwards (del.)/Collier (sculps.), „Mr. Bensley in the Character of Mahomet“, Frontispiz, aus: Voltaire, Mahomet, the impostor […], London 1777 (Kat. 40)

auf die Bühne“ bringe.106 Er sah sich jedoch gerechtfertigt, die Geschichte Mohammeds abzuwandeln, um die „wahre Moral“ der Menschen und die Gefährlichkeit des religiösen Fanatismus anschaulich zu machen. Die Aussagekraft, die Voltaires Tragödie über den Charakter der Religion im Allgemeinen wie des Islam im Besonderen besitzt, ist 106  In einem Brief Voltaires vom 20. Januar 1742 an Friedrich II. heißt es: „Je sais que Mahomet n’a pas tramé précisément l’espèce de trahison qui fait le sujet de cette tragédie. L’histoire dit seulement qu’il enleva la femme de Séide, l’un de ses disciples, et qu’il persécuta Abusofian, que je nomme Zopire […]. Je n’ai pas prétendu mettre seulement une action vraie sur la scène, mais des mœurs vraies; faire penser les hommes comme ils pensent dans les circonstances où ils se trouvent, et représenter enfin ce que la fourberie peut inventer de plus atroce, et ce que le fanatisme peut exécuter de plus horrible.“ Zitiert nach Voltaire: Mahomet. Tragédie de Voltaire, hrsg. u. komm. v. Jean Humbert, Paris 1825, S. 18. Zur künstlerischen Freiheit, der sich Voltaire bei der Gestaltung seiner Mohammedfigur bediente, vgl. Badir (1974), S. 78; Netton, Ian R.: The Mysteries of Islam, in: Exoticism in the Enlightenment, hrsg. v. George S. Rousseau u. Roy Porter, Manchester/New York 1990, S. 23–45, hier S. 37.

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Abb. 59  Foech de Basle (Jean Louis Faesch), „Voltaire en ­Zopire et Lekain en Mahomet“, aus: Album dramatique. Souvenirs de l’ancien théâtre français […], Paris 1820, o. P. (Kat. 53)

angesichts der einseitig negativen und im hohen Maße ideologisch gefärbten Darstellung des Protagonisten jedoch zweifelhaft. In Sinne Relands ließe sich stattdessen sogar fragen, inwiefern die Figur Mahomet ein Spiegel ihres Autors ist. Bei der Propagierung seiner Vorstellung von religiösem Fanatismus nahm Voltaire schließlich weder Rücksicht auf historische Fakten noch auf moralische Grenzen. Um seine „Wahrheit“ darzustellen, bediente er sich eines bewusst verzerrten Geschichtsbildes und, um sie auf die Bühne zu bringen, biederte er sich in einem Akt der Dissimulation bei seinem weltanschaulichen Kontrahenten, Papst Benedikt XIV., an und fälschte sogar dessen Antwortschreiben. Voltaires in Mahomet recht weitgehendes Verständnis von künstlerischer Freiheit trägt durch den vom Autor gleichzeitig gestellten Anspruch, mit dem Stück gesellschaftliche Realität zu veranschaulichen, selbst einen fanatischen Zug. Von der Bühnengestalt Mahomets geben einige Druckgraphiken Kenntnis, die verschiedene damals bekannte Schauspieler in der Rolle des Propheten zeigen (Kat. 38,

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39, 40, 42, 45, Abb. 58). Neben der Austauschbarkeit der Gesichter – so konnten auch bartlose Schauspieler den Propheten mimen – fällt andererseits die große Einheitlichkeit in der Gestaltung der Kostüme auf. Mit einem mit Hermelin besetzten Übermantel und einem großen, meist mit Feder-Agraffe und Halbmond geschmückten Turban verbinden diese Kostüme eine in Europa geläufige Insignie absolutistischer Macht mit den visuellen Topoi des europäischen Orientbildes.107 Diese Mischung von bekannten und exotisch (pseudo-)orientalischen Elementen ist zugleich ein typisches Merkmal der Übersetzungen orientalischer Literatur und der von europäischen Autoren erfundenen orientalischen Geschichten (Contes orientaux/Oriental Tales), die zur selben Zeit in Europa populär wurden und deren Paradebeispiel die aus dem Arabischen übertragene Sammlung von Geschichten Milles et Une Nuit von Antoine Galland (ersch. 1704–1717) ist.108 Während Voltaires Handlung vorgibt, im Mekka des 7. Jahrhunderts zu spielen, wird indes durch die Bühnenausstattung deutlich, dass es sich weniger um ein historisches Bild des Islam handelt, sondern um einen Orient, dessen artifizieller und fiktionaler Charakter eine Ambivalenz erzeugt, welche die Darbietung hinsichtlich möglicher Bezüge auf die zeitgenössische Situation hin öffnet. In diesem Fall kann gerade die Bühneninszenierung als ein Bruch mit dem Prinzip der Mimesis verstanden werden, sodass die sichtbare Selbstreferenzialität des künstlerischen Akts zu einer Reflexion und Übertragung der dargebotenen Thematik anregt. In dieser Hinsicht sprechend ist ein Blatt, das Voltaire und den von ihm protegierten Schauspieler Le Kain zeigt, wie beide in ihrer gewöhnlichen Kleidung, die Rollen von Zopire und Mahomet verkörpern und bezeichnenderweise in ihrem Dialog die sowohl für die Handlung der Tragödie als auch für ihre künstlerische Darstellung relevante Frage der Täuschung thematisieren (Kat. 53, Abb. 59). Auf Zopires (Voltaires) Frage: „Penses tu me tromper?“ kontert der ihm gegenüberstehende Mahomet (Le Kain): „[J]e rien ai pas besoin.“ Voltaires Le fanatisme operiert anscheinend bewusst mit der unklaren Grenzziehung zwischen Theaterillusion und geschichtlicher, sozialer Realität, woraus sich eine weitere Parallele zwischen dem Protagonisten des Stücks und seinem Autor zeigt. So wie Mahomet durch seine für Eingeweihte wie Zopire als Täuschung durchschaubare Prophetenrolle reale gesellschaftliche Macht erlangt, so operiert Voltaire mit der für die Eingeweihten der Aufklärung ebenfalls durchschaubaren Fiktion des Theaters, um seine radikale Religionskritik zu propagieren. 107  Zum Hermelin vgl. Hille, Christiane: „Herrscherinsignien“, in: Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 1: Abdankung bis Huldigung, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, München 2011, S. 491–498, hier S. 495. 108  Zwischen 1730 und 1750 seien in Europa 600 vollständige Werke der arabischen, persischen und türkischen Literatur in Übersetzung erschienen. Gerade die für diese Gruppe paradigmatischen Milles et Une Nuit wiesen durch die bei der Übersetzung formgenommene Redaktion der Geschichten und ihre Anpassung an die Sprache und den Geschmack der französischen Zeitgenossen zahlreiche kulturelle Mischformen auf. Aravamudan, Srinivas: Enlightenment Orientalism. Resisting the Rise of the Novel, Chicago/London 2012, S. 50.

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Eine 1734 in Amsterdam erschienene Koranübersetzung präsentiert den Propheten in einer phantasievollen Aufmachung und Szenerie, welche die Kostüme der Theateraufführungen an Exotik noch überbietet (Kat. 31, Abb. 60). Das Frontispiz dieser Neuauflage der erstmals 1647 publizierten französischen Übersetzung von André Du Ryer zeigt Mohammed in herrschaftlicher Gewandung mit einem pelzverbrämten Obergewand, einem mit Halbmondbrosche geschmückten Turban und einem gegürteten Schwert mit Adlerknauf.109 Der Prophet sitzt inmitten einer idyllischen Hügellandschaft auf einem Felsen. Umringt wird er von einer Gruppe von Zuhörern, denen er predigt, während er zugleich mit einer Schreibfeder den vor ihm liegenden Koran zu verfassen scheint. Besondere Aufmerksamkeit widmete der eigentlich auf Seestücke spezialisierte Graphiker Adolf van der Laan der Ausgestaltung der sich um den zentralen Felsen des Propheten sammelnden Gemeinschaft, die mit ihren unterschiedlichen Gewändern und ethnischen Merkmalen die geographischen Gebiete veranschaulichen, in denen sich der Islam verbreitet hat. Im Bildvordergrund ist ein wie ein Flussgott lagernder Mann dargestellt, der durch seine dunkle Hautfarbe und zwei neben ihm liegende Elefantenstoßzähne als ein Vertreter des afrikanischen Kontinentes ausgewiesen ist. Die auf die Repoussoirfigur des Afrikaners folgenden Männer zeigen in ihren Kleidungen und Physiognomien arabische, asiatische und europäische Merkmale. Schließlich wird die kulturelle und ethnische Diversität der Versammlung durch den aus dem Hintergrund ankommenden Zug von Menschen weiter bereichert. Auch in diesem Bild scheint die Figur Mohammeds auf einen impliziten Vergleich mit Jesus hin angelegt worden zu sein. Da sich die im Frontispiz dargestellte Begebenheit nicht auf eine Beschreibung im Buch selbst zurückführen lässt, ist es möglich, dass das Motiv der Bergpredigt, bei der Jesus ebenfalls inmitten einer ihn umringenden Zuhörerschaft erhöht auf einem Felsen sitzend dargestellt wird, eine konzeptionelle Grundlage bot.110 Auch wenn die Differenz zur alludierten christlichen Ikonographie durch das fürstliche Gewand und das Schwert Mohammeds sofort offenbar wird, evoziert die Darstellung dennoch keine unmittelbar negative Vorstellung vom Propheten. Die friedliche Versammlung der Angehörigen verschiedener Völker und die fruchtbare Landschaft rücken die islamische Botschaft in ein positives Licht. Lediglich zwei kleine, weiter im Hintergrund gelegene Szenen sind als Kritik an der Lehre Mohammeds lesbar.

109  Zu der von Du Ryer geleisteten ersten direkten Übertragung des Korans ins Französische vgl. Hamilton/Richard (2004); Larzul, Sylvette: Les premières traductions françaises du Coran (XVIIe–XIXe siècles), in: Archives de sciences sociales des religions, 147, 2009, S. 147–165, hier S. 148–153. 110  Matthäus 5,1–2: „Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie.“ Für eine dem Korantitelblatt thematisch vergleichbare Darstellung siehe etwa Marten de Vos (inv.)/Jacob de Bye (del.), „Bergpredigt Jesu“, 1593/1598. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Inventar-Nr. 36.16 Geom. 2°. Hollstein’s Dutch & Flemish Etchings, Engraving and Woodcuts: ca. 1450–1700, Bd. 45: Maarten de Vos, Plates, Part I, zusammengestellt v. Christiaan Schuckmann, hrsg. v. D. de Hoop Scheffer, Rotterdam 1995, 299/II, S. 125.

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Abb. 60  Adolf van der Laan, Frontispiz, aus: André Du Ryer, L’Alcoran de Mahomet […], Bd. 1, Amsterdam 1734, (Kat. 31)

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„Fanatismus“ und künstlerische Freiheit

Im Zentrum des Bildes, wo sich die Landschaft zu einem Plateau öffnet und schließlich in einen Pfad übergeht, der zu einer im Hintergrund sichtbaren Stadt führt, befindet sich eine Gruppe von Personen, die einen auf dem Boden liegenden Mann und eine vor diesem stehende Kuh beobachten. Diese Szene bezieht sich wohl auf einen Kommentar des Übersetzers Du Ryer zu einer Passage der zweiten Sure („Die Kuh“), in der Moses den Israeliten befiehlt, eine gelbe Kuh zu opfern. Du Ryer erklärt dazu, dass die Muslime glaubten, dass ein Toter durch die Berührung mit der Zunge dieser Kuh zum Leben erweckt werden könne.111 Indem van der Laan diese Szene unmittelbar rechts von der rhetorischen Geste des Propheten darstellte, verknüpfte er die Rede Mohammeds visuell mit dieser im Mittelgrund dargestellten Episode. Jedoch scheint van der Laan die entsprechende Textstelle missverstanden zu haben, denn im Buch wird berichtet, dass der Verstorbene durch den Kontakt mit einem Stück der Zunge der bereits geopferten Kuh erweckt wurde und gerade nicht durch das lebendige Tier. Neben diesem Missverständnis zeigt das Titelblatt eine Szene, die als gewollt falsche Auslegung verstanden werden muss. Auf der rechten Seite des Bildes werden im Hintergrund zwei Figuren vor einer Phantasiearchitektur gezeigt, die als eklektische Mischung aus antikem Rundtempel und chinesischer Pagode beschrieben werden kann. Eine der beiden Personen ist niedergekniet, während die andere auf die zentral im Tempel stehende Kultfigur zeigt. Die Silhouette dieser lebensgroßen, Mantel, Turban und Schwert tragenden Skulptur und der Halbmond über dem Eingang des Tempels, der sich gleichsam auf dem Turban des Propheten im Vordergrund findet, lassen keinen Zweifel daran, dass die Szene eine Verehrung Mohammeds als Standbild darstellen soll. Obwohl die Vorstellung, dass der Islam jegliche Anbetung oder auch nur die Verehrung von Bildern erlaube, seitens der christlichen Gelehrten längst verabschiedet worden war, und sich Du Ryer im Buch selbst dezidiert gegen eine solche Meinung ausspricht, verzichtete der Künstler nicht auf eine derartige Darstellung.112 Eine mögliche Inspiration dafür kann das berühmte und inhaltlich komplexe Frontispiz von Bernard Picart für den ersten Band der Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde (1723) gewesen sein (Abb. 61). Im Vordergrund dieser Graphik predigt ‘Alī (Abū l-Hasan . ‘Alī b. Abī Tālib), . in der Nachfolge des Propheten, einer Gruppe von Männern, die durch ihre Gewänder ethnisch und sozial differenziert sind, die Gebote des Islam. Ähnlich wie beim Frontispiz des Korans erscheinen auch bei den Cérémonies auf den im Hintergrund gelegenen Hügeln Götterfiguren und Betende. Was bei

111  Du Ryer, André: L’Alcoran de Mahomet, translaté d’Arabe en Français […], Paris 1647, S. 10 (Kommentar zu Sure 2, 73): „Les Turcs croyent qu’un home ressuscita lors qu’il fut frappé de la langue de cette vache.“ 112  Du Ryer (1647), Au Lecteur, o. P.: „Il declame contre ceux qui adorent les idoles, particulierement contre les Habitants de la Ville de la Meque, & contre Coreïs qui estoient ses ennemis à son évenement […].“ Auch die Schreibfeder in Mohammeds Hand, welche die Vorstellung weckt, dass die Offenbarung der Suren mit deren unmittelbaren Aufzeichnung einhergehe, gehörte bereits in den Bereich der Mythen.

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Abb. 61  Bernard Picart, Frontispiz, aus: Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde […], Bd. 1, Amsterdam 1723

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Picart die religiösen Riten der Hindus und der Buddhisten darstellen soll, erscheint im Korantitelblatt von 1734 auf den Islam übertragen. Den Islam als eine antikisch-orientalische Idolatrie zu zeigen, ist hier jedoch nicht als ernstzunehmende Religionskritik gemeint. Die Graphik sollte wohl lediglich dazu dienen, ein ungleich exotischeres und schillernderes Bild zu entwerfen, als dies eine nüchterne Darstellung historischer und theologischer Fakten ermöglicht hätte. Denn bei aller Rückwärtsgewandtheit, die das Frontispiz in seiner Anknüpfung an solche Motive aufweist, ist festzustellen, dass das damit vom Islam entworfene Bild an Schärfe verloren hat. Die Darstellung der Idolatrie dient hier nicht dazu, die Herrschaft Mohammeds als Tyrannei zu charakterisieren, sondern die Gemeinschaft der Muslime (umma) als eine pittoreske multiethnische Versammlung in die märchenhafte Atmosphäre eines Orientbildes einzubinden, wie es beim europäischen Publikum über die bereits erwähnten Geschichten aus Mille et Une Nuit und ihre zahlreichen Nachahmungen bekannt und äußerst beliebt war.113 Mohammed erscheint auf dem Korantitel selbst wie ein Märchenerzähler, der ein Buch voll exotischer und wundersamer Geschichten präsentiert. Für diese Bildwirkung ist auch der von van der Laan entworfene Landschaftsprospekt verantwortlich. Mohammed predigt in einer friedlichen, von reicher Vegetation bestandenen Hügellandschaft. Ähnlich wie das den zuvor besprochenen Theaterkostümen ähnelnde Gewand des Protagonisten verbindet auch die ihn umgebende Natur exotische und vertraute Elemente, da zwischen den überwiegenden Laubbäumen, die an eine europäische Waldlandschaft erinnern, vereinzelt Palmen stehen. In dieser Mischung entspricht das Bild nicht nur dem fiktionalen Orientbild der Aufklärung, die abwechslungsreichen Gewänder der Bildfiguren und die an chinesische Pagoden erinnernden Tempel zeigen zugleich eine deutliche Parallele zu den an den zeitgenössischen Höfen beliebten fête galant und fête champêtre, bei denen sich die feine Gesellschaft, bisweilen auch in die Rollen von Orientalen schlüpfend, in den Gartenanlagen der Schlösser amüsierte.114

113  Rodinson, Maxime: The Western Image and Western Studies of Islam, in: The Legacy of Islam, hrsg. v. Joseph Schacht u. Clifford E. Bosworth, Oxford 1974, S. 9–62, hier S. 36–37: „Islam was no longer seen as the land of Antichrist but essentially that of an exotic, picturesque civilization, existing in a fabulous atmosphere peopled by good or evil, wayward genies – all this for the delight of an audience that had already shown so much taste for European fairy tales.“ 114  So etwa in Jean Antoine Watteaus Ölbild „Les fêtes vénetiennes“ in der National Gallery of Scotland, Edinburgh.

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Der Prophet und die Natur Zeitgleich mit diesem Koranfrontispiz, das den Islam als elegantes Kostümfest und Mohammed als dessen fürstlichen Regisseur präsentiert, entstanden auch Darstellungen, die sich bemühten, den Ansprüchen einer wissenschaftlich distanzierten Herangehensweise gerecht zu werden. Ein in dieser Hinsicht bedeutendes Werk ist Jean Gagniers (1670–1740) Ismael Abu’l-Feda de Vita, et rebus gestis Mohammedis von 1723, das die erste vollständige Übersetzung einer arabischen Quelle zum Leben des Propheten enthält.115 Der Professor für Arabisch übertrug dazu die von Ismā‘īl Abū l-Fidā’ (1273– 1331), einem vom Herrscherhaus der Ayyubiden abstammenden Historiker und Geographen, verfasste Lebensbeschreibung Mohammeds, deren Manuskript er in der Oxforder Bodleian Library ausfindig gemacht hatte. Zunächst erschien die Biographie in Oxford auf Latein und lag 1732, auf den ausdrücklichen Wunsch einiger Leser, dass dieser Text einem breiteren Publikum zugänglich sein müsse,116 auch in einer von Gagnier selbst verfassten französischen Fassung vor, die in Amsterdam gedruckt wurde. Diese zweite Publikation versteht sich nicht zuletzt als eine Reaktion auf die Prophetenvita des Grafen von Boulainvilliers, denn Gagnier stand diesem Werk äußerst ablehnend gegenüber. Bereits 1730 hatte ihm der englische Verleger von Boulainvilliers’ La Vie de Mahomed den Vorschlag unterbreitet, das durch den Tod des Grafen unvollendet gebliebene Buch mit einem abschließenden Kapitel zu versehen. Gagnier lehnte dieses Angebot entschieden ab mit der Begründung, dass er ein derart gegen die Christenheit gerichtetes Werk nicht unterstützen wolle.117 Im Vorwort zur französischen Ausgabe seiner Übersetzung wendet sich der Oxforder Professor dezidiert gegen die Instrumentalisierung des Propheten durch Boulainvilliers und spricht dessen Werk, das er als einen „Roman“ bezeichnet, jede historische Fundierung ab.118 Ausführlich argumentiert er gegen die von Boulainvilliers vertretene Position, in der Lehre des Propheten eine natur- und vernunftgemäße Abwandlung der christlichen Lehre und Moral zu sehen.119 In Abgrenzung seiner Darstellung von der des Grafen bezeichnet Gagnier den Propheten wiederholt als 115  Vgl. Holt (1962), S. 299. 116  So Gagnier in seiner Einleitung. Vgl. Gagnier, Jean: La vie de Mahomet traduite et compilée de l’Alcoran, des traditions authentiques de la Sonna, et des meilleurs auteurs arabes, Amsterdam 1732, Bd. 1, Preface, S. I. 117  Gagnier (1732), Bd. 1, Preface, S. VI. Er lehnte die Aufgabe ab, da er sich nicht „dans un Plan aussi mal concerté, aussi chimérique, aussi impie et aussi injurieux à la Religion Chrétienne“ hineinziehen lassen wolle. Vgl. Brogi (1993), S. 119. Tatsächlich nimmt die Verurteilung von Boulainvilliers’ Biographie den überwiegenden Teil der Einleitung ein. Ein namentlich nicht erwähnter Autor ergänzte schließlich das Buch Boulainvilliers’ um eine Beschreibung der letzten Lebensjahre des Propheten. Vgl. Holt (1962), S. 300. 118  Gagnier (1732), Bd. 1, Preface, S. XXXVIII: „[C]ette Vie de Mahomet, qu’on a publiée sous le nom de Mr. le Comte de Boulainvilliers, est plutôt un Roman qu’une Histoire […].“ 119  Vgl. ebd., S. XV–XXII.

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Betrüger („imposteur“) und die Mohammeds Prophetenrolle legitimierende Geschichte von der Herabsendung des Korans als einen Kunstgriff („artifice“), mit dem Mohammed anfänglich nur seine nächsten Vertrauten hätte täuschen können.120 Zwar bleibt Gagnier hinsichtlich seiner Verurteilung Mohammeds als Religionsbetrüger einer christlich-apologetischen Sichtweise verhaftet, allerdings wendet er sich auch gegen die zu harschen und oft erfundenen Vorwürfe früherer christlicher Autoren, zu denen er auch die Übersetzung und Widerlegung des Korans (Prodromus ad refutationem Alcorani) von Lodovico Marracci (1699) und Humphrey Prideauxs Mohammedbiographie zählt. So betont Gagnier unabhängig von seiner persönlichen Ablehnung des Islam, dass er sich um eine historisch-kritische Sichtweise bemühe, die einen Mittelweg zwischen dem exzessiven Lob (Boulainvilliers) und der ungerechten Verurteilung des Propheten (Prideaux etc.) einschlage.121 Dem selbstgestellten Anspruch auf eine neutrale Wiedergabe der historischen Quelle wird er im folgenden Teil des Buches gerecht, da er sich bei der Übersetzung und Kommentierung des Textes von Abū l-Fidā’ Wertungen weitgehend enthält und dem Leser ein eigenes Urteil zugesteht. Dass sich die 1732 in Amsterdam in zwei Bänden publizierte französische Übersetzung an ein breiteres, nicht nur akademisches Publikum richtete, verdanken sich wohl auch die beiden Frontispize des Kupferstechers Philipp van Gunst (Kat. 30a, 30b).122 Gemäß dem Novum, das die erste volkssprachliche Übersetzung einer vollständigen, den Propheten positiv darstellenden Quelle auf dem europäischen Buchmarkt bedeutete, kreierte auch van Gunst ein beispielloses Bild von Mohammed. Beide Graphiken zeigen Ikonographien, die im westeuropäischen Buchdruck neu waren. Das Frontispiz des ersten Bandes mit dem Titel „La nuit de Decret Divine“ präsentiert die Offenbarung des Korans durch den Erzengel Gabriel, der zweite Band beginnt mit einem Bild Mohammeds und seiner Gefolgsleute bei ihrem freiwilligen Eid, der „Inauguration volontaire“. Diese Darstellung ist ebenfalls neu, denn die Bestätigung Mohammeds als geistiger und weltlicher Anführer wurde in der älteren Literatur oft als „Krönung des Propheten“ betitelt und ebenso darstellt (Kat. 9c, 19h, Abb. 20).

120  Vgl. ebd., S. XII. 121  Ebd., S. XLII: „Au reste la plupart de nos Historiens qui ont écrit la Vie de Mahomet comme l’Abbé Maracci, le Dr. Prideaux & autres, s’emportent à des injures, & des invectives atroces, pour le rendre odieux, & lui font quelque fois des crimes de choses assez innocentes en elles mêmes: Au contraire Mr. de Boulainvilliers porte ses louanges à l’excès, comme nous avons vu. Il a donc fallu prendre un juste milieu entre ces deux extrémités: Et c’est ce que j’ai tâché de faire, en gardant une éxacte neutralité, pour laisser lieu au Lecteur équitable, d’en porter tel jugement qu’il lui plaira.“ 122  Zu Philipp van Gunst vgl. Thieme/Becker, Bd. 15, S. 345 (hier zusammen mit dem zeitgleichen Pieter Stevensz van Gunst erwähnt). Als Einzeleintrag in: Saur allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Berlin u. a. 1992, Bd. 65, S. 537.

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Beide Ereignisse werden im Koran erwähnt und sind für das Selbstverständnis der Muslime von besonderer Bedeutung.123 Während die nächtliche Begegnung Mohammeds mit dem Erzengel seine göttliche Berufung begründet, war die zweite Begebenheit zentral für die Festigung der frühen islamischen Gemeinschaft. Das in Sure 48 („Der Sieg“) des Korans berichtete Ereignis geschah auf einer Wallfahrt der medinischen Muslime, die zur Verrichtung ihres Gebetes an der Kaaba die mit ihnen verfeindeten Koreischiten um einen friedlichen Einlass nach Mekka ersuchten (Kat. 30b, Abb. 62).124 Zwar wurde den Muslimen der Zugang zur Stadt zunächst verwehrt, jedoch kam es bei Hudai. 125 biya, unweit von Mekka, zu einem zehnjährigen Friedensvertrag, der den Muslimen das Recht auf die jährliche Pilgerfahrt zur Kaaba zugestand. Da der zur Verhandlung nach Mekka gesandte Uthman (‘U‒tmān ibn ‘Affān) auf sich warten ließ und die Muslime ihn schon von den Feinden ermordet glaubten, berief Mohammed seine Gefolgschaft ein, um sie auf die absolute Treue zu ihm und zum Islam einzuschwören. Gerade als die Muslime aufbrechen wollten, um den vermeintlichen Tod Uthmans zu rächen, kehrte dieser wohlbehalten in das Lager zurück und verkündete die Bereitschaft der Mekkaner zur Verhandlung. Der Krieg war damit im letzten Moment abgewendet. Der Ort des Eides ist nach dem Hodbā-Baum benannt, unter dem, wie auch die Graphik zeigt, die Versammlung stattfand.126 Während es sich bei der gestikulierenden Figur vor dem Baum im Mittelgrund wohl um den Propheten handelt, befindet sich im Vordergrund ein weiterer Mann, der sich hinter einem Kamel vor der bereits zum Kampf gerüsteten Gruppe der Schwörenden verbirgt. Der Text berichtet entsprechend, dass nur ein einziger Muslim namens Al-Had der Zeremonie nicht beiwohnte, da er sich nicht auf einen Schwur festlegen wollte.127 In Gagniers Wiedergabe der arabischen Quelle wird zwar nicht eigens erwähnt, dass diese Weigerung falsch sei, van Gunst scheint die unglückliche Lage Al-Hads jedoch sinnbildlich durch den geborstenen und beinahe kahlen Baum hinter ihm zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus bereicherte der Graphiker die Szene um ein Objekt, das auf ein sich am selben Ort zugetragenes Geschehen verweist. Der Pfeil, hinter dem im Vordergrund der Szene eine kleine Wasserfläche sichtbar ist, sei auf Geheiß Mohammeds in den Boden einer ausgetrockneten Zisterne gesteckt worden, wonach sich diese rasch wieder gefüllt und sich das kritische Problem der Wasserversorgung gelöst habe.128 Erstmals ist 123  Vgl. Sure 48, 11–18; Gagnier (1732), Bd. 2, S. 11–13. 124  Vgl. ebd., Bd. 2, S. 7–11. 125  Zu dem Dorf Hudaibiya . vgl. Watt, William M.: „al- Hudaibiya“, . in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/al-hudaybiya-SIM_2922 (26. 01. 2014). 126  Bei diesem Baum handelt es sich entweder um eine arabische Gummi-Akazie oder einen europäischen Zürgelbaum. Vgl. Bettany, George T.: Mohammedanism and Other Religions of Mediterranean Countries […], London 1892, S. 85. 127  Vgl. Gagnier (1732), Bd. 2, S. 12. 128  Ebd., S. 7.

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Der Prophet und die Natur

Abb. 62  Philipp van Gunst, „INAUGURATION“, Frontispiz, aus: Jean Gagnier, La Vie de Mahomet […], Bd. 2, Amsterdam 1732 (Kat. 30b)

hier ohne theatralische Geste und negative Kommentierung, vielmehr nebenbei, als ein Subtext der eigentlichen Erzählung der „Inauguration volontaire“ durch den Pfeil das Ergebnis einer Tat des Propheten ins Bild gesetzt, die als Wunder verstanden werden kann. Wohl weil dieses Geschehen noch im Bereich des natürlich Möglichen liegt, wird

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

Abb. 63  Philipp van Gunst, „La NUIT du DECRET DIVIN“, Frontispiz, aus: Jean Gagnier, La Vie de Mahomet […], Bd. 1, Amsterdam 1732 (Kat. 30a)

es im Kommentar als das am meisten anerkannte und authentischste „Wunder“ des Propheten bezeichnet.129 Während der Moment des „freiwilligen Schwurs“ von historisch-politischer Bedeutung ist, zeigt das Frontispiz des ersten Bandes den theologisch zentralen Moment 129  Ebd., S. 7: „Ce miracle est un des plus avérés & des plus authentiques du Prophéte.“

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der „Nacht der Bestimmung“ (Laylatu ’l-Qadr), in welcher der Koran auf dem Berg Hira (H. irā,) herabgesandt wurde (Kat. 30a, Abb. 63).130 Die Graphik ist bemerkenswert, da sie Mohammed erstmals ohne diffamierende Verformungen oder negative Attribute bei einer transzendenten, spirituellen Handlung zeigt. Auf der linken Seite im Bildmittelgrund steht der Prophet auf einer Hügelkuppe und nimmt mit ausgebreiteten Armen die Botschaft des Erzengels Gabriel an, der rechts von ihm auf einem gegenüberliegenden Felsen steht. Gabriel erscheint in menschlicher Gestalt mit sechs Flügeln und ist nicht nur von imposanter Größe, sondern als ein Licht emanierendes Wesen deutlich von der sonst dunklen Szenerie abgesetzt. Dargestellt ist der Moment, in dem der Erzengel Mohammed auffordert, den Koran zu lesen, worauf der Prophet entgegnet, er sei des Lesens nicht mächtig. Die Schriftrolle zu Füßen des Propheten bringt dies zum Ausdruck. Die beiden Männer in der dunklen Zone unterhalb der Hügelkuppen, die nichts von dem himmlischen Geschehen zu bemerken scheinen, sind Diener, die Mohammed, wie der Text berichtet, in dieser Nacht mit sich auf den Berg genommen haben soll.131 Im westeuropäischen Buchdruck wurde somit erstmals ein Bild verwendet, das die religiöse Bedeutung des Propheten als Gesandten Gottes und als Empfänger einer göttlichen Botschaft zeigt. Vergleichbare Ikonographien finden sich zuvor allenfalls in der islamischen Kunst, wie etwa in der Weltchronik Ğami‘u t-Tawārī­­h des Kanzlers der ˘ Ilkhane, Rašīd ad-Dīn (1247–1318), in der ebenfalls die Begegnung Mohammeds mit dem Engel gezeigt wird (Abb. 64). Eine weitere Darstellung derselben Begebenheit entstand für die Weiterführung dieser Chronik, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts von H.āfe z-e . Abrū unter dem Titel Mağma‘ āl-Tawārī­­h im Auftrag des Timuriden-Fürsten ˘ Šāhru h Mīrzā verfasst wurde. Der Buchmaler zeigt Mohammed und die riesige Gestalt ˘ Gabriels hier ebenfalls vor zwei Felsen einander gegenübergestellt. Auch wenn die Kompositionen des persischen und des europäischen Künstlers in diesem Punkt übereinstimmen, ist es angesichts der stilistischen Differenzen in der Darstellung der Landschaft wie mit Hinblick auf die von der islamischen Tradition stark abweichende Gestaltung des Engels bei van Gunst unwahrscheinlich, dass Letzterer sich an einem konkreten Vorbild der islamischen Malerei orientierte.132 Allerdings entwarf van Gunst ein Bild des Geschehens, das einer islamischen Sichtweise zumindest sehr

130  Gagnier (1732), Bd. 1, S. 105–106. Nach Gagnier soll es die Nacht vom 23. auf den 24. Ramadan A. H. 1 gewesen sein. Das historische Datum ist in der Forschung jedoch umstritten. The Encyclopaedia of Islam gibt die Nacht des 27. Ramadan als offiziellen Festtag an. Vgl. Plessner, Martin: „Ramadān“, in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/ramadan-SIM_620. Zum Berg Hira vgl. Watt, William M.: „Hirā,“, . in: ebd., http://referenceworks.brillonline. com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/hira-SIM_2890, beide (26.01.2014). 131  Gagnier (1732), Bd. 1, S. 105–106. 132  Dies umso mehr, weil die kompositorische Anordnung der Figuren aus der Beschreibung im Buch abgeleitet werden kann, in der es heißt, Mohammed sei auf die Mitte des Berges gestiegen und Gabriel habe sich ihm aus der Ferne („de loin“) und in menschlicher Form gezeigt. Vgl. ebd.

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

nahe kommt und ebenso wie die Übersetzung Gagniers bei der Wiedergabe dieses Ereignisses auf die Verwendung antiislamischer Topoi verzichtet. Anders als im Vorwort, in dem Gagnier die Geschichte der Unterredung Mohammeds mit dem Erzengel Gabriel als Betrug verurteilt, ist sein Kommentar zur entsprechenden Stelle in der Übersetzung gemäßigter. Abū l-Fidā,s Sichtweise, dass es sich bei den koranischen Suren um himmlische Botschaften handle, bestreitet er nicht unmittelbar. Er merkt lediglich kritisch an, dass die Offenbarungen der Suren jeweils zu Zeitpunkten gekommen seien, in denen der Prophet unter Legitimationsdruck gestanden habe, seinen Gefolgsleuten unliebsame Entscheidungen beibringen oder sich seiner persönlichen Leidenschaften wegen hätte rechtfertigen müssen.133 Die im Vorwort von

Abb. 64  Der Erzengel Gabriel vor Mohammed, aus: Rašīd ad-Dīn, ğāmi,u ttawārīh, Täbris um 1307, Edinburgh, University Library, Arab. MS. 20, fol. 16r ˘

­ agnier so klar beantwortete Frage, ob es sich bei den Suren um göttlichen Beistand für G den Propheten und die junge Gemeinde handelte oder nicht, lässt der Autor bei der konkreten Diskussion seiner Quelle offen. Hierin zeigt sich Gagniers Bemühen, zwischen seinem persönlichen, religiös determinierten Urteil und einer neutralen, historischen Aufarbeitung seiner Quelle zu differenzieren.

133  Ebd., S. 312–313, 384, 421, 450.

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Dem Anspruch einer unparteilichen Wiedergabe folgen auch die Illustrationen des Buches. Gemeinsam ist den beiden Frontispizen, dass sie die von Abū l-Fidā, geschilderten Ereignisse in narrativen Darstellungen präsentieren und die Person des Propheten dabei weniger in den Mittelpunkt stellen als vorherige Bilder. Eine im Vergleich mit zeitgenössischen Graphiken ebenfalls bemerkenswerte Besonderheit ist, dass die Gewänder der Figuren hier im Gegensatz zum exotischen Orient des Theaters und der höfischen Maskerade von allem Pomp befreit sind. Mohammed trägt ein schlichtes Gewand ohne Fellverbrämung und auch sein Turban kommt ohne Schmuck und Federbusch aus. Der durch die Einfachheit entstehende Eindruck der Authentizität wird zudem durch die Verortung der bildlichen Narration in einer der textlichen Darstellung entsprechenden natürlichen Landschaft unterstrichen. Durch die prominent ins Bild gesetzten Bäume bzw. den Mondschein in der „Nacht der Bestimmung“ ensteht ein Einklang der dargestellten Handlung mit der landschaftlichen Szenerie. Hierin scheint bereits die Neubewertung Mohammeds als eines von der Natur inspirierten Propheten und des Islam als einer ursprünglichen und natürlichen Religion anzuklingen, die das westeuropäische Islambild in der Folge und vor allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts kennzeichnen wird. Die mit der Übersetzung Gagniers in den westeuropäischen Buchdruck eingeführten Ikonographien wurden für nachfolgende Publikationen vorbildlich. So übertrug etwa der Buchillustrator Pieter Tanjé (1706–1761) die beiden Kompositionen für seine Prophetenbilder in Querformate (Kat. 32a, 32b, Abb. 65, 66).134 Durch die gekonnt verwendete Mischtechnik von Grabstichel und Radierung erreichte Tanjé eine überzeugende Lichtwirkung und weiche Modellierung der Figuren, womit er die atmosphärischen Werte seiner Vorlagen noch steigerte. Vor allem die bei ihm als „Nuit de decret“ betitelte Szene der Herabsendung des Korans, die sich nun unter einem klaren Nachthimmel ereignet, ist in ein verklärtes Licht getaucht. Der Erzengel Gabriel wird bei Tanjé von einer strahlenden Mandorla als himmlisches Wesen gekennzeichnet und wirkt aufgrund seiner größeren Distanz zum Betrachter, seinem einzelnen Flügelpaar und der durchweg grazileren Gestalt weniger bedrohlich als der den Propheten weit überragende Engel bei van Gunst. Zudem werden die beiden Protagonisten durch die Sternenkonstellation am Himmel akzentuiert und gleichsam miteinander in Verbindung gesetzt, sodass sich die dargebotene Handlung bedeutungsvoll und harmonisch in die Landschaft einfügt. Erzählfreudiger ist auch Tanjés Darstellung der „Inauguration“, deren Bildunterschrift hier ebenfalls gekürzt ohne das Adjektiv „volontaire“ auskommt. Die Figuren der zum Schwur versammelten Muslime sind bei ihm stärker differenziert und bewegt und auch die Stadtvedute im Hintergrund ist weitaus detaillierter gestaltet. Eine interessante Differenz zu van Gunsts Darstellung besteht zudem darin, dass der sich dem Schwur entziehende Al-Had den Betrachter nun direkt und beinahe Mitleid erweckend anblickt. Die beiden Graphiken Tanjés sind Teil der Cérémonies et Coutumes religieuses de tous les peuples du monde, die der hugenottische Buchhändler Jean Frédéric Bernard mit 134  Zu Pieter Tanjé vgl. Thieme/Becker, Bd. 32, S. 430–431.

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

Abb. 65  Pieter Tanjé, „La nuit de Decret“, aus: Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde […], Bd. 7, Amsterdam 1737, S. 1 (Kat. 32 a)

Abb. 66  Pieter Tanjé, „L’Inauguration“, aus: Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde […], Bd. 7, Amsterdam 1737, S. 33 (Kat. 32 b)

dem ehemals katholischen, dann aber zum Protestantismus konvertierten Graphiker Bernard Picart zwischen 1723 und 1737 herausbrachte. Die Buchreihe verkaufte sich trotz ihres enormen Umfangs und des hohen Preises, der der anspruchsvollen graphischen Illustration geschuldet war, sehr gut und wurde bald neu aufgelegt und in andere Sprachen übersetzt.135 Die Bilder erscheinen in dem der muslimischen Religion gewidmeten letzten von insgesamt sieben Folio-Bänden, jeweils etwa das obere Viertel der 135  Zur Rezeption der Cérémonies vgl. Wyss-Giacosa (2006), S. 319–332.

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Der Prophet und die Natur

Seite einnehmend,136 am Beginn von Kapiteln: Die „nuite de Decret“ eröffnet die einleitende Introduction a l’histoire du Mahometisme und die „Inauguration“ findet sich vor einem Abregé de la Vie de Mahomet. Eine grundlegende Annahme der Cérémonies ist, dass alle Religionen in wesentlichen Teilen übereinstimmen und einen gemeinsamen wahren Kern haben, jedoch hinsichtlich ihrer Riten voneinander abweichen.137 Um einen Vergleich der verschiedenen Kulte zu ermöglichen, stellten Picart und Bernard die Objekte, Zeremonien und Bräuche der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften in Beschreibungen und Illustrationen gegenüber.138 Die Cérémonies nehmen damit eine phänomenologische Perspektive ein, die nicht auf die jeweiligen Glaubensvorstellungen und Dogmen, sondern auf die konkreten irdischen Ausprägungen, die Praktiken und Formen der Religionen blickt. Angesicht dieser Konzentration auf die sichtbaren Elemente des Glaubens kam den Druckgraphiken eine Schlüsselrolle zu. Die Bildtafeln können sogar als der eigentliche Kern der Publikation und als Anlass für die textlichen Abhandlungen verstanden werden, die dem Betrachter Erläuterungen des visuell Dargebotenen bieten.139 Der für die Illustrationen verantwortliche Picart bemühte sich daher um möglichst authentisches, oft aus den jeweiligen Ländern und Kultorten importiertes bzw. auf Augenzeugenberichte zurückgehendes Bildmaterial.140 Hinsichtlich ihres oft deskriptiven Charakters und ihres Anspruchs auf eine glaubwürdige und unverfälschte Darstellung der fremden Religionen bezeichnete Paola Wyss-Giacosa die Graphiken der Cérémonies zutreffend als „piktorale Ethnographie“141. Tanjés Szenen aus dem Leben des Propheten erscheinen im Islam-Band neben 23 weiteren, teils doppelseitigen Bildtafeln, die mit Darstellungen von Festen, religiösen Amtsträgern und Objekten der osmanischen und persischen Kultur ein visuelles Panorama der muslimischen Religion bieten.142 Picart hatte die Auswahl und Produktion der Bilder des 1737, erst vier Jahre nach seinem Tod erscheinenden Bandes wohl zu

136  Laut Titelblatt handelt es sich um den fünften Band. Die unterschiedliche Zählung ergibt sich daraus, dass zwei der Publikationen als Ergänzung verstanden und anderen Bänden hinzugerechnet wurden. Zudem erschienen 1743 zwei Supplementbände mit weiteren Erläuterungen. 137  Vgl. ebd., S. 11. 138  Hinsichtlich ihrer Methodik können die Cérémonies als ein Vorläufer der vergleichenden Reli­ gionswissenschaft gelten. Vgl. ebd., S. 48. 139  Vgl. ebd., S. 55 140  Zu den von Picart für die Bilder der Cérémonies eigens angestellten Feld- und Archivforschungen vgl. ebd., S. 74–114. Während sich Picart für die Darstellungen der Religionen Afrikas, Asiens und Amerikas häufig von den Publikationen des Frankfurter Verlagshauses de Bry inspirieren ließ, zeigen seine Darstellungen des Propheten Mohammed keinerlei Ähnlichkeiten mit den Acta I. Mehmeti aus dem Haus. 141  Wyss-Giacosa (2006), S. 12. 142  Zur generellen visuellen Präsentation des Islam in den Cérémonies vgl. Saviello/Shalem (2012), S. 69–79.

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

einem großen Teil noch selbst koordiniert.143 Auch für diesen Band suchte er nach möglichst realistischen Darstellungen und verwendete etwa Vorlagen aus dem Recueil de cent estampes representant differentes nations du Levant, der auf Bilder zurückgeht, die während der Gesandtschaft des französischen Botschafters Charles de Ferriol am osmanischen Hof (1707–1708) gefertigt wurden, aus der Histoire de l’état présent de l’Empire ottoman (1687) des britischen Konsuls in Smyrna (Izmir) Paul Rycaut und aus der bereits besprochenen Publikation De religione mohammedica von Adrian Reland.144 Anders als die übrigen Graphiken, die in eigenständigen Bildtafeln gegeben sind und vom begleitenden Text erläutert werden, figurieren die beiden Prophetenbilder in großen, querrechteckigen Vignetten vor dem Text und ohne unmittelbaren Bezug zu diesem. In den anderen Bänden der Cérémonies erscheinen im selben Bildformat Ornamente, figürliche Szenen, die in den Bereich der Religionsgeschichten und Mythen gehören,145 oder visuelle Abstrakta, wie etwa die Personifikation der christlichen Religion im fünften Band über die „griechischen Christen“. Allein durch die Wahl des Bildtypus der Vignette und ihrer spezifischen Verwendung im Kontext der Bücher wird den Mohammedbildern ein anderer Status zugewiesen als den Bildtafeln, die dem Leser die Realien der Religionen vor Augen stellen und der Wissensvermittlung dienen sollten.146 Obwohl die beiden Mohammedbilder auf die neutralsten im europäischen Buchdruck dieser Zeit auffindbaren Vorlagen zurückgehen und die historisch-theologische Grundlagen des Islam präsentieren, stehen sie durch das gewählte Bildformat und dessen funktionale Eingliederung der künstlerischen Ausgestaltung des Buches nahe und erheben damit anders als die „dokumentarischen“ Bildtafeln weniger oder gar keinen Anspruch auf die Authentizität des Dargestellten. Trotzdem ist eine auf Neutralität bedachte Grundhaltung, die die Illustrationen prägt, auch in der Beschreibung des Islam spürbar, für die sich Bernard, als Autor und Kompilator des Bandes, weitgehend auf die Koranübersetzungen des Pater Lodovico Marracci und des Juristen George Sale sowie auf die Texte von Gagnier, d’Herbelot, Bay-

143  Vgl. Brafman (2010a), S. 139; vgl. Wyss-Giacosa (2006), S. 103. 144  Vgl. ebd., S. 103–104; Brafman (2010a), S. 141. 145  Etwa die Darstellung der Erschaffung des ersten Menschen nach dem Glauben der bengalischen Bania („La Creation du Monde Selon le Systeme des Banjans“) am Beginn des dritten Bandes (bzw. im zweiten Teil des ersten Bandes zu den Religionen mit idolatrischer Praxis) oder die Darstellung Mose am Fuße des Sinai zu Beginn des ersten Bandes. Zum Bild des Kreationsmythos vgl. Wyss-Giacosa (2006), S. 214–216. 146  Cornelia Logemann und Ulrich Pfisterer unterscheiden in den Cérémonies insgesamt fünf verschiedene Bildmodi: „allegorisch, objektivierend, deskriptiv, reproduzierend und explizierend“, wobei sie die Darstellungen in den Vignetten dem allegorischen Modus zurechnen. Vgl. Logemann, Cornelia/Pfisterer, Ulrich: Götterbilder und Götzendiener in der Frühen Neuzeit. Bernard Picarts „Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde“ und das Konzept der Ausstellung, in: Effinger/Logemann/ Pfisterer (2012), S. 9–23, hier S. 15.

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le, Reland und Boulainvilliers stützte.147 In seiner Einleitung bekundet Bernard den Anspruch, den „furchterregenden Propheten“ nach historischen Quellen und aus einer Zusammenschau verschiedener Autoren zu beurteilen und dabei auf die übliche Verurteilung zu verzichten, wobei er den Islam, wie nach ihm Goethe, mit der Naturgewalt eines Gebirgsbachs vergleicht.148 Dementsprechend verzichtet Bernard bei seiner später im Band folgenden Erörterung der eingangs präsentierten „Nacht der Bestimmung“ auf jeglichen Kommentar, der das Geschehen abwerte oder in Zweifel zöge.149 Die in den Cérémonies geäußerte Kritik am Islam ist genereller Natur und fokussiert nicht, wie üblich, auf eine Diffamierung der Person des Propheten oder seiner Religion als Produkt eines Betruges. Die persönlichen Eigenschaften Mohammeds seien weniger von Belang,150 jedoch wirft Bernard ihm vor, dass er in seiner enthusiastischen Botschaft Vorurteil, Ignoranz, persönliches Interesse und Politik vermischt habe, um sein System zu errichten und zu stützen.151 Ähnlich wie bei Boulainvilliers wird Mohammed zu einer Figur der Religionskritik, wobei sich diese in den Cérémonies nicht spezifisch gegen den Islam oder das Christentum, sondern gegen alle institutionalisierten Religionen und die von ihnen betriebenen Kulte und Bräuche richtet.152 Anders als bei Boulainvilliers erscheint Mohammed aber nicht als ein vernünftiger, die christlichen Mysterien ablehnender Gesetzgeber und geschichtlicher Heros. In einem die Lebensbeschreibung abschließenden Vergleich des „arabischen Helden“ mit Alexander dem Großen und Julius Caesar wird Mohammed die historische Größe abgesprochen. Denn anders als die beiden Feldherren habe er nicht nur die Körper, sondern auch die Seelen der Menschen erobern wollen.153 Der zentrale Kritikpunkt Bernards betrifft also nicht den Islam als religiöse 147  Zu den Quellen Bernards vgl. Hunt, Lynn/Jacob, Margaret/Mijnhardt, Wijnand: The Book that Changed Europe. Picart & Bernard’s Religious Ceremonies of the World, Cambridge 2010b, bes. S. 254, 261. 148  Bernard, Jean-Frédéric/Picart, Bernard: Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde representées par des figures dessinées de la main de Bernard Picart, & c. Tome cinquieme, qui contient les céremonies des mahometans […], 7. Bd., Amsterdam 1737, S. 33: „Réunissons donc les materiaux [historique] suivant la méthode que j’ai employée; & sans affecter de condamner avec un zéle aveuglement orthodoxe le redoutable fondateur d’une Religione, qui semblable à torrent a debordé avec une fureur incroyable du fond de l’Arabie dans l’Asie, l’Afrique & Europe […].“ 149  Vgl. ebd., S. 38–39. In seiner Schilderung des Ereignisses richtet sich Bernard im Wesentlichen nach dem Kommentar zur 96. Sure in der Koranübersetzung von George Sale und nach der Übersetzung der Mohammedvita Abū l-Fidā,s durch Jean Gagnier. 150  Ebd., S. 59: „Finissons la description des bonnes qualités de Mahomet; vrayes ou fausses, affectées ou naturelles, qu’importe?“ 151  Ebd., S. 34: „Ici comme ailleurs, l’entousiasme a bien servi un faux Missionnaire celeste; le préjuge, l’ignorance, l’interêt & la politique se sont rencontrés pour établir le Prophéte & maintenir son systême.“ 152  Zu Bernards Religions- und Ritenkritik vgl. Wyss-Giacosa (2006), S. 48–54. 153  Bernard/Picart (1721), Bd. 7, S. 59–60: „Ne la rend on pas aux Alexandres & aux Cesars? On dira que la différence est grande entre le Heros Arabe & ceux-ci. Alexandre & Cesar n’ont été ni persecuteurs, ni tout à la fois conquerans de corps & d’ames.“

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4.  Die Mohammedbilder der Aufklärung

Anschauung an sich, sondern seine Verquickung mit politischen und persönlichen Interessen, für die ihm das Leben des Propheten als Beispiel dient.154 Der für den Islam theologisch zentrale Moment der „Nacht der Bestimmung“ (Kat. 32a, Abb. 65) wird in den Cérémonies visuell wie auch im Text mit dem Empfang der Zehn Gebote durch Moses auf dem Berg Sinai verglichen.155 Im letzten Band der Cérémonies erscheint Mohammed also in Analogie zu dem im ersten Band der Publikationsreihe an vergleichbarer Stelle präsentierten Propheten der Juden, ohne dass dabei beide, wie im Traktat De Tribus impostoribus, auf die Rolle von bloßen Religionsbetrügern reduziert würden. Jedoch ist die positive bildliche Darstellung Mohammeds und seiner Prophetenrolle im Kontext der Cérémonies nicht als kritiklose Anerkennung zu verstehen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in den Bänden auf jede unmittelbare bildliche Darstellung Christi oder der christlichen Heilsgeschichte verzichtet wurde. Vor dem Hintergrund von Bernards dezidierter Ablehnung religiöser Riten und Kultobjekte, die er zwar als notwendiges Übel, letztlich aber als abergläubische Abkehr von einem wahren, rein geistigen Gottesverständnis ansieht,156 erscheint die ästhetisch ansprechende Darstellung der Initiation des Propheten in einem anderem Licht. Gerade die dramatische Präsentation des Geschehens, die Akzentuierung seines metaphysischen Charakters durch übernatürliche Figuren und effektvolle Lichterscheinungen wird im Kontext der sonst möglichst nüchternen und sachlich argumentierenden Bilder zu einer augenscheinlichen künstlerischen Inszenierung, die eher Zweifel an der Authentizität des Dargestellten weckt, als es zu bestätigen. Es ist hier nicht mehr die Behauptung eines kunstvollen Betrugs durch Mohammed, sondern – wie bereits im Prophetenbildnis in Baudiers Histoire (Kat. 12, Abb. 37) – das betont künstlerische Moment in der bildlichen Darstellung des Propheten, das zu einem Zweifel an seiner Berufung führt. Wie Jean Gagnier war auch Jean Frédéric Bernard um Neutralität bemüht. Doch ebenso wie der anglikanische Arabist sein Bild des Islam nicht vollständig von seiner eigenen religiösen Überzeugung lösen konnte, bleibt auch die Beurteilung Mohammeds in den Cérémonies in die calvinistisch und deistisch geprägte Weltanschauung des Aufklärers Bernard eingebunden. Während beide Autoren also durchaus Vorbehalte gegen Mohammeds Anerkennung als Prophet äußern, präsentieren ihn die Bilder in einer positiven und einer den islamischen Sichtweisen weitgehend entsprechenden Form. Wie schon anhand der Mohammedbiographien Prideauxs und Boulainvilliers’ geschildert, entfalten die Bilder auch hier einen durchaus eigenen Diskurs, der in seinem Changieren zwischen bewusster Fiktionalität und dem Bemühen um Authentizität eine 154  Ebd., S. 60: „On ne peut nier que Mahomet n’ait mis à profit tout ce qui pouvoit éblouïr les peuples.“ 155  Ebd., S. 38. 156  Bernard/Picart (1721), Bd. 1, S. X: „La Religion véritable devint peu à peu moins spirituelle, mais plus étendue en Ceremonies, la fausse devint plus misterieus & plus opinatre. Les Prêtres trouverent le secret d’empêcher les hommes d’agir sans en avoir auparavant été consultés. […] Telle a toujours été l’autorité des Ecclesiastiques dans toutes les Religions.“

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andere Dynamik besaß als die stärker den philosophisch-theologischen Epistemen der Aufklärungszeit verpflichteten Texte. Gerade die den Bildern zugemessene und für sie akzeptierte Artifizialität ermöglichte es ihnen, vom schriftlichen Diskurs abweichende Meinungen auszudrücken und damit Sichtweisen auf den Propheten zu artikulieren, die sich erst später im Medium des Textes finden. Vor allem der in den harmonischen Landschaften und den dramatischen Lichtführungen der Bilder von van Gunst und Tanjé bereits aufscheinende romantische Topos des urwüchsigen, von der Natur inspirierten Gottsuchers sollte den Diskurs über den Propheten in der Folge bestimmen.

5. Mohammed in Romantik und Kolonialismus

Nach den „Identitätskrisen“ und Maskeraden der Mohammedfigur in den Graphiken des späten 17. und 18. Jahrhunderts entwickelten die europäischen Künstler und Autoren des folgenden Säkulums weiterhin voneinander sehr verschiedene, aber im Vergleich etwa zu den ambivalenten Graphiken in den Büchern Prideauxs, Nerreters und Relands geschlossenere und kohärentere Bilder vom islamischen Propheten. Neben der traditionell antiislamischen Präsentation Mohammeds als teuflisch inspirierten Betrüger, die als Randfigur auch im 19. Jahrhundert fortlebte,1 etablierte sich eine bisher nicht dagewesene Auffassung von Mohammed als herausragende Persönlichkeit der Menschheitsgeschichte.2 Dieses Bild entsprach sowohl den romantischen Vorstellungen, die im islamischen Orient die Ideale von Ursprünglichkeit und Einfachheit verkörpert sahen, wie auch den Interessen der aufkommenden Nationalstaaten, in deren kolonialistischer Perspektive Mohammed zum ehrwürdigen Repräsentanten einer beinah mythischen, jedenfalls aber bereits überwundenen Vergangenheit wurde.

1  So sieht Charles Forster (1787–1871) in der Tradition der innerchristlichen Glaubenskämpfe den Papst und den islamischen Propheten als Antichristen und bezeichnet den Islam als hydraköpfige „antichristian heresy of Mahomet“. Forster, Charles: Mahometanism Unveiled. An Inquiry, in which that ArchHeresy, its Diffusion and Continuance are examinde […], London 1829, Bd. 2, S. 175. Während Forster diese Beurteilung mit der Prophezeiung Daniels zu belegen versucht, will Sir William Muir (1819–1905) Mohammed durch den schon traditionellen Vergleich mit Christus entlarven. Dabei streitet er Mohammed nicht seine eigene Gewissheit ab, jedoch vermutet er, dass Mohammed getäuscht wurde und einer übernatürlichen Inspiration des Teufels erlag. Vgl. Muir (1861), Bd. 2, S. 90–96. Zu einem Vergleich der Positionen von Muir und Forster siehe Quinn (2008), S. 108–110. 2  Reeves, Bobzin und Almond überschreiben ihre Darstellungen der Wahrnehmung des Propheten in dieser Epoche jeweils mit dem Begriff des „Helden“. Vgl. Reeves (2000), S. 175; Bobzin (32006a), S. 20; Almond (1989), S. 3.

