IDW-Standards und Unternehmensrecht: Zur Geltung und Wirkung privat gesetzter Regeln [1 ed.] 9783428543250, 9783428143252

Welchen Einfluss haben betriebswirtschaftliche Standards auf rechtliche Verhaltensanforderungen? Die vorgelegte Arbeit u

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IDW-Standards und Unternehmensrecht: Zur Geltung und Wirkung privat gesetzter Regeln [1 ed.]
 9783428543250, 9783428143252

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 79

IDW-Standards und Unternehmensrecht Zur Geltung und Wirkung privat gesetzter Regeln

Von

Thilo Schülke

Duncker & Humblot · Berlin

THILO SCHÜLKE

IDW-Standards und Unternehmensrecht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 79

IDW-Standards und Unternehmensrecht Zur Geltung und Wirkung privat gesetzter Regeln

Von

Thilo Schülke

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14325-2 (Print) ISBN 978-3-428-54325-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84325-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Konstantin und Hannah

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2013 / 2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand vom Juli 2013, vereinzelt konnten noch Rechtsprechung und Literatur bis März 2014 berücksichtigt werden. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Abt. 2, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und wurde betreut von dessen Direktor, Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. Ihm bin ich zu größtem Dank verpflichtet, insbesondere für eine außerordentlich lehrreiche Zeit an seinem Institut, das mir entgegengebrachte große Vertrauen und die Freiheit bei der Wahl und der Erarbeitung des Themas dieser Arbeit. Für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens danke ich sehr herzlich Frau RiBFH Prof. Dr. Franceska Werth. Großer Dank gilt sodann Herrn Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M., auf dessen wertvollen Rat ich auch nach der gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl in Freiburg stets vertrauen konnte. Er hat eine frühere Fassung des Manuskriptes mit kritischen Anmerkungen versehen, die außerordentlich hilfreich waren. Auch danke ich Herrn Dr. Chris Thomale für viele Anregungen, die insbesondere die rechtstheoretischen Aspekte der Untersuchung sehr bereichert haben. Für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens danke ich sehr herzlich Herrn Frank-Arne Knoth, der in äußerst kurzer Zeit das gesamte Manuskript gegengelesen hat. Bei der Fahnenkorrektur waren mir Frau Marietta Pietrek, Herr Jonathan Kirschke-Biller, Herr Dr. Philipp Müller und Herr Frank Schlemper eine unverzichtbare Hilfe. Die VG Wort hat mir dankenswerterweise einen großzügigen Druckkostenzuschuss aus ihrem Förderungs- und Beihilfefonds gewährt. Größter Dank gebührt schließlich meiner Familie. Meine Eltern, Sibylle und Rudolf Schülke, haben mich stets liebevoll und in allen Belangen unterstützt. Meiner Lebensgefährtin, Frau Julia Groh, danke ich insbesondere für ihre große Geduld, ihren aufmunternden Zuspruch und ihr unbeirrbares Vertrauen in das Gelingen der Arbeit. Und schließlich danke ich ganz besonders Konstantin und Hannah; ihnen ist dieses Buch in Liebe gewidmet. Freiburg i. Br., im Mai 2014

Thilo Schülke

Inhaltsverzeichnis Einleitung 15 A. IDW-Standards und Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. IDW-Standards und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Abschlussprüferhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Relevanz für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Fragestellung und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kapitel 1

Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. und seine IDW-Standards 22

A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Die Entwicklung der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Parallelität der Entwicklung von Rechnungslegung und Prüfung . . 27 a) Entwicklungen in Deutschland bis zur Einführung der Pflichtprüfung 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Die Konzentration der Organisation des Berufsstandes im IDW . 32 II. Das IDW heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Verfassung des IDW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Die Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Der Hauptfachausschuss (HFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Aufgaben des IDW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. IDW-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Systematisierung der IDW-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Systematisierung nach Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) IDW PS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) IDW RS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) IDW S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Struktur der Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Praktische Relevanz: Die Pflichtenverkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. IDW, Berufsaufsicht und Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Aufsicht durch die WPK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Erkenntnismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

6 Inhaltsverzeichnis 2. Erkenntnisziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Aufsicht über die WPK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Kapitel 2

Rechtliche Relevanz von IDW-Standards 49

A. Wirkung im Rechtssinne von IDW-Standards als Kern des Problems  . 49 B. Einordnung der IDW-Standards in den tradierten Rechtsquellenkanon . 50 I. Der Begriff der Rechtsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Einordnung der IDW-Standards als Gewohnheitsrecht oder Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Einordnung als Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Einordnung als Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Funktionsweise gesetzlicher Einbeziehungsmechanismen  . . . . . . . . . . 58 1. Inkorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Einordnung als Verkehrssitte oder Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. IDW-Standards als Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung . . . . . 60 1. Kodifikation der GoB als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Ermittlung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung . . . . . 63 a) Induktive oder deduktive Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) GoB-Gewinnung als Ermittlung allgemeiner Prinzipien oder konkreter Einzelfallregelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Hinweise aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Eigener Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (1) Begriffsverständnis und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (2) Historische Entwicklung von GoB als Rechtsbegriff . . 66 (3) Als Bestätigung: Der praktische Umgang mit dem ­Verhältnis von Verbrauchsfolgeverfahren und GoB . . . 66 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Hermeneutik als besondere bilanzrechtliche Methode? . . . . . . . 68 3. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. IDW-Standards als Grundsätze ordnungsgemäßer Abschlussprüfung . 71 V. IDW-Standards und sonstige unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . 73 VI. Einbeziehung durch Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kapitel 3

IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung 78

A. Die Private Governance-Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Systematisierungsmöglichkeiten und Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis7 I. Systematisierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Notwendigkeit der Themeneingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung und ihrer Inkorporations­ mecha­nismen als Vergleichsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. International Accounting Standard Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. International Standards on Auditing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee  . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Das DRSC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Bekanntmachung der DRS durch das Bundesjustizministerium . . . 90 3. Wirkung der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Abstrakt-genereller Wirkungsansatz: Konkretisierung von GoB. 91 b) Konkret-individueller Wirkungsansatz: Beachtung der DRS begründet Vermutung für Befolgung von GoB . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Konsequenzen für die Widerlegbarkeit der Vermutung . . . . . . . 95 4. Auswirkung auf die Konzernabschlussprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Konsequenzen für Bestätigungsvermerk und Prüfungsbericht . . 97 b) Konsequenzen für den Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5. Kontrollbefugnis des Bundesjustizministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Bekanntmachung als bloßer Transparenzakt . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Überwachung des Normsetzungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Inhaltliche Kontrolle der DRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Kodex-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Baums Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Regierungskommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Aufbau und Inhalt des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5. Ziel des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6. Rezeptionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) „Comply or explain“ als Sanktionsmechanismus? . . . . . . . . . . . 113 b) Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen als ­Sanktionsmechanismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Pflicht der Hauptversammlung zur Versagung der Entlastung bei Rechtsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Materieller Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Informationsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Haftung als Sanktionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Verstöße gegen § 161 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Verstöße gegen Kodexempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 7. Kontrolle des Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

8 Inhaltsverzeichnis V.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Erscheinungsformen privat gesetzter Regelungen . 128 2. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

D. Funktionen privater Regelsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Standardisierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Positive Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Negative Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. IDW-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Lückenschließungs- bzw. Konkretisierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 135 III. Experimentierfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Gewährleistung von Regelakzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 V. Verhinderung von (Krisen-)Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 VI. Transnationale Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Weltweite Regulierungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. IDW-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VII. Weitere Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VIII. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 E. Rechtsvergleichende Umschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Schwierigkeiten und Chancen der Rechtsvergleichung im Themenkreis privater Regelsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Ansätze für rechtsvergleichende Untersuchungen im Referenzgebiet  . 153 1. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Das Konzept der Regulierung der Rechnungslegung . . . . . . 153 bb) Financial Reporting Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Die Rolle der Kodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Bilanzrechtliches Bewertungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Swiss GAAP FER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Regeln der Schweizer Börse: comply or explain . . . . . . . . . 170 bb) Swiss Code: Bloße Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Die Öffnung des Regelungssystems für privat gesetzte Standards durch den Normbildungsauftrag des Richters gem. Art. 1 ZGB?.  175 3. Vergleichendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Inhaltsverzeichnis9 F. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Begrenzter Nutzen der gewählten Inkorporationsstrategien . . . . . . . 180 2. Nutzen privater Regelsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Kapitel 4

Die Wirkungsweise von IDW-Standards – der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur 183

A. „Recht“ der freien Berufe als besonderer Fall privater Regelsetzung . . 184 I. Auf Dritte bezogenes Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Vertrauensverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Freie Berufe und öffentliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 IV. Expertenrecht als Selbstregulierung mit Wirkung für Dritte . . . . . . . . 187 V. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Aufgaben des Wirtschaftsprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Kontrollfunktion des Wirtschaftsprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Defizite binnengesellschaftlicher und gerichtlicher Kontrollen . . . . 192 2. Proaktive Kontrolle durch den Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Der Wirtschaftsprüfer als „privater Sachverständiger“ . . . . . . . . . . . . . 196 1. Auflösung der Dichotomie von Beratung und Entscheidung . . . . . 196 2. Typenmerkmale des privaten Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Der private Sachverständige als Verifikateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Beispielhafte Verifikationsfunktionen im Verwaltungsrecht . . . . 199 aa) Prüfbescheinigungen nach der Betriebssicherheitsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Übereinstimmungszertifikat gem. § 24 LBO BW  . . . . . . . . 199 cc) Folgen der Zertifizierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Die Sachverständigenleistung des Wirtschaftsprüfers . . . . . . . . . . . . 200 a) Die Bedeutung des Bestätigungsvermerks  . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Kein Erfordernis eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Erforderlichkeit eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Nominelle Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Feststellung des Jahresabschlusses durch die Haupt­ versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Bedeutung von Prüfungen ohne Bestätigungsvermerk . . . . . . . . 204 aa) Prüfung von Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

10 Inhaltsverzeichnis bb) Gründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 5. Unterschiede zu Verifikationsfunktionen im Verwaltungsrecht . . . . 207 IV. Die Verifikationsfunktion des Wirtschaftsprüfers und ihre Folgen . . . 209 1. Verifikationsfunktion als Beschreibung eines Vollzugsmechanismus . 209 2. Ausübung der Verifikationsfunktion als Ursache für fehlende ­Rechtsprechung im Rechnungslegungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Rechtstatsächliche Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Erklärungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Prinzip der Maßgeblichkeit gem. § 5 EStG . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Vertrauen der Rechtsprechung in den Wirtschaftsprüfer in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Verifikationsfunktion als Ursache für ein Defizit richterrechtlicher Normbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Richterliche Rechtsfindung als Methodenproblem . . . . . . . . . . . 216 b) Richterliche Normbildung als gesetzlicher Auftrag . . . . . . . . . . 218 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 C. IDW-Standards als (unvollständiges) Substitut für fehlende richterliche Normbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Verifikationsfunktion als Normbildungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Ähnliche Funktionen von Präjudizien und IDW-Standards . . . . . . . . . 221 1. Konkretisierungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Rechtlicher Auftrag zur Vereinheitlichung der Standardisierungsleistung als weitere Gemeinsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 III. Bindungswirkung von Präjudizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Ansichten zur Präjudizienbindung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . 223 2. Erforderliches für den Richter zur Vermeidung einer Revision gem.  § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. Gesetzgeberisches Unterlassen und Überlassen der Standardbildung als rechtlich wirksamer Delegationsakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Pflichtenverkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 V. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Kapitel 5

Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards 234

A. Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates als Ausgangspunkt . . . . . . . 234 I. Überwachung des Vorstands durch laufende Beratung . . . . . . . . . . . . . 236

Inhaltsverzeichnis11 II.

Ausweitung des aufsichtsratsrechtlichen Arbeitsprogramms und ­Professionalisierung der Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261 . . . . . . 240 I. Definition des internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Definition nach IDW PS 261 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Die einzelnen Elemente des internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . 243 1. Spezifisches zur Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses . . . . . . 243 2. Die Ausgestaltung des internen Kontrollsystems durch das Unter­ nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Größe und Komplexität des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Die Bedeutung des Kontrollumfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Die Kontrollaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 d) Information und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 e) Selbstüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Betriebswirtschaftliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Rechtliche Zulässigkeit der Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Rechtliche Pflicht zur Beachtung von IDW PS 261?  . . . . . . . . 249 d) Die Vorgaben als IDW PS 261 als safe harbour rule? . . . . . . . 251 III. Die Überwachung des internen Kontrollsystems nach IDW PS 261 . . 252 1. Überwachungsmaßnahmen nach IDW PS 261 . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Aufbauprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Funktionsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Zeitliche Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Informationsrechte des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Traditionelles Verständnis: Kein Recht zur Befragung von Angestellten unterhalb der Vorstandsebene . . . . . . . . . . 257 bb) Neuere Ansätze: Recht zur Befragung der Angestellten . . . 258 cc) Unterscheidung zwischen Systemüberwachung und Über­ wachung von Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 C. Das Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340 . . . . . . 263 I. Die Vorgaben des Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Risikobegriff und Arten von Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Risiko und bestandsgefährdende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Maßnahmen zur Risikoorganisation nach IDW PS 340  . . . . . . . . . 267 5. Beurteilung der Eignung des IDW PS 340 zur Konkretisierung des Prüfungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

12 Inhaltsverzeichnis aa) IDW PS 340 als zulässiges Modell für das interne Risiko­ managementsystem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Pflicht zur Anwendung des IDW PS 340? . . . . . . . . . . . . . 272 cc) IDW PS 340 als safe harbour rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 II. Die Überwachung des internen Risikomanagementsystems nach IDW PS 340 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Die Vorgaben des Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 D. Das interne Revisionssystem in IDW-Standards, insbesondere in IDW PS 321 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Definition der internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Tätigkeiten der internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Prüfung des internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Prüfung von abschlussbezogenen Informationen . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . 280 4. „Compliance-Prüfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 5. Ermittlung bestandsgefährdender Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . 280 6. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Beschreibung der Überwachungsaufgabe in IDW PS 321 . . . . . . . . . . 281 1. Überprüfung der Ausgestaltung der internen Revision . . . . . . . . . . 281 2. Überprüfung der Arbeit der internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 E. Die Einrichtung und Prüfung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Gegenstand, Ziel und Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Vorgaben des Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Grundelemente von Compliancesystemen nach IDW PS 980 . . . . . . . 287 1. Vorgaben des Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 III. Prüfungsanforderung nach IDW PS 980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Vorgaben des Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 F. Abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Kapitel 6

IDW S 1 zur Unternehmensbewertung 295

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 B. Unternehmensbewertung als Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I. Unternehmensbewertung als Spezifikum der Wertfindungsproblematik . 297 II. Der Normwert als juristisches Bewertungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Relevanz von Börsenkursen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Inhaltsverzeichnis13 C. Bewertungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Objektive Bewertungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Subjektive Bewertungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 III. Kölner Funktionslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 IV. Einordnung des IDW S 1  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Anlassabhängige Funktionen der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Typisierungen und Annahmen zur Ermittlung objektivierter Unter­ nehmenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5. Börsenkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1 . . . 310 I. Nachsteuerbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Die wissenschaftliche Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Die Lösung nach IDW S 1 (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Synergieeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Die Auffassung des IDW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 III. Minderheitsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. IDW S 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 IV. Fungibilitätsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. IDW S 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 V. Abschlag für Schlüsselpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. IDW S 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 E. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 I. Das Bewertungskonzept des IDW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 II. Kategorisierung der Vorgaben von IDW S 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III. Bedeutung von IDW S 1 für die Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 331 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Kapitel 7 Schlussbetrachtung 333 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

Abkürzungsverzeichnis ABl. Amtsblatt der Europäischen Union AcP Archiv für die civilistische Praxis ALI American Law Institute APAK Abschlussprüferaufsichtskommission BB Der Betriebsberater BeckRS Beck-Rechtsprechung BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BStBl. Bundessteuerblätter BT-Drucks. Bundestagsdrucksache CA Companies Act CCZ Corporate Compliance Zeitschrift DB Der Betrieb DÖV Die Öffentliche Verwaltung DRSC Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee DStR Deutsches Steuerrecht EL Ergänzungslieferung HFA Hauptfachausschuss des IDW IASB International Accounting Standards Board IDW Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer IDW PH Prüfungshinweise des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer IDW PS Prüfungsstandards des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer IDW RH Rechnungslegungshinweise des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer IDW RS Stellungnahmen zur Rechnungslegung des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer IDW S Standards des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer IR Interne Revision ISA International Standards on Auditing KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OR Obligationenrecht (Schweiz) Slg. Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte WM Wertpapier-Mitteilungen WPg Die Wirtschaftsprüfung WPK Wirtschaftsprüferkammer WPO Wirtschaftsprüferordnung ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZUG Zeitschrift für Unternehmensgeschichte

Einleitung A. IDW-Standards und Unternehmensrecht „IDW-Standards“ ist eine verkürzte Beschreibung für Verlautbarungen, die vom Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. herausgegeben werden. In diesen Verlautbarungen nimmt das IDW zu nahezu allen Themen Stellung, mit denen sich Wirtschaftsprüfer befassen, sei es aufgrund gesetzlichen oder privaten Auftrags. Das IDW ist ein privatrechtlicher Verein bestehend aus freiwilligen Mitgliedern, dem sich mittlerweile nahezu 90 % aller Wirtschaftsprüfer angeschlossen haben.1 Es hat sich selbst zur Aufgabe gemacht, „für einheitliche Grundsätze der unabhängigen, eigenverantwortlichen und gewissenhaften Berufsausübung einzutreten und deren Einhaltung durch die Mitglieder sicherzustellen.“2 Adressat der Verlautbarungen – der IDW-Standards – sind deshalb Wirtschaftsprüfer, die Mitglied im IDW sind. Zur Kenntnis genommen werden sie jedoch von einem weit größeren Kreis. Dort, wo komplexe wirtschaft­ liche Fragestellungen, die Wirtschaftsprüfer zu bewerten haben, den Gesetzgeber dazu bewegen, auf detaillierte Regulierung zu verzichten und sich stattdessen mit Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen zu behelfen, bieten IDW-Standards häufig eine fachlich hochqualifizierte Orientierung für diejenigen, die in der Praxis eine konkrete Frage beantworten müssen: die Entscheidungsträger und ihre Kontrolleure in den Unternehmen. Ihre Entscheidungen sind der tatsächliche Berührungspunkt von IDWStandards und Unternehmensrecht. IDW-Standards haben deshalb eine große praktische Relevanz. Teilweise wird von einer „Steuerungswirkung weit über den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer hinaus“ gesprochen.3 Ursächlich ist hierfür unter anderem – wie im Einzelnen darzulegen sein wird – die gewandelte Rolle des Wirtschaftsprüfers als Instrument der Corporate Governance. Längst erschöpft sich seine Tätigkeit nicht mehr in der Prüfung von Bilanzen, sondern ent1  Nach den Angaben des IDW, abrufbar unter der Webadresse http: /  / www.idw.de /  idw / portal / n281334 / n379162 / index.jsp, waren am 31.12.2009 12.979 Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Mitglied, was 87,27 % entsprechen soll. 2  § 2 Abs. 2 lit. b) der Satzung. 3  Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 899.

16 Einleitung

wickelt sich mehr und mehr hin zu einer umfassenden, am Geschäftsrisiko orientierten Kontrolle unternehmensinterner Prozesse (business audit). Der Wirtschaftsprüfer wird so zu einem wichtigen Gesprächspartner in erster Linie für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaften. Dabei richtet er sich nach den IDW-Standards, die auf diese Weise praktische Relevanz für die Entscheidungsträger der Unternehmen bekommen.4 Das rechtliche Verhältnis von IDW-Standards und Unternehmensrecht ist bisher literarisch wenig aufbereitet. Einige Autoren haben in breiter angelegten Untersuchungen IDW-Standards im weiten Feld sogenannter privater Regelsetzung verortet und hierbei insbesondere ihre normative Wirkung problematisiert.5 Ihr Einfluss auf die Unternehmensorganisation wird zwar bisweilen angesprochen, dann aber in aller Regel6 ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aussagen der IDW-Standards anerkannt7 oder abgelehnt8. Auf der anderen Seite wird mitunter der Inhalt einzelner IDWStandards in Fachblättern vorgestellt9 oder als Beleg einzelner Thesen herangezogen.10 Eine Untersuchung, die diese einzelnen Fragen und Problemkreise zusammenführt, steht aber bislang noch aus.

B. IDW-Standards und Recht Umstritten ist nicht erst eine mögliche „Ausstrahlungswirkung“ von IDW-Standards ins Unternehmensrecht, sondern bereits die grundsätzliche Frage, ob IDW-Standards überhaupt rechtlich relevant sind. In der Literatur wird sie insbesondere im Zusammenhang mit der Abschlussprüferhaftung problematisiert, die Rechtsprechung hatte sich mit ihr mehrfach im Zusammenhang der Bewertung von Unternehmen zu befassen.

4  Binder,

ZGR 2007, 745, 749 f. Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 236 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 220 ff. 6  Eine der wenigen inhaltlichen Analysen findet sich bei Bunting, ZIP 2012, 357 ff. zu IDW PS 340 (Risikomanagementsystem); knapper Binder, ZGR 2007, 745, 749 f. 7  Gesell, ZGR 2011, 361, 377 f. 8  Kort, ZGR 2010, 440, 450 f. 9  Beispielhaft nur Böttcher, NZG 2011, 1054  ff. (IDW PS 980); Hommel /  Braun / Schmotz, DB 2001, 341  ff. (IDW S 1 idF von 2000); Wagner / Saur / Willershausen, WPg 2008, 731 ff. (IDW S 1 idF 2008); Wolf, DStR 2011, 997 ff. (IDW PS 980). 10  Beispielhaft nur Blasche, CCZ 2009, 62 ff.; Bormann / Greulich, in: MK-BilR, § 324 Rn. 81 f.; Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 183 f. 5  Augsberg,



B. IDW-Standards und Recht17

I. Abschlussprüferhaftung Hinsichtlich der Frage, ob IDW-Standards den Pflichtenmaßstab des Wirtschaftsprüfers gem. § 323 Abs. 1 HGB bestimmen können, ist teilweise die Ansicht vertreten worden, dass zumindest die in ihnen enthaltenen Berufsgrundsätze den Pflichtenkreis des Abschlussprüfers bestimmen können.11 Die IDW-Standards enthielten die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfungen.12 Andere sprechen von einer faktischen Bindungswirkung.13 Häufig wird hervorgehoben, IDW-Standards stellten lediglich eine wichtige Entscheidungshilfe dar und seien rechtlich unverbindlich.14 Schon an der Darstellung dieses Meinungsspektrums wird deutlich, dass praktisch erhebliche Unsicherheit im Umgang mit IDW-Standards herrscht.

II. Unternehmensbewertung In den vergangenen Jahren musste sich auch die Rechtsprechung mit dem Verhältnis von IDW-Standards und Unternehmensrecht befassen. Hintergrund ist die spezielle Problematik, ob im Rahmen eines Spruchverfahrens nach dem Spruchverfahrensgesetz Bewertungsmethoden zur Unternehmensbewertung angewendet werden dürfen, die im Zeitpunkt der Bewertung selbst noch nicht state of the art waren. Spruchverfahren in Bewertungsfragen sind äußerst komplex und können sich daher über viele Jahre hinziehen.15 11  LG

Frankfurt a. M., BB 1997, 1682, 1684. § 317 Rn. 14; von Wysocki, DStR 2002, 370, 371; Wiedmann, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, § 321 Rn. 28. IDW PS 201 Rz. 28 formuliert: „Die IDW Prüfungsstandards enthalten die vom IDW festgestellten Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA).“ Dagegen zurecht Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 912. 13  Etwa Schruff, WPg 2006, 1, 6. Differenzierter die faktische Wirkung analysierend Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 323 Rn. 1: „Beachtung wird in der Regel entlasten, Nichtbeachtung wird überzeugend begründet werden müssen.“; so auch schon Winkeljohann / Feldmüller, in: BeckBilKomm, § 323 Rn. 12. 14  Ebke, in: MK-HGB, § 323 Rn. 32; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 323 Rn. 13; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 323 Rn. 1; Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S. 73; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 172. 15  Das BVerfG stellte mit Beschluss v. 17.11.2011, Az. 1 BvR 3155  / 09, NZG 2012, 345, fest, dass ein Spruchverfahren, das vor dem Landgericht 18 Jahre und bis zur Entscheidung des Oberlandesgericht insgesamt 20 Jahre dauerte, das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtschutz verletzt. In einem anderen Fall, BVerfG, Beschluss v. 2.12.2011, Az. 1 BvR 314 / 11, WM 2012, 76, rügte es die Dauer von 22 Jahren. Verfahren, die sich über mehr als zehn Jahre hinziehen, sind offenbar keine Seltenheit, siehe die Stellungnahme Deutsches Aktieninstitut vom 12  Hoffmann / Lüdenbach,

18 Einleitung

Wie selbstverständlich wurde bei Unternehmensbewertungen lange auf den Standard IDW S 1 abgestellt.16 Wurde dieser nach einem Bewertungsstichtag, aber noch vor Abschluss des Spruchverfahrens geändert, stellte sich die Frage, ob er in der neuen oder in der alten Fassung anzuwenden sei. Vorgreiflich für ihre Beantwortung ist dabei die Rechtsqualität von IDW-Standards: Handelte es sich um Rechtsnormen, so könnte auf die Grundsätze zur intertemporalen Geltung von Recht zurückgegriffen werden. Die Problematik der intertemporalen Anwendbarkeit von IDW-Standards soll in der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden, denn eine sachgerechte Lösung hängt von zahlreichen Folgefragen ab, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind. Anhand der Diskussion17 in Rechtsprechung und Literatur hierzu lässt sich jedoch ein erster Eindruck davon gewinnen, wie das Verhältnis von IDW-Standards zu Rechtsnormen beurteilt wird. So hat die Rechtsprechung teilweise den Rechtsgedanken des Art. 170 EGBGB herangezogen um zu begründen, dass eine Rückwirkung ausscheiden müsse.18 Hiernach entfaltet das BGB keine Wirkung für Schuldverhältnisse, die vor dem 1.1.1900 begründet wurden. Auch wenn die Norm heute praktisch keine Bedeutung mehr hat, ist ihr der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass das Zivilrecht eine rückwirkende Anwendung von Rechtsnormen verbietet.19 Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des Art. 170 EGBGB wäre aber, dass es sich bei IDW-Standards um Rechtsnormen handelt. Andere Oberlandesgerichte kamen zwar ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine rückwirkende Anwendung von IDW-Standards ausscheiden müsse, stützten diese Auffassung jedoch nicht auf ein Rückwirkungsverbot, sondern auf das bewertungsrechtliche Stichtagsprinzip.20 Das bewertungsrecht15.1.2013 zu den Vorschlägen zu Änderungen des Umwandlungsrechts, abrufbar unter www.dai.de. 16  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 4 ff. Zweifelnd aber nunmehr LG Köln, Beschluss v. 24.07.2009, Az. 82 O 10 / 08, Der Konzern 2009, 494 ff.: Demnach soll aus dem im Rahmen eines Delisting gezahlten Kaufpreis der Marktpreis abgeleitet werden, dazu näher Krause, FS Hopt, S. 1005, 1008 ff. 17  Übersichtlich aufbereitet von OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.1.2011, Az. 20 W 2  /  07, BeckRS 2011, 01677; Bungert, WPg 2008, 811 ff.; Riegger / Wasmann, FS Goette, S. 434, 437 ff.; Ruthardt / Hachmeister, WPg 2011, 351, 353. 18  BayObLG NZG, 2006, 156; 157; ebenso OLG München, AG 2007, 411 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.9.2006, Az. I-26 W 8 / 2006 (Juris). 19  Krüger, in: MK-BGB, Art. 170 EGBGB Rn. 2; Hönle, in: Staudinger Art. 170 EGBGB Rn. 3. 20  OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.9.2006, Az. I-26 W 8  / 2006 (Juris); Beschluss vom 27.05.2009, Az. I-26 W 5 / 07, BeckRS 2009, 26638; ebenso LG Dortmund, AG 2007, 792; Dörschell / Franken, DB 2005, 2257, 2258.



B. IDW-Standards und Recht19

liche Stichtagsprinzip ergibt sich aus den die Bewertung anordnenden Rechtsnormen.21 Es wird flankiert durch die sogenannte Wurzeltheorie, eine Entwicklung der Rechtsprechung, die der Konkretisierung des Stichtagsprinzips dient. Diese Wurzeltheorie besagt, dass Entwicklungen, die nach dem Bewertungsstichtag erkennbar werden, nur dann berücksichtigt werden, wenn ihre Wurzeln vor dem Stichtag liegen.22 Stichtagsprinzip und Wurzeltheorie sollen sogenannte hindsight bias verhindern,23 Rückschaufehler also, und gelten damit gerade für die Berücksichtigung von Tatsachen, nicht für die Rückwirkung von Rechtsnormen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzips wäre folglich, dass es sich bei IDW-Standards nicht um Rechtsnormen handelt, sondern um Tatsachen.24

III. Relevanz für die Untersuchung Weder die Rolle der IDW-Standards im Zusammenhang mit der Abschlussprüferhaftung noch die Frage, ob eine rückwirkende Anwendung geänderter Bewertungsmethoden des IDW S 1 zulässig oder gefordert ist, sind Gegenstand dieser Untersuchung, die sich vielmehr mit der „Ausstrahlungswirkung“ auf das Unternehmensrecht befasst. Für alle drei Fragestellungen ist jedoch vorgreiflich, welche rechtliche Relevanz IDW-Standards haben. Denn danach richtet sich auch, ob sie den Pflichtenumfang des Abschlussprüfers definieren und ob ein gesetzliches Rückwirkungsverbot oder das bewertungsrechtliche Stichtagsprinzip der passende Bewertungsmaßstab für die rückwirkende Anwendung des IDW S 1 sind.

21  So spricht das Gesetz vom „Zeitpunkt des Ausscheidens“ (§ 738 Abs. 1 BGB), vom „Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung“ (§ 305 Abs. 3 AktG), vom „Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verschmelzung“ (§ 30 UmwG) oder vom „Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister“ (§ 9 Abs. 1 GmbHG). 22  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 369 f.; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, S. 84 ff.; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 23; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 84; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 78. 23  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 370 f.; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 78. 24  Für diese Sichtweise argumentiert Hüttemann, WPg 2008, 822 ff.; ferner Riegger / Wasmann, FS Goette, S. 434, 439 f.; Ruthardt / Hachmeister, WPg 2011, 351, 353.

20 Einleitung

C. Fragestellung und Ziel der Untersuchung Vor diesem Hintergrund wird die Frage untersucht, ob IDW-Standards einerseits rechtliche Geltung haben, wie sie andererseits als Produkt eines privatrechtlich organisierten Vereins tatsächliche Wirkungen hervorbringen und wie diese Wirkungen schließlich auf das Unternehmensrecht ausstrahlen. Für die Geltung von IDW-Standards kommt es entscheidend darauf an, ob die Rechtsordnung ihnen eine originäre oder zumindest, etwa durch Verweisungen, eine abgeleitete Rechtsgeltung zuerkennt. Als mögliche Ursachen einer tatsächlichen Wirkung von IDW-Standards, die auf das Unternehmensrecht ausstrahlt, kommen zahlreiche Faktoren in Betracht. Welche dies sind, soll herausgearbeitet werden. Ziel der Untersuchung ist es, die Geltung und Wirkung von IDW-Standards zu erklären und damit einen Beitrag zur Diskussion zu leisten, welche Möglichkeiten und Grenzen der Kombination von hoheitlichen und privaten Regulierungsinstrumenten bestehen.

D. Gang der Untersuchung Die Arbeit stellt deshalb eine funktionale Betrachtung in den Mittelpunkt. Um die tatsächliche Relevanz von IDW-Standards beurteilen und verstehen zu können, beschäftigt sich das erste Kapitel mit der Entstehungsgeschichte des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. Während des kurzen Resümees der historischen Entwicklung von Rechnungslegung und Abschlussprüfung wird sich zeigen, dass auch und gerade Defizite des Rechts, und zwar von Rechtsetzung und von Rechtsprechung, eine Triebfeder waren. Sodann wird die Frage der Rechtsnatur von IDW-Standards untersucht. Hier zeichnet sich bereits der Charakter der IDW-Standards als komplementäre Institute neben gesetzlicher Regulierung ab. Die Unterscheidung zwischen dem, was tatsächlich ist, und jenem, was rechtlich sein soll, betrifft die Rechtswissenschaft primär in der Lehre von den Rechtsquellen, die mit dem verstärkten Auftreten privat gesetzter Regelungen vor neue Herausforderungen gestellt ist. Und sie kehrt wieder, wenn gesetzliche, aber offen oder vage formulierte Tatbestände ausgelegt oder sogar konkretisiert werden müssen. Die zunehmende Entstehung von Regeln ohne den Gesetzgeber hat zahlreiche Probleme aufgeworfen und zu unterschiedlichen Versuchen geführt, private und staatliche Regelsetzung miteinander zu kombinieren. So soll es gelingen, die Vorzüge, die eine private Regelsetzung haben kann, mit jenen hoheitlicher Regulierung optimal zu nutzen. Eine nähere Betrachtung einiger solcher Regulierungsmechanismen zeigt jedoch, dass vielfach Probleme lediglich verlagert oder verschleiert werden und im Übrigen auch hier ein Kompromiss die Bereitschaft zum Verzicht voraussetzt. Sie wird ergänzt um



D. Gang der Untersuchung21

die rechtsvergleichende Perspektive. Plurale Regelgeber lassen privates Recht als eigenes System erscheinen, das den Methoden der Rechtsvergleichung zugänglich ist und das zugleich Gegenstand der Rechtsvergleichung sein kann. Dabei zeigt sich, dass ganz unterschiedliche Perspektiven auf private Regelsetzung möglich sind, die auch Auswirkungen auf ihren Nutzen haben. Dieser Betrachtung folgt nicht zuletzt deshalb eine Untersuchung der praktischen Vorzüge privater Regelsetzung im Allgemeinen und bezogen auf IDW-Standards im Besonderen. Für die vorliegende Thematik lassen sich aus beiden Untersuchungssträngen einige typische Problempunkte herausfiltern, die im weiteren Verlauf der Arbeit als Grundlage dienen. Schließlich werden Besonderheiten privater Regelsetzung im Recht der freien Berufe herausgearbeitet, wozu auch das der Wirtschaftsprüfer gehört. Das 5. Kapitel nimmt eine vergleichsweise neue Vorschrift des Aktienrechts zum Anlass, um dem Konkretisierungspotenzial einzelner IDWStandards sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nachzugehen. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG, eingefügt durch das BilMoG25 aus dem Jahre 2009, beschreibt die Möglichkeit des Aufsichtsrates, einen Prüfungsausschuss einzurichten, der sich unter anderem mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems befasst. Keiner dieser Begriffe wurde vor Inkrafttreten des BilMoG im Gesetz verwendet und eine genauere Beschreibung der Überwachungssysteme trifft das Gesetz nicht. In IDW-Standards werden sie jedoch zum Teil dezidiert beschrieben. Die Untersuchung greift diese Fragestellung vor dem Hintergrund der vorangegangenen Kapitel auf, indem die IDW-Standards, welche sich mit dem internen Kontrollsystem, dem Risikomanagementsystem und dem internen Revisionssystem befassen, auf ihre tatsächliche und rechtliche Eignung zur Konkretisierung der prozeduralen Aufgabenbeschreibung in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG analysiert werden. Das 6. Kapitel behandelt die Rolle des angesprochenen Standards IDW S 1 zur Unternehmensbewertung. Im Gesellschaftsrecht stellt sich Unternehmensbewertung aus unterschiedlichen Anlässen als Aufgabe der Geschäftsleitung dar, die anschließend in aller Regel von Wirtschaftsprüfern geprüft oder von vornherein durch sie erfüllt wird. Auf zahlreiche Bewertungsfragen gibt das Gesetz keine direkte Antwort, sodass die Bewertungspraxis – wie angesprochen – auf den von ihr selbst entwickelten IDW S 1 zurückgreift. Auch dieser Standard wird deshalb auf seine tatsächliche und rechtliche Eignung hin untersucht. 25  Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – vom 25.5.2009, BGBl. I 2009, S. 1102 ff.

Kapitel 1

Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. und seine IDW-Standards A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) ist heute die einflussreichste Interessenvertretung der deutschen Wirtschaftsprüfer. Es nimmt eine zentrale Rolle bei der Organisation des Berufsstandes ein, welcher als sogenannter freier Beruf1 in besonderem Maße auf die Sicherung der Qualität und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gerichtet ist. Denn durch Qualitätssicherung soll das für den Beruf des Wirtschaftsprüfers erforderliche Vertrauen sichergestellt und auch dauerhaft zu gewährleisten versucht werden.2 Der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist, jedenfalls mit dieser Bezeichnung, vergleichsweise jung. Viele der Prüfungstätigkeiten, die heute zu seinen Aufgaben gehören, haben indes eine lange Tradition. Dabei haben sich die Aufgaben für den Prüfer im Einzelnen nicht nur verändert, sie sind auch zahlreicher geworden. Gerade in jüngster Zeit ist die Rede von der gewandelten Rolle und einem gewandelten Verständnis des Berufes des Wirtschaftsprüfers vielfach zu finden.3 Formeller Grund für diesen Wandel sind insbesondere veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Aufgabenkreis des Wirtschaftsprüfers teilweise erheblich erweitert haben.4 Es zeigt sich, dass im Zuge dieser Veränderungen notwendigerweise auch die Anforderungen an die Organisation des Berufsstandes stetigen Veränderungen unterliegen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Entwicklung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer konnte schon immer im Verhältnis zu den Anforderungen gesehen werden, die an ihn von Rechts wegen, aber auch aufgrund wirtschaftlicher Bedürfnisse gestellt wurden.5 So liegt es beispiels1  § 1

Abs. 2 S. 1 WPO.

2  Hommelhoff / Mattheus,

FS Röhricht, S. 897, 899; Kilian, ZGR 2004, 189, 191. Allgemein zur Professionalisierung von Berufspositionen Köndgen, Selbstbindung, S.  210 ff. 3  Vgl. nur Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 536 ff. 4  Dazu ausführlich Mattheus, ZGR 1999, 682 ff. 5  Wall, Der Umfang der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses, S. 12; im Hinblick auf die Harmonisierung von Rechnungslegung und Abschlussprüfung durch Interna-



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer23

weise auf der Hand, dass die Prüfung eines Jahresabschlusses ohne das Vorhandensein einer zu prüfenden Rechnung nicht denkbar ist. Die folgenden Ausführungen sollen überblicksartig vermitteln, wie sich die Entwicklung des Berufsstandes und damit der Berufsorganisation vollzogen hat. Dabei werden zunächst einige Entwicklungslinien der Rechnungslegung nachgezeichnet. Sodann wird auf die Entstehungsgeschichte der Abschlussprüfung eingegangen, die schließlich die überregionale Organisation der Angehörigen des Prüfungsberufes erforderlich machte, was in der Gründung des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. gipfelte. Im Weiteren wird dann zu zeigen sein, wie rechtliche Verfassung und Arbeitsprogramm des IDW heute ausgestaltet sind.

I. Entstehungsgeschichte 1. Die Entwicklung der Rechnungslegung Die Rechnungslegung nahm vermutlich ihren Anfang in Form der Buchführung, sobald das dafür erforderliche Handwerkszeug (Zahlen und Schrift) zur Verfügung stand.6 Erste bekannte Vermögensverzeichnisse stammen mindestens aus der Zeit um 3000 v. Chr.7 Im frühen Babylon soll bereits eine Trennung zwischen staatlicher Tempelbuchführung und privater Buchführung geherrscht haben, wobei insbesondere von der staatlichen zahlreiche Belege existieren und eine zum Teil umfassende Buchführung belegen.8 Die Gesetzestafel Hammurabis (ca. 1792–1750 v. Chr.) enthielt bereits Bestimmungen, die die Kaufleute zur Buchführung verpflichteten, welche auch durch Belege nachvollziehbar sein musste.9 Diese Entwicklung soll sich im ersten Jahrtausend v. Chr. im alten Griechenland und im römischen Weltreich fortgesetzt haben.10 Cicero soll in einer Rede gesagt haben, er traue niemandem, der sein Hauptbuch nicht ordentlich führt und Aufzeichnungen nur in Kladde vornimmt.11 tional Financial Reporting Standards (IFRS) und International Standards on Auditing (ISA) so auch Merkt, FS Wymeersch, S. 244, 254. 6  Meisel, Geschichte der deutschen Wirtschaftsprüfer, S. 16. 7  Meisel, Geschichte der deutschen Wirtschaftsprüfer, S. 16; Schneider, in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S.  950. Leyerer, Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung 1922, 123, 135, geht von einem Zeitraum seit 4000 v. Chr. aus. 8  Meisel, Geschichte der deutschen Wirtschaftsprüfer, S. 18. 9  Leyerer, Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung 1922, 123, 127; Meisel, Geschichte der deutschen Wirtschaftsprüfer, S. 19. 10  Vgl. Meisel, Geschichte der deutschen Wirtschaftsprüfer, S. 20. 11  Schneider, in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S.  950.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

Im römischen Recht stand zunächst weiterhin eine Dokumentationsfunktion im Vordergrund. Durch das Führen von Büchern über Geschäftsvorfälle sollte Streit zwischen den Gesellschaftern bei Auflösung einer Gesellschaft vermieden werden.12 Eine Abrechnung wurde erst nach Beendigung der Gesellschaft zur Feststellung des Totalgewinns vorgenommen; bilanzrechtliche Berichtsperioden und damit auch die Errechnung eines Periodengewinns waren unbekannt.13 Das für den Lebensunterhalt Notwendige durfte von den Gesellschaftern zwar schon während der Dauer der Gesellschaft entnommen werden, der Gesellschafter wurde damit aber zum Schuldner der Gesellschaft und musste den entnommenen Betrag verzinsen.14 Verlangten die Gesellschafter untereinander während der Dauer der Gesellschaft Auskunft und gerieten sie darüber in gerichtlichen Streit, bedeutete dies den Bruch des Treueverhältnisses: Die Gesellschaft musste aufgelöst werden und es kam zur Endabrechnung. Hier wurde die geführte Rechnung relevant. Die Dokumentationsfunktion war nicht bloß reiner Selbstzweck. Sie sollte nicht nur der Selbstkontrolle des Kaufmanns dienen. Sie hatte daneben den Zweck, eine geordnete Auseinandersetzung der Gesellschaft aufgrund einer geordneten Abrechnung zu ermöglichen. Es zeigt sich hieran bereits, dass die Ausgestaltung der Rechnungslegung schon lange eng verbunden ist mit dem jeweiligen Gesellschaftsrecht. Als Geburtsort des höher entwickelten Rechnungswesens und Revisionswesens wird heute allgemein Italien angesehen.15 Eine gesetzliche Rechenschaftspflicht während der Dauer einer Gesellschaft, die also über die reine Dokumentationspflicht zum Zwecke der Endabrechnung hinaus geht, ist aus der Stadt Siena um 1262 n. Chr. bekannt. Wer für Dienste der Gesellschaft die Stadt verließ, musste bei seiner Rückkehr auf Verlangen der Majorität der Sozien über alles, was er an Geld, Schuldurkunden oder Wechselbriefen erhalten hatte, Rechenschaft ablegen. Auch die Mitglieder der Gesellschaft in Siena selbst konnten in gleicher Weise verpflichtet werden.16 Die Weigerung, Rechnung zu legen, wurde mit Gefängnis für den Schuldner und seine Familie geahndet.17 Vorzulegen waren aber nur die laufenden Rechnungen; eine Pflicht zur Periodenabrechnung bestand noch nicht.18 12  Ballwieser, FS Clemm, S. 3. Ob es tatsächlich auch eine gesetzliche Pflicht zur Buchführung gab ist anscheinend nicht verlässlich geklärt, wird aber zumindest für möglich oder sogar wahrscheinlich gehalten, vgl. Leyerer, Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung 1922, 123, 127. 13  Schneider, in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S.  950. 14  Hierzu und zum Weiteren Schneider, in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S. 951. 15  Quick, ZUG 1990, 217. 16  Roon-Bassermann, Sienesische Handelsgesellschaften, S. 7. 17  Roon-Bassermann, Sienesische Handelsgesellschaften, S. 7.