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5.  Mohammed in Romantik und Kolonialismus

Carlyles Held Der schottische Historiker Thomas Carlyle (1795–1881) hat das Konzept vom historischen Heros erstmals publikumswirksam auf den islamischen Propheten übertragen.3 In einer am 5. Mai 1840 begonnenen Vorlesungsreihe On heroes and hero worship präsentierte er dem Londoner Publikum Mohammed in einer Linie mit Odin, Dante, Shakespeare, Martin Luther, John Knox, Samuel Johnson, Jean-Jacques Rousseau, Robert Burns, Oliver Cromwell und Napoleon als Genie und Reformer. Carlyle vertrat die These, dass diese Gruppe so unterschiedlicher Männer von der mythischen Gottheit über den Dichter bis zum Eroberer durch ein universelles Prinzip verbunden sei: For at bottom the Great Man, as he comes from the hand of nature, is ever the same kind of thing: Odin, Luther, Johnson, Burns; I hope to make it appear that these are all originally of one stuff; that only by the world’s reception of them, and the shapes they assume, are they so immeasurably diverse.4 Carlyles „hero“ war somit „ein Proteus […], der jede Gestalt annehmen konnte“5. Entgegen ihrer scheinbar kontingenten Erscheinung und Berufung hob Carlyle eine Eigenschaft hervor, die all diesen Männern gemeinsam gewesen sei: „the wild rude Sincerity, direct from Nature“6 – eine naturbedingte, ursprüngliche Ernst- und Wahrhaftigkeit, welche die Helden auf ihrer Mission antreibe. Erfüllt von diesem Geist, so Carlyle weiter, seien sie geborene Anführer, die über ihre Mitmenschen, deren Verehrung sie auf sich zögen, hinausragten. Nach Carlyle gingen alle Errungenschaften der menschlichen Ge­ schichte auf die Taten solcher Helden zurück. Der „große Mann“ sei geradezu die Seele der ganzen Weltgeschichte, dem als lebendiger Quell des Lichts, der die Dunkelheit der Welt erleuchte, gar eine quasi-religiöse Erlöserfunktion zukomme.7 Die vom schottischen Historiker vorgenommene Integration des islamischen Propheten in die Reihe der „großen Männer“ war für das Mohammedbild in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts paradigmatisch. Ein Beispiel dafür, dass dieser Status in der Folge geradezu offizielle Anerkennung fand, war die Aufnahme einer Darstellung der „Eroberung Mekkas“ in den Gemäldezyklus der Historischen Galerie (Abb. 67), die 1852 von König Maximilian II. für das Maximilianeum in München in Auftrag gegeben wur3  Vgl. Fück, Johann W.: Islam as an Historical Problem in European Historiography since 1800, in: Lewis/Holt 1962, S. 303–314, hier S. 305. 4  Carlyle, Thomas: On Heroes, Hero-worship, and the Heroic in History. Six Lectures, London 1841, S. 68. Aus der zweiten Vorlesung The Hero as a Prophet. Mahomet: Islam vom 8. Mai 1840. 5  Cassirer, Ernst: Vom Mythos des Staates [The Myth of the State, 1946], übers. v. Franz Stoessl, Hamburg 2002, S. 253. 6  Carlyle (1841), S. 348–349. Aus der vierten Vorlesung The Hero as a King vom 22. Mai 1840. Ebd., S. 72: „I should say sincerity, a deep, great, genuine sincerity, is the first characteristic of all men in any way heroic.“ 7  Vgl. ebd., S. 2.

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Carlyles Held

Abb. 67  Andreas Müller, Mohammeds Einzug in Mekka, Photogravüre des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gemäldes von 1866

de und unter der Leitung von Leo von Klenze entstand.8 In dem Gebäude der königlichen Stiftung, in der die katholische bayerische Jugend auf den Staatsdienst vorbereitet wurde, stellte die Serie 30 großformatiger Gemälde vom biblischen „Sündenfall“ bis zur 8  Die Gemälde entstanden zwischen 1857 und 1866. Vgl. Grautoff, Otto: Die Gemäldesammlungen Münchens. Ein kunstgeschichtlicher Führer […], Leipzig 1907, S. 97–99. Dreizehn der dreißig Gemälde wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, darunter auch die „Eroberung Mekkas“. Vgl. Altmann, Lothar: Das Maximilianeum in München. Studienstiftung, Bauwerk, Bayerisches Parlament, Regensburg 1993, S. 12–29.

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5.  Mohammed in Romantik und Kolonialismus

„Völkerschlacht bei Leipzig“ (1813) die Hauptmomente der Weltgeschichte mit ihren jeweiligen Protagonisten als nachahmenswerte Vorbilder vor Augen. Die von dem späteren Münchener Akademieprofessor Andreas Müller (1831– 1901) im Jahr 1866 fertiggestellte „Eroberung Mekkas“ ist durch eine pyramidale Komposition geprägt, an deren Spitze der bartlose Mohammed in einem Triumphzug in die Stadt einreitet. Während Mohammed mit erhobenem Zeigefinger in den Himmel zeigt, liegen in der unteren Zone des Bildes zerschlagene Idole und sich wild gebärdende Götzenanbeter. In diesem Gemälde, das, wie Gabriele Siegmund-Mairinger gezeigt hat, von dem Theaterstück des österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, „Mohammed, oder die Eroberung von Mekka“ (1823), inspiriert wurde, erscheint der Prophet als Sieger über einen barbarischen Götzenkult.9 Gerade in dieser bereits im 18. Jahrhundert herausgestellten Funktion als Wegbereiter eines monotheistischen Glaubens fand Mohammed bei zahlreichen Autoren des 19. Jahrhunderts historische Anerkennung.10 Die von dem gemeinhin als konservativ geltenden Gelehrten Carlyle propagierte Vorstellung von Mohammed war bei weitem nicht so revolutionär, wie es zunächst den Anschein hat. Sie basierte auf Sichtweisen und Argumenten, die von den Orientalisten, Historikern und Künstlern des 18. Jahrhunderts bereits artikuliert worden waren und im Lauf des 19. Jahrhunderts auch vermehrt das populäre Verständnis des Islam prägten.11 Das von Carlyle vertretene Mohammedbild kann als die Synthese zweier sich zunächst unabhängig voneinander entwickelnder Sichtweisen beschrieben werden. Es gründet sowohl auf einer veränderten Bewertung des Verhältnisses von Natur, Kunst und Religion, innerhalb derer der Prophet als ein von der Natur inspiriertes Genie aufgefasst wurde, als auch auf einem gewandelten Geschichtsbild, das Mohammed und den Islam als Teil einer teleologischen, von einer höheren Vernunft gelenkten historischen Evolution ansah. Im Folgenden sollen diese beiden von Carlyle aufgegriffenen Stränge vorgestellt und in ihrer Bedeutung für die europäischen Bilder des Propheten erörtert werden.

9  Vgl. Siegmund-Mairinger, Gabriele: Mohammed im Maximilianeum. Das Islambild der Historischen Galerie im Spannungsfeld von Historismus und Orientalismus, unveröffentl. Magisterarbeit, München 2012. (Die Publikation des Manuskriptes ist in Vorbereitung.) 10  Dieser Punkt wurde von Hammer-Purgstall in der Vorrede zu seinem „Schauspiel“ selbst hervorgehoben. Vgl. Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Mohammed, oder Die Eroberung von Mekka. Ein historisches Schauspiel, Berlin 1823, S. VII. Vgl. Siegmund-Mairinger (2012), S. 125. Auch der deutsche Orientalist und Mohammedbiograph Gustav Weil sah hierin die besondere historische Leistung des Propheten. Vgl. Weil, Gustav: Mohammed der Prophet. Sein Leben und seine Lehre. Aus handschriftlichen Quellen und dem Koran geschöpft und dargestellt, Stuttgart 1843, S. 401–402. 11  Carlyle gilt als ein Gelehrter mit konservativen Ansichten. Vgl. Cassirer (2002), S. 246; Berber, Friedrich J.: Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, München 1973, S. 250.

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Poet der Wüste

Poet der Wüste In der Vorlesung Carlyles wird die Natur zum Inspirationsgeber des großen Mannes und der Held erscheint gar als ein unmittelbares Produkt der „hand of nature“12. In Bezug auf Mohammed wird dies besonders deutlich, wenn Carlyle schreibt: It seems to be the true opinion that Mahomet never could write! Life in the Desert, with its experiences, was all his education. […] He is alone there, deep down in the bosom of the Wilderness; has to grow up so, – alone with Nature and his own Thoughts.13 Der Verweis auf Mohammeds vermeintliches Analphabetentum dient hier dazu, die zuvor von apologetischen Autoren oft behauptete Abhängigkeit des Islam von den heiligen Schriften des Juden- und Christentums zu negieren sowie die Natur und den Geist des Propheten als die einzigen Quellen seiner Lehre herauszustellen. Mit der Behauptung der Natürlichkeit und Ursprünglichkeit der mohammedanischen Prophetie knüpft Carlyle an die Thesen der Aufklärer des 18. Jahrhunderts an, die diese Aspekte bereits besonders hervorgehoben haben und bei denen Mohammed als eine Art monotheistischer Naturphilosoph erscheint. Einer der ersten Gelehrten, die diesen Gedanken formulierten, war Gottfried Wilhelm Leibniz. In seinen Essais de theodicée von 1710 beschreibt Leibniz Mohammed als einen „Aufklärer“, der sich gegen den Aberglauben der Völker gerichtet habe, dessen Lehre dabei aber nicht von den Glaubenssätzen einer naturverbundenen Theologie abgewichen sei: Mahomet depuis ne s’écarta point de ces grandes dogmes de la théologie naturelle: ses sectateurs les répandirent même parmy les nations les plus reculées de 1’Asie et de l’Afrique où le Christianisme n’avoit point été porté; et ils abolierent en bien des pays les superstitions paiennes, contraires a la véritable doctrine de l’unité de Dieu, et de l’immortalité des ames.14 12  Carlyle (1841), S. 68. 13  Ebd., S. 84. 14  Vgl. Leibniz, Gottfried W.: Essais de Theodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal, Amsterdam 1710, S. 6–7. Mit unveränderter Orthographie zitiert nach Leder, Stefan: Die Botschaft Mahomets und sein Wirken in der Vorstellung Goethes, in: Oriens, 36, 2001, S. 215–241, hier S. 219. Wie Ian Almond gezeigt hat, muss Leibniz’ Bewertung des Islam als eine Religion natürlicher Dogmen in Zusammenhang gesehen werden mit seiner Suche nach den Ursprüngen des Christentums und der verloren gegangenen „Ur“- oder Universalsprache. Zwar teile der Islam wesentliche Glaubenssätze mit dem Christentum, wodurch er die Verbreitung des Monotheismus fördere, jedoch bleibt er für Leibniz dem Christentum sowohl theologisch als auch hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Bedeutung unterlegen. Leibniz’ Betonung der Ursprünglichkeit des Islam kann dabei als implizite Kritik an der Unnatürlichkeit der zeitgenössischen katholischen Kirche verstanden werden. Vgl. Almond, Ian: History of Islam in German Thought. From Leibniz to Nietzsche, New York u. a. 2010, S. 18–28. Politisch vertrat Leibniz ein militärisches Vorgehen gegen das Osmanische Reich. Vgl. Hentsch (1988), S. 138–139.

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5.  Mohammed in Romantik und Kolonialismus

Auch in der bereits diskutierten Mohammedbiographie des Radikalaufklärers Boulainvilliers wird die „Natürlichkeit“ des islamischen Glaubens hervorgehoben: Die Gebote und Moralvorstellungen des Islam erwiesen sich bei einer intellektuellen Reflexion über die natürlichen Gesetzmäßigkeiten des Lebens im Vergleich mit den christlichen gar als die vernünftigeren.15 Anders als Boulainvilliers verfolgte Carlyle nicht die Intention, den Islam gegenüber dem Christentum aufzuwerten. Entsprechend erhält auch die Naturschau des Propheten bei ihm eine andere Qualität. Der Carlyle’sche Mohammed leitet aus ihr keine unmittelbaren Gesetze ab. Bei ihm überwiegt das Gefühl die Vernunft: Die Weite und Einsamkeit der Wüste, ihr „wide waste horizon of sand“16 und der „great deep Heaven with its stars“17 erscheinen als Folie einer mystischen Schau, in der die Erhabenheit der Natur zum Moment der Gotteserfahrung wird.18 Damit vertritt Carlyle eine romantische Naturauffassung, wie sie ante litteram bildlich bereits in der „Nacht der Bestimmung“ auf dem Frontispiz von Gagniers Prophetenvita von 1732 aufscheint (Kat. 30a). Auch hier wird durch die am Boden liegende Schriftrolle Mohammeds Analphabetismus betont. Von großer Relevanz für Carlyles Sichtweise war Goethe, den Carlyle verehrte und dessen Werke er ins Englische übertragen hat.19 Goethe hatte sich selbst einmal mit dem Gedanken getragen, ein Theaterstück zum Leben des Propheten zu schreiben, mit dem er sich deutlich von dem von ihm gering geschätzten Stück Voltaires, Le fanatisme, ou Mahomet le prophete, absetzen wollte.20 Sein einziges Werk zu Mohammed ist jedoch das Gedicht Mahomets Gesang, das zwischen 1772 und 1773 entstand. In diesem verwendet Goethe zur Darstellung des Propheten und der Verbreitung des Islam die Metapher einer lebensspendenden Quelle, deren Wasserlauf immer mehr Zuflüsse an sich bindet und schließlich als ein mächtiger Strom die umliegenden Landschaften und Städte erblühen lässt.21 Dabei erscheint das Naturphänomen des Flusses in Mahomets Gesang zugleich als gängiges Sinnbild für den 15  Der Islam verzichte auf die Mysterien des christlichen Glaubens zu Gunsten einer vernunftbasierten Religionslehre. Boulainvilliers (21731), S. 171, 242–245. 16  Carlyle (1841), S. 76. 17  Ebd. 18  In diesem Zusammenhang beschreibt Carlyle auch die Anbetung der Sterne durch die Araber in vorislamischer Zeit. Diese lehnt er als konkrete Praxis zwar ab, gesteht jedoch ein, dass sie nicht ganz falsch sei, da eine Verehrung der Natur ihren Schöpfer mit einschließe und diese ihn symbolisch repräsentiere. Ebd., S. 76: „They worshipped the stars, as Sabeans; worshipped many natural objects, – recognized them as symbols, immediate manifestations, of the Maker of Nature. It was wrong; and yet not wholly wrong. All God’s works are still in a sense symbols of God.“ 19  So Wilhelm Meisters Lehrjahre und Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zur Bedeutung Goethes und vor allem seines 1819 publizierten West-östlichen Divans für Carlyles Interesse am Islam vgl. Dold, Bernard E.: Carlyle, Goethe and Muhammad, Messina 1984, bes. S. 135–139. 20  Vgl. Leder (2001), S. 231. 21  Vgl. Goethe, Johann W. von: Goethe’s Schriften, Leipzig 1789, Bd. 8, S. 183–186. Das Motiv des Flusses findet sich zur Beschreibung des Islam bereits in den Cérémonies von Jean-Frédéric Bernard. Allerdings wird die Naturkraft hier als zerstörisch beschrieben, die ähnlich einer Sintflut die Länder über-

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Lauf des Lebens wie auch als Symbol für eine transzendente Qualität des Seins. Denn ebenso wie der sprudelnde Felsenquell seinen Ursprung im Himmel hat, aus dessen Wolken er sich speist und nach dem er „jauchzet“, so liegt auch sein Ziel im Numinosen, in der Wiedervereinigung mit dem „Alten Vater“, dem „ewgen Ozean“22. Die hier feststellbar gesteigerte Bedeutung der Landschaft als Medium und Sinnbild der Transzendenz entsprach der Naturauffassung der Romantik und wurde nicht nur von Carlyle aufgegriffen,23 sondern artikulierte sich bereits in den Mohammedbildern des frühen 19. Jahrhunderts. Zur Etablierung einer positiven Bewertung des Propheten trug George Sale (1697–1736) mit seiner Koranübersetzung von 1734 maßgeblich bei.24 Der Londoner Jurist war Mitglied der 1698 gegründeten Society for the Promotion of Christian Knowledge (SPCK), die sich mit Buchpublikationen und Missionen in Übersee für die Verbreitung des anglikanischen Christentums einsetzte. Sale, der bisweilen auch Aufträge für die Gesellschaft übernahm, lernte von zwei syrischen Christen, Solomon Negri und Carolus Didachi, die beide für die SPCK an einer Übersetzung des Neuen Testaments arbeiteten, die arabische Sprache.25 Bald darauf begann Sale mit der ersten direkten Übertragung des Korans ins Englische – ein Buch, das mit 123 Editionen bis zu seinem letzten Erscheinen im Jahr 1975 vielleicht noch heute zu den meistverbreiteten englischen Fassungen des Korans in Buchform zählt.26 Entgegen diesem enormen, aber erst nach dem frühen Tod Sales im Jahr 1736 einsetzenden Erfolg wurde die Publikation von seinen Zeitgenossen stark kritisiert. Die SPCK und Sale distanzierten sich ab 1734, also unmittelbar nach dem Erscheinen seiner Übersetzung, voneinander.27 Trotz seiner meist vorsichtigen Formulierungen, wie etwa, dass Mohammed nicht „such a monster of

spült. Bernard/Picart (1737), S. 33. Das Gedicht sollte nach Goethes eigener Aussage eine lyrische Einlage des von ihm geplanten, aber nicht realisierten Mohammeddramas sein. Vgl. Haas (1916), S. 260–263. 22  Goethe (1789), S. 183–184. 23  Zur symbolischen und transzendenten Bedeutung der Landschaft in der Kunst der Romantik vgl. Schulz, Gerhard: Romantik. Geschichte und Begriff, München 32008, bes. S. 90–91. 24  Vgl. Holt (1962), S. 298–299. 25  Vgl. „George Sale“, in: The Dictionary of National Biography [1885–1900], hrsg. v. Leslie Stephen, Reprint, Oxford 1949–50, Bd. 17: Robinson – Sheares, S. 668; Reeves (2000), S. 163. 26  Vgl. Greifenhagen, Franz V.: Traduttore Traditore. An Analysis of the History of English Translations of the Qur’ān, in: Islam and Christian-Muslim Relation, 3, 2, 1995, S. 274–291, hier S. 279. 27  Vgl. The Dictionary of National Biography (1950), S. 669; Holt (1962), S. 299; Vroljik, Arnoud: „Sale, George (b. in or after 1696, d. 1736)“, in: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford 2004; OnlineAusgabe, www.oxforddnb.com/view/article/24529 (07.01.2011): „No criticism of George Sale or his ideas can be found in the papers of the SPCK, but it is possible that they, like so many others, regarded his work as propaganda for the faith of Islam. After April 1733 the number of his visits to the society dropped dramatically, and he stopped attending its general meetings altogether after 10 September 1734. Thereafter his contacts with the society seem to have been limited to the occasional exchange of letters.“

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wickedness as he is usually represented“28 sei, wurde Sale vorgeworfen, er stelle den Islam und das Christentum auf eine Stufe.29 Diese Anschuldigung war sicher überzogen, jedoch vermitteln die Einleitung und der Preliminary Discourse vor der Übersetzung tatsächlich den Eindruck, dass Sale eine positivere Vorstellung vom Islam hatte, als er sie in seinem Text offen eingestehen konnte. Sein zu Beginn des Buches vorgebrachtes Statement, dass der Islam eine falsche Religion und Betrug sei, wirkt angesichts des folgenden Textes wie eine Schutzbehauptung. Sales’ nur oberflächlich verborgene Sympathie für den Islam zeigt sich etwa, wenn er als den deutlichsten Beweis für die „Falschheit“ des Glaubens ins Feld führt, dieser sei weitgehend durch den Einsatz von Gewalt verbreitet worden, selbige Behauptung an anderer Stelle jedoch beinahe revidiert, wenn er anmerkt, dass Staaten den Islam angenommen hätten, ohne jemals von islamischen Waffen bedroht gewesen zu sein.30 Stärker noch als die vorgeschützte und sich als wenig substanziell erweisende Kritik am Islam dürfte einige seiner Leser verstört haben, dass Sale dem Propheten zahlreiche positive Eigenschaften zuschrieb: eine Sichtweise, die im anglikanischen England geradezu revolutionär war.31 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die scharfzüngige Formulierung des englischen Historikers Edward Gibbon, der Sale unterstellt, er sei „half a Musulman“ gewesen.32

28  Sale, George: The Koran. Commonly Called The Alcoran of Mohammed. Translated from the Original Arabic […] [1734], 2 Bde., London 1801, Bd. 1, S. VII: „[F]or how criminal soever Mohammed may have been in imposing a false religion on mankind, the praises due to his real virtues ought not to be denied him […].“ 29  Dies wird in dem Sketch of the Life of George Sale berichtet, welcher der Ausgabe des Korans von 1825 und folgenden vorangestellt wurde. Vgl. Sale, George: The Koran. Commonly Called the Alcoran of Mohammed, London 1825, Bd. 1, S. XII. 30  Sale (1801), Bd. 1, S. 65: „It is certainly one of the most convincing proofs that Mohammedism was no other than human invention, that it owed its progress and establishment almost entirely to the sword[.]“ Jedoch wird diese Behauptung stark relativiert, denn in der Einleitung betont Sale ebenfalls, dass der Islam „came to be embraced by nations which never felt the force of the Mohammedan arms“. Ebd., S. III. 31  Sale beruft sich in seiner Beschreibung der Eigenschaften Mohammeds auf den calvinistischen Theologen und Kirchenhistoriker Friedrich Spanheim d. J. (1632–1701), der Mohammed zwar weiter als einen Betrüger verurteilt, ihm dessen ungeachtet jedoch herausragende moralische Tugenden zuspricht. Vgl. Spanheim, Friedrich: Profeßoris Batavi Primarii Operum, 3 Bde., Leiden 1701–1703, Bd. 1: Quatenus Complectuntur Geographiam, Chronologiam, Et Historiam Sacram Atque Ecclesiasticam Utriusque Temporis, col. 1209, 1213. Vgl. Sale (1801), Bd. 1, S. VII–VIII. Vgl. Holt (1962), S. 302: „[Sale’s] freedom from religious prejudice, […] his obvious conviction that Arabic writers were the best source of Arab history, and Muslim commentators the fittest to expound the Qur’ān, marks an enormous advance on the hodgepodge of ‚authorities‘ advanced by Prideaux. His Work complements that of Ockley and for over a century the two played a leading part in creating the notion of the Prophet and the Arabs held by educated Englishmen.“ 32  Gibbon, Edward: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, London 1802, Bd. 9, Kap. 50, S. 254.

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Nach Sales eigener, durchaus glaubwürdiger Beteuerung sei der eigentliche Zweck seiner Übersetzung die bessere Widerlegung des Korans, die schließlich der Konvertierung der Muslime dienen solle. In seinem Vorwort beschreibt er genau, welche Methoden zur Missionierung anzuwenden und welche zu vermeiden seien.33 Es gelte, den „ancient and primitive faith“ der Christen zur Grundlage der Mission zu machen und nicht den Muslimen, wie in der katholischen Kirche üblich, Praktiken und Dogmen zu diktieren.34 Die Darstellung des Islam wird somit auch bei Sale zum Anlass, über die christliche Religion zu reflektieren. Ursprünglichkeit und Einfachheit, die Sale als Ideale des eigenen Glaubens angibt, werden hier zur Folie seiner Sicht auf den Islam und zu einer gemeinsamen Grundlage beider Religionen. In den frühen Auflagen des Sale’schen Korans gab es keine bildliche Darstellung des Propheten, die eine solche Sichtweise unterstrichen hätte. Die erste und viele der folgenden Editionen enthielten mit graphischen Stammbäumen, einer Ansicht von Mekka und der Kaaba sowie einer Landkarte der arabischen Halbinsel lediglich Illustrationen, die mit einer möglichst distanzierten und objektiven Darstellung des Islam gut in Einklang zu bringen waren.35 Erst eine Londoner Ausgabe von 1801 weist auch figürliche Darstellungen auf. Eine Vignette unterhalb des Inhaltsverzeichnisses im zweiten Teil der zweibändigen Publikation zeigt einen Moslem bei der rituellen Waschung zur Vorbereitung des Gebetes (Kat. 48, Abb. 68). Im Gegensatz zu den bisher behandelten Bildern des Propheten verzichtet dieses auf einen Rahmen und nimmt nur einen kleinen Teil der freien Fläche des Blattes ein. Damit behauptet es einen geringeren Repräsentationsanspruch als etwa die zu Beginn des Korans erscheinenden Autorenbildnisse des Propheten und fügt sich beinah ornamental in die Gestaltung der Buchseite ein. Entsprechend dieser formal weniger ambitionierten Präsentation verzichtete der Gestalter auf eine Signatur und auch auf eine schriftliche Identifizierung des Dargestellten. Bart und Turban kennzeichnen den Mann lediglich als Moslem. Auf dem Boden kniend gießt er sich aus einer Schale in seiner linken Hand etwas in seine Rechte. Ganz in diese Handlung vertieft hat er das Gesicht zum Boden gewandt, weshalb seine Physiognomie dem Betrachter weitgehend verborgen bleibt. Zur konzentrierten Stimmung der Handlung des Mannes passt auch die Landschaft. Diese gestaltet sich links als ein Ausblick auf sanfte, baumbestandene Hügel und verdichtet sich rechts zu einer vegetabilen Nische, welche die kniende Figur bei ihrer Handlung umfängt. Bemerkenswert ist dabei nicht

33  Seine Neuübersetzung der Schrift diene dem Ziel, „to enable us effectually to expose the imposture“. Sale (1801), Bd. 1, S. IV. Mit der Argumentation, dass eine korrekte und vorurteilsfreie Darstellung des Islam notwendig sei, um diesen effektiv widerlegen zu können, folgt er dem Vorbild von Adrian Reland. Vgl. Kapitel 3, S. 157–167. 34  Sale (1801), Bd. 1, S. VI. 35  Sale verwendete dieselbe Ansicht der Kaaba, die schon in den Werken Relands und Gagniers erschien. Vgl. Schweizer/Shalem (2010), S. 156.

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Abb. 68  Moslem bei der Vorbereitung auf das Gebet, aus: George Sale, The Koran […], Bd. 2, London 1801, fol. IV (Kat. 48)

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nur der Einklang zwischen der Figur und der sie umgebenden Natur, sondern auch die Positionierung dieser Vignette zu Beginn des Korans. Dass hier vor dem Text des heiligen Buches eine Ablution dargestellt ist, zeugt von einem tieferen Verständnis und Respekt vor dem Islam. Denn nach muslimischem Gebot bedürfen das Gebet ebenso wie die Lektüre des Korans des Zustandes innerer und äußerer Reinheit.36 Zwar lässt die Vignette keine eindeutige Identifizierung des sich Reinigenden als Mohammed zu, es gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass auch dieses Bild als eine Darstellung des Propheten gedacht ist, bzw. diese zumindest symbolisch mit einschließt: Es ist der Rosenstrauch am rechten Bildrand, dessen voluminöse Blüte als auffälligstes Element der Vegetation mit der Ausrichtung des Mannes korrespondiert und zwischen diesem und dem Blick des Betrachters vermittelt. Einerseits ist die Rose ein positiv besetztes christliches Symbol, das seit dem 13. Jahrhundert eng mit der Verehrung Mariens verbunden ist,37 andererseits war die besondere Wertschätzung der Rose im Islam spätestens seit dem 16. Jahrhundert in Europa ebenfalls bekannt.38 Aus islamischen Quellen geht Mohammeds besondere Wertschätzung der Rose hervor, die ein Symbol für das göttliche Mysterium ist.39 In den Hadith t) wird berichtet, dass aus einem Schweißtropfen Mohammeds, der während seiner (hadī­ . ¯ nächtlichen Himmelsreise zu Boden fiel, eine Rose entsprungen sei.40 Die Verbindung zwischen der Rose und dem Propheten wird zudem durch die häufige Erwähnung des

36  Sale wandte sich in seinem Preliminary Discourse selbst entschieden gegen die falsche, etwa von André Du Ryer vorgebrachte Behauptung, dass die Muslime glaubten, sich mit den Gebetswaschungen von ihren Sünden zu reinigen. Sale (1801), Bd. 1, S. 140: „Whence it plainly appears, with how little foundation the Mohammedans have been charged by some writers, with teaching or imagining these formal washings alone cleanse them from their sins.“ Die Aufklärung des Vorurteils findet sich bereits bei Reland. Vgl. Reland (1717a), § 9, o. P. Die rituelle Waschung oder Ablution ist sowohl vor dem Gebet als auch vor der Berührung des Korans vorgeschrieben. In Sure 56, 77–80 heißt es: „[Ich schwöre:] Es ist ein vortrefflicher Koran, [im Original droben im Himmel?] in einer wohlverwahrten Schrift, die nur von Gereinigten berührt wird, [nunmehr als Offenbarung] vom Herrn der Menschen in aller Welt herabgesandt.“ Paret, Rudi (Übers.): Der Koran, Stuttgart u. a. 71996, S. 381. Bei den verschiedenen Handlungen der Waschung, die mit reinem Wasser, in Ermangelung desselben aber auch mit Staub oder Sand ausgeführt werden kann, sind bestimmte Gebetsformeln zu sprechen. Vgl. Schimmel, Annemarie: Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam, München 2002, S. 128–129. 37  Vgl. Schumacher-Wolfgarten, Renate: „Rose“, in: LCI, Bd. 3, Sp. 563–568. 38  So etwa über den Brief des habsburgischen Gesandten Ogier Ghislain de Busbecq vom osmanischen Hof, der 1581 in Antwerpen im Druck erschien.Vgl. Busbecq, Ogier G. de: The Turkish Letters of Ogier Ghiselin de Busbecq, Imperial Ambassador at Constantinople, 1554–1562. Translated from the Latin of the Elzevir edition of 1663 [Oxford 1927], hrsg. u. übers. v. Edward Seymour Forster, Baton Rouge 2005, S. X, 28. 39  Schimmel, Annemarie: Rose und Nachtigall, in: Numen, 5, 2, 1958, S. 85–109, hier S. 105–107. 40  Die Geschichte von der Rose, die aus einem Schweißtropfen des Propheten entstanden sei, findet sich ebenfalls im ersten Brief (1. September 1555) des habsburgischen Gesandten Ogier Ghislain de Busbecq. Vgl. Busbecq (2005), S. X, 28.

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von ihm ausgehenden Wohlgeruchs gestärkt,41 so dass die Rose im Islam auch als ein Zeichen für den Propheten verstanden werden kann.42 Ein bildliches Beispiel hierfür sind die kalligraphischen Beschreibungen der äußeren Gestalt des Propheten (Hilye), die seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Osmanischen Reich auch als Wandbehänge Verbreitung fanden (Abb. 69).43 Diese sind oft von Rosenornamenten geschmückt, oder schreiben die Ehrennamen des Propheten und die Beschreibung seiner Gestalt direkt in die Rosenblüten ein.44 In der Tradition der sufischen Mystik finden sich zudem Bilder, die den Propheten als Quell von Blumen oder gar selbst mit einer Rosenblüte anstelle seines Hauptes zeigen. In der Vignette der Sale’schen Koranübersetzung von 1801 erscheint also erstmals ein sowohl im Christentum wie im Islam bekanntes und positiv besetztes Symbol im Zuge einer respektvollen Darstellung einer muslimischen Religionspraxis.45 Die natürliche Landschaft, die bereits in den Mohammedbildern des 18. Jahrhunderts zur Folie für eine positive Visualisierung des Islam wurde, erscheint hier in ästhetischer und symbolträchtiger Einheit mit dem sich auf sein Gebet vorbereitenden Moslem, wodurch

41  Nach dem Islamwissenschaftler Fritz Meier sind die Aussagen über den Wohlgeruch Mohammeds in der arabischen Überlieferung so häufig, dass er in ihnen gar den Ursprung für die Geschichte der aus den Schweißtropfen des Propheten erwachsenden Rosen sieht. Vgl. Meier, Fritz: Nachgelassene Schriften, Bd. 1, Bemerkungen zur Mohammedverehrung, Teil 1, Die Segenssprechung über Mohammed, hrsg. v. Bernd Radtke u. Gudrun Schubert, Leiden u. a. 2002, S. 87. 42  Taşkale, Faruk/Gündüz, Hüseyin: Hz. Muhammed’in Özellikleri: Hat Sanatında Hilye-I Şerîfe. Characteristics of the Prophet Muhammed in Calligraphic Art, Istanbul 2006, S. 91: „[The] Rose is the mostly preferred flower for hilye illuminations. Rose is the symbol of the Prophet. The Prophet’s sweat has the smell of Rose.“ Ich danke Christiane Gruber für zahlreiche Hinweise zu diesem Thema. 43  Vgl. Schick, Irvin C.: The Iconicity of Islamic Calligraphy in Turkey, in: Res, 53/54, 2008, S. 211– 224, hier S. 213–214, darin ein Hinweis auf folgenden noch unpublizierten Aufsatz, der sich dem Thema umfassend widmet: Stanley, Tim: From Text to art Form in the Ottoman Hilye, in: Studies on Islamic Art and Architecture in Honor of Filiz Çağman. 44  So auch in einem zwischen 1707 und 1709 im Osmanischen Reich entstandenen Blatt mit drei Rosenblüten und zwölf Knospen in einer Sammelhandschrift der Berliner Staatsbibliothek (Ms. Or. Oct. 1602, Bl. 48b.). Die drei Rosenblüten tragen die Namen Gottes, die Namen des Propheten und die Beschreibung Mohammeds. Auf den Knospen erscheinen die Namen der Kalifen. Vgl. Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit, hrsg. v. Museum für Kunsthandwerk im Auftrag der Stadt Frankfurt, Recklinghausen 1985, Bd. 1, S. 74. 45  Die Bedeutung der Rose für die islamische Ornamentik war in Europa bekannt. In seinem Kommentar zur deutschen Übersetzung der Letteratura turchesca (1787) des Giambattista Toderini beschreibt Philipp Wilhelm Hausleutner die Rosendarstellungen auf den osmanischen Hilye. Vgl. Toderini, Giambattista: Die Litteratur der Türken, übers. v. Philipp W. G. Hausleutner, Königsberg 1790, S. 193. Die Graphik des englischen Korans kann damit als ein Vorläufer der Integration islamischer Aspekte in die westeuropäische Sichtweise des Islam gelten, die nach Rippin erst im 20. Jahrhundert einsetzt. Vgl. Rippin, Andrew: Western Scholarship and the Qur,ān, in: The Cambridge Companion to the Qur,ān, hrsg. v. Jane Dammen McAuliffe, Cambridge 2006, S. 235–251, hier S. 242.

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Abb. 69  Hilye (Beschreibung des Propheten Mohammed), Istanbul 18. Jh., Sadberk Hanım Museum, Istanbul, Inv.-nr. 10602, Y. 8

dieser als Vertreter eines einfachen, kontemplativen und mit der Natur im Einklang stehenden Glaubens erscheint. Andere zeitgenössische Künstler zeigten zwar weniger Sensibilität im Umgang mit dem Islam, jedoch setzte sich auch bei ihnen die Tendenz zu einer positiveren Darstellung des Propheten durch. Generell ist in den zahlreichen Bildnissen des 19. Jahrhunderts ein neues Interesse an der Charakterisierung Mohammeds zu erkennen. Im Jahr 1802 erschien eine Neuauflage der deutschen Übersetzung von Jean Gagniers Prophe­ tenvita nach Abū l-Fidā,. Noch vor dem Titelblatt wird der Leser mit einem Porträt des Propheten konfrontiert, das, wie die Bildunterschrift angibt, „nach einer Antike“ von Jo­­hann Friedrich Rosmaesler (auch Roßmäßler) (1775–1858) gestochen wurde (Kat. 49a, Abb. 70).46 In einigen Drucken derselben Auflage erscheint das Bild noch in einer anderen 46  Zu Rosmaesler, einem Kupfer- und Stahlstecher aus Leipzig, vgl. Thieme/Becker, Bd. 29, S. 77.

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Abb. 70  Johann Friedrich Rosmaesler, „Mohammed“, Frontispiz, aus: Jean Gagnier, Leben Mohammeds des Propheten […], Bd. 1, Coethen 1802 (Kat. 49a)

Abb. 71  Johann Friedrich Rosmaesler (?), Frontispiz, aus: Jean Gagnier, Leben Mohammeds des Propheten […], Bd. 1, Coethen 1802 (Kat. 49b)

Fassung, in einem engeren, etwas ins Längsoval gezogenen Bildausschnitt und mit einer leicht veränderten Physiognomie Mohammeds (Kat. 49b, Abb. 71). Beide Versionen zeigen den Propheten in ein einfaches weißes Tuchgewand gehüllt. Wahrheitsgemäß beruft sich die Darstellung auf ein älteres, wenn auch im heutigen Sinne nicht antikes Vorbild, nämlich auf das Porträt in den Kupfertiteln der beiden deutschen Ausgaben der Koranübersetzung von Du Ryer aus den Jahren von 1707 und 1734 (Kat. 23, Abb. 45).47 An der Umgestaltung, die Rosmaesler bei der Übernahme dieser Graphik vorgenommen hat, wird einerseits deutlich, wie stark die Wirkung eines Bildnisses durch das sensible Zusammenspiel der physio- und pathognomischen Details bestimmt wird, andererseits zeigt sich, wie sehr sich die Vorstellung vom Charakter des Propheten in knapp einhundert Jahren gewandelt hatte. Während die Gewandung, die Haltung des nach oben gewandten Kopfes und der himmelnde Blick des Propheten beibehalten wurden, erscheint die Oberfläche des Gesichtes in den beiden Adaptionen des 19. Jahrhunderts 47  Siehe Kapitel 3, S. 154f.

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geglättet und beruhigt. Die im ersten Bild spürbare Tendenz zur Verschönerung des Prophetengesichtes wurde in der zweiten Fassung noch weitergetrieben. Im Vergleich mit der Vorlage trägt schon der größer gewählte, längsovale Bildausschnitt zu einer würdevolleren Präsentation der Figur bei. Im Gegensatz zu den Titelblättern der Du Ryer’schen Übersetzung, auf denen das Gesicht des Propheten wie unter einem Vergrößerungsglas als kurioses Studienobjekt präsentiert wird, erscheint der Prophet in den späteren Fassungen körperlich distanzierter und auch mimisch in einer der Porträtform angemessenen Selbstbezüglichkeit. Nicht nur die Falten der Stirn wurden geglättet, auch die beiden Wülste über den Augenbrauen sind weniger prononciert und zusammengekniffen als im Original. Dadurch wirken die Augen größer, was Mohammed einen weniger angestrengten und dadurch offeneren Blick verleiht. Die Nase ist nicht mehr platt, sondern prominenter und runder geformt. Auch der Bart des Propheten wirkt in den Bildnissen des 19. Jahrhunderts weniger zerzaust, wobei sich der Schnurrbart nun harmonischer in den Backen- und Kinnbart einfügt. Die deutlichste Veränderung betrifft den Mund, in dem die Zähne nun nicht mehr sichtbar sind und der vormalige Ausdruck von Verbissenheit abgelegt wurde. Erkennbar wird die gewandelte Charakterisierung Mohammeds auch in den beiden Haarlocken am Scheitel. Erinnerten diese zuvor an Hörner, erscheint ihre Form nun entschärft, indem sie weniger symmetrisch angeordnet und mit dem Haar der Schläfen verbunden sind. Der im Original kropfartig vorstehende Adamsapfel wurde in den beiden späteren Bildnissen weggelassen und auch das Gewand des Propheten, das nun nicht mehr eng übereinandergeschlagen ist, trägt zu einem ruhigeren und offeneren Ausdruck des Bildes bei. Insgesamt bemühte sich Rosmaesler also darum, die Wiedererkennbarkeit der Vorlage zu bewahren, Mohammed jedoch nicht mehr mit einer überzeichneten Patho- und Physiognomie zu diskreditieren. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass das als antik beschriebene Bildnis an Darstellungen römischer Auguren und Priester erinnert. Dafür spricht nicht nur die bereits beschriebene Pathognomie des nach oben gewandten Blicks und die für Denker und Philosophen charakteristische, hohe, von Falten durchwirkte Stirn (frons contracta),48 sondern auch das bei sakralen Handlungen gewöhnlich mit einem Tuch bzw. einem Teil der Toga bedeckte Haupt (capite velato).49 In Anlehnung an die Gestalt eines antiken Priesters (vates) und damit in sicherer Distanz zur Lebenswelt des 19. Jahrhunderts stellt das Autorenbildnis den Propheten erstmals in einer ehrwürdigen sakralen Rolle vor. 50 48  Zur frons contracta als physiognomischer Chiffre in antiken und mittelalterlichen Philosophen- und Dichterbildnissen vgl. Löhr, Wolf-Dietrich: Lesezeichen. Francesco Petrarca und das Bild des Dichters bis zum Beginn der Frühen Neuzeit, Berlin 2010, S. 72–73. 49  Vgl. Fyntikoglou, Vassilis/Voutiras, Emmanuel: Gebetspraxis: Bräuche und Riten, in: Thesaurus cultus et rituum antiquorum (ThesCRA), hrsg. v. Jean C. Balty, Bd. 5: Personnel of cult, cult instruments, Los Angeles 2005, S. 163–164. 50  Passenderweise hat Marco Schöller dieses Bildnis des Propheten paradigmatisch für sein Kapitel „Das Mohammedbild im Abendland: Das Genie“ als Illustration verwendet. Vgl. Schöller, Marco: Mohammed. Leben – Werk – Wirkung, Frankfurt a. M. 2008, S. 133–137.

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Eine etwas andere Charakterisierung erfährt Mohammed auf dem Frontispiz der zweiten Direktübersetzung des Korans ins Französische von Claude-Étienne Savary (1750–1788) in der Ausgabe von 1826 (Kat. 56, Abb. 72). Bereits Alessandro D’Ancona stellte fest, dass Savary, ebenso wie schon vor ihm der Übersetzer des Korans ins Englische, George Sale, für die Popularisierung eines positiven Verständnisses von Mohammed wegbereitend war.51 Der Text von Savary, der den Koran größtenteils während seines Aufenthaltes in Ägypten zwischen 1777 und 1779 ins Französische übertrug und ihn 1783 in zwei Bänden in Paris publizierte, zeichnete sich vor allem durch die Hervorhebung der poetischen Qualität der koranischen Sprache aus.52 Dabei folgte Savary einer Sichtweise, für die bereits Friedrich Eberhard Boysen mit seiner Koranübersetzung von 1773 eine Lanze gebrochen hatte.53 Nur ein Jahr nach der von den Zeitgenossen stark kritisierten deutschen Übersetzung von David Friederich Megerlin, deren primäres Anliegen es war, den Koran als ein „Lügen“- und „Fabelbuch“ darzustellen,54 vertrat Boysen mit seinem Text eine ganz andere Vorstellung. Sein Interesse an dem Glaubensbuch war weniger religiös als literarisch.55 So lobte Boysen ausdrücklich den „feurigen

51  D’Ancona (1994), S. 20; Norman Daniel kritisiert Savary zwar für seine bisweilen beschönigende Übersetzung des Korans, bemerkt jedoch, dass er dazu beigetragen habe, ein Bild vom Propheten zu vermitteln, das weit mehr mit einer islamischen Sichtweise übereinstimmte als das der meisten bisherigen christlichen Autoren. Vgl. Daniel (1960), S. 142, 297. 52  Savary wurde von seinen Zeitgenossen zwar dafür gelobt, dass seine Übersetzung das Genie und den prophetischen Stil des Originals wiedergebe, jedoch wurden schon bald auch Zweifel an den notwendigen Sprachkenntnissen des jungen Ägyptenreisenden laut und man fragte sich, ob er an vielen Stellen nicht einfach eine Reflexion der Übersetzung Maraccis biete. Vgl. Kühn, Herbert: Volney und Savary als Wegbereiter des romantischen Orienterlebnisses in Frankreich, Diss., Leipzig 1938, S. 59; Larzul (2009), S. 157–158. 53  Vgl. Boysen, Friedrich E.: Der Koran, oder das Gesetz für die Moslemer, durch Mohammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt […], Halle 1773. Zu Boysens Thematisierung der poetischen Sprache des Korans vgl. Bobzin, Hartmut: Von Luther zu Rückert. Der Koran in Deutschland. Ein weiter Weg von der Polemik zur poetischen Übersetzung, in: Akademie Aktuell. Zeitschrift der bayerischen Akademie der Wissenschaften, 32, 2010, S. 14–17. Boysens Übersetzung wurde vom Publikum positiv aufgenommen und erschien zwei Jahre später im Vorwort um eine kurze Biographie des Propheten ergänzt in einer zweiten Auflage. 54  Megerlin, David. F.: Die türkische Bibel, oder des Korans allererste teutsche Übersetzung aus der arabischen Urschrift selbst verfertigt […], Frankfurt a. M. 1772, S. 24, 26, 29. Mit seinem Verweis auf den poetischen Charakter des Korans entsprach Boysen einer Sichtweise, die sich in Deutschland durchzusetzen begann. In der vernichtenden Besprechung von Megerlins ein Jahr zuvor erschienenem deutschen Koran wünschte sich der Rezensent in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen, dass einmal eine Übersetzung „von einem Deutschen verfertigt würde, der mit allem Dichter- und Prophetengefühl in seinem Zelte den Koran läse, und Ahndungsgeist genug hätte, das Ganze zu erfassen“. Frankfurter Gelehrten Anzeigen vom 22.12.1772 (Nr. 102), zitiert nach Leder (2001), S. 227. 55  Boysen betont in seinem Vorwort, dass seine Anmerkungen zum Koran, „nicht polemisch, sondern literarisch“ seien. Boysen (1773), S. 14. Damit will er sich deutlich von dem Werk Prideauxs absetzen, der

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Witz, [die] Scharfsinnigkeit und […] glückliche Einbildungskraft“56 des Verfassers, der seine Gedanken nicht immer „in den engen Grenzen einer matten und einförmigen Prose“57 habe halten können. In seiner Einleitung, die sich in ihrer historischen Darstellung im Wesentlichen auf Gagniers Mohammedbiographie stützt, hebt auch Savary die sprachliche Qualität des Korans besonders hervor.58 Wie schon Boysen vor ihm bemerkt er, dass der koranische Text in seinem spezifischen Stil und seiner metaphorischen Sprache den Übersetzer vor große Schwierigkeiten stelle. Gerade diesen Punkt kritisiert Savary an den vorherigen Übersetzungen von Lodovico Marracci, George Sale und vor allem an der bis dahin einzigen französischen Fassung von André Du Ryer. Diese Autoren hätten es nicht vermocht, so Savary, einen Eindruck von der „Perfektion des Stils“ und der „Großartigkeit der Bilder“ zu geben, deren Lektüre die Araber so zur Verehrung anregten.59 Die Betonung der Poetik des Korans wird hier nicht nur zu einem Motiv seiner Wertschätzung, sie führt auch unweigerlich zur Frage nach seinem Verfasser. Savary ist sich durchaus bewusst, dass es der Kritik der „Ungläubigen“ entspricht, den Koran als Werk der Magie oder eben als menschliche Dichtung zu bezeichnen.60 Im Koran wird zu diesem Angriff auf die Glaubwürdigkeit seines göttlichen Ursprungs in mehreren Suren

„in dem Leben Mohammeds die gröbsten Unwahrheiten niedergeschrieben, und sowohl den Charakter des Religionsstifters verunglimpft, als auch sein Lehrgebäude verkehrt vorgestellt“ hat. Ebd., S. 13. 56  Ebd., S. 10. 57  Ebd. Mit der Mohammedbiographie, die Boysen in der zweiten Auflage der Übersetzung in sein Vorwort integriert, will er zudem die falschen Urteile über Mohammed und den Koran, die er, wie er schreibt, etwa in den Schulbüchern weiter verbreitet findet, revidieren. Zwar sind die Suren auch nach Boysen nur vorgebliche Offenbarungen und ein „Kunstgriff“ zum Zwecke politischer Machterlangung, jedoch sieht er im Islam keine Häresie, sondern eine „neue Religion“, die versuche, die „Einfachheit und Lauterkeit“ der Religion Mose und Jesu wiederherzustellen, und auf eine „uneingeschränkte Ergebung an Gott“ dränge. Nach der christlichen Religion sei die muslimische die vernünftigste. Boysen, Friedrich E.: Der Koran, oder das Gesetz für die Moslemer, durch Mohammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt […], Halle 21775, Vorwort, S. 9–40, hier S. 24, 23, 31. Zwar kann Boysen als ein Vordenker Savarys gelten, im Folgenden wird sich die Untersuchung jedoch auf die französische Übersetzung konzentrieren, um die Frage nach dem in dieser enthaltenen Prophetenbildnis zu erörtern. 58  Vgl. Bobzin, Hartmut: Der Koran. Eine Einführung, München 62006b, S. 119. 59  Savary, Claude: Le Coran, traduit de l’Arabe, accomagné de notes, et précédé d’un abdrégé de la vie de Mahomet […], 2 Bde., Paris 1783, Bd. 1, S. VIII: „Si le Coran exalté dans tout l’orient pour la perfection du style, & la magnificence des images, n’offre sous la plume de Du Ryer qu’une rapsodie platte & ennuyeuse, il faut en accuser sa manière de traduire.“ 60  Ebd., Bd. 2, S. 305, Anm. 1: „Les infidèles prétendoient que Mahomet étoit un Mage, & le Coran un livre de Magie, d’autres qu’il étoit un Poète, & le Coran un livre de poésie.“

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selbst Stellung genommen und mit der Herausforderung (tahaddī) . gekontert,61 auch nur 62 eine Sure zu schaffen, die denen des Korans gleichkomme. Während der bloße Sprachstil bei der Beurteilung der Unnachahmlichkeit und Einzigartigkeit des Korans (i‘ğāz al-qur,ān), die nach muslimischer Tradition einen Beweis seines göttlichen Ursprunges bieten, nur eine untergeordnete Rolle spielt, wurde ihm in der Kritik der Christen mehr Gewicht beigemessen.63 In seiner Übersetzung von Riccoldo da Montecroces Confutatio Alcorani richtete sich Martin Luther etwa dezidiert gegen die koranische Sprache, die „poetisch gestellt“ und in „Reimen gefasst“ sei, „wie man Lieder zum Singen macht“.64 Damit unterscheide sich der Koran nicht nur von der (eigenen) Heiligen Schrift, sondern bediene sich eines Sprachniveaus, das sich für eine Vermittlung ernster Inhalte, wie etwa bei einer Predigt, nicht zieme.65 Eine ähnliche Polemik äußerte der Wiener Hofprediger Abraham a Santa Clara (Johann Ulrich Megerle, 1644–1709) während einer Predigt zur Zeit der zweiten Belagerung der Stadt durch die Osmanen 1683. Der Koran versetze „das christliche Gesatz in lauter Reim“ und sei voller „phantastischer Gedicht“66. Bei Savary hat sich die Beurteilung der sprachlichen Kunstfertigkeit der Prophetie Mohammeds allerdings grundlegend gewandelt. Statt daraus einen Vorwurf abzuleiten, sieht Savary Ähnlichkeiten mit dem Alten Testament

61  So heißt es in Sure 52, 29–30: „Mahne nun [mit dem Koran]! Du bist ja dank der Gnade deines Herrn weder ein Wahrsager noch besessen [wie die Ungläubigen behaupten]. Oder sie sagen: ‚[Er ist] ein Dichter. Wir wollen abwarten [und sehen], was das Schicksal an unvorhergesehenem [Unheil] für ihn bereit hat.‘“ Paret (1996), S. 371. 62  Vgl. Suren 2, 23–24; 17, 90 und 28, 49. 63  Die sogenannten tahaddī-Verse, . in denen die Nachahmung des Korans als eine nicht zu bewältigende Herausforderung vorgestellt wird, beziehen sich nach theologischer Auslegung nicht primär auf den Sprachstil des Korans. „Sie weisen vielmehr auf die Unwiderlegbarkeit der prophetischen Botschaft vom Bund Gottes mit den Menschen hin.“ Radscheit, Matthias: Die koranische Herausforderung. Die tahaddī-Verse . im Rahmen der Polemikpassagen des Korans, Berlin 1996, S. 99. Navid Kermani argumentiert hingegen für die zentrale Bedeutung der ästhetischen Wahrnehmung des Korans und seiner Sprache bei einer phänomenologischen Betrachtung des muslimischen Glaubens. Vgl. Kermani, Navid: Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran, München 1999, S. 292–314. Hieraus erwachse ein spannungsvolles Verhältnis zwischen Prophetie und Poesie. Die Abgrenzung der koranischen Offenbarung von Formen poetischer Rede war eine Problematik, die im Koran selbst und von islamischen Gelehrten diskutiert wurde. Vgl. Bauer, Thomas: The Relevance of Early Arabic Poetry for Qur’ānic Studies Including Observations on „kull“ and on Q 22:27, 26:225, and 52:31, in: The Qur’ān in Context. Historical and Literary Investigations into the Qur’ānic Milieu, hrsg v. Angelika Neuwirth, Nicolai Sinai u. Michael Marx, Leiden/Boston 2010, S. 699–732; Zwettler, Michael: A Mantic Manifesto: The Sūra of „The Poets“ and the Qur’ānic Foundations of Prophetic Authority, in: Poetry and Prophecy. The Beginnings of a Literary Tradition, hrsg. v. James L. Kugel, New York 1990, S. 75–119. 64  Ehmann (1992), S. 56. 65  Ebd. 66  Abraham a Santa Clara: Auf, auf ihr Christen [1683], hrsg. v. August Sauer, Wien 1883, S. 12.

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Abb. 72  Aurore de Courvai (del.), Frontispiz, aus: Claude Savary, Le Coran […], Bd. 1, Paris 1826 (Kat. 56)

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und stellt die Poesie des Korans den Psalmen Davids gegenüber.67 Die Geschaffenheit des Korans – er bezeichnet ihn ausdrücklich als Werk des Propheten – ist für ihn kein Stein des Anstoßes.68 Zwar würdigt Savary die herausragende historische Leistung Mohammeds als Gesetzesgeber,69 jedoch bleibt der Prophet bei ihm eine in zumindest theologischer Hinsicht ambivalente Figur, an deren göttlicher Gesandtheit er Zweifel anmeldet. So behauptet er gegen Ende der dem Buch hinzugefügten Prophetenvita, dass die „Weisen des Orients“ Mohammed den Titel des Propheten aus gutem Grund nicht zugestanden hätten und ihn lediglich zu den größten Menschen zählten, die es je gab. Des Weiteren führt er an, dass viele falsche Propheten versucht hätten, in die Fußstapfen Mohammeds zu treten, ohne jedoch sein Genie und seinen Glanz zu haben, weshalb sie gescheitert wären.70 Damit erscheint Mohammed zwar vom Epitheton „falscher Prophet“ befreit, jedoch von den ihm nachfolgenden „falschen Propheten“ lediglich durch sein Genie und seine Ausstrahlung unterschieden. Anstelle einer theologischen Legitimierung des Korans beruft sich Savary auf das Genie des Autors: Der Prophet erscheint bei ihm als ein begnadeter Poet. Eine der Qualitäten, die Savary dem Propheten zuspricht, ist sein Enthusiasmus. George Sale lehnte eine derartige Charakterisierung noch ab, da er Mohammed nicht als einen „hot-brained religionist“71 verstanden wissen wollte. Jedoch verlor das Bild des Enthusiasten, das, zuvor mit dem „Schwärmer“ gleichgesetzt, eine bestenfalls gemäßigte Alternative zur Auffassung vom Propheten als Epileptiker darstellte,72 in der neuen Empfindsamkeit der Romantik seine pejorative Bedeutung.73 Im Jahr 1775 unterschied Christoph David Wieland in einem Essay den Enthusiasmus erstmals von der Schwärmerei. So äußerten sich zwar beide als eine „Erhitzung der Seele“; während die Schwärmerei aber aus der Illusion geboren und somit ein krankhaftes „Seelenfieber“ sei, speise

67  Savary (1783), Bd. 1, S. VIII: „Ce livre est divisé en versets comme les Pseaumes de David. Ce genre d’écrire adopté par les Prophètes, permet à la prose les tours hardis, les expressions figurées de la poésie.“ 68  Savary (1783), Bd. 2, S. 305, Anm. 1: „Mahomet a déployé dans son ouvrage toutes les richesses de l’éloquence & de la poésie.“ 69  Vgl. ebd., Bd. 1, S. 239. Zur positiven Bewertung des Propheten, die Savary in weiteren Schriften, etwa in seinen Lettres sur l’Egypte, noch ungebrochener artikuliert, vgl. Kühn (1938), S. 96. 70  Savary (1783), Bd. 1, S. 247–248: „Les sages d’entre les Orientaux, qui, s’élevant au – dessus de la foible vue du vulgaire, lui refusent avec raison le titre de Prophète, le regardent comme un des plus grands hommes qui ayent existé. Une foule de faux-Prophètes qui ont voulu marcher sur ses traces, sans avoir son génie & ses lumières, ont tous fait une chûte plus ou moins éclatante à proportion de leurs talens.“ 71  Sale (1801), Bd. 1, S. 52. 72  Vgl. Almond (1989), S. 16–19. 73  Zur Neubewertung des Enthusiasmus in der Romantik vgl. Engel, Manfred: Die Rehabilitation des Schwärmers. Theorie und Darstellung des Schwärmens in Spätaufklärung und früher Goethezeit, in: Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert, hrsg. v. Hans-Jürgen Schings, Stuttgart 1994, S. 469–498.

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sich der Enthusiasmus aus dem „unmittelbare[n] Anschauen des Schönen und Guten, Vollkommenen und Göttlichen in der Natur und unserm Innersten, ihrem Spiegel“74. Bei Savary wird dieser vom Göttlichen in der Natur im Propheten entfachte Enthusiasmus zu einer Quelle prophetischen Charismas, mittels dessen Mohammed die Menschen für seine Sache einnehme und zum Erfolg führe.75 Auch vom Koran gehe eine solche Kraft aus. Unter Berufung auf Abū l-Fidā, referiert Savary etwa die Geschichte von der wundersamen Konvertierung ‘Umar b. al-Ha.t t. ābs. Dieser sei durch die Lektüre von ˘ koranischen Versen so enthusiasmiert worden, dass er, von seinem eigentlichen Plan, den Propheten zu ermorden, abgebracht, von einem Feind zu einem der treuesten Anhänger Mohammeds wurde.76 Der Koran erscheint bei Savary folglich als Quelle einer inspirierenden, sprachlich vermittelten Kraft. Mohammed, der schon als vermeintlicher Betrüger eine Reflexionsfigur der Kunst und ihrer Fähigkeit zur Imitation und Täuschung war, erscheint hier erstmals als künstlerisches Genie, dessen enthousiasmós (gr. „der Gottheit voll“) seiner Lehre eine spirituelle Legitimation verleiht. Die Vorstellung von Mohammed als Autor und Poet ist hier also nicht im traditionellen Sinne als ein Beleg für die vermeintliche Falschheit des Korans zu deuten; im Gegenteil, sie entspricht der neuen Auffassung einer „Kunstreli­ gion“77 als der „Verbindung von Kunst und Religion als Ästhetizismus“78. Der Begriff der Kunstreligion wurde von dem Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768–1834) geprägt, der sein Verständnis von Religiosität als einer spontanen und individuellen Erfahrung des „Universums“ in seinen Reden Über die Religion von 74  Wieland, Christoph M.: Schwärmerei und Enthusiasmus [1775], in: C. M. Wielands sämmtliche Werke, hrsg. v. Johann G. Gruber, Bd. 47, Miscellaneen 2, Leipzig 1826, S. 180–185, hier S. 182–183: „Schwärmerei ist Krankheit der Seele, eigentliches Seelenfieber; Enthusiasmus ist wahres Leben!“ 75  Savary (1783), Bd. 1, S. 218–219: „A le tête d’un peuple nouveau, enflammé de son enthousiasme, énorgueilli des ses succès, il se préparoit à combattre la lâcheté & la mollesse des Grecs.“ 76  Amèna (nach anderen Quellen Fā t. ima), die bereits zum Islam konvertierte Schwester 'Umars, überreicht ihrem dem Islam noch feindlich gesonnenen Bruder den Koran. Ebd., Bd. 1, S. 34: „Il [Umar] en lut plusieurs versets, & l’enthousiasme prenant la place de la violence, il s’écria: ‚Que cette doctrine est sublime! Combien je la révère! Je brûle d’embrasser l’Islamisme.‘“ Der geschickte Kämpfer Umar wurde schließlich zum zweiten Kalifen. Zu den Beispielen von hingerissenen Hörern, spontanen Konversionen und arabischen Dichtern, die sich der Herausforderung einer Nachahmung der koranischen Prophetie nicht gewachsen fühlen, vgl. Kermani (1999), S. 294–300. 77  Zum Konzept der „Kunstreligion“ in der Romantik vgl. Auerochs, Bernd: Die Entstehung der Kunstreligion, Göttingen 2006, S. 362–379. 78  Scholtz, Gunter: Schleiermacher und die Kunstreligion, in: 200 Jahre „Reden über die Religion“. Akten des 1. Internationalen Kongresses der Schleiermacher-Gesellschaft (Halle 14. bis 17. März 1999), hrsg. v. Ulrich Barth u. Claus-Dieter Osthövener, Berlin/New York 2000, S. 515–533, hier S. 522: „Schleiermacher scheut also gar nicht die Verbindung von Kunst und Religion als Ästhetizismus, sondern er behauptet sie, und sein Begriff dafür ist ‚Kunstreligion‘.“ Für Schleiermacher stelle die Kunst die gelungenste Verbindung zwischen sinnlicher Naturschau und fühlender Selbstanschauung dar und diene damit der Vervollkommnung der Religion.

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1799 zum Ausdruck brachte.79 In einem viel zitierten Satz dieser Schrift heißt es entsprechend: „Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern der, welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte.“80 Die darauf folgende Passage liest sich wie ein Kommentar zu der von Savary aufgegriffenen Geschichte der wundersamen Bekehrung Umars durch den Koran: Ja, wenn es wahr ist, daß es schnelle Bekehrungen gibt, Veranlassungen[,] durch welche dem Menschen, der an nichts weniger dachte[,] als sich über das Endliche zu erheben, in einem Moment wie durch eine innere unmittelbare Erleuchtung der Sinn fürs Universum aufgeht, und es ihn überfällt mit seiner Herrlichkeit, so glaube ich, daß mehr als irgend etwas anders der Anblick großer und erhabener Kunstwerke dieses Wunder verrichten kann.81 Die Bezeichnung des Korans als ein „Meisterstück von Dichtkunst“ findet sich bereits in Johann Gottfried Herders Abhandlung Über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten von 1778.82 Während Herder hierin jedoch das Glaubensbuch als ein Produkt menschlicher Erfindung ablehnt,83 erscheint der Koran bei

79  Schleiermacher, Friedrich: Reden über die Religion. Reden an d. Gebildeten unter ihren Verächtern [1799], Zweite Rede: „Über das Wesen der Religion“, Stuttgart 1985, S. 36, 38–40. Bereits zuvor waren literarische Werke wie Wilhelm Heinrich Wackenroders Herzergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1796) und Ludwig Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen erschienen, in welchen die Verbindung von Religion und Kunst als ein neues ästhetisches Programm proklamiert wird. In Frankreich vertrat René Chateaubriand mit seinem Genie du christianisme ou beautés de la religion chrétienne (1803) eine ähnliche Form von religiösem Ästhetizismus mit Bezug auf den Katholizismus. Vgl. Müller, Ernst: Ästhetische Religiösität und Kunstreligion in den Philosophien von der Aufklärung bis zum Ausgang des deutschen Idealismus, Berlin 2004, S. 227–228. 80  Schleiermacher (1985), S. 82. In der späteren Fassung des Textes hat Schleiermacher diese Passage zu Gunsten der institutionalisierten Religionen entschärft und die individuelle Freiheit kreativer Religionsfindung eingeschränkt. Ders., Reden über die Religion […], Berlin 1806, 162: „Nicht Jeder hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern nur der, welcher sie lebendig und unmittelbar versteht, und ihrer daher auch am leichtesten entbehren könnte.“ 81  Schleiermacher (1985), S. 111–112. Allerdings betont er, dass er diese Offenbarungsfunktion eher in einer zukünftigen Kunst und weniger in Rückblick auf bereits Geschaffenes sehe. 82  Herder, Johann G.: Über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten, in: Johann Gottfried von Herder’s sämmtliche Werke. Zur schönen Literatur und Kunst, Stuttgart/Tübingen 1829, Bd. 15, S. 259. Vgl. den Hinweis darauf in Auerochs (2006), S. 356–357. 83  Auch für Hammer-Purgstall, der Mohammed ebenfalls als „Dichtergenie“ bezeichnet, geht aus dieser Fähigkeit keine religiöse Legitimation des Korans hervor. Vielmehr weist er darauf hin, wie sehr Mohammed in „Dichtereifersucht“ darauf bedacht gewesen sei, sich von der Tradition der arabischen Dichtung abzugrenzen, um sein Werk als Offenbarung zu deklarieren. Vgl. Hammer-Purgstall (1823), S. VII–IX.

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Savary, obgleich ebenfalls ein Kunstwerk, als ein Medium authentischer religiöser Erfahrung. Diese Sichtweise entsprach durchaus dem Zeitgeist, denn etwa zeitgleich mit der Anerkennung Mohammeds als prophetischer Poet bedienten sich auch europäische Künstler und Dichter der Konzepte von Enthusiasmus und Prophetie für ihre Selbstdarstellung und wurden dabei bisweilen sogar wie Heilige verehrt.84 Das von Godefroy Engelmann lithographierte Prophetenbildnis in der Ausgabe von Savarys Koranübersetzung aus dem Jahr 1826 gibt von dieser gewandelten Vorstellung beredt Ausdruck (Kat. 56, Abb. 72).85 Zwar erscheint Mohammed in dem Bildnis nicht im unmittelbaren Akt des Schreibens, doch handelt es sich bei diesem Frontispiz um ein Autorenbild. Dies ergibt sich nicht nur durch den Ort der Darstellung im Buch, sondern auch durch die Wendung des Dargestellten nach rechts ins Dreiviertelprofil, wodurch der Eindruck entsteht, als blicke der Prophet auf das Titelblatt. Der elegant gebundene Turban, die Brosche am Kragen und das an den Armen mit Ornamenten verzierte Obergewand verleihen dem Propheten auch hier, wie schon bei Baudier, einen fürstlichen Ausdruck. Die bewegte Pose Mohammeds ist jedoch weit weniger auf die Repräsentation eines hohen gesellschaftlichen Status angelegt. An die Stelle ostentativer Selbstdarstellung tritt hier eine starke Momenthaftigkeit, die in der Wendung des Kopfes und in der deutlichen Überschneidung der Figur durch den rechten Bildrahmen evident wird. Die in dieser regelrecht unruhigen Porträtpose eingeschriebene Okkasionalität verleiht dem Bildnis den spontanen und lebendigen Ausdruck eines physisch wie psychisch aktiven Individuums. An die Stelle der Distanz und Uneinholbarkeit des historischen Propheten, wie sie in den Mohammedbildern bei Prideaux und Nerreter ausge­ drückt wurde, tritt hier die Illusion der unmittelbaren Erfahrbarkeit seines menschlichen Charakters. Der Betrachter scheint geradezu eingeladen, sich in die Person des schönen jungen Mannes einzufühlen: Der sanfte Blick aus den großen, leicht nach oben gewandten Augen und die weiche Zeichnung des hier wenig prominenten Bartes geben Mohammed

84  Als ein frühes und herausragendes Beispiel für den romantischen Dichter als Prophet gilt Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803). Zu seinem Konzept der „Heiligen Poesie“ vgl. Malinkowski, Bernadette: „Das Heilige sei mein Wort“. Paradigmen prophetischer Dichtung von Klopstock bis Whitman, Würzburg 2002, S. 47–115. In der bildenden Kunst reklamierte William Blake für sich eine prophetische Gabe. Zur beinah sakralen Verehrung und apotheotischen Selbststilisierung einiger bildender Künstler im 19. Jahrhundert vgl. Bätschmann, Oskar: Heilige Künstler. Zum Kult um Helden und Märtyrer der Kunst im 19. Jahrhundert, in: Heilige und profane Bilder. Kunsthistorische Beiträge aus Anlass des 65. Geburtstags von Herwarth Röttgen, hrsg. v. Sabine Poeschel, Reinhard Steiner u. Reinhard Wegner, Weimar 2001, S. 145–171. Zum Kult um das Künstler-Genie seit dem 18. Jahrhundert. Vgl. Kermani (1999), bes. S. 319–335. 85  Der in Mühlheim geborene Deutsch-Franzose Godefroy Engelmann (1788–1839) gründete seine Werkstatt 1816 in Paris und war nicht nur bedeutend für die Verbreitung der Lithographie in Frankreich, sondern ebenfalls der Erfinder der Chromolithographie. Die sich hinter der Signatur „Aurore de Courvai“ verbergende Künstlerin (?), die das Bildnis entworfen haben soll, konnte jedoch nicht identifiziert werden.

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ein beinah zartes Äußeres und sprechen zusammen mit seiner Bewegtheit und der Verweigerung einer traditionellen herrschaftlichen Pose für einen empfindsamen Charakter. Der Eindruck von Lebhaftigkeit wird durch die diagonale Lichtführung unterstrichen, durch welche die linke Körperhälfte Mohammeds und die rechte obere Seite des Bildes heller erscheinen als die jeweils gegenüberliegenden Seiten. Der deutliche Kontrast von Licht und Schatten verleiht dem Bildnis eine innere Spannung, wobei bezeichnend ist, dass sich der Prophet von der Dunkelheit abwendet und ins Licht schaut. Es ist eine Haltung, die mit der von Savary beschriebenen „lichthaften“ Natur Mohammeds in Zusammenhang gesehen werden kann.86 Unter dem Bild sind die vertrauten Attribute des Propheten, das Schwert und der Koran, kompositorisch zu einer Vignette verbunden. Dabei wurde das elegant ge­ schwungene Schwert in seiner Größe an das unter ihm liegende Buch angepasst, so dass es hier mehr die Gestalt eines Zierdolches als die einer bedrohlichen Waffe erhält. Verstärkt wird der Eindruck durch die Spitze der Dolchscheide, die als eine Blüte geformt wurde. Dem Buch kommt von beiden Objekten jedoch zweifelsfrei die größere Bedeutung zu, da der Strahlenkranz, der die Gegenstände umgibt, eindeutig von ihm und nicht von der Waffe ausgeht. Der Koran erscheint hier als eine Quelle des Lichtes und die Vermutung liegt nahe, dass die eigenwillige Lichtführung im darüberliegenden Bildnis mit den von Mohammed selbst geschaffenen „Lichtquellen“ in Zusammenhang gesehen werden soll: mit dem Koran in der Vignette und mit dem Titelblatt des tatsächlichen Buches zur Rechten des Porträts. Die im Vorwort Savarys gegebene und von dem Autorenbildnis noch zugespitzte Darstellung Mohammeds als attraktiver und inspirierter Mann, dessen enthusiastischer Geist in der poetischen Kraft des Korans noch erfahrbar ist, bedeutete eine wesentliche Prämisse für Carlyles Vorlesung. Seine Schilderung erscheint im Vergleich zu der Savarys in dieser Hinsicht jedoch weniger positiv. Er bezeichnet Mohammed zwar ebenfalls mehrfach als Poeten, gesteht ihm aber lediglich „[r]ude vestiges of poetic genius“ zu und auch eine Verbindung zwischen Poesie, Natur und Gott sieht er nur eingeschränkt gegeben: Wenn Gott in der „poetischen Schönheit der Natur“ erfahrbar sei, so Carlyle, dann stelle der poetische Vortrag lediglich eine Art verwässerte Verehrung Gottes dar.87

86  Vgl. Savary (1783), S. 11, 241, 248. 87  Carlyle (1841), S. 48: „All God’s works are still in a sense symbols of God. Do we not, as I urged, still account it a merit to recognize a certain inexhaustible significance, ‚poetic beauty‘ as we name it, in all natural objects whatsoever? A man is a poet, and honored, for doing that, and speaking or singing it, – a kind of diluted worship.“

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Schwert und Buch

Schwert und Buch Im Zuge der Aufwertung der koranischen Prophetie durch die Betonung der transzendenten Qualität künstlerischen Schaffens in der Romantik war Mohammed zwar zu einem poetischen Gottessucher geworden, aber noch nicht zu einem geschichtlichen „Helden“. Damit Carlyle auch den Politiker und Eroberer Mohammed in den Kreis der „großen Männer“ der Weltgeschichte aufnehmen konnte, bedurfte es ebenfalls einer Neubewertung seiner gesellschaftlichen bzw. zivilisatorischen Rolle. Voraussetzungen hierfür schufen zunächst die zweibändige History of the Saracens von Simon Ockley aus den Jahren 1708 und 1718 sowie Edward Gibbons Darlegung der Geschichte Mohammeds im fünften Band seiner sechsbändigen History of the Decline and the Fall of the Roman Empire von 1788. Der Verdienst des anglikanischen Vikars Simon Ockley, der von 1711 bis 1720 den Lehrstuhl für Arabisch in Cambridge innehatte, liegt dabei in einer generellen Neubewertung der Rolle Arabiens für die Geschichtsschreibung und weniger in einer unmittelbaren Reevaluierung des Propheten. In Ockleys Werk wird die Historie Arabiens erstmals um ihrer selbst willen berichtet und nicht zur Hilfswissenschaft einer biblisch und eurozentrisch geprägten Geschichtsschreibung degradiert.88 Nach einer von ihm in der Bodleian Library gefundenen arabischen Quelle schildert Ockley sachlich die Taten und Erfolge der ersten Kalifen.89 Dass sein Werk selbst keine Schilderung vom Leben Mohammeds enthält, begründet er mit der 1697 erschienenen und weithin bekannten Biographie Prideauxs, dank derer den Lesern die Vita des Propheten bereits vertraut sein dürfte.90 Damit legitimiert Ockley zwar die Darstellung Prideauxs und zu Beginn seines eigenen Buches bezeichnet er Mohammed ebenfalls als „the great impostor“91, dennoch hebt sich Ockleys Darlegung der arabischen Geschichte deutlich von Prideauxs antiislamischer Polemik ab.92 Dies wird etwa darin deutlich, dass er sich in seinem Bericht nega-

88  Holt (1962), S. 298: „This transfer of interest, from the study of Arab history as ancillary to that of ecclesiasticall history, to Arab history as in itself a subject of valid enquiry, is perhaps the most important aspect of Ockley’s work.“ Bosworth, C. E.: The Study of Islam in British Scholarship, in: Mapping Islamic Studies. Genealogy, Continuity, and Change, hrsg. v. Azim Nanji, Berlin 1997, S. 45–67, hier S. 54: „He was much more interested in Arab history as a secular record rather than as a backcloth for ecclesiastical controversies, and in this wise, his works mark a step forward.“ 89  Dabei handelt es sich um das Werk Futūh al-Šām des Pseudo-Wāqidī, das die Eroberung Syriens nach dem Tod des Propheten schildert. Zu den Quellen Ockleys vgl. Holt (1962), S. 296. 90  Ockley, Simon: The Conquest of Syria, Persia, and Ægypt by the Saracens. Containing the Lives of Abubeker, Omar and Othman, the Immediate Successors of Mahomet […], London 1708, S. XVII. Später wurden die beiden Bände unter dem Titel The History of the Saracens zusammengefasst. 91  Ebd., S. 1. 92  Eine weitere negative Charakterisierung Mohammeds als von „ambition and lust“ getrieben, die Clinton Bennett ebenfalls Ockley zuschreibt, stammt jedoch aus der Prophetenbiographie Roger Longs (1680–1770), die erst in der dritten Ausgabe der History von 1757 zu Ockleys Text hinzugefügt wurde.

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tiver Kommentare zum Propheten enthält und es als sein Ziel bezeichnet, dem Leser aufzuzeigen, wie die Araber von „einem einst verachtenswerten Volk zu so beeindruckender Größe aufsteigen konnten“93. Während Ockley sich um eine neutrale, säkulare und den Ansprüchen wissenschaftlicher Geschichtsschreibung gemäße Darstellung Arabiens verdient machte, übertrug Edward Gibbon diesen Ansatz auf die Person des Propheten. Als sein Verdienst kann es gelten, die Geschichte des Islam in seine Darstellung der Entstehung und des Falls des Römischen Imperiums eingegliedert zu haben und somit den Islam als integralen Bestandteil der eigenen Historie und nicht als Sonderfall zu betrachten.94 Der englische Historiker, der die orientalischen Sprachen selbst nicht beherrschte und sich daher auf bereits vorhandene Übersetzungen und Schriften europäischer Autoren stützen musste,95 wollte sich mit seiner Darstellung von den Biographien Prideauxs und Boulainvilliers’ absetzen, die ihm beide zu sehr dem Wunsch erlegen seien, in Mohammed entweder „einen Betrüger oder einen Helden“ zu sehen.96 Gibbons Lebensbeschreibung Mohammeds im 50. Kapitel des fünften Bandes seiner History of the Decline and the Fall of the Roman Empire (1776–1789) war eine der direkten Vorlagen für Carlyles Vorlesung. In ihr entwirft Gibbon nicht nur das später von Carlyle übernommene Konzept des sich in der Einsamkeit der Wüste entwickelnden und im Buch der Natur lesenden Genies,97 sondern spricht dem anfänglichen Entwurf der „göttlichen Mission“ des Propheten darüber hinaus „eine originäre und überlegene Genialität“ zu.98 Ähnlich wie vor ihm bereits Boulainvilliers sieht Gibbon in der Inspiration des Propheten einen „rational enthusiasm“99, einen Enthusiasmus, der immer in Verbindung mit einem rationalen Kalkül steht und der Mohammed daher letztlich weniger als empfindsamen, künstlerischen Charakter denn vielmehr als reflektierten Diese Biographie stützt sich zwar auf die Übersetzung Abū l-Fidā,s von Gagnier, schreibt in weiten Teilen aber die traditionellen Vorurteile über Mohammed fort. Vgl. Bennett (1998), S. 98. Auf die Autorenschaft der Lebensbeschreibung haben bereits Holt (1962) und Almond (1989) hingewiesen. 93  Ockley (1708), S. XVIII: „[T]he reader will plainly see by what Steps, and from how small Beginnings, that once contemptible People rose to such formidable Greatness.“ 94  Vgl. Schulze, Reinhard: Gibbons Muhammad, in: Edward Gibbon. Der Sieg des Islam, aus dem Englischen übers. v. Johann Sporschil, Frankfurt a. M. 2003, S. 321–363. 95  Zu den von Gibbon hierzu verwendeten Quellen, unter denen die bereits genannten Texte von Jean Gagnier, Edward Pococke, Simon Ockley, Lodovico Marracci, aber auch Henri de Boulainvilliers die wichtigsten sind, vgl. Lewis, Bernhard: Gibbon on Muhammad, in: Daedalus, 105, 3: Edward Gibbon and the Decline and Fall of the Roman Empire, 1976, S. 89–101; Schulze (2003), S. 342–347. 96  Gibbon (1802), Bd. 9, S. 282–283, Anm. 111: „The adverse wish of finding an impostor or an hero has too often corrupted the learning of the doctor and the ingenuity of the Count.“ 97  Ebd., S. 259: „Conversation enriches the understanding, but solitude is the school of genius; and the uniformity of a work denotes the hand of a single artist.“ Zum „Book of Nature“, ebd., S. 258. 98  Ebd., S. 257: „[T]he first idea which he entertained of his divine mission bears the stamp of an original and superior genius […].“ 99  Ebd., S. 262.

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Machtmenschen und Staatsmann agieren lässt. Neu an Gibbons Sichtweise ist, dass er die Handlungen Mohammeds in Bezug zu der sich wandelnden Situation vor und nach dem Auszug nach Medina (hiğra) unterschied und den Propheten damit als eine sich entwickelnde und auf die historischen Begebenheiten reagierende Person beschreibt. Die positiv zu bewertende Intention Mohammeds, den Arabern einen vernunftbasierten Monotheismus zu vermitteln, wandle sich, so Gibbon, mit dessen Auszug aus Mekka. Angesichts des von ihm im Exil erlangten Status politisch-militärischer Führerschaft habe Mohammed sich entschlossen, seinen Glauben und seine Herrschaft mit dem Schwert durchzusetzen.100 Zwar unterstellt auch Gibbon Mohammed damit, wie ein machiavellistischer Fürst gehandelt zu haben, dennoch lieferte er mit seiner differenzierten Be­ schreibung einen wichtigen Impuls, den Islam und seinen Propheten nicht als statische, singuläre Entitäten zu betrachten, sondern als in ihren historischen Kontexten zu verstehende, selbst Wandlungen unterworfene Phänomene.101 Zudem reflektiert Gibbon die bereits in dem Kupfertitel der Amsterdamer Prideaux-Ausgabe und dem Mohammedbildnis in Nerreters Koran zur Anschauung gebrachte Problematik der historischen Distanz und der Abhängigkeit des Historikers von oft ideologisch gefärbten Quellen. So beschreibt Gibbon in seiner abschließenden Bilanz die Schwierigkeit, die Gestalt der historischen Person des Propheten über eine von „Weihrauchwolken vernebelte“102 Distanz von zwölf Jahrhunderten zu erfassen. Dabei ist der die Sicht behindernde „Weihrauch“ wohl auf die Sagen und Erfindungen bezogen, die sich in den Texten sowohl christlichen wie islamischen Hintergrunds finden und die eine Rekonstruktion der historischen Fakten erschweren. Trotz dieser hermeneutischen Widrigkeiten kommt Gibbon zu dem eindeutigen Urteil, dass sich der Charakter des Propheten durch den Machtzuwachs in Medina und die darauf folgenden Gewaltakte zum Negativen entwickelt habe. Seine persönli100  Ebd., S. 292: „The prophet of Medina assumed, in his new revelations, a fiercer and more sanguinary tone, which proves that his former moderation was the effect of weakness: the means of persuasion had been tried, the season of forbearance was elapsed, and he was now commanded to propagate his religion by the sword […].“ 101  Die Differenzierung von Mohammeds Handeln vor und nach dem Auszug nach Medina und die damit einhergehende Physiologisierung des Propheten waren für die Biographen des 19. Jahrhunderts maßgeblich. Vgl. Almond (1989), S. 28; Schulze (2003), S. 358–359. Eine entsprechende Gliederung von Mohammeds „charakterlicher Entwicklung“ findet sich etwa bei Mills, Charles: An History of Muhammedanism. Comprising the Life and Character of the Arabian Prophet, London 21818; Mühleisen Arnold, John: Islam. Its History, Character and Relation to Christianity, London 1814; Muir (1861); Sprenger, Aloys: Das Leben und die Lehre des Mohammad. Nach bisher grösstentheils ungenutzten Quellen, 3 Bde., Berlin 1861–65. 102  Gibbon (1802), S. 320: „At the conclusion of the life of Mahomet, it may perhaps be expected, that I should balance his faults and virtues, that I should decide whether the title of enthusiast or impostor more properly belongs to that extraordinary man. Had I been intimately conversant with the son of Abdallah, the task would still be difficult, and the success uncertain: at the distance of twelve centuries, I darkly contemplate his shade through a cloud of religious incense.“

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chen Tugenden und seine bisweilen milde Haltung gegenüber den Besiegten wögen, so Gibbon, die in seinem Namen verübten Grausamkeiten nicht auf. Der Autor wagt sogar die Vermutung, dass der zum Eroberer und Fürsten gewandelte Prophet am Ende seines Lebens heimlich den eigenen jugendlichen Enthusiasmus und den seiner Anhänger belächelt habe.103 In Gibbons Darlegung wird das politische und militärische Agieren Mohammeds durch den Endzweck einer Etablierung und Ausdehnung des Glaubens also nicht gerechtfertigt.104 Zur Illustrierung seiner Sichtweise, in der die vermeintlich gewaltsame Verbreitung des Islam den Angelpunkt der Kritik bildet, bedient sich Gibbon gleich zu Anfang seiner Abhandlung eines historisch inkorrekten, in Europa aber spätestens seit dem Titelblatt des italienischen Korans von 1547 (Kat. 8, Abb. 14) bekannten und durch die Darstellungen des Propheten im Theater verbreiteten, plakativen Bildes: „Mahomet, with the sword in one hand and the koran in the other erected his throne on the ruins of Christianity and of Rome.“ Diese von Gibbon entworfene, historisch fehlerhafte und widersprüchliche Schilderung,105 die Mohammed mit Schwert und Buch als Ausdruck der in seiner Person vereinten weltlichen und spirituellen Macht imaginiert, wurde in der Folge zu einer Art Sinnbild für die aus europäischer Sicht problematische Verbindung von religiöser Heilsbotschaft und militärischer Gewalt und zu einem Gradmesser für die historische und normative Neubewertung des Islam. Eine erstaunliche Parallele findet Edward Gibbons Beschreibung des Propheten auf dem von Jean-Michel Moreau d. J. entworfenen Titelblatt des 1787 im prestigeträchtigen „Elefant-Folio“-Format erschienenen ersten Bandes

103  Ebd., S. 322–323: „Mahomet commanded or approved the assassination of the Jews and idolaters who had escaped from the field of battle. By the repetition of such acts, the character of Mahomet must have been gradually stained; and the influence of such pernicious habits would be poorly compensated by the practice of the personal and social virtues which are necessary to maintain the reputation of a prophet among his sectaries and friends. Of his last years, ambition was the ruling passion; and a politician will suspect, that he secretly smiled (the victorious impostor!) at the enthusiasm of his youth, and the credulity of his proselytes.“ 104  Gibbons Haltung in dieser Frage ist sicher in Zusammenhang zu sehen mit seiner in der Zeit der Abfassung des Buches generellen Ablehnung institutionalisierter Religionen. Vgl. Dold (1984), S. 38. Bisweilen nutzt Gibbon seine Darstellung des aus seiner Sicht weitgehend von Dogmen befreiten und auf eine Priesterschaft verzichtenden Islam auch zur Kritik am Christentum. Vgl. Lewis (1976), S. 98–99. 105  Gibbon (1802), S. 218. Lewis legt dar, mit welchen historischen Verzerrungen diese Darstellung des Propheten operiert. So kann weder ernsthaft von den „Ruinen“ der Christenheit und Roms gesprochen werden, da beide durch die Entstehung des Islam keineswegs untergegangen sind, noch ist das Bild Mohammeds, der den Koran und ein Schwert führt, logisch, weil die schriftliche Fixierung und Kanonisierung der mündlich tradierten Offenbarungen erst nach dem Tod Mohammeds erfolgte. Zudem müsse dann davon ausgegangen werden, dass Mohammed sein Schwert mit der linken Hand geführt habe, weil ein Muslim den Koran nicht mit der „unreinen“ linken Hand halten würde. Am schwersten wiegt jedoch die von dem Bild evozierte falsche Vorstellung, dass der Islam im Wesentlichen gewaltsam verbreitet wurde. Vgl. Lewis (1976), S. 100.

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des Tableau général de l’empire Othoman.106 Das Werk, das in seiner Beschreibung des Aufbaus des Osmanischen Reiches, der dortigen Sitten und Gebräuche als eine „Verteidigung der osmanischen Gesellschaft“107 und der muslimischen Religion gegen die in Europa geltenden Vorurteile bezeichnet werden kann,108 stammt aus der Feder des armenisch-französisch-stämmigen Ignatius Mouradgea d’Ohsson (1740–1807). Auf dem Titelblatt im Vordergrund der Szene stehend ist Mohammed, wie in der Schilderung Gibbons, durch die Attribute von Schwert und Koran charakterisiert (Kat. 44a, Abb. 73). Hier hält der Prophet mit seiner linken Hand jedoch kein Buch in die Höhe, sondern einige lose Blätter. Bereits diese Differenz lässt erahnen, dass es d’Ohsson auf eine historisch fundierte Darstellung ankam, verweist das Detail doch darauf, dass es zur Zeit des Propheten noch keine geschlossene Form des Korans gab, da die Überlieferung der einzelnen Suren erst durch den dritten Kalifen Uthman (reg. 644–656) kanonisiert und kodifiziert wurde.109 Das Bild des hier in imposanter Schrittpose in einer kargen, von zwei Bäumen gerahmten Landschaft vor der Kaaba erscheinenden Propheten vereint ähnlich wie der Kupfertitel von Prideauxs La vie de Mahomet (Kat. 19a, Abb. 49) verschiedene Zeitebenen in einer Darstellung. Anders als bei Prideaux geht 106  Die ersten beiden Bände des Tableau erschienen 1787 und 1789, ein dritter Band folgte 1820, durch seinen Sohn Abraham Constantine herausgegeben. Die Publikation der Bände im großen Folioformat und deren kostspielige Illustration mit 233 Druckgraphiken zielte auf eine wohlhabende, aristokratische Klientel und fand wohl recht geringen Absatz. Eine weitere Edition im Oktavformat und mit sehr reduzierter Illustration erschien in sieben Bänden zwischen 1788 und 1824. 107  Fraser, Elisabeth A.: „Dressing Turks in the French Manner“. Mouradgea d’Ohsson’s Panorama of the Ottoman Empire, in: Ars Orientalis, 39, 2010, S. 198–230, hier S. 206. Nach Elisabeth Fraser sah d’Ohsson seinen Tableau als ein Werk, das in der Tradition der osmanischen Geschichtsschreibung steht. Gerade in der von d’Ohsson geleisteten Vermittlung zwischen osmanischer Buchkultur, die der Autor mit mehreren bildlichen Darstellungen Istanbuler Bibliotheken sowie durch seinen dezidierten Verweis auf die Produkte des ersten osmanischen Druckers Ibrahim Müteferrika deutlich macht, und der durch den Tableau selbst präsentierten französischen Buchdruckkunst auf höchstem Niveau sieht Fraser eine wesentliche kulturelle Übersetzungsleistung d’Ohssons. 108  D’Ohssons generell positive Haltung gegenüber der osmanischen Kultur, die Fraser anhand seines Bezuges auf die osmanische Literatur dargelegt hat, zeigt sich auch in seiner Stellungnahme zum Islam. Nach einem Exkurs über die Probleme des Reiches, das sich der Aufklärung, den Entdeckungen und den Wissenschaften der Europäer noch nicht geöffnet habe, merkt er an, dass diese Tendenz weder auf den Glauben noch auf das Gesetz der Osmanen zurückzuführen sei. Ziel des Tableau sei es, den wahren Geist des Islam darzulegen. Vgl. Mouradgea D’Ohsson, Ignatius: Tableau général de l’empire Othoman divisé en deux parties, dont l’une comprend la législation mahométane, l’autre l’histoire de l’empire Othoman. Ouvrage enrichi de figures, Paris 1787, Bd. 1, S. IX. Ebd., S. X: „On y développe les vrais principes de la doctrine Mahométane, et les fausses opinions qui, toujours dominantes, entretiennent dans plusiers branches de l’administration publique, et dans diverses classes de la nation, cette foule de vices et de préjugés funestes, d’autant plus aisés à détruire, qu’ils sont contraires au véritable esprit de l’Islamisme.“ 109  Ebd., S. 31: „[T]outes de feuilles éparses“ seien erst nach dem Tod des Propheten zu einem Buch zusammengestellt worden. Die erste Redaktion habe unter Abu Bakr, die zweite unter Uthman stattgefunden.

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Abb. 73  Jean-Michel Moreau le jeune (del.)/Jean Baptist Simonet (sculp), Titelkupfer, aus: Ignatius Mouradgea D’Ohsson, Tableau général de l’Empire Othoman […], Bd. 1, Paris 1787 (Kat. 44a)

es hier jedoch nicht um die Differenzen in der historischen Wahrnehmung des Propheten, sondern darum, durch die visuelle Verknüpfung der verschiedenen Zeitebenen eine synthetische Darstellung der historischen Grundlagen des Islam zu bieten. Während die Kaaba im Hintergrund noch von Götterfiguren bestanden ist, also auf einen Zustand vor der Einnahme Mekkas durch Mohammed (630) verweist, erscheinen zu den beiden Seiten des Propheten im Mittelgrund des Bildes bereits die Imame und Kalifen als die Nachfolger Mohammeds. Auf der linken Seite diskutieren die Imame, die als Begründer

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der vier islamischen Rechtsschulen (fiqh) Bücher in ihren Händen halten, während die vier Kalifen auf der rechten Seite mit gezogenen Schwertern und bewegten Posen weltliche Macht versinnbildlichen.110 Als zentrale Figur des Bildes mit Blättern und Krummschwert verkörpert Mohammed beide Formen der Herrschaft gleichzeitig. Im Unterschied zu Gibbon, der Mohammed ebenfalls in der Doppelfunktion eines religiösen und militärischen Führers sieht, aber besonders dessen gewaltsames Vorgehen als Grund seiner Ablehnung betont, vermittelt der Tableau eine anders gewichtete Sichtweise. So sind es in d’Ohssons Erläuterung des Titelblatts nicht mehr die Trümmer des Christentums und Roms, auf denen Mohammed sein Reich errichtet habe, sondern die „Ruinen der Vielgötterei“, die Mohammed durch einen Monotheismus ersetzt habe.111 Der Begründer des Islam wird somit nicht mehr als Feind der Christenheit präsentiert, sondern als religiöser Reformer, dessen Absichten d’Ohsson mit Rückgriff auf die in der Aufklärung bereits geläufigen Argumente wie folgt beschreibt: La doctrine, le culte, les lois morales et civiles de Mohammed, tout prouve que ce législateur ne se proposa d’abord dans son entreprise, que de détruire l’idolâtrie dans sa nation, de la ramener à l’unité, à l’adoration du vrai Dieu, en rétablissant chez elles les principes de la loi naturelle.112 Das Ziel Mohammeds sei es also gewesen, die Idolatrie abzuschaffen und in Arabien die Verehrung des „wahren Gottes“ durchzusetzen, die im Einklang mit den Prinzipien der Natur stünde. Dabei verschweigt d’Ohsson keineswegs den Einsatz von Gewalt, denn in der Beschreibung des Titelblattes werden sowohl Schwert als auch Schrift als die Instrumente herausgestrichen, deren sich Mohammed und seine Nachfolger zur Verbreitung des Islam bedient hätten. Jedoch misst d’Ohsson dem „Gesetz“ eine größere Bedeutung zu als der militärischen Gewalt. Dies wird bereits aus Mohammeds Blick in den Himmel und den emporgehobenen Blättern auf dem Titelblatt deutlich, womit der Koran und nicht das Schwert als die zentrale Botschaft markiert wird. Im Text selbst, im dem Mohammed als „politique habile“ und „législateur“, nicht jedoch als „conquérant“ oder dergleichen beschrieben wird, zeigt sich die Betonung von Mohammeds zivilisatorischer

110  Die vier Imame und die vier rechtgeleiteten Kalifen werden an späterer Stelle im ersten Band nochmals in Porträts abgebildet und in ihrer Funktion und Geschichte erläutert. Vgl. ebd., S. 70–71, 140–141. 111  Ebd., vor dem Frontispiz, o. P.: „Il représente le Kéabé de la Mecque, avec ses idoles, que Mohammed renverse, pour établir le culte d’un seul Dieu sur les ruines du paganisme. D’une main il tient le sabre, et de l’autre les feuilles du Cour’ann; instrumens [sic] avec lesquels ils subjugua les esprits et propagea sa doctrine. A ses côtes sont, d’une part, les quatre premiers Khaliphes, et de l’autre les quatre Imams, auteurs de la législation religieuse, et fondateurs des quatre rits orthodoxes: les premiers sont armés d’un sabre; les seconds tiennent le Cour’ann, tous ayant également concouru à étendre da doctrine et la puissance de Mohammed, soit par la force de leurs armes, soit par la sagesse de leurs écrits.“ 112  Ebd., S. 63.

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Rolle gar noch stärker.113 Zwar befreit d’Ohsson Mohammed nicht von dem Vorwurf, er habe die Religion geschickt für seine Ziele eingesetzt, jedoch erscheint der Islam hier nicht als Widerpart der Christenheit, sondern als eine ebenfalls monotheistische Religion, die sich zwar in zum Teil „bizarren“ Riten vom Christentum unterscheide,114 sich aber gleichsam auf die Verehrung des einen wahren Gottes richte. Fällt auch die Darstellung Mohammeds auf dem Titelblatt etwas hinter den selbstgesteckten Anspruch, die Vorurteile gegenüber der muslimischen Religion ganz abzulegen, zurück,115 so kann der Tableau hinsichtlich seiner Bemühung um eine authentische, auf empirischen Erkenntnissen beruhende Bebilderung dennoch als ein kultur- und kunsthistorisch herausragendes Werk gelten. Hierin sah d’Ohsson selbst den eigentlichen Verdienst seines Buches.116 Die 233 zum Teil doppelseitigen Graphiken der drei Bände gehen mit ihren Darstellungen verschiedener Gebäude Konstantinopels auf vor Ort gefertigte Zeichnungen zurück. An mehreren Stellen seiner Einleitung beschreibt d’Ohsson die Schwierigkeiten und Risiken, die er und die von ihm beauftragten Künstler auf sich nehmen mussten, um die Vorlagen zu erstellen.117 Diese hätten darin bestanden, dass Orte wie Moscheen, Grabmäler oder etwa der Sitz des Diwans vor allem für Christen gar nicht oder nur mit besonderer Genehmigung zugänglich waren, und die zum Teil muslimischen Künstler erst hätten überzeugt werden müssen, dass solche Zeichnungen nicht gegen „ihre abergläubigen Vorurteile“ verstießen.118 Die so

113  Mouradgea D’Ohsson (1789), Bd. 2, S. 94: „On peut remarquer ici la politique de ce législateur, et son habileté à profiter des opinions publiques et des circonstances, en les faisant toutes concourir an succès de son entreprise.“ Zwar erscheint Mohammed bei d’Ohsson nicht als Gewaltherrscher, jedoch ist auch in seiner Beschreibung eine Kritik an der Instrumentalisierung der Religion zu erkennen, die Mohammed als auf Sinnesfreuden basierend gestaltet habe, um das vermeintlich primitive Volk für sich zu gewinnen. Ebd., S. 5: „En politique habile, il sentit la nécessité de captiver les hommes par les sens, et de frapper la multitude ignorante par ce religieux appareil.“ 114  Zu der Differenz der Riten ebd., S. 5–6: „Si, par leur multitude, leurs retours perpétuels, leur diversité, leur bizarrerie même, ces pratiques ont été capables d’en imposer aux esprits vulgaires, et d’ajouter en quelque sorte à la grandeur et à la majesté du culte, elles seront sans doute pour le philosophe attentif la matière et la source d’une foule d’observations, qui lui dévoileront tout-à-la-fois et le génie du Législateur Arabe, et le caractère des peuples qui suivent sa doctrine, et l’esprit général de ces lois religieuses qui influent si puissamment sur leur état moral, civil et politique.“ 115  Die Komposition des Titelblatts geht wohl auf die hinsichtlich ihres Landschaftsprospektes vergleichbare Titelvignette für Choisel-Gouffiers Voyage pittoresque de la Grèce (Paris 1782) desselben Künstlers zurück. 116  Ebd., S. II–III: „[…] mes titres sur l’authenticité de tout ce que j’avance; car la vérite et l’exactitude la plus scrupuleuse sont à mes yuex le premier de cet ouvrage.“ 117  Den Aspekt der Dramatisierung der Bilderbeschaffung, die dazu dienen sollte, die Graphiken in den Augen der Betrachter noch authentischer und exklusiver erscheinen zu lassen, hat Fraser herausgestellt. Vgl. Fraser (2010), S. 209–211. 118  Mouradgea D’Ohsson (1790), Bd. 2, S. 244: „Il a donc fallu s’adresser à des peintres Mahometans, et employer aupres d’eux tous les moyens imaginables pour vaincre leurs préjugés superstitieux.“

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Abb. 74  Jean Baptist Tilliard, „Assomption de Mohammed“, aus: Ignatius Mouradgea D’Ohsson, Tableau général de l’Empire Othoman […], Bd. 1, Paris 1787, nach S. 66 (Kat. 44b)

gefertigten Studien wurden dann per Schiff nach Paris gesandt, wo sie von Charles-Nicolas Cochin (1715–1791), einem der gefragtesten Künstler und Graphiker seiner Zeit, zu Vorzeichnungen umgestaltet wurden, die den französischen Sehgewohnheiten gemäßer waren. Schließlich wurden diese Zeichnungen von Graphikern wie Jean-Baptiste Hilaire und Jean-Baptiste Simonet gestochen und radiert.119

119  Interessanterweise lobte der bis zu einem Gerichtsstreit mit d’Ohsson für die Illustration verantwortliche Cochin bei aller Kritik über die künstlerische Unzulänglichkeit der Vorlagen zugleich auch deren „große Genauigkeit“ und „ihre naive Wahrhaftigkeit“, die er bei seiner Umarbeitung zu bewahren suchte. Vgl. hierzu Fraser (2010), S. 215. Zur Geschichte der Bilder in d’Ohsson vgl. ebenfalls Findley, Carter V.: A Quixotic Author and His Great Taxonomy. Mouradgea d’Ohsson and his Tableau general de l’empire othoman, 1999, S. 10, (www.oslo2000.uio.no/program/papers/m1b/m1b-findley.pdf, 28. 01. 2011).

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Abb. 75  Die Himmelsreise des Propheten, aus: Zübdetü,t Tevarih, Istanbul spätes 16. Jh., Dublin, Chester Beatty Library, T414, fol. 121

Herausragend ist die Darstellung der „Himmelsreise des Propheten“ (mi‘rāğ), die das erste Bild Mohammeds im westeuropäischen Buchdruck ist, das nachweislich auf der Reproduktion einer islamischen Vorlage beruht (Kat. 44b, Abb. 74). Damit steht die Graphik am Beginn eines Trends, die Darstellungen des Propheten gemäß islamischer Ikonographien und Vorlagen zu gestalten. Die Bilder sollten also nicht mehr auf den Erfindungen der europäischen Kunst fußen, sondern, ähnlich wie es von den Orientalisten für die historische Erforschung Mohammeds gefordert wurde, Quellen islamischen Ursprungs zu Grunde zu legen.120 Dass die Himmelfahrt des Propheten dabei zu den am 120  Eine unmittelbare Nachfolge fand die Darstellung der Himmelfahrt etwa in Giulio Ferrarios bilderreicher Weltbeschreibung. Ferrario, Giulio: Il costume antico e moderno o storia del governo, della milizia, della religione, delle arti, scienze ed usanze di tutti i popoli antichi e moderni provata coi monumenti dell’antichita e rappresentata cogli analoghi disegni del dottor Giulio Ferrario, Bd. 4: Asia, Florenz 1826, Taf. XXXI, S. 184–185.

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Abb. 76  J. B. Tilliard (sculp.), Adam und Eva, aus: Ignatius Mouradgea D‘Ohsson, Tableau général de l’Empire Othoman […], Bd. 1, Paris 1787, Taf. 1

häufigsten adaptierten Ikonographien gehörte (Kat. 61b, 70), ist insofern naheliegend, als dieses Ereignis aus dem Leben Mohammeds in der islamischen Kunst mit Abstand am häufigsten dargestellt wurde.121 Dennoch ist die Auswahl dieser Ikonographie be­ merkenswert, da gerade dieses wundersame Ereignis von der europäischen Literatur meist mit besonderer Vehemenz als Lügengeschichte abgelehnt wurde.122 Umso mehr kann d’Ohssons Entscheidung zu einer Darstellung der Himmelsreise nach islamischem Vorbild als ein deutliches Zeichen für eine Perspektiverweiterung in der europäischen Wahrnehmung des Propheten gesehen werden. 121  „[N]o incident in the religious history of Islam is more commonly represented in Muslim art than this of the ascension of the Prophet“. Arnold, Thomas W.: Painting in Islam. A Study of the Place of Pictorial Art in Muslim Culture, New York 1965, S. 121. 122  Zu den Kommentaren christlicher Autoren, die bisweilen kritisierten, dass mit Burāq ein Tier Eintritt in den Himmel gefunden hätte, vgl. Smith (1995), S. 227; Hagemann (1976), S. 65.

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Die Graphik zeigt Mohammeds Aufstieg in den Himmel auf dem mythischen Tier Burāq über einer Ansicht der Moschee in Mekka mit der Kaaba. Die Gestalt des Propheten ist, wie der Text erläutert, ganz in göttliches Licht getaucht, das die begleitenden Engel aus Schalen über Mohammed ergießen.123 Zwar gibt d’Ohsson an, dass dieses Bild nach einer persischen Miniatur gefertigt worden sei, Renda Güsel konnte jedoch aufzeigen, dass es wahrscheinlich auf eine osmanische Buchmalerei aus dem Geschichtswerk Zübdetü᾿t Tevarih des späten 16. Jahrhunderts zurückgeht (Abb. 75).124 Das Original wurde in der Reproduktion seitenverkehrt, aber relativ genau wiedergegeben, wobei die Figuren der Engel, al-Burāqs und die Architektur in der unteren Bildhäfte in der Druckgraphik plastischer ausformuliert wurden. Während die hinter den Flammen verborgene Gestalt des Propheten weitgehend unverändert blieb, erscheinen die Gesichter der Engel europäisiert und auch die Gestalt der Wolken wurde gemäß europäischer Darstellungskonventionen abgewandelt. Das Bild der Himmelsreise findet sich an prominenter Stelle auf der ersten Bildtafel des ersten Bandes unmittelbar neben einer Darstellung „Adam und Evas vor dem Lebensbaum“, die ebenfalls auf eine osmanische Vorlage aus dem Zübdetü᾿t Tevarih zurückgeht (Abb. 76). Auch hier griff Cochin in die Vorlage ein und gestaltete sie gemäß den europäischen Sehgewohnheiten um. Dabei isolierte er die Figuren der beiden Stammeltern, die in der Vorlage noch von ihren in kleinerem Format dargestellten Nachkommen umgeben sind, und platzierte sie in einem Bildraum mit illusionistischer Tiefenwirkung. Die islamischen Eigenheiten der Ikonographie, wie etwa die Tatsache, dass Adam und Eva bekleidet sind und dass keine Schlange vorkommt,125 ließ er jedoch unverändert. Das Bemerkenswerteste an dieser Inszenierung der Graphiken erklärt d’Ohsson selbst, wenn er neben dem Bild angibt, dass Adam der erste Vertreter in der Genealogie der Propheten gewesen sei, die sich in Mohammed vollende.126 Erstmals im 123  Mouradgea D’Ohsson (1787), S. 67: „Dans celle n. 2, on voit l’enlèvement de Mohammed; il est représente au milieu des nues, au dessus du Keabé de la Mecque, monté sur le Borack, qui a un visage de femme, une queue de paon, un couronne d’or sur la tête, et un collier au cou. On ne voit de Mohammed que les pieds et le turban; le visage et le reste du corps sont couverts des rayons célestes qui partent des mains des anges dont il est environné. Ce portrait es tune copie fidèle de celui qui se trouve dans les livres Persans.“ (Hervorh. i. O.) 124  Günsel, Renda: Illustrating the Tableau général, in: The Torch of the Empire. Ignatius Mouradgea d’Ohsson and the Tableau général of the Ottoman Empire in the Eighteenth Century, hrsg. v. Theolin Sture u. a., Istanbul 2002, S. 59–76, hier S. 68–69. 125  Im koranischen Bericht des Sündenfalls (2:35–37) wird weder die Gestalt von Iblis, der Adam und Eva durch eine Einflüsterung verleitet, noch der Akt der Sünde beschrieben. Lediglich in populären Überlieferungen heißt es, Satan sei in dem Bauch einer Schlange versteckt in das ihm verbotene Paradies eingedrungen. Das Konzept der Erbsünde wird im Islam abgelehnt. Gott verzeiht Adams Fehltritt unmittelbar nach der Vertreibung der Stammeltern aus dem Paradies (2:37). 126  Mouradgea D’Ohsson (1787), Bd. 1, S. 67: „On donne ici ceux d’Adam et de Mohammed, révérés par l’Islamisme, ainsi qu’on l’a vu dans le texte, l’un comme premier, l’autre comme le dernier des Prophètes.“ (Hervorh. i. O.)

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europäischen Buchdruck erscheint Mohammed mittels der Adaption einer islamischen Bildvorlage in der mit der islamischen Theologie konformen Rolle als das Siegel der Propheten. Die semantische Verknüpfung der beiden Graphiken, die d’Ohsson mit seinem Kommentar leistet, ergibt sich auch aus den Bildern selbst, denn das göttliche Licht (nūr), das in der Darstellung Adam und Evas gemäß der islamischen Bildtradition als flammenförmiger Heiligenschein wiedergegeben ist und das nach muslimischer Anschauung über die Reihe der Propheten auf Mohammed überging,127 erscheint in der Himmelsreise als ein den ganzen Körper des Propheten überdeckendes Licht.128 D’Ohsson gebührt damit nicht nur der Verdienst, dem europäischen Publikum erstmals eine Darstellung Mohammeds präsentiert zu haben, die einer muslimischen Sichtweise gerecht wird, darüber hinaus scheint er durch die Auswahl einer Vorlage, die den Körper des Propheten nicht offen zeigt, sogar erstmals die Problematik der bildlichen Darstellung Mohammeds zu berücksichtigen.129 Die Neuartigkeit dieser Präsentation Mohammeds hängt sicher unmittelbar mit der ungewöhnlichen Biographie Ignatius Mouradgeas zusammen, der erst 1786 den französisch klingenden Beinamen d’Ohsson erhielt.130 Als Sohn eines christlichen Armeniers, der als Übersetzer für die schwedische Gesandtschaft an der Hohen Pforte arbeitete, und einer Französin in Konstantinopel geboren, war d’Ohsson von Kind an ein Leben zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen gewöhnt und mit der Rolle des Vermittlers vertraut. D’Ohsson wurde selbst zunächst Übersetzter und dann Gesandter im Dienste der schwedischen Krone am osmanischen Hof, zu dem er gute Kontakte pflegte. Obwohl seine Darstellung von Mohammeds Lehre im Tableau sicher nicht in allen Punkten mit dem Islamverständnis am osmanischen Hof übereinstimmte, empfing er für seine umfangreiche und weitgehend objektive Beschreibung des Reiches sogar eine finanzielle Belobigung durch Sultan Selim III.131 D’Ohsson kann damit als Vertreter einer unparteiischen Sichtweise auf den Islam gelten, der es nicht auf einen wertenden Vergleich der Religionen ankommt. Stattdessen werden die osma­-

127  Vgl. Rubin (1975). 128  Die Metaphorik des von Gott in den Propheten eingesetzten Lichtes (nūr Muhammad) . wird in der Darstellung der Himmelfahrt durch das von den Engeln über Mohammed ausgeschüttete Licht Gottes noch gesteigert. Das so entstehende Bild von „Licht über Licht“ spielt auf den berühmten Lichtvers (24:35) im Koran an und steht symbolisch für die Nähe zu Gott. Zur Lichtsymbolik in den literarischen und bildlichen Darstellungen der mi‘rāğ vgl. Gruber (2010a), bes. S. 303–305; Dies. (2009a); Dies. (2009b). 129  Die im Osmanischen Reich verbreitete Ablehnung der bildlichen Darstellung lebender Wesen nennt d’Ohsson zwar abergläubisch, er ist jedoch gut über die religiösen Hintergründe des Bildverbotes informiert. So führt er an, dass die Muslime nichtfigürliche Kunst bevorzugten, da sie Figuren mit Idolatrie in Verbindung brächten und glaubten, dass Engel und Heilige keine Häuser betreten dürften, in denen sich solche Bilder befänden. Vgl. Mouradgea D’Ohsson (1790), Bd. 2, S. 244. 130  Zur Geschichte des Namens vgl. Findley (1999), S. 6. 131  Ebd., S. 19–20.

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nische Kultur und der muslimische Glauben bei d’Ohsson um ihrer selbst willen dargestellt. Während die Graphik der Himmelsreise des Propheten im 19. Jahrhundert in der Publikation Del costume antico e moderno di tutti i popoli von Giulio Ferrario 1823 nur eine einzige unmittelbare Nachfolge fand, regte die eher traditionelle Darstellung Mohammeds im Titelkupfer wohl wegen ihrer weitgehenden Übereinstimmung mit dem Geschichtswerk Edward Gibbons mehrere Nachahmungen an. In nahezu identischer, in den Bildgegenständen und Details aber reduzierter Form erschien sie auf dem Frontispiz des ersten Bandes von Andrew Crichtons Historia of Arabia aus dem Jahr 1834 (Kat. 58). Crichton übernahm nicht nur die Graphik, sondern auch die kurze Beschreibung der Vignette, die hier als „Mohammed preaching against the Idols of the Kaaba, with the four first Caliphs and Imams“ firmiert.132 In Crichtons Darlegung der von den Muslimen vermeintlich offerierten Wahl zwischen Koran und Schwert erscheinen beide jedoch als gleichsam schreckliche Alternativen, wobei das Schwert, wie schon bei Gibbon, nach Crichton das Hauptargument des Islam bleibt.133 Einen anderen Eindruck vermitteln hingegen die Frontispize in einer späteren Ausgabe von Ockleys History of the Saracens von 1848 und in dem ersten Band von Washington Irvings Mahomet and his successors von 1868 (Kat. 59, Abb. 77). Das Grundmotiv mit dem Propheten vor der Kaaba wurde hier aufgegriffen, in seinem Ausdruck jedoch deutlich abgewandelt. Die Figur Mohammeds ist nun fast bildfüllend und überragt die Kaaba im Hintergrund. Der Prophet ist in fortgeschrittenem Alter gezeigt, worauf sein weißer Bart und sein etwas fülligerer Körperbau verweisen. Dies, das aufgeschlagene Buch in seiner Hand und die nunmehr lediglich als ein im Gürtel steckender Dolch gegebene Waffe, mildern den martialischen Charakter der Motivvorlage ab. Stattdessen erinnern die Rednerpose und der lange, mit Pelz besetzte Umhang Mohammeds an die Bühnenrepräsentationen des vorherigen Jahrhunderts und geben der Figur einen theatralischen Zug. Mit dem der ausladenden Geste seiner rechten Hand folgenden Blick vom aufgeschlagenen Buch hinauf in eine unbestimmte Ferne scheint Mohammed über das hinter ihm sich abspielende Geschehen und auch sich selbst hinauszuweisen. Die in der abgewandelten Graphik gegebene Charakterisierung Mohammeds kann als paradigmatisch für das sich wandelnde Bild des Propheten in der zweiten Hälfte des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts gelten, das einen stärkeren Akzent auf die von Mohammed initiierte religiöse und gesellschaftliche Entwicklung legte und militärische Aspekte weit weniger betonte. Zwar gab es bereits zuvor europäische Auto132  Crichton, Andrew: The History of Arabia. Ancient and Modern, New York 1834, Bd. 1, vor der Einleitung o. P. 133  Ebd., S. 21: „The sword or the Koran was the terrible alternative they offered to the choice of their enemies.“ Ebd., S. 34: „The sword – the grand argument of the Moslem religion – has yielded to the force of reason; and our manners and habits of thinking have triumphed in their turn over the relentless soldiers of Mohammed.“

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Abb. 77  Pierre Duflos/John James Hinchliff, „Mohammed“, Frontispiz, aus: Simon Ockley, The History of the Saracens […], London 1848 (Kat. 59)

ren, die den zentralen Kritikpunkt der Waffengewalt auch bei einem Religionsstifter als legitim erachteten, diese Sichtweise blieb jedoch bis ins 19. Jahrhundert die Ausnahme. Niccolò Machiavelli war, wie bereits erwähnt, der erste Gelehrte der Neuzeit, der in seinem Il Principe behauptete, dass alle bewaffneten Propheten gesiegt hätten, die unbewaffneten hingegen zerstört worden seien.134 Eine derartige, auf jegliche moralische Wertung verzichtende Beurteilung politischer und militärischer Gewalt blieb aber nicht nur die Ausnahme, Machiavelli wurde wegen seines Regierungshandbuches im 16. und 17. Jahrhundert geradezu dämonisiert. Bei näherer Betrachtung zeigen sich erstaunliche Parallelen zwischen den europäischen Imaginationen des Propheten Mohammed und den Legenden, die sich um den 134  Machiavelli (1972), S. 13: „Di qui nacque che tutt’i profeti armati vinsono, e li disarmati ruinorono. Perché, oltre alle cose dette, la natura de’ populi è varia; et è facile a persuadere loro una cosa, ma è difficile fermarli in quella persuasione. E però conviene essere ordinato in modo, che, quando non credono più, si possa fare loro credere per forza.“

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Florentiner Staatsmann und sein bekanntestes Werk spannten.135 In ihrer Absolutsetzung politischer Macht und ihrer klaren Enthaltung von Fragen der Religion galt Machiavellis Schrift aus der Sicht seiner Kritiker wenn nicht gar als ein Produkt des Teufels, so doch als Versuch einer generellen Rechtfertigung unmoralischen politischen Handelns und der Tyrannei.136 Gleich dem Propheten, dem unterstellt wurde, er habe den Koran zur Blendung seiner Gefolgschaft erfunden, galt der Machiavellismus als auf dem Prinzip der Täuschung und Heuchelei basierend. Ähnlich wie die Vergleiche mit dem Islam den Konfessionsstreit und die Deismusdebatte prägten, diente auch der Vorwurf des Machiavellismus oft dazu, den jeweils weltanschaulichen Gegner zu diskreditieren. Dabei löste sich der Mythos „Machiavelli“ ganz von der historischen Person und wurde wie die „Maske“ des Propheten auf andere Individuen und Kunstfiguren übertragen.137 Vergleichbar mit Mohammed setzte eine grundlegende Wandlung der Bewertung Machiavellis und seiner „Lehre“ im Wesentlichen im 18. Jahrhundert ein.138 Als exemplarisch für die Aushandlung zweier diesbezüglich miteinander konkurrierender Sichtweisen kann erneut auf Voltaire verwiesen werden, dessen wechselnde Beurteilungen Machiavellis und Mohammeds sich weitgehend entsprechen. Einerseits beschreibt er den Propheten in seiner Tragödie Le fanatisme ou Mahomet le Prophète (1741) als einen skrupellosen Tyrannen, der wie die Verkörperung eines machiavellistischen Fürsten erscheint, den Voltaire in dem von ihm herausgegebenen und mit einem Vorwort versehenen Anti-Machiavel (1740) moralisch an den Pranger stellt.139 Andererseits zählte Voltaire Machiavelli zu den „großen Männern“ des 16. Jahrhunderts.140 Voltaire wagte es sogar (in einer unter falschen Angaben erschienenen Publikation), Mohammed in einem Vergleich mit Jesus ausdrücklich zu loben und dabei den gleichen Ton anzuschlagen wie der Autor von Il Principe: „Wenigstens hat Mohammed geschrieben und gekämpft, wäh-

135  Zur Legendenbildung um Machiavelli vgl. Cassirer (2002), S. 153–170. 136  Einen Überblick über die Machiavelli-Rezeption gibt Höffe, Otfried: Zu Machiavellis Wirkung, in: Machiavelli. Der Fürst, hrsg. v. dems., Berlin 2012, S. 179–199. 137  Felix Raab beschreibt, dass sich die im englischen Drama beliebte Figur des „machiavellistischen Bösewichts“ vollständig von den Bezügen zum historischen Machiavelli und seinem Il Principe gelöst hatte und schließlich ein generelles Sinnbild für Hinterlist und Religionsfeindlichkeit wurde. Vgl. Raab, Felix: The English Face of Machiavelli. A Changing Interpretation 1500–1700, London/Toronto 1964, S. 56–58. 138  Vgl. Cassirer (2002), S. 159. 139  Zur antimachiavellistischen Charakterisierung Mohammeds in Voltaires Le fanatisme vgl. Kelly (2009), S. 178–180. Zum Anti-Machiavel des Preußenkönigs Friedrich II. und seinen Briefwechsel über die Bewertung Machiavellis vgl. Mauthner, Fritz: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande [1920–23], Bd. 2, Heppenheim 2010, S. 76–80. 140  So in Voltaires Manuskript für Le Siècle de Louis XIV. Vgl. ebd.; Ben Saad, Nizar: Machiavel en France. Des Lumières à la Révolution, Paris 2007, S. 74–75.