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Völlig unbekannt war bis zu diesem Zeitpunkt noch eine allgemeine Pflicht zur periodischen Offenlegung von geführten Rechnungen an eine gesellschaftsexterne Öffentlichkeit. Erste Diskussionen um die Sinnhaftigkeit öffentlicher Rechnungslegung stammen aus der Reformationszeit. Im Jahre 1530 erklärte der Stadtschreiber von Augsburg in einem Rechtsgutachten, jährliche Rechnungslegung sei schlecht, da niemand verpflichtet wäre, sein Vermögen offen zu legen. Zudem sei sie praktisch nicht durchführbar.19 Eine Offenlegung war allenfalls dann erforderlich, wenn die geführte Rechnung Beweiskraft entfalten sollte.20 Denn schon seit der Antike wurde sie als Urkunde bei gerichtlichen Streitigkeiten geschätzt.21 18

Die Pflicht zur regelmäßigen Offenlegung der Abschlüsse resultiert schließlich aus dem Aktienrecht, wo mit der Reform von 1870 die Pflicht einer behördlichen Konzession bei der Gründung einer AG durch die Pflicht zur Offenlegung einer Bilanz abgelöst wurde, um den Gläubigerschutz zu stärken.22 Nach dem Aktienschwindel der Gründerjahre erfolgte die Pflicht zur Offenlegung der GuV und zur Einreichung zum Handelsregister. Erst in der Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde im Jahre 1931 diese Publizitätspflicht von der aktienrechtliche Pflichtprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer flankiert.23 Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte sich mehr und mehr eine Tendenz, die bis dahin allenfalls als prozedurale Verhaltensanordnung bestehende Pflicht zur Führung von Büchern für einen weitreichenderen Gläubigerschutz durch materielle Vorgaben fruchtbar zu machen. Hier können die Wurzeln für das heutige Bilanzrecht kontinentaleuropäischer Prägung gesehen werden, das die Tradition vorsichtiger Bewertung noch immer innehat. Schon das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 bestimmte den Anschaffungspreis zum Höchstpreis, der für ein Gut angesetzt werden durfte, verlangte Abschreibungen, wenn nur ein niedrigerer Preis gangbar war und verzichtete auf Wertuntergrenzen.24 Allerdings waren die Normen dispositiv und die Bewertung folglich ins Ermessen der Gesellschaft gestellt. Geßler schließt daraus, dass weder Rechenschafspflicht noch Aktionärsschutz im Vordergrund standen, sondern die Regeln noch der Streitverhinderung unter den Gesellschaftern galten.25 Interessanter ist aber, dass auch im Preußischen Allgemei18  Schneider,

in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S.  951. bei Höffner, S. 59. 20  Merkt, Unternehmenspublizität, S. 42. 21  Merkt, Unternehmenspublizität, S. 42. 22  Ballwieser, FS Clemm, S. 4. 23  Ballwieser, FS Clemm, S. 5. 24  Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 132. 25  Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 134. 19  Zitiert

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

nen Landrecht Rechnungslegung noch nicht als starkes Instrument des Gläubigerschutzes (im Sinne eines Aktionärsschutzes) durch Kapitalerhaltung eingesetzt wurde; die Normen hätten sonst zwingend sein müssen. Fünfzig Jahre später verpflichtete das Gesetz über Aktiengesellschaften von 1843 zur Aufnahme der Grundsätze, nach denen die Bilanz aufgestellt werden soll, in den Gesellschaftsvertrag, welcher dann zwecks Prüfung der Regierung zuzuleiten war; diese hatte zu entscheiden, ob der Gesellschaft die staatliche Konzession erteilt wurde.26 Die Bilanz war zu veröffentlichen.27 Unter dem Gesichtspunkt des bilanziellen Aktionärsschutzes können diese Vorgaben aber noch als unzureichend angesehen werden.28 Zwingende Normen, die der Erhaltung des Grundkapitals dienen sollten, wurden erst durch die Aktienrechtsnovelle von 1870 eingeführt und mit der Reform von 1884 erweitert.29 Ferner wurden sie durch die Möglichkeit der Abschlussprüfung und der Publizität durch Einreichung zum Handelsregister flankiert.30 Hintergrund war, dass die Abschaffung der Gründung durch Konzessionserteilung nach dem gewonnen Krieg von 1870 zu einem Gründungsfieber geführt hatte, das eine Vervierfachung der Zahl der Aktiengesellschaften hervorrief. Hauptziel der Gründungsgesellschafter war dabei, einen hohen Gründungsgewinn zu erzielen: Der Abschluss risikoreicher Geschäfte und die Ausschüttung noch nicht realisierter Gewinne führten zu erheblichen Einbußen beim Grundkapital. Rechnungslegung sollte daher dessen Schutz dienen. Dass andererseits durch die Möglichkeit der Legung stiller Reserven die Gewinnrechte des Aktionärs geschmälert wurde, stand als Problem nicht im Raum.31 Eine gewisse Umkehrung dieses Prozesses, die verstärkt den Gläubigerschutz im Sinne eines Anlegerschutzes in den Mittelpunkt der Diskussion stellte, begann mit der Reform von 1931. Die Einführung von Gliederungsvorschriften, des Grundsatzes der Übersichtlichkeit und Klarheit des Abschlusses, die Einführung des Verrechnungsverbotes, die neuen Regelungen zur Gestaltung des Geschäftsberichts und die Pflicht, wesentliche Abweichungen von Bewertungsmethoden früherer Abschlüsse zu erläutern, rückte den Anlegerschutz mehr in den Vordergrund.32 Hinzu trat erstmalig eine 26  Kießling, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 213 ff.; vgl. auch Jung, FS Huber, S. 783 f. 27  Vgl. Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 132. 28  Kießling, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 228 f. 29  Vgl. Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 133. 30  Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 136. 31  Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 137. 32  Schön / Osterloh-Konrad, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, S.  914 ff.; Pahlow, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 279 ff.; vgl. auch Geßler, FS Deutsche Treuhand-Gesellschaft, S. 148.



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer27

Pflichtprüfung des Abschlusses. In der Einleitung der erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930 heißt es: „Der gesteigerten Macht der Verwaltung bei der Betreuung fremden Kapitals“ müsse „eine gesteigerte Rechenschaftspflicht und Kontrolle entsprechen“.33 Keine herausgehobene Bedeutung für die Entwicklung der modernen Rechnungslegung haben offenbar fiskalische Entwicklungen. Steuern sind zwar seit der Antike erhoben worden,34 jedoch nicht auf den konkreten Gewinn. Für Ägypten wird beispielsweise berichtet, die Besteuerung wäre vom Pegelstand des Nils abhängig gewesen: Hoher Pegelstand bedeutete fruchtbaren Grund und damit hohe Einnahmen.35 Im alten Rom waren Grund und Boden katastermäßig ebenso erfasst wie die Familienzahl, sodass hieraus die Steuerlast berechnet wurde.36 Von Interesse war deshalb schon früh der Warenbestand der Kaufleute, der auch geprüft wurde, nicht jedoch der mit den Waren erzielte Gewinn.37 Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich in England die heute selbstverständliche Besteuerung von Gewinnen nach der individuellen Leistungsfähigkeit.38 Die Verbreitung der Einkommensteuer in Deutschland nahm ihren Anfang um 1810 in Preußen, namentlich in Königsberg, das enge Verbindungen zum englischen Königshaus pflegte und wo zudem an der Universität in Vorlesungen zur politischen Ökonomie die Vorstellungen von Adam Smith zur Ausgestaltung von Steuersystemen Verbreitung fanden.39 2. Parallelität der Entwicklung von Rechnungslegung und Prüfung Ob die Anfänge der Buchprüfung ähnlich weit zurückreichen wie die der Rechnungslegung, wird von Historikern nicht einheitlich beurteilt. Denklogisch können sie jedenfalls nicht älter sein als ihr Gegenstand. Offenbar gibt es aber Anzeichen dafür, dass bereits zu Zeiten eher primitiver zahlenmäßiger Aufstellungen Prüfungshandlungen in erster Linie zur Überwachung von Steuereinnahmen vorgenommen wurden.40 Berichtet wird von Punkten, bei Schubert, Quellen zur Aktienreform, S. 937. etwa Dercksen, Die altassyrischen Handelsabgaben, S. 187 ff. 35  Kubisch, Überblick über die Terminologie der Abgaben, S. 69. 36  Zum Stand der Forschung ausführlich. Günther, Vectigalia nervos esse rei ­publicae, S. 8 ff., zur Unterscheidung von direkten und indirekten Steuern, S. 14 ff. 37  Loitlsberger, in: Ballwieser / Coenenberg / v. Wysocki, S.  934. 38  Großfeld, Die Einkommensteuer, S. 7 ff. 39  Großfeld, Die Einkommensteuer, S. 26 ff. 40  Feldmann, Die Rechtsstellung des Prüfers und der Prüfungsverbände, S. 68. 33  Abgedruckt

34  Weiterführend

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

Strichen und kreisförmigen Markierungen auf babylonischen Tontafeln und ägyptischen Papyri, und die Ergebnisse der geschichtlichen Forschung gehen davon aus, dass sie von besonderen Kontrollbeamten stammen.41 a) Entwicklungen in Deutschland bis zur Einführung der Pflichtprüfung 1931 Die Einführung der Pflichtprüfung im Jahre 1931 war das Ergebnis Jahrzehnte dauernder Bemühungen. Bereits die Aktienrechtsnovelle von 1884 hatte die Einführung der sog. Gründungsprüfung gebracht.42 Sie oblag Vorstand und Aufsichtsrat. Nur für den Fall, dass Mitglieder dieser Organe zugleich Gründer waren oder Vermögensgegenstände einbrachten, musste die Prüfung durch besondere Prüfer stattfinden.43 Eine periodische Prüfung war noch nicht vorgesehen. In den Folgejahren wurde wiederholt die ineffektive Kontrolle durch den Aufsichtsrat thematisiert. Andererseits sprach sich die Wirtschaft aus Sorge vor Kreditschädigung und getragen von dem Unwillen, Externen Einblick in die Bücher zu gewähren, gegen die Einführung von Revisionen durch Externe aus.44 Gleichwohl wurden in der Folge der Einführung von Gründungsprüfungen auch Revisionen in der Praxis häufiger. § 266 HGB 189745 bestimmte, dass die Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit Revisoren zur Prüfung der Bilanz beschließen konnte.46 Eine erste periodische Pflichtprüfung wurde durch das Genossenschaftsgesetz von 1889 für Genossenschaften festgeschrieben.47 Die Krise der Jahre 1900 / 1901 führte dazu, dass Unternehmen externen Rat häufiger hinzuzogen.48 1906 forderte bereits der Deutsche Juristentag, allerdings erfolglos, die Einführung auch einer aktienrechtlichen Pflichtprüfung.49 Parallel dazu entwickelte sich der Berufsstand der Bücherrevisoren. Bereits im 16. Jahrhundert sahen sich Gerichte vermehrt außer Stande, ohne Hinzuziehung eines kaufmännischen Sachverständigen Sachverhalte aufzu41  Meisel,

Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 68. ZUG 1990, 217, 221. 43  Ausführlicher Schneider, Die rechtliche Stellung der Revisoren, S. 9 ff. Vgl. auch Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 8; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 68. 44  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 76 m. w. Nachw. 45  Henning, VSWG 1990, 1, 17. 46  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 78. 47  Feldmann, Die Rechtsstellung des Prüfers und der Prüfungsverbände, S. 21 ff.; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 84. 48  Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 8. 49  Habersack, in: Bayer  / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 16. Kap. Rn. 7; Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 8. 42  Quick,



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer29

klären, die aufgrund zunehmenden Handels, zunehmender Arbeitsteilung und räumlicher Trennung von Betriebsstätten50 an Komplexität gewannen.51 Zur Vermeidung solcher Rechtsstreitigkeiten zogen auch Unternehmen bald besonders qualifizierte Vertrauenspersonen zur Führung ihrer Bücher hinzu. Berichtet wird von sog. Rechenmeistern, die im 16. und 17. Jahrhundert als Gelehrte durch die Lande reisten und ihre Beratungsdienste anboten.52 Durch die „Neue Falliten-Ordnung“ vom 31. August 1753 der Hansestadt Hamburg wurde offenbar erstmals festgeschrieben, dass bei der Abwicklung von Konkursen immer ein Buchsachverständiger mitzuwirken habe und ihrem Berufsstand damit ein staatlicher Auftrag erteilt.53 Die Bücherrevisoren wurden von Fall zu Fall durch die Gerichte beeidigt.54 Erst in den Jahren 1887 bis 1889 verabschiedeten die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen Gesetze, welche die Bestellung „Beeidigter Bücherrevisoren“ durch die Handelskammern regelten.55 Absatz 36 der Gewerbeordnung von 1900 schließlich ermöglichte die Bestellung Beeidigter Bücherrevisoren auch auf nationaler Ebene und wies die Kompetenz hierzu überwiegend ebenfalls den Handelskammern zu.56 Seit 1890 entstanden zudem sog. Treuhandgesellschaften, die zwar zunächst primär auf die Verwaltung von Wertpapieren fokussiert waren, zu diesem Zwecke aber alsbald Revisionsabteilungen einrichteten und diese später nutzten, um auch externe Buchprüfungen zu übernehmen.57 1914 gab es bereits 14 Treuhandgesellschaften in Deutschland,58 1925 gründete die öffentliche Hand die Deutsche Revisions- und Treuhand Aktiengesellschaft.59 Diese Treuhandgesellschaften hatten gegenüber Einzelrevisoren den bedeutenden Vorteil, dass sie sich nicht auf bestimmte Fragen spezialisieren 50  Quick, ZUG 1990, 217, 218 f., sieht hierin die Hauptursache für die Entstehung des (zunächst internen) Revisionswesens in Deutschland. 51  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 39; Quick, ZUG 1990, 217, 218 f. 52  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 42. Dieser Befund scheint indes nicht frei von Zweifeln, weil die Quellenlage ihn nicht wissenschaftlich verlässlich absichert, vgl. Henning, VSWG 1990, 1, 2 f. 53  Habersack, in: Bayer  / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 16. Kap. Rn. 4; Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 1; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 47. 54  Henning, VSWG 1990, 1, 8; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 49. 55  Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 1. 56  Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 1; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S.  94 ff. 57  Beigel, Treuhand-Gesellschaften, S.  8 f.; Habersack, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 16. Kap. Rn. 4; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S.  115 f. 58  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 116. 59  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 115.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

mussten60 und machten diesen folglich bald in erheblicher Weise Konkurrenz.61 Die Organisation der Einzelrevisoren in regionalen Verbänden war die Folge. Auf diese Weise sollte vor allem der Nachweis fachlicher Qualifikation ermöglicht und gesichert werden.62 In den 1920er Jahren war das Bild der Organisation des Berufes der Bücherrevisoren geprägt von zahlreichen Verbänden der freien Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der freien Bücherrevisoren.63 An einer gemeinsamen Organisation fehlte es aber. Dieser Zustand wurde von den Verbänden und den einzelnen Treuhandgesellschaften selbst als erheblicher Nachteil empfunden. Denn es fehlte an einheitlichen Regelungen, denen die Ausbildung der Bücherrevisoren, ihre Berufszulassung und ihre Berufsausübung folgen konnten.64 Außerdem bestand selbstverständlich ein starkes Interesse an der seit Jahren und von verschiedener Seite geforderten Einführung einer aktienrechtlichen Pflichtprüfung, welche die Auftragslage für den Berufsstand nachhaltig sichern würde. Hinzu kam, dass insbesondere aus England die Vorzüge eines organisierten Berufsstandes bekannt waren, wo die Abschlussprüfer sich zum „Institute of chartered accountants“ bzw. zur „Society of incorporated accountants“ zusammengeschlossen hatten.65 In anderen Ländern waren in der Folge vergleichbare Entwicklungen zu beobachten.66 Als im August 1929 zunächst die Frankfurter Versicherungs-Gesellschaft (FAVAG), die zweitgrößte Versicherungsgesellschaft im Deutschen Reich und „mit dem Ruf zweifelsfreier Bonität“,67 zusammenbrach,68 wurde das Erfordernis einer Pflichtprüfung nochmals besonders deutlich. Denn in der Folge wurden ganz erhebliche Bilanzmanipulationen in den Büchern der FAVAG sichtbar.69 Dennoch war nicht nur den Mitgliedern der zahlreichen 60  Meisel,

Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 117. Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 124. 62  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 130 ff. 63  Eine Übersicht findet sich bei Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 2 ff.; vgl. auch Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 152. 64  Feldmann, Die Rechtsstellung des Prüfers und der Prüfungsverbände, S. 71. 65  Feldmann, Die Rechtsstellung des Prüfers und der Prüfungsverbände, S. 74; Henning, VSWG 1990, 1, 14. 66  Näher Henning, VSWG 1990, 1, 21. Ausführlicher zur Entwicklung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer in Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Schweden, der Schweiz und England die Länderberichte in Previts / Walten / Wolnizer (Hrsg.), A Global History of Accounting; zur Entwicklung in den USA Previts / Merino, A History of Accountancy in the United States, passim. 67  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 10. 68  Dazu Wanner, Das deutsche Menetekel der Weltwirtschaftskrise. 69  Auch für den Gesetzgeber, der in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930 for61  Meisel,



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer31

Verbände klar, dass ohne eine einheitliche Organisation des Berufsstandes an die Einführung der aktienrechtlichen Pflichtprüfung nicht zu denken war. Es gelang aber schließlich nach kontroversen Verhandlungen zwischen den Verbänden am 5. August 1930 zunächst das „Institut für Revision und Treuhandwesen“ (IRT) zu gründen.70 Mitglieder waren die Verbände der Einzelrevisoren und die Treuhandgesellschaften. Ihm sollte die Aufgabe zukommen, „einen Träger der durch behördliche Regelung zu schaffenden Berufsgruppe der Wirtschaftstreuhänder“ zu bilden. Dabei sollte es bei der Entwicklung dieser behördlichen Regelung „selbst mitwirken und dann nach Abschluss dieser Regelung die Aufnahmeorganisation für den Wirtschafts­ treuhänder werden“.71 Weil sich in den folgenden zwei Jahren weitere Bilanzskandale häuften,72 reagierte schließlich – wie seit Jahren gefordert – auch der Gesetzgeber mit der Einführung der Pflichtprüfung:73 Die „Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnesie“74 war zunächst eine „Notlösung“, da eine bereits vorbereitete Reform des Aktiengesetzes, die eigentlich die Pflichtprüfung gesetzlich verankern sollte,75 noch nicht zur Verabschiedung bereit war. Sie enthielt Vorschriften zur Offenlegungspflicht, zum Jahresabschluss und zur Abschlussprüfung. Die eigentliche Geburtsstunde des Berufes des Wirtschaftsprüfers markiert jedoch erst die am 15. Dezember 1931 inkraftgetretene 1. Durchführungsverordnung zur genannten Verordnung.76 Sie regelte: „Die Befähigung zur Ausübung der Tätigkeit als Bilanzprüfer haben nur 1. Personen, die aufgrund der in der Anlage beigefügten Ländervereinbarung als Wirtschaftsprüfer öffentlich bestellt sind, muliert: Nach den Vorgängen bei der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-A.G. ist es dringend geboten, den Ausweis von Verbindlichkeiten (…) vorzuschreiben, auch soweit ihnen gleichwertige Rückgriffsforderungen gegenüberstehen“, abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform, S. 956. 70  Markus, Der Wirtschaftsprüfer, S. 23. 71  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 13. 72  Zu nennen ist etwa der Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns im Juni 1931, vgl. Habersack, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 16. Kap. Rn. 10; mit weiteren Beispielen Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 169 ff. 73  Monographisch dazu etwa Kritz, Die Pflichtprüfung des Jahresabschlusses, insbesondere S.  16 ff.; Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 182 ff.; Wall, Der Umfang der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses, S. 14. 74  RGBl. I 1931, 493 ff. 75  § 118 des „Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Aufgestellt durch das Reichsjustizministerium (1930)“. Der Entwurf ist abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform, S. 847 ff. 76  RGBl. I 1931, S. 761. Abgedruckt insoweit auch in IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 16.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

2.  Prüfungsgesellschaften, die in eine von der Hauptstelle für die öffentlichen bestellten Wirtschaftsprüfer zu führende Liste der die Wirtschaftsprüfertätigkeit ausübenden Gesellschaft eingetragen sind.“

Die Einführung dieses reichseinheitlich geregelten Berufstandes des „öffentlichen bestellten Wirtschaftsprüfers“ machte erforderlich, einheitliche Regelungen hinsichtlich Qualifikation, Bestellung und Überwachung der Wirtschaftsprüfer zu schaffen. Dabei musste das Institut auch intern zunächst zahlreiche divergierende Interessen insbesondere der nach wie vor in Verbänden organisierten Einzelrevisoren einerseits und der Treuhandgesellschaften andererseits überbrücken.77 Am 15. Dezember 1931 wurden deshalb zwischen der Reichsregierung und den Länderregierungen in der sog. Ländervereinbarung auch die „Grundsätze für die Bestellung des öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfers“ vereinbart.78 Darin wurde die Einrichtung der „Hauptstelle für die öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer“, einem Selbstverwaltungsorgan beim Deutschen Industrie- und Handelstag, festgeschrieben.79 Ihm oblag die zentrale Aufgabe, auf eine einheitliche Handhabung der Zulassungsbedingungen und der Prüfungsordnung hinzuwirken.80 Die Hauptstelle legte Grundsätze für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer fest und verpflichtete sie zu Eigenverantwortung, Unabhängigkeit und strengster Objektivität – Grundsätze, die bis heute für alle Wirtschaftsprüfer gelten.81 Insgesamt errichteten die Länder zwölf ihr nachgeordnete Zulassungs- und Prüfungsstellen.82 b) Die Konzentration der Organisation des Berufsstandes im IDW Zu Beginn des Jahres 1932 waren 280 Wirtschaftsprüfer und 32 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestellt und in die „Liste der öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer“, die von der „Hauptstelle für die öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer“ beim Deutschen Industrie- und Handelstag geführt wurde, eingetragen.83 Dieser hatte damit seine Aufgabe, „einen Träger der durch behördliche Regelung zu schaffenden Berufsgruppe der Wirtschaftstreuhänder“ zu bilden, erfüllt. Es beschloss eine Umbenennung in 77  IDW,

75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 13. Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 185; Taupitz, die Standesordnungen der freien Berufe, S. 418 ff. 79  Meisel, Geschichte der Wirtschaftsprüfer, S. 199 ff. 80  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 17; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 420. 81  IDW PS 201 Rz. 25; § 43 Abs. 1 S. 1 WPO. 82  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 17. 83  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 17, 23. 78  Meisel,



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer33

„Institut der Wirtschaftsprüfer“. In der Sache unterschied sich das das neue Institut von seiner Vorgängerorganisation darin, dass nunmehr die Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften selbst und nicht mehr die einzelnen Verbände seine Mitlieder waren.84 Zwar bestand kein Zwang zur Mitgliedschaft im IDW, jedoch wurde ein Beitritt der Berufsangehörigen erwartet.85 Das IDW war eine private Vereinigung ohne öffentlichrechtlichen Charakter mit der Absicht, sich zu einer Berufsvertretung zu entwickeln. Noch 1932 wurde für die Mitglieder eine Berufshaftpflichtversicherung bei Lloyd’s abgeschlossen.86 Eine Zeitschrift für die Mitglieder mit dem Titel „Vertrauliche Nachrichten“ wurde ebenso gegründet wie ein Fachausschuss – wenig später in Hauptfachausschuss umbenannt –, der die Aufgabe hatte, wichtige Fragen der Pflichtprüfung zu klären.87 Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ließ sich das IDW rasch von der neuen Führung vereinnahmen. Die zwei Vorstandsmitglieder „jüdischer Abkunft“ mussten zurücktreten, das IDW sprach sich für die Aussetzung der Bestellung von Wirtschaftsprüfern jüdischer Abstammung aus. Ein unmittelbar gebildeter „Aktionsausschuss“ sprach der „Regierung der Nationalen Erhebung“ umgehend sein Vertrauen aus.88 Gleichzeitig gelang es dem Institut, die Selbstverwaltung des Berufsstandes zu sichern, als mit Erlass vom 17. Mai 1933 das IDW von der Reichsregierung als Standesvertretung der Wirtschaftsprüfer anerkannt wurde89 und ein Jahr später die Einführung der Pflichtmitgliedschaft im IDW erfolgte.90 Nach 1938 und der „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ schlug das IDW dem Reichsministerium Wirtschaftsprüfer vor, die als Treuhänder die Weiterführung, Veräußerung oder Abwicklung der jüdischen Betriebe leiteten.91 Dennoch erfolgte mit der Mobilisierung aller Kräfte für den Krieg Anfang 1943 eine einheitliche Berufslenkung der Wirtschaftsprüfer für den Kriegseinsatz durch das Reichswirtschaftsministerium. Das IDW wurde am 17. April 1943 aufgelöst, die „Reichskammer der Wirtschaftstreuhänder“ sein Rechtsnachfolger.92 Nach Kriegsende ergriffen die Besatzungsmächte der westlichen Besatzungszonen rasch Maßnahmen zur neuerlichen Ordnung des Berufsstandes 84  IDW,

75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, Der Wirtschaftsprüfer, S. 39. Die Geschichte des Berufsstandes und des IDW, S. 1. Die Geschichte des Berufsstandes und des IDW, S. 1. 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, Die Geschichte des Berufsstandes und des IDW, S. 2. 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke,

85  Markus, 86  IDW, 87  IDW, 88  IDW, 89  IDW, 90  IDW, 91  IDW, 92  IDW,

S. 21.

S. 27. S. 29. S. 41. S. 42.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

der Wirtschaftsprüfer. Im Januar und März 1946 wurde in der französischen Besatzungszone die Bildung von Kammern der Wirtschafts- und Steuersachverständigen angeordnet und in der Folge solche Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts geschaffen, in denen Zwangsmitgliedschaft bestand.93 In der amerikanischen Besatzungszone bestanden bereits wieder einige privatrechtliche Vereinigungen, u. a. das Institut der Wirtschaftsprüfer in Bayern e. V., die von der Besatzungsmacht als berufsständische Vertretung anerkannt wurden.94 In der britischen Besetzungszone wurde im Februar 1946 das Institut der Wirtschaftsprüfer in der Nord-Rheinprovinz und Westphalen e. V. gegründet, das sich kurz darauf in Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW) umbenannte.95 Die erste Fachtagung des IDW fand im November 1948 in Bremen zu Fragen der DM-Eröffnungsbilanz statt, und zwar unter Beteiligung von Wirtschaftsprüfern aus allen Westzonen. Dieser „Vereinigung auf fachlicher Ebene folgte bald auch die organisatorische Vereinigung“96, indem bayerische und hessische Berufsorganisationen im Frühjahr 1949 dem Düsseldorfer IDW kooperativ und die Berufsangehörigen aus Bremen und der französischen Zone als Einzelmitglieder beitraten.97 Seinen endgültigen Namen „Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.“ erhielt der Verein durch Beschluss vom 25. November 1954.98

II. Das IDW heute Das IDW ist heute ein privatrechtlicher, eingetragener Verein bestehend aus freiwilligen Mitgliedern, dem sich mittlerweile nahezu 90 % aller Wirtschaftsprüfer angeschlossen haben.99 Satzungssitz ist Düsseldorf.100

93  IDW,

75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 48. 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 48. 95  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 50 f. 96  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 53. 97  IDW, 75 Jahre Wirtschaftsprüfer im IDW, Band I, Rückblicke, S. 53. 98  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. B Rn. 1. 99  Nach den Angaben des IDW, abrufbar unter der Webadresse http: /  / www.idw. de / idw / portal / n281334 / n379162 / index.jsp, waren am 31.12.2009 12.979 Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Mitglied, was 87,27 % entsprechen soll. 100  § 1 Abs. 2 IDW-Satzung. 94  IDW,



A. Das Institut der Wirtschaftsprüfer35

1. Verfassung des IDW a) Die Organe Die Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 S. 1 BGB) wird als „Wirtschaftsprüfertag“ bezeichnet und spätestens alle zwei Jahre einberufen.101 Sie wählt alle vier Jahre einen Verwaltungsrat.102 Die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder ist abhängig von der Mitgliederzahl des IDW insgesamt: Alle Mitglieder des IDW werden nach Ortszugehörigkeit in „Landesgruppen“, die den Bundesländern der BRD entsprechen, eingeteilt, die „Landesgruppen“ wählen pro (angefangenes) Hundert ihrer Mitglieder eines in den Verwaltungsrat.103 Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Wahl von sechs ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern aus seiner Mitte,104 die wiederum drei geschäftsführende Vorstandsmitglieder bestimmen;105 der „Vorsitzer“ des Vorstandes muss ehrenamtliches Vorstandsmitglied sein.106 b) Der Hauptfachausschuss (HFA) Zu den Aufgaben des Vorstandes gehört u. a. die Entscheidung über die grundsätzliche Ausrichtung der Berufspolitik.107 Konkrete inhaltliche Fragen, insbesondere die Umsetzung der beschlossenen Ausrichtung durch die Formulierung von an die Abschlussprüfer andressierten Verlautbarungen werden aber vom sog. Hauptfachausschuss erörtert,108 dessen Mitglieder vom Vorstand benannt werden.109 Der Hauptfachausschuss ist untergliedert in die zwei Abteilungen Rechnungslegung und Prüfung.110 Für jede Abteilung sollen insgesamt elf Mitglieder berufen werden: fünf Vertreter großer Prüfungsgesellschaften, fünf Vertreter mittlerer oder kleiner Prüfungsgesellschaften sowie ein Hoch101  § 8

Abs. 3 S. 1 IDW-Satzung. Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 IDW-Satzung. 103  § 9 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 IDW-Satzung. 104  § 10 Abs. 3 IDW-Satzung. 105  § 10 Abs. 5 IDW-Satzung. 106  § 10 Abs. 4 IDW-Satzung. 107  § 10 Abs. 3 S. 5 IDW-Satzung. 108  § 12 Abs. 3 IDW-Satzung i. V. m. Nr. 1 Rz. 1 der Grundsätze für die Arbeitsweise des HFA. 109  § 12 Abs. 3 der Satzung i. V. m. Nr. 4 Rz. 16 der Grundsätze für die Arbeitsweise des HFA; lediglich der sogenannte Vorsitzer des Hauptfachausschusses wird vom Verwaltungsrat gewählt, der dabei aber an die Vorschläge des Hauptfachausschusses gebunden ist, sofern dieser mindestens zwei Berufsträger zur Wahl stellt. 110  Nr. 2. Rz. 16 der Grundsätze für die Arbeitsweise des HFA. 102  § 7

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

schullehrer mit entsprechender Spezialisierung.111 Die Beratungen des Hauptfachausschusses sind geheim. Gäste sind nicht zugelassen. Alle Beteiligten sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Unterlagen über die Beschlussfassung werden nicht öffentlich zugänglich gemacht, abweichende Voten nicht bekannt gegeben.112 Zwar wird gelegentlich von Mitgliedern des Hauptfachausschusses über seine Facharbeit berichtet, doch sparen diese Berichte Fragen des konkreten Standardsetzungsverfahrens aus.113 Das Verfahren, in dem die IDW-Standards zustande kommen, erscheint damit als äußerst intransparent. 2. Aufgaben des IDW Das IDW hat „die Fachgebiete des Wirtschaftsprüfers zu fördern und für die Interessen des Wirtschaftsprüferberufes einzutreten“114. Insbesondere soll es durch entsprechende Maßnahmen für die Aus- und Fortbildung der Wirtschaftsprüfer sorgen. „Die Wahrung der Interessen des Berufstandes beinhalten auch den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Kontakten zu nationalen und internationalen Institutionen“115. Damit sind zum einen der deutsche und europäische Gesetzgeber gemeint, zum anderen aber insbesondere auch das IASB in London, das für die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsstandards zuständig ist.116 Diese Aktivitäten des IDW sind darauf gerichtet, den Berufsstand vor Überreglementierung zu schützen und damit den Charakter des Wirtschaftsprüfers als freier und selbstverwalteter Beruf zu wahren.117 Dabei nimmt das IDW für sich in Anspruch, seinen Mitgliedern die Anforderungen an eine einheitliche Berufsausübung auf qualitativ hohem Niveau zu präzisieren und das auch nach außen erkennbar zu machen.118 Das Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW) publiziert deshalb schon seit 1933 regelmäßig Verlautbarungen zu Fragen der Rechnungslegung und Abschlussprüfung.119 Es hat sich selbst zur Aufgabe gemacht, „für einheitliche Grundsätze der unabhängigen, eigenverantwortlichen und 111  Nr. 4.

Rz. 19 der Grundsätze für die Arbeitsweise des HFA. Rz. 45 ff. der Grundsätze für die Arbeitsweise des HFA. 113  So etwa zuletzt der Beitrag von Schruff, WPg 2013, 117 ff. 114  § 2 Abs. 1 IDW-Satzung. 115  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. B Rn. 9. 116  Vgl. zu konkreten Maßnahmen der Interessenwahrnehmung durch das IDW am Beispiel der Diskussion um die Übernahme der International Standards on Auditing (ISA) Naumann, WPg 2011, 1 ff. 117  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. B Rn. 9. 118  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. B Rn. 10. 119  Wiedefeld, in: WP-Handbuch I, Anh. 3 Rn. 1. 112  Nr. 8.



B. IDW-Standards37

gewissenhaften Berufsausübung einzutreten und deren Einhaltung durch die Mitglieder sicherzustellen“120.

B. IDW-Standards Zu diesem Zwecke veröffentlicht das IDW Verlautbarungen in Form von sog. Standards, Prüfungsstandards und Prüfungshinweisen sowie Stellungnahmen zur Rechnungslegung.121 Es handelt dabei ohne staatlichen Auftrag. Zuständig für diese „Normsetzung“ im weitesten Sinne ist der Hauptfachausschuss des IDW.122 In den Standards wird die Berufsauffassung dargelegt, was die konkreten gesetzlichen Anforderungen an den Wirtschaftsprüfer sind und wie dieser ihnen gerecht werden kann. Sie betreffen teilweise rein interne Arbeitsprozesse, z. B. die Dokumentation der durchzuführenden Prüfung, teilweise auch die konkrete Auslegung von Gesetzen, z. B. Ansatz und Bewertung von Drohverlustrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 HGB.123 Diese Verlautbarungen umfassen meistens 10–40 Seiten und machen dementsprechend detaillierte Vorgaben.

I. Systematisierung der IDW-Standards 1. Systematisierung nach Inhalt Die Verlautbarungen des IDW wurden von Anfang an als Fachgutachten bezeichnet, zwischenzeitlich aber auch als Stellungnahmen.124 1977 entschied sich der Verein für eine begriffliche Systematisierung, wonach Verlautbarungen der Oberbegriff für alle fachlichen Äußerungen des Instituts sein sollte. Fachgutachten waren der Unterbegriff für solche Verlautbarungen, die zu grundsätzlichen Bilanzierungs- und Prüfungsfragen erstattet wurden, Stellungnahmen hingegen solche zu einzelnen Fachfragen, die „mehr als Tagesbedeutung haben.“125 Im Jahr 1998 entschied sich das IDW zu einer grundlegenden neuen Systematisierung. Diese Neuordnung wurde zum einen durch erhebliche gesetzgeberische Änderungen, die das KonTraG im Bereich der Abschluss120  § 2 Abs. 2 lit. b) der Satzung; Vgl. auch Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 907. 121  http: /  / www.idw.de / idw / portal / n281334 / n281114 / index.jsp. 122  § 12 Abs. 1 IDW-Satzung. 123  Vgl. etwa IDW RS HFA 4. 124  Hierzu und zum Folgenden Wiedefeld, in: WP-Handbuch I, Anh. 3 Rn. 1 ff. 125  Zitiert nach Wiedefeld, in: WP-Handbuch I, Anh. 3 Rn. 4.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

prüfung brachte, sinnvoll; zum anderen wollte man Inhalt, Struktur und System der Verlautbarungen den International Standards on Auditing (ISA) anpassen. Dafür wurden die bisher geltenden Bezeichnungen aufgegeben.126 Verlautbarungen, welche Fragen der Durchführung von Abschlussprüfungen betreffen, werden nunmehr als IDW-Prüfungsstandards (IDW PS) bezeichnet. Verlautbarungen, die Stellungnahmen zur Rechnungslegung betreffen, werden IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS) genannt. Daneben gibt es IDW Standards (IDW S), die andere Tätigkeitsbereiche der Wirtschaftsprüfer betreffen. Ferner gibt es eine Reihe von Verlautbarungen, die Einzelfragen der Rechnungslegung (IDW RH) und Prüfung (IDW PH) betreffen und dabei oft die IDW PS und IDW RS ergänzen. Sie werden nicht von Hauptfachausschuss beschlossen, sondern von den einzelnen Fachgremien. a) IDW PS Die IDW Prüfungsstandards, die den weit größten Teil der Verlautbarungen ausmachen, beziehen sich auf die Art und Weise der Prüfung. Ihr Adressat ist der Wirtschaftsprüfer, geregelt werden die Durchführung einer Prüfung sowie allgemeine Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Prüfungstätigkeit des Wirtschaftsprüfers stellen. Die Standards formulieren insofern sowohl allgemeine Ziele und Grundsätze (z. B. IDW PS 200 und 201) als auch konkrete Verhaltensvorgaben, etwa zur Feststellung von Fehlerrisiken bei der Abschlussprüfung und den Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken (IDW PS 261). Im Einzelnen lassen sich die Verlautbarungen inhaltlich unterteilen in Standards zur Qualitätssicherung (IDW PS 120–199), zu Prüfungsgegenstand und Prüfungsauftrag (IDW PS 200–249), zu Prüfungsansatz und -durchführung (IDW PS 250–399), zu Prüfungsberichten und -bescheinigungen, insbesondere dem Bestätigungsvermerk (IDW PS 400–499). Daneben werden Fragen der Prüfung für bestimmte Branchen und für besondere Reporting-Anlässe behandelt (IDW PS 500–999). Außerdem werden IDW PS konkretisiert durch die IDW PH. Beispielsweise ergänzt IDW PH 9.100.1 insbesondere den IDW PS 200 und den IDW PS 201 um Hinweise zu Besonderheiten, die sich im Rahmen der Abschlussprüfungen von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) ergeben. IDW PH 9.140 enthält Checklisten, welche die Vorgaben des IDW PS 140 zur Qualitätskontrolle konkretisieren.

126  Wiedefeld,

in: WP-Handbuch I, Anh. 3 Rn. 4.



B. IDW-Standards39

b) IDW RS IDW RS betreffen die konkrete Prüfungstätigkeit des Wirtschaftsprüfers nur mittelbar, denn sie beschreiben keine Handlungsanweisungen, sondern vielmehr, wie die zu prüfende Rechnungslegung beschaffen sein soll. Es handelt sich im Falle der IDW RS deshalb auch nicht, wie zutreffend bemerkt wurde, um Bemühungen zur Regelung des Berufstandes und zur Sicherung seiner Qualität.127 IDW RS zielen stattdessen auf die Interpretation und Konkretisierung der Rechnungslegungsregeln, deren Einhaltung der Abschlussprüfer in seinem Prüfungsbericht zu vermerken hat (§ 321 Abs. 2 S. 1 HGB).128 Beispielhaft sei hier IDW RS HFA 4 genannt, der umfassende Aussagen zu Zweifelsfragen zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustrückstellungen (§ 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB) trifft. Andere IDW RS beschreiben die Anwendung von Rechnungslegungsnormen auf bestimmte Sachverhaltskonstellationen. Das gilt etwa für IDW RS HFA 5 (Rechnungslegung von Stiftungen) oder IDW RS HFA 7 (Zur Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften). Noch konkretere Fachfragen nehmen etwa die Rechnungslegungshinweise IDW RH BFA 1.001 (Bilanzielle Behandlung von „Bondstripping“) und IDW RH HFA 1.005 (Anhangangaben nach § 285 Nr. 18 und 19 HGB zu bestimmten Finanzinstrumenten) in Bezug. Keine grundsätzliche Unterscheidung erfolgt hinsichtlich der Urheberschaft von Rechnungslegungsregeln. So treffen IDW RS nicht nur Aussagen zu Fragen der Rechnungslegung nach HGB, sondern auch nach IFRS / IAS (z. B. IDW RS HFA 9 Einzelfragen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS). c) IDW S Vergleichsweise wenige Verlautbarungen liegen aus der dritten Kategorie IDW S vor. Bislang wurden acht Standards durch das IDW beschlossen, mit IDW ES 9 und IDW ES 10 konnten zwei weitere Entwürfe vorbereitet werden.129 Sie behandeln Problemkreise, die in der Regel130 nicht unmittel127  Hommelhoff / Mattheus,

FS Röhricht S. 908. Möglichkeit des Einflusses von IDW-Verlautbarungen auf den Inhalt von Rechnungslegungsnormen, insbesondere von Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung etwa Biener, FS Goerdeler, S. 45 ff.; ferner Taupitz, BB 1990, 2367 ff. sowie ausführlichen unten Kapitel 2 C.III. 129  Stand: 4.4.2013. 130  Allerdings gibt es auch IDW S 7: Grundsätze für die Erstellung von Jahresabschlüssen, sowie IDW S 5: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte. 128  Zur

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

bar mit der Prüfung von Jahresabschlüssen, sondern zu den sonstigen Tätigkeiten der Wirtschaftsprüfer zählen. Hier sind insbesondere die Unternehmensbewertung und die Anteilsbewertung zu nennen (IDW S 1), aber auch die Anforderungen an die ordnungsgemäße Beurteilung von Verkaufsprospekten über öffentlich angebotene Vermögensanlagen (IDW S 4), Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) oder sog. Fairness Opinions (IDW S 8). 2. Struktur der Standards Die Verlautbarungen des IDW sind strukturell immer ähnlich aufgebaut. Vorangestellt sind stets sogenannte Vorbemerkungen, in denen der Anwendungsbereich des jeweiligen Standards näher umrissen wird. Eingeleitet werden sie regelmäßig mit dem Satz „Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) legt in diesem IDW Prüfungsstandard die Berufsauffassung dar, nach der Wirtschaftsprüfer unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit im Rahmen von Abschlussprüfungen …“, woraufhin die genaue Bezeichnung des Anwendungsbereiches erfolgt. Häufig wird noch zum Grad der (angestrebten) Konvergenz zwischen dem Standard und der entsprechenden International Standard on Auditing (ISA) Stellung genommen.131 Je nach Komplexität des Anwendungsbereich erfolgt sodann eine Begriffserklärung oder auch die Darstellung sogenannter Grundlagen, die die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Prüfung anhand des fraglichen Prüfungsstandards (typischerweise) stattfindet, näher umreißt. Im Weiteren werden einzelne Fragestellungen aus dem Referenzgebiet näher behandelt, indem sie vom Allgemeinen zum Speziellen, zum Teil bis in Detailprobleme gehend aufgefächert werden. Das kann beispielhaft belegt werden an IDW PS 270 zur Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfungen: Der Standard ist in sieben Gliederungspunkte, teilweise mit weiteren Unterpunkten, unterteilt: 1. Vorbemerkungen, 2. Grundlagen, 3. Verantwortung der gesetzlichen Vertreter, 4. Verantwortung des Abschlussprüfers, 5. Maßnahmen des Abschlussprüfers, 6. Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk, 7. Übereinstimmung mit ISA. Er umfasst insgesamt 14 Textseiten, was verglichen mit anderen IDW Standards weder besonders lang noch besonders kurz ist. 131  Beispielhaft IDW PS 200 Rz. 32; IDW PS 201 Rz. 33 ff. Von den 23 Standards ab IDW PS 200 bis IDW PS 318 machen lediglich IDW PS 208 und IDW PS 250 die Angabe zur Konvergenz mit den ISA nicht. Ein Verzicht auf die Angabe wird bei den dann folgenden Standards häufiger, weil sie nationale Besonderheiten betreffen (Bestätigungsvermerk, Deutscher Corporate Governance Kodex etc.).



B. IDW-Standards41

In den „Vorbemerkungen“ wird zunächst das Fortführungsprinzip132 gem. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB umschrieben, gefolgt von dem Hinweis, der Standard enthalte die Berufsauffassung darüber, wie Abschlussprüfer zu einer Beurteilung der Einschätzung von gesetzlichen Vertretern des bilanzierenden Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit gelangen. Die „Grundlagen“ erläutern allgemein, welche Gegebenheiten die Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens beeinflussen können und welche Folgen eine negative Fortführungsprognose für die Bewertung der Vermögensgegenstände haben kann. Sodann wird betont, verantwortlich für das Erstellen der Fortführungsprognose sei grundsätzlich der gesetzliche Vertreter des Unternehmens. Er dürfe aufgrund von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zwar die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens unterstellen, jedoch müssen er diese gesetzliche Annahme auf ihre Richtigkeit überprüfen. Es folgt eine tabellarische Aufzählung von Umständen, welche „einzeln oder zusammen mit anderen die gesetzlichen Vertreter daran zweifeln lassen, ob die Fortführung der Unternehmenstätigkeit möglich sein wird.“133 Dabei wird zwischen finanziellen, betrieblichen und sonstigen Umständen unterschieden. Insgesamt werden 23 solcher Umstände aufgezählt. Zu den Maßnahmen des Abschlussprüfers wird einerseits allgemein vorgegeben, der Abschlussprüfer habe abzuschätzen, ob Anhaltspunkte für Ereignisse bestehen, die erhebliche Zweifel an der Fortführung des Unternehmens aufwerfen können, andererseits wird konkret vorgegeben, welche Punkte der Abschlussprüfer etwa bereits während der Planung der Abschlussprüfung mit den gesetzlichen Vertretern des Unternehmens zu erörtern hat.134 Hier finden sich weiter umfassende Vorgaben, etwa zu konkret als erforderlich erachteten Prüfungshandlungen, die dem Abschlussprüfer die Beurteilung der vom Geschäftsleiter erfolgten Fortführungsprognose ermöglichen sollen. Sodann wird ausführlich dargelegt, wie die gefundenen Ergebnisse im Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk verwertet werden sollen.135 132  Demnach ist bei der Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden grds. von der Fortführung des Unternehmens auszugehen, weshalb Vermögensgegenstände nicht zu Zerschlagungswerten – also zu den Preisen, die aktuell am Markt realisiert werden könnten – anzusetzen sind, sondern mit einem Wert, der in der Regel den fortgeführten Anschaffungskosten entspricht, der also im Normalfall durch den planmäßigen, d. h. periodenübergreifend, aber nicht zwingend linear kalkuliertem Wertverzehr determiniert ist. Die Aufstellung eines mehrere Perioden umfassenden Abschreibungsplans setzt notweniger Weise die Annahme voraus, das Unternehmen werde fortgeführt, vgl. nur Claussen, KK-Rechnungslegungsrecht, § 252 Rn. 16. 133  IDW PS 270 Rz. 11. 134  IDW PS 270 Rz. 15 ff. 135  IDW PS 270 Rz. 32 ff.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

II. Praktische Relevanz: Die Pflichtenverkettung Die Verlautbarungen haben Stimmen in Literatur und Praxis zufolge eine hohe Befolgungsquote, und zwar nicht nur unter den mitgliedschaftlich verbundenen und damit satzungsrechtlich verpflichteten Berufsträgern, sondern auch bei prüfungspflichtigen Unternehmen.136 Sie adressieren das prüfungspflichtige Unternehmen teilweise sogar ausdrücklich: IDW PS 303 schreibt so beispielsweise vor, wie die Erklärungen der gesetzlichen Vertreter gem. § 320 HGB ausgestaltet sein müssen. Der am 7.7.2005 durch den Hauptfachausschuss aufgehobene IDW RS HFA 1 (Aufstellung des Lageberichts) formulierte, ein Unternehmen, das auch nur freiwillig einen Lagebericht aufstellt, habe dabei die Vorgaben des IDW RS HFA 1 zu beachten. Dieses Selbstverständnis scheint unter den Berufsträgern weit verbreitet.137 Es dürfte seine Wurzeln in einem gestuften Wirkungsmechanismus haben, der erkennbar wird, wenn IDW-Satzungsrecht und HGB-Prüfungsrecht gemeinsam betrachtet werden: § 4 IDW-Satzung, IDW PS 201 und das IDWHandbuch halten die Mitglieder zu einer Befolgung der Standards unter Hinweis auf drohende Sanktionen an. Zwar wurde die Formulierung in IDW PS 201 zuletzt etwas entschärft. Der Passus „dass die Unkenntnis oder Nichtbeachtung von Fachgutachten oder die mangelnde Auseinandersetzung mit diesen eine vorwerfbare und im Wege der Berufsaufsicht zu verfolgende Pflichtverletzung darstellen“ kann,138 wurde aufgehoben. In einem vom IDW herausgegebenen Handbuch heißt es aber auch 2012 noch immer wörtlich: „Beachtet ein Abschlussprüfer die Grundsätze eines IDW FG, IDW PS oder IDW RS nicht oder lässt er die Nichtbeachtung durch das geprüfte Unternehmen ohne Widerspruch zu, ohne dass dafür gewichtige Gründe vorliegen, so muss er damit rechnen, dass dies ggf. in Regressfällen, in einem Verfahren der Berufsaufsicht oder in einem Strafverfahren zu seinem Nachteil ausgelegt werden kann.“139 Erforderlich ist zudem heute wie früher die Hervorhebung und Begründung einer möglichen Abweichung im Prüfbericht140. Das gilt auch dann, wenn als Grund eine abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung angesehen wird.141 Schon deshalb wird 136  Giebeler / Jaspers, Reform des Risikomanagements, S. 14 ff.; Hommelhoff / Mat­ theus, FS Röhricht S. 899; bereits Scherrer, DB 1977, 1325, 1327; Taupitz, BB 1990, 2367, 2369. Besonders hervorgehoben wurde dieser Aspekt auf dem ZGR-Symposion 2010, vgl. Binder, ZGR 2010, 489, 493. Empirisch belegt ist das indes nicht. 137  AG Duisburg, Entscheidung v. 31.12.1993, Az. 23 HR B 3193 DB 1994, 466, 467. 138  Dazu noch Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht S. 897, 914. 139  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. B Rn. 12. 140  IDW PS 201 Rz. 13 und 29. 141  IDW PS 201 Rz. 13.



C. IDW, Berufsaufsicht und Standards43

der Wirtschaftsprüfer darauf drängen, dass das zu prüfende Unternehmen sich an die Vorgaben des IDW hält. Auf der zweiten Ebene hofft das Unternehmen selbst auf den Bestätigungsvermerk und einen positiven Prüfungsbericht, die weit mehr enthalten als eine Beurteilung des Jahresabschlusses, vgl. §§ 321 f. HGB. Das Unternehmen ist an die IDW Standards – anders als der Abschlussprüfer – zwar nicht ohne weiteres gebunden. Jedoch bliebe die Nichterteilung des Bestätigungsvermerks oder ein negativer Prüfungsbericht nicht ohne Folgen. Denn der Prüfungsbericht ist im Falle der Aktiengesellschaft ein wesent­ liches Informationsmittel für den Aufsichtsrat,142 der den Jahresabschluss kontrollieren und feststellen muss (§§ 170, 171 AktG), im Falle der GmbH für die Gesellschafterversammlung (§ 42a GmbHG). Adressat des Bestätigungsvermerkes ist die „engere und weitere Öffentlichkeit“143; seine Aussagekraft wird zwar oft von den Adressaten überbewertet,144 er ist aber gerade deshalb von einiger wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen.145 Mit dieser Pflichtenverkettung besteht eine Anreizstruktur, die eine Steuerungsfunktion der IDW-Verlautbarungen über ihre unmittelbaren Adressaten hinaus auch für den Prüfungsgegenstand begründet.

C. IDW, Berufsaufsicht und Standards Das IDW unterliegt als privatrechtlich organisierter Verein keiner berufsrechtlichen Aufsicht. Seine innere Organisation und die mitgliedschaftsrechtlichen Beziehungen sind vielmehr von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt. Für jeden Wirtschaftsprüfer besteht aber Zwangsmitgliedschaft146 in der Wirtschaftsprüferkammer. Die Wirtschaftsprüferkammer ist eine Körperschaft öffent­ lichen Rechts147 und von § 4 Abs. 1 WPO zwingend vorgesehen. Ihr ist der Vollzug der Selbstverwaltungsaufgaben des Berufsstandes übertragen, die sich insbesondere aus § 57 WPO ergeben. Außerdem ist sie zuständig für die Aufsicht über den Berufsstand, § 61a WPO.148 Da sich der Mitgliederbestand 142  Burg / W. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 321 Rn. 1; Ebke, in: MKHGB, § 321 Rn. 3 ff.; Habersack / Schürnbrand, in: GK-AktG, § 321 Rn. 2. 143  W. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 322 Rn. 3. 144  Die Rede ist insofern von einer „Erwartungslücke“, vgl. statt vieler nur Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 322 Rn. 5 m. w. Nachw. 145  Ebke, in: MK-HGB, § 322 Rn. 3; deutlich auch Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 322 Rn. 3. 146  § 58 Abs. 1 S. 1 WPO. 147  § 4 Abs. 2 S. 1 WPO. 148  Es wird erwogen, die Aufsicht über der Berufsstand unabhängiger zu gestalten; dazu hat die EU-Kommission zunächst Vorschläge in einem Grünbuch vom 13.10.2010, KOM(2010) 561 endg., vorgelegt, dazu Eisenhardt / Wader, DStR 2010,

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

von IDW und Wirtschaftsprüferkammer nahezu deckt, ergeben sich gewisse Möglichkeiten wechselseitiger Einflussnahme. Alle Berufsangehörigen im IDW sind jedenfalls zwingend Mitglied der Wirtschaftsprüferkammer. Es gibt deshalb keine aufsichtsfreien Berufsangehörigen im IDW, auch wenn das IDW selbst der Aufsicht durch die WPK nicht unterliegt.

I. Aufsicht durch die WPK Die Wirtschaftsprüferkammer ermittelt, soweit konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Berufspflichten vorliegen, sowie stichprobenartig, wenn Berufsangehörige Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffent­ lichem Interesse nach § 319a Abs. 1 S. 1 HGB vorgenommen haben.149 Ermittlungsmittel ist eine Ladung zur Anhörung des Berufsangehörigen.150 Dabei kann auch verlangt werden, dass Handakten vorgelegt werden.151 Andererseits sind auch bestimmte Auskunftsverweigerungsrechte statuiert.152 Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten kann ein Zwangsgeld verhängt werden. Bei Verstößen gegen Berufspflichten kann der Vorstand der WPK eine Rüge erteilen153 oder erforderlichenfalls ein fortgesetztes pflichtwidriges Verhalten untersagen154. Gegen die Rüge als belastender Verwaltungsakt ist das Einspruchsverfahren statthaft, sodann kann Antrag auf berufsgerichtliche Entscheidung gestellt werden.155 1. Erkenntnismittel Als Erkenntnismittel zur Prüfung, ob ein Verstoß gegen Berufspflichten vorliegt, kommen für die WPK externe und interne Quellen in Betracht. Externe Quellen sind insbesondere Beschwerden Dritter, Mitteilungen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR, vgl. § 342b HGB), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder anderer öffentlicher Stellen.156 Interne Erkenntnisquellen sind vor allem die eigenständige Durchsicht öffentlicher Mitteilungen und von im Bundesanzeiger veröffent2532, 2536 f.; in einem Richtlinienentwurf zur Änderung der Abschlussprüferricht­ linie vom 30.11.2011, KOM(2011), 778 endg., wird erwogen, dass künftig die Aufsicht einer vom Mitgliedstaat zu benennenden Behörde zugewiesen wird. 149  § 61a Abs. 1 S. 2 WPO. 150  § 62 Abs. 1 S. 1 WPO. 151  § 62 Abs. 1 S. 2 WPO. 152  § 62 Abs. 2 WPO. 153  § 63 WPO. 154  § 68a WPO. 155  Grabarse-Wilde, in: Hense / Ulrich, WPO, § 63 Rn. 70. 156  Grabarse-Wilde, in: Hense / Ulrich, WPO, § 61a Rn. 32 ff.



C. IDW, Berufsaufsicht und Standards45

lichten Abschlüssen der geprüften Unternehmen. Diese Mittel sind jedoch zur Aufdeckung materieller berufsrechtlicher Pflichtverletzungen augenscheinlich nicht besonders effektiv.157 Nicht in jedem Falle verwertet werden können Informationen über Pflichtenverstöße, die mit dem Qualitätssicherungssystem gewonnen werden. Dieses Qualitätssicherungssystem ist gem. § 55b WPO von allen Berufsangehörigen einzurichten und zu dokumentieren. Dabei geht es vornehmlich um die Sicherung von Verfahrensabläufen und der Organisation.158 Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse durchführen, sind angehalten, eine Beschreibung des Qualitätssicherungssystems auf ihrer Internetseite zusammen mit anderen Informationen gem. § 55c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WPO jährlich in Form eines Transparenzberichts zu veröffentlichen. Das Qualitätssicherungssystem unterliegt wiederum der Qualitätskontrolle gem. § 57a WPO, die von besonders zertifizierten Wirtschaftsprüfern durchgeführt wird.159 Die Ergebnisse der Qualitätskontrolle werden in einem Qualitätskontrollbericht160 zusammengefasst und die Teilnahme an der Qualitätskontrolle wird zertifiziert.161 Das Vorliegen dieser Bescheinigung ist gem. § 319 Abs. 1 S. 3 HGB Voraussetzung, um Abschlussprüfer gem. §§ 316 ff. HGB sein zu können. Die Bescheinigung ist auf sechs Jahre und bei Berufsangehörigen, die gesetzliche Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse durchführen, auf drei Jahre zu befristen. Zuständig für die Entgegennahme der Berichte und das Ausstellen der Zertifikate ist die bei der WPK einzurichtende Kommission für Qualitätskontrolle.162 Bei festgestellten Mängeln kann die Kommission für Qualitätskontrolle Auflagen erteilen, die fristgerecht umzusetzen sind. Andernfalls kann die erteilte Bescheinigung zurückgenommen werden.163 Eine Verwertung all jener Erkenntnisse, die Gegenstand von Maßnahmen der Kommission für Qualitätskontrolle waren, schließt § 57e Abs. 4 S. 2 WPO im Interesse größerer Akzeptanz des Qualitätssicherungssystems vom Berufsaufsichtsverfahren aus.164 Qualitätskontrolle und Berufsaufsicht sind deshalb auch organisatorisch streng ge157  Kilian, ZGR 2004, 189, 193; zur Aufdeckung von Formalverstößen erscheinen sie gleichwohl erforderlich, näher Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 286. 158  Kilian, ZGR 2004, 189, 193. 159  § 57a Abs. 5 S. 3 WPO. 160  § 57a Abs. 5 S. 1 WPO. 161  § 57 Abs. 6 S. 7 WPO. 162  § 57e Abs. 1 WPO. 163  § 57e Abs. 2 WPO. 164  Clauß, in: Hense / Ulrich, WPO, § 57e Rn. 29 sieht darin die Umsetzung des nemo-tenetur-Grundsatzes.

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

trennt.165 Berücksichtigt werden dürfen hingegen solche Erkenntnisse, die zwar berichtspflichtig sind, die aber nicht zu Maßnahmen durch die Kommission für Qualitätskontrolle geführt haben.166 2. Erkenntnisziele Problematisch bleibt bei alledem, nach welchen Maßstäben geprüft werden kann, ob ein Verstoß gegen Berufspflichten vorliegt. Denn Berufspflichten wie die Unabhängigkeit und Gewissenhaftigkeit sind so allgemein, dass sich ein Verstoß im Einzelfall nicht ohne weiteres feststellen lässt. Ebenso wenig geben sie den Berufsträgern konkrete Anhaltspunkte dafür, wie sie ihre Arbeit durchführen dürfen und wie nicht.167 Wenig helfen insofern auch Konkretisierungen durch die Berufssatzung, wenn § 4 Abs. 1 dieser Satzung die Berufspflicht der Gewissenhaftigkeit dahingehend ausformt, Wirtschaftsprüfer seien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an das Gesetz gebunden, hätten sich über die für ihre Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten und sie einzuhalten. Nicht minder tautologisch mutet auch die Vorgabe an, Aufträge dürften nur übernommen werden, wenn genügend Sachkunde und Zeit bestehe.168 Erheblich bestimmter sind allerdings etwa die Vorgaben zur Befangenheit des Abschlussprüfers in §§ 21 ff. WP-Satzung. Im Übrigen verweist aber § 4 Abs. 1 WP-Satzung auf „fachliche Regeln“. Es liegt nahe, dass damit, wenn auch vielleicht nicht ausschließlich, so aber doch vor allem die IDW-Standards gemeint sind. Die Begründung zur WPSatzung schweigt zu diesem Punkt. In der Literatur wird diese Sichtweise zum Teil kritisiert.169 Fachliche Regeln setzten voraus, dass der gesamte Berufsstand sie akzeptiere.170 Das geht indessen zu weit. Die eine oder andere Stimme für die Gegenmeinung wird sich immer finden lassen. Zugleich bleibt es rechtstatsächlich eine These, dass der Berufsstand diese volle oder zumindest eine erhebliche Akzeptanz nicht aufbringe; das Gegenteil freilich auch. Nur sind derzeit wohl keine anerkannteren fachlichen Regeln ersichtlich. Immerhin als faktischer, wenn auch nicht notwendig als normativer Befund wird deshalb auch bei der Aufsicht über die Einhaltung der Berufs165  Kilian, ZGR 2004, 189, 212; graphische Darstellung bei Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S. 69. 166  § 57e Abs. 5 WPO. 167  Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 901. 168  § 4 Abs. 2 WP-Satzung. 169  Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 139; Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 911. 170  Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards S. 139.



C. IDW, Berufsaufsicht und Standards47

pflichten eine Rolle spielen, was die IDW-Standards erwarten. Soweit es das Qualitätssicherungssystem nach § 55b WPO betrifft, haben IDW und WPK im Jahre 2006 sogar eine gemeinsame Stellungnahme zu den Anforderungen herausgegeben, die nach ihrer Auffassung an ein derartiges System zu stellen sind (VO 1 / 2006). In den Vorbemerkungen heißt es, die Stellungnahme sei zwar nicht in gleicher Weise rechtsverbindlich wie die WP-Satzung der WPK, der Vorstand der WPK betrachte sie jedoch als Selbstbindung. Letzte Zweifel an der Bedeutung von IDW-Standards als fachliche Regeln gem. § 4 Abs. 1 WP-Satzung räumt schließlich ein Passus in Rz. 47 der VO 1 / 2006 aus: „Für eine gewissenhafte Abwicklung der Aufträge ist es erforderlich, dass die für die Berufsausübung geltenden Bestimmungen und fachlichen Regeln beachtet werden (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Berufssatzung WP / vBP). Diese sind zum Teil gesetzlich fixiert (z. B. für die Abschlussprüfung in §§ 316 ff. HGB) und zum Teil in den fachlichen Verlautbarungen der Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer niedergelegt (z. B. in den IDW Prüfungsstandards).“ 3. Schlussfolgerungen Bei Betrachtung der Erkenntnismittel und der Erkenntnisziele ergibt sich also das Bild einer Berufsaufsicht in Selbstorganisation, die vor allem auf ein Whistleblowing angewiesen ist und der bei so entdeckten Verdachtsmomenten Auskunftsrechte zusteht. Es existiert zwar ein Qualitätssicherungssystem im Betrieb jedes Berufsangehörigen, dieses zielt jedoch in erster Linie auf organisatorische Vorkehrungen, die bei großen Prüfungsgesellschaften, die den Großteil des Prüfungsmarktes abdecken, offenbar ohnehin gut entwickelt sind.171 Sofern Hinweise auf materielle Berufspflichtverletzungen überhaupt gewonnen werden können, ist der Prüfungsmaßstab der WPK ein Problem der Vagheit. Zur Konkretisierung stehen zum Teil IDWStandards bereit. Es ist davon auszugehen, dass sie von der WPK auch herangezogen werden. Die angesprochene Pflichtenverkettung172 erhält dadurch auch eine berufsaufsichtsrechtliche Dimension.

II. Aufsicht über die WPK Die WPK selbst ist ebenfalls nicht aufsichtsfrei. Sie untersteht der Fachaufsicht durch die Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK)173, soweit sie Aufgaben nach § 4 Abs. 1 S. 1 WPO, also berufliche Selbstverwaltungs171  Kilian,

ZGR 2004, 189, 193. sub. B. II. 173  § 66a Abs. 1 S. 1 WPO. 172  Oben

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Kap. 1: Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

aufgaben, wahrnimmt. Die APAK hat insofern ein Weisungsrecht gegenüber der WPK. Mit der Verankerung der APAK im Gesetz werden Vorgaben der Abschlussprüferrichtlinie174 umgesetzt. Danach muss die Aufsicht über den Berufsstand der Abschlussprüfer unabhängig geregelt werden, Art. 32 Abs. 3 Abschlussprüferrichtlinie fordert insofern, dass das Aufsichtsgremium mit „Nichtberufsausübenden“ besetzt ist. Das nationale Recht kann vorsehen, dass es mehrheitlich, aber nicht ausschließlich mit Berufsangehörigen besetzt wird. Die APAK muss gem. Art. 32 Abs. 4 Abschlussprüferrichtlinie in letzter Instanz für die Überwachung der Zulassung und Registrierung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zuständig sein. Das gilt auch für die Annahme von Berufsgrundsätzen, von Standards für die interne Qualitätskontrolle von Prüfungsgesellschaften sowie von Prüfungsstandards. Soweit es die Prüfungsstandards betrifft, ist die Umsetzung der Richtlinie defizitär.175 Die Zuständigkeit der APAK beschränkt sich auf die WPK, die selbst keine Prüfungsstandards herausgibt, eine Kompetenz zur Aufsicht über die IDW-Standards ist gesetzlich nicht vorgesehen.176 Zwei Möglichkeiten kommen in Frage, um dem Problem Herr zu werden: Erstens könnte man meinen, durch die Verweisung in § 4 Abs. 1 WP-Satzung auf die fachlichen Standards mache sich die WPK die IDW-Standards zu Eigen. Dann wäre auch die Zuständigkeit der APAK für die Überwachung dieser Standards begründet. Faktisch findet aber eine Letztkontrolle der IDW-Standards durch die APAK nicht statt.177 Zweitens könnte man sich auf den Standpunkt stellen, in Deutschland gäbe es gar keine Prüfungsstandards, sondern nur rechtlich unverbindliche Stellungnahmen eines privatrechtlichen Vereins.178 Diese Sichtweise scheint derzeit überwiegend, wenn auch stillschweigend vertreten zu werden.179 Sie ist indes recht sophistisch und vermutlich nicht mit dem Willen des europäischen Richtliniengebers vereinbar.

174  Richtlinie 2006  /  43  /  EG v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahres­ abschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, Abl. EU v. 9.6.2006, L 157/87. 175  So auch Lenz, BB 2004, 1951, 1953. 176  So ausdrücklich auf die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 15 / 3983, S. 15. 177  Eine Akkreditierung durch die WPK schlagen deshalb Baetge / Lienau, DB 2004, 2277, 2280 f. vor; Lenz, BB 2004, 1951, 1953 f. spricht sich dafür aus, dass Prüfungsstandards besser von der WPK erlassen werden sollten. 178  So wohl Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 918, die es als „klug“ bezeichnen, dass der Gesetzgeber die Prüfungsstandards von der Aufgabenzuweisung an die APAK ausgespart hat, weil die WPK eben keine Kompetenz zum Erlass solcher Standards hat. 179  Auch Volkmann, in: Hense  / Ulrich, WPO, § 66a Rn. 56 geht von einem fehlenden Anwendungsbereich der Richtlinie in Deutschland aus, soweit sie sich auf Prüfungsstandards bezieht.

Kapitel 2

Rechtliche Relevanz von IDW-Standards A. Wirkung im Rechtssinne von IDW-Standards als Kern des Problems Die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach der rechtlichen Geltung von IDW-Standards rückt zunächst die Rechtsqualität von IDW-Standards ins Zentrum des Interesses. Dabei kann nicht ohne weiteres die Effektivität der Steuerungswirkung einer Regelung im rechtstatsächlichen Verständnis, wie sie auch IDW-Standards teilweise zuerkannt wird, als maßgebend erachtet werden, da der Staat grundsätzlich auch ineffektive Regelungen nötigenfalls mit Zwang durchsetzt; auch sie entfalten damit Wirkung. So verstanden, kann es nur darauf ankommen, ob eine Regelung wirksam im Sinne der Rechtsordnung ist. Wirksam im Sinne der Rechtsordnung sind aber nur Rechtsnormen (Art. 2 EGBGB) oder solche Regelungen, denen die Rechtsordnung auf andere Weise Wirksamkeit verleiht.1 Es kommt insofern entscheidend darauf an, ob die Regelung aus sich heraus Wirkung auch für oder gegen an ihrer Entstehung rechtlich unbeteiligte Dritte entfalten kann.2 Fraglich ist daher, ob IDW-Standards in diesem Verständnis überhaupt als wirksam bezeichnet werden können. IDW-Standards sind keine vom Staat geschaffenen Rechtsnormen. Sie werden aufgrund einer Ermächtigung der Mitglieder des IDW von dessen Hauptfachausschuss beschlossen.3 Es stellt sich daher die Frage, ob eine Einordnung in den tradierten Rechtsquellenkanon möglich ist oder eine andere rechtliche Erfassung der Wirkungen von IDW-Standards erfolgen kann.

1  Die Geltung einer Regel muss von souveräner staatlicher Autorität gewollt oder gestattet sein, zumindest aber hingenommen werden, um Rechtsnorm i. S. d. Art. 2 EGBGB sein zu können, Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 7 f. 2  Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 12. 3  Oben Kapitel 1 B.; ferner Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 124.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

B. Einordnung der IDW-Standards in den tradierten Rechtsquellenkanon I. Der Begriff der Rechtsquelle Der Begriff der Rechtsquelle wird nicht einheitlich verwendet. Abhängig von der Perspektive des Forschungsgebietes wird er unterschiedlich weit verstanden. So erfasst der soziologische Rechtsquellenbegriff als Rechtsquelle alle Einflussfaktoren, die für das Recht prägend oder maßgeblich sind und damit letztlich Einflüsse außerhalb des unmittelbaren Normsystems, etwa wissenschaftliche Beiträge.4 Nach Max Weber ist eine Ordnung dann als Recht zu bezeichnen, wenn sie durchgesetzt werden kann.5 Niklas Luhmann beschreibt Recht als „Struktur eines sozialen Systems, das auf „kongruenter Generalisierung normativer Verhaltenserwartungen beruht.“6 Man kann diese Ansätze als „wirksamkeitsorientiert“ beschreiben.7 Es hat sich in der juristischen Forschung aber ein anderes Verständnis entwickelt, das von der vorherrschenden Ansicht geteilt wird: Vereinfacht gesprochen ist danach eine Rechtsquelle, was für den Rechtsanwender einen verbindlichen Rechtssatz darstellt.8 Dieser Ansatz geht insofern über die Frage nach der Wirkung eines Ordnungssystems hinaus, als ein normativer Grund für die Wirkung hinzutreten muss. Hans Kelsen verlangt, dass eine bestehende Zwangsordnung normativ sein müsse, indem sie auf einer Grundnorm beruht.9 Die Grundnorm ist ein Axiom; es bildet die logische Voraussetzung, um die Rechtsqualität aller übrigen Normen begründen zu können und damit den Ausgangspunkt des Rechtssystems.10 Argumentiert wird häufig, dass eine Regel gerichtsfähig sein müsse, um als Rechtsnorm verstanden werden zu können.11 Die Aussage ist in dieser 4  Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  519; Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 6 Rn. 217. Für die Rechtssoziologie steht nicht das „law in the book“, sondern das „law in action“ als Forschungsgegenstand im Mittelpunkt des Interesses, also das „lebende Recht“, das praktisch bedeutsam ist und tatsächlich Wirkung entfaltet, Rehbinder, Rechtssoziologie, § 4 Rn. 43 ff. 5  Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 17. 6  Luhmann, Rechtssoziologie, S. 105. 7  Dreier, NJW 1986, 890. 8  Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 6 Rn. 217. Vgl. auch Möllers, Standards als sekundäre Rechtsquellen, 143, 146; Bork, BGB AT, § 1 Rn. 10; zu weiteren Facetten der tradierten Rechtsquellenlehre Ruffert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 1 ff. 9  Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 45 ff. 10  Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 313. 11  Möslein, Dispositives Recht, S. 67; Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 204 f.



B. Einordnung in den tradierten Rechtsquellenkanon51

Form allerdings dann zirkulär, wenn Gerichte selbst nur Rechtssätze zur Anwendung bringen dürfen. Sind sie hingegen nicht hierauf beschränkt, so definiert das Gericht selbst, was Recht ist. Oliver Wendell Holmes hat es für das common law als Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtsrealismus bereits 1896 so formuliert:12 „The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.“

Recht in diesem Sinne ist also nur dann Recht, wenn es die gerichtliche Entscheidung leitet. Damit rückt die Person des Richters in den Fokus der Rechtsentstehung. Die Rolle des Richters als desjenigen, der erst das Recht überhaupt zu Recht macht, betont insbesondere John Chipman Gray, wenn er 1907 schreibt:13 „It has been sometimes said, that the Law is composed of two parts, – legislative Law and judgemade Law, but, in truth, all the Law is judge-made Law. The shape in which a statute is imposed on the community as a guide for conduct is that statute as interpreted by the courts. The courts put life into the dead words of the statute.“

Hierzulande ist der Richter gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden, gem. Art. 79 Abs. 1 GG ist er „nur dem Gesetz unterworfen“. Die Frage, was Recht und Gesetz in diesem Sinne ist – wann also eine Regel gerichtsfähig ist – liegt der Entscheidung des Richters damit logisch voraus, das jedenfalls unter der Prämisse, dass das Grundgesetz überhaupt bestimmen kann, was Recht ist. Dieser Prämisse wird heute überwiegend beigetreten.14 So verstanden lassen sich Rechtsquellen als die Entstehungsgründe der abstrakten Rechtssätze des objektiven Rechts begreifen,15 als das Zustandekommen von Recht und Gesetz, wie es das Grundgesetz vorsieht. Davon zu unterscheiden sind nach dieser Ansicht die sogenannten bloßen Rechtserkenntnisquellen, die nur dazu dienen, den Inhalt von Rechtsquellen zu entschlüsseln.16 Zu den Rechtsquellen gehört danach neben den abstrakten geschriebenen Rechtssätzen auch das Gewohnheitsrecht,17 nicht erfasst sind 12  Holmes, 10 Harvard L.Rev. 457, 461 (1896); dem folgend die sog. soziologische Rechtsschule, näher Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 242; aus neuerer Zeit etwa Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 373 und 382 (2003). 13  Gray, The Nature and the Sources of the Law, S. 125. 14  Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 512; Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 6 Rn. 218; Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 58. Eine Darstellung der Begründungsansätze findet sich bei Dreier, NJW 1986, 890 ff. 15  Larenz / Wolf, BGB AT, § 3 Rn. 6. 16  Möllers, Standards als sekundäre Rechtsquellen, 143, 146; Larenz / Wolf, BGB AT, § 3 Rn. 39. 17  Larenz / Wolf, BGB AT, § 3 Rn. 31 ff.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

hingegen allgemeine Rechtsgrundsätze,18 Verkehrssitten oder Handels­bräu­ che,19 reines Binnenrecht ohne Außenwirkung, also etwa Verwaltungsvorschrif­ ten,20 Erzeugnisse privater „Rechtssetzung“ sowie das Richterrecht, wobei letzteres zu Gewohnheitsrecht erstarken oder auch das faktische Vorliegen von Gewohnheitsrecht aufzeigen kann.21 Gleichwohl sind diese Rechtserkenntnisquellen nicht per se ohne rechtliche Bedeutung, denn zum einen gelingt die Abgrenzung zwischen Rechtserkenntnis und Rechtserzeugung nicht so trennscharf, wie es das Modell suggerieren will,22 was auch an der wiederum institutionell klaren Trennung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung liegt,23 weil letztere praktisch schlicht mehr ist als der „Mund des Gesetzes“24; zum anderen sind Rechtserkenntnisquellen der Inkorporation durch unbestimmte Rechtsbegriffe oder Verweisungen in bestimmtem Umfang und unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich. Die Dichotomie von Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen wird zum Teil intensiv diskutiert und kritisiert. Im Sinne einer Fundamentalkritik wird seit Jahrzehnten immer wieder die Frage aufgeworfen, ob der juristische Rechtsquellenbegriff zu erweitern ist, um rechtstatsächlich feststellbaren Gegebenheiten wie privat gesetzten Regelungen gerecht werden zu können.25 Auf die Diskussion soll hier nicht nochmals eingegangen werden. Es steht mit Köndgen26 zu vermuten, dass das Dilemma stets dasselbe bleibt: Entweder ist der Rechtsbegriff interne Selbstbeschreibung und insofern neuen Entwicklungen gegenüber potenziell defizitär, oder er ist externe Beschreibung mit der Folge, die Grenze zwischen rechtlicher Verbindlichkeit, also normativer Verhaltenserwartung und tatsächlicher Ver­ haltensweise oder Verhaltensgewohnheit – zwischen Geltung und Faktizi18  Larenz / Wolf,

BGB AT, § 3 Rn. 35. in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 104; Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 244. 20  BVerwG NVwZ 1987, 315, 316; BVerwG 1994, 1213, 1214. 21  Larenz / Wolf, BGB AT, § 3 Rn. 43. 22  Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49. 23  Aus Perspektive des Verwaltungsrechts Ruffert, in: Hoffmann-Riehm / SchmidtAssmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 4 und Rn. 15 ff.; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 156. 24  Montesquieu, De l’esprit des lois, S. 59 f. 25  Für einen Rechtspluralismus eintretend Teubner, Rechtshistorisches Journal 15 (1996), 225 ff.; ders., ZaöRV 63 (2003), 1 ff.; die „Armut der traditionellen Rechtsquellenlehre“ anerkennend Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 516, der aber Inklusionsmodelle für ausreichend erachtet und einen Rechtspluralismus Teubners ablehnt. Im Hinblick auf die Bedeutung privat gesetzter Regelungen Arndt, Sinn und Unsinn von Softlaw, S.  88 ff.; Mertens, AG 1982, 29  ff.; Möllers, Standards als sekundäre Rechtsquellen S. 143, 144 ff.; ders., FS Buchner, S. 649 ff. 26  Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 517. 19  Merten,



B. Einordnung in den tradierten Rechtsquellenkanon53

tät27 also – nicht einmal theoretisch trennscharf ziehen zu können. Zwar ist der These zu widersprechen, es seien stets nur die Regelsetzenden selbst, die ein Interesse daran haben, dass privat gesetzte Regelungen den Status von „Recht“ erreichen,28 denn es können auf dieser faktischen Ebene des Interesses – wie noch zu zeigen sein wird29 – auch Dritte von ihnen betroffen sein (z. B. Akteure mit einem Interesse an safe harbour rules, die selbst an deren Entstehung nicht beteiligt waren). Sie allein vermag deshalb nicht zu begründen, weshalb privat gesetzten Regelungen die Bezeichnung „Recht“ nicht zukommen darf. Hervorzuheben ist aber der Wert der tradierten Rechtsquellenlehre, einen prozeduralen Test in Form des vorgeschriebenen Gesetzgebungs- bzw. Normverfahrens zur Verfügung stellen zu können, anhand dessen sich feststellen lässt, ob eine Regel aus sich heraus Rechtsverbindlichkeit entfaltet.30 Die rechtliche Bedeutung aller übrigen Regeln ist damit nicht schlechterdings versagt, sondern nur besonders begründungsbedürftig, und zwar ohne Rückgriff auf die Lehre von den Rechtsquellen. Im Folgenden wird deshalb – bei verbleibender Skepsis – das beschriebene, enge juristische Verständnis von den Rechtsquellen zugrunde gelegt. Versucht wird zunächst eine Einordnung der IDW-Standards in diesen Rechtsquellenkanon. Sodann wird untersucht, ob eine Inkorporation von IDW-Standards durch unmittelbare oder mittelbare Verweisungstechniken gelingt.

II. Einordnung der IDW-Standards als Gewohnheitsrecht oder Richterrecht 1. Einordnung als Gewohnheitsrecht Als Gewohnheitsrecht werden alle Rechtsregeln verstanden, die nicht von einem Gesetzgeber statuiert werden, sondern bei denen sich die Überzeugung aller Angehörigen der Rechtsgemeinschaft von der rechtlichen Geltung dieser Regeln unmittelbar in deren Verhalten als freiwillige Übung und Gewohnheit zeigt.31 Mit der Erkenntnis, dass IDW-Standards eine hohe 27  Habermas, Faktizität und Geltung, S. 21: „Hin- und hergerissen zwischen Faktizität und Geltung zerfällt die Politik- und Rechtstheorie heute in Lager, die sich kaum noch etwas zu sagen haben.“ 28  So aber Bachmann, Private Ordnung, S. 331. 29  Dazu näher unten Kapitel 4 A.IV. 30  Überzeugend Bachmann, Private Ordnung, S. 331; Habermas, Faktizität und Geltung, S.  47 f.; Mertens, AG 1982, 29, 40. 31  BVerfG, Beschluss v. 28.6.1967, Az. 2 BvR 143  /  61, NJW 1967, 2051 ff.; Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 306; Coing / Honsell, in:

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

faktische Befolgungsquote aufweisen, liegt es folglich nahe, eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung als normativen Grund für dieses Phänomen in Betracht zu ziehen. An einer Entwicklung durch freiwillige Übung soll es allerdings immer schon dann fehlen, wenn die vorgefundene Ordnung in irgendeiner Weise manipuliert wurde, weil es sich bei der Entstehung der Übung nicht um ein machtfreies Geschehen gehandelt hat.32 Das könne – so wird vereinzelt argumentiert – schon dann der Fall sein, wenn für den fraglichen Sachzusammenhang Regeln eines privaten Verbands vorliegen, welche Aussagen zur jeweils in Rede stehenden Sachfrage bereithalten.33 Dem folgend könnten IDW-Standards als Gewohnheitsrecht schon deshalb ausscheiden, weil sie die Vorgaben einer verfassten Vereinigung sind. Indessen scheint es doch zweifelhaft, dass in jedem Falle das Vorliegen von Verbandsregeln die Entstehung von Gewohnheitsrecht verhindern soll.34 Denn es besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie nur eine vorhandene Übung beschreiben, die als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren ist. Die Annahme, jedes skriptive Festhalten bestehender Übungen würde die Entstehung von Gewohnheitsrecht hindern, ist ebenso haltlos wie ihr Pendant, dass alles, was regelförmig daherkommt und nicht vom Gesetzgeber stammt, Gewohnheitsrecht darstellt. Zutreffend erscheint jedoch an dem Einwand, dass Verbandsnormen die faktische Macht haben können, Verhalten der betroffenen Verkehrskreise zu beeinflussen, weil sie eine Standardisierungsleistung erbringen, die die Komplexität erforderlicher Handlungsentscheidungen reduziert.35 Insofern besteht die Gefahr, dass partikulare Interessen nicht hinreichend zum Ausdruck und Ausgleich gebracht werden und weniger stark berücksichtigte Rechtskreise nur deshalb den Regelungen folgen, weil die Standardisierung, nicht aber der Inhalt der Regelungen Akzeptanz findet oder – noch gravierender – gerade sie die Beteiligten des Rechtskreises glauben macht,36 es handle sich um eine allgemein verbindliche Rechtsnorm. Liegen Verbandsnormen vor, so ist besondere Vorsicht bei der Feststellung geboten, ob es sich tatsächlich um eine freiwillige Übung des Verkehrskreises handelt. Die Folgerung, IDW-Standards seien insgesamt Gewohnheitsrecht, verbietet sich letztlich schon aus diesem Grunde. Staudinger, Einl Rn. 238; C. Picker, Betriebliche Übung, S. 23 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 23; Sprau, in: Palandt, Einl. Rn. 22. 32  Ratz, in: GK-HGB, 3. Auflage, § 346 Rn. 29. 33  OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 21.11.1995, Az. 8 U 110  / 95, NJW-RR 1996, 548, 549, zum Handelsbrauch, der ebenfalls eine tatsächliche Übung voraussetzt. 34  K. Schmidt, in: MK-HGB, § 346 Rn. 14 für den Fall, dass üblicherweise eine Regelung ausdrücklich getroffen wird. 35  Dazu ausführlich unten Kapitel 3 D.I. 36  Zu diesem Aspekt privater Regelsetzung unten Kapitel 4 D.IV.



B. Einordnung in den tradierten Rechtsquellenkanon55

Die ohne staatliche Autorenschaft entstandenen Normen müssten sodann tatsächlich über einen langen Zeitraum aufgrund der Überzeugung einer (rechtlichen) Notwendigkeit (sog. Rechtsgeltungswillen) befolgt werden.37 In diesem Zusammenhang könnte eine Rolle spielen, dass sich in früherer Zeit Regeln über längere Zeiträume hinweg entwickelt haben, wohingegen sich heute allerorts Veränderungen rascher einstellen.38 Ob daraus allerdings zu folgern ist, dass auch Gewohnheitsrecht schneller entsteht, ist höchst fraglich. Ebenso wäre daraus der Schluss möglich, dass für Gewohnheitsrecht in der heutigen Rechtswirklichkeit allenfalls in Sonderkonstellationen noch Raum ist. Auch das spricht gegen eine Einordnung der IDW-Standards als Gewohnheitsrecht. Darüber hinaus werden IDW-Standards bewusst gesetzt und entstehen nicht durch lange Übung. Dem ließe sich zwar das soeben vorgebrachte Argument entgegenhalten, der Hauptfachausschuss entwickle die Regeln nicht selbst sondern „sammle“ lediglich, trage also die bereits bestehende und tatsächlich geübte Berufsauffassung zusammen und halte sie schriftlich fest.39 Das scheint im Falle des IDW indes wiederum zweifelhaft. Denn die Art und Regelmäßigkeit der Änderungen von Standards spricht eher dafür, dass der Hauptfachausschuss auf neue Anforderungen reagiert, die sich aus der zunehmenden Komplexität der Aufgaben des Wirtschaftsprüfers ergeben. Schließlich könnte die zu Recht gewordene Gewohnheit noch darin gesehen werden, dass die Rechtsgemeinschaft die jeweils aktuellen Standards des IDW befolgt. Das liefe darauf hinaus, dem IDW eine gewohnheitsrechtliche Kompetenz-Kompetenz zuzuerkennen, anstatt ihren Inhalt als Gewohnheitsrecht einzuordnen. Soweit ersichtlich ist aber eine „gewohnheitsrechtliche Kompetenznorm“ bisher nicht anerkannt. Das Wesen des Gewohnheitsrechts besteht eher darin, dass bestimmtes tatsächliches, wohl allseits erkennbares Verhalten geübt wird, nicht darin, einer Instanz in besonderem Maße hörig zu sein. Durch die dauerhafte Übung wird eine Erkennbarkeit und damit Verlässlichkeit der bestehenden Rechtsordnung möglicherweise noch hinlänglich gewahrt. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Kompetenz zur Rechtsetzung vermag das nicht mehr zu leisten. Die Anerkennung von IDW-Standards als Gewohnheitsrecht scheidet somit aus. 37  BVerfG, Beschluss v. 28.6.1967, Az. 2 BvR 143 / 61, NJW 1967, 2051, 2052; Bachmann, Private Ordnung, S.  332; C. Picker, Betriebliche Übung, S.  23; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 23; Wolf / Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 5. 38  Ladeur, K&R 2007, 85, 88. 39  Ein solches Verfahren halten Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 307, für andere Regelwerke durchaus für möglich.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

2. Einordnung als Richterrecht IDW-Standards könnten aber dann als Rechtsquelle herangezogen werden, wenn sie als Richterrecht einzuordnen wären und Richterrecht die Voraussetzungen einer Rechtsquelle erfüllen würde. Richterrecht entsteht aus der Rechtsprechung der Gerichte. Um nicht deckungsgleich mit positivem Gesetzesrecht zu sein, muss es daher – im Sinne einer ersten notwendigen Bedingung – verstanden werden als alle in gerichtlichen Entscheidungen explizit oder implizit geäußerten Regeln und Rechtssätze, die sich nicht in der bloßen Wiedergabe des Gesetzestextes ergehen.40 Im Einzelnen erweist sich der Versuch, Gesetzesrecht und Richterrecht voneinander abzugrenzen, als komplexes Unterfangen: Es gilt zu ermitteln, wann ein Gericht lediglich erkennend tätig wurde, also nur Gesetzesrecht angewandt hat, und wann rechtsetzend, was maßgeblich davon abhängt, welche Grenzen der zur Rechtserkennung erforderlichen Auslegungsmethode gezogen werden.41 Gleichzeitig kennt das deutsche Recht aber nur in Ausnahmefällen eine Bindung an Präjudizien.42 Richterrecht entsteht daher nicht bereits dann, wenn Gerichte praeter legem entscheiden.43 Hinzutreten muss ein weiteres Element, nämlich die Regelmäßigkeit und Beständigkeit einer rechtsatzartigen gerichtlichen Äußerung praeter legem: Wurde eine bestimmte Rechtsfrage überaus häufig gleich entschieden und auch bis jetzt nicht geändert, spricht einiges für eine richterrechtliche Anerkennung der fraglichen Regel.44 Das Richterrecht wird nicht zuletzt aufgrund seiner daher rührenden Ähnlichkeit zu einer faktischen regelmäßigen Übung bisweilen auch als Unterkategorie des Gewohnheitsrechts begriffen,45 was ihm den Status einer Rechtsquelle verschafft. Gegen diese Ansicht spricht, dass die tatsächliche Übung im Einzelfall weniger aufgrund des Rechtsgeltungswillens der 40  Bydlinski, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 7. Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 244. 41  Darauf weist etwa Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 54, hin und kritisiert zugleich strikte Unterscheidung von Rechtsgewinnung und Rechtsanwendung als zu statisch, S. 62 ff. 42  BVerfG, Beschluss v. 26.6.1991 Az. 1 BvR 779 /  85, NJW 1991, 2549, 2550: „Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung (…). Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 III GG.“; Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 226. 43  Von einem anderen Verständnis geht aber Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49, 64 aus: „Jeder Rechtsanwendungsakt enthält mehr oder minder große Rechtsetzungsanteile.“ 44  Vgl. Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 229. 45  Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 39.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung57

Rechtsgemeinschaft, sondern vielmehr aufgrund der Häufung gleich lautender Gerichtsentscheidungen entstehen dürfte.46 Das allein sagt über den Rechtsgeltungswillen der Rechtsbetroffenen nichts aus.47 Ob Richterrecht Rechtsnorm i. S. d. Art. 2 EGBGB sein kann, ist umstritten, wird aber überwiegend verneint.48 Dieser Streit braucht vorliegend jedoch nicht entschieden zu werden. Schon die in der Einleitung zitierte Rechtsprechung zu Fragen der Unternehmensbewertung legt nahe, IDWStandards nicht als Richterrecht zu interpretieren, denn sie ist gerade nicht einheitlich. Gleichwohl besteht eine starke funktionale Bedeutungsähnlichkeit zwischen den privat gesetzten Regelungen des IDW und dem Richterrecht; darauf wird zurückzukommen sein.49 3. Fazit IDW-Standards sind kein Gewohnheitsrecht. Aus dem Gewohnheitsrecht kann ihre Rechtsverbindlichkeit daher nicht abgeleitet werden. Sie sind auch kein Richterrecht, deshalb folgt auch nicht aus dem Richterrecht, dem die Möglichkeit der Qualifikation von Interpretationen als Rechtsnorm gelegentlich zugeschrieben wird, eine Rechtsnormqualität. IDW-Standards können daher nicht aus sich heraus rechtliche Wirkung im Sinne der tradierten Rechtsquellenlehre entfalten.