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rend Jesus weder zu schreiben wusste, noch sich zu verteidigen. Mohammed verband den Mut von Alexander mit dem Geist von Numa.“ 141 Derartige positive Aussagen über Mohammed blieben im 18. Jahrhundert jedoch eine Seltenheit und intendierten, wie im Fall Voltaires, mit dem Lob des Propheten meist zugleich eine Kritik am Christentum. Erst im Zuge eines neuen, von der Philosophie des Idealismus geprägten Geschichtsverständnisses konnte Mohammed offiziell als Held anerkannt werden, ohne dabei den christlichen Glauben abzuwerten. Schöpfer und herausragender Exponent dieser neuen Geschichtsauffassung war Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte das Konzept eines die Menschheitsgeschichte lenkenden „Weltgeistes“ entwarf. Dieser Weltgeist sei als objektive und absolute Vernunft die treibende Kraft der Geschichte und strebe nach seiner Selbstverwirklichung, die einen Zustand absoluter Freiheit und ewigen Friedens bedeute.142 Um dieses Telos der gesellschaftlichen Evolution zu erreichen, bediene sich der „Weltgeist“ bisweilen ausgesuchter Individuen, der „Heroen“, die den Lauf der Weltgeschichte in neue Bahnen zu lenken vermochten. Dies sind die großen Menschen in der Geschichte, deren eigene partikuläre Zwecke das Substantielle enthalten, welches Wille des Weltgeistes ist. Sie sind insofern Heroen zu nennen, als sie ihre Zwecke und ihren Beruf nicht bloß aus dem ruhigen, geordneten, durch das bestehende System geheiligten Lauf der Dinge geschöpft haben, sondern aus einer Quelle, deren Inhalt verborgen und nicht zu einem gegenwärtigen Dasein gediehen ist […] – die also aus sich zu schöpfen scheinen und deren Taten einen Zustand und Weltverhältnisse hervorgebracht haben, welche nur ihre Sache und ihr Werk zu sein scheinen.143 (Hervorh. i. O.) Die Heroen, Hegel führt als Beispiele Caesar und Alexander an, höben sich als die „Geschäftsführer des Weltgeistes“ im Dienste des Endziels einer sich im Vollzug der

141  Voltaire (1728), S. 31–32: „Du moins Mahomet a écrit et combattu; et Jésus n’a su ni écrire ni se défendre. Mahomet avait le courage d’Alexandre avec l’esprit de Numa; & vôtre Jésu a sué sang & eau dès qu’il été condamné par ses juges.“ 142  Vgl. Hegel, Georg W. F.: Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, hrsg. v. Eduard Gans, in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Werke, Berlin 31848, Bd. 9, S. 415. Das Konzept des „Weltgeistes“ ist bei Hegel unmittelbar mit dem Staat und der Nation verbunden. Er behauptet, dass die Bestimmung zur „Realisierung der absoluten Wahrheit als der unendlichen Selbstbestimmung der Freiheit […], die ihre absolute Form selbst zum Inhalte hat“, in einer neuen, durch einen germanischen Geist geprägten Welt läge. Das „orientalische Princip“ oder der „Muhammedanismus“ bedeuten nach Hegel zwar auch einen Fortschritt – gegenüber dem jüdischen Glauben –, nehmen in seinem geschichtlichen Evolutionsmodell jedoch eine bereits überholte, niedere Stufe ein. Hegel versteht den islamischen Monotheismus als die Absolutsetzung von Subjektivität und Abstraktion, die zu einer Negation der konkreten Welt und zu Fanatismus führe. Vgl. ebd., S. 431–437. 143  Ebd., S. 38.

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objektiven Vernunft erfüllenden Freiheit stehend von ihren Mitmenschen ab und seien daher nicht nach subjektiven oder gar psychologisch „schulmeisterlichen“ Kriterien zu beurteilen.144 In den Grundlinien der Philosophie des Rechts spricht Hegel dem Heroen einen eigenen Rechtsstatus zu, der es ihm erlaube, zur Stiftung von Staaten selbst Mittel einzusetzen, die nach subjektiven Kriterien wie „Gewalt und Unrecht“ erschienen.145 Dieses sich im 19. Jahrhundert etablierende, teleologische Geschichtsverständnis, das mit den Konzepten von „Weltgeist“ und „Heroenrecht“ eine metaphysische Überhöhung und moralische Legitimierung der machiavellistischen Staatstheorie anbot,146 zeitigte erstmals eine Bewertung des islamischen Propheten, die sich zwar nicht gänzlich von den traditionellen Urteilen bezüglich seiner Moral befreite, diesen aber hinsichtlich Mohammeds gesellschaftlicher und theologischer Rolle als Reformer nur geringe Bedeutung beimaßen.147

Der Prophet und die Nation Ein wesentlicher Aspekt der westeuropäischen Mohammedbilder des 19. Jahrhunderts sind die in ihnen spürbaren nationalen Differenzen. Während der Charakter der früheren Illustrationen oft in Zusammenhang mit der jeweiligen Konfession oder philosophischen Weltanschauung des Autoren oder Herausgebers stand, zeigt sich, einhergehend mit der Herausbildung von Nationalstaaten, eine zunehmende Kontextualisierung der Prophetenfigur durch patriotische Belange. Ein krasser Unterschied in den Auffassungen vom Propheten offenbart sich etwa bei einem Vergleich der beinah zeitgleich entstandenen Bildnisse der deutschen Übersetzung von Gagniers Prophetenvita von 1802 (Kat. 49a, 49b, Abb. 70, 71) mit dem Autorenbildnis Mohammeds in der 1791 (und in Neuauflage 1808) publizierten Historia da vida, conquistas, e religião de Mafoma des João José Pereira (Kat. 46, Abb. 78). Während der Betrachter in der Graphik Rosmaeslers einen

144  Vgl. ebd., S. 39 und zum kleinlichen „Schulmeister“ S. 40. 145  Hegel, Georg W. F.: Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, hrsg. v. Eduard Gans, in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Werke, Berlin 31854, Bd. 8, S. 427, § 350: „In gesetzlichen Bestimmungen und in objektiven Institutionen, von der Ehe und dem Ackerbau ausgehend, hervorzutreten, ist das absolute Recht der Idee, es sei, daß die Form dieser ihrer Verwirklichung als göttliche Gesetzgebung und Wohltat oder als Gewalt und Unrecht erscheine; – dies Recht ist das Heroenrecht zur Stiftung von Staaten.“ 146  Cassirer (2002), S. 161: „[Hegel] träumte davon, ein zweiter Machiavelli zu werden – der Machiavelli seiner eigenen Zeit.“ Zur Aufwertung der Theorie und Person Machiavellis vgl. ebd., S. 154–205. 147  Während der Held bei Hegel aus persönlichem Eigennutz und auch „unmoralisch“ handelt, als „Geschäftsführer des Weltgeistes“ aber jenseits einer psychologischen und moralischen Verurteilbarkeit steht, trägt der aus Einsicht in die Natur von einer höheren Idee beseelte Held Carlyles durchaus wieder moralische Züge. Auf diese Differenz hat Christian von Zimmermann hingewiesen. Vgl. Zimmermann, Christian von: Biographische Anthropologie. Menschenbilder in lebensgeschichtlicher Darstellung (1830–1940), Berlin u. a, 2006, S. 135–144.

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Abb. 78  „MAHOMET perceguidor da VERDADE“, Frontispiz, aus: João J. Pereira, Historia da vida, conquistas, e religião de Mafoma […], Lissabon 1791 (Kat. 46)

Abb. 79  „MAHOMET“, Frontispiz, aus: The life of Mahomet […], London 1799 (Kat. 47)

ehrwürdigen, antikischen Propheten erblickt, zeigt das Porträt der portugiesischen Biographie einen offensichtlich vom Teufel inspirierten Schwarzmagier. Der Einfluss der erst 1821 abgeschafften portugiesischen Inquisition und die sichtliche Bemühung um eine klare Differenzierung der eigenen Religion vom Islam waren für diese Gestaltung wohl aussschlaggebend.148

148  Über den Autor gibt es kaum Informationen und auch eine wissenschaftliche Untersuchung seines Werkes, vor allem seines Bezuges auf andere europäische Schriften, steht noch aus und war im Kontext dieser Arbeit leider nicht möglich. Nach seinen eigenen Angaben im Vorwort des Buches hat Pereira jedoch einige Jahre im Osmanischen Reich gelebt. Vgl. Sidarus, Adel Y.: Introduction. Arabic Studies in Portugal (1772–1962), in: Islão e arabismo na península ibérica. Actas do XI Congresso da União Europeia de Arabistas e Islamólogos, hrsg. v. dems., Évora 1982, S. 55–76, hier S. 64. Das Studium der Arabistik,

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Aber auch rein säkulare Interessen konnten das Bild des Propheten prägen. Die englische Biographie mit dem Titel The life of Mahomet; or, The history of that imposture von 1799 zeigt auf dem Frontispiz ein Porträtmedaillon des Propheten, das ihn in fürstlicher osmanischer Gewandung, aber mit einer wenig einnehmenden Physiognomie und einem geradezu lethargischen Gesichtsausdruck präsentiert (Kat. 47, Abb. 79). Der anonyme Autor setzt neben seiner Darstellung Mohammeds als lustgetriebener Religionsbetrüger, die er im Wesentlichen aus der Biographie Prideauxs von 1697 entlehnt hat, noch einen anderen Akzent.149 Gleich zu Beginn stellt er einen Bezug zwischen Mohammed, Julius Caesar und Alexander dem Großen her, deren Charakter er trotz ihrer bedeutenden Rolle in der Geschichte als „besonders widerwärtig“ bezeichnet.150 Unter Bezug auf die geographische Ausdehnung des Islam leitet der Autor so eine Charakterisierung Mohammeds als Tyrann und des Islam als eine der Vernunft wiedersprechende „Versklavung“ ein.151 Diese Deutung bekräftigt er mit zahlreichen Erwähnungen der vermeintlichen Verbreitung des Glaubens durch das Schwert und lässt sie in dem Vergleich kulminieren, dass selbst der blutrünstige Nero und die barbarischen Kaiser Caligula und Domitian im Vergleich mit Mohammed fromme Heilige und reine Engel seien.152 Das Bildnis Mohammeds als osmanischer Fürst passt gut in die Argumentationsstrategie des Autors, da es nicht nur das mit dem Sultan in Europa verbundene Stereotyp der Tyrannei aufruft,153 sondern angesichts der schwindenden politischen und militärischen Macht der Hohen Pforte mit dem Osmanenkostüm wahrscheinlich auch die Besiegbarkeit des Islam evozieren sollte. Sprechend ist bereits die Form der Repräsentation durch ein leicht von der Wand abstehendes und mit einem Band befestigtes Porträtmedaillon. Mit ihm weicht der Künstler von den sonst meist voluminösen und gewichtigen Bildnisrahmen in der Buchillustration ab und erzeugt den Eindruck einer eher privaten Repräsentation, die zudem einen ephemeren Charakter bekommt, etwa durch die scheinbare Möglichkeit, an der Schleife zu ziehen, die das Bild hält, oder das Bild umzudrehen. Zusätzlich zu dieser Inszenierung des Bildträgers wird die zunächst würdevoll erscheinende Darstellung des Propheten durch einige Details unterlaufen. So vermittelt das Ornament des Kaftans mit seinem etwas zu groß geratenen und asymals deren Gründerfigur der Jesuit Frei João de Sousa (1749–1812) gilt, begann in Portugal gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Vgl. ebd., S. 58–62. 149  Zum Bezug dieser Biographie auf Prideaux vgl. Allison, Robert J.: The Crescent Obscured. The United States and the Muslim World, 1776–1815, New York u. a. 1995, S. 36–37. 150  The Life of Mahomet. Or, the History of that Imposture, which was Begun, Carried on, and Finally Established by Him in Arabia, […] To which is Added, an Account of Egypt, London 1799, S. IV. 151  Ebd., S. 79: „[Y]et the religion of Mahomet infects and enslaves more of the globe than six times the whole of Europe taken together!“ 152  Vgl. ebd., S. 81. 153  In der Gleichsetzung Asiens mit der Regierungsform des Despotismus sieht Alain Grosrichard das Leitmotiv der europäischen Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich. Vgl. Grosrichard (1998), bes. S. 3–25.

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metrischen Blumendekor eher den Eindruck von Verspieltheit und Unruhe als von verfeinertem Geschmack und fürstlichem Reichtum. Während das unbeholfene Dekor noch als Mangel in der künstlerischen Ausführung des Graphikers durchgehen mag, ist der Haarbüschel, der an der rechten Seite von Mohammeds Kopf hervorlugt, ein bewusst inszenierter Widerspruch zu dem auf der anderen Seite vollständig unter dem Turban verborgenen Haar. Allerdings scheint der melancholisch blickende Sultan diese Nachlässigkeit nicht zu bemerken. Der historische Zeitpunkt der Publikation ist von Bedeutung, denn die Mohammedbiographie erschien als eine unmittelbare Reaktion auf den französischen Ägyptenfeldzug von 1798. Diesbezüglich erwähnt der Autor nicht nur die Eile, mit der das Manuskript fertiggestellt wurde,154 der Lebensbeschreibung Mohammeds wurde zudem eine ausführliche Schilderung Ägyptens beigegeben, die auf die zeitgenössischen Ereignisse unmittelbar Bezug nimmt. Im Anhang warnt der Autor, dass die Überlegenheit der französischen Waffen dazu führen könne, dass Napoleon bald ganz Arabien erobern und damit eine Gefahr für die globalen Interessen der Engländer darstellen würde.155 Im Sinne des von Edward Said beschriebenen Orientdiskurses verwendet der Autor die Beschreibung des vermeintlich moralisch verkommenen und tyrannischen Propheten, um zu einer militärischen Eroberung der islamischen Staaten aufzurufen und dies als einen zivilisatorischen Akt zu legitimieren. So behauptet er in der Prophetenvita, dass es zwar die Ultima Ratio sei, es jedoch keinen anderen Weg gäbe als die Invasion, um die Muslime zu Wissen und Vernunft zu führen: Nor would any thing short of absolute necessity justify an invasion of Mahometan countries, even for the laudable purpose of diffusing knowledge, for an attempt to send missionaries to persuade them of the wickedness and delusion of their prophet, would be conducting them to a slaughterhouse.156 Damit eine Invasion eben nicht in einem „Schlachthaus“ ende und da die schlechte Kenntnis des Landes der französischen Expedition bereits einige Probleme bereitet habe, bietet das Buch eine Beschreibung Ägyptens und der Sitten seiner Einwohner, deren erste Zeilen wohl nicht zufällig an den berühmten Feldherrnbericht des in der Einleitung noch verdammten Gaius Julius Caesar erinnern.157 154  Vgl. The Life of Mahomet (1799), S. 187. 155  Ebd., S. 188: „If the despatches of this astonishing man [Napoleon], snatched in such a miraculous manner from the devouring deep, shall fully develop his plans to our government, I suppose that my first conjectures respecting his final destination will be found to have been correct – that he had conceived the destruction of our East India trade.“ 156  Ebd., S. 116. 157  Ebd., S. 190: „Ancient Egypt was divided into three parts, called upper, middle, and lower Egyt, or Thebais, Heptanomis, and Delta.“ Vgl. hierzu den Beginn von Julius Caesars De bello Gallico: „Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam, qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.“

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Unter den Vorzeichen der seit dem Ende des 17. Jahrhunderts stetig nachlassenden Macht des Osmanischen Reiches, für das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung „der kranke Mann am Bosporus“ geläufig wurde,158 erscheint die Darstellung des Propheten im Gewand des osmanischen Sultans nicht mehr als implizite Drohung, sondern im Kontext eines Aufrufes zur Verteidigung der englischen Interessen sowie zur Kolonialisierung der islamischen Länder als ein Zeichen verfallender Macht.

Mohammed als andalusischer Ritter Ein eindrückliches Beispiel für die Heroisierung des Propheten im Kontext einer nationalen Ausdeutung bieten die Illustrationen der spanischen Koranübersetzung El Coran ó Biblia Mahometana, seguido de la biografia de Mahoma. Dieses Werk, das 1872 von Vicente Ortiz de la Puebla übersetzt und bei Juan Aleu y Fugarull in Barcelona herausgegeben wurde, stellt aus zwei Gründen einen Sonderfall in der westeuropäischen Beschäftigung mit dem Islam dar: Es zählt nicht nur zu den frühsten Publikationen des Korans in Spanien überhaupt, mit seinen 16 ganzseitigen Illustrationen ist es zugleich der am reichsten bebilderte Koran, der je in Europa gedruckt wurde. Die von verschiedenen Künstlern gefertigten Holzstiche, die dem Koran und der ihm angehängten Biographie des Propheten hinzugefügt wurden, zeigen nicht nur Mohammed selbst, sondern auch die ihm vorangehenden Propheten und geben Einblick in die muslimische Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Dabei ermöglichen sie dem Leser einen unmittelbaren Vergleich der Begründer der drei Buchreligionen, Moses, Jesus und Mohammed. Um die Bedeutung der Darstellungen Mohammeds und des über die Bildnisse ermöglichten Vergleiches zwischen den Religionsgründern zu erörtern, ist es notwendig, diese im Kontext der komplexen Geschichte der spanischen Auseinandersetzung mit dem Islam zu betrachten.159 Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der iberischen Geschichte und mit der Frage nach den kulturellen Wurzeln einer spanischen Identität wurde wesentlich von zwei gegensätzlichen Positionen geprägt:160 Einerseits von dem Konzept der Conviven158  Zu dem mit Napoleons Ägyptenfeldzug einsetzenden europäischen Wettstreit um das Erbe des Osmanischen Reiches vgl. Cardini (2004), S. 259–262. Die Rede vom „kranken Mann am Bosporus“ geht wohl auf ein Gespräch des russischen Zaren Nikolaus I. mit dem Fürsten von Metternich im Jahr 1852 zurück. Vgl. „Krank“, in: Trübners Deutsches Wörterbuch, gegründet v. Alfred Götze, hrsg. v. Walther Mitzka in Zusammenarbeit mit Max Gottschald u. Günther Hahn, 4. Bd., Berlin 1943, S. 257. 159  Angesichts der maurischen Vergangenheit der iberischen Halbinsel ist das spanische Verhältnis zum Islam besonders vielschichtig. Vgl. Tofiño-Quesada, Ignacio: Spanish Orientalism. Uses of the Past in Spain’s Colonization, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East, 23, 1–2, 2003, S. 141–148, hier S. 142. 160  Die Diskussion über die Bedeutung des maurischen Erbes für die Identität des christlichen Spaniens lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Vgl. Vernet Ginés, Juan: Die spanisch-arabische Kultur in Orient und Okzident, Zürich 1984, S. 30–50, 290–293. Die bekannteste diesbezügliche Auseinander-

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cia,161 demzufolge die spanische Kultur als ein Produkt der Koexistenz und des Austausches zwischen den iberischen Völkern und Religionen entstanden sei, und andererseits vom Konzept der Reconquista, welches eine dezidiert christliche und damit eine vermeintlich „europäische“ Identität beschreibt, die aus einer strikten Ablehnung muslimischer und jüdischer Elemente hervorgegangen sei. Zwar wurden beide Modelle einer spanischen Identität erst lange nach der von ihnen beschriebenen historischen Phase entwickelt, jedoch offerieren sie zwei gegensätzliche Leitlinien zur Interpretation der iberischen Geschichte, die eine Verortung des Mohammedbildes erleichtert.162 Vor dem Hintergrund der westeuropäischen Tradition der Mohammedrezeption stellt sich die Frage, ob Ortiz de la Pueblas Koranübersetzung einen speziell „spanischen“ Blick einnimmt, der einer der oben genannten Positionen zugerechnet werden kann, oder ob sich eine solche Engführung des spanischen Islambildes für dieses Beispiel als nicht zutreffend erweist? Bereits das effektheischende Titelblatt macht deutlich, dass sich El Coran an ein breites Publikum richtete (Kat. 61a, Abb. 80). Der Prophet Mohammed, der erhöht auf einer altarartigen Basis und von einem Okulus gerahmt in der Bildmitte gegeben ist, scheint im Begriff, sich von seinem Steinblock zu erheben, um sich mit kraftvoller Bewegung in Richtung des Betrachters zu stürzen. Der im 19. Jahrhundert verbreiteten Ikonographie folgend hält er in seiner Rechten ostentativ ein langes, stark gebogenes Krummsetzung war der Streit zwischen dem spanischen Philologen Américo Castro und dem Historiker Claudio Sánchez Albornoz. Während Castro die spanische Kultur als ein Produkt von Convivencia ansah, als ein historisches Amalgam der unterschiedlichen iberischen Kulturen, vertrat Sánchez Albornoz die Theorie einer ausschließlich christlich geprägten spanischen Identität. Zu diesem wissenschaftsgeschichtlichen Disput vgl. Gómez-Martínez, José L.: Américo Castro y el origen de los españoles. Historia de una polemica, Madrid 1975; Bernecker, Walther L.: Religion in Spanien, Darstellung und Daten zu Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1995, S. 49–55. 161  Das von Castro vertretene Model der Convivencia wird von der zeitgenössischen Forschung weitgehend favorisiert. Christians, Muslims, and Jews in Medieval and Early Modern Spain. Interaction and Cultural Change, hrsg. v. Mark D. Meyerson u. Edward D. English, Notre Dame (Ind.), 2000; Convivencia Jews, Muslims, and Christians in Medieval Spain, hrsg. v. Vivian B. Mann, Thomas F. Glick u. Jerrilynn D. Dodds. New York 1992; Menocal, María R.: The Ornament of the World. How Muslims, Jews, and Christians Created a Culture of Tolerance in Medieval Spain, Boston 2002; The Arts of Intimacy. Christians, Jews, and Muslims in the Making of Castilian Culture, hrsg v. Jerrilynn D. Dodds, María R. Menocal, Abigail Krasner Balbale, New Haven u. a. 2008. Für eine Zusammenfassung der Positionen vgl. Bossong, Georg: Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur, München 2007, S. 9–13. 162  Nicht nur die Idee eines rein christlichen Spaniens gilt als überholt, auch die favorisierte Vorstellung der Convivencia steht seit einiger Zeit als simplifizierendes Modell in der Kritik. Vgl. Ray, Jonathan: Beyond Tolerance and Persecution. Reassessing our Approach to Medieval Convivencia, in: Jewish Social Studies, 11, 2, 2005, S. 1–18; Soifer, Maya: Beyond „convivencia“. Critical Reflections on the Historiography of Interfaith Relations, in: Journal of Medieval Iberian Studies, 1, 1, 2009, S. 19–35. Ignacio Tofiño-Quesada beschreibt sogar eine Gleichzeitigkeit dieser konträren Ansichten. Tofiño-Quesada (2003), S. 143: „[…] Spain wanted both to exploit its Islamic past (in the image of an innate African vocation) and to efface it (in the image of the Christian nation and its missionary ambitions).“

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Abb. 80  Noe/ Floris, Holzstichtitel, aus: El Coran. Ó Biblia Mahometana […], Barcelona 1872 (Kat. 61a)

schwert, dessen Spitze auf den Buchtitel über ihm verweist, während er mit der anderen Hand ein geöffnetes Buch präsentiert, so dass durch beide Aktionen auf den vorliegenden Koran verwiesen wird. Um das Interesse möglicher Käufer anzustacheln, preist die Inschrift auf dem Sockel das Buch als „Primera edicion Española“ – was impliziert, es handle sich um die erste spanische Ausgabe des Korans überhaupt. Ähnlich wie auf dem Titelblatt des italienischen Korans von 1547 (Kat. 8, Abb. 14), der, um den Sensationswert zu steigern, vorgab, direkt aus dem Arabischen übersetzt worden zu sein, ist die Angabe auch hier nicht korrekt. Bereits 1672 erschien unter dem Titel Traducción de otra francesa del Korán die erste spanische Übersetzung, die der Conde de Oropesa nach der Vorlage von André Du Ryer gefertigt hat, und 1844 wurde in Madrid José Gerber de Robles’ Alcoran ebenfalls nach einer französischen Vorlage, diesmal von Albert Félix Ignace Kazimirski von 1840, gedruckt. Da diese beiden Übersetzungen jedoch heute äußerst rar sind und der Text des Conde de Oropesa dezidiert für den missionarischen

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Gebrauch entstand, besteht die Möglichkeit, dass der Herausgeber Aleu die vorherigen Ausgaben tatsächlich nicht kannte.163 Jedenfalls ist davon auszugehen, dass El Coran von 1872 der erste spanische Koran war, der auf eine größere Öffentlichkeit zielte und diese auch erreichte. Die durchaus innovative Intention, den Koran einem breiteren spanischen Publikum vorzustellen, wird auch in der von dem Übersetzer Vicente Ortiz de la Puebla geschriebenen Einleitung deutlich. Hier wird die Übertragung des Korans zu einer geradezu nationalen Frage erhoben, mit dessen Publikation eine „der empfindlichsten Fehlstände in unserer Literatur“ behoben werde.164 Tatsächlich taten sich die wenigen spanischen Orientalisten schwer, an die Tradition des Mittelalters anzuschließen, in der die iberische Halbinsel das europäische Zentrum für Übersetzungen aus dem Arabischen war. Männer wie Robert von Ketton aus England, der 1143 die erste lateinische Übertragung des Korans anfertigte, waren eigens nach Toledo gekommen, um dort Arabisch zu lernen und so in Latein nicht verfügbare, wissenschaftliche und philosophische Texte zu studieren.165 Zwar verschwand das Interesse an der arabischen Literatur in Spanien nie gänzlich,166 jedoch stellte die Vertreibung der muslimischen Bevölkerung in den Jahren zwischen 1609 und 1615 einen deutlichen Bruch mit dem maurischen Erbe dar. Bereits zuvor hatte die Katholisierung der iberischen Bevölkerung, die in der Inqui-

163  Die Traducción de otra francesa del Korán para uso de misioneros des Conde de Oropesa von 1672 und José Gerber de Robles’ Alcoran scheinen sehr rar zu sein. Zum ersten Text findet sich lediglich eine Angabe bei Arias Torres, der seinerseits ebenfalls nur eine Referenzquelle angeben kann. Der zweite vollständige spanische Koran von Gerber de Robles, der ebenso wie El Coran auf der Übersetzung von Kazimirski basiert, ist ebenfalls sehr selten. Weder Chauvin, Arias Torres noch Pearson waren in der Lage, ein Exemplar einzusehen. Die Recherchen des Autors in europäischen Bibliotheken waren diesbezüglich ebenfalls erfolglos. Vgl. Arias Torres (2007), S. 264; Pearson (1983), S. 519; Chauvin (1907), Bd. 10, Nr. 205. 164  El Coran ó Biblia mahometana, seguido de la biografía de Mahoma, primera versión española anotada y comentada según los más distinguidos comentadores del Corán, übers. v. Vicente Ortiz de la Puebla, Barcelona 1872, Prólogo, S. V: „¿ Qué es el Coran? ¿cómo no se ha publicado hasta hoy en España? Hed ahí las preguntas que nos habíamos hecho aun antes de conocer menos á fondo ese libro, como sin duda las habrán hecho varios de los que se encontraban en semejante caso.“ Ebd., S. VIII: „No obstante lo dicho últimamente, no pretendemos hacernos un mérito de lo poco que hayamos contribuido á ilustrar una obra tan interesante y que consideramos destinada á Ilenar uno de los vacíos mas sensible es que habia en nuestre literatura […].“ 165  Die frühsten Übersetzungen des Korans in Westeuropa wurden auf der iberischen Halbinsel gefertigt. Die erste bekannte lateinische Übersetzung stammt aus dem Jahr 1143 und wurde vom Abt von Cluny, Petrus Venerabilis, während seines Aufenthaltes in Toledo in Auftrag gegeben. José Martínez Gázquez hat sich mit der Erforschung der Entstehungsgeschichte dieser Übersetzung beschäftigt. Vgl. Martínez Gázquez, José: Trois traductions médiévales latines du Coran. Pierre Le Vénérable – Robert de Ketton, Marc de Tolède et Jean de Segobia, in: Revue des Études Latines, 80, 2002, S. 223–236. Vgl. auch Kritzeck (1964). 166  Vgl. López-Morillas (2006). Zu der Vertreibung von circa 300.000 Mauren zwischen 1609 und 1614 vgl. zuletzt Jónsson, Már: The Expulsion of the Moriscos from Spain in 1609–1614. The Destruction of an Islamic Periphery, in: Journal of Global History, 3, 2007, S. 195–212.

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sition (1478–1834) ihre institutionelle Verkörperung fand, dafür gesorgt, dass das Studium der arabischen Sprache und vor allem theologischer Schriften auf kleine Zirkel meist klerikaler Gelehrter beschränkt blieb. In der Folge entwickelte sich Spanien zu einem Land, das bezüglich orientalischer Sprachkenntnisse und des Wissens über den Islam auf ausländisches Know-how zurückgreifen musste.167 Bis zum Jahr 1945 basierten alle spanischen Korane auf französischen oder englischen Übertragungen.168 Dies gilt auch für Vicente Ortiz de la Pueblas El Coran von 1872, der sowohl hinsichtlich des Korantextes als auch der anschließenden Biographie von der französischen Fassung Kazimirskis (auch Albin de Biberstein-Kazimirski) ausgeht.169 Ebenso wie die bereits besprochene englische Prophetenbiographie von 1799 muss auch El Coran als ein dezidiert politisches Statement verstanden werden.170 Das Erscheinen des Buches fiel in eine Zeit gesellschaftlicher Umwälzungen, die von den kulturell wie militärisch ausgetragenen Kämpfen zwischen der absolutistischen Partei der Carlisten und den Republikanern geprägt war. Letztere hatten Königin Isabella II. in der Revolution von 1868 abgesetzt.171 Im Jahr 1872, als das Buch auf den Markt kam, begann ein Bürgerkrieg, bei dem die Carlisten versuchten, den zuvor von den Republikanern gewählten König Amadeo von Savoyen, den Sohn des italienischen Königs Vittorio Emanuele II., zu stürzen und an dessen Stelle Carlos María de Borbón zu instal-

167  Vgl. Vanoli, Alessandro: La Spagna delle tre culture. Ebrei, cristiani e musulmani tra storia e mito, Rom 2006, S. 241. Zum Niedergang der Arabischen Studien in Spanien vgl. auch Toomer (1996), S. 17–21. 168  El Corán. Traduccion directa del libro sagrado árabe musulmán. Con un exordio que estudia y comenta detenidamente El Corán, el Islam y a Mahomá, übers. v. Saiffudín Rahhal u. Santiago M. Peralta, Buenos Aires 1945, ist die erste moderne spanische Direktübersetzung des Korans. Vgl. Torres (2007), S. 264. 169  Der französisch- und ungarischstämmige Kazimirski war als Übersetzer der französischen Mission in Persien tätig. Le Koran, traduction nouvelle faite sur le Texte Arabe par M. Kasimirski, übers. u. komm. v. Albert (Albin) Kazimirski, Paris 1840. 170  Damit steht El Coran in einer langen Tradition, denn bereits die Publikation der ersten gedruckten Übersetzung, die Theodor Bibliander 1543 in Basel herausgab, war eine brisante politische Angelegenheit. Vgl. hierzu Kapitel 1, S. 77f. Ebenso sei die erste englische Koranübersetzung von 1649 ein „suitable text with which to attack the [puritan] Commonwealth authority“ gewesen. Vgl. Matar, Nabil: Alexander Ross and the First English Translation of the Qur’ān, in: The Muslim World, 88, 2, 1998, S. 81–92, hier S. 86. Allerdings habe die Publikation selbst wohl keinen politischen Zweck verfolgt, sondern sei lediglich auf Profit ausgelegt gewesen. Vgl. Malcolm, Noel: The 1649 English Translation of the Koran. Its Origins and Significance, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 75, 2012, S. 261-295; Feingold, Mordechai: „The Turkish Alcoran“. New Light on the 1649 English Translation of the Koran, in: Huntington Library Quarterly, 75, 4, 2012, S. 475–501. Feingold legt zudem überzeugend dar, dass Alexander Ross, der Autor der Einleitung zum englischen Koran, nicht, wie bisher angenommen, der Übersetzer und Herausgeber des Buches war, sondern Thomas Ross, ein Verwandter von Alexander. 171  Vgl. Tuñón de Lara, Manuel: La España del siglo XIX., Bd. 1: De las Cortes de Cádiz a la Primera República, Barcelona 61975, S. 315–17.

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lieren.172 Während die von Papst Pius IX. unterstützten Carlisten weiter den Ideen der 1834 offiziell abgeschafften Inquisition anhingen und ein streng katholisches Spanien propagierten, waren die Republikaner in unterschiedliche Lager geteilt, die sich jedoch alle weit weniger für einen staatlich diktierten Glauben einsetzten und mehrheitlich den Prinzipien der Aufklärung folgten, deren philosophische Konzepte aus Frankreich kamen. Allein die Tatsache, dass es sich bei El Coran um eine publikumsorientierte Koranausgabe nach einer französischen Übersetzung handelt, legt nahe, das Buch als Statement für eine liberale Religionsauffassung zu sehen. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass eine solche Publikation lange Zeit von der katholischen Kirche verboten war, was auch dazu führte, dass moderne volkssprachliche Übersetzungen in katholischen Ländern, so etwa in Italien 1847 und Polen 1858, vergleichsweise spät erschienen.173 Auch wenn El Coran eine Besonderheit auf dem spanischen Buchmarkt darstellte, so lag das spezifisch Neue weniger in dem Text als vielmehr in den Darstellungen Mohammeds in den zahlreichen Holzstichen. Die Illustrierung des Buches wurde von dem spanischen Künstler Ramón Puiggari (1820–1894) geleitet, der in Paris studiert hatte und dort als Illustrator und Maler tätig gewesen war. Politisch unterstützte Puiggari nach der Revolution von 1868 als Illustrator und Karikaturist die republikanische

172  Der dritte spanische Bürgerkrieg endete mit der Niederlage der Carlisten und der Exilierung des Thronprätendenten Carlos VII. im Jahr 1876. 173  Außerhalb der katholischen Länder und in Frankreich waren Koranübersetzungen in unterschiedlichen Volkssprachen und Ausgaben bereits im 17. Jahrhundert verfügbar. Die ersten modernen italienischen und polnischen Übersetzungen waren: Il Corano.Versione Italiana […] con commenti, ed una noticia biografica di Maometto, übers. v. Vincenzo Calza, Bastia 1847; und Koran (Al-Koran), z arabskiego przeklad Polski […], übers. v. Jan M. T. Buczacki u. Wladyslaw Kościuszko, Posen 1858. Vgl. Salierno, Vito: Le edizioni italiane del „Corano“, in: L’Esopo. Rivista trimestrale di Bibliofilia, 13, 4, 1982, S. 29–38. Ma’Ayergi, Hassan: History of Translations of the Meanings of the Holy Qur’an into the Polish Language, in: Journal of Muslim Minority Affairs, 7, 2, 1986, S. 538–546, hier S. 542–544. Die vorherige italienische Übersetzung, die bei Andrea Arrivabene 1547 in Venedig gedruckt wurde, erlebte in Form weiterer Übertragungen lediglich in protestantischen Ländern eine größere Verbreitung, da sie von der katholischen Kirche 1564 verboten wurde. Vgl. De Frede (1967), S. 42. Das erste Verbot im römischen Index Librorum Prohibitorum betraf lediglich den Basler Koran von 1543. Einige Jahre wurden auch andere Ausgaben gelistet und unter Papst Alexander VII. (1655–1667) wurden generell alle Texte der islamischen Religion verboten. Vgl. Index des Livres Interdits. Index de Rome 1557, 1559, 1564, les premiers index romains et l’index du Concile de Trente, hrsg. v. Jesús M. de Bujanda, René Davignon u. Ela Stanek, Québec/Genf 1990, Bd. 8, S. 720, 825; Reusch, Franz H.: Der Index der verbotenen Bücher. Ein Beitrag zur Kirchen- und Literaturgeschichte, Bonn 1883, Bd. 1, S. 137–138. Die letzte Bestätigung dieses Verbotes findet sich in den Decreta Generalia (I, 11) von Papst Benedikt XIV. (1740–1758), die sich gegen „Instructionum et Rituum sectae Mahometanae libri omnes“ richten, publiziert z. B. in Catalogue des Ouvrages mis à l’index, Paris 1825, S. LVI. Die Decreta Generalia waren bis 1917 gültig, als sie durch den Codex Iuris Canonici (Can. 1385–1405) Benedikts XV. abgelöst wurden, in dem sich kein konkretes Verbot des Korans mehr findet.

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Bewegung.174 Bei der Arbeit an den Koranillustrationen stand er einem Team von acht Graphikern vor, von denen die meisten heute unbekannt sind. Die Bilder, die in der Holzstichtechnik hergestellt wurden, dem zu dieser Zeit günstigsten Verfahren zur Illustrierung eines Buches, beeindrucken mehr durch ihre Quantität als durch ihre Qualität. Viele der Bilder sind recht grob ausgeführt und zeigen wenig Interesse an künstlerischer Gestaltung. Dennoch erfüllen die Graphiken eine wichtige Funktion, denn sie passen den Inhalt des französischen Buches dem spanischen Markt an und bieten zugleich unterschiedliche Lesarten, die über die Darstellung des Textes hinausgehen. Mohammed erscheint auf dem Titelblatt und in vier weiteren Stichen, wobei jeder einen anderen Aspekt seines vermeintlichen Charakters, seiner religiösen und auch privaten Person anschaulich macht. Neben einem ganzfigurigen Bildnis des Propheten, auf das später eingegangen wird, finden sich im Buch drei Darstellungen biographischer Episoden, von denen zwei von besonderem Interesse sind, da sie eigenständige Interpretationen der koranischen Verse leisten, auf die sie sich beziehen. Die erste Graphik El viaje nocturne wurde von Ramón Puiggari selbst entworfen und von einem Mann namens Moracho gestochen. Sie zeigt die Himmelsreise Mohammeds (al-mi‘rāğ), die nach islamischer Überlieferung einen Schlüsselmoment im Leben des Propheten darstellt (Kat. 61b, Abb. 81).175 Wie im Koran berichtet wird, führte die nächtliche Reise den Propheten von Mekka nach Jerusalem und dort vom Tempelberg in den Himmel.176 Am Beginn der Sure („Capitulo“) zeigt das Bild den Propheten auf dem Rücken des fliegenden Reittieres Burāq. Mohammed hat, geleitet von dem Erzengel Gabriel, der mit neun Flügelpaaren in der linken oberen Ecke des Bildes erscheint,177 auf seinem mythischen Reittier bereits die irdische Sphäre hinter sich gelassen und steigt weiter gen Himmel auf. Wie bereits im Tableau d’Ohssons (Kat. 44b, Abb. 74) rekurriert die Darstellung auf die in der islamischen Kunst verbreitete Ikonographie der Himmelsreise des Propheten. Im Gegensatz zum Illustrator des Tableau, der sich darum bemühte, den Charakter seiner islamischen Bildvorlage möglichst getreu wiederzugeben, versah Puiggari seine Komposition jedoch mit einem sarkastischen Unterton. Damit untergräbt das Bild den religiösen Ernst dieser Überlieferung und steht auch in Kontrast zu dem von Kazi174  Vgl. Ráfols, José F.: Diccionario biográfico de artistas de Cataluña desde la época romana hasta nuestros dias, Bd. 2, Barcelona 1954, S. 388; Casado Cimiano, Pedro: Diccionario biográfico de ilustradores espaňoles del siglo XIX, Madrid 2006, S. 163–164; Cien años de pintura Espana y Portugal (1830–1930), hrsg. v. Arnáiz José M. u. a., Madrid 1992, Bd. 8, S. 346–351. 175  Bezüglich der literarischen und künstlerischen Tradition der Darstellung der mi‘rāğ im Islam vgl. Gruber (2010a); Dies. (2008); Dies. (2010b); Knappert, Jan: ‚Mi‘rād- j‘, in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/miradj-COM_0746 (26. 01. 2014); Robinson, Basil W.: The Mi‘rād- j‘ in Islamic art, in: Ebd. 176  Sure 17,1–60. 177  Die für die christliche Tradition ungewöhnliche Darstellung des Engels mit derart zahlreichen Flügeln spielt wahrscheinlich auf die im Buch befindliche Anmerkung an, dass Gabriel laut den islamischen Kommentatoren des Korans (etwa bei Tabarī) . 600 Flügel habe. El Coran (1872), S. 417.

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Abb. 81  Ramón Puiggari (inv.)/Moracho (sculp.), „El viaje nocturno“, aus: El Coran. Ó Biblia Mahometana […], Barcelona 1872, S. 256 (Kat. 61b)

mirski verfassten Kommentar zu dieser Sure. Der Autor weist in seinem neutralen Bericht der Himmelsreise lediglich darauf hin, dass es unter den muslimischen Gelehrten umstritten sei, ob es sich um einen faktisch körperlichen Aufstieg des Propheten oder um eine spirituelle Reise zu Gott gehandelt habe.178 Im Bild erinnern bereits Mohammeds Gewand und sein mit einer Halbmondbrosche versehener Turban mehr an die Mohammedfiguren des französischen Theaters als an islamische Vorbilder.179 Die 178  El Coran (1872), S. 265. 179  Die Figur erinnert stark an die Kostüme der Schauspieler von Voltaires Tragödie Mahomet, o le Fa­ natisme. Vgl. Kapitel 4, S. 207f., 210. Die Aufführungen wurden in Stichen festgehalten, welche Moham-

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Theatralität und der satirische Zug werden zudem von Mohammeds lapidarer Geste, sich mit der Hand vor dem ihn blendenden göttlichen Licht zu schützen, wie durch die merkwürdige Darstellung Burāqs zugespitzt. Bereits die gewöhnliche Gestalt des Wesens, das den menschlichen Kopf einer Frau, den Körper eines Pferdes und den Schwanz eines Pfaus hat, wie von dem Kommentar zu dieser Sure und auch von einem Teil der islamischen Überlieferung bestätigt wird,180 veranlasste die westlichen Autoren dazu, den Bericht in Zweifel zu ziehen und dabei etwa Horaz’ Chimäre als ein Vergleichsbeispiel für künstlerische Produktionen heranzuziehen, denen es an Kohärenz und innerer Logik mangle.181 Ein ähnliches Fabelwesen, das vielleicht sogar als ein unmittelbarer Antitypus zu Burāq konzipiert wurde, findet sich in Dantes Beschreibung des Höllenwächters Geryon. Abweichend von antiken und mittelalterlichen Überlieferungen, die Geryon als einen Riesen mit drei menschlichen Oberkörpern beschreiben, setzt sich das fliegende Monstrum bei Dante aus einem menschlichen Kopf und den Teilen verschiedener Tiere (Schlange, Skorpion und löwenähnliches Raubtier) zusammen. Diametral zum Himmelsflug Burāqs trägt Geryon, der als Sinnbild der Täuschung „imago di froda“ beschrieben wird, den Dichter jedoch in den achten Zirkel der Hölle, den der Betrüger.182 Der med meist mit einem Turban zeigen, der von einem Halbmond und einer mit Feder bestückten Agraffe (sorguç) geschmückt ist. So etwa auf dem Frontispiz der englischen Übersetzung von 1766 (Kat. 40). 180  In den frühsten islamischen Quellen wird al-Burāq als von Pferdegestalt und einer Größe zwischen Maultier und Esel beschrieben. In späteren Quellen erscheint das Reittier als ein phantastischeres Wesen, das aus den Körperteilen verschiedener Tiere zusammengesetzt ist. Diese jüngere Konzeption wurde in der Forschung auf den Einfluss bildender Künstler zurückgeführt, die sich an Modellen wie der ägyptischen Sphinx orientiert hätten. Vgl. Arnold (1965), S. 117–122; Paret, Rudi: „al-Burāk“, . in: The Encyclopaedia of Islam, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-2/al-burakSIM_1527; Gruber, Christane J.: „al-Burāq“, in: Encyclopaedia of Islam, Three, hrsg. v. Gudrun Krämer u. a., Online-Version, http://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-of-islam-3/al-buraqCOM_24366, beide (26. 01. 2014). Gruber konnte jedoch zeigen, dass die Beschreibungen Burāqs als ein Mischwesen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zurückverfolgt werden können und damit zeitlich vor den ersten bekannten bildlichen Darstellungen dieser Gestalt liegen. Vgl. auch Gruber (2010a), S. 78. 181  Zu Peter von Clunys Verwendung der Chimären-Metapher aus Horaz vgl. Cahn (2002), S. 51–60; Tolan (2002), S. 158. Bezeichnenderweise lässt Peter von Cluny in seinem Zitat aus der Ars Poetica (vv. 1–5) den Fischkörper der Chimäre unerwähnt, wodurch eine größere Übereinstimmung zur Gestalt Burāqs gegeben ist. Petrus Venerabilis: Summa totius haeresis, in: Patrologiae cursus completus, vol. 189, Petri Venerabilis abbatis Cluniacensis noni opera omnia […], hrsg. v. Jacques-Paul Migne, Paris 1954, S. 655: „Et sic undique monstruosus, ut ille ait, humano capiti cervicem equinam et plumas avium copulat.“ 182  Vgl. Dante (1822), Inferno, Canto XVIII, Verse 7–27, S. 361–363. In Anbetracht der Diskussion über Dantes Kenntnis der islamischen mi῾rāğ-Literatur und ihres „Einflusses“ auf die Divina Commedia erscheint dieser Vergleich umso aussagekräftiger. Wie schon die Geschichte von Mohammeds zur Strafe für sein Schisma gespaltenem Brustkorb (Inferno, Canto 28), die von dem Kommentator des venezianischen Korans von 1547 mit der wundersamen Herzwaschung des Propheten in Zusammenhang gesehen wurde (s. Kap. 1), erscheint auch das Geryon-Motiv aus Dantes Höllenwanderung wie eine bewusste Inversion der islamischen Überlieferung von Mohammeds Himmelsreise. Zu der erstmals 1919 von

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Vorwurf, ein Sinnbild des Betrugs zu sein, wurde auf der iberischen Halbinsel spätestens seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts auch auf Muhammeds himmlisches Reittier übertragen. In diffamierender Weise wurden zum Christentum bekehrte Juden als „alboraycos“ bezeichnet. Sie seien, wie ihr Namensgeber al-Burāq, keine reinen Wesen, sondern lediglich eine Mischung aus Christ und Jude, aus Mensch und Tier, die ihre hybride Vielgestalt dazu nutzten, ihre jeweiligen Gesprächspartner über ihre wahre Natur zu täuschen.183 Die ohnedies schon verstörende und in der spanischen Tradition negativ konnotierte Gestalt von Mohammeds Reittier wurde von Puiggari noch durch die Hinzufügung weiblicher Brüste verschärft, womit er der Darstellung nicht nur eine sexuelle Komponente gab, sondern die Erscheinung Burāqs zugleich den negativen Figuren der Sirenen und Harpyen anglich. Für eine derartige Verbindung kann ein Wandfresko im Salone terreno im Palazzo Pitti in Florenz angeführt werden. In der von Giovanni da San Giovanni 1635–1636 gemalten „Zerstörung des Parnass durch Chronos und Mohammed“ erscheint der schwertschwingende Prophet, wie er auf einer Harpye stehend durch die Lüfte fliegt (Abb. 82).184 Ein weiterer Holzschnitt mit dem Titel „Mahoma y una de sus mujeres“ scheint einen Einblick in Mohammeds Privatleben zu geben (Kat. 61c, Abb. 83). Nicht nur das hier noch kostbarer ornamentierte Gewand des Propheten ist ein Spiegel der europäischen Orientfaszination, der Hufeisenbogen an der hinteren Wand des Palastgartens stellt zudem eine explizite Referenz auf die maurische Architektur dar, wie sie sich etwa in der Alhambra in Granada und in vielen Gebäuden in Al-Andalus erhalten hat. Der vom Bild vermittelte Orient erhält durch dieses Architekturzitat eine spezifisch lokale Färbung, wodurch der Eindruck entsteht, die Szene hätte sich auch auf der iberischen Halbinsel selbst zutragen können. Die so erzielte Verschmelzung von Orientphantasie

Miguel Asín Palacios aufgeworfenen und von der Wissenschaft noch heute diskutierten Frage einer Inspiration der Divina Commedia durch die mi῾rāğ-Literatur vgl. Werner, Edeltraud: Die Jenseitsreise Mohammeds. Liber scale Machometi. Kitāb al-mi‘rāj, Hildesheim u. a. 2007, S. 9–11, 19–21. Jedenfalls waren die Motive der Himmelfahrt des Propheten durch Übersetzungen wie etwa den Liber Scale Machometi, der wie der Koran ebenfalls ein Teil des Corpus Toletanum war, in Europa verbreitet und „gehörten damals mehr oder weniger zum allgemeinen Bildungs- und Wissensgut der Zeit, welches auf einem umfassenden kulturellen Austausch zwischen der arabischen Welt, Spanien und Italien im 12. und 13. Jahrhundert beruhte.“ Ebd., S. 19. Zur Inversion von Motiven der islamischen mi῾rağnāma-Tradition durch die christliche Polemik vgl. auch Coffey, Heather M.: Contesting the Eschaton in Medieval Iberia. The Polemical Intersection of Beatus of Liébana’s Commentary on the Apocalypse and the Prophet’s „Mi῾rājnāma“, in: Gruber/Colby (2010), S. 97–137. 183  Gitlitz, David M.: Hybrid Conversos in the „Libro llamado el Alboraique“, in: Hispanic Review, 60, 1, 1992, S. 1–17, hier S. 6–10. 184  Zum Programm des Freskenzyklus vgl. Roettgen, Steffi: Wandmalerei in Italien. Barock und Aufklärung 1600–1800, München 2007, S. 160–161, Tafel 55 oben.

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Abb. 82  Giovanni da San Giovanni, Chronos und Mohammed zerstören den Parnass, Florenz, Palazzo Pitti, Salone terreno, um 1633

und maurischem Spanien ist keineswegs untypisch und findet zahlreiche Entsprechungen in der zeitgenössischen europäischen Literatur, die ebenfalls verkündet, dass der Orient westlich der Pyrenäen beginne.185 In diesem Fall sind die Text-Bild-Relationen besonders interessant. Denn einerseits ist der Text notwendig, um die Darstellung, für die keine Vorlagen bekannt sind, überhaupt zu verstehen, andererseits ermöglicht das Bild eine differenzierte Auslegung

185  Vgl. Colmeiro, José F.: Exorcising Exoticism. „Carmen“ and the Construction of Oriental Spain, in: Comparative Literature, 54, 2, 2002, S. 127–144, hier S. 130. Es waren französische und englische Autoren, die um 1800 begannen, den Orient nicht mehr nur im Osmanischen Reich, sondern auch an den westlichen Grenzen Europas, in Spanien zu suchen. Vgl. Scholz, Piotr O.: Zwischen abendländischer Imitation und morgenländischer Imagination. Illustrationen zu den Erzählungen aus „1001 Nacht“. Eine Skizze, in: Imitatio. Von der Produktivität künstlerischer Anspielungen und Missverständnisse, hrsg. v. Paul von Naredi-Rainer, Berlin 2001, S. 177–217. Patricia Grieve nimmt an, dass gerade diese Begeisterung für den Orient den spanischen Gelehrten als Legitimation zur Erforschung des maurischen Erbes diente. Vgl. Grieve, Patricia E.: The Eve of Spain. Myths of Origins in the History of Christian, Muslim, and Jewish Conflict, Baltimore 2009, S. 223–224.

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Abb. 83  Ramón Puiggari (inv.)/Floris (sculp.), „Mahoma y una de sus mujeres“, aus: El Coran. Ó Biblia Mahometana […], Barcelona 1872, S. 333 (Kat. 61b)

des Textes. Der Holzstich bezieht sich auf den Kommentar zu Sure 24 (Das Licht), in dem über Mohammeds Lieblingsfrau Aischa berichtet wird. Aischa sei während eines Feldzuges versehentlich zurückgelassen worden und habe erst am Morgen des nächsten Tages dank der Eskorte eines jungen Arabers wieder zur Truppe des Propheten aufschließen können.186 Mohammed habe wegen kursierender Gerüchte zunächst an der ehelichen Treue seiner Frau gezweifelt. Schließlich entschied sich die nun öffentliche Angelegenheit doch zu Aischas Gunsten, denn eine göttliche Offenbarung, die der Prophet zu dieser Zeit empfing, entlastete nicht nur Aischa, sondern stärkte zugleich die Rechte aller verheirateten Frauen gegen den Vorwurf des Ehebruchs.187 In Puiggaris Fassung erscheint die Szene allgemeinerer Natur. Da er das Geschehen in einen Palast verlegt und es vermeidet, die Frau bis auf ihren sichtbaren Altersunterschied zu Mohammed näher zu identifizieren, entsteht der Eindruck einer beinah alltäglichen Szene. Mohammed ist in einem Moment des Zweifels dargestellt, während er die Rede seiner Frau anhört, die ihrerseits wohl gerade ihre vorherige Abwesenheit zu 186  El Coran (1872), S. 333. 187  Ebd., S. 326–27; Suren 24, 4–9; 24, 11; 24, 23–25.

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erklären versucht. Auch hier kreiert Puiggari eine szenische Ambiguität, die Zweifel an Aischas Unschuld und somit an Mohammeds Autorität aufkommen lässt. Über Aischas Kopf befindet sich ein Papagei, ein Vogel, der in der europäischen Kunst als ein Symbol für leere Rede, Sinnlichkeit und Lust gilt, weshalb er oft gemeinsam mit Frauen von freizügiger Moral dargestellt wird.188 Während sich Kazimirski in seinem Kommentar zu der genannten Sure einer Wertung enthält, schafft Puiggari ein fragwürdiges, geradezu negatives Bild von dieser Episode. Zwar vermeidet er eine eindeutige und plakative Diffamierung, jedoch untergräbt er die Ernsthaftigkeit und Würde der dargestellten Szenen, indem er die alltäglichen menschlichen Schwächen ihrer Protaginsten in den Blick rückt. Das dritte Bild von Mohammed betont ebenfalls dessen irdisches Wirken, erscheint dabei aber frei von ironischen Zügen. Es ist Teil der Sure 47, die mit Mahoma nach dem Propheten selbst benannt ist (Kat. 61d, Abb. 84). Diese Graphik ist von besonderer Bedeutung, da sie als ganzfiguriges Bildnis in einer Reihe mit Porträts von „Moisés“ und „Jesús“ steht (Abb. 85, 86). Auf den ersten Blick scheint es, als würden die drei Religionsgründer als gleichwertig präsentiert. Ein unmittelbarer Vergleich wird jedoch schon durch den Abstand erschwert, der die Bildnisse innerhalb des Buches voneinander 188  Dittrich/Dittrich (2005), S. 323. Ein sprechendes zeitgenössisches Bildbeispiel ist etwa Gustave Courbets Ölgemälde „Frau mit Papagei“ von 1866 in der Hamburger Kunsthalle.

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Abb. 84  Moracho, „Mahoma“, aus: El Coran. Ó Biblia Mahometana […], Barcelona 1872, S. 491 (Kat. 61c) Abb. 85  „Moisés“, aus: El Corán ó Biblia mahometana […], Barcelona 1872, S. 16 Abb. 86  „Jesús“, aus: El Corán ó Biblia mahometana […], Barcelona 1872, S. 62

trennt: Während Moses und Jesus auf den Seiten 16 und 62 noch recht nahe beieinander figurieren, befindet sich das Porträt Mohammeds erst gegen Ende des Buches, auf Seite  492.189 Es ist aber nicht nur der räumliche Abstand der Bilder, sondern es sind die Darstellungen selbst, die eine Differenz zwischen Mohammed und seinen Vorgängern markieren. Der offensichtlichste Unterschied ist, dass der Prophet, wie schon auf dem Titelblatt, ein Schwert in der Hand hält, während Moses und Jesus unbewaffnet sind. Diese erneute Darstellung des Schwertes steht in Bezug zum Inhalt von Sure 47, deren 189  Interessanterweise endet die Biographie Mohammeds auf Seite 666 und mit ihr auch die Paginierung des Buches. Dies kann ein Zufall sein, aber auch als Anspielung auf die mittelalterliche Apologetik in Spanien gelesen werden. In der von einem unbekannten Autor verfassten Chronica Muzarabica ad annum 754 wird fälschlicherweise das Todesjahr des Propheten mit dem Jahr 666 angegeben – eine Zahl, die mit dem apokalyptischen Tier und dem Antichrist in Verbindung steht. Vgl. Di Cesare (2012), S. 12, 14; Reeves, Marjorie: „Dragon of Apocalypse“, in: A Dictionary of Biblical Traditions in English Literature, hrsg. v. David L. Jeffrey, Grand Rapids 1992, S. 210–213. In der Nachfolge behaupteten verschiedene christliche Autoren, aus der gematrischen Deutung des Namens ergebe sich die Zahl 666. Vgl. Almond (1989), S. 7; Hammerbeck (2003), S. 5; Quinn (2008), S. 27. Auch Alexander Ross geht in seinem Vergleich Mohammeds mit „anderen Häretikern“ auf diese Tradition ein. Ross (1655), S. 166: „Besides, the number of the beast 666 is found in Mahomet’s name, and so it is found in divers other names.“ – Die Darstellung Mohammeds in El Coran bietet jedoch darüber hinaus keine weiteren Anzeichen, die eine mögliche Identifizierung mit dem Antichrist nahelegen.