C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung Da IDW-Standards aus sich heraus für Nichtmitglieder des IDW keine rechtliche Wirkung entfalten können, weil sie selbst keine Rechtsquellen darstellen, ist nun zu untersuchen, ob sich eine solche Wirkung aus dem Zusammenspiel von bestehenden Rechtsnormen und Rechtsbeziehungen mit auch Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 233. Rechtstheorie, § 6 Rn. 243 ff. begründen ihre Einordnung des Richterrechts als Rechtsquelle in erster Linie mit der (faktischen) „Normwirkung“ und verzichten insofern auf das Kriterium des Rechtsgeltungswillens. Dieser Ansatz vermeidet ein Dilemma, auf das insbesondere Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 202, hingewiesen hat und das auch das Gewohnheitsrecht betrifft: Danach kann nur einer Regel folgen, wer auch weiß, dass er einer Regel folgt. Wenn dieser Regelfolgewillen Voraussetzung für die Entstehung von Gewohnheitsrecht ist, so wäre nach Wittgenstein die Entstehung von Gewohnheitsrecht stets ausgeschlossen. 48  Vgl. zum Meinungsstand Merten, in: Staudinger, Art.  2 EGBGB Rn. 40 m. w. Nachw. und Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 6 Rn. 236 ff. 49  Unten Kapitel 4 C. 46  So

47  Rüthers / Fischer,

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

den IDW-Standards ergibt. Zur Darstellung der einzelnen Ansätze zur Einbeziehung eines Regelkanons in die Rechtsordnung sollen zunächst zwei Kategorien der Einbeziehung unterschieden werden, denn die Einbeziehung kann dem Grunde nach auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen: entweder hoheitlich durch Gesetz oder privatautonom durch Vertrag.

I. Funktionsweise gesetzlicher Einbeziehungsmechanismen 1. Inkorporation Das Modell der Inkorporation zeichnet sich dadurch aus, dass die private Norm entweder als Ganzes oder in Teilen in den Gesetzestext aufgenommen wird; alternativ wird sie ihm als Anlage beigefügt.50 Die private Norm durchläuft das staatliche Rechtssetzungsverfahren mit all seinen – jedenfalls theoretisch vorhandenen – Möglichkeiten der Einflussnahme.51 Die private Norm ist formell gesetzliche Norm geworden. 2. Verweisung Im Falle der Verweisungsmethode ordnet eine staatliche Norm an, dass eine ganz bestimmte privat gesetzte Norm oder ein ganz bestimmter privat gesetzter Normenkatalog anzuwenden sei.52 Unterschieden wird dabei in statische und dynamische Verweisungen.53 Die statische Verweisung unterscheidet sich nicht oder kaum von dem Modell der Inkorporation. Es wird lediglich auf den Abdruck der privaten Norm am Ort der staatlichen Regelung abgesehen.54 Die dynamische Verweisung hingegen dient der Bezugnahme auf ein privates Regelwerk in seiner jeweils gültigen Fassung.55 Der Gesetzgeber begibt sich hier faktisch seiner Regelungskompetenz für die jeweilige Sachmaterie, da er keinen Einfluss auf mögliche inhaltliche Veränderungen der in Bezug 50  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 174; Voelzkow, Private Regierungen, S. 199. 51  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 174 m. w. N. 52  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 174. 53  Grundlegend Ossenbühl, DVBl 1967, 401  ff.; näher Debus, Verweisungen, S.  59 ff. 54  BVerfG, Beschluss v. 1.3.1978, Az. 1 BvR 786, NJW 1978, 1475, 1476; Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S 176 f.; Brugger, Verw­ Arch 78 (1987), 1, 4; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 402. 55  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S 177; Bachmann, Private Ordnung, S. 308.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung59

genommenen Normen hat.56 Eine dynamische Verweisung auf private Regelwerke wird daher ganz überwiegend als verfassungswidrig eingestuft.57 Dieses Ergebnis bereitet der Praxis insbesondere im Technikrecht Probleme. Es ist deshalb immer wieder nach Argumenten gesucht worden, um es in besonderen Lagen – wozu insoweit das Technikrecht gezählt wird – zu revidieren.58 Hier bestimmt etwa § 49 Abs. 1 EnWG, dass bei der Errichtung von Energieanlagen die „anerkannten Regeln der Technik“ zu beachten sind. Gem. § 49 Abs. 2 EnWG wird die „Einhaltung“ der anerkannten Regeln der Technik vermutet, wenn die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. eingehalten wurden. Es kann hier kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt und ebenso wenig behauptet werden, der Inhalt dieser technischen Regeln hätte bei Verabschiedung der Vorschrift bereits festgestanden. Vielmehr sind es praktische Probleme, die dazu zwingen, Begründungsansätze für die Zulässigkeit einer solchen Verweisung in Fällen zu finden, die einen aktuell gehaltenen technischen Sachverstand erfordern, der dem Gesetzgeber oftmals fehlt. Parallelen zu IDW-Standards drängen sich in diesem Punkt auf. Ob sich als Begründung für derartige Ausnahmen vom Verbot dynamischer Verweisungen die Unterscheidung zwischen Normergänzenden und Normkonkretisierenden Regeln anbietet oder sie sich über die Widerlegbarkeit der gesetzlich angeordneten Vermutung konstruieren lässt, kann hier noch offen bleiben. Denn eine ausdrückliche Verweisung auf die Verlautbarungen des IDW gibt es nicht. Kein Gesetz nimmt auf IDW-Standards Bezug.

II. Einordnung als Verkehrssitte oder Handelsbrauch Verkehrssitte und Handelsbrauch setzen einen gewissen Geltungszeitraum und die einverständliche Übung des Verkehrskreises voraus, nicht aber den für das Gewohnheitsrecht konstitutiven Rechtsgeltungswillen.59 Es kommt 56  BVerfG, Beschluss v. 1.3.1978, Az. 1 BvR 786, NJW 1978, 1475, 1476; Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 177. 57  Enge Ausnahmen anerkennend aber BVerfG, Beschluss v. 1.3.1978, Az. 1 BvR 786, NJW 1978, 1475, 1476 (obiter dictum); nach BVerfG, Urteil vom 14.6.1983, Az. 2 BvR 488 / 80, NJW 1980, 1225 ist für die Wirksamkeit der dynamischen Verweisung erforderlich, dass der Inhalt der Norm (hier: eines Tarifvertrages) bereits im Wesentlichen feststeht; Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 178; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 403 ff.; Schwab, Politikberatung, S. 179. 58  Ausführlich Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 395 ff. mit zahlreichen Nachw.; ebenso Brugger, VerwArch 78, (1987), 1, 41 f. 59  K. Schmidt, Handelsrecht, S. 23; ders., in: MK-HGB, § 346 Rn. 14; ferner Horn, in: Heymann, § 346 Rn. 23; Joost, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, §  346

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

deshalb allein darauf an, dass eine tatsächliche Übung erfolgt, der Grund für ihre Ausübung ist nicht entscheidend.60 Die Verkehrssitte ist aber gerade wegen des fehlenden Rechtsgeltungswillens der Rechtsgemeinschaft keine Rechtsnorm i. S. d. Art. 2 EGHGB.61 Sie erlangt Rechtsverbindlichkeit allein, wenn eine Rechtsnorm auf sie verweist.62 Eine solche Verweisung findet sich etwa in § 346 HGB für Handelsbräuche und in §§ 157, 242 BGB allgemeiner für die Verkehrssitte. Handelsbrauch und Verkehrssitte selbst werden aber auch durch die Verweisungstechnik nicht zur Rechtsnorm; sie werden auf diese Weise lediglich in die Rechtsordnung inkorporiert.63 Die Befolgung der IDW-Standards an sich stellt keinen Handelsbrauch dar. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Gewohnheitsrecht verwiesen werden, denn unabhängig von dem hier nicht erforderlichen Rechtsgeltungswillen ist das Erfordernis einer tatsächlich gewachsenen Übung hier nicht weniger zweifelhaft als dort.64

III. IDW-Standards als Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Eine spezielle öffnende Regelung, aus der möglicherweise auch eine gesetzgeberische Anerkennung der IDW-Standards abgeleitet werden könnte, enthält das Bilanzrecht. Gem. § 243 Abs. 1 HGB ist der Jahresabschluss des Kaufmanns (§ 242 Abs. 3 HGB) nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen. Auch die Buchführung selbst hat ihnen zu entsprechen, §§ 238 Abs. 1, 239 Abs. 4 S. 1 HGB. Bestimmte vereinfachte Verfahren zur Aufbewahrung (§ 239 Abs. 4 S. 1 HGB), zur Inventur (§ 241 Rn. 1; die Rechtsprechung formuliert: „Ein Handelsbrauch liegt vor, wenn es sich bei der Übung um eine im Verkehr der Kaufleute untereinander verpflichtende Regel handelt, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt.“, BGH, Urteil v. 25.11.1993, Az. VII ZR 17 / 93, NJW 1994, 659, 660; so auch Hopt, in: Baumbach / Hopt, § 346 Rn. 1. 60  Vgl. Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 104; Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 244. 61  Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 104; Coing / Honsell, in: Staudinger, Einl. Rn. 244. Praktisch ist kaum feststellbar, ob freiwillig oder wegen eines Rechtsgeltungswillens befolgt wird, sodass die Abgrenzung zum Gewohnheitsrecht oft zweifelhaft bleibt, Joost, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, §  346 Rn.  1. 62  Merten, in: Staudinger, Art. 2 EGBGB Rn. 104. 63  Dazu auch unten sub V. 64  Zur insoweit parallel gelagerten Fragestellung, ob die Regeln des DCGK Handelsbräuche darstellen Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 105.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung61

Abs. 1 S. 2 HGB) sowie zur Bewertung (§ 256 S. 1 HGB) und Aufbewahrung von Unterlagen (§ 257 Abs. 3 HGB) sind zulässig, wenn sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Die Rechtsnatur der GoB und die Art und Weise ihrer Gewinnung bzw. Feststellung sind allerdings nie abschließend geklärt worden. Bereits in den 1970er Jahren wurde die Gründung einer Kommission erwogen, die die Kompetenz haben sollte, „an der Entwicklung und Auslegung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung maßgeblich beteiligt“ zu sein;65 diese Erwägung wurde jedoch nicht umgesetzt.66 In der Literatur wird vor diesem Hintergrund mitunter die Frage aufgeworfen, ob IDW-Standards Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung darstellten.67 Verneint wird sie von denselben Autoren sodann mit dem Argument, das IDW sei zu ihrer Entwicklung vom Gesetzgeber nicht ermächtigt. Zwei Fragen stellen sich deshalb im Hinblick auf IDW-Standards auch weiterhin: Können diese als GoB qualifiziert werden, und falls dies der Fall ist, was folgt rechtlich daraus? Anders formuliert geht es erstens darum, wie GoB entstehen und zweitens, was GoB rechtlich sind. Beide Fragen sind umstritten. Zugleich sind sie miteinander verwoben. Denn es wirkt die Frage der rechtlichen Einordnung auf die Entstehungsanforderungen an GoB zurück.68 1. Kodifikation der GoB als Ausgangspunkt Die GoB wurden traditionell teils als Gewohnheitsrecht,69 teils als Handelsbrauch,70 als außerrechtliche Fachnormen,71 mitunter aber auch als richterrechtlich anerkannte Grundsätze eingeordnet.72 In der Literatur und 65  Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V., DBW 1979, 3, 4; näher dazu Biener, FS Goerdeler, S. 45, 52; Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 35 ff. 66  Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 35 ff. 67  Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 45; Leffson, GoB, S. 128; Taupitz, BB 1990, 2367, 2369. 68  Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 3. 69  Dazu Kruse, GoB, S. 28 ff. 70  Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 3 II 1; a.  A. bereits Döllerer, BB 1953, 1217: „dürfen daher nicht mit dem Handelsbrauch gleichgesetzt werden.“; insofern vermittelnd Kruse, GoB, S 63, wonach nicht auszuschließen sei, dass GoB Handelsbräuche sein können. 71  Leffson, GoB, S. 22. 72  Zum Meinungsstand übersichtlich Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 3; Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 12 ff.; Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 36; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 428 f. Die Historische Entwicklung darstellend Beisse, GS Knobbe-Keuk, S. 385 ff.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat sich aber seit Jahrzehnten nunmehr die Auffassung durchgesetzt, dass Ausgangspunkt der Antwort auf diese Streitfrage der Gesetzestext sein müsse.73 Es handle sich bei den GoB um einen unbestimmten Rechtsbegriff,74 einen gesetzlichen Standard von typologischer Struktur,75 zu dessen Ausfüllung der Richter im Einzelfall berufen sei.76 Dieser Auffassung ist zu folgen, mit einer Klarstellung: Nicht die GoB sind unbestimmter Rechtsbegriff, sondern ihre Bezeichnung im Gesetz.77 Ein Großteil dessen, was früher ungeschriebene GoB waren, ist heute – überwiegend in Umsetzung der 4. Richtlinie78 – gesetzlich geregelt.79 Aus diesen beiden Tatsachen ergibt sich, dass der Verweis auf GoB kein Verweis auf außerrechtliche Regelungen ist, sondern ein Verweis auf gesetzlich normierte Verhaltensanforderungen.80 Das gilt auch dann, wenn bestimmte Prinzipien systematisch nur als Bewertungsprinzipien ausgestaltet wurden (namentlich in § 252 HGB); sie beanspruchen dann zwar keine unmittelbare Geltung etwa für Ansatzfragen, strahlen aber doch über ihren konkreten Anwendungsbereich hinaus auf andere Bilanzierungsfragen aus.81 Das so entstehende abstrakt-generelle Normensystem von GoB ist aber notwendigerweise und planmäßig unbestimmt, weshalb klärungsbedürftig ist, wie es zu konkretisieren ist. 73  Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 6; Buciek, in: Blümich, § 5 EStG Rn. 209; Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 11; Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 42. 74  Statt aller Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 12; Hüffer, in: GKHGB § 238 Rn. 41; Leffson, GoB, S. 21; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 238 Rn. 11. 75  Taupitz, BB 1990, 2367, 2368. 76  Grundlegend Döllerer, BB 1953, 1212; ebenso Beisse, StuW 1984, 1, 7; Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 43; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 238 Rn. 11. 77  Marburger, Regeln der Technik im Recht, S. 319 f.; Peter / von Bornhaupt / Körner, Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, S. 178 f. 78  Vierte Richtlinie 78  / 660 / EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 lit. g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. 79  Übersicht etwa bei Wiedmann, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, §  243 Rn. 5, der einzig den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als ungeschriebenen GoB nennt; auch dieser ist aber als Zurechnungskriterium heute in § 246 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 HGB normiert. Ballwieser, in: BeckHdR, B 105 Rn. 109 nennt ferner den Grundsatz der Richtigkeit, der sich in rechtlichen Kategorien indes von selbst versteht und zudem ohne weiteres § 238 Abs. 1 S. 2 HGB entnommen werden kann; das gilt auch für den Grundsatz der Willkürfreiheit; der Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte schließlich lässt sich auch mit dem Anschaffungskostenprinzip als Wertäquivalenzprinzip und dem Realisationsprinzip ­ begründen. 80  Beisse, StuW 1984, 1, 6 f.; a. A. Leffson, GoB, S. 22. 81  Zum Vorsichtsprinzip so beispielhaft Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 252 Rn. 10.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung63

2. Ermittlung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung a) Induktive oder deduktive Methode Zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze stehen einander gegenüber, die induktive Methode und die deduktive Methode. Nach der induktiven Methode sind GoB durch die erfahrungswissenschaftliche Ermittlung der tatsächlichen Gepflogenheiten unter Kaufleuten zu ermitteln.82 War diese Methode früher allgemein anerkannt,83 so geriet sie in der Folge der Wirtschaftskrise von 1929 mehr und mehr in Zweifel. 1933 schrieb Schmalenbach, es komme bei der Ermittlung von GoB „weniger darauf an, was man in der Praxis tut, als was man in der Praxis, und zwar in der Praxis ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute, für richtig hält.“84 Klar hob schließlich Döllerer hervor, GoB seien in erster Linie nicht durch statistische Erhebungen, sondern „durch Nachdenken zu ermitteln.“85 Es handle sich um Gebote, nicht um Tatsachen.86 Das Gericht habe von sich aus die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung ebenso wie andere Rechtssätze zu ermitteln.87 Diese Sichtweise fand Zuspruch. Im Falle der heute herrschend vertretenen deduktiven Methoden werden GoB also durch Nachdenken ermittelt,88 wobei allerdings Uneinigkeit darüber besteht, worüber nachzudenken ist. Teilweise wird vertreten, es seien alle nur denkbaren Einflüsse auf die Rechnungslegung einzubeziehen, also sowohl durch Auslegung der gesetzlichen Normen gewonnene Erkenntnisse als auch induktiv gewonnene Erfahrungswerte.89 Andere sehen in dem gesetzlichen Verweis auf die GoB einen Verweis auf die Wissenschaften allgemein und treten dafür ein, interdisziplinär wissenschaftliche Erkenntnisse heranzuziehen, um den unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen.90 Schließlich wird gefordert, der unbestimmte Rechtsbegriff müsse allein aus den tragenden gesetzlichen Bilanzie82  BFH, Urteil v. 7.5.1965, Az. VI 128 / 64, BeckRS 1965 21006810; näher Moxter, ZGR 1980, 254, 256. 83  Beisse, GS Knobbe-Keuk, S. 385, 391 ff. 84  Schmalenbach, ZfhF 1933, 225, 232. 85  Döllerer, BB 1959, 1217, 1220. 86  Döllerer, BB 1959, 1217, 1217. 87  Döllerer, BB 1959, 1217, 1220. 88  Beisse, StuW 1984, 1, 7; Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 14; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 283 Rn. 11; Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, 17. Aufl., § 41 Rn. 16; a. A. wohl noch Ohly, AcP 201 (2001), 1, 5: „empirisch ermittelbare Verhaltensstandards“. 89  Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 110; damit sympathisierend Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 17. 90  Näher dazu Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 17.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

rungszwecken abgeleitet werden,91 also etwa der gesetzlichen Rolle der Bilanz als Mittel zur Bemessung und auch Begrenzung der Gewinnausschüttung oder der Informationsvermittlung. Was wiederum die Zwecke der Handelsbilanz sind, ist zwar heute im Wesentlichen Konsens; da diese aber miteinander konfligieren, wird das Problem nur verlagert,92 denn es ist bis heute keine Einigkeit darüber erzielt worden, welcher Zweck sich im Zweifel durchsetzt.93 b) GoB-Gewinnung als Ermittlung allgemeiner Prinzipien oder konkreter Einzelfallregelungen? Nicht geklärt ist auch, was unter GoB verstanden werden muss. In Betracht kommt einerseits, dass GoB die ganz konkreten Regelungen sind, die dem Kaufmann sagen, wie er eine bestimmte Bilanzierungsfrage lösen soll. So ein GoB könnte beispielsweise lauten: „Der Werkunternehmer darf eine Werklohnforderung für die Errichtung eines Bauwerks erst in der Bilanz aktivieren, wenn das Bauwerk vom Besteller abgenommen wurde.“ IDWStandards formulieren vergleichbar präzise Aussagen, sodass sich GoB und IDW-Standards insofern zumindest strukturell ähnlich wären. Möglich erscheint aber auch, GoB als allgemeine Prinzipien zu verstehen, sodass etwa das Vorsichts- oder das Realisationsprinzip, die in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB normiert sind, GoB wären. In diesem Fall müsste eine Aussage wie im gebildeten Beispiel wiederum erst durch Auslegung der GoB ermittelt werden. Die Tatsache, dass ein Unternehmer eine Werklohnforderung erst nach Abnahme aktivieren darf, wäre dann nicht selbst ein GoB, sondern würde sich erst aus dessen Auslegung – im Beispiel der Auslegung des Realisationsprinzips – ergeben. In diesem Fall sprächen schon die Unterschiede in der jeweiligen Normstruktur gegen die Einordnung von IDW-Standards als GoB. aa) Hinweise aus der Literatur In der Literatur wird diese Unterscheidung nach der modalen Normstruktur kaum gemacht. Adler / Düring / Schmaltz sprechen davon, dass die „Vielgestaltigkeit und Dynamik des Wirtschaftslebens immer wieder neue Lö91  Grundlegend Leffson, GoB, S. 28; dem folgend statt vieler Buciek, in: Blümich, § 5 EStG Rn. 209; BFH, Urteil v. 3.2.1969, Az. GrS 2 / 68, BStBl 1969 II, 291, BeckRS 1969 21000902. 92  Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 17. 93  Gegenüber stehen sich die dynamische und die statische Bilanzierungskonzeption, zum Meinungsstand statt vieler Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 12 ff.



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sungsansätze von den GoB verlangen wird.“94 Die Formulierung spricht für ein Verständnis, wonach Einzelfalllösungen aus den GoB zu entwickeln, sie selbst aber nicht GoB sind. Nach Ballwieser schließen die GoB alle „Spielräume und Lücken, die das Gesetz durch mehrdeutige Formulierungen oder fehlende explizite Regelungen gelassen hat.“95 Danach könnten GoB die Zielsetzung haben, konkrete Sachverhalte zu regeln. Nach Knobbe-Keuk werde es trotz der Kodifizierung zahlreicher GoB „in Zukunft noch erforderlich sein, zu Einzelfragen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln.“96 Ebenso sieht es Hüffer wenn er anführt, Antworten auf Einzelfragen in fachlichen Stellungnahmen, insbesondere denen des IDW, hätten die Chance, GoB zu werden.97 bb) Eigener Erklärungsansatz Überzeugend erscheint es, GoB als Prinzipien bzw., anders formuliert, als allgemeine Regelungen zu begreifen. Dafür streiten Wortlaut, Systematik und historische Entwicklung von GoB als Gesetzesbegriff. (1) Begriffsverständnis und Systematik Dafür lässt sich zunächst der Begriff „Grundsatz“ anführen.98 An anderer Stelle – namentlich in § 346 HGB – spricht das Gesetz von „Gewohnheiten und Bräuchen“, in §§ 157, 242 BGB von „Verkehrssitte“ und meint damit die tatsächlichen Gepflogenheiten eines Rechtskreises. In diesen Fällen wird induktiv vorgegangen, um ein konkretes Verhalten, eine konkrete Regel für den Einzelfall, auf Grundlage der gängigen Praxis zu finden.99 Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung hingegen stellen normative Anforderungen für die Beurteilung auf, wann die Buchführung und Bilanzierung ordnungsgemäß ist, wie sie also sein soll.100 Damit aber der gesetzliche Verweis auf die GoB nicht zu einer Zementierung konkreter im Einzelfall gewählter Bilanzierungsmethoden führt, müsste aus einer festgestellten Praxis zunächst ein allgemeiner Grundsatz abstrahiert werden. Selbst 94  Adler / Düring / Schmaltz,

§ 243 Rn. 10. in: MK-HGB, § 238 Rn. 22. 96  Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 3 II 1. 97  Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 45. 98  So schon überzeugend Körner, BB 1986, 1742, 146 f.; Ruhnke, Normierung der Abschlussprüfung, S. 74. 99  Ohly, AcP 201 (2001), 1, 12. 100  Ebenso bereits Döllerer, BB 1959, 1217 und Körner, BB 1986, 1742, 1747, der zwischen „Grund-Sätzen“ und „abgeleiteten Sätzen“ unterscheidet. 95  Ballwieser,

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bei induktiver Ermittlung von GoB ist es folglich nicht damit getan, die konkrete Praxis lediglich festzustellen. Dieselbe Gefahr von Persistenzneigungen besteht, wenn die im Einzelfall erforderliche konkrete, deduktiv gewonnene Regel für ein Bilanzierungsproblem als GoB im Sinne des § 243 Abs. 1 HGB verstanden wird. Denn dann müsste sie fortan zwingend befolgt werden, weil die Bilanz „nach den GoB aufzustellen“ ist. Das spricht dafür, unter GoB keine konkreten Einzelfallregelungen, sondern übergeordnete Bilanzierungsprinzipien zu verstehen. (2) Historische Entwicklung von GoB als Rechtsbegriff Die historische Auslegung des Rechtsbegriffs GoB bestätigt diesen Befund. Was sich seit dem 19. Jahrhundert als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung entwickelt hat, war kein konkreter Maßnahmenkatalog, war keine Checkliste; es waren übergeordnete Bilanzierungsprinzipien wie das Vorsichts-, das Realisations-, das Imparitätsprinzip, das Vollständigkeitsgebot oder das Anschaffungskosten- und das Einzelbewertungsprinzip, aus denen wiederum das Ergebnis für den Einzelfall abgeleitet wurde, welches nunmehr zur Normbildung beitrug, die sich damals noch anerkanntermaßen induktiv vollzog. Die zahlreichen Literaturbeiträge auch noch aus der Zeit vor der Bilanzrechtsreform von 1985 nennen diese allgemeinen Prinzipien, wenn sie von GoB sprechen.101 Mit der weitreichenden Normierung der so gewachsenen GoB durch das BiRiLiG ist kein grundsätzlich neues Verständnis dessen hervorgetreten, was nunmehr unter Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu verstehen sei. Dergleichen war auch vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt.102 Vielmehr eröffnet diese Kodifikation die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Auslegungsmethodik. (3) A  ls Bestätigung: Der praktische Umgang mit dem Verhältnis von Verbrauchsfolgeverfahren und GoB Dieser Befund wird letztlich von zahlreichen Stimmen in der Literatur zumindest implizit geteilt. Das zeigt sich anhand der Meinungen zu der Frage, wann Bewertungsvereinfachungsverfahren nicht mehr den GoB entsprechen, wie es § 256 S. 1 HGB verlangt. Demnach dürfen die Bewertungsvereinfa101  Großfeld, Bilanzrecht, S. 38 ff.; Leffson, GoB, S. 157 ff. und passim.; Moxter, GoB, passim; Schulze-Osterloh, in: Baumbach  /  Hueck, 17. Aufl., § 42 Rn. 17 ff.; Weickert, Recht der Rechnungslegung, S. 27 ff. 102  BT-Drucks. 10 / 4268, S. 91: „Es bleibt deshalb dabei, daß dieser Personenkreis den Jahresabschluß nach den bisher geltenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen hat.“



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chungsverfahren nicht den Zwecken der Rechnungslegung zuwider laufen, folglich nicht missbräuchlich eingesetzt werden oder den denklogischen Gesetzen widersprechen.103 Die Verbrauchsfolgeverfahren sind „ihrerseits im Lichte der GoB anzuwenden“.104 Sie können folglich nicht selbst GoB sein. Unzulässig ist deshalb nach ganz verbreiteter Auffassung die LiFo-Methode (last in – first out) bei verderblichen Vorräten.105 Verfahren, die zu einem unvollständigen Mengengerüst führen, verstoßen wegen des Vollständigkeitsgebots gem. § 246 Abs. 1 S. 1 HGB gegen GoB,106 das Stetigkeitsgebot des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB verbietet einen willkürlichen oder nur durch geänderte Bestandserhaltungsziele motivierten Wechsel zu einer Verbrauchsfolgemethode, wenn zuvor eine Bewertung auch ohne sie möglich war.107 Führt ein Bewertungsvereinfachungsverfahren zur Überbewertung (etwa bei fallenden Preisen), verstößt es unter Umständen gegen das Vorsichts- und das Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 4 HGB).108 (4) Fazit Nach alledem stellt sich die Gewinnung von GoB als Ermittlung allgemeiner Bilanzierungsprinzipien dar. Insofern ist auch der These zu widersprechen, es handle sich bei GoB um ein bewegliches System bestehend „aus sich wechselseitig ergänzenden und beschränkenden Fundamentalprinzipien, Folgeprinzipien und Einzelnormen.“109 Sie trifft nur dann zu, wenn man ein sich daraus ergebendes GoB-System als ein Produkt begreift, das wie ein Handbuch der Bilanzierung oder eine allgemeine Bilanzlehre außerhalb des Gesetzes steht, also nach der Arbeit mit dem Gesetz Resultate systematisiert.110 Zu diesem System können ohne weiteres auch IDW103  Adler / Düring / Schmaltz, § 257 Rn. 14; Claussen, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 256 Rn. 17; Hennrichs, in: MK-AktG, § 256 HGB Rn. 11; Kleindiek, in GK-HGB, § 256 Rn. 6; Mayer-Wegelin, in: Küting  /  Weber, Handbuch der Rechnungslegung (5. EL 2010), § 256 Rn. 21 ff. 104  Hennrichs, in: MK-AktG, § 256 HGB Rn. 11. 105  Claussen, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 256 Rn. 17; Hennrichs, in: MKAktG, § 256 HGB Rn. 12; Kleindiek, in: GK-HGB, § 256 Rn. 6; für Zulässigkeit auch in diesen Fällen aber Mayer-Wegelin, in: Küting / Weber, Handbuch der Rechnungslegung (5. EL 2010), § 256 Rn. 24. 106  Ellrott / Krämer, in: BeckBilKomm, § 256 Rn. 30. 107  Kleindiek, in: GK-HGB, § 256 Rn. 7. 108  Kleindiek, in: GK-HGB, § 256 Rn. 8; kritisch Mayer-Wegelin, in: Küting / Weber, Handbuch der Rechnungslegung (5. EL 2010), § 256 Rn. 26 wegen der praktisch hohen Wahrscheinlichkeit des Vorliegens stiller Reserven. 109  So aber eine häufig verwendete Beschreibung der GoB, vgl. Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 2; Ballwieser, in: MK-HGB, § 238 Rn. 23. 110  In diesem Sinne wohl auch Yoshida, FS Leffson, S. 49, 58 ff.

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Standards gehören. Ein solches System ist für die praktische Tätigkeit der Bilanzierenden und der Abschlussprüfer zwingend erforderlich, es ist aber nicht identisch mit dem gesetzlichen GoB-System. Beides ist deshalb auseinander zu halten. Die GoB im Sinne des § 243 Abs. 1 HGB liegen diesem Produkt voraus, sie geben ihm bestimmte Rahmenbedingungen vor. Sie sind die Fundamentalprinzipien, die den – heute wohl ausnahmslos – gesetz­ lichen Vorschriften und den sich aus dem Gesetz ergebenen Bilanzierungszwecken zu entnehmen sind. An ihnen sind Einzelfragen zu messen, nicht umgekehrt.111 c) Hermeneutik als besondere bilanzrechtliche Methode? Es trifft deshalb den richtigen Punkt, wenn mittlerweile vielerorts der deduktiven Methode die sogenannte hermeneutische Methode zur Ermittlung von GoB zur Seite gestellt wird.112 Letztlich handelt es sich weitgehend um die juristische Auslegungsmethode,113 die aber insbesondere von Seiten der betriebswirtschaftlichen Literatur um „betriebswirtschaftliche bzw. objektiv-teleologische Gesichtspunkte“ als Auslegungskriterium angereichert wird.114 Diese Erweiterung soll es erlauben, die induktive und die deduktive Methode zu kombinieren.115 Kommt es dabei zu Konflikten zwischen den herangezogenen Quellen, so setzt sich im Zweifel diejenige Wertung durch, die dem Gesetz zu entnehmen ist.116 Diese Form der hermeneutischen Methode würde es erlauben, zumindest einzelne Aussagen von IDW-Standards bei der Ermittlung von GoB zu berücksichtigen. Überzeugender erscheint es, sich nicht zu weit von der juristischen Auslegungsmethodik zu entfernen. Wenn das Problem der Ermittlung von GoB zutreffend primär als Auslegungsproblem erkannt wurde,117 weil hier der Inhalt von Rechtsnormen zu ermitteln ist, so gibt es keine stichhaltigen Gründe dafür, eine neue Auslegungsmethode speziell für die Ermittlung von GoB zu etablieren, bevor nicht versucht wurde, mit der juristischen hier Hommel / Laas, BB 2008, 1666, 1668. § 243 Rn. 20; Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 107; Förschle / Usinger, in: BeckBilKomm, § 243 Rn. 18; Hoffmann / Lüdenbach, § 243 Rn. 11; Hommel / Laas, BB 2008, 1666, 1668. 113  Das liegt letztlich bereits der Ansicht von Döllerer, BB 1959, 1217, 1220 zugrunde, wonach das Gericht GoB ebenso wie andere Rechtssätze zu ermitteln habe; zur Hermeneutik als Auslegungsmethode Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 611 f., zur Hermeneutik allgemein S. S. 116 ff. 114  Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 106 f. 115  Adler / Düring / Schmaltz, § 243 Rn. 18 ff.; Hoffmann / Lüdenbach, § 243 Rn. 11. 116  Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 109. 117  Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzen, S. 106. 111  Wie

112  Adler / Düring / Schmaltz,



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Auslegungsmethode das Problem zu bewältigen. Ob beides in der Sache weit auseinander liegt, erscheint indessen zweifelhaft. Ökonomische Analysen im Rahmen der historischen und teleologischen Auslegung zu berücksichtigen, ist kein Novum, nur treten sie nach der hermeneutischen Methode zur Ermittlung von GoB im dargestellten Verständnis als eigenständige Auslegungsmethode hinzu. Sie sollen demnach berücksichtigt werden können, ohne dass zuvor dem historischen gesetzgeberischen Willen oder zumindest dem methodenkonform ermittelten Telos der Norm eine ökonomische Dimension entnommen worden wäre.118 Das führt leicht zu einem Konflikt innerhalb der Auslegungsmethoden, der noch schwieriger aufzulösen sein dürfte als jener, der sich bekanntlich mitunter zwischen der systematischen und der historischen Auslegungsmethode zeigt119: Es begegnen sich nun innerhalb dieses neu gewonnenen Auslegungskanons jene Divergenzen von induktiver und deduktiver Methode, die die bilanzrechtliche hermeneutische Methode gerade in Ausgleich zu bringen versucht. Gegenüber stehen sich wieder die zwei Positionen, ob erfahrungswissenschaftlichen bzw. schlicht wissenschaftlichen Erkenntnissen der Betriebswirtschaft oder aber den gesetzlichen Vorgaben der Vorrang gebührt, über welche aber mit der Entscheidung gegen die induktive Methode bereits befunden ist. Daraus folgt andererseits nicht, dass betriebswirtschaftliche Erkenntnisse unberücksichtigt bleiben müssen oder auch nur dürfen. Sie stellen – in der Terminologie der juristischen Methodik – wichtige Rechtserkenntnisquellen dar,120 die zur Normkonkretisierung herangezogen werden können. Insofern wird die Frage der Gewinnung von GoB für die Methodendiskussion in der Rechtswissenschaft anschlussfähig.121 Auch dort wird nicht bestritten, dass mit Deduktion allein unbestimmte Rechtsbegriffe nicht für den konkreten Einzelfall zu Anwendung gebracht werden können.122 Doch unterliegt die Normkonkretisierung der Gesetzesbindung und damit methodisch gewissen Beschränkungen.123 An dieser Stelle kann auf Einzelheiten dieser kontrovers geführten Diskussion nicht weiter eingegangen werden. Nicht ernsthaft bestreiten lässt sich aber die Problemverwandtschaft von Normkonkretisierung 118  Für eine entsprechende Rückkoppelung ökonomischer Kriterien an die Aus­ legungsmethode Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 414 ff.; dem folgend Ohly, AcP 201 (2001), 1, 15. 119  Zu diesem Streit übersichtlich Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 22 Rn. 796 ff. 120  So überzeugend Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 238 Rn. 11. 121  Für eine solche methodische Anbindung im Ergebnis auch Hüffer, in: GKHGB, § 238 Rn. 44. 122  Ohly, AcP 201 (2001), 1, 9; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 21. 123  Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 125 ff.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

und Auslegung.124 Je stärker die ausfüllungsbedürftige Norm dabei durch die Methoden der Auslegung konkretisierbar ist, desto geringer ist der gesetzliche Auftrag an den Normanwender, selbst rechtschöpferisch tätig zu werden.125 Häufig ist der Verweis auf den juristischen Auslegungskanon dabei wenig hilfreich, weil die konkretisierungsbedürftige Norm nicht ausreichend Information enthält, an die der Normanwender bei der Auslegung gebunden wäre.126 Das gilt insbesondere dann, wenn aus der standardförmigen Norm ein konkretes Ergebnis für den Einzelfall abgeleitet werden muss. Das ist indessen, wie gezeigt, hier nicht der Fall. 3. Ergebnis und Folgerungen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind allgemeine Prinzipien, die heute ausnahmslos Niederschlag im Gesetz gefunden haben. Ihre Gewinnung ist folglich nicht das eigentliche Problem, es geht vielmehr darum, die zutreffende Antwort auf die einzelne Bilanzierungsfrage zu finden und den Sinngehalt von Bilanzierungsprinzipien für den Einzelfall operationalisierbar zu machen. Das ist in erster Linie eine Auslegungsfrage und kann dort, wo das Gesetz auch in seinem historisch-systematischen Zusammenhang vage bleibt, eine solche nach der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen werden, in deren Kontext die Auslegungsmethode an ihre Grenzen stößt. Daraus ergibt sich zugleich, dass IDW-Standards nicht Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung sind. Unabhängig von dem häufig gebrauchten Argument, dass ihnen die Ermächtigung zum Erlass solcher GoB fehle,127 erfüllen sie schon strukturell nicht die Anforderungen von GoB, wie sie hier herausgearbeitet wurden. Denn der unbestreitbare innovative Wert berufsständischer Stellungnahmen zur Rechnungslegung besteht nicht in der Beschreibung allgemeiner Prinzipien, sondern in dem Bemühen, zeitnah konkretere, bestimmtere, höher formal realisierbare Vorgaben zur Bilanzierung zu machen. Es werden hierdurch aus den Grund-Prinzipien im dargestellten Sinne abgeleitete Sätze erzeugt. Einzelne IDW RS können dies belegen. 124  Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49, 59 f.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 130 f. 125  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 583: „Jedenfalls bedeuten die Generalklauseln zunächst eine Verweisung auf alle für ihre jeweilige – durch die Rechtsordnung bestimmte – Fragestellung aufschlussreichen Wertungen, die in der (übrigen) Rechtsordnung zu finden sind.“ 126  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 583; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 133. 127  Hüffer, in: GK-HGB, § 238 Rn. 45; Leffson, GoB, S. 128; Taupitz, BB 1990, 2367, 2369.



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So betrifft IDW RS HFA 5 die Besonderheiten der Rechnungslegung von Stiftungen und beschreibt insofern umfassend bestehende Spezifika, von den Strukturmerkmalen der Stiftung über landesstiftungsrechtliche Vorgaben bis hin zu den daraus sich ergebenden besonderen Anforderungen an die Rechnungslegung von Stiftungen. IDW RS HFA 4 beschäftigt sich mit Zweifelsfragen (also gerade nicht mit Grundsätzen) zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustrückstellungen, IDW RS HFA 6 mit der Möglichkeit der Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen. Spezifika der Rechnungslegung von Personenhandelsgesellschaften arbeitet IDW RS HFA 7 heraus, IDW RS HFA 8 spezielle Probleme bei der Bilanzierung von assed backed securities, IDW RS HFA 11 die Bilanzierung entgeltlich erworbener Software. Die Aufzählung ließe sich noch weiter ausführen, hat aber bereits erwiesen, dass nicht allgemeine Bilanzierungsprinzipien, sondern vielmehr Sonderfragen im Vordergrund stehen. IDW-Standards sind nicht Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, sondern Auslegungsergebnis.

IV. IDW-Standards als Grundsätze ordnungsgemäßer Abschlussprüfung Die Anforderung an den Wirtschaftsprüfer bei der Durchführung von Jahres- und Konzernabschlussprüfungen ergeben sich aus den §§ 316 ff. HGB. Hier spielen die IDW-Standards ihre Hauptrolle. Die oben dargestellte Entwicklungsgeschichte128 der Abschlussprüfung zeigt, dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer zwingend auf einheitliche Maßstäbe und Verfahren, an denen er seine Arbeit praktisch ausrichten kann, angewiesen ist.129 Die Pflichten und Sorgfaltsanforderungen sind in den §§ 317 ff. HGB dabei lediglich allgemein umrissen, Abschlussprüfer müssen „gewissenhaft“ (§§ 317 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 1 S. 1 HGB), „unparteiisch“ (§ 323 Abs. 1 S. 1 HGB) und „sorgfältig“ (§ 320 Abs. 2 S. 1 HGB) vorgehen.130 Nähere Präzisierung erlangen sie durch die Wirtschaftsprüferordnung (WPO). Gem. § 4 Abs. 1 WPO wird eine Wirtschaftsprüferkammer errichtet, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, in der Zwangsmitgliedschaft für alle Wirtschaftsprüfer besteht und der gem. § 57 WPO die Erfüllung aller ihr kraft Gesetz übertragenen Belange des Berufsstandes übertragen ist.131 Dafür hält § 57 128  Oben

Kapitel 1 sub A I. 2. in: Hense / Ulrich, Vor § 43 WPO Rn. 3; allgemeiner so auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 482: „Expertenrecht schafft koordinierende Standards, damit bestimmte Aktivitäten überhaupt entstehen können“. 130  Ebke, in: MK-HGB, § 317 Rn. 14. 131  Dazu bereits oben 1. Kapitel sub C. 129  Schnepel,

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

Abs. 3 WPO eine Satzungsermächtigung bereit, von der die Wirtschaftsprüferkammer durch Beschließen der Berufssatzung der Wirtschaftsprüfer132 Gebrauch gemacht hat. Deren § 4 Abs. 1 bestimmt in Konkretisierung der verlangten Gewissenhaftigkeit: „WP / vBP sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an das Gesetz gebunden, haben sich über die für ihre Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten und diese und fachliche Regeln zu beachten.“ Welches die angesprochenen „fachlichen Regeln“ sind, ist nicht ausdrücklich gesagt. Die Wirtschaftsprüferkammer selbst hat auch spezifische fachliche Regeln nicht beschlossen. Diesen Teil der Facharbeit hat sie vielmehr dem IDW überlassen.133 Die Revisionswissenschaft ist seit langem darum bemüht, sogenannte Grundsätze ordnungsgemäßer Abschlussprüfung (GoA) zu entwickeln.134 Trotz der terminologischen Ähnlichkeit, die zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung besteht, sind jene mit diesen strukturell kaum vergleichbar.135 Der bedeutendste Unterschied besteht schon darin, dass das Gesetz den Begriff Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung gerade nicht verwendet, eine den §§ 238 Abs. 1, 243 Abs. 1 HGB vergleichbare Generalklausel enthält es an keiner Stelle der §§ 316 ff. HGB. Stattdessen wurde durch das BilMoG136 von 2009 nunmehr eine Möglichkeit geschaffen, künftig die International Standards on Auditing (ISA), Verlautbarungen des privatrechtlich organisierten IFAC,137 als zwingende Prüfungsnormen festzulegen.138 Eine Öffnung für anderweitig ermittelte GoA ist aber nicht vorgesehen. Gleichwohl wird wie im Falle der GoB diskutiert, ob die GoA induktiv, deduktiv oder mit den Mitteln der juristischen Auslegungsmethode ermittelt werden sollen.139 Vielfach wird vertreten, für die Feststellung von 132  Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer  /  vereidigte Buchprüfer – BS WP  /  vBP) (Stand.: 12.10.2012). 133  Biener, FS Goerdeler, S. 45, 48; Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 609. 134  Ebke, in: MK-HGB, § 317 Rn. 14; Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S. 106 ff.; Niemann, DStR 2003, 1454 ff.; monographisch Kircherer, GoA, passim.; Ruhnke, Normierung der Abschlussprüfung, passim. 135  Anders aber apodiktisch Leffson, Wirtschaftsprüfung, S. 101: „GoB hätten keine anderen Inhalte und Rechtsgeltung, wäre der Begriff nicht im Gesetz aufgeführt. GoB und GoW sind gleichermaßen Auslegungsregeln unbestimmter Rechtsbegriffe.“ Ebenso Ruhnke, Normierung der Abschlussprüfung, S. 75. 136  BilMoG vom 25.5.2009, BGBl. 2009 I S. 1102. 137  Dazu ausführlicher unten Kapitel 3 C.II. 138  § 317 Abs. 5 HGB. 139  Ebke, in: MK-HGB, § 317 Rn. 17 ff.; Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S.  106 f.; Ruhnke, Normierung der Abschlussprüfung, S. 77 ff.



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GoA sei das IDW zuständig.140 Eine entsprechende gesetzliche Zuweisung ist indessen nicht ersichtlich. Andere begreifen die Verlautbarungen deshalb als eine von mehreren Quellen für GoA, zu denen im Übrigen auch das Gesetz und die Rechtsprechung gezählt werden.141 GoA werden insofern als ein System von nicht zwingenden, aber sachlich überzeugenden Vorgaben verstanden, das eine einheitliche Prüfungstätigkeit gewährleisten kann; ein (unbestimmter) Rechtsbegriff sind sie nicht. Aus diesem Grund erübrigt sich eine weiterführende Untersuchung für die vorliegend zu behandelnde Problematik. Ob IDW-Standards GoA sind oder sie lediglich wiedergeben oder doch zumindest beeinflussen, kann insofern dahinstehen. Denn auch mit der Einordnung als GoA würden sie noch keine rechtliche Relevanz erlangen.

V. IDW-Standards und sonstige unbestimmte Rechtsbegriffe Unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung“, „die im Handelsverkehre geltenden Gewohnheiten und Gebräuche“ oder auch „Regeln der Technik“ sind themenspezifisch. Es konnte gezeigt werden, dass eine themenspezifische Generalklausel zur Einbeziehung von IDW-Standards nicht existiert. Daneben kennt das deutsche Recht aber zahlreiche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, die themenübergreifend gelten. Zu ihnen gehört insbesondere der Grundsatz von „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB), aber auch der Verschuldensmaßstab der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ (§ 276 Abs. 2 BGB). Auch in diesem Zusammenhang wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur die Frage diskutiert, ob privat gesetzte Regelungen zur Konkretisierung herangezogen werden können. In der Rechtsprechung zeigt sich eine zurückhaltende, aber dennoch grundsätzliche Bereitschaft, private Regelwerke zu berücksichtigen.142 Doch 140  Hoffmann / Lüdenbach, § 317 Rn. 14; von Wysocki, DStR 2002, 370, 371; Wiedmann, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, § 321 Rn. 28. IDW PS 201 Tz. 28 formuliert: „Die IDW Prüfungsstandards enthalten die vom IDW festgestellten Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA).“ Dagegen zurecht Hommelhoff / Mattheus, FS Röhricht, S. 897, 912. 141  Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S. 107; auch Ebke, in: MK-HGB, § 317 Rn. 21 ff. behandelt IDW-Prüfungsstandards getrennt von den GoA. 142  BGH, Urteil v. 01.3.1988, Az. VI ZR 190 / 87, NJW 1988, 2667, 2668; sehr weitgehend BGH, Urteil vom 3.11.2004, Az. VIII ZR 344 / 03, NJW-RR 2005, 386, 387: „Des Weiteren haben Fachplaner und ausführende Betriebe die Vorgaben der DIN 1988 Teil 7 und der DIN 50930 Teil 3 über die Installationsanordnung und die Korrosionswahrscheinlichkeit zu beachten.“ Weitere Beispiele bei Löwisch / Caspers,

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

entscheidet über ihre tatsächliche Relevanz die Rechtsprechung nach Lage der Dinge im Einzelfall. So führt etwa das OLG Naumburg aus: „Allein aus der Befolgung eines Regelwerkes wie der hier einschlägigen DIN 4150-3 folgt noch nicht zwangsläufig, dass ein dem entsprechendes Verhalten eines Schuldners bereits in jeder Hinsicht als sorgfältig einzustufen sein wird, da diese Regelwerke keinen absoluten Sorgfaltsmaßstab enthalten. Vielmehr kann sich gerade auch aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass nur die Beachtung der normierten Anforderungen im konkreten Fall nicht ausreicht, um der verkehrserforderlichen Sorgfalt Genüge zu tun.“143 Ausführlich setzt sich etwa das OLG Dresden mit der Frage auseinander, ob die sogenannte Verbändevereinbarung II privater Industrie- und Energieverbände herangezogen werden kann, um § 6 Abs. 1 S 2 EnWG a. F. zu konkretisieren und entscheidet sich schließlich nicht nur aufgrund der zutreffenden Feststellung, diese Vereinbarung zeitige für Dritte „keine unmittelbaren Rechtswirkungen“ dagegen, sondern es ermittelt zudem auch den Telos dieses Regelwerkes, um seine Unbeachtlichkeit für die Sachfrage zu begründen.144 Das OLG Hamburg spricht zwar im Hinblick auf den Verhaltenskodex, den der „Arbeitskreis der Insolvenzverwalter in Deutschland e. V.“ herausgegeben hat, von einer „mittelbaren Wirkung gegenüber dem Gericht.“145 Dabei setzt es sich aber zuvor mit der konkreten Sachfrage und der Kommentarliteratur auseinander und hätte sein Urteil auch ohne Rückgriff auf den Verhaltenskodex begründen können. Tradition hatte die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch jedenfalls nicht vom Gesetzgeber geschaffene Regelungen im Bereich des anwaltlichen Standesrechts. Die Regeln der Rechtsanwaltskammer, welche die Berufspflichten von Rechtsanwälten konkretisieren, sind erst seit 1996 in der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) niedergelegt. Die BORA beruht auf der Satzungsermächtigung des § 59b BRAO und wurde erforderlich, seit das BVerfG im Jahre 1987 seine Rechtsprechung dahingehend geändert hatte, dass die Bestimmung konkreter Verhaltenspflichten durch Standesrichtlinien verfassungswidrig ist.146 Die BORA darf die Rechte der Rechtsanwälte, wie sie in § 43a BROA genannt sind, jedoch nur konkretiin: Staudinger, § 276 Rn. 42; Unberath, in: Bamberger / Roth, § 276 Rn. 24. Zum Ganzen Bachmann, Private Ordnung, S. 335 f.; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 586 ff. 143  OLG Naumburg, Urteil v. 15.3.2012, Az 4 U 68  / 11, BeckRS 2012, 20192 unter II.1.b). 144  OLG Dresden, Urteil v. 08.2.2001, Az. U 2978 / 00, BeckRS 2001, 30160487 unter II. 2. a) aa). 145  AG Hamburg, Beschluss v. 21.11.2001, Az. 67g IN 280 / 01, NZI 2001, 166, 167. 146  BVerfG, Beschluss v. 14.7.1987, Az. 1 BvR 537 / 81, NJW 1988, 191 ff.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung75

sieren und nicht einschränken; feststellen darf sie Berufspflichten nur, sofern der Rechtsanwaltskammer hierzu ausdrücklich die Kompetenz, namentlich durch § 59b BROA, zugewiesen ist.147 Wesentliche Regelungen, also existenziell bedeutsame, nicht nur die Berufsausübung, sondern den Berufszugang regelnde Normen (statusbildende Bestimmungen), sind weiterhin dem Parlament vorbehalten und dürfen nicht der Satzungsgewalt der Kammern überlassen werden.148 Diese insoweit klare Absage des BVerfG an die Möglichkeit, berufsrechtliche Verhaltensanforderungen verbindlich durch nicht dem Demokratieprinzip entsprechend verfasste Verhaltensstandards zu konkretisieren, ist vor allem vor dem Hintergrund des Art. 12 GG zu sehen. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit durch Sanktionen gegen die Berufsangehörigen sind nur aufgrund eines Gesetzes zu rechtfertigen. Damit ist wenig darüber gesagt, ob sich ein Heranziehen der Verlautbarungen des IDW ebenfalls generell verbietet. Ersichtlich wird aber zweierlei: Zum einen spielt eine Rolle, welche Folgen die Berücksichtigung einer privat gesetzten Regel für den jeweils Betroffenen hat. Danach richten sich im Zweifel die rechtstaatlich indizierten Forderungen an den Normsetzungsprozess. Zum anderen wird deutlich, dass auch insofern eine pauschale Antwort auf die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von IDW-Standards bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht pauschal beantwortet werden kann. Die Themenvielfalt der IDW-Standards bringt es mit sich, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Sachfrage und der zugehörigen Antwort durch einen IDW-Standard erforderlich ist. Zugleich darf nicht unberücksichtigt bleiben, ob dem Gesetz – auch durch Ausschöpfen der Auslegungsmethoden – Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass außerrechtliche Wertungen und Regeln Berücksichtigung finden sollen. Verlangt es etwa die Berücksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und lässt sich diese – was zu prüfen ist – einem IDW-Standard entnehmen, so ist nicht ersichtlich, warum sich ein Gericht nicht darauf stützen sollte. Darin liegt jedoch der eigentliche Kern des Problems. Wenn ohnehin ermittelt werden muss, was die im Verkehr erforderliche Sorgfalt jeweils ist, um auf diese Weise überprüfen zu können, ob IDW-Standards eben jene wiedergeben, ist damit wenig gewonnen. Letztlich würde in dieser Konstellation die in Rede stehende privat gesetzte Norm überhaupt nicht angewendet, sie bliebe ohne jede Relevanz, weil das gesuchte Ergebnis ohne sie 147  BVerfG, Urteil v. 14.12.1999, Az. 1 BvR 1327 / 98, NJW 2000, 347 ff.; näher Vossebürger, in: Feuerich / Weyland, § 1 BORA Rn. 2. 148  BVerfG, Beschluss v. 14.7.1987, Az. 1 BvR 537  / 81, NJW 1988, 191, 192; Böhnlein, in: Feuerich / Weyland, § 59b BRAO Rn. 1.

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Kap. 2: Rechtliche Relevanz von IDW-Standards

gefunden und erst danach mit ihr abgeglichen wurde. Es hilft insofern nicht weiter, wenn einige Autoren die Rechtsquellenarmut überwinden wollen, indem sie privat gesetzte Standards einer neu gefundenen Kategorie, derjenigen der sekundären Rechtsquellen,149 zuordnen wollen, diese zugleich aber nur dann als berücksichtigungsfähig ansehen, wenn sie lediglich eine ohnehin herrschende Meinung wiedergeben.150 Sie wären weniger als eine Rechtserkenntnisquelle, denn eine herrschende Meinung kann sich jeder Richter selbst anlesen. Umgekehrt wäre bei dieser Argumentation jede Berücksichtigung privat gesetzter Regelungen bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe außerhalb einer herrschen Meinung rechtswidrig. Bemerkenswert erscheint zugleich jedoch der Gedanke, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Vorliegen privat gesetzter Standards die Argumenta­ tionslast umkehren kann.151 Darauf wird ausführlicher zurückzukommen sein.152 Vielfach gehen die Bestrebungen dahin, die Frage nach einer ausdrücklich zugewiesenen Rechtswirkung in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Es besteht mittlerweile geradezu ein System der abgestuften Konzepte zur Einbeziehung privat gesetzter Standards in das Rechtssystem.153 An dieser Stelle aber genügt es gezeigt zu haben, dass das Vorliegen von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen allein noch nicht den Schluss zulässt, IDW-Standards könnten hier per se eine rechtliche Relevanz haben. Es kommt auf den Einzelfall an.

VI. Einbeziehung durch Zustimmung Von der Einbeziehung privater Normen durch Gesetz ist eine Einbeziehung durch eine andere private Regelung, welcher die Rechtsordnung aber Geltung verschafft, zu unterscheiden. Es geht hierbei vor allem um eine Einbeziehung durch das zivilrechtliche Legitimationskonzept privatautonomer Zustimmung, insbesondere also den Vertrag. Zwei Parteien sind grundsätzlich nicht gehindert, ein privates Regelwerk zum Inhalt ihres Vertrages zu machen. Probleme entstehen auch hier jedoch, wenn eine Wirkung für oder gegen Dritte gewollt ist. Dritter in diesem Sinne ist, wer weder dem Vertrag noch seiner Einbeziehung durch Bevollmächtigung zugestimmt hat. 149  Dazu schon zuvor ausführlich Möllers, Standards als sekundäre Rechtsquellen S.  143 ff.; ders., FS Buchner, S. 649 ff. 150  Möllers / Fekonja, ZGR 2012, 777, 812. 151  Möllers / Fekonja, ZGR 2012, 777, 796 ff. 152  Unten Kapitel 4 C.II. 153  Ausführliche Typologie bei Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, passim.; auch Bachmann, Private Ordnung, S. 336 ff.



C. Rechtliche Wirkung durch Einbeziehung77

Das Zivilrecht kennt hier insbesondere den Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) und – von der Rechtsprechung entwickelt – den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte154. Im ersten Fall erhält der Dritte ein Forderungsrecht, obwohl er selbst nicht Vertragspartner geworden ist. Eine Pflicht zur Abnahme der Leistung besteht zunächst nicht, vielmehr ist der Dritte gem. § 333 BGB berechtigt, die Leistung zurückzuweisen mit der Folge, dass das Forderungsrecht als nicht erworben gilt. Demgegenüber erwirbt der Dritte im Falle eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte kein Forderungsrecht. Es werden lediglich die Schutzpflichten, die sich aus dem Vertrag ergeben (§ 241 Abs. 2 BGB), auf den Dritten erstreckt.155 Verpflichtungen entstehen für den Dritten nicht. In beiden Fällen werden folglich Verpflichtungen des Dritten gegen seinen Willen nicht begründet bzw. nicht aufrechterhalten.156 Nicht ausgeschlossen ist hingegen im zweiten Fall, dass er sich auf Regelungen des Vertrages beruft, die dem Schutze von Integritätsinteressen einer der Vertragsparteien dienen.157 Teilweise wird eine Einbeziehung sogar für möglich gehalten, wenn die bestehenden Rechtsbeziehungen nicht vertrag­ licher, sondern satzungsrechtlicher Natur sind.158 Für die vorliegende Untersuchung kommt es darauf allerdings nicht an. Denn auch falls die Begründung derartiger Rechtsbeziehungen gelänge, bestünden sie nur zwischen dem IDW und dem Dritten als relative Rechtsbeziehungen. Solche relativen Rechtsbeziehungen bestimmen jedoch nicht den Inhalt unbestimmter Rechtsbegriffe des objektiven Rechts.

154  BGH, Urteil v. 19.9.1973, Az. VIII ZR 175  / 72, NJW 1973, 2059 ff.; Grünberg, in: Palandt, § 328 Rn. 13 ff. 155  Gottwald, in: MK-BGB, § 328 Rn. 174. 156  Nicht erforderlich ist gem. § 328 BGB, dass der Dritte erklärt, mit der Forderungsberechtigung einverstanden zu sein. Deshalb kann das Forderungsrecht zunächst auch gegen seinen Willen entstehen, er kann es aber mit ex tunc-Wirkung beseitigen. 157  Gottwald, in: MK-BGB, § 328 Rn. 174. 158  BGH, Urteil v. 28.11.1994, Az. II ZR 11 / 94, NJW 1994, 583 ff.; näher Bachmann, Private Ordnung, S. 303 f.

Kapitel 3

IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung IDW-Standards sind kein Recht, sie weisen lediglich in ihrer Modalstruktur bestimmte Merkmale auf, die auch Rechtssätzen eigen sind. Mit dieser Beschreibung, die sich als Schlussfolgerung aus dem vorangegangenen Kapitel ergibt, lassen sie sich einem Phänomen zuordnen, das als „private Regelsetzung“, „private ordering“, „private governance“ oder auch als „soft law“ beschrieben wird.1 Im folgenden Abschnitt soll es deshalb um die Frage gehen, ob für die Geltung und Wirkung von IDW-Standards aus dieser sogenannten Private Governance-Diskussion Rückschlüsse möglich sind.

A. Die Private Governance-Diskussion Die Problematik der „Privatisierung des Rechts“ beschäftigt die Wissenschaft seit langem und aus unterschiedlichen Perspektiven. Rechtstheorie, Rechtssoziologie und Rechtsökonomik haben sich ihrer aus den verschiedenen fachspezifischen Blickwinkeln angenommen.2 Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei lange Zeit vor allem die Frage nach der rechtlichen Einordnung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB),3 hinzugetreten ist das sogenannte Expertenrecht, das sich mit der Standardisierung insbesondere, aber nicht ausschließlich, technischer Abläufe beschäftigt.4 Eine Rolle hat in diesem Zusammenhang auch immer das Recht der freien Berufe gespielt, in dem zum Teil privat gesetzte Standesordnungen besondere Relevanz beanspruchen,5 und seit jüngerer Zeit verstärkt das Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, wo Corporate-Governance-Kodizes und von privaten Gremien geschaffene Standards zum Rechnungslegungs1  Zu den Begrifflichkeiten näher Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169. 2  So der Befund von Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 478 ff. 3  Grundlegend Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, passim; aus wirtschaftsrechtlicher Perspektive insbesondere Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, passim; dazu auch Blaurock, Wirtschaft und Rechtsordnung, 57 ff. 4  Grundlegend Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, passim. 5  Dazu insbesondere Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, passim.



A. Die Private Governance-Diskussion79

und Übernahmerecht an Bedeutung gewinnen.6 Dabei reicht das Spektrum der wissenschaftlichen Untersuchungen von Fragen der Verfassungsmäßigkeit privater Standardsetzung bzw. ihrer Erzeugnisse7 über die schon angesprochene rechtstechnische Einbeziehung,8 die Analyse der Entstehungsgründe privater Normen,9 Vergleiche der ökonomischen und sonstigen Vor- und Nachteilhaftigkeit privater und staatlicher Regelsetzung10 bis hin – jedenfalls in Ansätzen – zu den Analysen der Steuerungswirkung privater Normsetzung und in diesem Zusammenhang auch zu der Wahl der konkreten Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien.11 Die Diskussion geht weit über Fragen der oben dargestellten Inkorporation hinaus. Mit der Frage nach der Einordnung von IDW-Standards in diesen Themenkomplex bewegt man sich hinsichtlich der inhaltlichen Zuordnung auf der Schnittstelle zwischen den beiden Problemkreisen des Rechts der freien Berufe einerseits und des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts andererseits, da IDW-Standards Regelungen sowohl zur Ausübung des Berufes der Wirtschaftsprüfer als auch solche erlässt, die jedenfalls mittelbar Auswirkungen auf das Verhalten der Unternehmen als Prüfungsgegenstand haben können. Die vorstehenden Ausführungen lassen bereits darauf schließen, dass viele Facetten privater Regelsetzung vergleichsweise umfassend Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen waren. Bei allen so gewonnenen Er6  Vgl. für einen Überblick dazu insbesondere Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, 169 ff.; ferner Hohl, Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht, passim; Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich der Corporate Governance, 19, 22 ff. 7  Vgl. statt vieler nur Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S.  79 ff.; Hohl, Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht, passim, insbesondere S. 40 ff. und 142 ff. 8  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft S. 46 ff.; Bachmann, Private Ordnung, 54 f.; Möllers, Standards als sekundäre Rechtsquellen, 143, 150 ff. 9  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S.  51  ff.; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 299 ff.; Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169, 178 ff. 10  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 51  ff.; Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 75 ff.; vgl. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 702 ff.; ferner Kirchner / Schmidt, BFuP 58 (2006), 387 ff. 11  Ausführlich und grundlegend nunmehr Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, insbesondere S. 382 ff. und 416 ff.; ders., ZGR 2007, 745, 763 ff., hinsichtlich prozeduraler Regelungsstrategien; zur Problematik der Rechtsfolgenabschätzung bei der Rechnungslegungsstandardsetzung Königsgruber, IRZ 2010, 37 ff.; zur verwaltungsrechtlichen Steuerungsdiskussion vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 1 Rn. 17 und Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 1 ff.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

kenntnissen ist jedoch vieles noch höchst unklar. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sich in jüngster Zeit eine „Renaissance“12 privater Regelsetzung beobachten lässt. Diese Entwicklungen bereichern die Diskussion und werfen neue Fragen auf. Vergleichsweise neu ist beispielsweise die durch § 161 AktG eingeführte Pflicht für Unternehmen, öffentlich zu erklären, ob sie die Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) befolgt haben und, falls nicht, warum von ihnen abgewichen wurde. Hierin ist der Versuch zu sehen, Marktmechanismen als Sanktionsmechanismen zu nutzen. Nicht geklärt ist bislang, ob sie den gewünschten Erfolg haben.13 Offen ist bislang auch, wie mit privaten Regelungen rechtsmethodisch umzugehen ist. So fehlt es beispielsweise noch immer an einer Auslegungslehre für privat gesetzte Regeln.14 Auch das Zusammenspiel privater und hoheitlich erlassener Normen bietet noch viel Raum für weitere Untersuchungen. Das Zusammenspiel von IDW-Standards, Normen des HGB, Standards des IASB, des Standardisierungsrates usw. drängt sich hier als Referenzgebiet geradezu auf. Im folgenden Abschnitt der Arbeit soll es deshalb um Erscheinungsformen und Wirkungsmechanismen privat gesetzter Regelungen im Regelungsumfeld des IDW gehen.

B. Systematisierungsmöglichkeiten und Eingrenzung I. Systematisierungsmöglichkeiten Das Ziel, die Erscheinungsformen und Wirkungen privat gesetzter Regelungen zu systematisieren, lässt sich auf vielfache Weise angehen.15 In Betracht kommt eine Unterscheidung nach Selbst- und Fremdautorenschaft der Regeladressaten, also danach, ob die Regelbetroffenen am Regelsetzungsprozess selbst beteiligt waren oder – wie etwa im Fall des DCGK – nur einige fachliche Experten, wobei weiter nach dem Grad des staatlichen Einflusses zu differenzieren wäre.16 Stattdessen ließe sich auch darauf abstellen, ob es sich um freiwillige oder unfreiwillige Selbstregulierung hanMerkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169. Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169, 185 f.; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 9; vgl. auch Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich Corporate Governance, 19, 29 ff. 14  Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S 169, 188; Ansätze zum anglo-amerikanischen Rechtskreis insofern aber bei Shaffer / Pollack, Hard Law and Soft Law, S. 16. Zur Rechtsvergleichung als Forschungsfeld im Kontext privater Regelsetzung unten sub C. 4. 15  Bachmann, Private Ordnung, S. 27; Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 33 ff.; Dammrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 59. 16  Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 34. 12  So

13  Merkt,



B. Systematisierungsmöglichkeiten und Eingrenzung81

delt, was aber wiederum darauf hinausliefe, die Möglichkeit staatlicher Einflussnahme zu berücksichtigen. Vorgeschlagen wird auch, danach zu differenzieren, ob der Inhalt der privaten Normen „technikbestimmt“ oder „politikbestimmt“ sei.17 Als Beispiel für Normen mit politisch bestimmtem Inhalt werden Rechnungslegungsregeln angeführt, noch deutlicher tritt dieser Aspekt im Falle bestimmter Ziffern des Deutschen Corporate Governance Kodex hervor, etwa zur Geschlechterquote.18 Als Gegenbeispiel können die technischen Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN-Normen) angeführt werden. Dem ist eine Unterscheidung in materielle und prozedurale Normen nahe, ebenso eine Einteilung nach Normen mit Regelungsgehalt und solchen, die lediglich Erkenntnisse bündeln, systematisieren und damit primär als Informationsspeicher dienen. Schließlich lässt sich auf die Rechtsverbindlichkeit der Norm abheben, was im Gegensatz zu der Frage nach der Autorenschaft auch berücksichtigt, ob und auf welche Weise die private Norm von rechtlichen Institutionen in Bezug genommen wird. Privat gesetzte Normen können, auch wenn der Einfluss auf die Norm­ entstehung weitgehend frei von staatlicher Einflussnahme war, im Nachhinein mit einem staatlichen Geltungsbefehl versehen werden. Oder der Staat stellt lediglich einen Durchsetzungsmechanismus zur Verfügung und verhilft den privaten Standards so zu stärkerer Wirkungskraft.

II. Notwendigkeit der Themeneingrenzung Die Weite der Thematik zwingt zu einer massiven Einschränkung in der vorliegenden Arbeit. Einerseits erscheint ein Vergleich mit möglichst vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen privat gesetzter Regelungen für das Verständnis der Geltung und Wirkung von IDW-Standards sehr dienstbar. Andererseits birgt dieses Vorhaben die erhebliche Gefahr, dass gemeinsame Linien trotzdem nicht zu finden sind. Da bislang die Entwicklung einer umfassenden Lehre privater Regelsetzung nicht abschließend gelungen19 und auch mit dieser Arbeit keinesfalls angestrebt ist, scheint es gerechtfertigt, die IDW-Standards in ihrem thematisch und strukturell näheren Umfeld zu betrachten. Das sind aus thematischer Perspektive zunächst solche privaten Regelungen, die sich mit Fragen des Unternehmensrechts befassen, also insbesondere die innere Organisation von Gesellschaften und die Pflichten ihrer Organe betreffen. Angesprochen ist damit das Thema der Überwachung 17  Buck-Heeb / Dieckmann,

Selbstregulierung im Privatrecht, S. 42. Stand der Diskussion übersichtlich etwa Habersack, Gutachten E zum 69. DJT 2012, E 34 ff. 19  So Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169, 188. 18  Zum

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

bzw. Kontrolle unternehmerischen Handelns, also vor allem Fragen des Bilanzrechts, des Rechts des Aufsichtsrates und der Abschlussprüfung. Besonderer Prominenz erfreuen sich in diesem Themenkreis als Gegenstände privater Regelsetzungstätigkeit der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), die Deutschen Rechnungslegungsstands (DRS), sowie die Internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS20. Diese Regelsetzungs­ initiativen haben gemeinsam, dass der Gesetzgeber sich jeweils um eine „Verrechtlichung“ bemüht hat; dabei hat er sich jedoch völlig verschiedener Instrumente bedient. Die Funktionsweise dieser Inkorporationsmechanismen wird im Folgenden die größte Rolle spielen. Zentral ist für die vorliegende Untersuchung, ob die Verwendung dieser Mechanismen über die wesentlichen Probleme hinweghilft, die sich aus dem Privatsein von Normen ergeben. Das gilt gerade angesichts der Tatsache, dass in der Literatur bisweilen erwogen wird, der praktischen Relevanz von IDW-Standards auf diese Weise Rechnung zu tragen und ihnen auch zu rechtlicher Geltung zu verhelfen.21 Ruft man sich in Erinnerung, dass die Abschlussprüferrichtlinie eine hoheitliche Kontrolle auch von Prüfungsstandards vorsieht,22 die es bislang in Deutschland nicht gibt, könnten sich entsprechende Fragen de lege ferenda verstärkt stellen. Weitgehend ausgeklammert werden solche Regelungen, die regelmäßig ausdrücklich durch bilaterale Verträge einbezogen werden, also insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen einer der beteiligten Parteien, aber auch Standardvertragswerke wie etwa die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA)23 oder Internationale Handelsklauseln (Intercoms)24. Ferner bleiben solche Regelungen überwiegend außen vor, die der Staatsverwaltung und mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet werden können, im Themenkreis des Unternehmensrechts also etwa solche des Bankaufsichtsrechts wie zum Beispiel der Emittentenleitfaden der Bafin25 oder die MaRisK.26 Dafür spricht weniger die mögliche, aber zunehmend unwichtigere Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht27 20  Im

Folgenden aus Gründen besserer Lesbarkeit nur als IFRS bezeichnet. etwa – im Ergebnis aber skeptisch – Giebeler / Jaspers, Reform des Risikomanagements, S. 27. 22  Kapitel 1 C.II. 23  Dazu knapp Hopt, in: Baumbach / Hopt, Einl. ERA Rn. 1. 24  Auch dazu knapp Hopt, in: Baumbach / Hopt, Einl. Intercoms Rn. 9 ff. 25  Abrufbar unter www.bafin.de. 26  BaFin, Rundschreiben 10  / 2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, abrufbar unter www.bafin.de. 27  Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 284; dazu auch Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 38; formaler abgrenzend hingegen Bachmann, Private Ordnung, S. 28. 21  So



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung83

als die oftmals stark ausgeprägte Einbindung in das staatsorganisationsrechtliche Gefüge und der Gewährleistungsverwaltung.28 Es ist gerade diese Einbindung, die über Schwierigkeiten bei der Frage nach der Wirkung privat gesetzter Regelungen hinweghilft. Hieran fehlt es im vorliegenden Sachzusammenhang, weshalb zwar erforderlichenfalls auf daraus resultierende Konsequenzen auch im Einzelnen einzugehen ist, eine weitgehendere inhaltliche Analyse solcher privat geregelter staatsverwaltungsbezogener Themen hier aber nicht sinnvoll erscheint. Im folgenden Abschnitt der Arbeit soll nun zunächst untersucht werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der erwähnten privat gesetzten Regelwerke IAS / IFRS, ISA, DRS und DCGK im Hinblick auf ihre Entstehung, Rezeption und Wirkung bestehen. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei jeweils die Frage, ob mit dem jeweiligen Inkorporationsmechanismus die rechtliche Bedeutung der privaten Standards theoretisch und praktisch als geklärt angesehen werden darf. Sodann wird untersucht, welche Gründe es geben kann, private Regelungen staatlicher Regulierung vorzuziehen, wobei besonderes Augenmerk darauf liegt, ob diese jeweils auch für IDW-Standards gelten können. Daran schließt sich ein rechtsvergleichender Überblick zum englischen und schweizerischen Recht an. Anhand einer Auswertung privat gesetzter Regelungen zum Bilanzrecht, zum Recht der Abschlussprüfung und zu Themen der Corporate Covernance wird der Umgang mit privat gesetzten Regelungen in diesen Ländern untersucht.

C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung und ihrer Inkorporationsmechanismen als Vergleichsbasis IDW-Standards haben mit IAS / IFRS, den ISA, den DRS und dem DCGK im Ausgangspunkt dasselbe Defizit: Es handelt sich um Regelwerke, die keinen Gesetzgebungsprozess durchlaufen haben und deshalb mit ihrer „Verabschiedung“ – ihrem Beschluss – auch keinen staatlichen Geltungsbefehl erhalten. Sie sind zunächst unverbindlich. Gleichzeitig sind sie aber geschaffen worden, damit sie befolgt werden. Für die IFRS, ISA, DRS und den DCGK sind deshalb Mechanismen geschaffen worden, um dieses Defizit ganz (IFRS und ISA) oder teilweise (DRS und DCGK) zu kompensieren. Damit soll – wie im Einzelnen zu zeigen sein wird – zweierlei erreicht 28  Etwa im Falle der Börsen, Bachmann, Private Ordnung, S. 29  f., der aber zugleich ein „Bedürfnis nach Legitimationsmustern“ erkennt, „die private Ordnungen zur Lösung komplexer Regelungsaufgaben nicht von vornherein untauglich erscheinen lassen“; diesen Aspekt stärker betonend Merkt, Gutachten G zum 64. DJT 2002, G 111 f.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

werden, wobei mal der eine, mal der andere Aspekt stärker betont werden kann: Erstens soll den privat gesetzten Regelungen nachträglich demokratische Legitimation verschafft werden, ohne hierzu den langwierigen Gesetzgebungsprozess bemühen zu müssen. Zweitens sollen die Regeladressaten zur Befolgung der Regeln angehalten werden, aber ohne dass eine echte Rechtspflicht hierzu begründet wird. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass diese Versuche der teilweisen Kompensation nicht geeignet sind, ein befriedigendes Maß an Rechtssicherheit zu erzeugen. Der schon mehrfach betonte Vorteil des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens, einen prozeduralen Test dafür bereitzuhalten, ob eine Regel auch eine Rechtsregel ist oder nicht,29 wird mit jenen Inkorporationsmechanismen nicht erreicht. Das Beseitigen und zumindest das Begrenzen von bestehender Unsicherheit ist aber gerade ein Grund dafür, Regelungen – auch private Regelungen – zu schaffen, die eine unbestimmte Rechtslage operationalisierbar machen. Das gilt auch und besonders für IDW-Standards, wie die Ausführungen zur Entstehung des IDW gezeigt haben.30 Für die weitere Untersuchung der Geltung und Wirkung von IDW-Standards im Unternehmensrecht erscheint eine Behandlung dieser Erscheinungsformen privater Regelsetzung aus vier Gründen gewinnbringend: Sie zeigt – erstens – die Grenzen jenes Versuches auf, „quasi-verbindliche“ Regeln durch Private und ohne ein sie hinreichend legitimierendes Verfahren zustande kommen zu lassen. Aus existierenden Rezeptionsmechanismen lässt sich gewissermaßen ein Status quo des gesetzgeberischen Anforderungsprofils für die Inkorporation privater Regelsetzung nachzeichnen.31 Zweitens bereitet sie die Grundlage für die rechtsvergleichende Umschau, die den Umgang anderer Rechtsordnungen mit privat gesetzten Regelungen erhellen soll. Beides zusammen führt schließlich zu Überlegungen, den Umgang mit IDW-Standards nicht als Problem der Regelsetzung, sondern der Regelanwendung zu behandeln und seine Lösung darin zu suchen, die IDW-Standards in ihrem konkreten Funktionszusammenhang zu betrachten (dazu im 4. Kapitel). Damit verschiebt sich der Fokus der Untersuchung von der Geltung hin zur Wirkung von IDW-Standards. Viertens lohnt sich eine Betrachtung anderer Erscheinungsformen privater Regelsetzung für die Erwägung, Prüfungsstandards de lege ferenda staatlicher Kontrolle zu unterwerfen. Wie gezeigt wurde, fordert die Abschlussprüferrichtlinie eine solche Kontrolle bereits heute; das deutsche Recht sieht sie jedoch bislang nicht vor.32

29  Kapitel

2 B.I. 1 A.I.2. 31  Giebeler / Jaspers, Reform des Risikomanagements, S. 25. 32  Kapitel 1 C.II. 30  Kapitel



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung85

I. International Accounting Standard Board In Zeiten globalisierter Märkte ist der Versuch, das Bedürfnis nach Unternehmensinformation durch Rechnungslegung zu befriedigen, vor besondere Herausforderungen gestellt. Unternehmen verschiedenster Rechtsordnungen ringen um eine einheitliche bilanzielle Sprache, um den Abschlüssen ausländischer Unternehmen transaktionskostenminimal die notwendigen Informationen entnehmen zu können.33 Zudem ist der Zugang zu internationalen Märkten deshalb kompliziert, weil die betreffenden Börsen national veranstaltet werden: So ließ die New York Stock Exchange lange keine anderen Unternehmen zum Handel zu als solche, die nach US-GAAP bilanzierten.34 Seit 1973 entwickelte daher das IASC als privatrechtliche Organisation der Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer aus zehn Nationen Standards, die die Rechnungslegung vereinheitlichen und international vergleichbar machen sollten.35 Diese Entkoppelung der Rechnungslegungsregeln von hoheitlicher und damit territorial begrenzter Gesetzgebung hat immer mehr zugenommen, sich im Laufe der Jahre stark verändert und auch zu einer Umgestaltung und Umbenennung des IASC in IASB geführt.36 Die IAS / IFRS umfassen heute über 750 Seiten. Zudem gibt es einen Standard IFRS for SME, der im Vergleich mit den sogenannten Full-IFRS allerdings deutlich knapper ausfällt.37 Die IFRS kommen in einem zweistufigen Verfahren zustande: Der IASB veröffentlicht einen Standard, der dann durch ein Komitologieverfahren von den Institutionen der EU in eine Verordnung (VO EG 1606 / 2002) übernommen und so zu europäischem Sekundärgemeinschaftsrecht wird.38 Unter dem Gesichtspunkt, privat gesetzte Regelung zu sein, stellen sich im Falle der IFRS in erster Linie Fragen nach einem hinreichend legitimierten Normsetzungsprozess.39 Denn die Möglichkeiten, einen vom IASB zur Übernahme in die Verordnung vorgeschlagenen Standard zurückzuweisen, sind begrenzt. Positiv müssen die IFRS dem Prinzip des true and fair 33  Merkt,

in: Hopt / Merkt, Bilanzrecht, Einl. v. § 238 Rn. 111. FS Clemm S. 1, 7; Hohl, Private Standardsetzung, S. 131 f.; Merkt, in: Hopt / Merkt, Bilanzrecht, Einl. v. § 238 Rn. 111. 35  Adler / Düring / Schmaltz International, Abschn. 1 Rn. 1; Merkt, in: Hopt / Merkt, Bilanzrecht, Einl. v. § 238 Rn. 115 ff.; Wojcik, Die Internationalen Rechnungslegungsstandards, S. 64; Wüstemann / Wüstemann, in: GK-HGB, Anh. § 315a Rn. 10. 36  Merkt, in: Hopt / Merkt, Bilanzrecht, Einl. v. § 238 Rn. 118 ff. 37  Merkt, in: Hopt / Merkt, Bilanzrecht, Einl. v. § 238 Rn. 114. 38  Übersichtlich Lanfermann / Röhricht, BB 2008, 826 ff.; umfassend Wojcik, Die Internationalen Rechnungslegungsstandards, S. 71  ff.; Wüstemann / Wüstemann, in: GK-HGB, Anh. § 315a Rn. 2 ff. 39  Hohl, Private Standardsetzung, S. 162 ff. 34  Ballwieser,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

view,40 dem europäischen Interesse41 und den Kriterien der Verständlichkeit, der Erheblichkeit, der Verlässlichkeit und der Vergleichbarkeit genügen.42 Ein Standard darf nur dann zurückgewiesen werden, „wenn die Grundsätze und Auslegungen wesentliche Mängel aufweisen oder bestimmten Merkmalen nicht gerecht werden, die für das wirtschaftliche oder rechtliche Umfeld in der EU charakteristisch sind“.43 Mit Ausnahme weniger Vorschriften zum Hedge Accounting in IAS 39 hat die EU bislang alle Vorschläge des IASB übernommen,44 obwohl nicht in allen Fällen die Übernahmevoraussetzungen erfüllt waren,45 sodass sich die Frage aufdrängt, ob im Rahmen des Endorsementprozesses partikulare Interessen hinreichend zum Ausgleich gebracht werden und für eine notwendige Legitimation der Standards gesorgt ist.46 Mit der Übernahme der Standards in eine Verordnung haben die Regelungen den Status einer unmittelbar geltenden Rechtsvorschrift. Für den Rechtsanwender ergibt sich damit kein Unterschied zu anderen gesetzlichen Vorschriften, sofern man die IFRS nicht in Bausch und Bogen für Europarechts- und bzw. oder verfassungswidrig hält47 oder nach ihrer rechtlichen Relevanz vor dem Endorsement fragt.48

II. International Standards on Auditing In ähnlicher Weise verhält es sich mit den International Standards on Auditing (ISA). Die ISA werden vom „International Auditing and Assurance Wojcik, Die Internationalen Rechnungslegungsstandards, S. 139. dazu Wojcik, Die Internationalen Rechnungslegungsstandards, S. 143. 42  Art.  1 Abs.  2 VO EG 1606 / 2002. 43  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze, KOM(2001) 80, 3.3. 44  Hohl, Private Standardsetzung, S. 166; Wüstemann / Wüstemann, in: GK-HGB, Anh. § 315a Rn. 9. 45  Hennrichs, NZG 2005, 783, 785. 46  Nochmals Hohl, Private Standardsetzung, S. 162 ff. (zur Begründung der Legitimationsbedürftigkeit) und S. 185 ff. (tatsächliches Legitimationsniveau der IFRS, allerdings vor der Änderung des Endorsementprozesses 2008, durch die Verordnung 297 / 2008 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2008, ABl. L 97 / 62). 47  Der EuGH geht davon aus, dass Sekundärrechtsakte der EU solange wirksam sind, wie er sie nicht für nichtig erklärt hat, etwa EuGH, Urteil v. 13.2.1979, Rs. C-101 / 78 (Granada), EuGHE 1979, 623 ff.; a. A. hingegen teilweise das bilanzrechtliche Schrifttum in Deutschland, Schön BB 2004, 763, 767, zurückhaltender Hennrichs, NZG 2005, 783, 785; zur Problematik übersichtlich Hohl, Private Standardsetzung, S. 297 ff. 48  Zur Anwendung nicht freigegebener IFRS näher Pellens / Jödicke / Jödicke, BB 2007, 2503 ff. 40  Näher 41  Auch



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung87

Standards Board“ (IAASB), einem federführenden Gremium der Internationalen Vereinigung der Wirtschaftsprüfer (IFAC) entwickelt.49 In der Richtlinie 2006 / 43 / EG (Abschlussprüferrichtlinie) in der Fassung der Richtlinie 2008  /  30  /  EG wurde mit Art. 26 die Grundlage für die ISA-basierte Abschlussprüfung gelegt. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung durch das BilMoG in § 317 Abs. 5 und 6 HGB umgesetzt. Demnach hat der Abschlussprüfer bei der Abschlussprüfung die Internationalen Prüfungsstandards anzuwenden, die durch die Europäische Kommission in dem Verfahren nach Art. 26 der Abschlussprüferrichtlinie angenommen worden sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat ein Endorsement der ISA noch nicht stattgefunden. Eine Studie der Universität Duisburg-Essen postuliert aber, dass die Übernahme der ISA erhebliche Nutzeneffekte bringen könne und gesamtwirtschaftlich daher zu begrüßen sei.50 Die Abschlussprüferrichtlinie verweist hierzu auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle (Art. 48 Abs. 2a i. V. m. dem Beschluss 1999 / 468 / EG i.d.F. des Beschlusses 2006 / 512 / EG), das auch für das Endorsement der IAS / IFRS maßgeblich ist. Ebenfalls in diesem Zusammenhang steht die Verordnungsermächtigung des § 317 Abs. 6 HGB. Hiernach kann das Bundesjustizministerium ermächtigt werden, durch Verordnung über die ISA hinausgehende Rechtsvorschriften zu erlassen. Auch die Nichtanwendung der ISA kann unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmte Fälle vorgeschrieben werden. Das Gesetz (wie auch die Richtlinie) spricht dabei von Prüfungsanforderungen. Fraglich ist, was genau damit gemeint ist. Die Richtlinie unterscheidet in Art. 26 Abs. 3 und Erwägungsgrund 13 zwischen Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren. Eine Präzisierung fehlt. Die Unterscheidung ist indes nicht ohne Relevanz. Denn auf eine Erstreckung der Verordnungsermächtigung auf Prüfungsverfahren hat der deutsche Gesetzgeber mit der Begründung verzichtet, sie seien seit jeher vom Berufsstand selbst entwickelt worden.51 Hier stellen sich erneut Fragen: Zum einen will der deutsche Gesetzgeber offenbar die Entwicklung solcher Prüfungsverfahren weiterhin der Selbstregulierung des Berufsstandes überlassen. Dabei ist jedoch unklar, wie diese Selbstregulierung beschaffen sein soll. Denkbar ist hier entweder die rechtliche Satzungsermächtigung der WPO oder eine nicht rechtliche Aufforderung an das IDW. Zum anderen gilt es, näher herauszuarbeiten, wie weit eine nationale Standardisierung sowohl von Prüfungsanforderungen als auch 49  www.ifac.org.

50  Diese Studie der Universität Duisburg-Essen ist abrufbar unter ec.euro pa.eu / internal_market / auditing / docs / ias / study2009 / report_en.pdf, zusammenfassend auch Köhler / Böhm, WPg 2009, 997, 1003 f. 51  RegE BilMoG, BT-Drucks. 16 / 10067, S. 88.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

von Prüfungsverfahren überhaupt zulässig ist. Erwägungsgrund 13 der Abschlussprüferrichtlinie hebt hervor: „Um ein Höchstmaß an Harmonisierung zu verwirklichen, sollten die Mitgliedstaaten zusätzliche nationale Prüfverfahren vorschreiben oder Anforderungen nur aufstellen dürfen, wenn diese sich aus speziellen, durch den Umfang der Abschlussprüfung von Jahresabschlüssen oder konsolidierten Abschlüssen bedingten nationalen rechtlichen Anforderungen ergeben, d. h., wenn diese Anforderungen durch die bisher angenommenen internationalen Prüfungsstandards nicht abgedeckt werden.“ Und Art. 26 Abs. 3 der Abschlussprüferrichtlinie bestimmt konkret: „Die Mitgliedstaaten dürfen zusätzlich zu den (…) Internationalen Prüfungsstandards Prüfverfahren und Prüfungsanforderungen nur vorschreiben, wenn diese sich aus speziellen (…) Anforderungen des nationalen Rechts ergeben.“ Zulässig sind damit insbesondere normierte Anforderungen zur Prüfung nationaler Besonderheiten wie spezieller Regelungen für die Unternehmensleitung. Konkret kommen in Deutschland hier z. B. Prüfungsstandards für die Prüfung des Lageberichts52 oder des Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen53 bei der börsennotierten AG in Frage. Da die Abschlussprüferrichtlinie bereits seit 2006 in Kraft ist, wäre der deutsche Gesetzgeber auch schon vor Inkrafttreten des BilMoG nicht gehindert gewesen, eine entsprechende Verordnungsermächtigung zur Regelung konkreter Bilanzierungsfragen zu erlassen. Genutzt wurde diese Möglichkeit nicht. Regelungen zu Einzelfragen bestehen bisher vor allem in Form von Verlautbarungen des IDW. Für die Prüfung des Lageberichts liegt mit IDW PS 350, für die des Risikofrüherkennungssystems mit IDW PS 340 ein entsprechender Standard vor.

III. Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Das Bundesjustizministerium ist gem. § 342 Abs. 1 HGB ermächtigt, eine private Einrichtung durch Vertrag anzuerkennen und ihr unter anderem die Aufgabe zu übertragen, Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung zu entwickeln. Gem. § 342 Abs. 2 HGB wird bei Beachtung dieser Empfehlungen, wenn sie zuvor vom Bundesjustizministerium bekannt gemacht worden sind, vermutet, dass auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GOB), soweit sie die Konzernrechnungslegung betreffen, beachtet wurden. Anders als im Falle der IFRS und ISA wird eine privat gesetzte Regelung hier folglich nicht in eine vorgesehene gesetzgeberische Handlungsform integriert, indem sie Bestandteil einer Verordnung wird. Stattdessen wird eine besondere Form der Rechtsvermutung eingeführt. 52  § 289 53  § 91

HGB i. V. m. §§ 316 Abs. 1, 317 Abs. 3 HGB. Abs. 2 AktG i. V. m. § 317 Abs. 4 HGB.