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Verse als die geeignetsten für die Legitimation eines Heiligen Krieges gelten.190 Auch wenn Mohammed das Schwert hier auf eine weniger aggressive Weise hält als auf dem Titelblatt, scheint eine solche Darstellung gerade im Vergleich mit den beiden anderen Bildnissen dazu geeignet, das Vorurteil vom Islam als einer auf Gewalt basierenden Religion heraufzubeschwören.191 Ein weiterer Unterschied zwischen den Religionsgründern ergibt sich aus den sie umgebenden Landschaften. Während Moses und Jesus von einem Berg herabsteigen, steht Mohammed in einer felsigen Wüstenlandschaft. Dabei ist er in leichter Aufsicht gegeben und sein Blick ist zum Himmel gewandt. Als Sequenz betrachtet scheinen die Bildnisse einen fortschreitenden Abstieg der Figuren anzuzeigen. Moses, der auf einem Gipfel steht und eine Geste vollführt, welche die Handhaltungen der beiden zentralen Figuren, Platon und Aristoteles, in Raphaels berühmter „Schule von Athen“ (1511) und damit die Sphären von Himmel und Erde zu verbinden scheint, ist der Einzige der Porträtierten, dessen Darstellung durch die von seinem Haupt ausgehenden Strahlen eine metaphysische Qualität veranschaulicht. Eine mögliche Inspiration für dieses Blatt könnte Gustave Dorés Darstellung des vom Berg Sinai herabsteigenden Moses aus der Serie seiner Bibelillustrationen von 1866 gewesen sein. Allerdings fehlen Moses in der künstlerisch sehr viel bescheideneren Ausführung des Korans die Gesetzestafeln. Außerdem scheint dem Künstler wenig daran gelegen zu haben, wie Doré etwa mit Blitzen im Himmel und wallenden Gewändern die Dramatik und transzendente Qualität des Momentes zu betonen. Jesus erscheint nicht auf einem Gipfel, sondern auf einem Gebirgsplateau und ist, wie die Silhouette der Stadt im Hintergrund zeigt, damit wohl auch näher an den Orten menschlicher Zivilisation. Interessanterweise hat Jesus hier keinen Nimbus oder andere Zeichen der Heiligkeit, sondern erscheint ganz als Mensch. Lediglich der spitze Strahlenkranz der am Horizont hinter der Stadtvedute stehenden Sonne verleiht der Szenerie den Eindruck von Erhabenheit. Von den beiden anderen Propheten unterscheidet Jesus sich am deutlichsten durch den Gestus seiner geöffneten Arme, die wohl als Zeichen für seine Friedfertigkeit und Opferbereitschaft stehen sollen. Im Vergleich der Bildnisse wirkt es, als sei der Abstieg zur Zivilisation bei Mohammed schließlich vollzogen und er gänzlich in weltliche Dinge involviert. Dies wird insbesondere durch seine Kleidung deutlich, denn im Gegensatz zu den simplen Tuniken seiner Vorgänger ist Mohammed in ein elegantes Obergewand und gepanzerte Stiefel gekleidet. Seine Rüstung und die neben ihm sichtbare Zeltbahn lassen vermuten, dass er sich mitten in einem Feldzug befindet. Trotz der zahlreichen Differenzen zwischen den Prophetenbildnissen, in deren Vergleich die spirituelle Qualität Mohammeds zu Gunsten seiner weltlichen Involvierung abgewertet wird, lässt das Bild für sich genommen keine negative Deutung zu: 190  Vgl. Firestone (1999), S. 90. 191  Zu dem auch heute noch gänigen Vorurteil, der Islam sei eine auf Gewalt basierende Religion. Vgl. Pailin (1989), S. 37.

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Mohammed erscheint als ein Ritter und Edelmann, der Gott anruft. Die Tendenz der in den Bildern bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzenden Verklärung des Prophetenbildes durch seine Einbindung in eine natürliche Landschaft ist hier ebenfalls spürbar. Bei Thomas Carlyle erscheint Mohammed unmittelbar durch die ihn umgebende Natur inspiriert und in den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts nahm die arabische Sandwüste eine bedeutende Rolle ein. Die europäischen Autoren fanden in dem ariden Klima nicht nur eine Erklärung für das „glühende Temperament“ und den den Arabern unterstellten Hang zum Aberglauben, sie trachteten auch danach, die Person Mohammeds und die gesamte muslimische Religion aus den geographischen und klimatischen Bedingungen der arabischen Halbinsel zu erklären.192 So wurde Mohammed ein Produkt der Landschaft: ein „wilder Sohn“193 oder sogar ein „Gigant der Wüste“194. Seine robuste körperliche Konstitution begründete der Historiker Andrew Crichton etwa mit der „harten Schule der Wüste“195 und sein heroisch-enthusiastischer Charakter bildete sich nach Carlyle an der „weiten Ödnis des sandigen Horizonts“196. Aber der Einbezug der Landschaft in die Betrachtung der islamischen, arabischen Kultur diente nicht nur der Romantisierung. Die Historiker und Forscher wollten die kulturellen Phänomene auch in ihrem jeweiligen geographischen Kontext verstehen. Lobend führt etwa Crichton in seiner History of Arabia an, dass die Forscher den 192  Damit standen sie in der Nachfolge antiker Autoren wie Ptolemäus und Hippokrates, die den Charakter der unterschiedlichen Völker ebenfalls auf die klimatischen Bedingungen zurückführten. Dabei kamen die Autoren der Aufklärung, obwohl sie von denselben Bedingungen ausgingen, jedoch zu gegensätzlichen Ergebnissen. Während etwa Boulainvilliers behauptet, dass das heiße, trockene und gleichbleibende Klima Arabiens die menschlichen Instinkte beruhige und den Körper stärke, sieht Prideaux im selben Klima den Grund für das angeblich feurige und lüsterne Temperament der Einwohner. Vgl. Prideaux (31698), S. 112; Boulainvilliers (21731), S. 39. Die meisten Autoren folgten jedoch der Vorstellung Prideauxs, „that the effect of the hot climate on an individual’s physiological development lead to, in Arabs, an over-active imagination, an over-passionate nature, and a susceptibility to sexual arousal“, Hammerbeck (2003), S. 11. Ebenfalls uneinig waren sich die Autoren über die Frage, ob das Leben in der Wüste monotheistische Vorstellungen fördere oder doch eher den Aberglauben begünstige. Vgl. Renan, Ernest: Studies of Religious History, London 1893, S. 47: „In the Arab or Semitic conception, Nature does not live – the desert is monotheistic.“ Ganz anders hingegen Irving, Washington: Mahomet and His Successors, New York 1868, Bd. 1, S. 43: „The vast solitudes of the desert, in which that wandering people pass so much of their lives, are prone to engender superstitious fancies […].“ Ebenso Mills (1818), S. 4–5: „The worship of the sun, moon, and fixed stars […] was a system naturally formed and adopted by a people, who in travelling through immense deserts, contemplated […] the motions of the heavenly bodies.“ 193  Carlyle (1841), S. 77. Einer der ersten Texte, der einen unmittelbaren Bezug zwischen Mohammeds Inspiration und der Wahrnehmung der Natur herstellt, ist Mahomets Traum in der Wüste der Dichterin Karoline von Günderode aus dem Jahr 1804. Später finden sich auch in der wissenschaftlichen Literatur ganze Passagen über den Einfluss der Wüste auf Mohammed. Vgl. Grant, George M.: The Religions of the World, London u. a. 1895, S. 17–18. 194  Irving (1868), S. 29. 195  Crichton (1834), Bd. 1, S. 204 („hardy nutriment of the desert“). 196  Carlyle (1841), S. 54 („wide waste horizon of sand“).

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Charakter der nomadischen Beduinen in deren eigenen Wüsten studiert hätten.197 Auch in der Darstellung des Graphikers Moracho leistet der Wüstenhorizont einen wesentlichen Beitrag zur Stimmung des Bildes. Mohammed, der sich, wie schon auf dem Titelblatt, in Richtung des Betrachters bewegt, wird von der ihn umgebenden Felsenlandschaft eingefasst. Seine erhobene Hand und sein Blick in den nächtlichen Himmel reichen über die Zone des auf der Höhe der Schultern des Propheten horizontal verlaufenden Wolkenbandes hinaus. Die Anrufung des Himmels wird noch dadurch akzentuiert, dass die Schraffuren in der unteren Bildhälfte durchweg geradlinig verlaufen, der Nachthimmel über dem Haupt des Propheten sich durch die hier wellige Linienführung aber visuell geradezu verflüssigt. Das Bild von Mohammed als einem edlen Streiter der Wüste spiegelt die zeitgenössische Vorliebe des Publikums für mittelalterliche Rittergeschichten wieder und korrespondiert mit der Sichtweise des spanischen Orientalisten José Antonio Conde (1766– 1820).198 Conde, der Mohammed bereits vor Carlyle als historischen Helden und als Genie bezeichnet hat,199 gab in seiner Historia de la Dominación de los Árabes en España von 1820–1821 eine kurze, aber signifikante Beschreibung des Propheten: Durch sein Genie, durch Mut und Politik gelang es ihm, nicht ohne große Schwierigkeiten, seine neue Sekte von den Stämmen seines Volkes anerkennen zu lassen, und solle nun noch jemand an der heroischen Größe und Beflissenheit seines Gemütes zweifeln, dann fragt ihn nach den Schlachtfeldern von Honain, Badr und Ohod.200 Mohammeds Charakterisierung als von „heroischer Größe und Beflissenheit“ war innovativ – sowohl im europäischen Kontext als auch besonders in Spanien. Dabei fällt auf, dass Conde, anders als Gibbon und später Carlyle, das Genie Mohammeds gerade an seinen kriegerischen Erfolgen festmacht. Die Hervorhebung seiner militärischen Qualitäten entspricht der Tradition der frühesten islamischen Quellen zu Mohammed, die

197  Vgl. Crichton (1834), Bd. 1, S. VI. 198  Die im frühen 19. Jahrhundert in England einsetzende Faszination für mittelalterliche Rittergeschichten setzte sich auch in Spanien durch. 199  Fück (1962), S. 303–304. Condes Arbeit fand in Spanien weniger Anklang als im Rest Europas, wohl nicht zuletzt weil er ein afrancesado war und das Regime unter Napoleon Bonaparte unterstützt hatte. Jedenfalls scheint es naheliegend, dass Ramón Puiggari Condes Text kannte, da er eine Illustration für die Ausgabe des Buches von 1844 fertigte. 200  Conde, José A. D.: Historia de la dominacion de los Arabes en España, sacada de varios Manuscritos y memorias arábigas. Nueva Edicion […] [1820–1821], 3. Bde., Barcelona 1844, Bd. 1, S. 33: „Era Mahomad de la cabila de Coraix, una de las mas illustres tribus de Arabia, y de la familia mas noble y principal de alle. Con su ingenio, valor y politica acreditò, no sin graves dificultades, entre sus gentes su nueva secta: si alguna duda de su heróico valor y esforzado ánimo, pregúntelo á los campos Honain, de Bedre y de Ohod.“ (Ü. d. A.)

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Abb. 87  Federico de Madrazo y Kuntz, Pelayo, 1842, Privatbesitz

von seinen Feldzügen (al-maġāzī) berichten,201 zugleich kann dieses Lob aber auch in Bezug zur spanischen Vergangenheit gesehen werden. Da die Bedeutung des Kampfes mit den Muslimen in der spanischen Geschichtsschreibung oft hervorgehoben wurde, kann das Bild vom Propheten als nobler Ritter als islamisches Gegenstück zu den christlichen Helden der Reconquista verstanden werden. Eine Kultfigur der Reconquista ist der asturische König Pelayo, der als mythenumwobener Initiator des christlichen Freiheitskampfes zugleich als Gründerfigur der spanischen Nation stilisiert wurde.202 Ein Vergleich zwischen dem 1842 von dem spa201  Die erste Quelle zu den Feldzügen Mohammeds ist der kitāb al-maġāzī des arabischen Historikers Muhammad . ibn῾Umar ibn Wāqid Wāqidī (747–823). Vgl. Jones, J. Marsden B.: The Chronology of the Maghāzī. A Textual Survey, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies, 19, 2, 1957, S. 245– 280; Zaman, Muhammad Q.: Maghāzī and the Muhaddithūn. . Reconsidering the Treatment of „Historical“ Materials in early Collections of Hadith, in: International Journal of Middle East Studies, 28, 1, 1996, S. 1–18. Christiane Gruber möchte ich für den Hinweis auf die Tradition der maġāzī-Literatur danken. 202  Barón, Javier: El Rey Pelayo y el origen de la Reconquista en al obra de Federico de Madrazo, in: Boletín del Museo del Prado, 25, 2007, S. 142–159, hier S. 142: „[Pelayo era] considerado como el origen mismo de la configuracíon de España como nación.“ Zur Bedeutung der Figur Pelayo für die Idealisie-

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nischen Maler Federico de Madrazo y Kuntz (1815–1894) gefertigten Ölgemälde des christlichen Königs (Abb. 87), dessen Komposition insbesondere durch die Kunstzeitschrift Seminario Pintoresco Español verbreitet wurde,203 und dem Porträt Mohammeds in El Coran zeigt, wie sehr sich die beiden Krieger hinsichtlich ihrer Pose und der sie umgebenden Landschaft ähneln. Der markanteste Unterschied zwischen den beiden Figuren besteht in der Kreuzstandarte, die Pelayo in Händen hält und die den Sieg des Christentums nach dem Vorbild der Prophezeiung an Kaiser Konstantin bereits verkündet: „In hoc signo vinces“. Gerade in jener Zeit, da die Reconquista zu einer zentralen Referenz für die Definition der spanischen Nationalidentität wurde,204 präsentiert der spanische Koran Mohammed als ritterliches Pendant des spanischen Helden. Eine derart positive Darstellung des islamischen Kontrahenten hat ihr historisches Vorbild in den christlichen Darstellungen des ayyubidischen Sultans Saladin (1137/8–1193) in den Aufarbeitungen der Kreuzzüge.205 Die Aufwertung des Gegners von Seiten der christlichen Welt diente nicht nur der Betonung der eigenen Größe. Darüber hinaus konnten die Kreuzzüge auf diese Weise zu einem nach ritterlichem Codex ausgetragenen Streit idealisiert werden. Dies geschah rückwirkend auch bei der Darstellung der iberischen Vergangenheit im 19.  Jahrhundert, denn die zeitgenössischen Autoren verliehen den Kämpfen zwischen Christen und Moslems einen romantischen Anstrich. Conde und Irving stellten sich diese Kriege als „romantischen Kampf“ vor, der auf beiden Seiten von Ehrenmännern gefochten wurde.206 Dabei sahen sie in den ritterlichen Tugenden einen Wertekanon, den beide Seiten unabhängig von ihrer jeweiligen Religion teilten.207 rung und nationale Vereinnahmung der westgotischen Könige in der spanischen Historienmalerei vgl. Reyero, Carlos: Los temas históricos en la pintura española del siglo XIX, in: La pintura de historia del siglo XIX en España, hrsg. v. José L. Díez, Madrid 1992, S. 37–67, hier S. 41–45. 203  Als Holzschnitt erschien das Motiv am 20. Mai 1849 in der Zeitschrift Seminario Pintoresco Español. Vgl. Barón (2007), S. 152. 204  Erstmals findet sich der Begriff „Reconquista“ in einem spanischen Wörterbuch von 1843. Vgl. Vanoli (2006), S. 252–253. Der berühmte Orientalist William Montgomery Watt fasst es so zusammen: „In the Reconquista Spain found its Soul.“ Watt, William M.: A History of Islamic Spain, Edinburgh 1965, S. 170. 205  Vgl. Möhring, Hannes: Der andere Islam. Das Bild vom toleranten Sultan Saladin und neuen Propheten Schah Ismail, in: Die Begegnung des Westens mit dem Osten […], hrsg. v. Odilo Engels u. Peter Schreiner, Sigmaringen 1993, S. 131–155; Meller, Harald: Jerusalem – Kreuzfahrer – Saladin. Ein Ende ohne Ende?, in: Saladin und die Kreuzfahrer, hrsg. v. Alfried Wieczorek u. a., Mainz 2005, S. 459. 206  Irving, Washington: Tales of the Alhambra, London 1835, S. 5: „In the wild passes of these mountains the sight of walled towns and villages, built like eagles’ nests among the cliffs, and surrounded by Moorish battlements, or of ruined watch-towers perched on lofty peaks, carries the mind back to the chivalric days of Christian and Moslem warfare, and to the romantic struggle for the conquest of Granada.“ 207  Fuchs, Barbara: Exotic Nation. Maurophilia and the Construction of Early Modern Spain, Philadelphia 2009, S. 33: „[The] emphasis on the nobility of the individual knight, whatever his faith, chivalry proved an essential vehicle of maurophilia.“

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Abb. 88  Honoré Daumier, „Combat singulier entre le Cid et l’Empereur du Maroc“, aus der Serie Actualités Nr. 117, aus: L‘Album des charges du jour, Paris 1859

In Anbetracht der von Edward Said vorgebrachten Theorie und Kritik des „Orientalism“208 als ein Diskurs, mit dem der Westen eine kulturelle Überlegenheit behaupte, um nicht zuletzt seine kolonialistischen Bestrebungen zu legitimieren, stellt sich die Frage, inwieweit das vom spanischen Koran präsentierte Bild eines kriegerischen Islam und die damit verbundene euphemistische Vorstellung vom ehrenhaften Kampf der Religionen dem Geist einer imperialistischen Politik entspricht. Tatsächlich spielte die nordafrikanische Küste, nachdem im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts ein Großteil der spanischen Kolonien in Südamerika verloren gegangen war, in der spanischen Politik eine bedeutende Rolle.209 Mit einer Invasion der marokkanischen Küste im Jahr 1860 setzte Spanien ein deutliches Zeichen seines Expansionsdrangs und trat damit in Konkurrenz zu den anderen Kolonialmächten England und Frankreich. Im Falle Spaniens berief sich der Angriff auf Marokko auf die Tradition Reconquista. Dabei diente die Reconquista nicht nur dazu, eine historische nationale Identität zu konstruieren, in 208  Entgegen Edward Saids These vom Orientalism haben John MacKenzie und Michael Klinkenberg in Hinblick auf die orientalistische Kunst gezeigt, dass die westliche Vorstellung vom Orient im 18. und 19. Jahrhundert nicht nur von imperialistischen Ambitionen bestimmt war. Vgl. Said (2003); MacKenzie, John M.: Orientalism. History, Theory and the Arts, Manchester u. a. 1995; Klinkenberg (2009), bes. S. 21–24. 209  Vgl. Vanoli (2006), S. 263–265.

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ihrem festgeschriebenen Antagonismus zum Islam wurde sie zugleich zu einem Leitbild für die Zukunft der Nation mitsamt ihren kolonialistischen Ambitionen im islamischen Nordafrika. Diese These findet sich nicht nur in der heutigen Forschung,210 sondern war bereits einer der wesentlichen Kritikpunkte der Zeitgenossen. Den spanischen Einmarsch nach Marokko nahm Honoré Daumier mit einer Zeitungskarikatur kritisch aufs Korn (Abb. 88). Sie zeigt einen Zweikampf zwischen dem spanischen Helden El Cid (Rodrigo Díaz de Vivar, 1043–1099) in einer mittelalterlichen Ritterrüstung und dem zeitgenössischen Sultan von Marokko, Sidi Muhammad IV. (1803–1873). Entgegen der sonst üblichen Darstellung der kolonialistischen Praxis als einen Akt der Zivilisierung und Modernisierung erscheint die spanische Invasion hier als die Fortsetzung einer gespenstisch und mittelalterlich anmutenden Reconquista. Es stellt sich daher die Frage, wie das Bild vom ritterlichen Propheten in El Coran in diesem Kontext zu bewerten ist. Auch das Titelblatt enthält einen deutlichen Hinweis auf das wachsende Interesse an der islamischen Vergangenheit des eigenen Landes (Kat. 61a, Abb. 80). Bei den beiden Vasen zu Füßen von Mohammeds Podest handelt es sich um Tongefäße der Nasridenzeit, der letzten muslimischen Dynastie in Granada (1238–1492).211 In Europa bestand eine regelrechte Begeisterung für diese großen, anthropomorph geformten sogenannten Alhambra-Vasen. Reproduktionen dieser Ge­ fäße waren Teil der Weltausstellung in Paris und die sehr seltenen Originale heißbegehrte Sammlerobjekte. Zudem waren diese Vasen mit einem populären Mythos verbunden, der einen Nachhall in der zeitgenössischen Literatur fand. So hieß es, dass der Gouverneur von Granada in zwei Vasen, die in der Alhambra versteckt waren, Gold und Edelsteine gefunden hätte: den Schatz der Nasriden!212 Zu Schatzbehältern wurden die Vasen dann auch in den romantischen Erzählungen über Andalusien. In verschiedenen Episoden von Irvings Tales of the Alhambra erscheinen sie als Gefäße, die Gold oder andere wertvolle Materialien enthalten.213 Die Alhambra-Vase wurde somit zu einem Symbol

210  Villanova, José L.: El protectorado de España en Marruecos. Organización política y territorial, Barcelona 2004, S. 38: „Para fundamentar sus planteamientos en el noroeste de África, el africanismo español aludió a derechos históricos, a la unidad natural de España y Marruecos […], al inerés potenciar el comercio exterior e incluso a razones morales – necesidad de evangelizar y civilizar y de retonar a los marroquíes el esplendor del Al-Andalus, para compensar la deuda de las aportaciones musulmanas en España.“ Tofiño-Quesada (2003), S. 146: „[…] The Afro-Moorish past was the perfect alibi to justify Spanish expansion in Africa and was indeed used in the colonization of Northern Morocco and the Western Sahara.“ 211  Für diesen Hinweis danke ich Avinoam Shalem. Die so genannten Alhambra-Vasen werden um das Ende des 13. und den Beginn des 14. Jahrhunderts datiert. Vgl. Ettinghausen, Richard: Notes on the Lusterware of Spain, in: Ars Orientalis 1, 1954, S. 133–156, hier S. 148. 212  Frothingham, Alice W.: Lustreware of Spain, New York 1951, S. 43–45. 213  Irving (1835), S. 72: „The narrow defile up which we were passing is called, according to Mateo, el Barranca de la tinaja, or, the ravine of the jar, because a jar full of Moorish gold was found here in old times. The brain of poor Mateo is continually running upon these golden legends.“ Das Motiv der mit

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Abb. 89  Showroom im Atelier von Mariano Fortuny, Rom, 1873–1874

für den Reichtum des Orients und die aus der maurischen Vergangenheit Spaniens wiederzugewinnenden Schätze. Eine der Personen, die in den Besitz solcher Vasen gelangte, war Mariano Fortuny. Im Jahr 1859 begleitete er im Auftrag der Deputiertenkammer des spanischen Kongresses die spanischen Truppen als offizieller Militärmaler nach Marokko. Jedoch zeigte sich Fortuny mehr an den Menschen und der Landschaft interessiert als an den militärischen Vorgängen, was an den zahlreichen Studien deutlich wird, die er dort fertigte. In der Folge wurde er zu einem der Begründer der orientalistischen Malerei Spaniens, die wegen ihres besonderen geographischen Fokus den Namen Africanismo

Gold oder Edelsteinen gefüllten Vase erscheint gleich mehrere Male in Irvings Geschichten der Alhambra. Vgl. ebd., S. 171, 221.

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erhielt.214 Während seiner anschließenden Reise durch Südspanien kaufte Fortuny zahlreiche islamische Kunstgegenstände, darunter auch zwei nasridische Vasen.215 Beide sind auf den zwischen 1873 und 1874 entstandenen Photographien seines als orientalische Kunstkammer gestalteten Ateliers in Rom zu sehen (Abb. 89).216 Die Übereinstimmung im Arrangement der Hauptobjekte von Fortunys Sammlung mit dem Titelblatt des Korans von 1872 sind erstaunlich. Über dem Kaminsims in der Mitte der Wand hängt ein vollständiges Ensemble einer asiatischen Kriegsrüstung, während die beiden Vasen zu dessen Seiten in Piedestalen auf dem Boden stehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Fortuny bei der Gestaltung seines Ateliers an dem Titelblatt von El Coran orientierte. Wenn dies auch nicht zu beweisen ist, so scheint die in beiden Fällen identische Anordnung der Gegenstände jedoch eine generelle Struktur des zeitgenössischen spanischen Orientdiskurses widerzuspiegeln.217 Beide Arrangements entsprechen in ihrem Aufbau einem tropaion, zunächst ephemeren, später aber auch in Stein gehauenen Siegeszeichen, die durch die Präsentation erbeuteter Rüstungen, Waffen und Schätze den Sieg über einen militärischen Gegner veranschaulichen und erinnern sollten.218 Bekrönt wurden diese Gebilde meist von einer Rüstung, unterhalb derer die Waffen und andere vom Feind erbeutete Gegenstände drapiert wurden. In Anlehnung 214  Morales Leczano, Víctor: Africanismo y orientalismo español en el siglo XIX, Madrid 1988, S. 12: „El Africanismo español, centrado en Marruecos, fue así un sucedáneo específico del orientalismo europeo.“ 215  Vgl. Kenesson, Summer S.: Nasrid Luster Pottery. The Alhambra Vases, in: Muqarnas, 9, 1992, S. 93–115, hier S. 97. 216  Auf der rechten Seite des Kamins steht die Alhambra-Vase, die Fortuny 1871 während seines Aufenthaltes in Granada erstehen konnte. Nach seinem Tod im Jahr 1874 wurde sie auf der Weltausstellung 1878 in Paris ausgestellt und befindet sich heute in der Eremitage in St. Petersburg. Vgl. Gonzáles López, Carlos: Mariano Fortuny coleccionista de ceramica hispano-musulmana, in: Goya. Rivista de Arte, 143, 1978, S. 272–277; Sagramora, Alessandro: Mariano Fortuny y Marsal en Roma (1858–1874), in: Ignacio Pinazo en Italia, hrsg. v. Francisco J. Pérez Rojas, Valencia 2008, S. 277–293. Die Photographie entstand wahrscheinlich Ende 1873 oder im ersten Monat des Jahres 1874 in dem neubezogenen Atelier des Künstlers in der Via Flaminia in Rom. Vgl. Quílez I Corella, Francesc M.: Fortuny coleccionista, antiquario y bibliófilo, in: Fortuny (1838–1874), hrsg. v. dems., Mercè Doñate u. Cristina Mendoza, Ausstellungskat. Museu Nacional d’Art de Catalunya, Barcelona 2003, S. 419–431, hier S. 427. 217  Da sich das in Fortunys Komposition der Objekte erkennbare Muster auch in anderen Darbietungen „orientalischer“ Objekte fand, kann davon ausgegangen werden, dass anhand dieser spezifischen „Ordnung der Dinge“ Aussagen über die Struktur der westlichen Wahrnehmung des Orients möglich sind. Einer der Schauräume der Münchner Ausstellung „Meisterwerke mohammedanischer Kunst“ von 1910 zeigte eine hinsichtlich ihrer Struktur vergleichbare Präsentation von orientalischen Rüstungen und Waffen. In Raum 72 wurden ein auf einem Sockel erhöhter „Reiter“ und zu beiden Seiten auf diesen ausgerichtete „erbeutete“ Kanonen dargeboten. In ihrer Analyse der Ausstellung merkt Eva-Maria Troelenberg an, dass das Arrangement den Ausstellungsstücken den Charakter von „Kriegstrophäen“ verlieh. Vgl. Troelenberg, Eva-Maria: Framing the Artwork. Munich 1910 and the Image of Islamic Art, in: Lermer/Shalem 2010, S. 37–64, hier S. 43, 45. 218  Zur Geschichte des trophaion vgl. Janssen, Andreas J.: Het antieke Tropaion (with a summary in English), Diss., Lederberg 1957.

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an diese Siegesmonumente, die auch im 17. und 18. Jahrhundert zur Ausstellung von in den Türkenkriegen erlangter Beute errichtet wurden,219 veranschaulicht die Komposition der Objekte in der Kunstkammer Fortunys und auf dem Titelblatt des Korans, dass die Kostbarkeiten des „Orients“ durch den „Europäer“ in eine seiner vermeintlichen Überlegenheit entsprechenden Ordnung gebracht und als Triumphzeichen präsentiert werden können. Als Kriegerprophet an der Spitze des Arrangements verkörpert Mohammed die Kraft, die zur Erlangung der durch die beiden Alhambra-Vasen verkörperten Schätze Andalusiens überwunden werden muss (Kat. 61a, Abb. 80). Allerdings erscheint Mohammeds Gefährlichkeit, trotz seiner Dynamik und des gezückten Schwertes, in der ihm diktierten kompositorischen Ordnung nur noch als ein künstlich erhaltener Abglanz seiner ursprünglichen Macht: ein Widerschein bereits erloschener Kraft, wie er sich zum Beispiel bei der Inszenierung ausgestopfter Jagdtrophäen findet. In Anknüpfung an die Theorie von Américo Castro, der in der Stilisierung des spanischen Nationalheiligen Jacobus als matamoros („Maurentöter“) die defensive Antwort Spaniens auf die muslimische Bedrohung sah,220 bietet die Darstellung Mohammeds als arabischer Ritter und nobler Gegner in einem zum „romantischen Kampf“ stilisierten Konflikt zwischen Muslimen und Christen zumindest die Möglichkeit, die vermeintliche Tradition eines christlich-muslimischen Antagonismus, wie er von der Reconquista-Ideologie behauptet wurde, prospektiv in eine offensive, kolonialistische Politik umzuwandeln. Somit ist fraglich, inwieweit die ritterliche Erscheinung, die dem Propheten von den Bildern in El Coran zugestanden wird, Ausdruck einer neuen, spanischen maurophilia ist. Unbestreitbar spiegelt sich in den Bildern das wachsende populäre Interesse an der islamischen Religion sowie der maurischen Kultur und leistete El Coran einen entscheidenden Beitrag zu der Verbreitung einer säkularisierten Sichtweise auf den Islam. Die lediglich zitathaft in den Bildern erscheinenden Elemente maurischer Kunst und Architektur wirken im Kontext der theatralischen und zum Teil ironischen Inszenierung des Islam aber nicht wie ein integraler Bestandteil der eigenen spanischen Geschichte und Kultur, sondern wie die Relikte einer längst vergangenen Epoche. Die Exotisierung des Islam bewirkt somit zugleich eine Art Exorzierung, welche die Bedeutung der islamischen Geschichte Iberiens in eine unbestimmte, mythische Ferne rückt und für die spanische Identität negiert.221

219  Vgl. Jagodzinski, Sabine: Andenken an die Türkenkriege – Schlachtenkommemoration des polnischen Adels im 17. und 18. Jahrhundert, in: Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Träger – Medien – Deutungskonkurrenzen, hrsg. v. Horst Carl u. Ute Planert, Göttingen 2012, S. 129–153. 220  López-Baralt, Luce: The Legacy of Islam in Spanish Literature, in: The Legacy of Muslim Spain, hrsg. v. Salma Khadra Jayyusi, Leiden 1992, Bd. 1, S. 505–552, hier S. 519. 221  Shalem, Avinoam: The „Golden Age“ in Al-Andalus as Remembered. Or How Nostalgia Forged History, in: Crossing Cultures. Conflict, Migration and Convergence, hrsg. v. Jaynie Anderson, Carlton 2009, S. 154–158, hier S. 157.

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Historisch gesehen war der Kampf des Propheten – in Bezug auf die iberische Halbinsel – ja bereits ein verlorener. Washington Irving brachte dies in seinen Geschichten am deutlichsten zum Ausdruck. Al-Andalus war für ihn ein „battle-ground where the Gothic conquerors of the North and the Moslem conquerors of the East met and strove for mastery and the fiery courage of the Arab was at length subdued by the obstinate and persevering valour of the Goth“222. Besiegt von den „gotischen“ Spaniern erscheint auch der Prophet auf dem Titelblatt des Korans durch seine Integration in den Aufbau des trophaion als eine bereits bezwungene Bedrohung der Vergangenheit.

222  Irving (1835), S. 34.

Konklusion

Aus der vorliegenden Untersuchung der bildlichen Darstellungen Mohammeds vom späten 15. bis ins 19. Jahrhundert gehen mehrere Ergebnisse hervor. Zunächst konnte festgestellt werden, dass sich im Untersuchungszeitraum bis auf die überwiegende, aber nicht ausschließliche Darstellung des Propheten als bärtiger, turbantragender Mann keine einheitliche bildliche Präsentation durchsetzte. Zwar wurden einige Bilder über einen längeren Zeitraum und häufig in überarbeiteter Form wiederverwendet, generell zeigt sich jedoch die Tendenz, dass dem Propheten in jedem Jahrhundert unterschiedliche Gestalten gegeben wurden. Darstellungen Mohammeds waren in Europa fast immer Objekte von besonderer Brisanz. Die Autoren und Graphiker, die sich einer Schilderung Mohammeds widmeten, wählten wohl oft ganz bewusst diese traditionell polarisierende Figur, mittels derer sie nicht nur Aussagen über den Islam machten, sondern zugleich kritische Stellungnahmen über die eigene Gesellschaft formulierten. Der Prophet wurde dabei aber nicht einfach als schlichtweg „Anderer“ konzipiert. Wie die in den biblischen Genealogien verankerten Herleitungen des Islam, die Legende von Mohammeds verlorener Papstwahl oder auch die Charakterisierung seiner Lehre als bloße „Korrumpierung“ der jüdisch-christlichen Tradition zeigen,1 ist die Geschichte Mohammeds in der europäischen Wahrnehmung vielmehr eine Brudergeschichte (bzw. die Geschichte des ungeliebten Halbbruders Ismael) denn die eines Fremden. Angesichts dieser „Verwandtschaft“ war die Bestimmung und Aushandlung der realen und scheinbaren Übereinstimmungen zwischen der Figur des islamischen Propheten und der eigenen religiösen und kulturellen Identität oft von größerem Interesse als die Darlegung der Differenzen. Die Funktion der Mohammedfiguren, dass „andere selbst“ abzubilden, war für viele Darstellungen aus den unterschiedlichen Epochen maßgeblicher als der Anspruch, eine (authentische) Anschauung der historischen Person oder der Glaubenslehre des Propheten zu vermitteln. Die Figur des Propheten erscheint daher oft im Kontext innereuropäischer Religionskonflikte; aber auch in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht dienten die Darstel1  Vgl. S. 56f., 63f., 82–84.

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Konklusion

lungen dazu, Kritik an bestimmten Regierungsformen oder moralischen Vorstellungen zu üben. Als Sinnbilder des „Anderen“ prädeterminiert, waren die Mohammedfiguren nicht selten Projektionsfläche und Ausdrucks­medium für radikale oder zumindest unkonventionelle gesellschaftliche und weltan­schauliche Sichtweisen. Dass es bei den Darstellungen Mohammeds oft primär um innergesellschaftliche Belange ging, zeigt schon die Tatsache, dass viele der hier diskutierten Publikationen heftige Reaktionen auslösten. Die Autoren und Drucker setzten sich bisweilen nicht unerheblichen Gefahren aus. Zum Teil wurden ihre Werke, wie etwa die Mohammedbiographie von Henry Stubbes, aus Vorsicht nur in Abschriften verbreitet oder, wie Voltaires Le Dîner du comte de Boulainvilliers, gar unter falschen Namen publiziert. Auch die Verleger mussten Zensur und im 16. Jahrhundert sogar Gefängnis fürchten, wie etwa Oporinus, der Drucker der ersten lateinischen Koranübersetzung, der aufgrund dieser Produktion kurzzeitig inhaftiert war, oder Andrea Arrivabene, der Verleger des ersten volkssprachlichen Korans, der sich zu einem späteren Zeitpunkt einer Anklage wegen Häresie ausgesetzt sah. Für positive, aber auch für negative Darstellungen des Propheten wurde den Autoren zum Teil stürmische Kritik entgegengebracht und einige büßten durch ihre Publikationen und die darin vertretenen Meinungen an gesellschaftlichem Status ein. Als Repräsentant sehr unterschiedlicher, meist jedoch der jeweils abgelehnten Werte und Anschauungen war Mohammed in den westeuropäischen Printmedien eine Figur von ständiger Aktualität. Diese Tendenz zeigt sich im gesamten Untersuchungszeitraum und setzt sich bis ins 21. Jahrhundert fort. In den zeitgenössischen „westlichen“ Medien werden die Darstellungen Mohammeds etwa mit Terrorismus oder sexuellen Kindesmissbrauch in Zusammenhang gebracht.2 Solche Vorwürfe lassen sich weder historisch belegen noch waren sie in den vorherigen Jahrhunderten für die Beurteilung des Propheten von Bedeutung.3 Wie an den historischen Beispielen dargelegt, scheint es auch hier so, dass mit der Figur Mohammeds gerade jene Problematiken zur Anschauung gebracht werden, die in den aktuellen gesellschaftlichen Diskursen mit besonderer Vehemenz verhandelt und verurteilt werden. Als Bilder, die primär zur Profilierung der jeweils eigenen Weltanschauung heraufbeschworen werden, vermitteln diese Darstellungen des Propheten sehr polemische und essentialisierende Sichtweisen, die nichts über die Realität der islamischen Kulturen aussagen, sondern – wie bereits Reland (Kat. 24, Abb. 46) erkannte – lediglich Spiegel der Vorstellungen, Wünsche und Ängste ihrer Schöpfer sind.

2  Zu nennen wären hier etwa die Karikatur Kurt Westergaards, die Mohammed mit stierendem Blick und einem Turban zeigt, der als eine Bombe mit brennender Zündschnur geformt ist, sowie zahlreiche Bilder, die über das Internet verbreitet werden und die Mohammeds Heirat mit der achtjährigen Aischa als sexuellen Kindesmissbrauch interpretieren. 3  Im Gegensatz dazu wurde Mohammed von den Biographen des 19. Jahrhunderts dafür besonders geachtet, dass er die gesellschaftliche Stellung der arabischen Frauen verbessert hatte. Vgl. etwa Weil (1843), S. 400–401.

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Konklusion

Im Zuge der Fokussierung der Untersuchung auf die Druckgraphiken in westeuropäischen Koranübersetzungen und Mohammedbiographien wurden die Bilder sowohl als autonome Ausdrucksmedien als auch in ihrem Zusammenspiel mit den Texten analysiert. Dabei zeigte sich, wie sich die Darstellungen Mohammeds mit den sich in den Jahrhunderten wandelnden Bildauffassungen ebenfalls änderten. Wie im ersten Kapitel beschrieben, fand die Visualisierung Mohammeds seit dem frühen Buchdruck im Wesentlichen durch bereits existierende Bildtypen statt, die auf Mohammed übertragen wurden. Dadurch ergab sich eine in den folgenden Jahrhunderten kaum mehr erreichte Pluralität an unterschiedlichen Figurationen, aber auch an Sichtweisen und Beurteilungen. Die zur Illustrierung der Texte verwendeten Holzschnitte zeichneten sich dabei durch ihre je enge Verbindung mit der textlichen Schilderung aus, wobei durch die verwendeten Figurentypen nicht unmittelbar der Text illustriert wurde, sondern ein aus diesem herzuleitender, abstrakter Begriff. So erschien Mohammed als bildliche Konkretisierung der Begriffe „Häretiker“ und „Antichrist“, aber auch als „Feldherr“, „Richter“ und „Gesetzgeber“ (Kat. 3, 5–8Abb. 6–8, 10, 12). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts figurierte der Prophet im Buchdruck, wie im zweiten Kapitel dargelegt, erstmals in den osmanischen Gewandungen eines Sultans und Emirs (Kat. 9a, 9e, Abb. 17, 21). Mit diesen Bildern, die auf ad vivum gefertigte Vorlagen zurückgingen, erhielten die visuellen Repräsentationen Mohammeds nicht nur eine aktuelle Gestalt, die Bezüge zwischen dem Propheten und der gegenwärtigen Bedrohung durch das Osmanische Reich nahelegte, sondern ebenso einen ausgeprägt mimetischen Charakter. Der neue Anspruch der Buchillustration auf eine möglichst getreue visuelle Wiedergabe der äußeren Umwelt, der mit der hierzu verwendeten Tiefdrucktechnik des Kupferstichs ein entsprechend detail- und nuancenreiches Medium fand, steht in Zusammenhang mit dem in zeitgenössischen Publikationen betonten, gesteigerten Stellenwert der Autopsie, also der auf eigener Anschauung beruhenden Erfahrung. Mit der neuen Bedeutsamkeit visuellen Erkennens und mimetischer Repräsentation verband sich jedoch zugleich die Frage nach der Zuverlässigkeit optischer Perzeption im Allgemeinen sowie eine neue Sensibilität bezüglich der von der Theologie seit jeher thematisierten Gefahr, falschen Bildern zu erliegen, im Speziellen. Das Bestreben einer möglichst naturgetreuen Darstellung ging daher vielfach mit einem emblematischen Bildverständnis einher, das hinter der äußeren Gestalt der Dinge nach einem verborgenen Sinn suchte. Als vermeintlicher Täuscher und Verführer bot sich gerade die Figur Mohammeds an, diese für die bildende Kunst und ihr mimetisches Vermögen grundlegenden Thematiken zu exemplifizieren und erörtern. Bereits in der frühsten umfassenden bildlichen Darstellung von Mohammeds Vita auf dem Titelblatt des venezianischen Alcorano von 1547 (Kat. 8, Abb. 14) bediente sich der Illustrator mit seiner Darstellung des Propheten als Antichrist nicht nur effektvoll des Topos der attraktiven und täuschenden Gestalt, sondern setzte seine Szenen durch ihre Ähnlichkeit mit Heiligenikonographien in ein spannungsvolles Verhältnis zu traditionellen christlichen Bildformen. An diese Aspekte anknüpfend wurde Mohammed

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Konklusion

im 17. Jahrhundert meist als ein Betrüger vorgestellt, also als eine Person, der keine besondere theologisch-eschatologische Bedeutung mehr zukam, die aber ebenso wie der Antichrist ihre eigentliche Macht aus der Simulation, der Erzeugung eines falschen Eindrucks gewann. In den Acta der Brüder de Bry erscheint Mohammed regelrecht als Produzent falscher Heiligenbilder und Idole (Kat. 9a, 9e, Abb. 17, 21; Abb. 23). Allerdings wird deren Schein durch den unbestechlichen Blick und die Fertigkeit des Kupferstechers entlarvt und Mohammed letztlich als ein visuell erfahrbares, moralisch auslegbares Prodigium präsentiert. Das den Kupferstichen der Brüder de Bry zu Grunde liegende emblematische Bildverständnis war auch der Ausgangspunkt für die im dritten Kapitel analysierten Darstellungen in der Bildgattung des Porträts. Diese zu Beginn des 17. Jahrhunderts erstmals für Mohammed eingesetzte Präsentationsform zeugt von einem gewandelten Interesse, bei dem erstmals nicht mehr nur die theologische und politische persona des Propheten in den Blick geriet, sondern auch die Frage nach seinem inneren Wesen und individuellen Charakter aufkam. Die hierzu notwendige Auslegung der Gesichtsformen als Hinweis auf das Wesen eines Menschen war allerdings nur mit den auch in der Frühen Neuzeit mit Skepsis betrachteten Ansätzen der Physiognomik möglich. Zudem wurde der Fähigkeit der Künstler, den Charakter einer Person bildlich zu erfassen, weniger Vertrauen geschenkt als den Möglichkeiten textlicher Schilderung. Diese grundsätzliche Problematik des Porträts wurde in den Bildnissen des Propheten visuell noch zugespitzt. In Baudiers Histoire général de la religion des Turcs von 1625 erscheint das Bildnis Mohammeds vor der kontrastierenden Folie des „wahren Bildes“ Christi als eine imago falsa (Kat. 12, Abb. 37). Nicht nur der Prophet selbst täusche mit seinem einnehmenden Äußeren den Betrachter, auch seine künstlerische Präsentation im Bild führt in die Irre, indem sie die Illusion einer körperlichern Präsenz erzeugt und so in ein provokantes Spannungsverhältnis zu Darstellungen tranzendenter Qualitäten in christlichen (Kult-) Bildern tritt. Dabei stellte der Kupferstecher seine illusionistischen Mittel bewusst in den Dienst des Porträtierten, sodass es erstmals zu einer Parallelisierung des Illusionismus mimetischer Repräsentation (trompe-l’œil) mit der angeblich betrügerischen Gestalt Mohammeds kam. Als Produzent eines „unschuldigen Betrugs“ verwendete der Künstler seine Mittel jedoch auch hier, um den „falschen Propheten“ als einen vermeintlich ebenfalls mit artifiziellen Täuschungen operierenden und damit zu Unrecht das Prophetenamt für sich beanspruchenden Mann zu entlarven. Die grundlegende Diskrepanz zwischen der Fiktionalität der Bildnisse – es ist kein authentisches oder zumindest zeitnahes Bildzeugnis von Mohammed bekannt – und der von der Gattung des Porträts gemeinhin eingeforderten Authentizität dürfte zu der in der Aufklärung folgenden Spaltung des Prophetenbildes beigetragen haben, die im vierten Kapitel verhandelt wurde. Einige der hier diskutierten Mohammedbilder (Kat. 19a, 19a1, 22, Abb. 42, 49, 52) brachten die mit der Beurteilung des Propheten verbundenen Problematiken der Historizität und der Standortabhängigkeit bzw. der Parteilichkeit zur Anschauung. Eine gestiegene Skepsis gegenüber den eigenen Schrift- und

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Konklusion

Bildquellen führte dazu, dass die einem wissenschaftlichen Anspruch verpflichteten Autoren vermehrt von den europäischen Mohammedbildern absahen und stattdessen andere, objektivere Bildformen wie Graphiken, Karten, stereometrische Architekturdarstellungen und vereinzelt auch Mohammedbilder nach islamischen Vorlagen (Kat. 44b, Abb. 74) zur Visualisierung ihrer Inhalte präferierten. Andererseits machten populäre Publikationen umso freieren Gebrauch von der Prophetenfigur. Durch die Abkopplung vom Anspruch korrekter historischer Darstellung wandelten sich die Bilder des Propheten zu reinen, sich selbst als solche präsentierenden Kunstwerken. Nach dem gleißenden Antichrist der Renaissance und dem kunstreichen Betrüger des Barock wurde der Prophet zu einer bloßen orientalischen Maskerade. Während dieser neue „Mahomet“ als Theatercharakter die unwahrscheinlichsten Blüten trieb (Kat. 26, 27, 35, 38, 39, 40, 42, 45, Abb. 58), schritten die europäischen Orientalisten ihrerseits, weitgehend vom Ballast der fiktionalen, oft stark antiislamischen Mohammed-Imaginationen befreit, zu einer gründlicheren Erforschung des historischen Propheten voran. Dabei wurden die von den populären Autoren nur gering geschätzten und schwerer verfügbaren arabischen Quellen zunehmend als historische Zeugnisse bewertet, die authentischere Informationen versprachen als die Schriften der christlichen Tradition. Diese Tendenz zeigt sich auch in den Frontispizen von Jean Gagniers Mohammedbiographie von 1732, die nach dem venezianischen Koran von 1547 erstmals wieder Szenen zeigten, die nach islamischen Textvorlagen gefertigt wurden (Kat. 30a–b, 32a–b, Abb. 62, 63, 65, 66). Die Wandlung Mohammeds zu einer exotisch-orientalischen Kunstfigur trug somit – wenn auch hauptsächlich ex negativo – dazu bei, die westeuropäischen Perspektiven auf den Islam zu hinterfragen und zu relativieren. Diese in der Aufklärung sich vollziehende, für eine wissenschaftlich unvoreingenommene Wahrnehmung des Islam wichtige Spaltung des Mohammedbildes scheint jedoch bald darauf wieder aufgehoben worden zu sein. In den im fünften Kapitel behandelten Mohammedbildern des 19. Jahrhunderts begann sich die Vorstellung vom Propheten im Zuge erwachender nationalstaatlicher und marktwirtschaftlicher Interessen im Orient neu zu konfigurieren. Die historische Rolle des Propheten galt nun als geradezu vorbildhaft und die von ihm vollzogene politische Einigung Arabiens sowie seine Verkündung eines monotheistischen Glaubens wurden als zivilisatorische Fortschritte gewürdigt. Unter den Paradigmen eines neuen Geschichts- und Religionsverständnisses erschien Mohammed erstmals nicht nur als „großer Mann“ der Menschheitsgeschichte, auch der Koran erfuhr durch die Neubewertung als geniales Produkt der Dichtung zwar keine theologische, jedoch eine zumindest ästhetisch-spirituelle Adelung. Aus der Kunstfigur der Aufklärung wurde in der Romantik der Künstler Mohammed, dessen „poetischer“ Vortrag als eine individuelle, natürliche und authentische Gotteserfahrung anerkannt wurde (Kat. 49a, 56, Abb. 70, 72). Erst diese Umdeutung des Propheten vom verbrecherischen Tyrannen zum zivilisatorischen Fortschrittsbringer und vom Religionsbetrüger zum von der Natur inspirierten, sich ästhetisch artikulierenden Gottessucher ermöglichte eine gegen Ende des 19. einsetzende und im 20. Jahrhundert ver-

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stärkte Kommerzialisierung des Mohammedbildes. Als nun gänzlich säkularisierte und kulturhistorisch eingebettete Figur war der Prophet schließlich als Werbe- und Sammelbildchen für den breiten Markt gefahrlos konsumierbar geworden (Abb. 90).4

Abb. 90  Sechs Szenen aus dem Leben des Propheten, 1928, Liebig Sammelbilder, Serie 971

4  Mehrere Firmen nutzen Darstellungen des Propheten, entweder im Porträt oder aber als Mini-Historienbilder mit Schilderungen seiner Taten, zu Werbezwecken. So erschien bei der Zigarettenfirma Ogden 1924 in der Serie „Leaders of Men“, mit so verschiedenen Personen wie Karl dem Großen, Napoleon, Platon, Dante und Charles Darwin, unter der Nummer 30 ein Sammelbild mit dem Gesicht des Propheten. Vgl. Evans, Idrisyn Oliver: Cigarette Cards: and how to collect them, London 1937, S. 70. Die Firma Liebig veröffentlichte gleich mehrfach Sammelbilder mit Episoden aus dem Leben Mohammeds. 1904 „Die Spinne Mohammed’s“ in der Serie 614, 1925 „Der Einzug Mohammeds in Mekka“, und 1928 die sechs Bilder umfassende Serie 971 mit dem Titel „Mohammed“. Vgl. Lorenz, Detlef: Liebigbilder. Große Welt im Kleinformat, Berlin 1980.

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Konklusion

Die vorliegende Arbeit wird sich wohl der Kritik stellen müssen, dass sie die Figur des Propheten ebenso instrumentalisiert, wie es seit jeher der Tradition der westeuropäischen Beschäftigung mit Mohammed entspricht: Was ist für eine kunsthistorisch und bildtheoretisch orientierte Untersuchung naheliegender, als den Propheten als Figur zu erörtern, anhand derer die Künstler ihr eigenes Schaffen reflektierten? Natürlich kann jedes Kunstobjekt hinsichtlich seiner bildnerischen und ästhetischen Qualitäten und des darin zum Ausdruck kommenden Selbstverständnisses seines Schöpfers befragt werden. Im Fall der westeuropäischen Mohammedbilder ist dieser Ansatz jedoch nicht nur legitim, sondern besonders aufschlussreich, da die dem islamischen Propheten zugewiesene theologische wie gesellschaftliche Sonderstellung ihn zu einer prädestinierten Reflexionsfigur künstlerischer Praxis werden ließ. Für die bildende Kunst war dabei gerade Mohammeds Charakterisierung als ein Gegenspieler Christi wesentlich, da sich an Mohammed somit all jene Fraglichkeiten einer sich in der Frühen Neuzeit säkularisierenden Bilderpraxis erörtern ließen, die sich bei der Darstellung christlicher Themen verboten.5 Als „Antichrist“ ermöglichte Mohammed die künstlerische Auslotung des illusionistischen Scheins der Bilder und als „Betrüger“ und „Maske“ bot er im 17. und 18. Jahrhundert ein Bildthema, anhand dessen sich die Kunst als Medium des Spiels und der Wissensvermittlung selbst erproben konnte. Bei dem durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder vollzogenen Vergleich zwischen Jesus und Mohammed war Letzterer aus Sicht der Christen stets der irdischere, dessen gleichsam ornamentale wie blendende Eigenschaften ihm zwar weltliche Macht verliehen, jedoch frei von transzendenter Qualität seien. Dieser grundlegende Kontrast ist auch in dem Titelbild von Karl Mays Erzählband Orangen und Datteln spürbar, das 1904 von Sascha Schneider gestaltet wurde und einen erhabenen Christus neben einem grobschlächtigen Mohammed zeigt (Kat. 68, Abb. 91).6 Interessanterweise findet sich in der islamisch-persischen Tradition eine entsprechende Prophetenfigur, der in Abgrenzung vom göttlichen Gesandten Mohammed ebenso die Fähigkeit eines genialen Bildbetrügers zugesprochen wurde. Mani (Mānī), der Stifter des Manichäismus, soll mit einem Seidentuch, auf dem er die gesamte Schöpfung malerisch abgebildet habe, versucht haben, die Menschen von seiner göttlichen Sendung zu überzeugen.7 Für die islamischen Maler wurde dieser kunstreiche „falsche 5  Zu der in der Neuzeit einsetzenden „Ära der Kunst“, die die Ära des Bildes bzw. des Kultbildes abzulösen begann, vgl. Belting (52000), bes. S. 24–27. 6  Die Figur Christi ist von der monumentalen Skulptur des auferstandenen Christus von Bertel Thorvaldsen (1821) inspiriert. Vgl. Range, Annelotte: Zwischen Max Klinger und Karl May. Studien zum zeichnerischen und malerischen Werk von Sascha Schneider (1870–1927), Bamberg 1999, S. 78. 7  Zur legendären von Mani geschaffenen „Artangi-Tafel“, die Dust Muhammad in seinem Vorwort für das Album das safawidischen Prinzen Bahram Mirza (Topkapı Saray Museum, H. 2154) erwähnt und die auf ältere Überlieferungen wie das Schāhnāme von Firdausī (um 1010), das Chamse von Nezāmī (1141–1209) und das Gulistan von Sa‘dī (1259) zurückgeht, vgl. Roxburgh, David J.: Prefacing the Image. The Writing of Art History in Sixteenth-Century Iran, Leiden u. a. 2001, S. 174–179.

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Abb. 91  Sascha Schneider, Cover, aus: Karl May, Orangen und Datteln. Reisefrüchte aus dem Orient, Freiburg i. Br. 1904 (Kat. 68)

Prophet“ sogar zu einer Identifikationsfigur.8 Einen Künstler mit Mani zu vergleichen, bedeutete, ihm ein herausragendes, ja ein geradezu diabolisches Talent zuzusprechen, das durch die artifizielle Illusion von Lebendigkeit sogar in Konkurrenz zur göttlichen Schöpfung treten könne.9 Eine um 1445 geschaffene Miniatur aus dem Iskender-Nāme, der Alexandergeschichte des persischen Dichters Nezāmī . (um 1141–1209), zeigt den malenden Pro-

8  Zum malenden Propheten Mani als „Patron“ und Identifikationsfigur der persischen Buchmaler vgl. Barry, Michael A.: Figurative Art in Medieval Islam and Riddle of Bihzâd of Herât (1465–1535), Paris 2004, S. 176. 9  Vgl. ebd., S. 180. Zum Werk des Dichters Nez āmī (um 1141–1209), in dem Mani und mit ihm die Malerei vom Vorwurf einer magischen bzw. idolatrischen Kunst befreit werden, vgl. Soucek, Priscilla P.: Ni zāmī . on Painters and Painting, in: Islamic Art in the Metropolitan Museum of Art, hrsg. v. Richard Ettinghausen, New York 1972, S. 9–21, bes. S. 9–11.

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Abb. 92  Mani malt einen Hundekadaver auf einen Kristallspiegel, aus: Ne zāmī, . Iskender-Nāme, Yazd um 1445, Topkapı Sarayi Müzesi, Hazine 753, fol. 305r

pheten Mani (Abb. 92). Dieser habe auf seiner Reise nach China an einem kleinen, blütenbestandenen Bach angehalten, um sich zu erfrischen. Als er jedoch seinen Becher in das Wasser eintauchen wollte, zerbrach dieser. Bei dem Bach habe es sich um eine optische Täuschung gehandelt, die von einem chinesischen Künstler geschaffen worden sei, um Reisende zu narren. Das „Wasser“ sei eine polierte Kristallscheibe und der Blumenkranz des Baches lediglich gemalt gewesen. Über diese List verärgert und um andere Reisende vor dem Trugbild zu bewahren, habe Mani auf die Kristallfläche ein besonders abstoßendes Objekt, einen verwesenden Hundekadaver, gemalt. Diese Geschichte steht in der Tradition des antiken Künstlerwettstreits, nimmt jedoch in ihrer Auflösung eine andere Wendung. Während die antiken Maler danach trachteten, sich in ihren künstlerischen Illusionen zu überbieten, ist Manis Ziel ein anderes. Gerade durch die Schaffung einer perfekten malerischen Illusion gelingt es ihm, das Trugbild seines Vorgängers zu entkräften. Damit wird die Malerei als ein Medium vorgestellt, das zwar Illusionen produziert, aber eben durch diese Fähigkeit böswillige Täuschungen aufheben kann.