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Für eine Untersuchung der Geltung und Wirkung von IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzungsinitiative empfiehlt es sich deshalb, die Funktionsweise dieses Inkorporationsmechnismus zu berücksichtigen. 1. Das DRSC Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee ist ein eingetragener Verein (e. V.) deutschen Rechts mit Sitz in Berlin,54 der 1998 mit diesem Ziel gegründet wurde.55 Ein entsprechender Standardisierungsvertrag wurde am 3.9.1998 zwischen dem DRSC und dem Bundesjustizministerium geschlossen. Nachdem dieser Vertrag im Jahr 2010 durch das DRSC gekündigt worden war, weil dessen Finanzierung nicht mehr gesichert war,56 gelang letztlich doch eine Neustrukturierung und schlussendlich auch am 2.12.2011 der Abschluss eines neuen Standardisierungsvertrages.57 Der Vertrag58 enthält einige Vorgaben zu Organisation und Verfahren des DRSC. Bei der Zusammensetzung von Gremien ist darauf zu achten, dass die Interessen der Bilanzaufsteller, Bilanzprüfer und Bilanznutzer gewahrt werden. Mitglied im Standardisierungsgremium oder in den Arbeitsgruppen dürfen nur „Rechnungsleger“ sein. Vorgeschrieben ist, dass Rechnungslegungsstandards zunächst als Entwurf verabschiedet und mit einer Frist zur Stellungnahme (sechs Wochen) veröffentlicht werden müssen. Die Stellungnahmen müssen ausgewertet und wesentliche Einwendungen und Änderungsvorschläge in öffentlicher Diskussion erörtert werden. Sodann muss der überarbeitete Entwurf erneut öffentlich gemacht werden, wiederum mit einer Frist zur Stellungnahme (vier Wochen). Mitglied im DRSC kann jede juristische Person und jede Personenvereinigung werden, die der gesetzlichen Pflicht zur Rechnungslegung unterliegt oder sich mit der Rechnungslegung befasst.59 Die Mitglieder werden in fünf Segmente eingeteilt: kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen und Verbände (Segment „A“); nicht kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen und Verbände (Segment „B“); Banken und Verbände (Segment „C“); Versicherungen und Verbände (Segment „D“); Wirtschaftsprüfung und Verbände (Segment „E“). Diese Einteilung wirkt sich etwa bei der Besetzung des Verwaltungsrats aus. Zur Wahl stehen nur Mitglieder, die zuvor in seg54  § 1

DRSC-Satzung, abrufbar unter www.drsc.de. Entstehungsgeschichte Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 33 ff. 56  Zwirner, StuB 2010, 627 ff. 57  Dazu der Jahresbericht 2011 des DRSC, S. 4  ff., S. 7, abrufbar unter www. drsc.de. 58  Abrufbar unter www.drsc.de. 59  § 4 Abs. 1 DRSC-Satzung. 55  Zur

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

mentinternen Wahlen ermittelt wurden. Aus Segment A wählt die Hauptversammlung 10 Personen in den Verwaltungsrat, aus den Segmenten B und D jeweils zwei Personen, aus den Segmenten C und E jeweils drei Personen.60 Außerdem wählt die Mitgliederversammlung einen Nominierungsausschuss, der aus sieben Angehörigen des DRSC besteht. Dabei muss jedes Segment mindestens einmal vertreten sein.61 Der Verwaltungsrat wählt auf Vorschlag des Nominierungsausschusses die Mitglieder der Fachausschüsse auf fünf Jahre. Mitglied eines Fachausschusses kann nur werden, wer besondere Fachkompetenz und Erfahrung auf dem Gebiet der Rechnungslegung besitzt.62 Die Fachausschüsse sind zuständig für die Erstellung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne von § 315a HGB, von Rechnungslegungsstandards im Sinne von § 342 HGB, von Stellungnahmen gegenüber nationalen und internationalen Adressaten zu Fragen der Rechnungslegung sowie von Diskussionspapieren, sonstigen Stellungnahmen und Veröffentlichungen.63 Die Fachausschüsse tagen in öffentlicher Sitzung, auch bei der Beschlussfassung von Standards.64 2. Bekanntmachung der DRS durch das Bundesjustizministerium Die vom DRSC beschlossenen Standards (DRS) erlangen die Wirkung, dass ihre Beachtung zur Vermutung der GoB-konformen Konzernabschluss­ aufstellung führt, nur dann, wenn das Bundesjustizministerium sie bekannt macht. Zwar soll nach der Begründung der Beschlussempfehlung zum KonTraG die Veröffentlichung entwickelter Standards auch auf andere Weise als durch das Bundesjustizministerium möglich sein. Dann jedoch würde ihnen, heißt es dort, die Vermutungswirkung nicht zukommen.65 Für die Möglichkeit einer anderen Bekanntmachung, etwa auf der Webseite des DRSC selbst, spricht, dass das Gesetz gerade kein zwingendes Bekanntmachungsverfahren vorschreibt. Doch legt es seinem Wortlaut nach zwingend fest, dass die Vermutungswirkung auf keine andere Weise als durch die ministerielle Bekanntmachung erzeugt werden kann. Sie ist deshalb das entscheidende Element im Prozess der Entstehung von DRS, das ihnen normative Geltungskraft verleiht.

60  § 10

Abs. 2 Abs. 1 62  § 19 Abs. 1 63  § 20 Abs. 1 64  § 20 Abs. 2 65  BT-Drucks. 61  § 13

DRSC-Satzung. DRSC-Satzung. DRSC-Satzung. DRSC-Satzung. und Abs. 3 DRSC-Satzung. 13 / 10038, S.  27.



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3. Wirkung der Bekanntmachung Nach dem Wortlaut des § 342 Abs. 2 HGB haben die bekannt gemachten Standards die Wirkung, dass im Falle ihrer Befolgung der Konzernabschluss des Anwenders als in Übereinstimmung mit den GoB aufgestellt vermutet wird. Das allerdings impliziert nicht notwendigerweise, dass sich ihr Inhalt auch tatsächlich mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung deckt, die Standards selbst also GoB sind.66 Denn es besteht auch die Möglichkeit, dass nur die Ordnungsmäßigkeit der Konzernrechnungslegung im jeweiligen Einzelfall vermutet wird, und zwar selbst dann, wenn die Standards den GoB in Wahrheit nicht entsprechen.67 Der Wortlaut der Norm legt dies sogar nahe. Die Frage ist für jene nach der Vermutungswirkung, die den DRS durch die Bekanntmachung zuteil wird, von erheblicher Relevanz. Soll die Vermutung sich auch auf den Inhalt der DRS beziehen, ließe sich dies als abstrakt-genereller Ansatz bezeichnen: Bekannt gemachte Standards wären zulässige Konkretisierungen von GoB. Ein anderer Ansatz, den man entsprechend als konkret-individuell bezeichnen kann, ließe hingegen den Inhalt der GoB völlig unberührt: Es würde nicht vermutet, dass die DRS eine zulässige Konkretisierung der GoB seien, sondern lediglich die Ordnungsmäßigkeit der Konzernrechnungslegung im konkreten Einzelfall. Beide Ansätze zeitigen disparate Folgen. a) Abstrakt-genereller Wirkungsansatz: Konkretisierung von GoB Wenn die DRS eine direkte Auswirkung auf den Inhalt von GoB haben sollen, so ist zur genaueren Bestimmung dieser Auswirkung erforderlich zu klären, was GoB sind. Die Rechtsnatur von GoB ist zwar umstritten, nach ganz überwiegender und auch hier vertretener Ansicht handelt es sich jedoch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt überwiegend gesetzlich kodifiziert ist, aber teilweise aus ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen besteht und der deduktiv zu ermitteln ist.68 GoB geben somit nicht nur eine tatsächlich geübte Praxis wieder (induktiver Ansatz), sondern haben normativen Gehalt. Folglich hätten die DRS eine normkonkretisierende Funktion. Problematisch erscheint dann allerdings, dass § 342 Abs. 2 HGB den DRS lediglich den Charakter einer Vermutung zuschreibt. Denn die Konzeption 66  Anders aber Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 86: „Für die Beurteilung von 342 Abs. 2 HGB bedeutet das, dass die Konzernrechnungslegungsgrundsätze (…) nach dem Gesetz die Vermutung für sich haben, „Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung“ zu sein.“ Ebenso Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 342 Rn. 2. 67  So wohl auch Schwab, in: GK-HGB, § 342 Rn. 84. 68  Oben Kapitel 2 C.III.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

der gesetzlichen Vermutung ist eine Kategorie des Beweisrechts, die das Vorliegen von Tatsachen unterstellt.69 Es gibt aber auch gesetzliche Rechtsvermutungen. Sie sind dann gegeben, wenn eine Vorschrift anordnet, dass aus dem Vorliegen bestimmter Tatsachen auf eine materielle Rechtslage zu schließen ist; beispielsweise wird gem. § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch ihr Eigentümer sei.70 Davon ausgehend würde gem. § 342 Abs. 2 HGB dann das Vorliegen von GoB vermutet, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Zieht man nun abermals die Parallele zu § 1006 BGB, zeigt sich jedoch ein struktureller Unterschied: Dort muss, um die Vermutungswirkung zu beseitigen, nicht die Besitzlage (Tatbestand) widerlegt werden; gelingt das, wäre die Rechtsfolge der Eigentumsvermutung ohnehin obsolet. Die Widerlegbarkeit bezieht sich vielmehr auf die Rechtsfolge: Unabhängig von der Besitzlage ist der Beweis der wirklichen Eigentumslage zulässig. Übertragen auf § 342 Abs. 2 HGB hieße das den Beweis zu führen, die DRS seien nicht GoB.71 Wenn aber die DRS normkonkretisierende Wirkung haben, sie also selbst festlegen können, was GoB sind, gelingt dies nicht. Zu beweisen wäre die inhaltliche Unvereinbarkeit von GoB und DRS, was aber die Vermutungswirkung gerade ausschließt. Die Verknüpfung von Vermutung und Konkretisierung erweist sich hier als perplex.72 Dem kann nicht ohne Weiteres mit dem Einwand begegnet werden, dies wäre im Falle der aus dem Verwaltungsrecht bekannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nicht anders, weil ihre Geltung mit dem Vortrag eingeschränkt werden kann, es läge ein atypischer Sachverhalt vor oder sie seien veraltet.73 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften sind grundsätzlich Verwaltungsinnenrecht, sie werden von einer staatlichen Stelle gegenüber einer nachgeordneten Behörde erlassen und dienen der Ausführung von Gesetzen i. S. d. Art. 83 GG durch eben diese adressierte Behörde.74 Im Außenverhältnis erlangen sie nur ausnahmsweise Wirkung, nach tradierter Auffassung etwa dann, wenn der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 69  Hommelhoff / Schwab,

BFuP 1998, 38, 42. Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 192; Ebke, ZIP 1999, 1193, 1202. 71  So zutreffend Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 193. 72  So auch Berberich, Ein Framework für das DRSC, S. 128: „Technisch verstanden ergäbe § 342 II HGB keinen widerspruchsfreien Sinn.“ 73  BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, Az. 7 C 21 / 00, NVwZ 2001, 1165, 1166; Hill, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34 Rn. 44; enger aber, nur bezogen auf ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, Ruffert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 75. 74  Berberich, Ein Framework für das DRSC S. 133; Schwab, in GK-HGB, § 342 Rn. 88. 70  Augsberg,



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung93

GG es im Interesse einer willkürfreien Verwaltungspraxis zugunsten des Bürgers verlangt.75 Zwar kann dieser Ansatz inzwischen als überholt bezeichnet werden. Vorgebracht wird stattdessen, der Bürger könne darauf vertrauen, dass Behörden die von ihnen erlassenen Verwaltungsvorschriften auch beachten, woraus sich allein zwingend die Außenwirkung ergäbe.76 Noch weitergehend ist die in der Literatur vertretene Meinung, die der Exe­ kutive in ihrem Funktionsbereich eine originäre Rechtsetzungskompetenz zuspricht und diesem Administrativrecht unmittelbar Außenwirkung zuerkennt.77 Schließlich hat auch das BVerwG sich auf den Standpunkt gestellt, die normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift sei im Außenverhältnis jedenfalls dann verbindlich, wenn der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum zukomme.78 Doch ist allen Ansätzen gemein, dass sie stets den Vollzug eines Gesetzes, zu welchem die Behörde verpflichtet ist,79 als Ausgangspunkt haben. Hinzu treten muss ferner, dass der Behörde hierbei gerade ein Handlungsspielraum zusteht. So besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass zwar normkonkretisierende und ermessensleitende Verwaltungsvorschriften Außenwirkung haben können, nicht aber norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, weil die Behörde bei ihrem Gesetzesvollzug diesen Spielraum gerade nicht hat.80 Dass sich beides voneinander im Einzelfall schwer abgrenzen lässt, steht auf einem anderen Blatt. Aufgabe normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ist es damit, einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug herzustellen.81 Ein beachtlicher Bereich des Staatshandelns, insbesondere gegenüber dem Bürger, wird durch die Exekutive wahrgenommen, ihr Handlungs- und Gestaltungsauftrag ist dabei verfassungsrechtlich vorgegeben und folgt zugleich aus funktionstypischen Besonderheiten des Verwaltungsrechts.82 Damit lässt sich ohne weiteres 75  Maurer,

VerwR AT, §  24 Rn.  21 ff. m. w. Nachw. näher Maurer, VerwR AT, § 24 Rn. 24 m. w. Nachw. 77  Ruffert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 69. Zum Meinungsstand auch Maurer, VerwR AT, § 24 Rn.  21 ff. m. w. Nachw. 78  BVerwG, Urteil v. 29.8.2007, Az. 4 C 2 / 07, NVwZ 2008, 76; BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, Az. 7 C 21 / 00, NVwZ 2001, 1165; BVerwG, Urteil v. 20.12.1999, Az. 7 C 15 / 98, NVwZ 2000, 440. 79  Hill, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34 Rn. 39 m. w. Nachw. 80  Hill, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34 Rn. 40 ff.; Ruffert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 74. 81  BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, Az. 7 C 21  / 00, NVwZ 2001, 1165; BVerwG, Urteil v. 20.12.1999, Az. 7 C 15 / 98, NVwZ 2000, 440. 82  Hill, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34 Rn. 1. 76  Dazu

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

begründen, dass normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften nur für typische Fälle Außenwirkung entfalten: Verhindert werden soll willkürliches Behördenhandeln gegenüber dem Bürger, sichergestellt werden soll die Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte. Es wird das typische behördliche Verhalten bei Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsnorm deshalb prozedural präformiert. Da die Verwaltung die Gesetze „in eigener Angelegenheit“ (Art. 83 GG) ausführt, steht ihr hier eine gewisse Entscheidungsprägorative bezüglich der konkreten Ausführung zu.83 Diese wird auch von den Gerichten beachtet, weshalb nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle stattfindet. Mit der Vermutung der GoB-Konformität des § 342 Abs. 2 HGB bestehen daher nur eingeschränkt Gemeinsamkeiten. Sie ist ausdrücklich angeordnet, dient nicht dem exekutiven Gesetzesvollzug, sondern gilt, wenn sie sich auf den materiellen Gehalt der GoB auswirkt, unmittelbar im Außenverhältnis. Andererseits entfaltet dieses Verwaltungsinnenrecht in Form normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger Wirksamkeit nur im konkreten Einzelfall. Es hat damit keinen abstrakt-generellen Steuerungsanspruch im Außenverhältnis. Einen solchen Steuerungsanspruch müsste man aber § 342 Abs. 2 HGB entnehmen, wenn die DRS selbst durch die Bekanntmachung des Bundesjustizministeriums GoB darstellen sollen. Auch insoweit wären DRS und normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften also nicht vergleichbar, wenn mit dem materiellen Ansatz eine direkte Auswirkung der Standards auf die GoB apostrophiert wird. b) Konkret-individueller Wirkungsansatz: Beachtung der DRS begründet Vermutung für Befolgung von GoB Die Probleme lassen sich reduzieren, wenn man § 342 Abs. 2 HGB beim Wortlaut nimmt und nicht mehr als die Vermutung herausliest, dass der unter Beachtung der DRS aufgestellte Konzernabschluss GoB-konform sei. So gesehen erscheint auch der Vergleich mit normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften weniger problematisch. Wie dort ließe sich die Richtigkeitsvermutung mit dem Einwand entkräften, es läge ein atypischer Sachverhalt vor, für den die Aussagen des jeweiligen Standards nicht passten. Neben dem Gesetzeswortlaut spricht auch die Gesetzessystematik gegen das Verständnis, die DRS hätten unmittelbar Einfluss auf den Inhalt von GoB. Denn § 342 Abs. 1 Nr. 1 HGB erlaubt die Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung, nicht 83  F. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, 65. EL, 2012, Art. 83 Rn. 137 und zur Verkürzung dieses Spielraums durch engmaschige, regelförmige Normausgestaltung durch den Bund Rn. 10.



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aber die Entwicklung von Empfehlungen, was Grundsätze über die Konzernrechnungslegung seien, wohingegen § 342 Abs. 1 Nr. 4 HGB seit Inkrafttreten des BilMoG zur Erarbeitung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS  /  IFRS ermächtigt. Ein sachlicher Grund, weshalb hier verschiedene Formulierungen gewählt wurden, kann nur darin bestehen, dass Unterschiedliches mit „Empfehlungen zur Anwendung“ einerseits und „Interpretationen“ andererseits gemeint war. „Empfehlungen zur Anwendung“, so könnte man deshalb abgrenzen, betreffen die prozedurale Umsetzung der Inhalte von „Grundsätzen über die Konzernrechnungslegung“, „Interpretationen“ die inhaltlichen Aussagen (hier der IAS / IFRS). Das entspricht etwa der Unterscheidung von normkonkretisierenden und norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften im oben dargelegten Verständnis. In diesem Sinne lässt sich auch der Inhalt von § 4 Abs. 3 Standardisierungsvertrag verstehen. Er lautet: „Beim Erarbeiten von Standards ist darauf zu achten, dass sie nicht im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen. Eine sinnvolle Weiterentwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ist damit nicht ausgeschlossen. Satz 1 gilt für Interpretationen entsprechend.“ Die gesetzliche Vorgabe zur Entwicklung von Anwendungsempfehlungen und das ausdrückliche Votum des Standardisierungsvertrages für die Möglichkeit der Weiterentwicklung der GoB lässt sich rechtlich nur sinnvoll in Einklang bringen, wenn die angesprochene Weiterentwicklung von GoB nicht so verstanden wird, dass auch eine Neuentwicklung von GoB zulässig ist, sondern dass mit den entwickelten Empfehlungen neuartige Probleme auf ihrer Grundlage gelöst werden sollen.84 Über seinen klaren Wortlaut kann sich der Standardisierungsvertrag nicht hinwegsetzen. Eine Durchsicht der DRS zeigt jedoch, dass das DRSC selbst diese Ansicht nicht zu teilen scheint. Einführend heißt es hier regelmäßig wörtlich: „Der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) hat den Auftrag, Grundsätze für eine ordnungsmäßige Konzernrechnungslegung zu entwickeln (Hervorhebung durch Verf.), den Gesetzgeber bei der Fortentwicklung der Rechnungslegung zu beraten und die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Rechnungslegungsgremien zu vertreten.“ c) Konsequenzen für die Widerlegbarkeit der Vermutung Die formelle Sichtweise hat demnach einige gewichtige Vorzüge. Mit ihr lassen sich erstens logische Brüche vermeiden, die bei dem Versuch entstehen, Normkonkretisierung und Vermutungswirkung auf einen Nenner zu 84  Schwab,

in: GK-HGB, § 342 Rn. 35.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

bringen. Zweitens vermag sie die angeordnete Vermutungswirkung zu erklären: Nicht die zulässige Normkonkretisierung wird vermutet, sondern die Ordnungsmäßigkeit der einzelnen Konzernbilanz. Es bleiben jedoch auch hier Einzelheiten unklar. So lässt sich mit der einzelfallbezogenen Sichtweise die genaue Wirkung der DRS nach Bekanntmachung ohne den Bezug zum konkreten Einzelfall nicht erklären. Im Verwaltungsrecht ist dies anders; dort haben normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften ihren eigentlichen Auftrag in der verwaltungsinternen Steuerung. Nur so viel steht fest: Die innere Legitimation der Vermutung für die Konformität des Abschlusses mit den GoB besteht auf irgendeine Weise in den DRS, obwohl sie ohne direkten Einfluss auf den Inhalt von GoB bleiben. Letztlich muss § 342 Abs. 2 HGB wohl nicht als Ermächtigungsnorm, sondern als dynamische Verweisung auf die Standards des DRSC verstanden werden,85 aber mit zwei Besonderheiten: Erstens bedürfen sie, um an der Verweisungswirkung teilzunehmen, der Publikation durch das Bundesjustizministerium. Damit ist die elementare Voraussetzung für die Gültigkeit von Rechtsregeln, dass sie zugänglich sein müssen,86 gesichert. Zweitens ist ihre Wirkung aber nur eine Richtigkeitsvermutung. In diesem Zusammenspiel stellt das ein Novum im Kanon der durch den Gesetzgeber verwendeten Regulierungsstrategien dar. Möglicherweise ist hierin der Versuch des Gesetzgebers zu erkennen, das weitgehende Verbot dynamischer Verweisungen, wie es das BVerfG festgestellt hat,87 zu umgehen. Ob dieser Versuch gelingt, ist zweifelhaft, aber nicht ausgeschlossen. Entscheidende Bedeutung erlangt somit die Frage nach dem Zustandekommen der Regeln und die Überwachung dieses Prozesses. In Rede stehen hier die Kontrollbefugnisse des Bundesjustizministeriums vor der Bekanntmachung der DSR. 4. Auswirkung auf die Konzernabschlussprüfung Die Konsequenzen des Vorhandenseins von DRS für die Konzern­ abschlussprüfung werden in der Literatur allenfalls als Randaspekt behan85  Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 64. 86  BVerfG, Beschluss v. 24.5.1977, Az. 2 BvL 11  / 74, NJW 1977, 2255 f.; im Hinblick auf private Regeln Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 288 f.; insofern aus schweizerischer Perspektive Bühler, Regulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 54, der auf S. 65 allerdings darauf hinweist, dass eine Publikation privater Normen in den offiziellen Gesetzessammlungen in der Schweiz aber ausscheidet. 87  BVerfG, Beschluss v. 1.3.1978, Az. 1 BvR 786 / 70, NJW 1978, 1475, 1476 f.; Beschluss v. 14.06.1983, Az. 2 BvR 488 / 80, NJW 1984, 1225 f.; BGH, Urteil v. 28.11.1994, Az. II ZR 11 / 94, NJW 1995, 583, 585 (obiter).



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung97

delt.88 Nur selten werden sie im Zusammenhang mit der Frage nach dem Umfang der Konzernabschlussprüfung überhaupt erwähnt.89 Soweit die Bedeutung für den Konzernabschlussprüfer untersucht wird, ist Kern der Auseinandersetzung, ob die Befolgung oder Nichtbefolgung Einfluss auf die Pflicht zur Erteilung oder Versagung des Bestätigungsvermerkes gem. § 322 HGB hat oder ob sie jedenfalls Niederschlag im Prüfungsbericht gem. § 321 HGB finden muss. Dabei wird in Anlehnung an IDW PS 201 danach differenziert, ob die DRS über das Gesetz hinausgehen, hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückbleiben oder offene Tatbestände konkretisieren. a) Konsequenzen für Bestätigungsvermerk und Prüfungsbericht Einigkeit besteht darin, dass DRS, die über das Gesetz hinausgehen, nicht zur Einschränkung des Bestätigungsvermerks wegen Nichtbefolgung führen dürfen.90 So verlangt DRS 4 weitergehende Anhangangaben als das Gesetz.91 Auch bleibt es für den Bestätigungsvermerk ohne Konsequenz, wenn gesetzliche Wahlrechte eingeschränkt werden. Die Frage stellte sich vor Inkrafttreten des BilMoG, weil § 308 a. F. HGB ein Wahlrecht zum Ansatz aktiver latenter Steuern enthielt, DRS 10 hingegen einen Ansatz verpflichtend vorsah. Gegenwärtig werden durch DRS keine Wahlrechte eingeschränkt.92 Nicht einheitlich beurteilt wird allerdings, ob entsprechende Abweichungen im Prüfungsbericht zu vermerken sind. Einige Stimmen sprechen sich für einen entsprechenden Hinweis aus, bleiben eine Begründung aber schuldig.93 Nach anderer Ansicht – ebenfalls ohne dezidierte Begründung – können die Vorgaben von DRS keinerlei Auswirkungen auf den Prüfungsbericht haben.94 Dieser Ansicht ist nur teilweise zuzustimmen. Das DRSC hat keine Kompetenz, weitergehende Anhangangaben zu verlangen als das Gesetz. Dementsprechend ist Standards mit überschießendem Inhalt die Gefolgschaft insoweit grundsätzlich zu verweigern. Allerdings 88  Knapp dazu Bertram / Brinkmann, in: Bertram  /  Brinkmann, §  317 Rn.  47; Ebke / Paal, in: MK-HGB; § 342 Rn. 25; Förschle, in: BeckBilKomm, § 342 Rn. 19; Knorr, in: Haufe, § 342 Rn. 14 f.; Lüdenbach / Hoffmann, § 342 Rn. 13; Merkt, in: Baumbach / Hopt, §  342 Rn.  2. 89  Bertram / Brinkmann, in: Bertram  / Brinkmann, § 317 Rn. 47; Lüdenbach / Hoffmann, § 317 Rn. 10. 90  Lüdenbach / Hoffmann, § 342 Rn. 13; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 342 Rn. 2. 91  Lüdenbach / Hoffmann, § 342 Rn. 13. 92  Förschle, in: BeckBilKomm, § 342 Rn. 19. 93  Burg / W. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 321 Rn. 143; Förschle, in: BeckBilKomm, § 342 Rn. 19; Knorr, in: Haufe, § 321 Rn. 96; Lüdenbach / Hoffmann, § 342 Rn. 13. 94  Ebke / Paal, in: MK-HGB; § 342 Rn. 25.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

dient der Prüfungsbericht nicht der Information nach außen, er richtet sich an die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, den Aufsichtsrat, die Konzernobergesellschaften.95 Hinweise im Prüfungsbericht auf die Nichtbefolgung vermeintlich rechtlich zulässiger Vorgaben können folglich keine vergleichbare stigmatisierende Wirkung haben, wie sie ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk verursachen kann. Vielmehr soll umfassend über die einzelnen Posten, die ihnen zugrunde liegenden Bewertungsgrundlagen und Bewertungsmethoden sowie die Ausnutzung von Ermessens- und Sachverhaltsgestaltungsspielräumen „nach innen“ informiert werden.96 Das Nichtbefolgen eines DRS ist eine Information, die sich auf den Konzernabschluss auswirken kann. Deshalb ist es grundsätzlich zutreffend, dass über sie im Prüfungsbericht an Vorstand und Aufsichtsrat zu berichten ist. Allerdings wäre die Information unvollständig, würde nicht auch über die Gründe einer Abweichung berichtet. Zulässig und erforderlich ist deshalb der Hinweis, dass ein DRS gerade deshalb nicht befolgt wurde, weil er mit dem Gesetz unvereinbar ist. Etwas anderes gilt allerdings für DRS, die in zulässiger Weise gesetzliche Vorgaben präzisieren. Wird von ihnen abgewichen, greift die Vermutung des § 342 Abs. 2 HGB für die Richtigkeit des Konzernabschlusses nicht ein. Zugleich führt eine entsprechende Nichtbefolgung jedoch nicht automatisch zur Fehlerhaftigkeit des Konzernabschlusses. Vielmehr hat der Abschlussprüfer in diesem Fall gesondert zu prüfen, ob der gewählte Bilanzierungsweg nach dem Gesetz ebenfalls zulässig ist. Sofern dies der Fall ist, sollte beides – das Abweichen und die Zulässigkeit der Abweichung – sowohl im Bestätigungsvermerk als auch im Prüfungsbericht festgehalten werden. b) Konsequenzen für den Prüfungsmaßstab Bisher nicht diskutiert wird, ob die Erfüllung der Vorgaben eines DRS den Abschlussprüfer davon dispensieren, die Vereinbarkeit des jeweiligen Konzernabschlusses mit dem Gesetz zu prüfen, weil die Vermutungswirkung des § 342 Abs. 2 HGB dies überflüssig machen könnte. Dadurch würden sich die Prüfungsanforderungen insofern verschieben, als im Geltungsbereich eines DRS an die Stelle der Prüfung auf die Vereinbarkeit mit dem Gesetz die der Vereinbarkeit allein mit dem Standard treten würde. Die DRS erhielten hier ihre praktisch wichtigste Funktion, weil die Abschlussprüfung faktisch in den meisten Fällen die letzte Prüfungsinstanz ist.97 Die 95  Burg / W.

Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 321 Rn. 7. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 321 Rn. 6 ff.; Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 563, 568 ff. 97  Dazu unten Kapitel 4 B.IV. 96  Burg / W.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung99

Antwort sollte hier differenzieren, weil die DRS je nach Thema des Standards unterschiedliche Ziele verfolgen und damit auch disparate Funktionen haben. Der Fokus liegt teilweise auf der inhaltlichen Konkretisierung bestimmter, aber offener Tatbestandsmerkmale (z. B. dem Merkmal Kapitalflussrechnung), dann wieder auf der themenbezogenen Entwicklung von Rechnungslegungsempfehlungen (z. B. bei Unternehmenskäufen). Die Lücke, die der DRS hier jeweils schließen soll, ist dabei verschieden rechtlich präformiert. Rechtlicher Ausgangspunkt der Differenzierung ist insofern die Prüfungspflicht aus § 316 Abs. 1 HGB selbst und ihr Verhältnis zu § 342 Abs. 2 HGB. Ihr Kernbereich ist die Erfüllung einer Kontrollfunktion98 die darauf gerichtet ist, die Rechtmäßigkeit der Rechnungslegung zu gewährleisten. Zu prüfen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes deshalb, ob der Jahres- und Konzernabschluss sowie die jeweiligen Lageberichte mit den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben in Einklang stehen (§ 317 Abs. 1 S. 2 HGB).99 Diese gesetzliche Aufgabenzuweisung vermag das DRSC nicht abzuändern. Das Vorliegen eines einschlägigen DRS allein entbindet den Abschlussprüfer deshalb nicht – auch nicht teilweise – von seiner Prüfungspflicht. Letztlich konfligieren hier somit nur § 342 Abs. 2 HGB und § 317 Abs. 1 HGB. Die Normen haben dabei aber nur partiell sich überschneidende Regelungsbereiche. Während § 317 Abs. 1 HGB eine umfassende, tätigkeitsbezogene Pflicht normiert, enthält § 342 Abs. 2 HGB eine zustandsbezogene Vermutung für GoB-Konformität. Die Einhaltung anderer bilanzrechtlicher Vorschriften, die nicht zu den GoB zählen, etwa Ansatzverbote, konkrete Gliederungsvorgaben oder satzungsmäßige Vorgaben ist von der Vermutungswirkung gerade nicht erfasst. Schon die Unterschiede zwischen der Prüfungspflicht und der Zustandsvermutung lassen Zweifel daran aufkommen, ob § 342 Abs. 2 HGB tatsächlich den Prüfungsumfang einschränken soll. Diese Zweifel werden durch die Tatsache verstärkt, dass mit der (rechtlich kaum erklärbaren100) Zustandsvermutung expressis verbis kein abschließendes Urteil über die GoB-Konformität des Abschlusses getroffen ist. Nimmt man die oben beschriebene Aufgabenbeschränkung im Standardisierungsvertrag auf die Weiterentwicklung der GoB, die aber nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen darf, hinzu, lassen sich für die angemahnte Differenzierung erste Kriterien entwerfen: § 342 Abs. 2 HGB darf nicht ganz ohne Wirkung bleiben; das DRSC kann nicht 98  Näher auch zu weiteren Funktionen Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, Vor § 316 Rn. 1; Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 563, 565 ff.; W. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 316 Rn. 4. 99  Ebke, in: MK-HGB, §  317 Rn. 7; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 317 Rn. 1; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 317 Rn. 3; Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 563, 565 ff. 100  Dazu oben C.III.3.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

den gesetzlichen Auftrag an den Abschlussprüfer ändern; ihm kommt in erster Linie dort Bedeutung zu, wo das Gesetz Präzisierungsmöglichkeiten eröffnet, weil es eine geringe formale Realisierbarkeit aufweist. Mit aller Zurückhaltung bietet sich daher beispielhaft folgende Differenzierung an: Geht es um die Konkretisierung von Einzelfragen, die im Gesetz offen gelassen sind, würde eine vollumfängliche Kontrolle die Vermutungswirkung des § 342 Abs. 2 HGB überflüssig machen. Hierzu zählt etwa DRS 5 zur Risikoberichterstattung. Dieser ergänzt DRS 15 zur Lageberichterstattung. Inhaltlich befassen sich die Empfehlungen mit Fragen der konkreten Umsetzung der gesetzlich sehr allgemein formulierten Berichterstattungspflicht. Nichts anderes gilt für DRS 2 zur Kapitalflussrechnung. Folglich muss der Abschlussprüfer hier die Zulässigkeit der gewählten Bilanzierungsweise nicht nochmals dergestalt am Gesetz messen, dass er selbst deduzierend tätig wird. Er wird aber trotzdem noch auf eine mögliche Atypizität des Sachverhalts prüfen müssen, sodass gegebenenfalls festgestellt werden kann, ob der Standard im Einzelfall nicht auf ihn passt.101 Anders ist jedoch im Falle umfassender themenbezogener Vorgaben zu entscheiden, wie sie etwa DRS 4 macht. DRS 4 strukturiert und systematisiert Bilanzierungsfragen, die sich stellen, wenn Unternehmen durch konzernabschlusspflichtige Gesellschaften erworben werden. Viele der Empfehlungen geben dabei vor allem den Inhalt des Gesetzes wieder, sodass ein besonders großer Nutzen des Standards nicht in der Konkretisierungsleistung, sondern in der Systematisierungsleistung besteht. Denn anders als das Gesetz bietet der Standard einen themenorientierten Aufbau, der es ermöglicht, abstraktgenerelle Gesetzesvorgaben, die für den konkreten Sachzusammenhang keine Rolle spielen, außer Betracht zu lassen. Da – um im Beispielsfall zu bleiben – im Anwendungsbereich des Standards DRS 4 ungleich mehr konkrete recht­ liche Vorgaben bestehen als etwa im Themenkomplex der Risikoberichterstattung oder der Kapitalflussrechnung, andererseits die Empfehlungen aufgrund des Fokus auf die themenspezifische Systematisierung aber weniger ins Detail gehen, ist die Spanne möglicher, weil rechtlich nicht vorgegebener Entscheidungen hier begrenzter und kann die Vermutungswirkung schon deshalb lediglich geringfügige Funktion haben, weil sie vielfältig an die Wortlautgrenzen des geschrieben Konzernrechnungslegungsrechts stößt. c) Fazit Die Nichtbefolgung von DSR allein rechtfertigt keine Einschränkung des Bestätigungsvermerks. Im Prüfungsbericht ist auf ein Abweichen hinzuweisen, allerdings sind auch die Gründe für die Abweichung darzulegen. 101  Dazu

oben sub C.III.3.b).



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung101

Die Bedeutung der DSR für die Reichweite der Konzernabschlussprüfung ist literarisch wenig aufbereitet. Eine Untersuchung begegnet dem Problem, dass die genaue Wirkung der durch das Bundesjustizministerium bekanntgemachten Standards unklar ist. Ihr Einfluss auf den gesetzlichen Prüfungsauftrag an den Konzernabschlussprüfer ist gesetzestechnisch deshalb ebenfalls unklar. Erblickt man in der Vermutungswirkung des § 342 Abs. 2 HGB mehr als nur einen wenig geglückten Versuch, die Befolgungsquote bei den Rechnungslegern zu erhöhen und zugleich das grundsätzliche Verbot zwingend angeordneter dynamischer Verweisungen zu umgehen, so ließe sich eine Bedeutung für die Abschlussprüfung ganz verneinen. Eine solche Beschränkung lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut aber schwerlich vereinbaren, der die Vermutungswirkung gerade nicht situa­ tionsbezogen ausgestaltet, sondern sie umfassend anordnet. Eine andere Frage ist, welchen Einfluss die Vermutungswirkung auf den Prüfungsauftrag des Gesetzes an den Abschlussprüfer hat. Hier besteht ein Konflikt zwischen § 342 Abs. 2 HGB und § 317 Abs. 1 S. 2 HGB. Für die Bemühung, diesen Konflikt aufzulösen, bietet sich die Unterscheidung nach der Reichweite der Konkretisierungsbedürftigkeit gesetzlicher Regelungen an. Spezifiziert ein DRS rechtlich nicht präformierte Grundsätze der Konzernrechnungslegung, so wirkt diese Verifikationsleistung des DRSC besonders stark und ist zugleich die Verifikationsaufgabe des Abschlussprüfers zurückgenommen. Ist ein Themenbereich eines DRS hingegen rechtlich stärker präformiert, stehen weder DRSC noch Abschlussprüfer weite Verifikationsmöglichkeiten zu, dieser hat jedoch die Befolgung relevanter Rechtsvorschriften sicherzustellen und deshalb im Zweifel auch zu prüfen, ob der betreffende DRS sie hinreichend berücksichtigt. 5. Kontrollbefugnis des Bundesjustizministeriums Die Reichweite des hoheitlichen Einflusses auf private Regelsetzung ist von nicht unerheblicher Relevanz für den Inhalt und die demokratische Legitimation einer Regel.102 Eine bereits erörterte Möglichkeit der Einflussnahme besteht in Form gesetzlich oder vertraglich geregelter Mindestanforderungen an den Regelsetzungsprozess und den Inhalt der Regelungen selbst. Eine andere ist die einer nachträglichen hoheitlichen Kontrolle, wobei sich auch beides kombinieren lässt. Für die IDW-Standards wurde bereits herausgearbeitet, dass eine Kontrolle der beschlossenen Standards nicht stattfindet.103 Ob eine Kontrolle der DRS Voraussetzung für die Bekanntmachung ist, ist umstritten. Das Gesetz enthält keine Hinweise darauf, ob das Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 99 ff. 1 C.II.

102  Ausführlich 103  Kapitel

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Bundesjustizministerium die Standards vor ihrer Bekanntmachung überprüfen darf, kann oder muss und ob – gegebenenfalls – die Standards nur in formeller oder auch in materieller Hinsicht seiner Überprüfung unterliegen.104 Auch die Begründung zur Beschlussempfehlung des KonTraG, mit dem die Norm in das HGB eingeführt wurde, sagt hierzu nichts.105 a) Meinungsstand Einigkeit besteht in der Literatur jedenfalls darüber, dass das Bundesjustizministerium die Einhaltung der formellen Voraussetzungen für das Zustandekommen der Standards zu überwachen hat.106 In materieller Hinsicht wollen einige Stimmen eine Plausibilitätskontrolle genügen lassen,107 teils mit der Einschränkung, die Standards müssten dafür sorgfältig begründet sein.108 Eine weitergehende Überprüfung würde, so die Begründung, eines der Ziele des Rechnungslegungsgremiums, nämlich eine Entlastung des Ministeriums zu erreichen, konterkarieren.109 Andere treten für eine umfassende Kontrollpflicht des Bundesjustizministeriums ein. Veröffentlichungen aus den ersten Jahren nach Inkrafttreten des KonTraG führten hierfür an, das neue Verfahren müsse sich erst bewähren und dabei insbesondere zeigen, dass es einen angestrebten Ausgleich der Interessen aller Beteiligter tatsächlich gewährleisten könne.110 Das findet bisweilen auch in der jüngeren Literatur Gefolgschaft: Das Verfahren habe sich gerade nicht bewährt, die konkrete Ausgestaltung des Standardisierungsvertrages und der DRSC-Satzung sowie die rechtstatsächliche Entwicklung ließen ein Ungleichgewicht in der Berücksichtigung von Partikularinteressen erkennen und „durchaus auch eine politische Opportunitätsprüfung angezeigt er­ scheinen.“111

104  Förschle,

in: BeckBilKomm, § 342 Rn. 17. 13 / 10038, S.  27. 106  Berberich, Ein Framework für das DRSC, S. 126; Ebke / Paal, in: MK-HGB, § 342 Rn. 27; Förschle, in: BeckBilKomm, § 342 Rn. 17; Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 92 f.; Schwab, in: GK-HGB, § 342 Rn. 95. 107  Insbesondere Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 51; Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 92 f. 108  Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 51. 109  Buchholz, Ein neues DRSC?, S. 171; Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 93. 110  Berberich, Ein Framework für das DRSC, S. 122 f. 111  Schwab, in: GK-HGB, § 342 Rn. 96. 105  BT-Drucks.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung103

b) Begründungsansätze Die grundsätzliche Berechtigung, von einer Bekanntmachung abzusehen, ist zwar nicht dem Gesetz selbst zu entnehmen, wohl aber dem Standardisierungsvertrag. Gem. § 1 Abs. 3 Standardisierungsvertrag soll das DRSC dem Bundesjustizministerium die verabschiedeten Standards übermitteln und mitteilen, ob es ihre Bekanntmachung empfiehlt. Darin kommt das Bestreben zum Ausdruck, nicht in jedem Falle zur Bekanntmachung verpflichtet sein zu wollen. Das Gesetz selbst steht dem nicht entgegen. Die Reichweite der Prüfungskompetenz ist durch Auslegung des § 342 HGB zu ermitteln. Entscheidend ist insbesondere, welche konkreten Wirkungen bekannt gemachte DRS erzeugen, weil sich nur so die mögliche Rolle der Bekanntmachung selbst erhellen lässt. Dahinter steht der grundsätzlich zutreffende Gedanke, dass die Kontrollbefugnisse der Behörde umso stärker sein müssen, je ausgeprägter die Rechtsgestaltungsmöglichkeit des DRSC materiell ist.112 Denn die sogenannte Wesentlichkeitstheorie,113 die Ausfluss des Demokratieprinzips ist, verlangt in der Ausprägung bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung dort eine besonders feste formelle Legitimationskette, wo der gesetzgeberische Einfluss auf die mate­ rielle Rechtslage zurückgenommen ist.114 c) Bekanntmachung als bloßer Transparenzakt Als zu eng muss die Lesart verworfen werden, die Bekanntmachung erfülle lediglich zwingend erforderliche Transparenzanforderungen (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG). Gegen sie spricht schon die vorstehend erörterte Möglichkeit des Ministeriums, von der Bekanntmachung ganz abzusehen. Im Interesse an einer widerspruchsfreien Verhaltensweise des Ministeriums erscheint 112  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 197; SchmidtAßmann, NVwZ 1998, 1225, 1232; Ebke, ZIP 1999, 1193, 1195; Paal, DRSC und Rechnungslegung, S. 92. Ausführlich zur Kompensationsfunktion der Prozeduralisierung nochmals Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 102 ff.; Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 67 ff. 113  BVerfG, Beschluss v. 9.5.1972, Az. 1 BvR 518  / 62 u. 308 / 64, NJW 1972, 1504, 1506; BVerfG, Urteil v. 6.12.1972, Az. 1 BvR 230 / 70 u. 95 / 71, NJW 1973, 133, 136; BVerfG, Beschluss v. 8.8.1978, Az. 2 BvL 8 / 77, NJW 1979, 359, 360. Zur Bedeutung der Wesentlichkeitstheorie für das Privatrecht exemplarisch Röthel, Normkonkretisierung, S. 64. 114  BVerfG, Urteil v. 3.10.1990, Az. 2 BvF 3  / 89, NJW 1991, 159, 160: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau.“