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Das in der Geschichte vom malenden Propheten Mani thematisierte Spannungsfeld der Bildkunst als Medium zwischen Täuschung und Wahrheitsfindung konnte von der Arbeit als ebenso bedeutsam für die Darstellung Mohammeds in der europäischen Druckgraphik aufgezeigt werden: In den Bildern des Alcorano von 1547 (Kat. 8, Abb. 14), der Acta Mechmeti (Kat. 9, Abb. 17, 21, 23) und der Histoire von Michel Baudier (Kat. 12, Abb. 37) diente die künstlerische Illusion ebenfalls einer Ent-Täuschung des Betrachters, mit dem Ziel, dass hier der „Antichrist“ respektive der „falsche Prophet“ entlarvt werden sollte. Für die westeuropäischen Künstler bot die Figur „Mohammed“ somit ein willkommenes Bildthema, um ihr eigenes Schaffen angesichts des sich in der Vormoderne wandelnden Verhältnisses zwischen bildender Kunst und Religion zu positionieren, wobei sich die generelle Tendenz einer Autonomisierung der Kunst und einer Sakralisierung des Ästhetischen mit Blick auf den gesamten Untersuchungszeitraum auch in den Darstellungen des Propheten widerspiegelt. Die Figur Mohammeds war also eine nicht nur weltanschaulich, sondern auch künstlerisch in Anspruch genommene Projektionsfläche. Für den europäischen Islamdiskurs sind die Bilder in zweierlei Hinsicht von Bedeutung gewesen: Einerseits dienten sie der Popularisierung des Themas. Wie an den bisweilen sehr aufwendigen Gestaltungen gerade der Titelbilder deutlich wird, sollten die Bilder das Interesse und die Kaufbereitschaft des Publikums anregen. Die Illustrationen konnten etwa durch eine Präsentation des Propheten in zeitgenössischer Kleidung und in vertrautem Ambiente zu einer Aktualisierung der Thematik beitragen und sogar die Situation einer Augenzeugenschaft beziehungsweise einer Begegnung mit dem Propheten evozieren. Dabei dienten die Bilder oft dazu, die Überlegenheit der eigenen, gegenüber der jeweils von Mohammed verkörperten Position zu behaupten. Gerade stark diffamierende und künstlerisch meist wenig anspruchsvolle Bilder dürften dazu beigetragen haben, Vorurteile über den Islam zu verbreiten und zu erhärten (Kat. 14, 23, 25, 34, 46, Abb. 45, 78). Im untersuchten Corpus sind diese Bilder jedoch in der Minderzahl. Zugleich folgten die bildlichen Darstellungen des Propheten aber anderen Epistemen als die textlichen Abhandlungen und trugen somit zu einer Differenzierung des Islamdiskurses wesentlich bei. Wie anhand der Analyse der Text-Bild-Relationen gezeigt wurde, konnten sich die Medien, etwa durch eine widerspruchsfreie Überführung des Geschriebenen in die Bildlichkeit, gegenseitig evidenzieren. Bisweilen traten Bild und Text aber auch in ein kontradiktorisches Verhältnis, im Zuge dessen die dem Textmedium vermeintlich eignende Wahrhaftigkeit gegen die trügerische Qualität der Bilder ins Spiel gebracht wurde. Der den Bildern so zugestandene „Betrug“ ermöglichte es ihnen auch, ungewohnte, den kanonischen Islamvorstellungen sogar widersprechende Sichtweisen vorzutragen. Darüber hinaus war es eine speziell den Bildern und der visuellen Erfahrung inhärente Logik, die auf den Diskurs zurückwirkte. Durch bildliche Darstellungen wurden Faktoren wie die Abhängigkeit des Wahrgenommenen von der jeweiligen Distanz und der Anordnung des Gesehenen im Raum sowie die vom Betrachter

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eingenommene bzw. ihm zugewiesene Position in ihrer Bedeutung für die Beurteilung des islamischen Propheten hervorgehoben. Die Bilder unterstrichen damit die Ambiguität und Relativität der von ihnen jeweils dargebotenen Sicht. Auch Aspekte künstlerischer Praxis können zu einer Reflexion über die Abhängigkeiten der eigenen Darstellungen historischer Begebenheiten beigetragen haben. Denn gerade das, etwa von Bernard Picart artikulierte, Bewusstsein über verschiedene Zeit- und Individualstile zeigt, dass die Problematik authentischer Wiedergabe seitens der Graphiker unmittelbar mit den Fragen zeitlicher Distanz und spezifischer Autorenschaft verbunden wurde. Als sich vom textlichen Diskurs immer wieder abhebende Wissensformen mit einer eigenen epistemologischen Struktur trugen die Bilder zu einer Ausdifferenzierung des herrschenden Islamdiskurses bei.

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Kat. 1a–b (Abb. 1–2) Mandeville, John: Das Buch des Ritters Herr Hannsen von Montevilla […], übers. v. Michel Velser, Augsburg: Anton Sorg, 1481. 1a Folio: 26r Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 273 mm, Bild c. 82 × 82 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 28–30. 1b Folio: 45v Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 273 mm, Bild c. 82 × 82 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 30–31. Bibliographie: Grady (2000); The Illustrated Bartsch LXXXIII, S. 253, 255

Kat. 2a–c (Abb. 3–5) Mandeville, John: [Reise in das Heilige Land], übers. v. Otto von Diemeringen, Basel: Bernard Richel, 1481. 2a Seite: o. P., Kap. 15 Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 314 mm, Bild c. 149 × 149 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 34.

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2b Seite: o. P., Kap. 15 Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 314 mm, Bild c. 151 × 151 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 34f. 2c Seite: o. P., Kap. 15 Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 314 mm, Bild c. 225 × 180 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 35–37. Anmerkung: Bei diesem Buch handelt es sich um eine in ganz Europa sehr beliebte fiktive Reisegeschichte. Im 15. Jahrhundert gab es zahlreiche weitere Drucke, die in der Bebilderung der Mohammed-Episode an diese beiden Ausgaben angelehnt wurden: so die in Straßburg bei Johann Prüß erschienenen Editionen der Jahre 1483, 1484 und 1488. Vor der Reformation folgen in Straßburg noch drei weitere Ausgaben 1499, 1501 und 1507 bei Bartholomäus Kistler, Matthias Hüpfuff und Johann Knoblauch. Die Bilder der Edition bei Kistler greifen weitgehend die Holzschnitte von Prüß auf, während die beiden anderen Herausgeber sich an der Ausgabe Richels orientieren. Bibliographie: Grady (2000); Ridder (1991), S. 134–143, 317–323; The Illustrated Bartsch LXXXIII, S. 236

Kat. 3a–b (Abb. 6) 3a Schedel, Hartmann: Das buch der Cronicken vnd gedechtnus wirdigern geschichte[n] vo[n] anbegyn[n] d[er] werlt bis auf dise vnßere zeit, aus dem Lateinischen übers. v. Georg Alt, Nürnberg: Anthon Koberger, 1493. Bildüberschrift: Machomet Folio: CLIv, „Das sechst alter der Welt“ Künstler: Michel Wohlgemuth (?) / Wilhelm Pleydenwurff (?) Technik: kolorierter Holzschnitt Maße: Blatthöhe 450 mm, Bild 110 × 147 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 42–46.

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3b Schedel, Hartmann: Das buch Der Croniken vnnd geschichten mit figuren vnd pildnussen von Anbeginn der welt biß auff dise vnsere Zeyt, übers. v. Georg Alt, Augsburg: Johann Schönsperger, 1496. Bildüberschrift: Machomet Folio: CLXXIr, „Das sechst alter der Welt“ Technik: kolorierter Holzschnitt Maße: Blatt 302 × 208 mm, Bild 70 × 68 mm Beschreibung: Der Holzschnitt übernimmt den Bildaufbau der Nürnberger Ausgabe von 1493, verlegt die Szene jedoch nach außen. Er ist insgesamt weniger detailreich und die Figuren stehen in dem engeren Bildfeld dichter gedrängt. Anmerkung: Die Schedel’sche Weltchronik erschien am 12. Juli 1493 zunächst auf Latein als Liber Chronicarum und keine sechs Monate später, am 23. Dezember, in der deutschen Übersetzung von Georg Alt. Die Bebilderung der mit 1809 Holzschnittdrucken am reichsten illustrierten Inkunabel überhaupt war in den beiden Nürnberger Ausgaben identisch. Während viele der Graphiken mehrfach im Buch erscheinen – insgesamt wurden 645 verschiedene Holzschnitte verwendet –, bleibt der Holzschnitt mit der Darstellung Mohammeds als Richter auf diese Verwendung beschränkt. Bei der Augsburger Ausgabe von 1496 bei Johann Schönsperger (Kat. 3b) handelt es sich um einen Raubdruck, der die Übersetzung von Georg Alt und verkleinerte Nachschnitte der Nürn­berger Ausgabe enthält. Im Text wird Mohammed nicht als Richter bezeichnet. Bibliographie: Le Thiec (1994), S. 117; Rücker (1988), S. 124 (zum Raubdruck)

Kat. 4 Horas de Nossa S[e]nora segundo costume Roma[n]o, co[n] as horas do Spirito Sa[n] cto, Paris: Wolfgang Hopyl, 1500. Bildinschrift: Foy – Machumet [Glaube – Mohammed] Folio: 55r Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe 170 mm Beschreibung: Der Textspiegel des Stundenbuches ist eingefasst von verschiedenen Randillustrationen. Rechts oben erscheint Mohammed unter den Füßen der über ihm thronenden Personifikation des Glaubens. Die Frauenfigur im Nonnengewand hält sowohl die Gesetzestafeln als auch das Modell einer Kirche in den Händen, die das Gesetz Mose und die auf den Evangelien gründende christliche Kirche, also das Alte und das Neue Testament symbolisieren. Dass das letztere Attribut in der rechten Hand gehalten wird, verweist auf die ihm zugemessene größere Bedeutung. In der Supraposition der Glaubenspersonifikation versinnbildlicht die Graphik das bereits seit der Spätantike

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bekannte Thema der Psychomachia, den Kampf der Tugenden gegen die Laster um die Seele des Menschen, sowie letztlich den Triumph der Tugend. Im 16. Jahrhundert gemeinhin als ein Vertreter der Häresie gedeutet, erscheint Mohammed hier als die Verkörperung des falschen Glaubens. Anmerkung: Bei diesem Titel handelt es sich um ein portugiesisches Stunden- bzw. Gebetsbuch. Die Reihe der Tugend- und Lasterpersonifikationen, die hier jeweils durch historische Figuren vorgenommen werden, setzt sich wie folgt zusammen: Glaube – Mohammed, Hoffnung – Judas, Caritas – Herodes (?), Stärke – Holofernes, Gerechtigkeit – Nero, Klugheit – Sardanapal und Mäßigung – Tarquinius [Superbus]. Von dem Gebetbuch haben sich lediglich zwei Kopien erhalten, die sich heute in der Library of Congress in Washington und in der Biblioteca Nacional de Portugal in Lissabon befinden. 2009 erschien ein Faksimile des Washingtoner Exemplars mit einem Kommentarband. Bibliographie: Horas de Nossa Senhora (2009)

Kat. 5 (Abb. 12) Here begynneth a lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron. And also it speketh of Machamet the nygromancer, London: Wynkyn de Worde, 1515 (1519). Folio: Ir Technik: Holzschnitt Maße: Bild 94 × 87 mm Beschreibung:siehe Hauptext S. 61–64. Anmerkung: Bei der im Treatyse de Wordes enthaltenen Lebensbeschreibung des Propheten handelt es sich um einen Auszug aus der englischen Übersetzung von Mandevilles fiktivem Reisebericht ins Reich des Priesterkönigs Johannes (Kat. 1, 2), der bereits ein Jahr zuvor bei de Worde erschien. Bibliographie: Dimmock (2013), S. 53–56; Chauvin XI, S. 174, Nr. 605; Driver (1996) (generell zu den Buchillustrationen de Wordes)

Kat. 6 (Abb. 10) Rijkel, Dionysius (Dionysius Cartusianus): Alchoran. Das ist des Mahometischen Gesatzbuchs und Türkischen Aberglaubens ynnhalt und ablaehnung, Straßburg: Hans Schott, 1540. Bildüberschrift: Der Juden ußschutz / Sergius der Ketzer. Mahomet Seite: Titelseite Technik: Holzschnitt Maße: Blatthöhe c. 300 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 54–57.

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Anmerkung: Das Buch beruht auf den um 1454 verfassten Contra Alchoranum et sectam Machometicam libri quinque des Kartäusermönches Dionysius Rijkel (1402–1471). Das Werk entstand angesichts der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen (1453) auf Anregung des Kardinals Nikolaus von Kues. Das Buch erschien 1533 zunächst auf Latein und ohne Titelillustration in Köln bei Peter Quentel. Der Verfasser der sehr freien und gekürzten deutschen Übersetzung ist unbekannt. Bibliographie: Bobzin (2010), S. 14; Francisco (2007), S. 98; Bobzin/Kleine (2007), S. 14; Bobzin (1995), S. 70 –71; Hagemann (1976), S. 51 –55; Mougel (1898), S. 95

Kat. 7a–b (Abb. 7–8) 7a Münster, Sebastian: Cosmographia. Beschreibung aller Lender durch Sebastianum Munsterum, in wölcher begriffen aller Völcker Herrschafften, Stetten […] Härkommen, Sitten, Gebreüch […], fürnemlich teütscher Nation; alles mit Figuren und schönen Landttafeln erklärt […] durch gemelten Sebast. Munst. allenthalben fast seer gemeret und gebessert […], Basel: Henricus Petri, 1545. Folio: [IVv] und Seiten DCXCIV, DCCXXXVI Technik: Holzschnitt Maße: Bild 87 × 55 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 50. 7b Münster, Sebastian: Cosmographei oder Beschreibung aller Länder, Herschafften, fürnemsten Stetten, Geschichten, Gebreüchen, Hantierungen […], Basel: Henricus Petri, 1550. Folio: IVv Technik: Holzschnitt Maße: Bild 112 × 67 mm Datierung der Graphik: 1549 Beschreibung: siehe Hauptext S. 50–52. Anmerkung: Die Cosmographia Münsters erlebte europaweit in verschiedenen Übersetzungen über 40 Auflagen. Interessant ist die mehrfache Verwendung der Graphiken. So wurde der Holzschnitt 7a in der Basler Ausgabe von 1545 (Erstausgabe 1544) gleich dreimal verwendet, dabei jeweils als Darstellung Mohammeds. Dies änderte sich jedoch in den späteren Ausgaben, in denen mit derselben Graphik unterschiedliche Personen repräsentiert werden. Der Holzschnitt 7b dient ebenso als Darstellung Osmans, des Gründers der osmanischen Dynastie. Die so vollzogene bildliche Gleichsetzung von Mohammed

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und Osman wird auch in den folgenden Editionen, etwa in der lateinischen Ausgabe bei Henricus Petri (1552) und in der italienischen Fassung Cosmographia universale (1575) beibehalten. In der Ausgabe von Henricus Petri (1550) erscheint Mohammed nicht nur in der Form von Kat. 7b, sondern in der Passage zu „Mahomets Ursprung“ auf Seite DCXXVI ebenfalls als Kat. 7a. Bibliographie: McLean (2007), S. 255 –256; Meier (1995), S. 464; Almond (1989), S. 66, 88

Kat. 8 (Abb. 14) L’Alcorano di Macometto, nel quale si contiene la doctrina, la vita, i costumi, e le leggi sue, übers. v. Giovanni Battista Castrodardo, Venedig: Andrea Arrivabene, 1547. Seite: Holzschnitttitel Technik: Holzschnitt Maße: Blatt 200 × 144 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 65–77. Anmerkung: Diese erste gedruckte volksprachliche Publikation des Korans beruht auf dem lateinischen Koran, den Theodor Bibliander 1543 in Basel drucken ließ. Dieser geht wiederum auf die erste lateinische Übersetzung zurück, die Robert von Ketton im Auftrag von Petrus Venerabilis, dem Abt von Cluny, 1143 in Toledo anfertigte. Bibliographie: Tommasino (2008); Bobzin/Kleine (2007), S. 17; Hamilton (2005), S. 203; Hamilton/Richard (2004), S. 93; Pelusi (2000), S. 163; Bobzin (1995), S. 264–268; Bobzin (1993), S. 197; Setton (1992), S. 49; Binark/Eren/İhsanoğlu (1986), Nr. 985/1; Ascarelli/ Menato (1989), S. 367; De Frede (1967)

Kat. 9a–g (Abb. 17, 20, 21, 26) I. Acta Mechmeti I Saracenorvm principis: natales, vitam, victorias, imperivm et mortem eius ominosam complectentia; genealogia successorum eiusdem ad modernum vsq[ue] Mechmetem III. Ex variis hinc inde auctoribus fide dignis diligenter congesta. II. Vaticinia Severi et Leonis in Oriente impp. cum quibusdam aliorum aliis interitum regni Turcici sub Mechmete hoc III. prædicentia. Iconibvs Artificiose In ære sculptis paßim exornata, recens foras data, Frankfurt a. M.: Johann Theodor und Johann Israel de Bry, 1597. Künstler: Johann Theodor de Bry Technik: Kupferstich 9a Seite:Titelblatt Maße: Blatt 189 × 147 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 84–89.

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9b Seite: 8 Maße: Bild c. 102 × 108 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 108–110. 9c Seite: 13 Maße: Bild c. 102 × 108 mm Beschreibung: Vor dem Atrium einer Villa und einem Landschaftsausblick findet die Krönung des Propheten statt. Der Text berichtet, dass Mohammed, nachdem er das Heer des byzantinischen Kaisers geschlagen und Syrien erobert habe, von seinen Anhängern zum König gewählt worden sei. Darauf habe er zehn Jahre regiert. Gemeint sein kann also nur die Flucht nach Medina im Jahr 622, wo Mohammed erstmals die Rolle eines politischen Anführers bekleidete. Ebenso wie das Zeremoniell der Krönung, das lediglich den christlichen Bräuchen entspricht, ist auch die Beschreibung der militärischen Siege historisch falsch – die Eroberung Syriens etwa ereignete sich erst 634, also zwei Jahre nach dem Tod Mohammeds. Vgl. Hauptext S. 91f. 9d Seite: 15 Maße: Bild c. 102 × 108 mm Beschreibung: Das Bild zeigt den Propheten von einem epileptischen Anfall zu Boden geworfen vor einem in einer Halle versammelten Publikum. Die beistehenden Figuren, die wie Mohammed selbst zeitgenössische osmanische Gewänder tragen und zum Teil direkt auf Boissard zurückgehen, sind in Gesten der Verzückung dargestellt. Dies soll illustrieren, dass sie Mohammeds Anfälle für Zwiegespräche mit dem Erzengel Gabriel hielten. Der Text bezeichnet die Krankheit jedoch als eine göttliche Strafe. 9e und 9f Seiten: 17, 18 Maße: Bild jeweils c. 102 × 108 mm Beschreibung: Die beiden Kupferstiche illustrieren die christlichen Legenden von Mohammeds fingierten Wundern, die er durch Tierdressuren bewerkstelligt habe. Mohammed steht jeweils im Zentrum des Bildes auf einem von Renaissancearchitekturen geprägten öffentlichen Platz und wird von einer Menschenmenge umringt. Einmal bringt ihm eine dressierte Taube, das andere Mal ein Ochse eine vermeintlich göttliche Botschaft.

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9g Seite: 25 Maße: Bild c. 102 × 108 mm Beschreibung: Die Graphik stellt den Tod des Propheten dar. Mohammed ist in dem Moment gezeigt, als er von seinem in einer Palastaula stehenden Stuhl längs zu Boden stürzt. Auf der linken Bildseite eilt ein Mann mit einem Räuchergefäß in der Hand aus dem Bild. Der Text berichtet hierzu, Mohammed sei von einem seiner Getreuen vergiftet worden. Im Hintergrund erscheint eine zeitlich spätere Geschichte. Der tote Körper des Propheten liegt auf dem Boden eines öffentlichen Platzes und drei Hunde machen sich an dem Leichnam zu schaffen. Davon wird im Text nicht berichtet. Hier heißt es lediglich, dass Mohammeds Körper in Erwartung seiner Auferstehung nicht beerdigt worden sei. Als jedoch nach zwölf Tagen die Verwesung eingesetzt habe, sei er schließlich doch in Mekka begraben worden. Der Künstler bezieht sich mit der Darstellung im Hintergrund stattdessen auf eine andere christliche Überlieferung, die sich bis auf die Istoria Mahomet aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhundert zurückführen lässt. In dieser wird behauptet, der Leichnam des Propheten sei von Hunden aufgefressen worden. Anmerkung: Die im Buch enthaltene Lebensbeschreibung des Propheten geht auf das Pamphlet Von geringem herkommen, schentlichem leben, schmehlichem ende des Türckischen Abgots Machomets […] zurück, das 1542 von Heinrich Knaust (Henricus Cnustinus) verfasst wurde. Die Quelle wird im Buch nicht erwähnt. Die Zusammenstellung der deutschen Ausgabe erfolgte durch Michael Julius, über den in der Forschung nichts bekannt ist. Die hier gezeigten Abbildungen stammen aus der lateinischen Fassung, die auf der im selben Jahr publizierten deutschen Publikation beruht. Die verwendeten Druckplatten und die Textbildbezüge der lateinischen und deutschen Ausgabe sind identisch. Bibliographie: Groesen (2008), S. 403–404; Ilg (2008), S. 161–192; Le Thiec (1994), S. 123–132

Kat. 10a–b (Abb. 34) 10a Apocalypsis insignium aliquot Haeresiarcharum, qua visiones et insomnia ipsis per somnis patefactae, […] unaque opera vitae ac mortes coelo Latino donantur: superadditae 17 eorum icones, Leiden: Henrik van Haestens, 1608. Bildtitel: MACHOMET DEN AERTS KETTER Seite: 56 Künstler: Originalkupferstich von Christoffel van Sichem Technik: Kupferstich Maße: Blatt 180 mm (Originalstich van Sichems 160 × 120 mm) Datierung: Originalstich 1606/7

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10b Apocalypsis, or The revelation of certain notorious advancers of heresie: wherein their visions and private revelations by dreams, and discovered to be most incredible blasphemies, and enthusiastical dotages […]. Whereunto are added the effigies of seventeen (who excelled the rest in rashness, impudence an lying), done in Copper Plates. Faithfully and impartially translated out of the Latine by John Davis, London: E. Tyler, 1655. Bildtitel: MAHOMETUS / Adsum Ingens Mahometes ego, lachrymabile mundi / Prodigium, omnigeni dux, et origo mali Seite: 58 Technik: Kupferstich Maße: Blatthöhe c. 162 mm, Bild c. 113 × 82 mm Beschreibung: Die beiden Fassungen 10a und 10b sind hinsichtlich der Darstellung Mohammeds weitgehend identisch, wobei die spätere Graphik 10b das Gesicht seitenverkehrt wiedergibt. Vgl. Hauptext S. 126–133. Das von van Sichem gefertigte Bildnis des Propheten beruht auf einer Abwandlung einer Darstellung des osmanischen Sultans Mehmet II. aus Vasco Díaz Tancos Türckische Chronica von 1577 (Abb. 19). Anmerkung: Die Kupferstiche wurden 1606/7 zunächst als Einblattdrucke mit deutschen und holländischen Bildunterschriften verbreitet und 1607 erstmals von Henrik van Haestens unter dem Titel Grouwelen der voornaemster hooft-ketteren zu einem Buch zusammengestellt. 1608 gab Haestens das Buch erneut in unterschiedlichen Übersetzungen heraus. In lateinischer Sprache erschien die Schrift bei Haestens mit zwei verschiedenen Titeln. Als oben genannte Apocalypsis […] und als Speculum Anabatisti furoris. Der niederländische Titel ist Historische beschrijvinge ende afbeeldinge der voornaemste hooft-ketteren, der deutsche Greuwel der vornahmsten Haupt-Ketzeren […] Zugleich mitt ihrer Abcontrafaitung, ihrem Leben, Lher [sic], Anfang vnnd Ende […] beschrieben. Das Buch erfreute sich großer Beliebtheit und muss auch kommerziell ein Erfolg gewesen sein. Bereits 1609 gab Jan Jansz in Arnheim eine weitere lateinische Fassung mit dem Titel Iconica et historica descriptio praecipuorum haeresiarcharum […] heraus und im Jahr 1623 erschien eine weitere niederländische Ausgabe in Leiden bei Jan Claesz van Dorp. Die erste englische Edition erschien 1655 zusammen mit der zweiten Ausgabe von Alexander Ross’ Pansebeia. In den Jahren 1658, 1671, 1675, 1683 und 1696 folgten weitere englische Ausgaben. Bibliographie: Simoni (1995), S. 163–164; Coppens (1987), S. 185–204 (zu Haestens); Simoni (1985), S. 187–194 (zu Haestens); Briels (1974), S. 95, 305–309; Hollstein (Dutch & Flemisch) XXVII, S. 19 (zu van Sichem)

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Kat. 11 Cramer, Daniel: Apocalypsis, oder Offenbahrung S. Johannis, sampt einer richtigen Erklerung, so wol wegen historischer Erfüllung aller und jeden hierin enthaltenen Geheimnussen […] Allen bedrengten Christen zu Nutz, wieder das Reich des Antichrists in Orient und Occident, auch alte und newe Ketzer und Feinde der Kirchen Christi, ans Liecht gegeben […], Stettin: Johan C. Landtrachtinger, 1618. Folio: Faltblatt zwischen 33v und 34r Technik: Holzschnitt Maße: Blatt 190 × 140 mm, Faltblatt 376 × 214 mm Beschreibung: Analog zur Ikonographie der Wurzel Jesse als Genealogie Christi zeigt der Holzschnitt in einer allegorischen Darstellung den Ursprung, die Verbreitung und die unterschiedlichen Ausformungen der Häresie nach protestantischem Verständnis. Am unteren Ende des Blattes ist der auf dem Boden liegende Simon Magus als Wurzel aller religiösen Irrlehren dargestellt, aus dessen Mund Flammen und unreine Geister aufsteigen und aus dessen Brust zwei Stränge einer Pflanze erwachsen. Zu beiden Seiten in die Höhe strebend, sind an den beiden Hauptästen und Verzweigung der Pflanze jeweils Blätter angebracht, auf denen bestimmte Formen religiöser Irrlehren genannt werden. Als unterschiedliche Ausprägungen derselben Wurzel stehen sich am oberen Ende des Blattes, gleichsam als Blüten, die Köpfe eines Papstes und eines osmanisch gekleideten Mannes gegenüber. Die Unterschriften kennzeichnen die beiden als Vertreter des „Papismus“ bzw. des „Mahometismus“. Ob es sich bei der rechten Figur um Mohammed handeln soll oder um den osmanischen Sultan als den zeitgenössischen Anführer des Islam, kann nicht entschieden werden. Anmerkung: Der Autor unterteilt die Ketzer in Bezug auf ihre fehlgeleiteten Lehren über die Natur Christi in vier Klassen. Alle Klassen wurzelten in Simon Magus, „welcher nach außspruch Irenaei aller Ketzer Patriarch und Großvater ist, gleichsam wie in eine Hauptwurzel gesamelt, darauf diß Otterngeziecht entsprossen. Auß welchen beyden ersten Classibus hernacher der Römische Antichrist mit seinem Pabstumb als das rechte Früchtlin entsprossen ist, durch die fünfte Posaune folgendes angedeutet. Aber auß der dritten und vierdten Classe, ist der Türckische Antichrist, mit seinem Alcoran, entsprossen […]. Wie ich solches in diesem Arbore consanguinitatis veterum Haereticorum jederman habe für Auge stellen, und etlicher massen delinieren wollen.“ (fol. 33v) Mit dieser Darstellung entspricht Cramer nicht nur der schon bei Luther geäußerten Gleichsetzung von Papst und Türke als den Ausprägungen eines geistigen und eines körperlichen Teufels, in der Kategorisierung der Irrlehren steht das Buch ebenso in der Tradition der Häretikerkataloge. Bibliographie: Bames (1988), S. 237–238

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Kat. 12 (Abb. 37) Baudier, Michel: Histoire générale de la religion des Turcs, Avec la naissance, la vie, et la mort, de leur prophete Mahomet, et les actions des quatre premiers Caliphes qui l’ont suiui. Celles du prince Mahuuias. Et les rauages des Sarrasins en Europe aux trois premiers siècles de leurs loy. Ensemble le tableau de toute la Chrestienté a la venue de Mahomet, Paris: C. Cramoisy, 1625. Bildüberschrift: MAHOMET PROPHETE DES TVRCS Seite: 7 Technik: Kupferstich Maße: Blatt 240 mm, Bild c. 147 × 152 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 133–145. Anmerkung: Dieselbe Graphik sowie ein qualitativ abfallender und seitenverkehrter Nachstich erschienen in zwei unterschiedlichen Ausgaben des Jahres 1632. Zudem diente der Kupferstich als Vorlage für weitere Darstellungen Mohammeds, vgl. Kat. 22, 24, 65. Eine weitere Ausgabe der Histoire, die ebenfalls dasselbe Bildnis enthält, erschien 1641 in Rouen bei Jean Berthelin. Bibliographie: Le Thiec (1994), S. 134–135; Chauvin XI, S. 145, Nr. 463, Chauvin XII, S. 38, Nr. 140

Kat. 13 Historie van den oorspronck, geslacht, geboorte, opvoedinge en leere des grooten valschen Propheets Mahomets, als mede hoe hy zijn secte onder de menschen gestroyt […] Hoe verre en breet hy zijn Rijck onder de Turcken verbreydet heest: en wat van de Roomsche Keyserer Leone en Severotot op dese tegen woordige tijt toe daer as voorseyt is, Amsterdam: Jansz Broer, 1627. Seite: Titelblatt Technik: Kupferstich Maße: Blatt 171 × 130 mm Beschreibung: Der Kupfertitel zeigt in Form einer cornice istoriata zehn unterschiedliche Szenen, welche das zentrale Titelfeld einrahmen. Neun dieser Darstellungen sind aus der Biographie des Propheten Mohammed in den Acta Mechmeti der Gebrüder de Bry von 1597 (Kat. 9) übernommen. Lediglich die Darstellung eines Heerzuges mit osmanischen Figuren geht wohl auf eine andere Vorlage zurück. Nach dem italienischen Koran von 1547 (Kat. 8) ist dies das zweite Titelblatt, das mit einer Bilderbiographie Mohammeds wirbt. Jedoch kommt dem Titelblatt weder hinsichtlich der künstlerischen Umsetzung noch in Bezug auf die Ikonographie ein besonderer Stellenwert zu. Anmerkung: Auch der Text des Buches ist eine Kopie der Acta Mechmeti und umfasst neben der Lebensbeschreibung des Propheten ebenso die Prophezeiungen der Byzantiner Leo und Severus. Die Szenen des Titelblattes erscheinen in eigenen Kupferstichen

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von höherer Qualität innerhalb des Buches ein zweites Mal. Eine weitere Ausgabe, ebenfalls mit Titelkupfer, erschien 1640. Bibliographie: Theunissen (1989), S. 39–40, Chauvin XI, S. 170, Nr. 571–572

Kat. 14 Schuster, David: Mahomets und Türcken Greuel: das ist kurtze doch allgemeine historische Entwerfung des Mahometisch und Türckischen Unwesens Ursprung, Krieg, Tyranney, Glaubens und Sitten: in V Theile ordentlich verfast, Frankfurt a. M.: Johann Baptista Schönwetter, 1664. Bildtitel: Mahomet Seite: Titelblatt Technik: Kupferstich Maße: Blatt 199 × 160 mm, Bild 192 × 146 mm Beschreibung: Mohammed erscheint hier lediglich als kleine Figur in der zentralen Vignette am unteren Rand des architektonisch gegliederten Titelkupfers. Wie häufig bei den Kupfertiteln arbeitet auch dieses Blatt mit einer Gegenüberstellung, in diesem Fall des Habsburger Herrschers auf der einen und der Figur des osmanischen Sultans auf der gegenüberliegenden Seite des zentralen Titelfeldes. Die Szene wird überfangen von einer Darstellung des richtenden Christus, der den zu seiner rechten Seite stehenden Kaiser mit einer aufwärts weisenden Geste positiv beurteilt und den Osmanen zur Linken mit einer abwärts weisenden verurteilt. Über dem christlichen Herrscher befindet sich ein Palmzweig und über dem Osmanen ein flammendes Schwert. Analog zur Gegenüberstellung der weltlichen Herrscher erscheint Mohammed in der Basis der Architektur hier in Opposition zu Christus: Statt in einer himmlischen Zone ist er in einer irdischen Landschaft gegeben und kniend dargestellt und statt richtend, wie Christus, empfängt er eine Strafe durch zwei satyrhafte Teufelsgestalten, die ihn von beiden Seiten peinigen. Anmerkung: In seiner Einleitung geht Schuster auf die „gegenwärtig[e] Türkische[ ] Unruhe“ ein, die zu vielen Publikationen dieser Art geführt habe. Dennoch sei es nicht schädlich, sondern nützlich, „den gantzen Verlauff von Anfang deß Mahomets, biß auff gegenwärtige gewaltthätige Türkisch-Sultanische Regierung“ kurz darzustellen. In seiner literarischen Darstellung des Lebens Mohammeds (S. 1–40) folgt er zum Teil den Texten des Corpus Toletanum, so etwa in der Darlegung der Herzwaschung des Propheten, zum Teil aber auch anderen Quellen, etwa bei den Berichten über weitere Wunder. Wie in den Acta des Verlagshauses de Bry (Kat. 9) stirbt Mohammed auch hier durch eine Vergiftung. Bibliographie: Falkner (2004), S. 408, 412

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Kat. 15 Wallich, Johann U.: Religio turcica. Mahometis vita et orientalis cum occidentali Antichristo comparatio. Das ist: kurtze warhafftige gründ- und eigendliche Beschreibung türckischer Religion, Leben wandel und Todt dess arabischen falschen Propheten Mahometis, und vergleichung beyder orientalischen und occidentalischen Antichristen, Stade: Typis Holvinianis, 1659. Seite: Frontispiz Technik: Kupferstich Maße: Blatthöhe 187 mm Beschreibung: Die Graphik zeigt Mohammed im Zentrum einer ihn umringenden Gruppe orientalisch gewandeter Männer. Er verweist mit einem Stab auf den in der Mitte auf einem Sockel platzierten „Alkoran“. Mit dem Ochsen, der ebenfalls im Kreis der Leute steht und sich von links auf den Koran zubewegt, und der Taube, die neben dem Ohr des Propheten fliegt, wird auf Mohammeds vermeintlich fingierte Wunder hingewiesen. Unterhalb des Korans finden sich eine Fackel und ein Schwert mit einer Doppelklinge, das nach islamischer Überlieferung das Schwert ‘Alīs (Dhū l-faqār) ist, hier aber wohl nicht dezidiert auf die Schia, sondern mit der Fackel lediglich auf die vermeintlichen „Werkzeuge“ der muslimischen Religion verweisen soll. Die dunkle Wolke über dem Kopf des Propheten wird vom Illustrator geschickt in ihrer Ambivalenz eingesetzt. Einerseits verweist sie auf ein Wunder, das in Mohammeds Jugend geschehen sein soll, andererseits kann sie in christlicher Bildtradition als Zeichen kommenden Unheils gelesen werden. Anmerkung: Johann Ulrich Wallich war Sekretär des schwedischen Gesandten am osmanischen Hof, weshalb er ab 1657 einige Jahre in Istanbul verbrachte. Nach seiner Rückkehr nahm er in Stade hohe Ämter bei Gericht ein. Eine weitere Ausgabe seiner Religio turcica erfolgte 1664. Bibliographie: Chauvin XI, S. 197, Nr. 720, Bertuch XXX (1809), S. 204–205

Kat. 16a–b 16a Manesson-Mallet, Alain: Description de l’univers. Contenant les différents systêmes du monde, les cartes générales & particulières de la géographie ancienne & moderne: les plans & les profils des principales villes & des autres lieux plus considérables de la terre: avec les portraits des souverains qui y commandent, leurs blasons, titres & livrées: et les mœurs, religions gouvernements & divers habillements de chaque nation, 5. Bde., Bd. 2, Paris: Denys Thierry, 1683.

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Bildtitel: Mahomet Seite: 201 Technik: Kupferstich Maße: Blatt 200 × 151 mm, Bild 130 × 120 mm Beschreibung: Der Kupferstich zeigt Mohammed im ganzfigurigen Bildnis vor einer Landschaft mit einem Berg und Bäumen im Hintergrund. Die stehende, reich gewandete Figur nimmt fast die gesamte Höhe des hochformatigen Bildes ein. Verstärkt wird der so entstehende Eindruck der Größe Mohammeds durch die sehr tiefliegende Horizontlinie. So ist der Berggipfel im Hintergrund im unteren Drittel des Bildes dargestellt und auch die weißen Wolken im Hintergrund bleiben auf die untere Bildhälfte beschränkt. Mohammed trägt ein Gewand aus schwerem Stoff mit einer mit Fransen geschmückten Bordüre und darüber einen ebenfalls voluminösen Umhang mit Pelzbesatz. Auf dem Kopf hat er einen großen, mit zwei goldenen Knöpfen an der Stirn und einer großen Feder geschmückten Turban. Letztere kommt in ähnlicher Form auch bei osmanischen Turbanen vor (balıkçıl). Das an französische Königsporträts (wie etwa Hyacinthe Rigauds „Ludwig XIV.“) erinnernde Standmotiv wird von dem langen, schräg auf den Boden gesetzten Stab und der eleganten Pose Mohammeds unterstrichen. Unter dem Gewand Mohammeds ist zudem die geschwungene Scheide ein langes Krummschwertes zu sehen. Anmerkung: Die Kosmographie des französischen Geographen und Militäringenieurs Manesson-Mallet erschien erstmals 1683 in fünf Bänden und bereits 1684/85 bei dem in Frankfurt ansässigen Johann David Zunner als Beschreibung des gantzen Welt-Kreysses in deutscher Übersetzung. Eine weitere französische Ausgabe mit derselben Bebilderung erschien 1719 sowohl in Paris als auch in Frankfurt. Das Herrscherporträt Mohammeds figuriert in einer Reihe weiterer „Bildnisse“, mittels derer dem Leser die Herrscher der vorgestellten Regionen präsentiert werden. Für die Darstellung Mohammeds griff der Illustrator auf die Vorlage einer Radierung von Jacques Bellange zurück, die „Melchior“ als nubischen König und einen der drei Weisen aus dem Morgenland zeigt. („Tres Magi, Melchior Rex Nubiae“, 285 × 183 mm, Bellange inuent. Jac: ab signed excu: / Argentinae. Merinan scul. Basilae). Dass die Auseinandersetzung mit dem Islam über die Ikonographie der „Drei Könige“ verhandelt wurde, ist kein Sonderfall und entsprach schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts der künstlerischen Praxis, wie eine Graphik von Martin Schongauer zeigt (vgl. Haupttext S. 41). Die Figur Melchiors, die in der Radierung Bellanges ein Gefäß als Geschenkgabe trägt, hat der Kupferstecher für die Darstellung Mohammeds jedoch leicht abgewandelt und das Gefäß durch einen Stab ersetzt. Zudem versah er Mohammed mit einem Schwert, das in der Vorlage nicht erscheint. Entsprechend dieser recht positiven Darstellung des Propheten gestaltet sich auch die zweiseitige Lebensbeschreibung Mohammeds (S. 199–200). Zwar wird Mohammed als „prétendu prophète“ und zuvor auch als „faux prophète“ bezeichnet, jedoch ist die Schilderung bis auf die beiläufige Erwähnung der angeblichen Fallsucht, die Mohammed als göttliche Offenbarung ausgegeben habe, frei von apologetischen Motiven.

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16b Thesaurus Exoticorum, Oder eine mit Außländischen Raritäten und Geschichten wohlversehene Schatz-Kammer: Fürstellend Die Asiatische, Africanische und Americanische Nationes […] Darauff folget eine umständliche Beschreibung von Türckey: Der Türcken Ankunfft; aller Sultanen Lebens-Lauff und Bildnüß; […] Wie auch ihres Propheten Mahomets LebensBeschreibung, und sein Verfluchtes Gesetz-Buch oder Alcoran […], hrsg. v. Eberhard Werner Happel, Hamburg: Thomas Wiering, 1688 Seite: 245 Künstler: Hans Wiering Technik: Holzschnitt Maße: Blatt 355 × 225 mm, Bild 196 × 136 mm Beschreibung: Der wenig kunstvolle Holzschnitt ist eine Kopie der Darstellung Mohammeds im Werk Mallets. Die Landschaft im Hintergrund wurde leicht abgewandelt. Statt eines Berges und einer Baumlandschaft sind nur noch ein Baum und ein niedriger Hügel gezeigt, wodurch die Landschaft weniger erhaben wirkt. Anmerkung: Der Thesaurus Exoticorum ist von einer deutlich antiislamischen Prägung und erschien wahrscheinlich als Reaktion auf den Sieg über das osmanische Heer vor Wien 1683. In der Einleitung werden die Osmanen etwa als die „europäischen Barbaren“ und als „Erz-Feind Christlichen Nahmens” bezeichnet. (Einleitung, fol. 3v) Neben der Be­schreibung der Erdteile enthält das Buch eine Biographie Mohammeds und eine vollständige Übersetzung des Korans. Darin werden nicht nur die Legenden von Mohammeds gefälschten Wundern erzählt, auch die Charakterisierung des Propheten fällt äußerst negativ aus: „Summa er thät nichts anders als Kriegen / Rauben / Tödten / Huren / Frauen und Jungfrauen schänden / und umb zu bezeugen / daß er alle und jede in Unzucht übertraff / nahm er ihm elff / oder wie andere wollen / fünfzehn Weiber / und rühmte sich / daß er selbige zugleich und nach einander erkennete.“ (S. 3) Bei der im Buch enthaltenen deutschen Koranübersetzung von Johann Lange handelt es sich um eine Tertiärübersetzung nach der holländischen Übertragung Glazemakers von der französischen Koranübersetzung André Du Ryers. Bibliographie: Bobzin (2010), S. 16; Bobzin/Kleine (2007), S. 23; Hamilton/Richard (2004), S. 116–117; Falkner (2004), S. 420–425; Enay (1995), S. 109–110; Chauvin X, S. 131; Chauvin XI, S. 168; Nagler (1966), Bd. 3, S. 704

Kat. 17a–b Mahomets Alkoran, door de Heer Du Ryer uit d’Arabische in de Fransche taal gestelt; Benevens een tweevoudige Beschryving van Mahomets Leven, […] Alles van niuews door J. H. Glazemaker vertaalt, en te zamen gebracht […], übers. v. Jan H. Glazemaker, Amsterdam: Timotheus ten Hoorn, 1696.

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17a Seite: zwischen 491 und 492 Künstler: Caspar Luyken (1672–1708) Technik: Kupferstich Maße: Blatt 165 × 105 mm 17b Seite: 496 Künstler: Caspar Luyken (1672–1708) Technik: Kupferstich Maße: Blatt 165 × 105 mm Beschreibung: Die beiden Kupferstiche illustrieren zwei Mythen aus den europäischen Lebensbeschreibungen des Propheten, wobei sie mit dem „epileptischen Anfall“ und den gefälschten Wundern mit der Taube und dem Ochsen auf bereits vertraute Ikonographien zurückgriffen. Kat. 17a gibt angeblich Einblick in das Haus des Propheten, auf dessen Boden Mohammed mit ausgestreckten Gliedern auf dem Rücken liegt. Eine Frau und ein Mann stehen über ihm. Während die Frau mit gefalteten Händen andächtig zu Mohammed herunterblickt, erscheint der Mann, der durch den tonsurähnlichen Haarkranz und das gegürtete Gewand wie ein christlicher Mönch aussieht, die Situation zu erläutern. Wahrscheinlich soll es sich bei dieser Szene um die Begegnung eines angeblich mit Mohammed verbündeten häretischen Mönchs mit Hadiga, der ersten Frau des Propheten, handeln, die gerade davon überzeugt wird, dass Mohammeds Anfälle Engelsvisionen seien. Kat. 17b stellt eine Zusammenfassung der beiden apologetischen Ge­ schichten der von Mohammed dressierten Tiere dar, mit denen er dem Volk seine göttliche Gesandtschaft habe vorgaukeln wollen. Anmerkung: Bei dem niederländischen Koran handelt es sich um eine Sekundärübersetzung nach der französischen Vorlage André Du Ryers. Nach der Erstausgabe von 1658, die einen identischen Kupfertitel aufweist, handelt es sich bei der Ausgabe von 1696 um die zweite Edition. Während die erste Ausgabe in Amsterdam bei Jan Rieuwertsz bis auf das Titelblatt noch unbebildert blieb, wurden dem Koran von 1696 weitere Kupferstiche beigegeben. Neben den beiden bildlichen Darstellungen Mohammeds in der an den Koran anschließenden Biographie enthält die Ausgabe vier weitere Graphiken, die Gebetsriten und -haltungen der Muslime zeigen. Diese Graphiken erscheinen identisch ebenso in den späteren Ausgaben von 1698 bei Timotheus ten Hoorn und 1707 bei Hendrik van Damme (Kat. 23). Weitere Ausgaben, die wohl ebenfalls diese Kupferstiche enthalten, erschienen 1698 in Rotterdam bei Adrianus van Dijk, 1704 in Amsterdam bei Timotheus ten Hoorn und 1721 sowie 1734 bei Jan van der Deyster in Leiden. Bibliographie: Hamilton/Richard (2004), S. 115; Enay (1995), S. 82–85; Theunissen (1989), S. 53 (hier Jan Luyken zug.); Binark/Eren (1986), Nr. 194/3; Pearson (1983), S. 506; Hollstein (Dutch & Flemish) XI, S. 133 (286); Chauvin X, S. 129

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Kat. 18 Schmidt, Gregor A.: Sculptura historiarum et temporum memoratrix: Oder Nutz und Lustbringende GedächtnußKunst der merckwürdigsten WeltGeschichten aller Zeiten von Erschaffung der Welt Bis auf das gegenwärtige 1697. Jahr. So wol der studierenden Jugend als auch anderer Liebhaber der Geschichten […] nutzlich […], Regensburg: C. Weigel, und Nürnberg: J. D. Tauber, 1697. Bildtitel: Fuga Mahometis Seite: zwischen 66 und 67; Bildtafel 36 „MILLENARII V. POST CHR: NAT: I. SEC. VII.“ Künstler: Christoph Weigel (1654–1725) Technik: Kupferstich Maße: Blatt 358 × 240 mm, Plattenrand 301 × 214 mm, einzelne Bildfelder c. 62 × 61 mm Beschreibung: Auf dem Eröffnungsblatt des Kapitels zum 7. Jahrhundert präsentiert diese Vignette neben neun weiteren Bildchen die jeweils herausragenden Ereignisse jedes Jahrzehnts. Für die 620er Jahre erscheint hier die Flucht Mohammeds nach Medina. Eingefasst in einen siebeneckigen, geschwungenen Rahmen erscheint Mohammed als zentrale Figur im Bildmittelgrund vor zwei mächtigen Palmen. Der Prophet wird von vier weiteren Männern umringt, wobei er selbst das Wort führt, worauf sein erhobener Finger hinweist. Die Taube auf seiner Schulter ist ein gängiger Hinweis auf den vermeintlichen Religionsbetrug. Das Hauptaugenmerk der Darstellung liegt hier jedoch auf der Exotik der reich gewandeten Figuren und der mit Palmen bestandenen abwechslungsreichen Landschaft im Hintergrund mit ihren Karawanen. Auf den bevorstehenden Aufbruch der Gesellschaft sollen wohl die geschäftigen Figuren in dem Zeltlager zu beiden Seiten des Propheten hindeuten. Um den Vogel auf Mohammeds Schulter als wesentliches Bildelement zu betonen, erscheint er nochmals mit ausgebreiteten Schwingen am Kopf der Darstellung als Figur im Rahmen. Anmerkung: Bei diesem Bild handelt es sich um die erste dem Autor bekannte Darstellung der Hidschra (hiˇgra) im westeuropäischen Buchdruck. Im Vergleich zum Text, der neben der moralischen Verurteilung des Propheten etwa auch berichtet, Mohammeds Leichnam sei von Hunden gefressen worden, erscheint die bildliche Darstellung weit weniger von einer antiislamischen Haltung geprägt. (S. 70) Bereits ein Jahr nach der ersten Publikation erschien eine verkleinerte Ausgabe der Sculptura im Quartformat, in der lediglich die Bildtafeln ohne den erläuterten Text reproduziert wurden. Für die Welt in einer Nuß wurden die Bilder verkleinert und meist auf das Geschehen in der Bildmitte reduziert. Dieses günstigere Buch sollte sich besser zum kindlichen Gebrauch eignen. Während sich das Mohammedbild der Hidschra auch in späteren Ausgaben kaum änderte, zeigen sich bei der textlichen Darstellung seiner Geschichte deutlichere Wandlungen (Kat. 28, 52). Eine weitere Ausgabe mit demselben Bild erschien 1726 bei Christoph Weigel.

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Katalog Bibliographie: Bannasch (2007), S. 197–201, 333; Bauer (1983), Sp. 862–871; Rammensee (1961), S. 148; Brüggemann II, Nr. 948; pictura paedagogica online (3.11.2011)

Kat. 19a–j und 19a1–j1 19a–j Prideaux, Humphrey: La Vie de Mahomet, où l’on découvre amplement la Vérité de l’imposture: Enrichie de figures en Taille-douces, Amsterdam: George Gallet, 1698. Technik: Kupferstich Maße: Blatthöhe 144 mm, Bild je c. 130 × 80 mm 19a1–19j1 Prideaux, Humphrey: La Vie de Mahomet, où l’on découvre amplement la Vérité de l’imposture: Enrichie de figures en Taille-douces, Amsterdam: George Gallet, 1699. Künstler: Jacques Harrewyn (Jacobus Harrewijn) (um 1660 – nach 1732) Technik: Kupferstich Maße: Blatthöhe 145 mm, Bild je c. 127 × 80 mm Anmerkung: Die Motive und Kompositionen der ganzseitigen Kupferstiche der Ausgabe von 1698 (19a–19j) wurden in den Nachstichen von Harrewyn in der Ausgabe von 1699 fast identisch übernommen. Interessanterweise zeigen die Nachstiche jedoch einen größeren Detailreichtum und eine größere Plastizität und Ausdrucksstärke der Bildfiguren, womit sie den Originalen an künstlerischer Qualität leicht überlegen sind. 19a und 19a1 Seite: Kupfertitel Beschreibung: siehe Hauptext S. 183–195. 19b und 19b1 Bildtitel: Cosa un des ajeulx de Mahomet se rend Maitre de Caaba par la boisson a Abu Gabshan Seite: 4/o. P. Beschreibung: Die Szene illustriert die Geschichte von Cosa, eines Vorfahren des Propheten, der durch einen Tausch mit Wein in den Besitz der Schlüssel des Heiligtums der Kaaba gekommen sei. Das Bild verknüpft die Exotik der Gewänder mit einer Landschaftsaussicht, die ein Potpourri antik wirkender Gebäude zeigt. Dass Vorrangstellung im religiösen Kult durch einen Schlüssel ausgedrückt wird, ist dem christlichen Betrachter über die Ikonographie der Schlüssel Petri bekannt. Mit der Betonung der Kraft des Weines, auf dessen Genuss der bacchische Blick des Hüters auf das Trinkgefäß und die auslaufende Flasche zwischen den Figuren verweisen, scheint mit dieser Szene wieder eine Erklärung für die Ablehnung des Weins im Islam gegeben.

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19c und 19c1 Bildtitel: Mahomet marchand, Epusant Cadiga Seite: 14/249 Beschreibung: Der Kupferstich zeigt die Hochzeit Mohammeds und der wohlhabenden Witwe Hadiga. Der im Zentrum des Bildes stehende Mohammed reicht seiner Braut am rechten Bildrand einen Ring als Zeichen der Verbindung, wobei dieser Akt unter den Augen eines zwischen den beiden stehenden Priesters vollzogen wird. Die Darstellung entspricht den in Europa gängigen Hochzeitsikonographien, wobei das zerbrochene Gefäß auf dem Boden keinen christlichen, sondern einen jüdischen Brauch darstellt. Auf den Reichtum der Witwe verweisen die Architektur mit dem Säulenmotiv an der Tür sowie die vielen Gegenstände des Innenraums, die ihre Handelstätigkeit veranschaulichen. 19d und 19d1 Bildtitel: Mahomet prophetizant en extase Seite: 27/179 Beschreibung: Der Titel des Bildes spielt mit dem Eindruck, den die Graphik zunächst erweckt, und bringt damit das Sichtbare in einen noch stärkeren Kontrast zu der Erklärung des Geschehens im Text. Erhöht auf einem Hügel vor einer Stadtvedute stehend, wird Mohammed gerade von einem Anfall heimgesucht, wobei ihn zwei Männer von hinten stützen, so dass er nicht zu Boden fällt. Indem der Prophet nicht auf dem Boden liegend dargestellt ist, liegt der Akzent der Graphik nicht auf der Hilflosigkeit des Propheten, sondern auf dem vermeintlich wundersamen Charakter dieses Momentes. Dieser wird noch dadurch betont, dass zu Füßen des Propheten eine Schriftrolle zu sehen ist und der Zusammenbruch vor einem Gebäude im Hintergrund stattfindet, das durch seine Kuppeln als Sakralbau zu identifizieren ist. Von beiden Seiten nähern sich dem Propheten Figuren mit Suplikationsgesten, welche den Anfall als göttliche Vision auslegen. Damit erhält der Betrachter zunächst denselben täuschenden Eindruck von der Situation wie die Zuschauer im Bild. Erst der Text klärt unter Bezugnahme auf das gängige Vorurteil, Mohammed habe seine epileptischen Anfälle als Engelsvisionen ausgegeben, die dargestellte Geschichte auf. Die Beobachter des Geschehens im Vordergrund des Bildes zeichnen sich durch eine Zusammenstellung vielfältiger exotisierter Gewänder aus. In der Überarbeitung des Bildes (Kat. 19d1) wird dies an den besonders akzentuierten Kostümen noch deutlicher. Zudem hat Harrewyn eine der Figuren ausgetauscht und einen Mann mit Turban, wohl um der Vielfalt willen, durch einen osmanischen Janitscharen ersetzt.

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19e und 19e1 Bildtitel: Fuite de Mahomet de la Mecque a Medine Seite: 82/394 Beschreibung: Der Kupferstich zeigt Mohammed und seine Gefährten, wie sie sich auf der Flucht vor ihren mekkanischen Verfolgern in einer Höhle verstecken. Die beiden unteren Drittel des Bildes sind durch eine wilde Felsenlandschaft geprägt, die von Mohammeds Gefolgschaft und ihren Pferden bevölkert ist. Es scheint, als habe Mohammed die schützende Höhle gerade verlassen, um nach den Verfolgern Ausschau zu halten. Letztere reiten als bewaffneter Heerzug über den Kamm im oberen Drittel des Bildes und nehmen von den Versteckten keine Notiz. In einer späteren Graphik wird das Motiv des sich auf der Flucht versteckenden Propheten nochmals aufgegriffen. (Kat. 63) 19f und 19f1 Bildtitel: Mahom Gener. D’Armee bâtit une Mosquee a Medine Seite: 102/396 Beschreibung: Das Bild zeigt den fürstlich gekleideten Propheten vor seinem Thron. Die Szene spielt im Freien und zeigt im Hintergrund die regen Bauarbeiten an einem runden Zentralbau und an einer Palastfassade. Mohammed gibt mit herrschaftlichem Gestus gerade eine Anweisung an seinen Bediensteten auf der linken Seite, während ein Schreiber an einem Pult rechts neben ihm etwas auf einer Schriftrolle vermerkt. Zwar bezeichnet die Bildunterschrift Mohammed als einen „General der Armee“, jedoch scheinen die beiden Krieger im Vordergrund, deren Waffen am Boden liegen, zu ruhen. Mohammed erscheint hier somit eher als Architekt und in der kreativen Funktion eines Staatslenkers. Die Herrschaftlichkeit der Szene wurde in dem Nachstich durch die Figur eines Schirmhalters hinter Mohammed noch erhöht. 19g und 19g1 Bildtitel: Mahomet Triomphant de ses Voisins Seite: 125/416 Beschreibung: Im Vordergrund des Bildes ist der mit seinem Pferd von links in die Szene reitende Mohammed in Rüstung gezeigt, wie er über zwei ebenfalls berittene Gegner im Kampf triumphiert. Das Geschehen ist Teil einer sich im Hintergrund abspielenden Schlacht zwischen zwei von Palisaden bewehrten Feldlagern. Von dem Lager im Vordergrund stürmen einige Reiter auf galoppierenden Pferden in Richtung der feindlichen Stellung auf der Hügelkuppe. Der im Vordergrund dargestellte Kampf Mohammeds ist von äußerster Dramatik. Der Prophet stellt sich gleich zwei Gegnern, von denen einer bereits zu Boden gestürzt ist, während der andere noch strauchelt. Mit großer Souveränität beherrscht der Prophet sein sich aufbäumendes Schlachtross, wobei er mit der einen Hand den Gegner am Bart festhält und mit der anderen das Schwert schwingt. Die kriegerische Leistung betonte Harrewyn noch, indem er den Propheten die Zügel seines Pferdes sogar mit dem Mund führen lässt.

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19h und 19h1 Bildtitel: Mahomet créé Roy, abat par tout les Idoles Seite: 128/430 Beschreibung: Während vor ihm die steinernen Idole der Kaaba in Stücke geschlagen werden, wird Mohammed im Mittelgrund des Bildes auf einem Podest kniend gekrönt. Im Hintergrund der Szene sind die Lanzen eines Heeres zu sehen. Von links wird dem Propheten eine vorne merkwürdig spitz zulaufende Krone aufgesetzt, von rechts wird ihm ein mit Hermelin besetzter Mantel gereicht. Beides sind Insignien christlicher Herrscher, während das Tragen einer Krone den islamischen Hofzeremonien fremd ist. Am Boden vor dem Propheten sind der Kopf einer Tyche, der Körper einer Diana Ephesos und eine Büste, wahrscheinlich eines Philosophen, zu sehen. 19i und 19i1 Bildtitel: Mahomet Mort et Enterré Seite: 151/441 Beschreibung: Der Körper des verstorbenen Propheten ist in der Mitte des Bildes auf einem parallel zur Bildfläche stehenden altarartigen Totenbett aufgebahrt. Um den Verstorbenen hat sich die Trauergemeinschaft versammelt. Zu dieser gehören rechts zwei Frauen am Fuße des Totenbettes und einige hinter dem Leichnam stehende Soldaten, deren gezogene Schwerter wohl den Aufruhr um die ungelöste Frage der Nachfolge Mohammeds ausdrücken sollen. Gemäß der islamischen Überlieferung wird von den Figuren im Vordergrund unmittelbar neben dem Sterbebett des Propheten das Grab ausgehoben. 19j und 19j1 Bildtitel: Mahomet Polygame, surpris avec Marie Egyptienne Seite: 165/258 Beschreibung: siehe Hauptext S. 180–183. Anmerkung: Von den Nachstichen der Ausgabe von 1699 ist zwar lediglich die letzte Graphik signiert, der in den Blättern jeweils feststellbare identische Umgang mit den Vorlagen und die stilistischen Übereinstimmungen sprechen aber auch bei den anderen Blättern für Harrewyns Autorschaft. Die ersten Auflagen von Prideauxs am Markt sehr erfolgreicher Mohammedvita erschienen 1697 und 1698 in London zunächst auf Englisch und noch ohne Bilder. Das Frontispiz der Amsterdamer Ausgabe von 1698 bei Gallet gibt zwar „1699“ als Jahr an, das darauf folgende Titelblatt jedoch die wohl richtige Angabe „1698“. Die Graphiken (19a–j) wurden in der Folge auch für die Mohammedbiographie des französischen Count de Boulainvilliers, La vie de Mahomed avec des réflexions sur la réligion mahometane et les coutumes des Muselmans (Amsterdam, bei F. Changuion, 1731), wiederverwendet, hier jedoch in leicht veränderter Reihenfolge.

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Katalog Bibliographie: Enay (1995), S. 21; Chauvin XI, S. 149, Nr. 475 (Boulainvilliers), S. 186–187, Nr. 661, 661 (Prideaux)

Kat. 20 Constantinopolitan- oder Türckischer Kirchen-Staat, In welchem Die vornemste Glaubens-Puncten des Alcorans, wie nicht weniger der gantze mahometanische Gottesdienst nebst des falschen Propheten Mahomets Leben vorgestellet wird, Leipzig: Friedrich Grosschuff, 1699. Seite: Frontispiz Technik: Kupferstich Maße: Bild 118 × 80 mm Beschreibung: Das Frontispiz greift die Darstellung Mohammeds in Johann Ulrich Wallichs Religio Turcica (1659) (Kat. 15) auf, zeigt hier aber die Figur des Propheten mit der Taube, dem Ochsen und dem in der Mitte auf einem Sockel präsentierten Koran ohne umstehendes Publikum. Bibliographie: Chauvin XI, S. 186, Nr. 667

Kat. 21a–b Arnold, Gottfried: Historie der kerken en ketteren: van den beginne des Nieuwen Testaments tot aan het jaar onses Heeren 1688 onzydig in ’t Hoogduytsch beschreeven, door den hoog-geleerden Heer Godfried Arnold […]; in het Neederduyts vertaald; vercierd met verscheyde koopere plaaten door den Heer Romeyn de Hooghe, Amsterdam: Sebastiaan Petzold, 1701. 21a Seite: Frontispiz Künstler: Romeyn de Hooghe (1645–1708) Technik: Radierung Maße: Bild 260 × 160 mm Beschreibung: Die Titelradierung zeigt als zentrale Figur die Personifikation der christlichen Wahrheit, die in einem geöffneten Sarkophag stehend an die leibliche Auferstehung Christi erinnert. In ihrer Rechten hält sie eine Standarte mit dem Christusmonogramm, an deren Spitze das in ein Dreieck eingeschriebene Auge Gottes erstrahlt. Die weibliche Personifikation hebt sich mit ihrem von Lorbeer gekrönten Haupt, von dem ein Strahlennimbus ausgeht, von den sie umgebenden Figuren ab, die im Gegensatz zur „nackten“ Wahrheit als deren fehlgeleitete Widersacher präsentiert werden. Am Boden auf dem Vordergrund kauert eine Personifikation des Polytheismus, vor der einige umgeworfene Götzenbilder liegen. Von links wird die Figur des christlichen Glaubens von einer ein Schwert schwingenden und einen Turban tragenden Figur bedroht, die einen Halbmond auf dem Schild trägt. Mit dieser männlichen Figur kann auf die kon-

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kreten Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich beziehungsweise auf den „kriegerischen“ Islam generell angespielt sein. Der Mann ähnelt Mohammed, der später im Buch ebenfalls im Bildnis präsentiert wird. Hinter der christlichen „Wahrheit“ ist ein kleiner, bereits überwundener Teufel in Harpiengestalt zu erkennen und rechts eine Figur mit Eselsohren und Maske, welche die Häresie verkörpern soll. 21b Bildtitel: MAHOMETH Seite: 469 Maße: Bild 260 × 160 mm Beschreibung: Die Graphik erscheint vor der Lebensbeschreibung des Propheten und zeigt ihn in voller Größe auf dem sockelartigen Bruchstück einer Architektur posierend. Zusammen mit dem Sockel, auf dem „MAHOMETH“ steht, nimmt die Figur Mohammeds die gesamte Höhe des Bildes ein. Der Prophet wirkt durch das Schrittmotiv und die Drehung des Körpers in der eigenen Achse, die durch den Griff der rechten Hand nach dem auf der linken Körperseite gegürteten Schwert entsteht, sehr bewegt. Neben dem Schwert mit dem Adlerknauf, das auf den imperialen Anspruch des Trägers verweist, hält Mohammed in der anderen Hand noch eine Schreibfeder, womit Schwert und Feder als die wesentlichen Instrumente Mohammeds vorgestellt werden. Die mit der Feder versinnbildlichte Bedeutung der Lehre des Propheten wird durch die aus der Bildtiefe heranfliegende Taube, die zum Standardattribut für die vermeintliche Falschheit des Propheten geworden war, jedoch negativ konnotiert. Im Hintergrund der Szene erscheint links ein Kuppelbau mit Halbmond und rechts unterhalb des Sockels des Propheten eine Gruppe sprechender Männer, von denen einer dem Betrachter den Rücken zuwendet und einen Mönchshabit trägt. Ein weiterer Mann wird mittels seines Turbans als orientalisch-islamisch charakterisiert. Weiter im Hintergrund ist rechts ein Weg zwischen zwei Felsen zu erkennen, auf dem eine Person mit einigen Kamelen dargestellt ist – wohl eine Karawane, die im Begriff ist, die auf dem Hügel rechts im Hintergrund liegende Stadt zu verlassen. In seiner Gestaltung greift das Blatt die Komposition von Prideauxs Kupfertitel (Kat. 19a) auf. Anmerkung: Bei dem Buch des pietistischen Theologen Gottfried Arnold (1666–1714) handelt es sich um eine Geschichte der Kirchen- und Irrlehrer, in der die herausragenden Theologen, aber auch die Häretiker zum Teil eigens mit Bildnissen vorgestellt werden. Die Zuschreibung der Graphiken an Romeyn de Hooghe hat sich erst in der jüngeren Forschung durchgesetzt. In seinem Werkkatalog zu de Hooghe als Buchillustrator führt John Landwehr die Arbeiten nicht an.

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Bibliographie: Hunt/Jacob/Mijnhardt (2010b), S. 251; Spaans (2008), S. 51; Landwehr (1970), S. 93

Kat. 22 (Abb. 42) Nerreter, David: Neu eröffnete Mahometanische Moschea + der Alkoran selbst, Nürnberg: Wolfgang M. Endters, 1703. Bildinschrift: MAHVMED der Falsche Prophet Seite: 44 Künstler: Christoph Weigel (zug.) (1654–1725) Technik: Kupferstich Maße: Blatthöhe 164 mm, Bild 130 × 74 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 148–154. Anmerkung: David Nerreter (1649–1726) war evangelischer Theologe und, bereits 1670 zum poeta laureatus gekürt, Mitglied des Blumenordens in der Pegnitz-Gesellschaft, wo er den Dichternamen Philemon trug. Die Übertragung des Korans ins Deutsche fertigte er nach der lateinischen Übersetzung des katholischen Paters Lodovico Marracci an, die 1698 gedruckt wurde und damals die getreuste Übersetzung des Korans war. Nerreter galt als toleranter Theologe, dem an der Vermittlung zwischen den Konfessionen lag. Die Neu-eröffnete Mahometanische Moschea wurde 1800 unter dem Titel Ueber muhamedanische Religion, deren Secten, Gebräuche, Feste, geistliche Orden in Elberfeld beim Comptoir für Literatur neu aufgelegt. Es soll ebenfalls eine Nürnberger Ausgabe aus dem Jahr 1733 mit dem Titel Die Mohamedanische Religion-Historie gegeben haben, von der jedoch kein Exemplar nachgewiesen werden konnte. Bibliographie: Bobzin (2010), S. 16; Bobzin/Kleine (2007), S. 27; Jürgensen (2006); Hamilton (2005), S. 220; Enay (1995), S. 119; Binark/Eren (1986), Nr. 813/24; Chauvin XII, S. 351; Nr. 1435/2

Kat. 23 (Abb. 45) Mahomets Alkoran: door de heer Du Ryer uit de Arabische in de Fransche taal gestelt, benevens een tweevoudige beschryving van Mohamets leven en een verhaal van des zelfs reis ten hemel; gelijk ook sijn samenspraak met de Jood Abdias, übers. v. Jan H. Glazemaker, Leiden: Hendrik van Damme, 1707. Bildinschrift: MAHOMETS / ALKORAN Seite: Kupfertitel Technik: Kupferstich Maße: Blatt 165 × 105 mm Beschreibung: Der Kupfertitel zeigt einen auf einem mannshohen Postament, unter einem Baldachin thronenden orientalischen Herrscher. Der zentrale Sockel des Herr-

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scherthrons wird von beiden Seiten von Assistenzfiguren flankiert, die als Höflinge beziehungsweise als unterschiedliche Amtsträger im Reich verstanden werden können. Auf der linken Seite steht ein jüngerer Mann mit einer Axt, der wohl die exekutive, weltliche Gewalt verkörpert, und zur Rechten ein älterer, bärtiger Mann, dessen Gewand und Alter auf eine beratende Funktion schließen lassen. Die erhöht über diesen beiden Männern im Schneidersitz gegebene Figur ist durch einen Kronreif, der die zentrale Kappe des Turbans umgibt, und durch das Zepter als Herrscher gekennzeichnet. Das Blatt greift damit die Gestaltung des Kupfertitels der vorherigen Ausgabe des Alkorans von 1696 auf, wobei hier jedoch in der zentralen, an dem Sockel des Thrones angebrachten Kartusche nicht mehr der Titel des Buches, sondern ein Bildnis des Propheten erscheint. Siehe auch Hauptext S. 154–157. Anmerkung: In einer der folgenden Ausgaben dieser holländischen Koranübersetzung, die 1734 in Leiden bei Jan und Hendrik van der Deyster erschien, wurde das Frontispiz erneut verwendet, diesmal jedoch mit einem seitenverkehrten Bildnis des Propheten. Bibliographie: Hamilton/Richard (2004), S. 116; Enay (1995), S. 84–85; Binark/Eren (1986), Nr. 197/6, 198/7; Pearson (1983), S. 506

Kat. 24 (Abb. 46) Reland, Adrian: Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedischen Religion, Hannover: Nicolaus Förster und Sohn, 1717. Bildunterschrift: MAHVMED – Wie dieser Lügen-Geist der Wahrheit nachgeäffet / Das stellt dir dieses Buch Kurtz und auffrichtig für. / Doch lehrets auch, daß wer Mohammed Lügen straffet, / Nicht machen muß, dass er selbst den Credit verliehr Seite: Frontispiz Künstler: Gabriel Uhlich (1682–1741) Technik: Kupferstich Maße: Blatt 155 × 90 mm, Bild 147 × 84 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 161–165. Anmerkung: Die Abhandlung des Utrechter Orientalisten Reland erschien zunächst 1705 auf Latein, wurde aber bald ins Englische, Deutsche und Niederländische übersetzt. Relands Anspruch, die Darstellung des Islam auf arabischen Quellen zu basieren, und sein Ziel, die in Europa verbreiteten Vorurteile über den Islam zu revidieren, machten seinen Traktat zu einer der wichtigsten aufklärerischen Schriften über den muslimischen Glauben. Das hier vorgestellte Mohammedbildnis war bereits Teil der deutschen Ausgabe, die 1716 ebenfalls bei Nicolaus Förster in Hannover erschien.

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Katalog Bibliographie: Hamilton (2005), S. 216; Enay (1995), S. 173 (zur Ausgabe von 1721); Chauvin XII, S. 334, Nr. 1383; Nagler III, S. 125

Kat. 25 Schröder, Matthias G.: Muhammed Testis Veritatis Contra Se Ipsum, Turcis Verax, Qvi Mendacia Admittat, Christianis Mendax Qui Veritatem Dicat Utrinqve Ex Locis Alcorani Utrisqve Demonstratus […], Leipzig: Johann Christoph Körner, 1718. Bildunterschriften: Erste Spalte: „Mendax – Male ingerit – Pejus digerit – Pessime egerit“; zweite Spalte: „Verax – Aliquid egit – Pauca legit – Multa fregit“ Seite: Frontispiz Technik: Kupferstich Maße: Blatt 168 × 102 mm, Bild 150 × 92 mm Beschreibung: In sechs zu zwei Spalten angeordneten, jeweils etwa quadratischen Bildfeldern gibt das Blatt vor, Mohammed in den Phasen des Entwurfes und der Verfassung des Korans darzustellen. In einem in jedem Bildfeld fast identischen Kastenraum erscheint eine kleine Figur in fürstlichem orientalischen Gewand. Meist sitzt sie an einem Tisch und ist mit Büchern beschäftigt. Wahrscheinlich sind die Bilder von oben nach unten zu lesen, wobei die erste Spalte den Grund für die aus christlicher Sicht falschen Inhalte des Korans zu geben scheint. Zunächst habe Mohammed etwas schlecht „zugeführt“ oder „herangetragen“ (Male ingerit), wobei das Bild keinen Aufschluss über den konkreten Sinn der Worte gibt. Wahrscheinlich soll das erste Bild eine Art geistiger Eingebung des Propheten darstellen. Diese schlechte Inspiration wird im zweiten Bild der Spalte von dem nun an einem Tisch sinnierenden Mohammed dann noch schlechter „gedanklich verarbeitet“ (Pejus digerit) bzw. verstanden. Mit dem letzten Bild, das Mohammed am Tisch schreibend zeigt, ist die Steigerung komplett, wenn es heißt (merkwürdigerweise im Futur), dass er am schlechtesten handeln werde (Pessime egerit). Die Unklarheit der Bildunterschriften, die auch der Illustrator nicht erhellen konnte, ergeben sich wahrscheinlich aus dem angestrebten Wortspiel, der Steigerung des Adverbs „male“ in Kombination der unterschiedlichen Verbformen mit dem Stamm „egere“ (bzw. digerere). Die zweite Spalte ist sowohl hinsichtlich der Kupferstiche als auch der Bildunterschriften ebenfalls schwer verständlich. Wohl um die Stellen zu erklären, die im Koran nach christlicher Sicht wahr (verax) sind, folgen die nächsten Bildchen. Oben zieht Mohammed aus dem Bücherregal wahllos etwas (aliquid) heraus, liest in der mittleren Darstellung davon wenig (pauca legit) und zerstört am Ende zudem noch den eigentlichen Sinn (multa fregit), was in der Graphik durch das Auseinanderreißen der Schriften versinnbildlicht wird. Anmerkung: Der Titel greift mit den „Zeugen der Wahrheit“ (testis veritatis) einen Begriff auf, der in der apologetischen Literatur der Reformation gerne zur Darlegung und zum Beweis der Richtigkeit des eigenen Standpunktes angewandt wurde. Dabei

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wurden historische Personen als Zeugen für die Richtigkeit einer Aussage herangezogen. Mohammed soll hier dem Titel nach als Zeuge gegen sich selbst (contra se ipsum) auftreten. Damit folgt der Autor dem Ansatz, der von Adrian Relands Traktat (Kat. 27) bereits in seiner Einleitung gefordert wurde, nämlich dass der Islam nur widerlegt werden könne, wenn man ihn überhaupt erst recht verstanden hätte. So zielt der Autor nach eigener Aussage darauf, die Widersprüchlichkeit des Korans mit Zitaten aus der Schrift aufzuzeigen. Bibliographie: Chauvin XII, S. 367, Nr. 1487

Kat. 26 The Alcoran at large, translated from the Arabick by the Sieur De Ryer, and now faithfully English’d, in: A compleat history of the Turks, from their origin in the year 755, to the year 1718. Containing the rise, growth, and decay of that empire, in its respective periods, under their several kings and emperors. Collected not only from the best European, but also from Oriental authors, never hitherto published in English […], hrsg. v. David Jones, 4 Bde., Bd. 4, London: John Darby, 1718–1719. Titel: MAHOMET / The Imposter Seite: Frontispiz Technik: Kupferstich/Radierung (?) Maße: Bild c. 168 × 75 mm Beschreibung: In diesem Brustbildnis ist der Prophet in einem nach rechts gewandten Dreiviertelprofil dargestellt. Das Porträt ist von einem steinernen ovalen Rahmen umgeben, der auf einem voluminösen rechteckigen Sockel aufliegt. Auf diesem ist in der Mitte eine Tafel angebracht, die den Dargestellten als Mohammed identifiziert und ihn gleichfalls als Betrüger bezeichnet. Für die Gestalt Mohammeds ließ sich der unbekannte Illustrator von einem Kupferstich Melchior Lorichs inspirieren, der Sultan Süleyman I. zeigt. Der Aufbau des Bildes sowie die Kombination der beiden verschiedenen Schrifttypen am Sockel lassen vermuten, dass der Kupferstecher auch das Bildnis des Propheten aus Nerreters Moschea (Kat. 22) kannte. Anmerkung: Die schmucklose Gestaltung von Rahmen und Sockel des Autorenportraits findet sich in Londoner Editionen des frühen 18. Jahrhunderts häufig – so auch in Paul Rycauts The Turkish history, London 1701 – und entspricht wohl dem puritanischen Geschmack. Die im Buch enthaltene englische Sekundärübersetzung von Thomas Ross (Feingold 2012) nach der Vorlage von André Du Ryer wurde 1649 bereits das erste Mal publiziert. Zwar blieb diese Übersetzung bis zur Übertragung von George Sale (1743) die einzig verfügbare englische Fassung des Korans, jedoch war die darin vom Autor des Vorwortes, Alexander Ross, geäußerte Polemik gegen den Islam und die unzureichende Qualität der Übersetzung bereits mehrfach von anderen Autoren kritisiert worden. Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 404/186

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Kat. 27 (Abb. 56) Lesage, Alain-René: Arlequin Mahomet, Paris 1721, in: Le theatre de la foire, ou L’opera comique: Contenant les meilleures pieces qui ont été representées aux foires de S. Germain & de S. Laurent. Enrichies d’estampes en taille douce, avec une table de tous les vaudevilles & autres airs gravez-notez à la fin de chaque volume. Recueillies, revûës, & corrigées, 6 Bde., Bd. 1, Paris: Etienne Ganeau, 1723–1731, S. 111–142. Bildtitel: Arlequin Mahomet Seite: 113, Kupfertitel des Stücks Künstler: Bonnart fils del. / François de Poilly (d. J.) sculp. (1671–1723) Technik: Kupferstich/Radierung Beschreibung: siehe Hauptext S. 200–202. Anmerkung: Die Farce zeigt, dass die Beschäftigung mit Mohammed zu Beginn des 17. Jahrhundert an Ernsthaftigkeit verlor. Der Prophet wurde, wie der Protagonist des Stückes Harlekin, selbst zu einer Theaterfigur. An Stelle von dressierten Tieren vermag es Harlekin, den König von Basra und den Tataren mit Tricks aus dem Repertoire des Theaters, wie Feuerwerkskörpern und einer Flugmaschine, zu narren. Das Stück wurde 1714 in Foire de Saint Laurent uraufgeführt. Bibliographie: Grewe (1989), S. 198–205, 216–220

Kat. 28 Koehler, Johann D.: Gründliche Erzehlung der Merckwürdigsten Welt-Geschichten aller Zeiten, Von Anfang der Welt biß auf Gegenwärtige, so in den historischen Kupfertafeln der Gedächtnuß-Hülfreichen Bilder-Lust […], Nürnberg: Christoph Weigel, 1726. Bildunterschrift: Fuga Muhammedis / Der Mahmed muß durchgehen Seite: 396 Technik: Kupferstich Maße: Blatt 180 × 105 mm, Vignette 41 × 34 mm Beschreibung: Das kleine Bild greift die Darstellung aus der früheren Ausgabe des Buches von 1697 (Kat. 18) auf. Zwar wurden die Details des Bildes reduziert und die Zeichnung der Figuren beinahe auf die Umrisslinien beschränkt, das Thema wurde jedoch beibehalten: Der Prophet spricht zu seinen Gefolgsleuten während der Flucht nach Medina. Auch die Taube, die für Mohammeds angeblichen Betrug steht, erscheint wieder auf seiner Schulter und zusätzlich an dem äußeren Vorhang, der diese Szene einrahmt.

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Anmerkung: Das Buch folgt dem Aufbau und der Darstellung der Menschheitsge­ schichte der Sculptura von 1697, wobei der Text jedoch von Johann David Koehler überarbeitet wurde. Die Beschreibung des Propheten fällt nun kürzer aus und verzichtet etwa auf die Geschichte des von Hunden gefressenen Leichnams des Propheten. (S. 400–401) Bibliographie: Bauer (1983), Sp. 878–883; Rammensee (1961), S. 148; Brüggemann II, Nr. 948; pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 29 Bayle, Pierre: Dictionaire historique et critique, 4 Bde., Bd. 1, Amsterdam: P. Brunel (u. a.) und Leiden: Samuel Luchtmans, 1730. Titel: L’HISTOIRE composant le grand DICTIONAIRE HISTORIQUE Seite: Frontispiz Künstler: Bernard Picart (1673–1733) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatt 372 × 222 mm Datierung: 1726 Beschreibung: Das Frontispiz zeigt die Personifikation der Geschichte beim Verfassen eines Buches, wobei sie umgeben ist von einer allegorischen Zusammenschau der Weltgeschichte: zur Linken die Personifikationen der vier Kontinente, im Hintergrund wichtige Städte und Bauten sowie zahlreiche historische Personen. Die Szene wird von dem geflügelten Chronos präsentiert, der in der oberen linken Ecke einen Vorhang geöffnet hält. Rechts oben im Bild öffnet sich der Himmel und gibt den Blick auf die auf Wolken sitzenden olympischen Götter frei. Die Bildunterschrift beschreibt die dargestellten Orte und Personen recht ausführlich. Im Vordergrund sind verschiedene Künste sowie die Personifikationen der Genealogie und der Chronologie als Schwestern der Geschichte dargestellt. Im Mittelgrund ist der Sündenfall der Ureltern zu sehen, die, wie die Bildunterschrift mitteilt, als Vertreter einer natürlichen Religion verstanden werden, sowie Moses und Aron als Vertreter des Judentums. Zwischen den beiden Figurengruppen ist etwas kleiner und weiter im Hintergrund auch Mohammed dargestellt, der zu den „Anführern seiner Sekte“ (les chefs de sa secte) spricht. Dabei greift das Bild die Ikonographie des in den Himmel weisenden Fingers auf, der bei Mohammed sowohl als rhetorischer Gestus wie als Hinweis auf den monotheistischen Kern der islamischen Religion gelesen werden kann. Zudem erscheint die Taube, die von hinten auf die Schulter Mohammeds zufliegt. Neu ist zwar, dass durch das Nebeneinander der unterschiedlichen Religionsdarstellungen eine Vergleichbarkeit evoziert wird, das Urteil über Mohammed als Betrüger ist, anders als in den späteren Darstellungen der Cérémonies (Kat. 32), die ebenfalls unter der Leitung Picarts gefertigt wurden, hier jedoch nicht revidiert. Auffällig ist, dass die Kreuzigung, eigentlich ein zentrales Ereignis für ein christliches Geschichtsbild, hier als Darstellung der leeren Kreuze auf Golgota ganz in den Hinter-

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grund gerückt ist. Dadurch wird die Figur Christi einem Vergleich mit den anderen Religionsvertretern und einer historischen Sichtweise entzogen. Bibliographie: Polleroß (2001), S. 50

Kat. 30a–b (Abb. 62, 63) Gagnier, Jean: La Vie de Mahomet; Traduite et Compilée de L’Alcoran, des Traditions authentiques de la sonna, et de meillerurs Auteurs Arabes, 2 Bde., Amsterdam: Wetsteins & Smith, 1732. 30a Bildtitel: La NUIT du DECRET DIVIN Seite: Frontispiz von Bd. 1 Künstler: Philipp van Gunst (vor 1685 – nach 1732) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Bild 133 × 77 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 217–223. 30b Bildtitel: INAUGURATION Seite: Frontispiz von Bd. 2 Künstler: Philipp van Gunst (vor 1685 – nach 1732) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Bild 133 × 77 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 217–223. Anmerkung: In den beiden Frontispizen werden Ereignisse dargestellt, die aus islamischer Sicht von großer Bedeutung sind. Während das Frontispiz des ersten Bandes mit der Offenbarung des Korans einen theologisch herausragenden Moment darstellt, ist „der Schwur“ im zweiten Band ein für die junge islamische Gemeinschaft politisch entscheidender Augenblick. Die Graphiken Philipp van Gunsts sind somit die ersten europäischen Buchillustrationen, die versuchen, entscheidende, im Koran erwähnte Ereignisse in ihrer Eigenwertigkeit und ohne negative Auslegung darzustellen. Bibliographie: Bobzin (2006), S. 34; Brogi (1993), S. 120–123; Enay (1995), S. 27–28; Almond (1989), S. 89; Holt (1962), S. 299; Chauvin XI, S. 4–7

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Kat. 31 (Abb. 60) Du Ryer, André: L’Alcoran de Mahomet, traduit de l’Arabe par A. Du Ryer […] Nouvelle édition, revue et corrigée, 2 Bde., Amsterdam: Pierre Mortier, 1734. Seite: Frontispiz von Bd. 1 Künstler: Adolf van der Laan (aktiv 1717–1740) Technik: Kupferstich Maße: Bild 180 × 112 mm Datierung: 1733 Beschreibung: siehe Hauptext S. 211–215. Anmerkung: Auch die Ausgaben der französischen Korane von 1770 und 1775 (beide Amsterdam: Arkstée & Merkus), in welchen das Frontispiz ebenfalls Verwendung fand, beruhen auf der erstmals 1647 von dem Händler André Du Ryer publizierten Direktübersetzung ins Französische. Zwar galt der Text Ryers nach den Übertragungen des Korans durch Lodovico Marracci ins Lateinische (1698) und durch George Sale ins Englische (1743) als überholt, bis zur Publikation einer neuen direkten Übersetzung ins Französische durch Claude E. Savary (1783) blieb er jedoch die einzige Übertragung ins Französische. Bibliographie: Enay (1995), S. 79; Binark/Eren (1986), Nr. 673/21, 677/25; Chauvin X, S. 127–128

Kat. 32a–c (Abb. 65–66) Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde: représentées par des figures dessinées de la main de Bernard Picard; avec une explication historique, et quelques dissertations curieuses, hrsg. v. Jean F. Bernard, 9 Bde., Bd. 7, Amsterdam: Jean F. Bernard, 1737, 32a Bildtitel: La nuit de Decret Seite: 1 Künstler: Pieter Tanjé (1706–1761) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatthöhe 399 mm, Bild 85 × 174 mm 32b Bildtitel: L’Inauguration Seite: 33 Künstler: Pieter Tanjé (1706–1761) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Bild 90 × 174 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 223–229.

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Anmerkung: Die Cérémonies, die als ein Vorläufer der komparatistischen Religionswissenschaft gelten, erschienen in insgesamt neun Bänden zwischen 1723 und 1743. Die Bildtafeln der ersten sieben Bände wurden zu einem Großteil von dem Graphiker Bernard Picart entworfen. Die Bilder erreichten eine solche Bekanntheit, dass die Cérémonies bald nur noch unter dem Namen Picarts geführt wurden und nicht unter dem des eigentlichen Herausgebers und Verfassers Jean Frédéric Bernard. Laut Titelblatt handelt es sich bei dem Buch um den 1737 erschienenen fünften Band der Reihe. Da die historische Zählung der Bände jedoch uneinheitlich ist und den dritten und vierten Band gesondert nummeriert, hat sich die moderne Zählung durchgesetzt, nach welcher der Islam im siebten Band verhandelt wird. 32c The Ceremonies and Religious Customs of the Various Nations of the Known World; together with historical annotations and several curious discourses. Written originally in French, and illustrated with a large number of folio copper plates designed by Mr. Bernard Picart, and curiously engraved by most of the best hands in Europe, 7 Bde., Bd. 7, London: W. Jackson, 1739. Bildtitel: The Night of the Decree Seite: 1 Technik: Kupferstich/Radierung (?) Maße: Blatthöhe c. 430 mm Beschreibung: In Format und Thematik entspricht die Graphik der Vorlage Tanjés aus der französischen Ausgabe der Cérémonies. Die beiden Hauptfiguren Mohammed und der Engel erscheinen hier jedoch größer, womit der Nachstich stärker auf das eigentliche Ge­ schehen fokussiert. Zudem wirken die beiden Figuren bewegter, was, zusammen mit der grö­ßeren Differenz von Hell und Dunkel in der Lichtregie, der Szene mehr Dramatik verleiht. Anmerkung: Bei der siebenbändigen Publikation handelt es sich um die erste Übersetzung der Cérémonies ins Englische. Auf die Reproduktion der letzten beiden Bände von Bernard wurde jedoch verzichtet. In der Übersetzung wurde die radikale Kritik Bernards an den Riten und Bräuchen der Religionen abgemildert. Auch die Darstellung des Propheten im Text erscheint verändert und bedient sich wieder traditioneller antiislamischer Topoi. Bibliographie: Brafman (2010); Wyss-Giacosa (2006), S. 103; Chauvin XII, S. 311, 312, Nr. 1304, 1306

Kat. 33 Histoire générale des cérémonies, mœurs, et coutumes religieuses des tous les peuples du monde, Rerésentées en 243. Figures dessinées de la main de Bernard Picard, Avec des Explications Historiques, & curiueses; par M. l’Abbé Banier, del’Académie Royal des

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Inscriptions & Belles-Lettres, & par. M. l’Abbé le Mascrier, 7 Bde., Bd.1, Paris: Rollin fils, 1741. Seite: Titelblatt Künstler: Nicolas Cochin (1715–1790) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatthöhe c. 370 mm Beschreibung: Die Vignette unterhalb des Titels zeigt den Triumph des christlichen Glaubens. Die Personifikation des Glaubens mit den Attributen Hostie, Abendmahlskelch und aufgeschlagene Bibel thront inmitten einer von Engeln und Putten bevölkerten Wolke, über der sich ein himmlischer Strahlenkranz öffnet. Unterhalb der Wolke sind die Vertreter anderer Weltreligionen als in Finsternis verharrend gezeigt. In dieser dunklen Zone erscheint auch Mohammed, wie er im aufgeschlagenen Koran liest. Unmittelbar unterhalb des Korans stürzt ein dunkelhäutiger, ebenfalls mit einem Turban gekleideter Mann kopfüber in die Tiefe. Anmerkung: Bei der sieben Bände umfassenden Publikation handelt es sich um eine Neuauflage der Cérémonies von 1723–1743. Der Pariser Buchhändler Rollin ließ den Inhalt der Bücher jedoch stark redaktionell überarbeiten und katholisieren. Die katholische Haltung wird auch durch die von Nicolas Cochin gefertigte Titelvignette deutlich, die, im Gegensatz zum Frontispiz Picarts von 1723, dem christlichen Glauben eine deutlich überlegene Position beimisst und dabei einen starken Akzent auf die Sakramente setzt. Genauso wie die englische Fassung wurden die beiden letzten Bände der Cérémonies in der Neufassung nicht gedruckt. Bibliographie: Wyss-Giacosa (2006), S. 323–326; Chauvin XII, S. 312, Nr. 1307

Kat. 34 Mahomet maximus infernorum conquestor. Das ist Mahomet der größste Seelen-Verführer und Conquirant des Teuffels […] Dabey zugleich Eine accurate Beschreibung des alten und neuen Arabiens, derer Innwohnner Sitten- und Lebens-Art, Anfang und Wachsthum des Ottomannischen Reichs, und der türckischen Religion nach ihren lügenhafften Gründen, als Geheimniß der Boßheit angefüget, Erfurt: Johann D. Jungnicol, 1742. Bildunterschrift: Der Höllen letzte Krafft, des Teuffels ächter Sohn, / Das [sic] Schandfleck der Natur, der Fluch der letzten Zeiten / Sitzt hier wie Mausim saß auf seinen Götter Thron, / Die Lügen in der Welt als Wahrheit auszubreiten. / Hier knarrt der geile Frosch im Laibe [?] des Propheten, / Den Gott mit seinem Stab des Mundes noch wird tödten. Seite: Frontispiz Technik: Kupfertisch Maße: Bild 156 × 97 mm

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Beschreibung: Die Graphik zeigt einen mit Turban und pelzbesetzter Robe bekleideten Mann auf einem Thron unter einem Baldachin. Auf der rechten Seite steht neben dem Thron ein Teufel in Satyrgestalt und bläst dem Herrscher mit einem Blasebalg ins Ohr. Vor dem Mund des Mannes ist ein schwer lesbarer Schriftzug gegeben: „Lügen, List (?), Fleischeslust und hoffertiges Leben“. Damit sind die Sünden genannt, die dem orientalischen Herrscher, der von der Bildunterschrift als Mohammed identifiziert wird, vom Teufel eingegeben werden. Mit seiner Darstellung Mohammeds rekurriert der Graphiker auf den Typus des reich gewandeten Herrschers. In ihrer apologetischen Vehemenz stellt die Graphik innerhalb der Buchillustrationen des 18. Jahrhunderts eine Ausnahme dar. Zudem ist das Blatt hinsichtlich der handwerklichen Ausführung von geringer Qualität. Bibliographie: Chauvin XI, S. 176, Nr. 610

Kat. 35 (Abb. 57) Voltaire: Le fanatisme ou Mahomet le Prophete, tragédie par Mr. De Voltaire, Amsterdam: Etienne Lede & Comp, 1743. Bildunterschrift: MAHOMET LE PROPHETE TRAGEDIE Seite: Frontispiz Künstler: Louis Fabritius Du Bourg inv. (1693–1775)/ Pieter Tanjé sculp. (1706–1761) Technik: Kupfertisch Maße: Bild c. 140 × 85 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 206f. Bibliographie: Le fanatisme (2002), S. 77–78

Kat. 36 Comenius, Johann A.: Orbis sensualium pictus. Hoc est: omnium principalium in mundo rerum, & in vita actionum, pictura & nomenclatura. – Aufs neue aufgelegt, an unzähligen Orten, nebst einem Titel- und Wörterreg. verb., 2 Bde., Bd. 1, Nürnberg: J. A. Endter, 1769. Bildtitel: Mahometismus. Der Mahometanische Glaube Seite: 308 Künstler: Abraham von Wert (auch Abraham van Weerdt) (tätig 1636–1680) Maße: Bild 57 × 86 mm Technik: Holzschnitt Beschreibung: Die Graphik zeigt die Figur eines turbantragenden Mannes, dem eine Taube auf der Schulter sitzt. Hinter ihm öffnet sich der Blick in einen Innenraum, an dessen Stirnwand zwei Männer an einem Tisch sitzen, von denen der linke im Mönchshabit beim Verfassen eines Textes gezeigt ist. Am linken Rand des Bildes führt der Blick nach außen, wo eine Art Brunnenanlage und im Hintergrund ein Rundbau zu erkennen

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sind. Die Figuren und Gegenstände des Bildes sollen eine Zusammenfassung der Grundlagen des Islam ergeben und werden über angefügte Ziffern erläutert. Zentral ist hier wieder die Behauptung, Mohammed hätte seine Lehre von einem Juden und einem arianischen Mönch übernommen und sich zu ihrer Verbreitung falscher Wunderzeichen bedient. Anmerkung: Bei dem Orbis sensualium pictus handelt es sich um ein Lateinlehrbuch des mährischen Bischofs und Humanisten Johann Amos Comenius, das erstmals 1658 in Nürnberg gedruckt wurde. Das Buch, das mit Hilfe von Bildern das Lernen von Lateinvokabeln erleichtern sollte, war sehr erfolgreich und wurde in verschiedene europäische Sprachen übersetzt. Bereits im 18. Jahrhundert hatte es über 100 verschiedene Ausgaben erreicht. Die früheren Ausgaben konnten nicht konsultiert werden. Bibliographie: Chauvin XII, S. 101, Nr. 382; Rammensee (1961), Nr. 329; pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 37 Megerlin, David F.: Die türkische Bibel, oder des Korans allererste teutsche Uebersetzung aus der arabischen Urschrift selbst verfertigt, welcher Nothwendigkeit und Nutzbarkeit in einer besonderen Ankuendigung hier erwiesen von M. David Friedrich Megerlin, Professor, Frankfurt a. M.: J. G. Garbe, 1772. Bildtitel: MAHVMED / der Falsche Prophet Seite: Frontispiz Künstler: Johann Michael Zell (1740–1815) Technik: Kupfertisch Maße: Blatt 185 × 110 mm Beschreibung: Das Bildnis Mohammeds, das hier als Autorenbild vor dem Titelblatt erscheint, hält sich eng an die Vorlage von Christoph Weigel. (Kat. 18) Selbst die unterschiedlichen Typen der beiden Bildinschriften wurden übernommen, ohne dabei jedoch die Überschreibung beizubehalten. Zudem wurden der Bildrahmen und der Blick des Dargestellten leicht abgewandelt. Anmerkung: Bei diesem Buch handelt es sich um die erste direkte Übersetzung des Korans aus dem Arabischen ins Deutsche. Die Übersetzung David Friedrich Megerlins (1699–1778), der Lehrer in Maulbronn und in Frankfurt war, gilt als sprachlich nah am Original. Seine sehr negative Darstellung des Islam und des Propheten Mohammed war jedoch nicht zeitgemäß. Megerlin bezeichnet Mohammed nicht nur als falschen Propheten, sondern auch als den „größte[n] Antichrist“. Von den Zeitgenossen wurde die Publikation Megerlins daher stark kritisiert. Bibliographie: Bobzin (2010); S. 16–17; Bobzin/Kleine (2007), S. 31; Leder (2001); S. 227–228; Enay (1995), S. 117; Binark/Eren (1986), Nr. 812/23

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Kat. 38 Les Métamorphoses de Melpomène et Thalie ou Caractères dramatiques des comédies françaises & italienne, London: Robert Sayer, 1772. Bildunterschrift: Brisart dans le rôle de Zopire; Lekain dans le rôle de Mahomet / Zopire „Tu me parles de paix et ton cœur en est loin; Penses-tu me tromper?“ / Mahomet „Je n’en ai pas besoin.“ Seite: [14] Technik: Grabstichelarbeit/Aqua-forte Maße: Bild 95 × 80 mm Beschreibung: Dargestellt ist die Konfrontation der beiden Kontrahenten des Stückes. Zopire, der Herrscher über Mekka, und Mohammed, der die Stadt einnehmen will, stehen sich gegenüber. Zopire lehnt hier den von Mohammed angebotenen Frieden ab, da er Betrug wittert. Mohammed bestreitet eine betrügerische Absicht, indem er behauptet, sowieso in der stärkeren Position zu sein. Den Gesten des Theaters gemäß hält Zopire die Hände abwehrend vor der Brust verkreuzt, während Mohammed mit ausgestrecktem Arm auf Zopire zeigt und die andere Hand selbstbewusst in die Hüfte stemmt. Beide Schauspieler sind in reiche Gewänder gekleidet und unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Kopfbedeckung. Während Zopire langes und wallendes Haar trägt, hat Mohammed eine reich geschmückte Kopfbedeckung mit einem großen Halbmond und einem enormen Federschmuck. Damit entspricht die Haartracht Zopires der neuen französischen Mode, die sich bereits vor der Revolution durchsetzte und statt der Perücke offenes Haar favorisierte. Im Kontrast zur „aufgeklärten“ Frisur seines Kontrahenten entspricht der Kopfputz Mahomets der Vorstellung vom orientalischen Pomp. Anmerkung: Le Kain (eigentlich Henri Louis Cain, 1728/29–1778), der hier in der Rolle Mohammeds auftritt, war ein erfolgreicher Tragödien-Darsteller und wurde zeitweise von Voltaire gefördert. Bei den Métamorphoses handelt es sich um eine Sammlung von Graphiken, die zeitgenössische Schauspieler in unterschiedlichen Rollen wiedergeben und die bereits 1770 das erste Mal erschienen. Die Graphiken entstanden nach Gouachen von Whirsker (wahrscheinlich ein Pseudonym des Schweizer Malers Jean Louis Faesch, 1738/9–1778). Bibliographie: Le fanatisme (2002) S. 212–213; Aliverti (2011) (zu Whirsker)

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Kat. 39 Voltaire: Bell’s Edition. Mahomet the impostor, a tragedy, as written by the Rev. Mr. Miller distinguishing also the Variations of the Theatre as performed at the Theatre-Royal […], London: John Bell, 1776. Bildunterschrift: Mr. BENSLEY in the Character of MAHOMET. – Such be the fate of all who braves our Law (Akt V, Szene 5) Seite: Kupfertitel Künstler: James Roberts del. (um 1725–1799) / J. Hornthwaite sc. Technik: Radierung (?) Maße: Blatthöhe 170 mm Beschreibung: Das Bild zeigt den englischen Schauspieler Rober Bensley (um 1740– 1817) in der Rolle des Propheten. Die Textpassage unter dem Bild bezieht sich auf einen Satz Mohammeds gegen Ende des Stückes (Akt V, Szene 5, in der französischen Fassung Szene 4). Hier vermag es Mohammed durch einen Trick, das aufgebrachte Volk von seiner göttlichen Sendung zu überzeugen. Sein Gegenspieler Zaphna („Seide“ im Original), der Bruder Palmires, will gerade zur Revolution aufrufen, als das Gift zu wirken beginnt, das Mohammed ihm zuvor verabreichen ließ. Die plötzliche Schwäche seines Gegners erklärt Mahomet den Anwesenden als eine Strafe Gottes für den Ungehorsam. Dieser Zusammenhang, in dem Mohammed wieder als Religionsbetrüger erscheint, erschließt sich jedoch erst bei der Lektüre des Stücks. Im Zentrum der bildlichen Darstellung steht das orientalische Herrschergewand, das durch den Hermelinbesatz der Mohammedfigur auf dem Koranfrontispiz von 1734 (Kat. 31) ähnelt. Anmerkung: Die erste englische Übersetzung des Stückes von James Miller erschien 1744 in Edinburgh bei J. Robertson noch ohne Illustrationen. Bibliographie: Le fanatisme (2002), S. 126

Kat. 40 (Abb. 58) Voltaire: Mahomet, the impostor: a tragedy marked with the variations of the manager’s book at the Theatres-Royal in Drury-Lane, London: C. Bathurst [u. a.], 1777. Bildunterschrift: Mr. Bensley in the Character of Mahomet, Act 2. Sc. 2. / Ma: Thou Alcoran! hast won more Battles for me, / than thrice my sable Numbers had atchiev’d, / without the Succour of thy sacred impulse. Seite: Frontispiz Künstler: Edwards del. / Collier sculps. Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatt 180 × 120 mm

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Beschreibung: In einem Garten vor einer Stadtkulisse stehend blickt Mahomet in den aufgeschlagenen Koran, den er in der linken Hand vor sich hält. In der Textzeile unter dem Bild preist er den Koran als seine wichtigste Waffe mit der er mehr Schlachten gewonnen habe als mit seinem Säbel. Im Hintergrund der Szene stehen einige Berater des Propheten. Ein Vergleich mit der vorherigen Darstellung Mr. Bensleys als Mahomet zeigt deutliche Übereinstimmungen in der Physiognomie, was für die Porträtähnlichkeit beider Darstellungen spricht, die „al viv“, also getreu nach der Aufführung gefertigt worden sein sollen. Anmerkung: Die Darstellung passt nicht zu der Regieanweisung im Stück. Dort spricht Mohammed seine Worte in der Abgeschiedenheit einer dunklen Höhle. Bibliographie: Le fanatisme (2002), S. 126; Rachow (1989), S. 77–78

Kat. 41 Stoy, Johann S.: Bilder-Akademie für die Jugend: Abbildung und Beschreibung der vornehmsten Gegenstände der iugendlichen Aufmerksamkeit – aus der biblischen und Profangeschichte, aus dem gemeinen Leben, dem Naturreiche und den Berufsgeschäften […] – nebst einem Auszuge aus Herrn Basedows Elementarwerke; In vier und funfzig Kupfertafeln und zweyen Bänden Erklärung, 2 Bde., Nürnberg: Selbstverl., 1784. Bildtitel: Tafel 38 Mahomedanische Geschichte Seite: 2. Bd., Tafel XXXVIII, Beschreibung (S. 782) Künstler: Johann Rudolf Schellenberg (1740–1806) Technik: Kupferstich Maße: gesamte Tafel mit 24 Bildern 267 × 199 mm, Bilder zum Islam 48 × 88 mm Beschreibung: Ähnlich wie bei den Katalognummern 18 und 28 handelt es sich auch bei dieser Schrift um ein pädagogisches Werk. Jedoch folgt die Bebilderung des Buches nicht einer chronologischen Ordnung, sondern ist thematisch strukturiert. Bei der hier gezeigten Tafel handelt es sich um eine Darstellung zur Erläuterung der „Mahomedanischen Geschichte“. Der Prophet Mohammed erscheint lediglich in dem Bildfeld oben links. Gezeigt ist, wie er das Banner des Islam, unter dem für die Religion gekämpft werden soll, an einen seiner Feldherren übergibt. Die religiöse Bedeutung des Banners wird durch Mohammeds gleichzeitigen Zeigegestus auf den auf einem Felsen liegenden Koran verdeutlicht. Wie der Text erläutert, werde diese Fahne noch immer von den Osmanen aufbewahrt und wie ein Heiligtum verehrt und nur an den größten Festtagen präsentiert. Die folgenden Bildchen zeigen den „Großsultan“ der Osmanen, die Hagia Sophia und das Bairamfest. Anmerkung: Die Ikonographie der Übergabe der Fahne wird hier als Aufforderung des Propheten inszeniert, für die Verbreitung des islamischen Glaubens zu kämpfen. In dem

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Text, der das Leben des Propheten beschreibt (S. 776–779), wird Mohammed zwar als von großer Begabung, als „Aufrichtig und Redlich“ gelobt, jedoch werden darauf auch sein angeblicher „Ehrgeiz“, sein „Haß“ sowie seine „Herrschsucht und Rachsucht“ ge­ schmäht. Damit folgt der Text einer Sichtweise auf den Propheten, wie sie bereits Edward Gibbon vertrat. Gibbon bescheinigt Mohammed zu Beginn seiner Laufbahn einen positiven Charakter, der sich in dem selbstlosen Einsatz für sein religiöses Ideal ausdrücke. Jedoch habe der Machtzuwachs in Medina den Propheten korrumpiert. Auch der Text merkt kritisch an: „Er hatte nun tapfere Feldherren; und einem derselben übergab er seine Fahne, um unter derselben für seine Religion zu fechten. Aber eine wahre Religion, in welcher Gott die Menschen unterrichten läßt, braucht nicht des Schwerdtes und Blutvergießens, um ihre Herzen einzunehmen.“ (S. 779) Bibliographie: Thanner (1987) I.1, S. 334–335, II, Nr. 375; Rammensee (1961), Nr. 1476; Brüggemann III, Nr. 874; pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 42 Costumes et annales des grands théâtres de Paris, hrsg. v. Jean Charles Levacher de Charnois, 4 Bde., Paris: Janinet, 1786–1789. Bildunterschrift: Aux mânes de Le Kain – Lekain in the role of Mahomet Seite: – Künstler: Jean François Janinet (1752–1814) Technik: Kupferstich Maße: Blatt c. 140 × 200 mm Datierung: 1778 Beschreibung: Das Ganzkörperporträt zeigt den französischen Schauspieler Le Kain in der Rolle Mahomets. Seine Gestik entspricht weitgehend der Darstellung Mahomets in der Graphik von 1772 (Kat. 38), wobei Mahomet hier jedoch als Einzelfigur und dem Betrachter frontal zugewandt erscheint.

Kat. 43 Schröckh, Johann M.: Allgemeine Weltgeschichte für Kinder, 2. verb. Aufl., 7 Bde., Bd. 2: Anfang der neueren Geschichte, Leipzig: Weidmann und Reich, 1786–1801. Bildtitel: Mahomet übergibt seinem Feldherrn die Religionsfahne Seite: zwischen 340 und 341 Künstler: Bernhard Rode inv. et del. (1725–1797) / Johann Conrad Krüger sc. (1733–1791) Technik: Radierung Maße: Blatt 215 × 135 mm, Bild 180 × 118 mm

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Beschreibung: Das Bild stellt eine künstlerische Ausarbeitung der bereits in Kat. 41 vorgestellten Ikonographie dar. Anmerkung: Der begleitende Text (S. 340) ist mit dem in Stoys Bilder-Akademie (Kat. 41) identisch. Wahrscheinlich entstand das Bild schon für die erste Ausgabe von Schröckhs Allgemeiner Weltgeschichte für Kinder, die ab 1779 publiziert wurde und für deren Illustrationen Schröckh den Historienmaler und späteren Direktor der Berliner Akademie Bernhard Rode gewinnen konnte. Bibliographie: Meier (1994), S. 56–66 (allgemein zu den Illustrationen); Brüggemann III, Nr. 1518 (1. Aufl.); pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 44a–b (Abb. 73–74) Mouradgea D’Ohsson, Ignatius: Tableau général de l’Empire Othoman, divisé en deux parties dont l’une comprend la législation mahométane, l’autre l’histoire de l’Empire ottoman; dédié au roi de Suède, 3 Bde., Paris: Firmin Didot, 1787–1820. 44a Seite: Titelkupfer Bd. 1 Künstler: Jean-Michel Moreau le jeune (1741–1814) del. / Jean Baptist Simonet (1742 – nach 1813) sculp. Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatt 502 × 320 mm, Bild 230 × 196 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 259–262. Anmerkung: Eine Erläuterung des Titelkupfers findet sich auf dem Frontispiz des Bandes (s. Hauptext S. 261.). Der Tableau erschien zwischen 1788 und 1824 ein weiteres Mal in sieben Bänden in einem kleineren Format. Die Illustration dieser Ausgabe war jedoch weit weniger umfangreich als die insgesamt mit 233 Graphiken versehenen ElefantfolioBände der ersten. Bereits das Engagement Jean-Michel Moreaus, der zu den gefragtesten Zeichnern und Buchillustratoren seiner Zeit gehörte, für die Gestaltung des Titelblattes spricht für den hohen künstlerischen Anspruch, den Mouradgea an die Bebilderung seiner Prachtausgabe stellte. 44b Bildtitel: Assomption de Mohammed Seite: Bd. 1, zwischen 66 und 67 Künstler: Jean Baptist Tilliard (1740(?)–1813) Technik: Kupferstich/Radierung Maße: Blatt 320 × 502 mm, Bild 225 × 196 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 261–267.

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Anmerkung: Das Bild ist nach einer osmanischen Vorlage entstanden, die in Konstantinopel kopiert wurde. Damit ist es die erste bildliche Darstellung des Propheten im europäischen Buchdruck, die unmittelbar auf die Vorlage eines islamischen Künstlers zurückgeführt werden kann. Auf der dem Bild gegenüberliegenden Seite gibt d’Ohsson folgende Beschreibung: „On trouve dans plusieurs ouvrages Persans les portraits de presque tous les Patriarches. On donne ici ceux d’Adam et de Mohammed, révérés par l’Islamisme, ainsi qu’on l’a vu dans le texte, l’un comme premier, l’autre comme le dernier des Prophètes. […] Dans celle n°. 2, on voit l’enlèvement de Mohammed; il est représente au milieu des nues, au dessus du Keabé de la Mecque, monté sur le Borack, qui a un visage de femme, une queue de paon, un couronne d’or sur la tête, et un collier au cou. On ne voit de Mohammed que les pieds et le turban; le visage et le reste du corps sont couverts des rayons célestes qui partent des mains des anges dont il est environné. Ce portrait est une copie fidèle de celui qui se trouve dans les livres Persans.“ (Bd. 1, S. 67) Bibliographie: Fraser (2010), S. 202–203; Günsel (2002), S. 69; Findley (1999); Chauvin XII, S. 249, Nr. 1229

Kat. 45 Mahomet the impostor. A tragedy. Taken from the manager’s book, at the Theatre Royal, Drury-Lane, London: R. Butters, 1790(?). Bildunterschrift: Mr. Palmer as Mahomet Seite: Frontispiz Beschreibung: Die Graphik zeigt den englischen Schauspieler John Palmer (1742–1798) als „Mahomet“. Das Kostüm der Figur entspricht weitgehend der Darstellung Mahomets durch Mr. Bensley (Kat. 39). Generell zeigen die Gewänder der Theaterfigur „Mahomet“ in den verschiedenen Aufführungen von Voltaires Stück eine hohe Übereinstimmung. Bibliographie: Le fanatisme (2002), S. 126

Kat. 46 (Abb. 78) Pereira, João J.: Historia da vida, conquistas, e religião de Mafoma, e do governo civil, e militar do Imperio Ottomano dos empregos, e funções religiosas, e de algumas particularidades curiosas do mesmo Imperio da Turquia, Lissabon: Simão T. Ferreira, 1791. Bildtitel: MAHOMET perceguidor da VERDADE Seite: Frontispiz Künstler: Ramalho (Ramalko?) inv. et sculps. Maße: Blatthöhe c. 150 mm Datierung: 1791 Beschreibung: Mohammed ist hier als vermeintlicher Autor des Korans im Akt des Schreibens dargestellt. Die Darstellung folgt der Tradition des Autorenbildes, wie es oft

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den Evangelien vorangestellt wurde, nur dass der Autor hier die Inspiration durch eine Schlange erhält. Dass Mohammed damit als ein teuflischer „Evangelist“ dargestellt wird, ergibt sich auch durch den Puttenkopf in der Bekrönung des Rahmens, dessen spitze Ohren und Fledermausflügel ihn deutlich als einen bösen Geist zu erkennen geben. Ebenso verweisen die Gegenstände auf der Bank unterhalb des Bildnisses wie der Geldbeutel, die Eisenfessel und die magischen Quader auf den angeblich weltlichen, gewaltsamen und okkulten Charakter der muslimischen Lehre. Unterhalb der Bank liegt der Koran ein weiteres Mal von einer Schlange umwunden. Anmerkung: Eine weitere Ausgabe des Buches erschien 1808 in Lissabon in der Offizin Rollandiana. Ob sie ebenfalls das Bildnis enthält, konnte nicht überprüft werden. Bibliographie: Schöller (2008), S. 127; Chauvin XI, S. 183, Nr. 646

Kat. 47 (Abb. 79) The life of Mahomet; or, The history of that imposture: which was begun, carried on, and finally established by him in Arabia […] to which is added, An account of Egypt, London: W. Hallgarth, 1799. Titel: MAHOMET Seite: Frontispiz Maße: Blatthöhe 170 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 273–275. Anmerkung: Die in diesem Werk enthaltene Biographie Mohammeds beruht im Wesentlichen auf der Henry Prideauxs (Kat. 19) von 1697. Bibliographie: Chauvin XI, S. 174, Nr. 601

Kat. 48 (Abb. 68) Sale, George: The Koran, Commonly called the Alcoran of Mohammed, Translated from the Original Arabic, with explanatory notes […] To wich is prefixed a preliminary discourse […], 2 Bde., London: Thomas Maiden, 1801. Seite: 2. Bd., fol. IV Technik: Holzstich (?) Maße: Blatt c. 23 cm, Bild c. 80 × 88 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 239–243. Anmerkung: Die von dem Juristen und Orientalisten George Sale gefertigte erste Direktübersetzung des Korans ins Englische wurde 1743 erstmals publiziert und gehört mit 123 bis 1975 erschienenen Auflagen zu den erfolgreichsten Übersetzungen des Korans überhaupt. Hinsichtlich der Bebilderung, welche in der Urfassung genealogische

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Tabellen, eine Karte Arabiens und eine Ansicht der Kaaba in Mekka umfasste, setzte Sales Koran neue Maßstäbe. Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 417/199; Chauvin XI, S. 72, Nr. 150

Kat. 49a–b (Abb. 70–71) 49a Gagnier, Jean: Leben Mohammeds des Propheten nach dem Französischen des J. Gagnier, mit einigen Anmerkungen von C. F. R. Vetterlein, 2 Bde., Coethen: I. A. Aue, 1802–1804. Bildunterschrift: nach einer Antike gest. v. Rosmaesler / Mohammed Seite: 1. Bd., Frontispiz Künstler: Johann Friedrich Rosmaesler (auch Roßmäßler u. Rosmäsler) (1775–1858) Technik. Stahlstich (?) Maße: Blatt 170 × 115 mm Beschreibung: Der Illustrator benutzte für das Bildnis die Darstellung Mohammeds auf dem Korantitelblatt von 1707 (Kat. 23, Abb. 45) als Vorlage. Während er den prophetischen Blick und das an antike Priester gemahnende Gewand beibehielt, befreite er das Gesicht des Propheten jedoch von fast allen negativ auslegbaren physio- und pathognomischen Details. Siehe auch Hauptext S. 243–245. 49b Beschreibung: Bei dieser Graphik handelt es sich um eine Adaption des Stiches von Rosmaesler, die sich in einigen Exemplaren derselben Auflage des Buches findet. Die Beruhigung der Gesichtszüge ist hier noch deutlicher und die Figur des Propheten wirkt insgesamt distanzierter. Anmerkung: Bei dem zweibändigen Buch handelt es sich um die deutsche Übersetzung von Jean Gagniers La Vie de Mahomet (1732) (Kat. 30) durch Christian Friedrich Rudolph Vetterlein (1758–1842). Vetterlein studierte Theologie und Philosophie und war zunächst als Schulleiter in Köthen tätig. Von Herzog Carl August wurde er zum Mitglied der Oberschulleitung des Landes berufen, wo er versuchte Reformen durchzusetzen. In seinen religiösen Anschauungen war er liberal und als Kunstvermittler tat er sich mit Kommentaren zu Klopstock hervor. Dass bisweilen in den Drucken einer Auflage die Illustrationen voneinander abweichen, ist kein Einzelfall. Enay erwähnt auch ein Exemplar ohne jegliche Illustration. Das Bildnis konnte in seiner Form 49 b bisher nur über die Sekundärliteratur (Schöller) nachgewiesen werden. Bibliographie: Schöller (2008), S. 133–137; Enay (1995), S. 46; Chauvin XI, S. 7

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Kat. 50 Mavor, William F.: The history of the Arabs including the life of Mohammed, London: Richard Phillips, 1802. Bildtitel: Death of Mahomet Seite: Frontispiz Künstler: G (?). F. Courney del. / William Looke sculp. (1767–1847) Technik: Radierung (?) Maße: Blatthöhe 180 mm Beschreibung: Das hochformatige Bild zeigt den Propheten im Kreise seiner Vertrauten im Moment seines Todes. Ganz in Weiß gekleidet liegt Mohammed parallel zur Bildfläche in der vordersten Bildebene. Sein Körper ist auf großen Kissen gebettet, sein Haupt in den Nacken gelegt, so dass sein Kopf zum Himmel gewandt ist. Eine junge Frau mit hellem Teint und reichem Gewand, die wahrscheinlich Aischa darstellt, beugt sich zu ihm hinunter, wobei sie ihre Hand in ein Gefäß mit Wasser taucht. Rechts vor Mohammed kniet ein Mann mit Turban und geschwungenem Schnurrbart. Der Mann bringt in Haltung und Mimik seine Bekümmerung zum Ausdruck. Abgeschlossen wird die Szene im Hintergrund durch einen stehenden Mann, der seinen Kopf ebenfalls in Trauer geneigt hat und dessen geöffneten und leicht erhobenen Arme an Trauergesten etwa bei Darstellungen der Grablege Christi erinnern. Die Szene spielt sich in einem Palastraum ab, dessen hinterer Abschluss durch eine gebuste Spitzbogenarkade auf Pfeilern geformt ist, die mit Blattornamenten verziert sind. Diese sehr friedliche Darstellung vom Tod des Propheten, die anders als die vorherigen Darstellungen (Kat. 9 g, 19 i) auf das Gefühl der Trauer der Anwesenden fokussiert, gibt ein im Sinne der ars morendi positives Bild von Mohammed. Anmerkung: Die Mohammedbiographie folgt in der Charakterisierung des Propheten dem seit Gibbon klassischen Modell. Während Mohammed hinsichtlich seines ursprünglichen Anliegens und Handelns sehr positiv bewertet wird, hätte der spätere Machtzuwachs in Medina in ihm Herrschsucht und Gewaltbereitschaft geweckt. Der Tod des Propheten wird jedoch der bildlichen Darstellung entsprechend als ein ehrenvolles Ereignis geschildert. So schreibt Mavor, dass Mohammed, als er merkte, dass seine Kräfte nachließen, sich bemühte alle Schulden zu begleichen und alle Ungerechtigkeiten, die er an seinen muslimischen Mitbrüdern begangen habe, zu sühnen. (S. 22–23) Zudem überliefert der Autor eine Erzählung aus der islamischen Tradition: Der Engel des Todes hätte den Propheten um Erlaubnis fragen müssen, bevor er dessen Seele in Empfang nehmen konnte. Eine weitere Ausgabe erschien 1804 in New York bei Isaac Collins, die wohl ebenfalls identisch bebildert ist, jedoch sehr rar ist und deshalb nicht eingesehen werden konnte. Bibliographie: Chauvin XI, S. 179, Nr. 618

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Kat. 51 Life and actions of Mahomet, the famous Oriental impostor, giving an account of the superstitious absurdities attending his birth […] To which is prefixed, a sketch of the history of Constantinople, the whole exhibiting the manners & customs of the Turks, London: J. Lee, 1810. Bildtitel: MAHOMET Seite: Frontispiz Technik: Holzstich (?) Maße: Bild 180 × 96 mm Beschreibung: Das wenig kunstvolle Frontispiz zeigt Mohammed als zentrale Figur, umgeben von einigen Männern seines Stammes im Hause Abū Tālibs, . des Onkels des Propheten. Dargestellt ist, wie der Prophet seinen erst neunjährigen Cousin ‘Alī zu seinem Vertreter ernennt und erklärt, dass nun alle Anwesenden ‘Alī Gehorsam schuldeten. ‘Alī ist im Bild wohl selbst nicht dargestellt, aber das Gelächter der Anwesenden, von dem der Text berichtet, wird in der Gruppe der jungen Männer anschaulich, die rechts neben dem Propheten stehen. Diese hätten sich darüber lustig gemacht, dass Abū Tālib . der Anweisung Mohammeds gemäß nun seinem eigenen Sohn Gehorsam schulde. Diese Betonung der Szene, die für das Verständnis der Rolle ‘Alīs vor allem im schiitischen Islam wesentlich ist, wirkt in dem Kontext der Biographie des Propheten ungewöhnlich und erscheint in dem untersuchten Material nur ein einziges Mal. Mohammed figuriert hier wieder mit dem Adlerschwert und dem mit Hermelin besetzten Mantel, die vor allem in den Theateraufführungen zum Standardkostüm des Propheten gehörten. Anmerkung: Der Text dieser kurzen, für ein breites Publikum gefertigten Darstellung des Lebens des Propheten beruht zum Teil auf William Mavors Biographie von 1802 (Kat. 50). Er schlägt insgesamt jedoch einen negativeren Ton an. Zwar werden auch positive Eigenschaften Mohammeds erwähnt, der Hauptakzent des Textes liegt jedoch auf seiner Rolle als vermeintlicher Betrüger („impostor“). So wird etwa die Geschichte des nestorianischen Mönches Bahira berichtet, mit dessen Hilfe Mohammed den Koran komponiert hätte. (S. 7–8) Bibliographie: Almond (1989), S. 34–35

Kat. 52 Hold, Ernst: Die Weltgeschichte für die Jugend bis auf die neuesten Zeiten dargestellt, Leipzig: J. C. Hinrichs, 1818. Bildunterschrift: Muhammeds Flucht. (Hegira) i. J. 622. Seite: zwischen 166 und 167 Maße: Bild 59 × 90 mm Technik: Kupferstich

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Beschreibung: In seinem breiten Querformat nun formal eher einem Historienbild entsprechend, greift der Kupferstich die bereits aus anderen Geschichtslehrbüchern vertraute Ikonographie der Hidschra auf. Eine wesentliche Änderung ist, dass die Taube auf Mohammeds Schulter, die den Propheten zuvor noch als Betrüger kennzeichnete, nun nicht mehr erscheint. Der spezielle Turban (paşali kavuk), mit dem Mohammed hier gezeigt wird, geht in seiner Gestalt auf die zeitgenössische Mode im Osmanischen Reich zurück. Diese Turbanform kam mit Sultan Osman III. (reg. 1754–1757) auf, wurde jedoch von Mahmud II. (reg. 1808–1839), der den Fez einführte, bereits wieder abgeschafft. Anmerkung: Im Text wird Mohammed als ein Mann von „großer Geisteskraft“ gerühmt (S. 163), dabei jedoch als ein Feind bezeichnet, der das ganze christliche Europa bedrohe. Die Beschreibung seines Lebens beschränkt sich lediglich auf wenige Zeilen und endet mit dem vermeintlichen Giftmord. Bibliographie: Brüggemann IV, Nr. 411; Trauth (2009), S. 113 (zur Turbanform); pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 53 (Abb. 59) Album dramatique: souvenirs de l’ancien théâtre français depuis Bellecour, Lekain, Brizard […] jusqu’à Molé, Larive, Monvel […]: gravures coloriées représentant en pied, d’après les miniatures originales, faites d’après nature, de Foêch de Basle et de Whirsker, ces différents acteurs dans les rôles où ils ont excellé, Paris: Corbeil, 1820. Bildunterschrift: Voltaire en Zopire et Lekain en Mahomet, dans „Mahomet“, acte II scène 6 Seite: o. P. Künstler: Foech de Basle (Jean Louis Faesch, 1738/9–1778) Technik: kolorierte Radierung (?) Maße: Blatthöhe 220 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 209–210. Anmerkung: Bei dem Album handelt es sich um eine Zusammenstellung diverser Druckgraphiken mit Darstellungen französischer Schauspieler. Bibliographie: –

Kat. 54 Testamentum Novum, in: Teutona. Eine geordnete Auswahl vorzüglicher Gedanken aus den besten original-deutschen Schriften, zunächst für gebildete Söhne und Töchter, hrsg. v. Maimon Fraenkel u. Gotthold Salomon, 3. Aufl., 3 Bde., Leipzig 1824–1826. Seite: 2. Bd., Titelvignette zum Neuen Testament Künstler: Johann Heinrich Ramberg (1763–1840) del. / Winterhalter sculp.