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

es angebracht, die Verweigerung nur zu erlauben, wenn sie auch begründet wird. Das setzt aber eine Befassung mit dem jeweiligen Standard oder zumindest seinem Zustandekommen voraus. Daneben ist es wenig überzeugend, dem DRSC umfassende prozedurale Vorgaben zu machen, die es bei der Erarbeitung von Standards zu beachten habe, wenn anschließend deren Einhaltung nicht kontrolliert wird.115 d) Überwachung des Normsetzungsverfahrens Die Kontrolle der Einhaltung des Normsetzungsverfahrens erscheint schon deshalb zwingend, weil sonst der ausdrückliche gesetzgeberische Wille zur Sicherstellung der Bedürfnisse von Rechnungslegern nicht gewährleistet ist. Die auch zum Zwecke der Wahrung rechtsstaatlicher Interessen aufgestellten prozeduralen Anforderungen sind durch das Bundesjustizministerium zu gewährleisten.116 Allerdings ist fraglich, ob die Überprüfung vor Veröffentlichung hierzu das richtige Instrumentarium ist. Denn das verfahrensförmige Zustandekommen der Regeln lässt sich dem einzelnen Standard nicht ohne weiteres ansehen. Der Standardisierungsvertrag und die DRSC-Satzung sehen die Dokumentation der Sitzungen des DRSC nicht vor.117 An ihnen darf das Bundesjustizministerium aber stimmrechtslos teilnehmen. Dadurch kann es sich ein Bild von der Einhaltung des Normsetzungsverfahrens machen. Dies nützt indes nichts, wenn ihm kein Mittel zur Durchsetzung dieser Vorgaben zusteht. Dem ist jedoch nicht so. Als besonders starkes Mittel hat es die Möglichkeit, den Standardisierungsvertrag mit dem DRSC zu kündigen. Dass dies als Sanktion bei weniger gewichtigen Verstößen gegen die vertraglichen Vorgaben nicht zweckmäßig ist, liegt auf der Hand. Ob stattdessen das Bundesjustizministerium schon beratend, wenn auch nicht abstimmend auf das regelkonforme Zustandekommen der Standards hinwirken kann, ist dem Standardisierungsvertrag nicht zu entnehmen. Die dort geregelte ausdrückliche Anerkennung der Unabhängigkeit des Gremiums spricht eher dagegen, Hinweise auf bloße vertragliche Regelverstöße indes dürften trotzdem zulässig sein. Werden diese Hinweise übergangen, so erscheint es gleichwohl erforderlich, eine Sanktionsmöglichkeit 115  Zurückhaltender aber Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 69, dort in Fn. 184: „Allerdings dürfte die Veröffentlichung durch staatliche Instanzen regelmäßig nur der Publizität der Regeln dienen und keine Prüfung implementieren.“ 116  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 197; Buchholz, Ein neues DRSC?, S. 171; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 51. 117  Die Geschäftsordnung der Fachausschüssse des DRSC sieht in § 6 immerhin vor, dass ein Audio-Live-Mitschnitt und ein Ergebnisprotokoll erstellt und auf der Homepage veröffentlicht werden.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung105

unterhalb des Kündigungsrechts zu gewähren. Aus diesem Grunde ist die Möglichkeit anzuerkennen, dass das Bundesjustizministerium bei Verstößen gegen die Vorgaben des Standardisierungsvertrages die Veröffent­lichung im Bundesanzeiger verweigert. e) Inhaltliche Kontrolle der DRS Eine vollumfängliche Inhaltskontrolle entspricht nicht dem Zweck der Anerkennung des DRSC. Andernfalls würde mit ihr nur die inhaltliche Vorarbeit des Standardsetzungsprozesses auf das private Gremium übertragen, nicht aber die materielle Entscheidungskompetenz und Entscheidungsverantwortung. Wäre das gewollt, hätte der Gesetzgeber auch eine Verordnungsermächtigung erlassen und die inhaltlichen Vorarbeiten durch Sachverständige erledigen lassen können; die Verordnung unterläge dann voller materieller Kontrolle. Das aber war gerade nicht gewünscht. Gegen frühere Gesetzgebungsvorschläge, die eine solche Verordnungsermächtigung vorsahen, wurden insbesondere seitens der Praxis erhebliche Einwände vorgebracht. Nach Ansicht der Spitzenverbände sollte die Weiterentwicklung der Konzernrechnungslegung in der Hand der Praxis verbleiben. Durch eine verordnungsweise Regelung drohe eine Zementierung der Vorgaben, die dem Erfordernis entwicklungsoffener Rechnungslegungsstandards zuwiderliefe.118 Das fand offenbar Gehör. Die Unabhängigkeit des Gremiums ist heute vertraglich zugesichert. Dem ist weitreichend Geltung zu verschaffen. Die staatlichen Ressourcen sollen geschont, eine umfassende inhaltliche Befassung mit Einzelfragen gerade vermieden werden. Defizite hinsichtlich der demokratischen Legitimation werden durch umfassende prozedurale Vorgaben aufgefangen. Hier – und nicht bei der inhaltlichen Unabhängigkeit des Gremiums – ist anzusetzen, wenn sich nicht zu tolerierende Unzulänglichkeiten der Standards erweisen. Ihnen ist dann mit Präzisierungen des Standardisierungsvertrages zu begegnen.119 Gelingt dies nicht, ist die Zusammenarbeit mit dem DRSC zu beenden. In diesem Fall tritt an seine Stelle ein speziell einzurichtendes Gremium des Bundesjustizministeriums, als Rechnungslegungsbeirat bezeichnet, dessen Besetzung auch mit unabhängigen Experten vorgeschrieben ist (§ 342a HGB). Hieran wird ersichtlich, dass eine materielle Befassungs- und Prüfungspflicht allein des Ministeriums gesetzgeberisch nicht gewollt ist. Insofern ist der Einwand, unter Gesichtspunkten des Gewaltenteilungsprinzips sei eine inhaltliche Kontrolle der DRS ohne entsprechende materielle Kompetenzübertragung an das Mi-

118  Paal, 119  A. A.

Rechnungslegung und DRSC, S. 35. aber Schwab, in: GK-HGB, § 342 Rn. 96.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

nisterium problematisch,120 nicht von der Hand zu weisen. Eine materielle Kontrollbefugnis des Ministeriums ist ohne entsprechend konkrete gesetz­ liche Aufgabenzuweisung vor dem Hintergrund der Anerkennung des DRSC als unabhängigem Standardsetter nicht anzunehmen. Auch eine Plausibilitätskontrolle der Übereinstimmung von DRS mit Fundamentalprinzipien der GoB durch das Bundesjustizministerium erscheint nicht erforderlich. Zunächst ist schon fraglich, wie eine Plausibilitätskontrolle im Zusammenhang mit der Beurteilung von Rechtsfragen erfolgen soll. Summarische Prüfungen von Rechtsfragen sind in erster Linie aus dem einstweiligen Rechtsschutz bekannt, Vergleiche hierzu aber schon deshalb unpassend, weil weder Eile besteht noch eine endgültige Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt ergeht, die die Unsicherheit bezüglich der Rechtslage abschließend beseitigt. Zweitens beschränken sich Fundamentalprinzipien der GoB im Falle der §§ 290 ff. HGB ohnehin vor allem auf formelle Fragen der Konzernbilanzaufstellung und den Grundsatz der Informationsvermittlung: Gewinnermittlungs- und Kapitalerhaltungsfunktion hat der Konzernabschluss nicht,121 sodass normativ geprägte Grundsätze wie das Vorsichts- und Realisationsprinzip hier anerkanntermaßen nicht zum Tragen kommen. Befürchtet wird allerdings, dass die DRS auf den Einzelabschluss ausstrahlen könnten.122 Diese Befürchtung scheint im Grundsatz durchaus gerechtfertigt, wie etwa die Pflicht für nicht konzernrechnungslegungspflichtige Gesellschaften, eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel in den Jahresabschluss aufzunehmen (§ 264 Abs. 1 HGB) erhellen kann: Beides ist im Gesetz nicht näher konkretisiert, wohl aber in DRS. Allerdings haben beide Rechenwerke auch im Einzelabschluss bloß Informationsfunktion und wirken sich nicht auf Ausschüttung und Steuerbemessung aus. Die Einhaltung formeller GoB wie etwa des Vollständigkeitsgebots (§ 246 Abs. 1 S. 1 HGB), des Gebots, den Konzernabschluss klar und übersichtlich aufzustellen oder die Beachtung des true and fair view-Prinzips (§ 297 Abs. 2 S. 2 HGB), die sowohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss von tragender Bedeutung sind, lässt sich durch die Konzernabschlussprüfung hinreichend sicherstellen. Aufgabe des Konzernabschlussprüfers ist es, den Konzernabschluss daraufhin zu prüfen, ob in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften aufgestellt wurde.123 In Einzelfragen, die durch das DRSC näher geregelt sind, gilt auch hier zwar, dass bei nachweisbarer Aufstellung unter Beachtung der DRS die GoB-Konformität 120  Buchholz,

Ein neues DRSC?, S. 171; Moxter, DB 1998, 1425, 1427. in: GK-HGB § 297 Rn. 9 f.; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 297 Rn. 2. 122  Berberich, Ein Framework für das DRSC, S. 84. 123  § 317 Abs. 1 S. 2 HGB. 121  Kraft,



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung107

des Abschlusses vermutet wird. Das entbindet den Konzernabschlussprüfer aber nicht davon, die Einhaltung formeller GoB zu prüfen. Diese beziehen sich strukturell auf den ganzen Konzernabschluss, nicht nur auf Einzelfragen. Sollte ein Verstoß gegen diese Fundamentalprinzipien einmal tatsächlich darauf beruhen, dass ein DRS ein zu diesem Verstoß führendes Verfahren vorsieht, so kann und muss die Ordnungsmäßigkeit des Konzernabschlusses auch trotz der partiellen Nichtbefolgung, auf die der Abschlussprüfer dann zu drängen hat, ohne weiteres testiert werden.124 Dies würde sicherlich schnell zu einer Korrektur des fehlerhaften Standards führen. 6. Fazit Das DRSC ist als privates Gremium im Sinne des § 342 Abs. 1 HGB vertraglich anerkannt und folglich dazu berufen, unter anderem Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung zu entwickeln. Diese Empfehlungen führen gem. § 342 Abs. 2 HGB zu der Vermutung, dass bei ihrer Beachtung auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung beachtet wurden. Wie gezeigt, ist die Bezeichnung als Vermutung in diesem Kontext irreführend, die genaue Wirkungsweise schwer zu ergründen. Einiges spricht dafür, dass es sich eher um eine dynamische Verweisung handelt, welcher der Gesetzgeber die Gefahr der Verfassungswidrigkeit dadurch nehmen wollte, dass er keine zwingenden, sondern schwächere Rechtsfolgen an die so einbezogenen Regeln knüpft. Die Vermutungswirkung erlangt die Befolgung der Standards erst durch die Bekanntmachung des Bundesjustizministeriums. Funktion dieser Bekanntmachung ist insbesondere die Sicherstellung der Publizität der Empfehlungen. Da das Ministerium für die Anerkennung des DRSC durch Vertrag zuständig ist, obliegt es ihm auch sicherzustellen, dass die an die Anerkennung geknüpften, im Standardisierungsvertrag festgeschriebenen Bedingungen im Sinne einer prozeduralen Richtigkeitsgewähr gewährleistet werden. Es hat daher die Möglichkeit, die Bekanntmachung eines Standards zu verweigern, wenn die Normsetzungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Eine inhaltliche Kontrolle steht ihm nach hier vertretener Auffassung nicht zu. Die vertraglich garantierte Unabhängigkeit des Gremiums geht ihr insofern vor, drohende Ungleichgewichte bei der Berücksichtigung von Partikularinteressen sind durch prozedurale Vorgaben für die Besetzung des Gremiums und das Zustandekommen der DRS abzufangen. Insgesamt zeigt sich, dass das Anliegen, mittels einer Inkorporation von DRS als privat gesetzten Regelungen die rechtliche Relevanz dieser Regeln 124  Oben

sub C.III.4.c).

108

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

zu klären, nicht gelingt. In welchen Fällen und wie weit die Praxis an die DRS gebunden ist, erschließt sich nicht ohne weiteres. Sofern sich der Gesetzgeber entschließen sollte, Prüfungsstandards – wie von der Abschlussprüferrichtlinie gefordert – staatlicher Kontrolle zu unterwerfen, ist ihm deshalb nicht zu empfehlen, IDW-Standards in einem dem § 342 HGB entsprechenden Verfahren zu inkorporieren.

IV. Der Deutsche Corporate Governance Kodex Ein anderer, in den letzten Jahren viel beachteter Kontext privater Regelsetzung ist der Deutsche Corporate Governance Kodex. Auch er ist nicht völlig frei von staatlichen Einflussnahmen und Gegenstand hoheitlicher Rezeptionsbemühungen, die aber ganz anders von statten gehen als im vorstehend erörterten Fall des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee. Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist beileibe nicht das einzig privat gesetzte Regelwerk, das sich der Corporate Governance widmet, Kodizes gibt es ferner für Familienunternehmen, öffentliche Unternehmen, für Stimmrechtsberater und für Vergütungsberater und es steht zu erwarten, dass ihre Zahl nicht sinken, sondern weiter steigen wird. Für das Referenzgebiet erscheint eine nähere Auseinandersetzung in erster Linie mit dem DCGK angezeigt, weil er ein codex generalis ist und als bislang einziger zum Gegenstand eines ausdrücklichen gesetzlichen Rezeptionsmechanismus in Form einer Pflicht zum comply or explain125 gemacht wurde. Im Hinblick auf IDW-Standard verdient in diesem Zusammenhang Beachtung, dass andere Rechtsordnungen diesen Rezeptionsmechanismus auch im Falle von Prüfungsstandards anwenden.126 Abermals soll es im Folgenden deshalb darum gehen, einerseits einen weiteren Aspekt der Möglichkeiten und Grenzen privater Regelsetzung auszuleuchten und dabei auch zu untersuchen, ob sich ein entsprechender Rezeptionsmechanismus auch für IDW-Standards empfiehlt. Deshalb wird zunächst die Entwicklung des Kodex nachgezeichnet (sub 1 und 2), auf die Arbeit der Kodex-Kommission eingegangen (sub 3) und der Aufbau und Inhalt (sub 4) sowie das Ziel (sub 5) des Kodex vorgestellt. Sodann wird auf den Rezeptionsmechanismus des § 161 AktG (sub 6) und hoheitliche Kontrollmöglichkeiten eingegangen (sub 7). Sub 8 werden Schlussfolgerungen gezogen.

125  Dazu

ausführlich sogleich unter C.IV.6. im Vereinigten Königreich, näher dazu unten sub E.II.1.a).

126  Beispielsweise



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung109

1. Kodex-Kommission Die Idee, Fragen der Unternehmensverfassung in einem Kodex zu behandeln, hatte international, namentlich in den USA und in England, aber auch auf EU-Ebene mit den OECD-Principles on Corporate Governance schon in den Jahren nach 1990 weitreichende Konturierung erfahren,127 als in Deutschland im Jahre 2000 auf private Initiative hin zwei Entwürfe mit Regeln zur Best Practice vorgelegt wurden.128 Im selben Jahr beauftragte die Bundesregierung eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des Juristen Theodor Baums (Baums Kommission) als Regierungskommission mit der Erfassung möglicher Defizite des deutschen Systems der Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle, maßgeblich unter dem Eindruck der folgenschweren Insolvenz der Philipp Holzmann AG.129 2. Baums Kommission Der Auftrag der Bundesregierung an die Baums-Kommission enthielt keine genaueren Vorgaben oder Beschränkungen, denen die Kommission unterliegen sollte. Sie bestand aus insgesamt 23 Mitgliedern, insbesondere hochrangigen Vertretern der Wirtschaft und Wirtschaftsverwaltung, aber auch der Rechtswissenschaften.130 Die Kommission legte ihren Bericht im Juli 2001 der Bundesregierung vor. Er enthielt über 130 Empfehlungen, von denen eine lautete: „Die Regierungskommission schlägt vor, dass Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft jährlich erklären, dass sie die Empfehlungen eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Kodex betreffend die Unternehmensleitung und -überwachung beachten („Entsprechens-Erklärung“). Bei der Abgabe der Entsprechens-Erklärung sind Abweichungen von den im Corporate Governance-Kodex enthaltenen Empfehlungen zu begründen.“131 Für die Erarbeitung dieses Kodex, der 127  Statt vieler Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 7; Hopt, Handbuch Corporate Governance, S. 39, 41 f.; rechtsvergleichend insbesondere ders, ZHR 175 (2011), 444, 445 f.; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 8 ff. und 80 ff.; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 5. 128  Einerseits die Corporate Governance-Grundsätze („Code of Best Practice“) für börsennotierte Gesellschaften der Frankfurter Grundsatzkommission Corporate Governance, abgedruckt in DB 2000, 238 ff., andererseits der German Code of Corporate Governance des sogenannten Berliner Initiativkreises, abgedruckt in DB 2000, 1573 ff. 129  BT-Drucks. 14 / 7515 S.  3; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 1 f.; dazu auch Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 8 ff.; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 5. 130  Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 3. 131  BT-Drucks. 14 / 7515 S.  14.

110

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

sich ausschließlich an börsennotierte Gesellschaften richtet, solle eine Kommission eingerichtet werden, bestehend aus maximal 12 fachlich besonders qualifizierten Mitgliedern. In die Kommission sollten institutionelle und private Anleger, Arbeitnehmervertreter, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, einschlägig tätige Unternehmensberater und Wissenschaftler berufen werden.132 3. Regierungskommission Die Bundesregierung setzte daraufhin im September 2001 eine Regierungskommission unter Vorsitz des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der ThyssenKrupp AG, Gerhard Cromme,133 ein, indem sie ihr den Auftrag erteilte, anknüpfend134 an die Vorschläge der Baums-Kommission einen Deutschen Corporate Governance Kodex zu entwerfen.135 Bereits am 18. Dezember 2001 legte die Kommission einen Entwurf vor, veröffentlichte ihn auf ihrer Internetseite und stellte ihn so der Öffentlichkeit zur Diskussion.136 Unter Berücksichtigung eingegangener Stellungnahmen wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex von der Kodex-Kommission beschlossen und der Bundesjustizministerin am 26. Februar 2002 übergeben.137 Am 20. August 2002 wurde er im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Kodex-Kommission löste sich in der Folge nicht auf, sondern tritt seither regelmäßig als standing commission zusammen, um über erforder­ liche Änderungen des DCGK zu beraten,138 was über die Jahre auch tatsächlich zu zahlreichen Änderungen geführt hat.139

132  BT-Drucks.

14 / 7515 S.  14 f. damaligen und heutigen Mitglieder der Kommission sind auf der Webseite der Kommission veröffentlicht (www.corporate-governance-code.de). 134  Eine Pflicht zur Befolgung der Vorschläge der Baums-Kommission bestand dabei aber nicht, Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Vorbemerkung Rn. 17. 135  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 8; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 5; Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Vorbemerkung Rn. 17. 136  Ausführungen des Vorsitzenden der Kommission Cromme anlässlich der Veröffentlichung der Entwurfsfassung vom 18.12.2001, abrufbar unter www.corporategovernance-code.de. 137  Ausführungen des Vorsitzenden der Kommission Cromme anlässlich der Pressekonferenz nach Übergabe des Deutschen Corporate Governance-Kodex vom 26.2.2002, abrufbar unter www.corporate-governance-code.de. 138  Statt vieler Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 74. 139  Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Vorbemerkung Rn. 40. Zu aktuellen Änderungen Ringleb / Kremer / Lutter / v.  Werder, NZG 2012, 1081 ff. 133  Die



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung111

4. Aufbau und Inhalt des DCGK Der DCGK ist in sieben Themenkreise gegliedert. Auf eine Präambel mit allgemeinen Grundsätzen folgen die Abschnitte Aktionäre und Hauptversammlung, Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat, sodann die Themen Vorstand, Aufsichtsrat, Transparenz, Rechnungslegung und Abschlussprüfung. Die Bestimmungen des Kodex zu den einzelnen Themenkreisen lassen sich in ein dreigliedriges System einordnen: Bestimmungen, die lediglich den Inhalt des Gesetzes paraphrasieren (gekennzeichnet durch die Formulierung „muss“ oder „ist“), Empfehlungen („soll“) und Anregungen („kann“, „sollte“).140 Die Widergabe des Gesetzes hat rein informative Funktion, Empfehlungen sind das eigentliche Kernelement des Kodex und Gegenstand der Erklärungspflicht gem. § 161 AktG,141 Anregungen dienen der Weiterentwicklung von Grundsätzen guter Unternehmensführung.142 5. Ziel des DCGK Der Kodex hat zwei Hauptintentionen. Die eine besteht darin, inländischen und vor allem ausländischen Investoren eine einfach zugängliche Informationsmöglichkeit über das deutsche System von Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle zu bieten. Zu diesem Zwecke wurde der Kodex in seiner ersten Fassung in vier Sprachen übersetzt, die aktuelle Version des Kodex ist lediglich auf Deutsch und auf Englisch abrufbar.143 Hier haben insbesondere die Bestimmungen ihre Funktion, die lediglich geltendes Recht darstellen. Dabei geben sie nicht den exakten Wortlaut wieder, sondern bemühen sich im Interesse der Informationsfunktion um einfache Formulierungen, was aber mitunter zu Ungenauigkeiten führt.144 Die zweite Hauptintention liegt in der Erhöhung des Standards der Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung. Die über 90 Empfehlungen des Kodex gehen über die zwingenden gesetzlichen Anforderungen des Aktiengesetzes hinaus, sollen aber dem entsprechen, was gute Unterneh140  Eine Zusammenstellung der Empfehlungen findet sich bei Goette, in: MKAktG, § 161 Rn. 33. 141  Dazu sogleich unten sub 6.a). 142  Krieger, ZGR 2012, 202, 206 ff.; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 94 ff.; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 10; Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Präambel Rn. 119 ff. 143  Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 19; kritisch zur tatsächlichen Bedeutung des Kodex als Informationsquelle mit beachtlichen Argumenten aber Leyens, in: GKAktG, § 161 Rn. 95. 144  Krieger, ZGR 2012, 202, 207.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

mensführung darstellt. Damit soll einerseits darauf hingewirkt werden, dass Unternehmenspleiten wie im Fall Holzmann AG verhindert werden. Zugleich gibt es aber auch Anzeichen dafür, dass gute Corporate Governance durch den Kapitalmarkt belohnt wird, sich also in einer besseren Bewertung an der Börse bezahlt macht.145 6. Rezeptionsmechanismus Die von der Baums-Kommission vorgeschlagene Pflicht zur Erklärung über die Befolgung oder Nichtbefolgung der Kodexempfehlungen wurde durch das TransPuG in § 161 AktG festgeschrieben. Danach haben in der heutigen Fassung des Gesetzes Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären, dass den durch das Bundesjustizministerium im Bundesanzeiger bekannt gemachten Empfehlungen entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden und werden und warum nicht. Die Pflicht zur Begründung von Abweichungen wurde erst 2009 mit dem BilMoG in die Vorschrift aufgenommen, vorher konnte ohne Begründung Nichtbefolgung erklärt werden. Die Erklärung ist auf der Internetseite der Gesellschaft der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Seit dem BilMoG von 2009 ist die Entsprechenserklärung zusätzlich Bestandteil des Lageberichts, der gem. § 289a HGB nunmehr die sogenannte Erklärung zur Unternehmensführung enthalten muss. Diese besteht unter anderem aus der Erklärung gem. § 161 AktG. Durch diesen Schritt ist gewährleistet, dass die Entsprechenserklärung über den Aufsichtsrat auch in die Hauptversammlung gelangt, weil §§ 175 Abs. 2, 176 Abs. 1 AktG eine entsprechende Vorlagepflicht des Lageberichts vorsehen;146 bis 2009 bestand lediglich die Pflicht zur Angabe im Lagebericht, wo die Entsprechenserklärung veröffentlicht ist (§ 285 Nr. 16 HGB). Die Erklärungspflicht beschränkt sich nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift lediglich auf die Empfehlungen des Kodex, nicht erfasst sind hingegen die Bestimmungen mit der Wiedergabe des Gesetzes und auch nicht Anregungen. Die begründete Nichtbefolgung von Empfehlungen ist zulässig und wird als Möglichkeit auch in der Präambel des DRCG ausdrücklich apostrophiert. Eine gut begründete Abweichung von einer Kodexempfehlung könne „im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen“, der Kodex trage so „zur Flexibilisierung und Selbstregulierung der deutschen 145  Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 19 und Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 755 f., jeweils mit Nachw. zu entsprechenden Studien; auch Weiss, Hybride Regulierungsinstrumente, S.  115 f. 146  Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 764.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung113

Unternehmensverfassung bei.“ Das Gesetz verzichtet mithin auf eine direkte Sanktionierung begründeter Abweichungen von Kodexempfehlungen. Inzident ergibt sich mithin lediglich die Pflicht, sich mit den Empfehlungen des DCGK zu befassen, weil andernfalls weder wahrheitsgemäß die umfassende Befolgung erklärt noch begründet werden kann, von welchen Empfehlungen abgewichen wurde und wird und warum.147 a) „Comply or explain“ als Sanktionsmechanismus? In der Literatur ist ausführlich darauf hingewiesen worden, dass sich der Gesetzgeber allerdings eines wirtschaftlichen Sanktionsmechanismus bediene.148 Unter der Prämisse, der Kapitalmarkt bestrafe die Nichtbefolgung des Kodex mit geringerer Nachfrage, was zu Kursverlusten führt, schafft erst § 161 AktG mit seiner Bezugnahme auf den Kodex diesen wirtschaftlichen Sanktionsmechanismus. Darauf hatte schon explizit die Baums-Kommission Bezug genommen.149 Dieses Vorgehen dient dem Zweck des DCGK, den Standard deutscher Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung zu erhöhen – vorausgesetzt, die Empfehlungen sind hierzu geeignet. Die erst 2012 in den Kodex übernommene, hier wiedergegebene Formulierung in der Präambel, wonach auch Abweichungen im Interesse guter Unternehmensführung liegen können, steht dazu in einem gewissen Widerspruch.150 Wenn die Kodexempfehlungen tatsächlich das festhalten, was gute Unternehmensführung ausmacht, ist eine derartige Ermunterung zum Abweichen erstaunlich. Es liegt deshalb darin das Eingeständnis, dass der Kodex nicht in jedem Fall die beste aller möglichen Lösungen bereit hält, sondern – insofern der Funktion dispositiven Gesetzesrechts vergleichbar – eine Modellregelung bereit hält, die verwendet werden kann, aber nicht muss.151 147  Leyens,

in: GK-AktG, § 161 Rn. 481. Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 307; Hommelhoff / Schwab, Handbuch Corporate Governance, 71, 80 f.; Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, S. 169, 185 f.; Sester, in: Spindler  /  Stilz, § 161 Rn. 9; vgl. auch Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich Corporate Governance, 19, 29 ff. 149  Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Abschnitt D Rz. 17 (S. 60). 150  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 26. 151  Den Vergleich zum dispositiven Recht ziehen auch Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S.  271 und Möslein, Dispositives Recht, S. 413 f.; die hier vorgenommene Beschränkung des Vergleichs auf den Modellcharakter rührt daher, dass dispositives Recht gilt, wenn es nicht abbedungen wurde, es entlastet den Betroffenen vom Finden einer eigenen Regel. § 161 AktG dagegen fordert zwingend eine Erklärung, sodass die Möglichkeit völliger Apathie versagt ist, so auch Bachmann, FS Hoffmann-Becking, S. 75, 79 f. 148  Augsberg,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Fällt die Entscheidung auf eine andere Lösung als die des Kodex, erhöht das dergestalt den Aufwand für das publizierende Unternehmen, dass die Entsprechenserklärung nur eingeschränkt abgegeben und die Abweichung begründet werden muss, sodass es dem Markt möglich ist darüber zu befinden, ob er die Beweggründe des Unternehmens zur Abweichung von der Kodexvorgabe für überzeugend hält.152 Die Rolle des § 161 AktG hat sich damit etwas verschoben. Die zunächst als zusätzliche Belastung153 empfundene Pflicht, Abweichungen nicht nur zu erklären (comply or disclose), sondern auch zu begründen (comply or explain), bietet aber gerade die Möglichkeit einer an den Markt gerichteten (sehr knappen) Rechtfertigung der Abweichung mit ausdrücklichem Einverständnis des Gesetzgebers, sodass § 161 AktG nur noch weniger stark als Mechanismus zu Durchsetzung der Kodexregeln selbst als vielmehr der Sicherstellung von Publizität im Hinblick auf das gewählte Governancemodell verstanden werden muss. Während § 161 AktG in der Fassung von 2002 bei der Erklärungspflicht für Vorstand und Aufsichtsrat in erster Linie die Aktionäre im Blick hatte,154 ist durch die Pflicht zur Veröffentlichung der Erklärung zur Unternehmensführung der Adressatenkreis auf den Kapitalmarkt erweitert worden.155 Im Mittelpunkt steht eine Kapitalmarktinformationspflicht des Inhalts, ob das durch die Kodex-Kommission zur Verfügung gestellte Governancemodell für die unternehmensindividuellen Zwecke vollumfänglich übernommen werden konnte oder ob unternehmens- oder branchenspezifische Eigenarten eine andere Lösung sinnvoll erscheinen ließen. Wenn der Markt also künftig auf die Information gem. § 161 AktG reagiert, dann nicht mehr, indem er das Nichtbefolgen des Kodex, sondern das nicht schlüssige Begründen der Abweichung sanktioniert.156 Jüngere Vorstöße der EU-Kommission greifen diesen Ansatz verstärkt und mit einer anderen Implikation auf und sprechen sich für eine umfang152  Schon die Gesetzesbegründung zum TransPuG, BT-Drucks. 14  / 8769, S. 21 sah hierin ein Ziel des Kodex, wenn sie formuliert: „Dies soll es den Gesellschaften unter anderem auch ermöglichen, einen auf die unternehmensindividuellen Verhältnisse zugeschnittenen eigenen „Code of Best Practice“ zu entwickeln und dem Kapitalmarkt gegenüber offen zu legen“ und weiter davon spricht, in diesem Falle würden die Unternehmen von sich aus freiwillig eine entsprechende Begründung liefern – eine Annahme die sich als nicht zutreffend erwiesen hat; dazu auch Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 754. 153  Kort, FS K. Schmidt, S. 945, 961; auch Hüffer, AktG, § 161 Rn. 17a spricht von einer Akzentverschiebung von „Freiwilligkeit zu mittelbarem Rechtszwang“. 154  Gem. § 161 S. 2 AktG 2002 war die Erklärung lediglich den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen. 155  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 12 ff. 156  In diese Richtung auch Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 9; Winner, ZGR 2012, 246, 266.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung115

reiche Beschreibung auch des gewählten Alternativmodells aus.157 Diese Bestrebungen dürften indessen wenig dazu beitragen können, dass eine „Abweichungskultur“ entsteht, sondern den umgekehrten Erfolg zeitigen. Denn eine umfassende Begründungspflicht würde einen so erheblichen Aufwand erfordern, dass vielen Unternehmen die unreflektierte Befolgung aller Kodexempfehlungen vorteilhaft erscheinen wird.158 So wird die Begründungspflicht selbst zum Sanktionsmechanismus. Gegenwärtig haben die Unternehmen eine Möglichkeit, dem Markt bei Bedarf auch ausführlich die gewählte Alternative zur Empfehlung des Kodex zu erläutern, wenn sie fürchten, die zu knapp begründete Abweichung würde zu Kursverlusten an der Börse führen. b) Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen als Sanktionsmechanismus? Das gilt umso stärker, als hinsichtlich der Publizitätspflicht mittlerweile von der Rechtsprechung ein starker Sanktionsmechanismus erkannt wurde: Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen bei Abgabe fehlerhafter Entsprechenserklärungen.159 Ob dem zu folgen ist, wird derzeit intensiv literarisch behandelt. Der überwiegende Teil der Literatur stimmt mit der Rechtsprechung des BGH überein und spricht sich für die Möglichkeit der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen aus,160 andere Autoren lehnen hingegen die Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung wegen Kodexverstößen grundsätzlich ab.161 Für die hiesige Fragestellung nach Rezeptionsmöglichkeiten privater Regelsetzung ist die Thematik insofern von großem Interesse, als die Rechtsfolgen der Anfechtung starr sind, sie 157  Grünbuch Europäischer Corporate Governance Rahmen, KOM (2011), 164 / 3, S. 121. 158  So mit Recht auch Krieger, ZGR 2012, 202, 218; kritisch gegenüber Vorschlägen der EU-Kommission auch Bachmann, AG 2012, 565, 569; Goette, in: MKAktG, § 161 Rn. 20; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 14. In der Tendenz der Begründungspflicht nach Brüsseler Vorstellungen positiver gegenüberstehend aber ­ ­Habersack, Gutachten E zum 69. DTJ 2012, E 57. 159  BGH, Urteil v. 16.2.2009, Az. II ZR 185  /  07, BGHZ 180, 9 ff.; Urteil v. 21.9.2009, Az. II ZR 174 / 08, BGHZ 182, 272; OLG Frankfurt, Urteil v. 15.2.2011 Az. 5 U 30 / 10, NJW 2011, 1231 mit Anm. Habersack; OLG München, Urteil v. 23.01.2008, Az. 7 U 3668 / 07, NZG 2008, 337 ff.; OLG München, Urteil v 6.8.2008 Az. 7 U 5628 / 07, NZG 2009, 508 ff.; OLG München, Urteil v. 19.11.2008, Az. 7 U 2405 / 08, BeckRS 2009, 09785. 160  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 20; Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, E 61 ff.; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 475  ff.; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn.  142 ff.; Sester, in: Spindler / Stilz Rn. 61 ff.; Spindler, in: Schmidt / Lutter Rn. 64. 161  Krieger, ZGR 2012, 202, 219 ff.; zurückhaltender Peltzer, NZG 2011, 961, 968; Timm, ZIP 2010, 2125, 2128 f.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

führen zur Nichtigkeit des Beschlusses, §§ 241 Nr. 5, 243, 248 AktG. Das sogenannte Soft Law162 kann hier in Verbindung mit der Anfechtungsmöglichkeit jedenfalls im Ergebnis „harte“ Ergebnisse zeitigen. Doch ist es richtigerweise gerade nicht das Soft Law, auf das sich die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen stützen lässt, sondern es ist § 161 AktG als rechtliche Transformationsnorm. Es gilt deshalb sorgfältig zu untersuchen, worauf sich die Anfechtbarkeit im Einzelnen jeweils stützen lässt. Der Fundamentalkritik einzelner Literaturstimmen,163 wonach der Kodex als solcher in keiner Weise irgendeine Rechtsfolge stützen kann, ist deshalb in einem ersten Schritt zu entgegnen, dass es der Gesetzgeber selbst war, der sich dafür entschieden hat, den DCGK rechtlich einzubinden, indem er § 161 AktG schuf.164 Es ist teilweise darauf hingewiesen worden, dass das nicht zwingend war, um Regeln guter Corporate Governance durch einen Kodex zu etablieren, weil dem Kodex eine gewisse Anerkennung und Akzeptanz165 in der Wirtschaft ohnehin sicher war, die deshalb in ihrem eigenen Interesse zumindest Teile seiner Empfehlungen befolgt hätte.166 Das dürfte jedoch nur für das Ziel der Kodex-Kommission zutreffen, den Standard guter Unternehmensführung zu erhöhen, nicht hingegen, für die Publizität des Governance-Modells jedes einzelnen Unternehmens zu sorgen – ein Ziel, das nach der hier vertretenen Auffassung heute ein zunehmend stärkeres Gewicht hat. Andererseits lässt sich aus der Entscheidung für eine rechtstechnische Einbindung des Kodex nicht zwingend die Folge herleiten, es bestehe die Möglichkeit, über das Beschlussmängelrecht die Durchsetzung der KodexEmpfehlungen zu gewährleisten. Die Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, um zu einer Nichtigkeit des Beschlusses zu gelangen, können nicht ohne weiteres als gegeben unterstellt werden. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist insofern stets, dass Verstöße gegen die Empfehlungen des Kodex selbst allein nicht genügen können, um zu einer Anfechtbarkeit zu kommen. § 243 Abs. 1 AktG sieht die Anfechtbarkeit vor, wenn ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorliegt. Erforderlich ist hierfür die Missachtung einer Rechtsnorm im Sinne des Art. 2 EGBGB.167 Weil KodexEmpfehlungen unstreitig diese Rechtsqualität nicht aufweisen, kommt nur 162  Zum Begriff des Soft Law als Synonym für privat gesetzte Regeln kritisch statt vieler Weiss, Hybride Regulierungsinstrumente, S. 34 ff. 163  Krieger, ZGR 2012, 202, 219. 164  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 88. 165  Dazu unten sub D.IV. 166  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 11. Das zeigt auch die Entwicklung in der Schweiz, wo ein Kodex, aber keine § 161 AktG vergleichbare Norm besteht, näher dazu unten sub E.II.2.c).bb). 167  Statt aller Hüffer, in: MK-AktG, § 243 Rn. 16.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung117

§ 161 AktG als solche Rechtsnorm in Frage. Der Rechtsbefehl, der sich dieser Vorschrift entnehmen lässt, kann formuliert werden als Pflicht, eine wahrheitsgemäße Entsprechenserklärung abzugeben.168 Wurde gar keine Erklärung abgegeben oder war die Erklärung unrichtig, weil unzutreffend die Befolgung aller oder einiger Empfehlungen erklärt oder Abweichungen nicht hinreichend begründet wurden, liegt hierin unzweifelhaft ein Vorstoß gegen das Gesetz. Doch auch das führt nicht notwendigerweise zu Beschlussmängeln. aa) Pflicht der Hauptversammlung zur Versagung der Entlastung bei Rechtsverstößen In Betracht zu ziehen ist zunächst, dass § 120 AktG der Hauptversammlung die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat immer dann verbietet, wenn jene im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung gegen Rechtsvorschriften verstoßen haben. Das überzeugt jedoch nicht. Gem. § 120 Abs. 2 AktG billigt die Hauptversammlung durch den Entlastungsbeschluss die Verwaltung „im Großen und Ganzen“169, ein Verzicht auf Ersatzansprüche gegen Vorstände oder Aufsichtsräte ist damit gerade nicht verbunden, sodass trotz der Entlastung die Pflichtverletzungen weiterverfolgt werden können.170 Die Hauptversammlung darf die Verwaltung auch dann billigen, wenn sie teilweise rechtswidrig war. Sie soll gerade nicht dazu fruchtbar gemacht werden, jede Rechtspflicht von Organmitgliedern oder der Gesellschaft auch im Außenverhältnis zu Dritten durchzusetzten und so etwa zum verlängerten Arm öffentlich-rechtlicher Rechtsverfolgungsbehörden zu werden.171 Vorstand und Aufsichtsrat führen ihre Aufgabe – wenn auch mit weitreichender Unabhängigkeit – nicht primär im Interesse des Staates, sondern der Gesellschaft aus, das von den Aktionären in der Hauptversammlung (Grundlagenentscheidungen) bestimmt wird.172 Entsprechend führen auch nur ausgewählte, besonders schwerwiegende Fehler bei der Einberufung der Hauptversammlung, und solche, die gegen fundamentale Prinzipien des Akti168  Goette,

FS Hommelhoff, S. 257, 269 ff.; Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 763 ff. Urteil v. 25.11.2002, Az. II ZR 133 / 01, NJW 2003, 1032 ff.; Goette, FS Hüffer, S. 225, 231; Hüffer, AktG, § 120 Rn. 12; Hoffmann, in: Spindler / Stilz, § 120 Rn. 27; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 149; noch zurückhaltenden, nämlich Gesetzes- und Satzungsverstöße als gar nicht erfasst ansehend Kubis, in: MK-AktG, § 120 Rn. 15. 170  Decher, FS Hopt, S. 499, 500; Hüffer, AktG, § 120 Rn. 12; Krieger, ZGR 2012, 202, 221 f. 171  In dieser Richtung auch Baums, Gutachten F zum 63. DJT 2000, F 98 ff.; Marsch-Barner, Referat zum 63. DJT 2000, O 56 f. 172  Hüffer, AktG, § 118 Rn. 3; Mülbert, in: GK-AktG, Vor § 118 Rn. 19. 169  BGH,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

enrechts, gegen gläubigerschützende Kapitalschutzvorschriften, Formvorschriften oder gegen die guten Sitten verstoßen, zur Nichtigkeit der durch sie gefassten Beschlüsse, § 241 AktG. Ein grundsätzliches Verbot für die Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat auch dann zu entlasten, wenn sie gegen eine Rechtsnorm verstoßen haben, kann deshalb aus § 120 AktG nicht hergeleitet werden. Dem stehen die Grundsätze der Macrotron-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2002173 nicht entgegen. Hiernach ist ein Entlastungsbeschluss anfechtbar, wenn ihm ein eindeutiger und schwerwiegender Rechts- oder Satzungsverstoß zugrunde liegt. Der BGH begründet diese Auffassung damit, dass eine Aktionärsmehrheit die Entlastung durchsetzen könnte, auch wenn eine Aktionärsminderheit mit der Entlastung aufgrund des Verstoßes nicht einverstanden ist. Bezugspunkt ist insofern aber die Treuepflicht der Aktionärsmehrheit gegenüber der Aktionärsminderheit.174 Dem ist zuzustimmen. Die geltenden und vereinbarten Rechtsregeln bilden, selbst wenn sie nicht dem Schutze des Aktionärs dienen, den Ordnungsrahmen, vor dem ein Mitaktionär seine Verwaltungs- oder Austrittsentscheidungen trifft und dessen Einhaltung er deshalb erwarten darf. Ein grundsätzliches Verbot, die Verwaltung auch dann zu entlasten, wenn diese gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat, folgt daraus aber nicht zwingend. bb) Anfechtbarkeit Im Regelfall führt erst die Anfechtung zur Nichtigkeit von Beschlüssen; Gesetzes- oder Satzungsverstöße können, müssen aber nicht hingenommen werden.175 Die Anfechtungsmöglichkeit entfaltet eine präventive Wirkung,176 ist aber letztlich dem einzelnen Aktionär ins Belieben gestellt. Doch selbst im Falle der Anfechtung führt – dem zu § 120 AktG Gesagten folgend – nicht jeder Verstoß gegen eine Rechtsnorm zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Der Wortlaut lässt eine solche Einschränkung zwar nicht unmittelbar ersichtlich werden, doch besteht Einigkeit darüber, dass jedenfalls im Falle von Verfahrensfehlern nur solche Rechtsverstöße berücksichtigt werden sollen, die Einfluss auf die Entlastungsentscheidung des Aktionärs hatten.177 Während früher überwiegend versucht wurde, Kausalitätserwägungen heran173  BGH,

Urteil v. 25.11.2002, Az. II ZR 133 / 01, NJW 2003, 1032 ff. Urteil v. 25.11.2002, Az. II ZR 133 / 01, NJW 2003, 1032, 1033; Decher, FS Hopt, S. 499, 502; Hüffer, in: MK-AktG, § 243 Rn. 54. 175  Hüffer, in: MK-AktG, § 241 Rn. 6; Würthwein, in: Spindler / Stilz, § 241 Rn. 4. 176  Bayer, VGR 1999, 35, 38 f. 177  Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 10; Hüffer, in: MK-AktG, § 243 Rn. 27 ff.; Würthwein, in: Spindler / Stilz, § 243 Rn. 79 ff. 174  BGH,



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung119

zuziehen, stellt die heute herrschende Ansicht darauf ab, ob der Rechtsverstoß für die Entlastungsentscheidung von Relevanz war, weil aktienrechtliche Teilhabe- oder Mitwirkungsrechte tangiert werden.178 Dem hat sich auch der BGH ausdrücklich angeschlossen,179 heute ist diese sogenannte Relevanz­ theorie in § 243 Abs. 4 AktG gesetzlich abgestützt. Was die materielle Beschlusskontrolle angeht, so gilt im Ansatz wiederum das zu § 120 AktG Gesagte, allerdings mit der Einschränkung, dass dem Schutz von Aktionärsminderheiten Rechnung zu tragen ist. Teilweise wird auch in diesem Punkt mit guten Gründen auf das Relevanzkriterium abgestellt, was über die ohnehin gesetzlich nicht zwingende Trennung von Verfahrensverstößen und materieller Beschlusskontrolle hinweggeht, dabei aber insofern den Kern des Problems trifft, als auch hier die Wahrung von Teilhaberechten und nicht die Durchsetzung objektiven Rechts im Vordergrund steht.180 Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, obwohl eine fehlerhafte Entsprechenserkärung abgegeben wurde, stellt stets einen Gesetzesverstoß materieller Natur dar und kann zudem auf einem Verfahrensfehler beruhen. (1) Materieller Verstoß Ein materieller Verstoß liegt vor, weil die Verwaltung nicht mit den Vorgaben des § 161 AktG in Einklang stand. Jedoch genügt dieser Verstoß weder, um den Entlastungsbeschluss gem. § 241 AktG nichtig sein zu lassen, noch um in jedem Falle eine Anfechtbarkeit gem. § 243 AktG zu begründen. Denn ein schwerwiegender oder gravierender Verstoß, wie ihn auch die Rechtsprechung des BGH fordert, wird in der Regel aus Sicht der Aktionäre nicht gegeben sein, wenn entgegen der Aktualisierungspflicht des § 161 AktG gehandelt wurde.181 Dabei sollte verstärkt berücksichtigt werden, dass sich die Entsprechenserklärung seit 2009 nicht mehr primär an die Aktionäre, sondern an die Marktöffentlichkeit richtet. Dem Rechtsgedanken des § 30g WpHG folgend sollen kapitalmarktrechtliche Vorschriften grundsätzlich nicht mit Anfechtungsklagen durchgesetzt werden können.182 Einer 178  Grundlegend Zöllner, in: KK-AktG, § 243 Rn. 81 ff.; dem folgend Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 10; Hüffer, in: MK-AktG, § 243 Rn. 30; Würthwein, in: Spindler / Stilz, §  243 Rn.  85. 179  BGH, Urteil v. 12.11.2001, Az. II ZR 225 / 99, NJW 2002, 1128 ff. 180  In dieser Richtung auch Goette, FS Hüffer, S. 225, 231 ff.; Hüffer, VGR 2010, S. 63, 72; Tröger, ZHR 175 (2011), 746, 777; a. A. Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 21; Würthwein, in: Spindler / Stilz, § 243 Rn. 157. 181  Goette, FS Hüffer, S. 225, 232; nachdrücklich Krieger, ZGR 2012, 202, 222 („praktisch nicht vorstellbar“); zurückhaltender Hüffer, VGR 2010, S. 63, 72. 182  Hüffer, AktG, § 243 Rn. 44d.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

analogen Anwendung des § 30g WpHG183 steht nach zutreffender Auffassung zwar entgegen, dass § 161 AktG sich zumindest auch an die Aktionäre richtet (§§ 289a HGB, 175 Abs. 2, 176 Abs. 1 AktG) und somit keine rein kapitalmarkrechtliche Vorschrift darstellt.184 Die Norm hat vielmehr eine Doppelnatur. Gleichzeitig lässt sich daraus aber ersehen, dass der Anfechtungsgrund rechtstechnisch erst recht das Betroffensein in Teilhaberechten im Blick haben muss. Dieses Betroffensein ergibt sich nicht schon aus dem Verstoß der Verwaltung gegen § 161 AktG als Rechtsnorm mit dem Pflichteninhalt, dem Kapitalmarkt eine zutreffende Information mitzuteilen, sondern aus der anderen Pflichtenseite des § 161 AktG, die besonders durch § 289a HGB Kontur erlangt: Die Pflicht, (im Lagebericht) auch an die Hauptversammlung zu berichten, ob dem Governancemodell des DCGK gefolgt wird oder nicht und falls nicht, warum. (2) Informationsmangel Insofern ist den Stimmen in der Literatur beizupflichten, die den Fall der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen einer unrichtigen Entsprechenserklärung § 243 Abs. 4 AktG zuordnen.185 Eine Anfechtung kommt demnach nur in Betracht, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information über die Abweichung von der Entspechenserklärung als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte. Sie scheidet deshalb aus, wenn die Information der Hauptversammlung vor der Beschlussfassung auf andere Weise bekannt geworden ist.186 c) Haftung als Sanktionsmechanismus Darüber hinaus erscheint es grundsätzlich möglich, dass der DCGK haftungsrechtliche Relevanz hat. Zu unterscheiden sind zunächst Außen- und Innenhaftung der Gesellschaft einerseits und der Organe andererseits. Ferner ist allen Fällen vorgelagert die Frage, ob es um einen Verstoß gegen eine Bestimmung des Kodex oder um einen Verstoß gegen § 161 AktG geht. Liegt lediglich ein Verstoß gegen eine Kodexbestimmung vor, betrifft Leuering, DStR 2010, 2255, 2256 f. VGR 2010, S. 63, 70 f.; Mülbert, in: Assmann / Schneider, § 30g Rn. 2; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 9; Spindler, NZG 2011, 1007, 1011; für eine entsprechende Regelung de lege ferenda deshalb Krieger, ZGR 2012, 202, 227. 185  Goette, FS Hüffer, S. 225, 232 f.; ders., in: MK-AktG, § 161 Rn. 91; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 481 f.; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 69. 186  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 92. 183  Dafür