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Technik: Kupferstich Maße: Bild 90 × 92 mm Beschreibung: Die Vignette zeigt die Figur einer Maria orans über dem auf einem Sockel in der Bildmitte liegenden aufgeschlagenen Neuen Testament. Von dem Buch gehen in alle Richtungen Lichtstrahlen aus. Die dem Irdischen entrückte Szene findet auf einer Wolke statt. Zu den Seiten der Madonna sind links Mohammed und Moses mit dem Koran und den Gesetzestafeln zu sehen und rechts Kong Qiu (Konfuzius) sowie ein hinduistischer Brahmane mit Turban und einem Buch, in dem der Schriftzug „Rama“ zu lesen ist. Letzterer wird von einer weiteren Figur, wahrscheinlich einem Gläubigen, be­ gleitet. Mohammed erscheint somit im Kreise der Vertreter der Weltreligionen, die von der zentralen Figur Mariens über dem Neuen Testament dominiert wird. Mohammed, der durch das Hermelingewand auch als irdischer Herrscher charakterisiert ist, hat die Augen geschlossen und scheint hinter seinem Koran eingeschlafen zu sein. Die geschlossenen Augen und der Koran vor seinem Kopf verhindern, dass er von den Lichtstrahlen des Testaments berührt wird, was ihn von den anderen Figuren unterscheidet, die sich mehr oder minder der Jungfrau zuwenden. Ähnlich wie in der katholisierten Fassung der Cérémonies von 1741 (Kat. 33) zeigt diese Vignette den Triumph des christlichen, katholischen Glaubens. Die Vertreter der anderen Religion werden hier jedoch nicht mehr mit dem Teufel und der Verdammnis in Verbindung gebracht, sondern sind bereits auf das göttliche Licht des Neuen Testaments ausgerichtet oder befinden sich im Schlaf. Damit werden die Differenzen zwischen den Religionen als überwindbar und die Andersgläubigen als konvertierbar gezeigt. Anmerkung: Die beiden Herausgeber Maimon Fraenkel und Gotthold Salomon waren Anhänger der jüdischen Reformbewegung und publizierten dieses Werk 1812 zunächst unter den Pseudonymen Fredau und Salberg. Neben dem Neuen Testament enthielt die Teutona zahlreiche Texte von deutschen Dichtern und Philosophen. Bibliographie: Lindner (2001), S. 172–173; pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 55 The Koran commonly called The Alcoran of Mahomet. Translated from the original Arabic. With Explanatory Notes taken from most approved commentors. To which is prefixed A Brief Memoir of Mahomet, London: S. u. R. Bentley, 1824. Bildtitel: MAHOMET Seite: Frontispiz Technik: Stahlstich Maße: Blatt 185 × 115 mm Beschreibung: Das Porträt zeigt Mohammed in einem leicht nach links aus der Frontalansicht ins Profil gewendeten Brustbildnis. Der Prophet steht vor einer dunklen, nicht näher bestimmten Fläche, die das Bild unmittelbar hinter ihm abschließt und auf der

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rechten Seite etwas heller wird. Er trägt einen Fez, dessen Hutkappe hier jedoch abgerundet ist und der an der Stirn mit einem weißen Tuch umwunden ist, das in voluminösen, diagonalen Schlingen verläuft. Sein Obergewand ist schlicht, am Kragen jedoch mit Pelz verbrämt. Mohammeds Haupthaar ist rasiert. Seine Wangen bedeckt ein dichter, weißer Bart, der sich bis auf den Brustkorb legt. Mohammeds Blick ist in eine unbestimmte Ferne gerichtet und wirkt wie die gesamte Physiognomie recht ausdruckslos. Anmerkung: Der Band enthält lediglich die Suren 1–18, weshalb davon auszugehen ist, dass es einen zweiten gegeben hat. Ihm ist eine knappe Einleitung vorangestellt, in der Mohammed als „arch-imposter“ bezeichnet wird, der die moralischen Standards seiner Lehre nach den eigenen Vorlieben gestaltet hätte. Der Stil des Korans wird als Produkt von unkontrollierter Einbildungskraft und blindem Enthusiasmus kritisiert. Die anschließende kurze Biographie (S. VII–XI) vermeidet zwar die hinlänglich widerlegten Wundergeschichten, beruft sich jedoch weiter darauf, dass Mohammed epileptische Anfälle gehabt hätte und von einem als „Sergian monk“ bezeichneten Priester unterrichtet worden sei. In der Bibliographie von Binark und Eren erscheint der Titel als Übersetzung Sales. Gedruckt wurde jedoch die ältere englische Übersetzung von Thomas Ross nach Du Ryer. Bibliographie: Enay (1995), S. 59; Binark/Eren (1986), Nr. 420/202

Kat. 56 Savary, Claude: Le Coran traduit de l’arabe, avec les notes des plus célèbres commentateurs orientaux, par Savary; précédé d’une notice sur Mahomet par M. Collin de Plancy. Edition ornée du potrait de Mahomet, 3 Bde., Paris: André Henry, 1826–1829. Seite: 1. Bd., Frontispiz Künstler: Aurore de Courvai del. Technik: Lithographie Maße: Blatthöhe 150 mm, Bildnis 102 × 75 mm, Vignette c. 28 × 53 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 246–254. Anmerkung: Die Bände zwei und drei der Übersetzung erschienen in Paris bei DondeyDupré père et fils. Der zweite Band hat keine Illustrationen. Der Name der in der Adresse angegebenen Bildschöpferin (?) „Aurore de Courvai“ konnte nicht nachgewiesen werden. Bei dem Buch handelt es sich um eine spätere Ausgabe der bereits im 18. Jahrhundert erschienenen Übertragung des französischen Orientalisten Savary (1750–1788), die bis heute als gelungene Übersetzung gilt. In dieser Ausgabe erscheint sie zusammen mit den Anmerkungen des Okkultisten Jacques Collin de Plancy (1793–1887). Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 756/104; Chauvin X, S. 85, Nr. 213

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Kat. 57 Emils Bilderbuch oder Erzählungen aus älterer und neuerer Zeit: zur Bildung des Verstandes, Geistes und Herzens für die Jugend, Meißen: Friedrich Traugott, 1827. Bildtitel: Napoleons Ankunft in Elysium Seite: zwischen 108 und 109 Technik: kolorierter Kupferstich Maße: Blatt 170 × 104 mm, Bild 89 × 147 mm Beschreibung: Das Bild stellt ein Treffen berühmter Feldherrn, Eroberer und Staatsmänner im Elysium dar. Zu der Gruppe von Männern, die sich auf der linken Seite des Bildes versammelt hat, tritt von rechts Napoleon heran, der gerade von dem Fährmann Charon auf die Insel der Toten, das Elysium, gebracht wurde. In der zweiten Reihe der Gruppe ist hinter Ghengis Khan ein bärtiges Gesicht zu sehen. Der Mann trägt einen Turban mit grünem Dünntuch und einer breiten, roten Kappe (kavuk). Über die Nummerierung am oberen Rand werden die jeweiligen Figuren identifiziert. Anmerkung: Nach dem kurzen Bericht zu dem mit der Nummer „1“ gekennzeichneten „Dschingis Chan“ folgt die Beschreibung des mit der „2“ markierten Propheten Mohammed auf den Seiten 107 und 108. Mohammed wird als der Begründer der folgenreichsten Revolution im Orient beschrieben, aber als nach christlichem Verständnis untugendhaft zu charakterisierender Mann, da er die Vielweiberei eingeführt und Gewalt gegen Andersgläubige gepredigt habe. Aufgenommen in den Kreis der Eroberer und Staatsmänner wird Mohammeds historische Bedeutung hinsichtlich seines poltischen und militärischen Erfolges anerkannt. Interessant ist, dass sich diese Versammlung von verstorbenen Männern im Elysium und nicht etwa im Paradies trifft. Im Gegensatz zum Paradies beschreibt das Elysium eine antike Vorstellung vom Leben nach dem Tod, die keine christliche Wertung der Dargestellten notwendig macht. In ihrer Gestalt nehmen die Kupferstiche des Bandes, die jeweils von historischen Erläuterungen gefolgt sind, bereits die im folgenden Jahrhundert aufkommenden Werbebildchen vorweg, die ebenfalls mit historischen Themen aufwarten. Bibliographie: Brüggemann IV, Nr. 189; pictura paedagogica (3.11.2011)

Kat. 58 Crichton, Andrew: The History of Arabia. Ancient and Modern, 2 Bde., New York: Harper & Brothers, 1834. Bildunterschrift: MOHAMMED Seite: 1. Bd., Frontispiz Künstler: Jackson Technik: Radierung (?)

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Bemerkungen: Das Frontispiz adaptiert das Motiv der Titelvignette von d’Ohssons Tableau (Kat. 44 a). Es ist in seiner Darstellung jedoch weniger detailreich und von geringerem künstlerischen Anspruch. Anmerkung: Das Buch übernimmt auch die Beschreibung des Frontispizes von d’Ohsson. Auf der Versoseite heißt es: „Mohammed preaching against the Idols of the Kaaba, with the four first Caliphs and Imams.“ Im zweiten Band finden sich weitere Graphiken mit Ansichten von Medina und der Kaaba in Mekka. Eine spätere Ausgabe des Buches, die 1864 ebenfalls bei Harper & Brothers erschien, zeigt die Graphik erneut. Bibliographie: –

Kat. 59 (Abb. 77) Ockley, Simon: The History of the Saracens: Comprising the Lives of Mohammed and His Successors, to the Death of Abdalmelik, the Eleventh Caliph. London: Henry G. Bohn, 1848. Titel: Mohammed Seite: Frontispiz Künstler: Pierre Duflos (1742–1816) (?) / John James Hinchliff (1805–1875) Technik: Lithographie (?) Maße: Blatthöhe 180 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 268f. Anmerkung: Simon Ockleys Geschichte der Sarazenen erschien erstmals in zwei Bänden 1708 und 1712, jedoch noch ohne Bilder. In gleicher Form erscheint die Graphik in einer weiteren Auflage desselben Verlagshauses im Jahr 1857. Als in der Adresse genannter Entwerfer der Graphik kommt der französische Graphiker Pierre Duflos (1742–1816), der letzte Vertreter einer Familie von Kupferstechern, in Frage. Es ist daher wahrscheinlich, dass der Entwurf schon für Publikationen früheren Datums verwendet wurde. Bibliographie: Quinn (2008), S. 69; Reeves (2003), S. 162–163; Bennett (1998), S. 98; Holt (1962), S. 295–298

Kat. 60 Brownell, Henry H.: The Eastern, or Old World: embracing ancient and modern history with numerous beautiful illustrations, drawn and colored after nature, 2 Bde., New York: American subscription pub. House, 1859. Bildtitel: The Hegira, or Flight of the false prophet Mahomet Seite: 296 Künstler: Bobbett & Edmonds Technik: Lithographie (?) Maße: Blatt 240 × 150 mm

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Beschreibung: Die Hidschra, die als herausragender Moment in der Historie des Islam bereits in mehreren Geschichtswerken dargestellt wurde, findet hier eine ganz neue Form der Präsentation. Vor der nächtlichen Kulisse einer Wüstenlandschaft erscheinen Mohammed und sein Gefolgsmann Abū Bakr auf Kamelen reitend. Die Tiere befinden sich im schnellen Ritt von rechts nach links. Mohammed, der mit wehendem Turban gezeigt ist und seinen Kopf in Richtung des Betrachters wendet, wirft aus den Winkeln seiner Augen einen finsteren Blick in Richtung der Verfolger. Anstatt der Feierlichkeit des Aufbruchs bzw. der Ankunft, die in den vorherigen Darstellungen mit Mohammeds Fingerzeig in den Himmel und seiner Rede verbunden war, erscheint die Hidschra nun als eine hastige Flucht im Schutz der Dunkelheit. Anmerkung: Die Erstausgabe von 1851 unter dem Titel The people’s book of ancient and modern history konnte nicht eingesehen werden. Eine weitere Ausgabe mit derselben Abbildung erschien 1857 in Toronto. Bibliographie: –

Kat. 61a–e (Abb. 80, 81, 83, 84) El Coran. Ó Biblia Mahometana, seguido de la biografia de Mahoma. Primera version espanola, annotada y comentada, hrsg. v. Juan Aleu y Fugarull, übers. v. Vicente Ortiz de la Puebla, Barcelona: Juan Aleu, 1872. 61a Seite: Holzstichtitel Künstler: J. Noe / Floris Technik: Holzstich Maße: Blatt 312 × 190 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 277, 296–300. 61b Titel: El viaje nocturno Seite: 256 Künstler: Ramón Puiggari (inv.) / Moracho (sculp.) Technik: Holzstich Maße: 160 × 109 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 282–285. 61c Titel: Mahoma y una de sus mujeres Seite: 333 Künstler: Ramón Puiggari (inv.) / Floris (sculp.) Technik: Holzstich Maße: Bild 162 × 111 mm

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Beschreibung: siehe Hauptext S. 285–288. 61d Titel: Mahoma Seite: 491 Künstler: Moracho Technik: Holzstich Maße: Bild 160 × 108 mm Beschreibung: siehe Hauptext S. 288–293. 61e Titel: Y todas las voces respondieron: ‚Si, tù lo has cumplido.‘ Seite: 662 Künstler: J. Noé / Floris Technik: Holzstich Maße: Bild 160 × 111 mm Beschreibung: In diesem letzten Holzstich des Buches, der sich in der an den Koran anschließenden Biographie des Propheten befindet, wird Mohammed als Prediger auf einer Hügelkuppe gezeigt. Vom Vordergrund des Bildes in den Hintergrund zieht sich eine Gruppe von Zuhörern, die sich um den Hügel des Propheten scharrt. Mohammed, der mit zwei Begleitern im Mittelgrund an einer weniger hellen Stelle des Bildes dargestellt ist, hat beide Arme zum Himmel emporgerissen. Die Begeisterung der Menge, die von der Bildunterschrift vermittelt wird, in der es heißt „Und alle antworteten: Du hast es vollendet“ (= Du bist das Siegel der Propheten), wird in dem Bild nicht ersichtlich. Die Gruppe der Zuhörer steht nicht besonders dicht gedrängt und sichtbare Bekundungen des Einverständnisses sind nur bei einigen Rückenfiguren im Vordergrund zu erkennen. Wie auch bei den anderen Darstellungen Mohammeds legt der Illustrator mit seinem Bild eine Deutung nahe, die der vom Text vermittelten Ernsthaftigkeit und Erhabenheit des religiösen Inhaltes zum Teil widerspricht. Anmerkung: El Coran ist die quantitativ mit Abstand am reichsten illustrierte Koranübersetzung des Untersuchungszeitraums. Neben den Darstellungen des Propheten enthält das Buch zwölf weitere ganzseitige Holzstiche. Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 1522/18; Chauvin X, S. 78, Nr. 178

Kat. 62 Sale, George: The Koran: commonly called The Alcoran of Mohammed: translated from the original Arabic with explanatory notes, taken from the most approved commentators: to wich is prefixed a preliminary discourse, London: F. Warne and Co, 1877. Seite: Buchdeckel

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Technik: Golddruck Maße: Höhe des Buchdeckels 190 mm Beschreibung: Das ganzfigurige Bild des Propheten wurde in Gold in den Deckel des Buches eingedruckt. Mohammed trägt einen lose gebundenen, etwas herabhängenden Turban und wallende Gewänder. Es scheint, als schreite er forsch in Richtung des Betrachters. Dabei trägt er in seinem linken Arm ein großes, geschwungenes Schwert, das in der Scheide steckt. Anmerkung: Bei diesem Bild handelt es sich um die erste bekannte Darstellung Mohammeds auf einem Buchdeckel. Bereits die Verwendung von goldener Farbe, aber auch die wenig kriegerische und dennoch imposante Darstellung sprechen für eine ehrenvolle Repräsentation Mohammeds. Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 1522/18; Chauvin X, S. 166

Kat. 63 Hottinger, Christlieb G. (Hrsg.): Die Welt in Bildern. Für Schul- und Unterrichtszwecke = (Orbis pictus), Berlin/Straßburg: Hottinger, 1881. Bildtitel: Mohammed’s Flucht Seite: 127 Künstler: Paul Chenavard (inv.) / N. e. Phot. v. A. Braun u. C. i. Dornach Technik: Kupferstich Maße: Bild 59 × 90 mm Beschreibung: Das hochformatige Bild zeigt Mohammed und zwei seiner Anhänger auf der Flucht vor ihren mekkanischen Verfolgern. Die drei Muslime sind auf der rechten Seite an dem Eingang zu einer Höhle zu sehen, während der Trupp der Verfolger auf der linken Seite des Bildes an dem Versteck vorbeireitet, ohne die Männer zu entdecken. Einer von Mohammeds Gefolgsleuten hat sich hinter einem Gebüsch versteckt, um von dort aus den Zug der Reiter zu beobachten. Ein weiterer Mann hält Mohammed davon ab, ebenfalls das Versteck zu verlassen. Der mit gezogenem Schwert präsentierte Prophet scheint ungeduldig und so, als wolle er sich lieber dem Kampf stellen. Im Hintergrund des Bildes ist zu sehen, dass der zweite Eingang zu der Höhle von einem riesigen Spinnennetz verschlossen ist. Dieses Netz, so der Text, habe die Verfolger davon abgehalten, die Höhle zu durchsuchen. Die Motive des Spinnennetzes, des wackeren und todesmutigen arabischen Kämpfers, als der Mohammed hier erscheint, wie auch des barfüßigen und gewitzten Gefolgsmannes, der den Verfolgern nachstellt, sind als phantastische und abenteuerliche Ausschmückungen des Themas zu verstehen. Bibliographie: pictura paedagogica (3.11.2011)

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Kat. 64 Il Corano nuova traduzione italiana dall’arabo, preceduto dalla leggenda di Maometto e dal sommario della religione turca, Mailand: Giovanni Panzeri, 1882. Bildtitel: Maometto Seite: Frontispiz Maße: Blatthöhe 200 mm Technik: Stahlstich Beschreibung: Die Graphik geht auf das Porträt Mohammeds in Savarys Koranübersetzung von 1826 zurück (Kat. 56). Das Bildnis erscheint hier ohne Rahmen und geht an den Rändern in lockeren Schraffuren in die Blattoberfläche über. Die Vignette mit Schwert und Buch, die in der Vorlage unter dem Porträt gegeben ist, wird nun direkt vor dem Oberkörper des Propheten als Teil des Bildes dargestellt. Das Bild wirkt, wohl auch durch die von der Vorlage abweichende Drucktechnik, in seiner Linienstruktur etwas härter. Dies entspricht dem Alter des Propheten, der hier einige Jahre älter erscheint als in der Vorlage, wie auch seinen etwas gröberen Gesichtszügen. Auf die Lichtstrahlen, die in der Vorlage vom Koran ausgingen, verzichtete der Illustrator. Anmerkung: Die italienische Übersetzung des Korans wurde von einem unbekannten Autor gefertigt und bedient sich wohl ebenfalls der französischen Fassung von Savary als Vorlage. Bibliographie: Binark/Eren (1986), Nr. 998/14

Kat. 65 Manfredi, Vittorio: La Vita di Maometto, Mailand: Società editrice Sonzogno, 1888. Bildtitel: MAOMETTO INVIATO DI DIO Seite: Frontispiz Technik: Lithographie (?) Maße: Blatthöhe 164 mm, Bildhöhe 93 mm Beschreibung: Dieses in seiner reduzierten Binnengestaltung wie eine Skizze wirkende Bildnis Mohammeds scheint unmittelbar auf das Porträt in Baudier zurückzugehen (Kat. 12). Statt der dort gegebenen diffamierenden Bildunterschrift wird der Prophet hier erstmals als Gesandter Gottes, „Inviato di Dio“, und auch in arabischer Schrift entsprechend als „rasūl Allāh“ betitelt. Anmerkung: Trotz der auf den ersten beiden Seiten des Textes angeführten Vorurteile ist der Autor in seiner weiteren Darstellung Mohammeds um historische Korrektheit bemüht. Bibliographie: –

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Kat. 66 Bettany, George T.: Mohammedanism and other religions of Mediterranean countries. Being a popular account of Mahomet, the Koran, and modern Islam, together with descriptions of the Egyptian, Assyrian, Phoenician, and also the Greek, Roman, Teutonic and Celtic religions, London: Ward, Lock, Bowden and Co., 1892. Titel: MAHOMET, PROPHET OF ISLAM Seite: 70 Technik: Stahlstich (?) Maße: Blatt 190 mm, Bildrand 147 × 91 mm Beschreibung: Das ganzfigurige Bildnis zeigt Mohammed als älteren Mann mit langem Bart und einem bis zum Boden reichenden Untergewand und Mantel. Die Figur des Propheten nimmt die gesamte Höhe des Blattes ein und steht leicht aus der Frontalansicht nach links gedreht. Der linke Arm des Propheten, der ein auf dem Boden stehendes Schwert festhält, wird vom Bildrand überschnitten. Der rechte Arm ist in ostentativer Geste erhoben. Zusätzlich zu dem Schwert trägt Mohammed einen Dolch am Gürtel. Der Turban auf dem Kopf ist mit zwei schräg über die Vorderseite verlaufenden Zierbändern geschmückt. Der Unterkörper Mohammeds wirkt groß und massig, während sein Kopf zu klein für den Körper erscheint. Als Vorbild diente dem Graphiker wahrscheinlich die Darstellung des Propheten in Ockleys The History of the Saracens von 1848. (Kat. 59) Anmerkung: Bettany vermeidet in seiner Biographie Mohammeds (S. 63–95) die antiislamischen Anekdoten vollständig und hält sich meist an islamische Quellen, die er aus der Sekundärliteratur rezipiert. Mohammeds religiöser Aufrichtigkeit zu Beginn seiner Mission stellt er, dem Modell Edward Gibbons folgend, jedoch eine negative Beurteilung seines späteren Verhaltens gegenüber. Außerdem wirft er Mohammed vor, er habe die Offenbarungen der späteren Zeit zum Teil zu seinen Gunsten erfunden oder er sei einer Selbsttäuschung erlegen. (S. 94–95) Bibliographie: Chauvin XI, S. 15, Nr. 47

Kat. 67 Bush, George: The life of Mohammed. Founder of the Religion of Islam, and of the Empire of the Saracens, New York: A. L. Fowle, 1900. Bildtitel: Mahomet Seite: Frontispiz Technik: Stahlstich (?) Maße: Bild 90 × 75 mm Beschreibung: Das Bild zeigt Mohammed auf einem Felsen in einer dunklen Höhle sitzend. Leicht schräg zum Betrachter hält er dabei in der Rechten eine riesige Tafel, auf die er versonnen blickt. Sein Gewand besteht aus einem Untergewand mit Pluderhosen,

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einem über Schulter und Knie geworfenen Übermantel und einem weißen Turban, dessen Tuch an einer Seite herunterhängt. Mohammed trägt einen dunklen Bart und ist mittleren Alters. Das Gewand wirkt einfach und die gesamte Darstellung ist augenscheinlich nicht negativ. Bei dem Bild soll es sich wohl um eine Darstellung des Rückzugsortes des Propheten auf dem Berg Hira (Hirā’) . handeln, wo er in Einsamkeit meditierte. Die Tafel in seiner Hand erklärt sich damit jedoch nicht. Anmerkung: George Bushs (1796–1859) Mohammedbiographie wurde erstmals 1831 in New York publiziert. Darin entwirft der Autor das schillernde Bild eines attraktiven und talentierten Propheten, der aber letztlich nichts anderes sei als der „most successful impostor“ (S. 156, Ausgabe 1831). Für das Frontispiz diente wahrscheinlich ein Stahlstich als Vorlage, der von Samuel Woodforde (1763–1817) entworfen und von Charles Meyron (1821–1868) gestochen wurde. Angesichts der Bildunterschrift dieses Stahlstichs („Thou Alcoran! Hast won more battles“), der bisher keiner konkreten Buchpublikation zugeordnet werden konnte, dürfte es sich um die Illustration einer englischen Übersetzung von Voltaires Le fanatisme ou Mahomet le prophete handeln. Das Londoner Verlagshaus Longman & Co, für das die Graphik entstand, veröffentlichte mehrere Ausgaben von Voltaires Tragödie. Anders als in der wahrscheinlich früheren Darstellung derselben Szene (Kat. 40) stimmt das Bild mit der Beschreibung der Szenerie im Stück als in einer Höhle stattfindend überein. In einem Eintrag der University Library of Illinois (www. library.illinois.edu/contentdm/cdm4/item_viewer.php?CISOROOT=/actors & CISOPTR=2052&CISOBOX=1&REC=8) (14.12.2011) wird der Darsteller Mahomets als der Schauspieler John Palmer (1742? –1798) identifiziert. Bibliographie: Chauvin XI, S. 17

Kat. 68 (Abb. 91) May, Karl: Orangen und Datteln. Reisefrüchte aus dem Orient, Freiburg i. Br.: Friedrich E. Fehsenfeld, 1904 (Kal Mays Gesamelte Reiseerzählungen, Bd. 10). Bildtitel: Orangen u. Datteln Seite: Frontispiz Künstler: Sascha Schneider (1870–1927) Technik: Lithographie Maße: Buchdeckel 175 × 120 mm Beschreibung: Dieses Buchcover für eine Sammlung von Reiseerzählungen zeigt Jesus und Mohammed unmittelbar nebeneinanderstehend vor einem dunklen Hintergrund. Jesus ist in eine weiße Toga gekleidet, die die rechte Schulter freilässt, und wendet seinen Kopf mit ernstem Blick Mohammed zu. Dieser ist kleiner und fülliger als Jesus, hat einen kahl rasierten Schädel und trägt lediglich einen weiten und dunklen, bis zum Boden reichenden Rock, der an der Hüfte mit einem gestreiften Tuch umwunden ist. Sein massiger und muskulöser Oberkörper bleibt hingegen frei. Die Stimmung zwischen den

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Figuren ist spannungsgeladen, denn Mohammed kontert den Blick Jesu mit dem Griff nach seinem Schwert. Obwohl Jesus unbewaffnet ist, erscheint er in seiner erhabenen Haltung und auch wegen des Kreuznimbus, der in Strahlen von seinem Kopf ausgeht, dem Propheten überlegen. Die Figur Jesu kann auf eine Christusskulptur von Bertel Thorvaldsen (1821) zurückgeführt werden. Auch ohne Wundmale mit dem Kreuznimbus und seinem weißen Gewand die Auferstehung und damit das ewige Leben symbolisierend, bildet Jesus so den schärfsten Kontrast zu Mohammed, dessen ungeschlachte und brutal wirkende Gestalt an einen Scharfrichter erinnert. Siehe auch Hauptext S. 307f. Anmerkung: Bei dem Buch handelt es sich um eine Zusammenstellung von zehn Geschichten Karl Mays, die erstmals 1893 als zehnter Band der Gesammelten Reiseerzählungen erschien. Das Buchcover bezieht sich auf die Geschichte Christus oder Mohammed, in der ein Moslem („Abd el Fadl, der Henker des Beis von Tunis“), der mit Fallen und Intrigen den Helden Charley zu Fall bringen will, schließlich zum christlichen Glauben konvertiert. Der Graphiker Schneider sah in seinem Bild den Kampf zwischen Christentum und Islam verkörpert. In einem Brief an May äußert er sich zu seinen Vorstellungen für weitere Titelblätter: „Wenn Orangen und Datteln 3 Bände haben, so weiß ich, was für die beiden anderen zu zeichnen ist. Hier stehen sich Christus und Mohammed gegenüber. 2. Band: Christus und Mohammed im Kampf (kein Ringkampf!). 3.  Band: Christus in Gloriole erhebt den besiegten Mohammed“ (Schneiders Brief an May, 23.3.1904, zitiert nach Range). Bibliographie: Range (1999), S. 77–78

Kat. 69 Wollaston, Arthur: The religion of the Koran, New York: E. P. Durron and Co., 1908. Bildtitel: THE RELIGION OF THE KORAN Seite: Buchdeckel Technik: Farbprägung Maße: Höhe des Buchdeckels 200 mm Beschreibung: Der Buchdeckel aus stoffbezogenem Karton zeigt die mit grüner Farbe gefertigte Prägung des Schulterstücks eines Mannes im Profil, der seinen Kopf nach rechts in Richtung des Betrachters ins Dreiviertelprofil dreht. Der Mann trägt einen Turban mit taj und einen voluminösen Bart mit ausgeprägtem Schnurrbart. Trotz der Monochromie und des Fehlens von Schattierungen wirkt das Bildnis durch die starke Wendung des Kopfes, die prononcierten Augenbrauen und die deutliche Stirnfalte sehr lebendig. Da es sich bei dem Buch um eine Erörterung des Islam und des Korans handelt, könnte mit der Figur Mohammed gemeint sein. Anmerkung: Das Buch ist ein Titel aus der Reihe „The Wisdom of the East“. In der Editorial Note heißt es: „They [the editors] desire above all things that, in their humble way,

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these books shall be the ambassadors of good-will and understanding between East and West, the world of old thought, and the new Action.“ Das Buch enthält Auszüge von Edward Palmers Koranübersetzung aus den Sacred books of the East von 1880. Bibliographie: –

Kat. 70 Østrup, Johannes: Profeten Muhammed. En folkelig Fremstilling, Kopenhagen: Kunstforlaget, 1911. Seite: Buchcover Technik: Lithographie Beschreibung: Das Buchcover zeigt den Propheten Mohammed auf Burāq reitend, gerahmt von einem reich verzierten maurischen Hufeisenbogen. Anders als in den vorherigen Darstellungen ist Burāq nicht als Mischwesen mit Frauenkopf und Pfauenfedern gezeigt, sondern in der durch Pegasus in Europa vertrauteren Gestalt eines geflügelten Pferdes. Der Prophet scheint die Zügel mit sicherem Griff zu halten. Etwas irritierend ist, dass das Bild eher den Eindruck eines Abstieges oder Sprungs des Pferdes und weniger den eines Aufstiegs in den Himmel erweckt. Burāq fliegt nur knapp über den am unteren Bildrand gegebenen Flammen. Solche Flammen erscheinen auch in der nach einer osmanischen Vorlage gefertigten Darstellung der mi‘rağ bei d’Ohsson (Kat. 44 b); während sie dort jedoch für das göttliche Licht nūr stehen, können sie in der Adaption dieses Buchcovers leicht als Höllenfeuer missverstanden werden. Anmerkung: Johannes E. Østrup (1867–1938) war Dozent für semitische Sprachen an der Universität in Kopenhagen und ab 1918 Professor. Bibliographie: Botofte (2008), S. 91

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Namensregister

‘Abd Allāh (Vater von Mohammed) 84 Abraham (Ibrāhīm) 82–84 Abraham a Santa Clara (Johann Ulrich Megerle) 248 Abū Bakr 259, 363 Abū l-Fidā’, Ismā‘īl 116, 216, 217, 222, 223, 227, 243, 251, 256 Abū Tālib 38 . Accetto, Torquato 187 Adam 70, 115, 118, 265–267, 353 Adams, Ann J. 195 Adelphus (Autor von Vita Machometi, 12. Jh.) 38 Ahmet I. (osmanischer Sultan) 185 Aischa (‘Ā’iša bint Abī Bakr) 148, 287f., 302, 356 Alciato, Andrea 106 Aleu y Fugarull, Juan 276, 279, 363 Alexander der Große 205, 227, 271, 274 Alexander VII. (Papst) 281 ‘Alī (Abū l-Hasan ‘Alī b. Abī Tālib) 115, 213, 325, . . 357 Almond, Ian 235 Almond, Philipp 22, 231, 256 Alt, Georg 42, 315 Amadeus Ferdinand Maria von Savoyen (spanischer König) 280 Amina (Āmina bint Wahb, die Mutter Mohammeds) 71 Amman, Jost 130f. Anastasius Bibliotheacarius 32 Andrés, Juan 178, 191 Antichrist 18, 27, 42, 61, 63–65, 75–77, 79–81, 110, 113, 123, 169, 197, 211, 231, 289, 303–305, 307, 310, 322

Antonius von Padua 71 Apollonio di Giovanni 29 Arias Torres, Juan Pablo 279 Aristoteles 102, 124, 290 Arius 127 Arnold, Gottfried 187 Aron 341 Arrivabene, Andrea 65f., 78f., 156, 281, 302 Asín Palacios, Miguel 285 Augustinus von Hippo 111 Averroës (Ibn Rušd) 124 Bahira (Sergius) 31, 54–56, 177, 357 Bahram Mirza (Bahrām Mīrzā, safawidischer Prinz) 307 Bajezid II. (osmanischer Sultan) 47 Bal‘amī (Abū ‘Alī Mohammad) 72 . Barbarino, Andrea da 42, 63 Baudier, Michel 133–136, 143f., 147, 151f., 154, 158, 163, 165, 184, 186, 228, 253, 304, 310, 366 Bayle, Pierre 170–173, 178, 204, 226 Bellini, Gentile 13, 124 Bellini, Giovanni 113 Belon, Pier 101, 147 Belting, Hans 114 Benedikt XIV. (Papst) 204, 281 Benedikt XV. (Papst) 281 Bennett, Clinton 22, 255 Bernard, Jean Frédéric 147, 171, 223, 225–228, 236, 344 Bibliander, Theodor 65, 69, 77, 79, 115, 280, 318 Bileam 72 Biondo, Flavio 46 Bisaha, Nancy 124

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Namensregister

Blake, William 253 Bobzin, Hartmut 22, 77, 231 Boccaccio, Giovanni 64, 100, 141 Boileau, Nicolas (Despréaux) 165 Boissard, Jean Jacques 84, 86, 88, 90–92, 106f., 108, 319 Borbón, Carlos María de 280 Borrmans, Maurice 146 Boulainvilliers, Henri de 174–180, 183, 185, 191, 195, 204f., 216f., 227f., 236, 256, 291, 333 Boysen, Friedrich Eberhard 246f. Brant, Sebastian 61 Brasavola, Antonio Musa 68 Breydenbach, Bernhard von 102 Brucioli, Antonio 68 Bry, Johann Israel de 81, 96, 105 Bry, Johann Theodor de 83, 85, 96, 101, 103, 111 Bry, Theodor de 88, 102, 105, 107 Burghartz, Susanna 27 Burgkmair, Hans d. Ä. 50f. Burgundino da Pisa 12 Burman, Thomas E. 19, 124 Burns, Robert 232 Busbecq, Ogier Ghislain de 241 Cahn, Walter 21, 120 Caligula (Gaius Caesar Augustus Germanicus) 274 Campanella, Tommaso 33 Cardini, Franco 22 Carlyle, Thomas 232, 234–237, 254–256, 272, 291f. Castro, Américo 277, 299 Castrodardo, Giovanni Battista 65, 69, 74, 79 Caxton, William 57 Changuion, François 174f. Chateaubriand, René 252 Châtel, Jean 203 Chauvin, Victor 279 Choiseul-Gouffier, Marie-Gabriel-FlorentAuguste de 262 Crichton, Andrew 264, 291 Clément, Jacques 203f. Cochin, Charles-Nicolas 263, 266, 345 Coffey, Heather 21 Conde, José Antonio 292, 294 Conklin Akbari, Suzanne 22, 104 Corneille, Pierre 203

Courbet, Gustave 288 Cromwell, Oliver 232 D’Ancona, Alessandro 22, 244 Damme, Hendrick van 154, 328 Daniel, Norman 13, 22, 104, 246 Dante 65, 73f., 232, 284, 306 Darbone, Robert 197 Darwin, Charles 306 Daston, Lorrain 94 Daumier, Honoré 292 Davent, Léon 90, 93 David (jüdischer König) 250 Di Cesare, Michelina 10, 40, 64, 121, 123, 195 Díaz Tanco, Vasco 130, 321 Didachi, Carolus 237 Dimmock, Matthew 22, 30, 64, 197 Dionysius Rijkel (der Kartäuser) 45, 63, 57, 78, 317 Domitianus, Titus Flavius (römischer Kaiser) 274 Doré, Gustave 290 Du Ryer, André 134, 146, 154, 211, 213, 237, 241, 244f., 247, 278, 327f., 339, 343, 360 Duchange, Gaspard 152f. Durand, David 166 Dürer, Albrecht 41, 114 Dust Muhammad (Dūst Mohammad Mos. awwer) . 307 El Cid (Rodrigo Díaz de Vivar) 296 Embrico von Mainz 32, 98, 100 Enemann, Michael 162 Engelmann, Godefroy 253 Erasmus von Rotterdam 114 Erpenius, Thomas 156 Eva 265–267 Eyck, Jan van 143 Fabri, Felix 102 Feingold, Mordechai 280 Ferrario, Giulio 264, 268 Ferriol, Charles de 226 Feyerabend, Sigmund 130 Forster, Charles 231 Fortuny, Mariano 297–299 Fosse, Charles de la 152 Foucault, Michel 95 Franco, Giacomo 86 François, René (Binet, Étienne) 141 Fraser, Elisabeth 259

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Namensregister

Friedrich II. (Stauferkaiser) 173 Friedrich II. von Preußen 203, 208, 270 Fück, Johann 178 Furter, Michael 61 Gagnier, Jean 116, 157, 170, 216–218, 221–223, 226–228, 236, 239, 243, 247, 256, 272, 305, 355 Galison, Peter 94 Galland, Antoine 172, 210 Gallet, George 174f. Georg von Ungarn 79f. Gerber de Robles, José 278f. Gibbon, Edward 171, 238, 255–259, 261, 268, 292, 351, 356f. Giedlli, Yça 41 Giovanni da San Giovanni 285 Girolamo da Cremona 124 Giunta, Lucantonio 68, 75 Glazemaker, Jan Hendricksz 146, 154, 156, 327 Goeree, Jan 161 Goethe, Johann Wolfgang von 171, 205, 227, 236, 237 Grabar, Oleg 21 Greene, Robert 197 Gregor I. (der Große) 98–100, 110 Grewe, Andrea 202 Grieve, Patricia 286 Grosrichard, Alain 166, 274 Grotius, Hugo 179, 186 Gruber, Christiane 21, 242, 284, 293 Guer, Jean-Antonie 166 Guibert von Nogent 32 Gunst, Peter Stevensz van 217 Gunst, Philipp van 217–221, 223, 229, 342 Güsel, Renda 266 Haas, Hans 17, 22 Hadiga (Hadīğa bint Huwaylid) 38, 147, 185f., ˘ ˘ 328, 331 Haestens, Henrik van 126f., 129f., 132f., 135, 147, 151, 157, 321 H . āfe z-e . Abrū 221 Hagar (Hāğar) 82f., 108 Ham (Sohn Noahs) 82 Hamilton, Alastair 157 Hammer-Purgstall, Joseph von 115, 234, 252 Harrewyn, Jacques 175, 181, 192, 330–333 Harsdörffer, Philipp 142

Hausleutner, Philipp Wilhelm Gottlieb 242 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 271f. Hentch, Thierry 22 Heraklius (römischer Kaiser) 46, 114 Herbelot de Molainville, Barthélemy de 170–172, 178, 226 Herder, Johann Gottfried 252 Hilaire, Jean-Baptiste 263 Hildebert von Tour 33 Hippokrates 291 Hoettinger, Johann Heinrich 171 Höfert, Almut 93 Holt, Peter Malcolm 256 Honnecourt, Villard de 93 Hooghe, Romeyn de 187 Hoogstratens, Samuel van 197 Horaz 284 Hottinger, Johann Heinrich 145 Hypokrates 185 Iacobus de Verona 37 Ibn Hawqal 102 . Ilg, Ulrike 84, 91 Irving, Washington 268, 294, 296f., 300 Isabella II. (spanische Königin) 280 Isidor von Kiew 26 Ismael (Ismā‘il) 82, 301 Jacobus de Teramo 44 Jacobus de Voragine 44, 97 Jansen, Hans 22 Japhet (Sohn Noahs) 82 Jesus von Nazareth (Christus) 12, 17f., 32, 36f., 39, 41f., 45, 69, 71, 74, 77, 139, 173, 179, 186, 197, 203, 211, 231, 270f., 276, 288–290, 307, 324, 368f. Johannes von Damaskus 12, 31, 53, 64 Johnson, Samuel 232 Joseph 71 Juan de Segovia 40 Julius Caesar, Gaius 227, 271, 274f. Jurieu, Pierre 173 Karl der Große 306 Kazimirski, Albert Félix Ignace 278–280, 288 Kermani, Navid 248 Ketton, Robert 12, 40f., 115 , 123, 279, 318 Kissling, Hans-Joachim 7 Klenze, Leo von 233 Klinkenberg, Michael 295

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Namensregister

Klopstock, Friedrich Gottlieb 253 Knaust, Heinrich 80, 82, 320 Knox, John 232 Koberger, Anton 42 Konstantin (römischer Kaiser) 294 Krüger, Klaus 142 La Fontaine, Jean de 164 Laan, Adolf van der 211–213, 215 Laurens, Henry 171 Le Kain, Henri Louis 210, 348, 351 Le Thiec, Guy 40, 69, 75 Leibniz, Gottfried Wilhelm 52, 235 Leo VI. der Weise (byzantinischer Kaiser) 96, 110 Leoni, Leone 52 Leonico Tomeo, Niccolò 65 Lesage, Alain-René 200, 202f. Lessing, Gotthold Ephraim 206 Leuschner, Eckhard 187 Liotard, Jean-Étienne 143 Lipsius, Justus 187 Long, Roger 255 Longland, William 63 Lorck, Melchior 89 Ludwig XIII. (französischer König) 197, 202 Luetz, Gabriel de 92 Lull, Raimund 39, 52 Luther, Martin 77f., 84, 114, 119, 127, 232, 248, 322 Luyken, Caspar 157 Luyken, Jan 157 Machiavelli, Niccolò 125f., 187, 269f. MacKenzie, John 295 Madrazo y Kuntz, Federico 294 al-Mahdī (abbasidischer Kalif) 205 al-Mākin 156 Mani (Mānī, Begründer des Manichäismus) 307–310 Maria 45, 69, 71, 359 Marracci, Lodovico 145f., 148, 154, 160, 214, 226, 247, 256, 336, 343 Martin, Andrew 205 Martínez Gázquez, José 279 Maximilian II. (bayerischer König) 232 May, Karl 37, 307, 369 Mebes, Johann August 178 Megerlin, David Friedrich 246 Mehmet I. (osmanischer Sultan) 88

Mehmet II. (osmanischer Sultan) 89, 124, 130f. Mehmet III. (osmanischer Sultan) 84f., 88f. Meier, Fritz 242 Melanchthon, Philipp 114, 116, 132 Menavino, Giovanni Antonio 76 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von 276 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de 160 Moreau, Jean-Michel 258, 352 Moses 136, 173, 179, 213, 228, 247, 276, 289–290, 341 Motte, Andrew 161 Mouradgea d’Ohsson, Abraham Constantine 259 Mouradgea d’Ohsson, Ignatius 259, 261–263, 265–268, 282, 353, 362, 370 Muhammad b. Ishāq 31f. . . Muhammad b. Sa‘d 31f. . Muir, William 231 Müller, Andreas 234 Münster, Sebastian 46–49, 53, 56, 75, 89, 125, 317 Murad IV. (osmanischer Sultan) 197 Müteferrika, Ibrahim 259 Nagel, Tilman 22 Napoleon, Bonaparte 205, 232, 275f., 292, 306, 361 Natif, Mika 21 Negri, Solomon 237 Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (römischer Kaiser) 274 Nerreter, David 145­­–154, 157, 163–166, 184, 194, 231, 253, 257, 336, 339 Nez. āmī-e Ganğawī 307f. Nicolay, Nicolas de 91–95 Nikolaus I. Pawlowitsch (russischer Zar) 276 Nikolaus von Kues 40, 45, 53 Noah 82 Numa Pompilius 205, 271 Ockley, Simon 171, 179, 238, 255f., 268, 362, 367 Odin (Gott der nordischen Mythologie) 232 Oporinus, Johannes 77 Ortelius, Abraham 86 Ortiz de la Puebla, Vicente 276f., 279f. Osman I. (osmanischer Sultan) 52, 89 Paleotti, Gabriele 119, 132 Palumbo, Genoveffa 68 Pastor, Adam 132 Paulus (Apostel) 100

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Namensregister

Pearson, James Douglas 279 Pelayo (asturischer König) 293, 294 Pellat, Charles 38, 40 Percy, William 197 Pereira, João José 272 Peter von Cluny (Petrus Venerabilis) 77, 120, 279, 284, 318 Petrus von Poitiers 122 Philipp III. (von Burgund) 199 Picart, Bernard 194f., 213f., 224f., 311, 341, 344f. Piccolomini, Enea Silvio (Papst Pius II.) 46 Pisanelllo 30 Pius IX. (Papst) 281 Platin, Christoph 93 Platon 306 Plinius Secundus, Gaius 101, 118 Pococke, Edward 98, 145, 147f., 158, 171, 191, 256 Pomis, Giovanni Pietro Telesphoro de 187 Porta, Giovanni Battista della 164 Postel, Guillaume 169 Prideaux, Humphrey 54, 167, 174–182, 186, 191f., 195, 204, 217, 228, 231, 246, 253, 255–257, 259, 274, 291, 333, 335, 354 Pseudo-Methodius 61, 64 Pseudo-Wāqidī 255 Ptolemäus 291 Puiggari, Ramón 281f., 285, 287, 288, 302 Pygmalion 185 Quentel, Peter 54 Quinn, Frederick 22, 81 Racine, Jean 203 Radulf von Caen 76 Raphael (Raffaello Sanzio) 290 Rašid ad-Dīn 221 Ravaillac, François 203 Reeves, Minou 22, 231 Reland, Adrian 157–160, 162, 165–167, 170, 172, 209, 226f., 231, 239, 241, 302, 337, 339 Rembrandt van Rijn 143 Riccoldo da Montecroce 61, 78, 84, 158, 191, 248 Richard, Francis 157 Richel, Bernard 28 Richelieu, Armand-Jean du Plessis Premier Duc de 164 Rigaud, Hyacinthe 152 Ripa, Cesare 141, 186f., 189f. Rippin, Andrew 242

Robert von Grosseteste 12 Rodinson, Maxime 22, 180 Roling, Bernd 167, 191 Rosmaesler, Johann Friedrich (Roßmäßler) 243–245, 272, 355 Ross, Alexander 146f., 151, 280, 289, 321, 339 Ross, Thomas 276, 339, 360 Rottmayr, Johann Michael 187 Rousseau, Jean-Jacques 206, 232 Rovillés, Guillaume de 117 Rudolf II. (römischer Kaiser) 84 Rycaut, Paul 197, 226 Sa‘dī 307 Šāhru h Mīrzā (ilkhanidischer Herrscher) 221 ˘ Said, Edward 16, 172, 275, 295 Saint-Claire, Alexandrine 89 Saladin (S. alāh. ad-Dīn, ayyubidischer Sultan) 294 Sale, George 161f., 226f., 237–239, 241f., 246f., 250, 339, 343, 354f., 360 Sánchez Albornoz, Claudio 277 Sandy, George 185 Savary, Claude-Étienne 246–248, 250–254, 343, 360, 366 Scaliger, Joseph Justus 77, 147 Schedel, Hartmann 29, 42, 45–47, 50, 52, 53, 72, 112, 315 Schleiermacher, Friedrich 251f. Schmidt, Georg Andreas 149 Schneider, Sascha 37, 307f., 369 Schöller, Marco 245 Schongauer, Martin 41 Schott, Hans 54, 57 Schweizer, Anton 162 Selim I. (osmanischer Sultan) 47, 50 Selim III. (osmanischer Sultan) 267 Sem (Sohn Noahs) 82 Sergius (s. Bahira) Shakespeare, William 232 Shalem, Avinoam 21, 71, 162, 296 Sichem, Christoffel van 126, 130f., 133 Sidi Muhammad IV. (alawitischer Sultan von Marokko) 296 Siegmund-Mairinger, Gabriele 238 Signorelli, Luca 76 Simon Magus 119 Simonet, Jean-Baptiste 263

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Namensregister

Sluter, Claus 136 Sorg, Anton 28 Soucek, Priscilla P. 21 Sousa, Frei João de 274 Southern, Richard W. 104 Spanheim, Friedrich d. J. 238 Spinas, Alphonso de 191 Strickland, Debra 21, 122f. Stubbe, Henry 11, 17, 115f., 147f., 178f., 302 Süleyman I. (osmanischer Sultan) 47, 50, 87 T. abarī (Abū Ğa‘far Muhammad b. Ğarīr . at. .Tabarī) 72, 282 Tanjé, Pieter 223–225, 229, 344 Theophanes 32, 36 Thietmarus (Magister) 100 Thorvaldsen, Bertel 307 Tieck, Ludwig 252 Tobin, Roland 204 Toderini, Giambattista 242 Tofiño-Quesada, Ignacio 277 Tolan, John 22 Toland, John 179 Tommasino, Pier Mattia 65 Trauth, Nina 188 Troelenberg, Eva-Maria 298 Uhlig, Gabriel 162f. ˘ t. t. āb (zweiter Kalif) 251f. ‘Umar b. al-Ha Uthman (‘U‒tmān ibn ‘Affān, dritter Kalif) 218, 259 Vanoli, Alessandro 102

Varthema, Ludovico 100 Vasari, Giorgio 13,142 Vico, Enea 117 Vincenz von Beauvais 97 Vittorio Emanuele II. (italienischer König) 280 Voltaire 171, 203–210, 236, 270f., 283, 302, 348, 353, 368 Wackenroder, Wilhelm Heinrich 252 Walter von Compiègne 32 Walther von der Vogelweide 44 al-Wāqidī (Muhammad ibn‘Umar ibn Wāqid . Wāqidī) 293 Warncke, Carste-Peter 26, 52, 87, 95, 106 Watt, William Montgomery 294 Watteau, Jean Antoine 215 Weigel, Christoph 149–152, 163, 329, 347 Weil, Gustav 234 Westergaard, Kurt 302 Widmannstetter, Johann Albrecht 78 Wieland, Christoph David 250 Wierix (Graphikerfamilie) 138 Wilhelm von Tripolis 32, 37, 39f., 40 Wilhelm von Tyrus 98 Wimpina, Konrad 127 Worde, Wynkyn de 57f., 60, 64, 75, 89, 316 Wyss-Giacosa, Paola 225 Zimmermann, Christian von 272 Zovenzoni, Raffaele 113 Zuccari, Federico 141

Abbildungsnachweise

Zitiert nach der jeweils angegebenen Publikation: Abb. 1–8, 10–21, 23, 26–28, 34–37, 41–43, 45–50, 52, 53, 56–60, 62, 63, 68, 70–74, 76–81, 83–86, 88, 91.

Zitiert nach Sekundärquellen: Abb. 9 public domain (http://images.zeno.org/Kunstwerke/I/big/HL10463a.jpg); Abb. 22 Graf (2002), Abb. 57; Abb. 24 Sievernich (1990), S. 111; Abb. 25 Harms (1998), S. 286; Abb. 29, 31 nach Strickland 2003, S. 190, 191; Abb. 30 Sybel/Sickel (1891), S. 83; Abb. 32 Burman (2014), Fig. 1; Abb. 33 Roxburgh (2005), S. 272, cat. 225; Abb. 38 © Staatliche Tretjakov-Galerie, Moskau; Abb. 39 Hollstein (Dutch & Flemish), Bd. LXI, Part III, S. 121, Kat. 542; Abb. 40 Schlie (2009), S. 67; Abb. 44 public domain, (www.colecteo.com/liebigOne/number/1_1212); Abb. 51 Leuschner (1997), S. 551; Abb. 54 Czech (1999), S. 234; Abb. 55 Gruber/Shalem (2014), Plate 45; Abb. 61, 65 u. 66 © Paolo Wyss-Giacosa; Abb. 64 public domain, (http://en.wikipedia.org/wiki/Muhammad), Abb. 67 public domain (www.zombietime.com/mohammed_image _archive), Abb. 69 Taşkale/Gündüz (2006), S. 55; Abb. 75 Fraser (2010), S. 218.; Abb. 82 Roettgen (2007), Taf. 55 oben; Abb. 87 Barón (2007), S. 155; Abb. 89 Gonzáles López (1978), S. 272; Abb. 90 public domain (https://archive.org/details/OxoLiebigMahomet-1928); Abb. 92 Barry (2004), S. 265.