184  Hüffer,



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung121

die Frage nach einer möglichen Haftung alle Bereiche privater Regelsetzung und damit auch die IDW-Standards. Denn in diesem geht es schlicht darum, ob auch dann gehaftet wird, wenn gegen privat gesetzte Regelungen verstoßen wurde. aa) Verstöße gegen § 161 AktG Keinem Zweifel begegnet die Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 161 AktG eine Pflichtverletzung der Organe gem. §§ 93 Abs. 1 und 2, 116 AktG darstellt, sodass ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihre Organe in Betracht kommt.187 Zum Schadenersetz verpflichtet diese Pflichtverletzung jedoch nur, wenn die Pflichtverletzung zudem schuldhaft erfolgte und darauf kausal ein Schaden beruht. Das wird sich nur im Ausnahmefall beweisen lassen.188 Eine Außenhaftung der Organe kann sich aus § 823 BGB ergeben. Ein Anspruch der Aktionäre gegen die Organmitglieder aus § 823 Abs. 1 BGB setzt jedoch voraus, dass eine Verletzung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte als „sonstiges Recht“ im Sinne der Vorschrift vorliegt, was nach ganz herrschender Meinung nur der Fall ist, wenn sich das pflichtwidrige Verhalten gerade gegen einen bestimmten Aktionär oder eine bestimmte Aktionärsgruppe richtet.189 Diese Voraussetzung ist jedoch im Falle der unrichtigen Entsprechenserklärung nicht erfüllt, weil sie sich an den Kapitalmarkt und an alle Aktionäre gleichermaßen richtet.190 Eine Außenhaftung lässt sich auf § 823 Abs. 2 BGB stützen, wenn § 161 AktG als Schutzgesetz qualifiziert wird. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffende Rechtsnorm individualschützenden Charakter hat. Das wird in der Literatur jedoch ganz überwiegend nicht so gesehen.191 § 161 AktG dient danach primär der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch Herstellung von Anlegervertrauen. Zwar ist die Erklärung – wie oben erwähnt – auch an die Aktionäre gerichtet, jedoch nur zur Vermittlung von Informa­ 187  Leyens,

in: GK-AktG, § 161 Rn. 521 ff. in: MK-AktG, § 161 Rn. 99; Hüffer, VGR 2010, S. 63, 78; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 540 ff.; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 167; Spindler, in: Schmidt / Lutter, §  161 Rn.  65. 189  Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 569; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 178; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 72; Spindler, in: Schmidt / Lutter, § 161 Rn. 72. 190  Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 178; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 72. 191  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 101; Hommelhoff / Schwab, in: Handbuch Corporate Governance, S. 71, 98; Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 181; Spindler, in: Schmidt / Lutter, § 161 Rn. 73. Mit abweichender Begründung auch Sester, in: Spindler / Stilz, §  161 Rn.  74. 188  Goette,

122

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

tionen über das Governance-Modell, nicht aber um den individuellen Vermögensschutz zu gewährleisten. Grundsätzlich kommt auch ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht. Erforderlich ist hier eine Betrachtung im Einzelfall dahingehend, ob die Organe tatsächlich in dem Bewusstsein gehandelt haben, einen Schädigungserfolg bei Anlegern durch die unrichtige Abgabe der Entsprechenserklärung herbeiführen zu können.192 Insofern ist ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen zur Haftung wegen fehlerhafter ad hoc-Publizität vorgeschlagen worden.193 Für eine vertiefte Darstellung der Thematik ist an dieser Stelle aber nicht der Ort. Daneben werden in der Literatur weitere Ansätze diskutiert, die eine Außenhaftung der Gesellschaft begründen könnten, namentlich die spezialgesetzliche Prospekthaftung, die kapitalmarkrechtliche Vertrauenshaftung und die Haftung aus vertragsähnlicher Beziehung (§§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB), ganz überwiegend mit dem Ergebnis, dass diese nicht zu einer Außenhaftung der Organe führen können.194 Auch das kann und muss hier nicht vertieft werden. Eine Außenhaftung der Gesellschaft kann sich insbesondere bei deliktischem Handeln der Organe aus § 31 BGB ergeben.195 Auf die Prospekthaftung (§§ 44 BörsG, 127 InvG, 13 VerkProspG) lässt sie sich wiederum nur dann stützen, wenn die Entsprechenserklärung als Prospekt angesehen wird. Grundsätzlich möglich erscheint eine Haftung wegen unterlassener oder unwahrer Veröffentlichung von Insiderinformationen gem. §§ 37b, 37c WpHG, jedoch wird in aller Regel die Entsprechenserklärung keine Information von erheblicher Kursrelevanz haben, wie es § 13 WpHG fordert.196

192  Spindler,

in: Schmidt / Lutter, § 161 Rn. 75. in: GK-AktG, § 161 Rn. 580 ff. 194  Sehr ausführlich und mit vielen Differenzierungen im Detail Leyens, in: GKAktG, § 161 Rn. 543 ff.; jede Haftungsrelevanz insofern verneinend Goette, in: MKAktG, § 161 Rn. 102; Hüffer, AktG, § 161 Rn. 30; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 74 und Spindler, in: Schmidt / Lutter, § 161 Rn. 76 ff.; weitergehend vor allem Lutter, in: KK-AktG, § 161 Rn. 173, der die Entsprechenserklärung als Prospekt verstehen will. 195  Leyens, in: GK-AktG, §  161 Rn. 607  ff.; Sester, in: Spindler  /  Stilz, § 161 Rn. 79; zweifelnd aber Hüffer, AktG, § 161 Rn. 29, weil nicht die AG, sondern ihre Organe Adressat von § 161 AktG seien. 196  Ausführlich wiederum Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 604 ff.; ebenso Hüffer, AktG, § 161 Rn. 28. 193  Leyens,



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung123

bb) Verstöße gegen Kodexempfehlungen Wie bereits mehrfach erwähnt, haben die Bestimmungen des Kodex selbst nicht die Qualität von Rechtsnormen (Art. 2 EGBGB), als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB scheiden sie mithin von vornherein aus. Beachtung verdient aber – gerade in Bezug auf das Referenzgebiet der IDW-Standards – die Frage, ob die oft über den Inhalt des Gesetzes hinausgehenden Kodexempfehlungen Einfluss auf den Pflichtenumfang oder Pflichtenmaßstab der Organe haben können. Das könnte grundsätzlich haftungsverschärfend wirken, denkbar wäre andererseits aber auch, dass sich Organe expressis verbis mit dem Vortrag entlasten können, sie hätten die Kodex-Regelungen befolgt und damit dem Standard guter Corporate Governance entsprochen. Nach überwiegender Auffassung in der Literatur konkretisieren die Regelungen des DCGK nicht unmittelbar den Sorgfaltsstandard des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, weil ihnen keine normative Geltungskraft zukommt.197 Sie können deshalb keine Pflichten erzeugen, die sich nicht bereits aus dem Gesetz herleiten lassen. Ob damit allerdings die Bedeutung der Kodex-Regelung für diesen Zusammenhang auf jene Bestimmungen beschränkt ist, die das Gesetz wiedergeben,198 erscheint fraglich, denn es ist möglich, dass auch Empfehlungen Pflichten beschreiben, die zwar nicht ausdrücklich im Gesetz stehen, jedoch als anerkannte Pflichten ebenso durch Auslegung des Sorgfaltsstandards gewonnen werden können.199 Andererseits stellt die schrift­ liche Fixierung in diesem Fall zugleich eine faktische Einschränkung der Generalklausel dar, die dazu führen kann, dass die individuelle Konkretisierungsleistung im Einzelfall gerade unterbleibt, weil die Operationalisierbarkeit der bestimmteren Kodex-Regelung eine Komplexitätsreduktion der Rechtsanwendungsleistung zumindest suggeriert. Die regelmäßig mit der Verwendung von Generalklauseln bezweckte Erzeugung einer konkret-individuellen Lösung200 anhand derjenigen Informationen, die im konkreten Einzelfall vorliegen, kann durch die schriftliche Fixierung nur einer einzigen Lösung verhindert werden. Die angesprochene Komplexitätsreduktion kann 197  Bachmann, FS Hoffmann-Becking, S. 75, 83; Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 46; Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 97; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 531; Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 83; Spindler, in: Schmidt / Lutter, § 161 Rn. 68; ders., in: MK-AktG, § 93 Rn. 31. 198  In diese Richtung Sester, in: Spindler / Stilz, § 161 Rn. 83. 199  Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 532 tritt dafür ein, dass in diesem Fall eine „ist-Regelung“ bzw. „muss-Regelung“ hätte formuliert werden müssen. 200  Zur Bedeutung von Generalklauseln als Delegationsmechanismus von Rechtsetzungsbefugnissen grundlegend Hedemann, Flucht in die Generalklauseln, S, 58 („Stück offengelassener Gesetzgebung“); diesen Gedanken allgemein auf unbestimmte Rechtsbegriffe übertragend Esser, Grundsatz und Norm, S. 150; aus neuerer Zeit prägnant Röthel, Normkonkretisierung, S. 49 ff.

124

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

folglich Persistenzneigungen begünstigen und so wünschenswerte innovative Entwicklungspotenziale ausschalten.201 Als normative Aussage mag es deshalb zutreffen, dass Kodex-Regeln keinen Einfluss auf den Pflichtenumfang und Pflichtenmaßstab etwa des § 93 Abs. 1 AktG haben, rechtstatsächlich erscheinen Zweifel indessen angebracht.202 Sofern der Aspekt des Kodex betont wird, dass dieser zur Verbesserung der Corporate Governance beitragen, also die Qualität der Unternehmensführung in Deutschland insgesamt verbessern soll, erscheint ein gewisser Einfluss der Kodex-Regelungen auf den Haftungsstandard zur Erreichung dieses Ziels nützlich, wenn nicht sogar erforderlich.203 Rechtsmethodisch bleiben aber erhebliche Zweifel; das gilt umso mehr, wenn man die Rolle der Kodex-Kommission nicht nur in einem Auffinden bereits bestehender, allgemein anerkannter Sorgfaltsanforderungen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) sieht, sondern auch in der Neuentwicklung bisher nicht bekannter Anforderungen; je größer auch der gesetzgeberische Druck auf die Kodex-Kommission zur Einführung bestimmter, auch unternehmensexternen Zielen dienender Empfehlungen wird,204 desto weniger scheinen sie zur Konkretisierung der Generalklausel geeignet. Verneint wird von der herrschenden Meinung auch die Frage, ob die Beachtung der Kodex-Regelungen einen safe heaven oder safe harbour bieten kann, Geschäftsleiter sich also durch den Nachweis kodexkonformen Handelns vom Vorwurf sorgfaltswidrigen Verhaltens oder jedenfalls verschuldeten Fehlverhaltens befreien können.205 Zwar lässt sich auch in diesem Kontext anführen, dass das Selbstverständnis des Kodex, die Regeln guter Corporate Governance zu formulieren, für die Vermutung streitet, der Geschäftsleiter habe im Falle ihrer Beachtung das Unternehmen gut geführt.206 Die rechtliche Rückkoppelung ist aber auch hier problematisch. 201  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 278. Zur Rolle der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang und möglichen Rückschlüssen für die normative Relevanz privat gesetzter Regeln Kapitel 4 C. 202  Dazu weiter unten sub D.I. 203  Kort, FS K. Schmidt, S. 945, 949; Lutter, FS Hopt, S. 1025, 1033; ders., in: KK-AktG, § 161 Rn. 164; apodiktisch OLG Schleswig, Urteil v. 19.9.2002, Az. 5 U 164 / 01, NZG 2003, 176, 179: „Mag damit auch noch keine Aussage über den konstruktiv einzuschlagenden Weg einer erfolgsabhängigen Vergütung für Aufsichtsratsmitglieder verbunden sein, so muss doch die gesetzliche Anerkennung des Corporate Governance Kodex durch nunmehr § 161 AktG auf die Interpretation anderer Vorschriften des Aktienrechts zurückwirken.“ 204  Dazu näher Habersack, Gutachten E zum 69. DJT 2012, E 33 ff. 205  Hüffer, AktG, § 161 Rn. 27; Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 48; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 535; Spindler, in: MK-AktG, § 93 Rn. 34. 206  Seibt, AG 2002, 249, 251.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung125

Zu unterscheiden sind zwei Fragen: Erstens, ob der Geschäftsleiter schon nicht pflichtwidrig gehandelt hat, zweitens, ob er einen möglichen Pflichtenverstoß jedenfalls nicht zu vertreten hat. Während die erste Frage wiederum den möglichen Einfluss der Kodex-Regelungen auf das Recht betrifft, geht es bei der zweiten Frage vor allem darum, ob dem Geschäftsleiter sein pflichtwidriges Verhalten auch vorgeworfen werden kann, wobei Maßstab nicht die subjektive Leistungsfähigkeit ist, sondern ein typisierter, an den objektiven Anforderungen ausgerichteter Erwartungshorizont.207 In den allermeisten Fällen lässt sich beides kaum trennen,208 weshalb „die Würfel“ regelmäßig schon auf Ebene der Pflichtverletzung fallen;209 in rechtstechnischer Hinsicht bietet sich hier jedoch ein Einfallstor für außerrechtliche Wertungen, wie sie auch bei § 276 Abs. 2 BGB möglich sind: Was die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ ist, bestimmt sich nach den Anschauungen des jeweiligen Verkehrskreises210 und erlaubt grundsätzlich auch die Berücksichtigung von regelförmigen Vorgaben ohne Rechtsnormcharakter.211 Der Hinweis allein auf Themenbereiche, in denen die Rechtsprechung auf Ebene des Verschuldens außerrechtliche Standards herangezogen hat, greift jedoch zu kurz. Denn während etwa DIN-Normen oder VDI-Normen212 technische Details regeln, etwa festlegen, was aktuell „dem Stand der Technik“ entspricht, auf den das Technikrecht häufig verweist, gehen die Standards des DCGK bewusst über das gesetzlich Vorgesehene hinaus. Sie unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht von technischen Normen: Erstens in diesem Übersteigen des Gesetzes, während technische Standards es lediglich konkretisieren sollen; zweitens regeln diese Vorgaben nicht nur technische Details, sondern normative Sachentscheidungen zur Fortentwicklung des 207  Hüffer,

AktG, § 93 Rn. 14. in: Spindler  /  Stilz, § 93 Rn. 205; Spindler, in: MK-AktG, § 93

208  Fleischer,

Rn. 158. 209  Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 205. 210  BGH, Urteil v. 31.5.1994, Az. VI ZR 233 / 93, NJW 1994, 2232, 2233; Urteil v. 29.1.1991, Az. VI ZR 206 / 90, NJW 1991, 1535, 1537; Grundmann, in: MK-BGB, § 276 Rn. 58; Löwisch / Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 35. 211  BGH, Urteil v. 01.3.1988, Az. VI ZR 190  / 87, NJW 1988, 2667, 2668; sehr weitgehend BGH, Urteil vom 3.11.2004, Az. VIII ZR 344 / 03, NJW-RR 2005, 386, 387: „Des Weiteren haben Fachplaner und ausführende Betriebe die Vorgaben der DIN 1988 Teil 7 und der DIN 50930 Teil 3 über die Installationsanordnung und die Korrosionswahrscheinlichkeit zu beachten.“ Weitere Beispiele bei Löwisch / Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 42; Unberath, in: Bamberger / Roth, § 276 Rn. 24. 212  Zu technischen Normen grundlegend Marburger, Regeln der Technik im Recht, S. passim; ferner Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S.  160 ff.; Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 483 f.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S.  269 ff.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Governance-Modells nach dem deutschen Aktiengesetz.213 Das schließt eine Beachtung der Standards des DCGK in Haftungsfragen nicht prima facie aus, doch deutet es bereits darauf hin, dass die Beantwortung der Frage, ob sie in Haftungsfragen relevant sein können, nicht pauschal beantwortet werden sollte. Eine derartige Untersuchung ist hier nicht angezeigt, es wird aber erkennbar, dass sich ähnliche Fragen stellen wie im Referenzgebiet der IDWStandards. Es hängt danach offenbar nicht allein von der Rechtsnormqualität einer Regelung ab, welche rechtliche Rolle sie spielt, sondern von weiteren Faktoren wie sie oben als Differenzierungskriterien vorgestellt wurden.214 Im Zusammenhang mit dem DCGK wird das hier nicht vertieft, sondern später215 im Hinblick auf die IDW-Standards. 7. Kontrolle des Kodex Eine Kontrolle des Kodex durch eine hoheitliche Instanz ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ähnlich wie im Falle der DRS216 ist aber eine Bekanntmachung des Kodex implizit vorgeschrieben, denn gem. § 161 AktG müssten Vorstand und Aufsichtsrat erklären, „dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht.“ Damit ist zunächst die erforderliche Publizität217 der Empfehlungen gewährleistet. Darüber hinaus soll nach Auffassung des Ministeriums selbst aber auch eine Kontrolle des Kodex auf seine Rechtmäßigkeit ermöglicht werden.218 Wie genau diese Kontrolle aussehen soll, ist indessen offen. Die Empfehlungen des Kodex gehen – wie schon mehrmals betont – teilweise deutlich über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus, weshalb sie gerade nicht mit dem Gesetz im Einklang stehen. Möglich erscheint immerhin eine Überprüfung dahingehend, ob der Kodex dem Gesetz zumindest nicht ausdrücklich widerspricht, indem es nicht mehr, sondern weniger verlangt. Ferner erscheint eine Kontrolle dort angebracht, wo der Kodex lediglich das Gesetz paraphrasiert. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass man sich von dieser Richtung auch Giebler / Jaspers, Reform des Risikomanagements, S. 27. sub B.I. 215  Kapitel 5 und 6. 216  Oben sub C.III.5. 217  Dazu oben sub C.III.5.c). 218  So Ministerialrat im Bundesjustizministerium Seibert, BB 2002, 581, 582; ebenso Bachmann, FS Hoffmann-Becking, S. 75, 78. 213  In

214  Oben



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung127

dieser Kontrolle nicht zu viel erhoffen sollte: Gerade bei der Widergabe des Gesetzes sind Ungereimtheiten aufgetreten, die in der Literatur für Kritik gesorgt haben.219 Ob sie im Interesse einer verständlicheren Sprache und der Informationsvermittlung an potentielle Anleger hinzunehmen sind, kann hier offen bleiben. Jedenfalls stellt sich aber die Frage, welchen Maßstab das Ministerium bei seiner Kontrolle des Kodex anlegt. Ganz in diesem Sinne ist es zu begrüßen, wenn in der aktuellen Diskussion erwogen wird, ein Verfahren für das Zustandekommen der Kodex-Regeln festzuschreiben.220 Es sollte dann die Überwachung durch das Bundesjustizministerium auf die Einhaltung der prozeduralen Vorgaben beschränkt werden, wie es hier auch für die ministerielle Kontrolle der DRS gefordert wird.221 8. Fazit Der in § 161 AktG verankerte Mechanismus des comply or explain führt nicht zu einer echten Verrechtlichung der privat gesetzten Regelungen im DCGK, sondern zwingt Vorstand und Aufsichtsrat lediglich dazu, eine Erklärung zu ihrem Befolgungsverhalten abzugeben. Faktisch ist es dabei allerdings nicht geblieben. Stimmen aus der Praxis zufolge halten sich viele Unternehmen für verpflichtet, die Vorgaben des DCGK einzuhalten. Dazu hat auch die Rechtsprechung beigetragen, die unter bestimmten, aber noch nicht ganz gewissen Voraussetzungen die Anfechtbarkeit von inhaltlich unrichtigen Entsprechenserklärungen anerkannt hat. Neuere Entwicklungen deuten darauf hin, dass auch nach Meinung des Gesetzgebers und der Kodex-Kommission eine Abweichung nicht nur möglich, sondern auch willkommen sein kann und die Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG damit in erster Linie ein Mittel zur Information des Kapitalmarktes darstellt. Das früher ebenfalls formulierte Ziel, den Standard guter Corporate Governance zu erhöhen, in dem klar ein Regulierungsanspruch zu erblicken ist, tritt zu recht in den Hintergrund. Dennoch ist auch im Falle des DCGK zu konsta219  Krieger, ZGR 2012, 202, 207  f.; Weiss, Hybride Regulierungsinstrumente, S. 74. Bekannt ist immerhin, dass das Ministerium in einem Fall eine angebliche Darstellung des geltenden Rechts, die aber über das Gesetz hinausging, in eine Empfehlung umgewandelt hat, Bachmann, FS Hoffmann-Becking, S 75, 85. 220  Kritisch zu einer weitergehenden „Verrechtlichung“ aber Bachmann, FS Hoffmann-Becking, S. 75, 82 f., weil quasi-verbindliche Normierung mit dem Kodex gerade nicht beabsichtigt gewesen sei. Das ist zutreffend, wird aber durch eine stärkere Regulierung der Kommissionsarbeit nicht berührt, weil allein die gesteigerte Transparenz des Verfahrens daran nichts ändert. Praktisch ist die Wahrnehmung ohnehin eine andere, s. oben sub E. II. 221  Oben sub C.III.5.e).

128

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

tieren, dass erhebliche Unsicherheit über die rechtliche Bedeutung der Kodex-Bestimmungen herrscht.

V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Betrachtungen zu den IFRS, IAS zum Deutschen Rechnungslegungs Standard Committee und zum Deutschen Corporate Governance Kodex haben erste Erkenntnisse gebracht, die für das Verständnis der Möglichkeiten zur Rezeption privater Regelwerke nützlich sind. Im Hinblick auf die Rezeptionsmechanismen erweisen sich die IFRS und ISA allerdings für die vorliegende Untersuchung insofern als begrenzt nützliche Untersuchungsgegenstände, als mit dem Endorsementverfahren, wie es für die IFRS besteht und für die ISA geplant ist, den privat geschaffenen Regelungen nachträglich der Rang von EU-Verordnungsrecht verliehen wird. Aufschlussreicher war die Betrachtung der Regeln des DRSC und der Kodex-Kommission. Ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden nun zunächst kurz zusammengefasst (unter 1.). Im Anschluss daran werden Schlussfolgerungen gezogen (unter 2.). 1. Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Erscheinungsformen privat gesetzter Regelungen Zunächst lässt sich festhalten, dass die gesetzliche Ausgangssituation für die Entwicklung der privat gesetzten Regelungen disparat ist. Während im Fall des § 342 HGB ein vertraglicher Auftrag für das Standardisierungsgremium gesetzlich vorgesehen ist, entstand die Kodex-Kommission lediglich aufgrund eines bilateralen, gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Auftrages zunächst des damaligen Bundeskanzlers und sodann der Justizministerin. Während der Standardisierungsvertrag gem. § 342 Abs. 1 HGB die Möglichkeit bietet, konkrete prozedurale Voraussetzungen für die Entwicklung von Standards zu machen, kann die Kodex-Kommission selbst entscheiden, wie die Kodex-Regelungen entstehen. Auch die Zielsetzung ist für die beiden Gremien strukturell verschieden. Das DRSC soll Regelungen treffen, die es ermöglichen, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, soweit sie die Konzernrechnungslegung betreffen, auf konkrete Sachverhaltsfragen anzuwenden. Die Bestimmungen des DCGK sollen zum einen der Verbesserung des Standards guter Corporate Governance dienen, zum anderen den Kapitalmarkt über ein in Deutschland anerkanntes Governance-Modell informieren; zugleich wird die Information mitgeteilt, ob diesem Modell gefolgt wird oder nicht.



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung129

Der Gesetzgeber hat dabei zwei verschiedene Rezeptionsmechanismen gewählt. Der eine besteht in einer gesetzlich angeordneten Vermutungswirkung: Wurde ein Konzernabschluss unter Beachtung der DRS aufgestellt, wird gem. § 342 Abs. 2 HGB vermutet, dass auch die GoB beachtet wurden, sofern die DRS zuvor vom Bundesjustizministerium bekannt gemacht wurden. Der Versuch, auf diese Weise die DRS zu inkorporieren, erweist sich als problematisch; am besten ist er noch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen auf private Regelwerke als verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft bezeichnet werden muss. Die Anordnung einer Vermutungswirkung dürfte in dem Bestreben getroffen worden sein, dem Rechnung zu tragen. § 161 AktG hingegen verlangt lediglich, dass Vorstand und Aufsichtsrat zutreffend erklären, ob die Empfehlungen des DCGK befolgt wurden, und wenn nicht, warum nicht. Während also § 342 Abs. 2 HGB dazu dienen soll, Gesetz und private Regelung inhaltlich zu verknüpfen, bleiben im Falle des § 161 AktG das gesetzliche und das private Regelwerk grundsätzlich inhaltlich völlig unabhängig nebeneinander stehen. § 161 AktG beruht auf der Grundannahme, der Kapitalmarkt werde die Nichtbefolgung des Kodex sanktionieren. Die Richtigkeit dieser Annahme ließ sich bislang indessen ebenso wenig belegen wie das Gegenteil. In der Fassung seit 2009 allerdings setzt die Norm, unterstützt auch durch das Selbstverständnis des Kodex, vermehrt darauf, dass die Begründung der Abweichung vom Kodex-Modell durch den Kapitalmarkt beurteilt werde. § 342 HGB bedient sich des Sanktionsmechanismus Kapitalmarkt hingegen nicht, weil die Befolgung oder Nichtbefolgung der DRS nicht erklärungspflichtig ist. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass § 161 AktG eine konkrete Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat normiert, während § 342 HGB nur den Status von DRS beschreibt. Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft dürfen von den Vorgaben des Kodex abweichen, sind aber zur Abgabe der Entsprechenserklärung verpflichtet. Verstoßen sie hiergegen, droht insbesondere die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses. Eine Pflicht zur Auseinandersetzung mit den Standards des DRSC besteht nicht. Ihre Nichtbeachtung führt auch nicht zur Einschränkung des Abschlussprüfertestats. Ein Anreiz liegt aber darin, dass durch die Befolgung der Standards ComplianceKosten gesenkt werden können. Denn der Bilanzersteller findet in den DRS von Experten entworfene, regelartige Vorschläge zur Errechnung und Darstellung der Unternehmenszahlen. Auch der Zeitaufwand des Abschlussprüfers dürfte sich so senken lassen, selbst wenn er sich – wie dargestellt – nicht allein auf die Kontrolle der Beachtung der DRS beschränken darf. Die Haftungsproblematik zeigt zugleich die Probleme, die bei der Ausfüllung eines gesetzlich vorgegebenen, aber nicht detailliert ausdifferenzierten

130

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Pflichtenprogramms mit privat gesetzten Regelungen zutage treten. Obwohl der Mechanismus des § 161 AktG rechtstechnisch dafür sorgt, dass die Vorgaben von Aktiengesetz und DCGK inhaltlich nicht miteinander verwoben sind, zeigt die Diskussion um eine mögliche Haftung bei der Nicht­ befolgung von Kodexempfehlungen (unabhängig von der Richtigkeit der Entsprechenserklärung), dass noch erhebliche Rechtsunsicherheit bei den Normadressaten – Vorstand und Aufsichtsrat – herrscht. Die Problematik des kritisierten gesetzgeberischen Versuches, mit § 342 HGB eine materielle Verknüpfung von Gesetz und privat gesetztem Regelkatalog zu schaffen, kehrt hier, da dieser Versuch nicht unternommen wurde, dennoch als Hoffnung und auch Sorge der Normanwender wieder: In Gestalt der Hoffnung auf einen safe harbour, in Gestalt der Sorge vor auswuchernden Haftungsrisiken. Daraus spricht ein Bedürfnis nach operationalisierbaren Verhaltensvorgaben, die es ermöglichen, auf gesicherter Grundlage den organschaft­ lichen Pflichten des Aktiengesetzes nachzukommen. Darauf wird insbesondere im 5. Kapitel dieser Arbeit noch zurückzukommen sein. Gewisse Gemeinsamkeiten bestehen im Hinblick auf die Möglichkeiten und Grenzen der Regelkontrolle. Beide privat gesetzten Regelwerke werden vom Bundesministerium für Justiz bekannt gemacht. In beiden Fällen wird vertreten, damit einhergehen müsse auch eine gewisse Kontrolle der Regelungen selbst. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte sich diese Kontrolle aber in beiden Fällen auf prozedurale Vorgaben beschränken, die das Zustandekommen der Regeln präformieren. Solche Regelungen bestehen im Fall des DCGK derzeit nicht, ihre Einführung wird aber erwogen. 2. Schlussfolgerungen Der vergleichenden Untersuchung von DRS und DCGK lässt sich kein einheitliches gesetzgeberisches Anforderungsprofil für die Rezeption privat gesetzter Regelungen entnehmen, das als normativer Programmsatz zur Ausgestaltung und Rezeption privat gesetzter Regelungen unmittelbar umsetzbare Vorgaben macht. Denn die jeweiligen Tatbestände und Rechtsfolgen der Rezeptionsnormen sind zu disparat, um einen entsprechenden Programmsatz zu abstrahieren. Einige wenige Mindestanforderungen lassen sich gleichwohl aus diesem Vergleich ableiten und sodann dem Regelsetzungsverfahren des IDW gegenüber stellen, wie es im ersten Kapitel dargestellt wurde. Dort wurde gezeigt, dass das Regelsetzungsverfahren des IDW nur rudimentär vorgegeben ist und geringe Transparenz aufweist.222 Folgende Grafik kann das verdeutlichen: 222  Kapitel

1 A.II.1.b).



C. Erscheinungsformen privater Regelsetzung131 DRS

DCGK

IDW-Standards

Zweck der Regelung

Einheitliche Darstellung von Unternehmensdaten im Konzernabschluss

– Verbesserung des Standards guter Unternehmensführung – Information für Anleger über das deutsche Aktienrecht – Information für Ka­pi­tal­markt über individuelle Corporate Governance des erklärenden Unternehmens

Standardisierung der Prüfungspraxis von Wirtschaftsprüfern

Rezeptionsnorm

§ 342 HGB

§ 161 AktG

Keine

Angeordnete Wirkung

Vermutung, dass bei Beachtung der DRS der konkrete Konzernabschluss den KonzernGoB entspricht

Keine; aber Pflicht, bei Nichtbefolgung dies und die Gründe hierfür zu erläutern; folglich Pflicht zur Befassung mit den Kodex-Regelungen

Keine

Steuerungsanspruch der Regelungen?

Ja, Vermutungswirkung soll Erleichterung bringen und so zur Befolgung motivieren

Ja, zumindest wegen der Zwecksetzung, den Standard guter Corporate Governance zu verbessern

Ja, IDW verpflichtet Berufsstand zur Befolgung

Hoheitliche Einflussnahme geregelt?

Ja, Anerkennung des DRSC durch Vertrag mit BMJ vorgeschrieben, der bestimmte Mindestvoraussetzungen für das Standardsetzungsverfahren regeln muss und weitere regeln kann; klar umrissene Aufgabenzuweisung

Nein; Regelung des Verfahrens wird erwogen

Nein

Verfahrenstransparenz

Standardisierungsvertrag regelt, dass DRS als Entwurf veröffentlicht wird und wesentliche Einwendungen und Änderungsvorschläge diskutiert werden

Nicht geregelt, inzwischen aber Veröffent­ lichung vorgesehener Kodex-Änderungen

Nein

Bekanntmachung

Durch BMJ

Durch BMJ

Nein; Standards nur gegen Bezahlung beim IDW erhältlich

Kontrolle der Standards

Nicht vorgesehen, Erforderlichkeit und Reichweite aber umstritten

Nicht vorgesehen, aber vom BMJ intendiert

Nein

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Auf Ebene des Normsetzungsverfahrens ist die einzige Gemeinsamkeit die Bekanntmachung der privat gesetzten Regelungen durch das Bundesjustizministerium, sobald das Gesetz mit ihnen – wie auch immer – ausdrücklich verknüpft wird. Im Falle der DRS stellt das Gesetz gewisse Mindestanforderungen an das Verfahren, in dem sie zustande kommen und die personelle Besetzung des Normsetzers. Es besteht aber keine Pflicht der Geschäftsleiter zur Befassung mit den DRS und erst recht nicht zu ihrer Befolgung. Dafür stellen sie aber eine Art safe harbour rule dar, denn bei ihrer Beachtung gilt der Konzernabschluss als GoB-konform. Anforderungen an das Verfahren, in dem der DCGK zustande kommt, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen und auch sonst nirgends formuliert. Der § 161 AktG führt aber zu einer Befassungspflicht mit dem Kodex, weil erklärt werden muss, welchen Regeln gefolgt wurde und wird und welchen nicht. Ob diese sogar den Sorgfaltsstandard des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG beeinflussen, ist ebenso umstritten wie die Frage nach ihrer Funktion als safe harbour rule. Ein normatives Programm für die Inkorporation privat gesetzter Regelungen im Unternehmensrecht existiert folglich nicht. Gleichzeitig besteht Einigkeit darüber, dass Mindestanforderungen erfüllt sein müssen; diese sind aber bislang im Detail unbekannt. IDW-Standards sind zwar darauf gerichtet, befolgt zu werden, sie erfüllen aber schon jene Anforderungen nicht, die an die Publizität privat gesetzter Regelungen gestellt werden.

D. Funktionen privater Regelsetzung Im folgenden Abschnitt wird den bislang dargestellten Erscheinungsformen privater Regelsetzung gegenübergestellt, welche Funktionen private Regelsetzung haben kann. Dabei wird auch das eigentliche Referenzgebiet wieder stärker in den Fokus rücken und mithin die Frage im Mittelpunkt stehen, welche Funktionen IDW-Standards in ihrem jeweiligen Themengebiet erfüllen sollen. Auf Grundlage früherer Arbeiten können schon einige gesicherte Aussagen zu den Funktionen223 privater Normsetzung gemacht werden. Ausgeklammert wird im folgenden Teil, welche rechtliche Qualität die privaten Regeln haben, ob und wie sie von der Rechtsordnung in Bezug genommen werden und welcher konkrete Verpflichtungsgrad ihnen zukommt. Die jeweilige Möglichkeit, bestimmte der nachstehend beschriebenen Funktionen 223  Shaffer / Pollack,

Hard Law and Soft Law, S. 7 f.



D. Funktionen privater Regelsetzung133

tatsächlich zu erfüllen, hängt – wie noch zu zeigen sein wird – davon allein nicht ab. Die Effizienz der privaten Regelung ist vielmehr auch von ihrer modalen Struktur abhängig und lässt sich letztlich nur aus einer Zusammenschau von Verpflichtungs- und Durchsetzungsmechanismus einerseits, eben jener Modalstruktur andererseits und letztlich immer nur bezogen auf den zu regelnden Sachverhalt entscheiden. Das gilt umso mehr, als die Frage nach der rechtlichen Geltung von IDW-Standards als Referenzgebiet der Untersuchung bereits aufgefächert wurde.

I. Standardisierungsfunktion 1. Positive Effekte So lässt sich zunächst eine Standardisierungsfunktion feststellen. Für unterschiedliche mögliche Verhaltensweisen soll ein einheitliches Verhaltensmuster entwickelt werden.224 Dies dient der größeren Vorhersehbarkeit von Verhaltensalternativen oder Verhaltenskonsequenzen und damit nicht zuletzt der Reduzierung von Transaktionskosten,225 oftmals in Fällen, in denen der Markt selbst keine einheitlichen Lösungen hervorgebracht hat und erwartungsgemäß auch nicht hervorbringen wird, obwohl sich daraus Ineffizienzen ergeben können.226 In dieser Funktion unterscheiden sich private und staatliche Regelsetzung kaum.227 Unabhängig von der Autorenschaft dienen Regeln auch stets als Wissensspeicher und damit der Komplexitätsreduktion228. Das wirft die Frage auf, was der Vorzug privater Regulierung im Hinblick auf die Standardisierung ist. Aus sich heraus lässt sich das nicht ohne weiteres beantworten, sondern es bedarf der weiteren Konturierung durch andere Funktionen privater Regelsetzung. Jedenfalls im Hinblick auf die Standardisierungsfunktion führt die dem staatlichen Recht innewohnende Möglichkeit staatlicher Durchsetzbarkeit zu keinem unmittelbaren Vor- oder Nachteil gegenüber privater Regelsetzung. 224  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46; Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 481 f. 225  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46; Voelskow, Private Regierungen, S. 133 ff. 226  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 391. 227  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46. 228  Das wird besonders augenfällig anhand der Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das seinen Ausgangspunkt im Aufkommen der Serienproduktion standardisierter Waren im 19. Jahrhundert hat, ausführlich Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S. 21 ff.; Basedow, in: MK-BGB, Vor § 305 Rn. 1. Ausführlich und die Grenzen gesetzlicher Normen als Informationsspeicher ausleuchtend Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 312 ff.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

2. Negative Effekte In der Leistung einer Standardisierungsfunktion liegt zugleich auch der große Nachteil der Normierung. Denn die jeweils erarbeiteten Sachfragen und konturierten Lösungen erhalten so eine gewisse Starre, die Alternativgestaltungen verzichtbar macht und sich deshalb als innovationshemmend herausstellen kann.229 Verkrustungserscheinungen und Pfadabhängigkeiten sind dann nicht mehr wünschenswert und Standardisierung verliert ihren originären Wert, wenn sich die Priorität verschiedener Gestaltungsalternativen verändert hat, beispielsweise neue wissenschaftliche Methoden oder Erkenntnisse – also neue Informationen – vorgefunden wurden, die eine „bessere“ Lösung der Sachfrage nahelegen. 3. IDW-Standards Es war stets die ureigene Aufgabe des IDW, für eine Vereinheitlichung des Berufsstandes zu sorgen, wie die Darstellung zur Entwicklung des IDW gezeigt hat,230 und zwar nicht nur im Hinblick auf eine einheitliche Ausbildung der Wirtschaftsprüfer, sondern auch im Hinblick auf eine einheitliche Berufsausübung. Letztlich sind alle IDW-Standards daher das Ergebnis der Sammlung induktiv gewonnener oder proaktiv ersonnener Prüfungsstrategien und Prüfungshandlungen. Zugleich finden sich aber auch IDW-Standards, die darüber hinausgehend die Prüfungsgegenstände typisierend beschreiben oder definieren. In diesem Zusammenhang zu nennen sind beispielsweise die IDW PS 261 Das interne Kontrollsystem im Rahmen der Abschlussprüfung, IDW PS 340 Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB oder IDW PS 800 Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen. Darauf wird noch zurückzukommen sein.231 Diese Beschreibungen bieten dem Abschlussprüfer, aber letztlich auch jedem Unternehmen, eine Informationsquelle und damit Zugang zu einem – nicht notwendig einzigen oder gar einzig richtigen – Verständnis der Prüfungsgegenstände. Auch die möglichen Nachteile von Standardisierung, wie sie oben beschrieben wurden, lassen sich anhand von IDW-Standards exemplifizieren. Der Ausgangspunkt dieser Untersuchung, nämlich die sich aus der Änderung von Bewertungsmethoden ergebenden Probleme der intertemporalen 229  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S.  278  f. und ausführlich zur Problematik von Persistenzneigungen im Zusammenhang mit dispositiven Gesetzesregelungen S. 100 ff. 230  Oben Kapitel 1 A.I.2.a). 231  Unten Kapitel 5, passim.



D. Funktionen privater Regelsetzung135

Anwendung des IDW S 1 bei der Unternehmensbewertung, hat eben dies zum Gegenstand. Neue betriebswirtschaftliche Erkenntnisse oder die erforderliche Berücksichtigung neuer oder geänderter gesetzlicher Vorschriften, etwa des Steuerrechts, legen im ersten Fall die „Entstandardisierung“ der existierenden Bewertungspraxis nahe oder zwingen im zweiten Fall sogar dazu. Während der Regelgeber – hier also das IDW – zur Rezeption geänderter Vorschriften schon deshalb angehalten ist, weil er in seiner Aufgabenwahrnehmung der Vertretung berufsständischer Interessen, die auch die Reduktion von Haftungsrisiken, die sich auch und gerade aus Unkenntnis der Rechtslage ergeben, zum Gegenstand hat, gestaltet sich die berufsstandsweite Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse demgegenüber als Aufgabe mit gesteigerter Komplexität. Gesetzliche Vorschriften weisen häufig einen hohen Detaillierungsgrad auf und erfüllen die hier beschriebene Standardisierungsaufgabe damit selbst; die durch den Standardsetzer zu erfassende und zu verarbeitende Information ist schon deshalb reduziert. Das gilt für die Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse in erheblich geringerem Maße. Gerade in diesem Fall ist die Gefahr von Pfadabhängigkeiten und Verkrustungserscheinungen deshalb groß. Ihre Verhinderung erfordert erheblich größeren Aufwand zur Überwindung des Informationsdefizits.

II. Lückenschließungs- bzw. Konkretisierungsfunktion Daneben kann private Regelsetzung die Funktion haben, Gesetzeslücken zu schließen. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass in einem gänzlich ungeregelten Bereich Normen gesetzt werden, oder dass bereits bestehende, aber offene Tatbestände konkretisiert werden. Insoweit sind sich Standardisierungsfunktion und Lückenschließungs- bzw. Konkretisierungsfunktion ähnlich.232 Ein entscheidender Unterschied besteht aber darin, dass sich private Regelsetzung hier bereits mit den Grenzen hoheitlicher Regulierung konfrontiert sieht. Denn es ist höchst fraglich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Generalklauseln oder unbestimmte Rechtsbegriffe einer Konkretisierung durch private Normen zugänglich sind oder der Gesetzgeber bestimmte Bereiche bewusst ungeregelt gelassen hat, sodass sich von einem „beredten Schweigen“ sprechen lässt. Es sind deshalb zunächst die rechtliche und die tatsächliche Ebene zu unterscheiden. Auf der tatsächlichen Ebene ist über das oben zur Standardisierungsfunktion Beschriebene hinaus nicht problematisch, dass sich in privaten Regeln Aussagen finden lassen, die faktisch Präzisierungen gesetzlicher Tatbestandsmerkmale enthalten. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob die gewählte Präzisie232  Augsberg,

Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46 f.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

rung rechtlicher Überprüfung namentlich durch die Gerichte standhält. Vergleichsweise unstreitig sind insofern die als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften bezeichneten TA-Luft und TA-Lärm, die jedenfalls ebenso wenig Gesetzesrang haben wie privat gesetzte Regeln.233 Unter der Voraussetzung, dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, sind Gerichte an die Konkretisierungen dieser Verwaltungsvorschriften gebunden.234 Jenseits dieser Fälle muss die Konkretisierungsmöglichkeit durch private Regelwerke einstweilen als äußerst unsicher gelten.235 Auch darauf wird noch zurückzukommen sein. Soweit insofern generalisierend privat gesetzten Standards eine Lückenfüllungsund Konkretisierungsfunktion zugesprochen wird, kann dem lediglich unter der Einschränkung gefolgt werden, dass zugleich die rechtliche Einbeziehungsmöglichkeit außer Frage steht. Besteht eine – wie auch immer gefasste – Möglichkeit, die privat gesetzten Regeln zu rezipieren, liegt in der Lückenschließungs- und Konkretisierungsfunktion einer der wesentlichen Gründe, weshalb auf private Regelgeber zurückgegriffen wird. Ihre größten Vorzüge liegen in der besonderen Sachnähe zum Regelungsgegenstand und der damit einhergehenden Vermutung besonderer Sachkompetenz.236 Schon deshalb haben sie ferner die Möglichkeit, schneller auf Veränderungen zu reagieren als der nicht auf ein Feld hochspezialisierte Gesetzgeber. Hinzu kommt, dass private Regelgeber nicht an dem Gesetzgebungsprozess vergleichbare Verfahren gebunden sind, was die Flexibilität nochmals erhöht. Diese Frage nach der rechtlichen Bindungswirkung einstweilen ausklammernd, erfüllen auch die IDW-Standards weitreichende Lückenfüllungs- und Konkretisierungsfunktionen. Insbesondere IDW S 1 Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen spielt hier eine besondere Rolle. Zahlreiche Situationen, in denen Unternehmen extern bewertet werden, sind rechtlich indiziert, weil etwa das Konzernrecht (§§ 304 ff. AktG), das Umwandlungsrecht (§ 5 UmwG) oder das Kapitalaufbringungsrecht (§§ 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, 34 Abs. 1 Nr. 2 AktG) ausdrücklich oder jedenfalls in der Sache eine Unternehmensbewertung verlangen. In allen Fällen hat der Gesetz233  Zu

ihnen bereits oben sub C.III.3. Urteil v. 28.10.1998, Az. 8 C 16–96, NVwZ 1999, 1114, 1115. 235  BVerwG, Urteil v. 23.4.2003, Az. 3 C 25  / 02, NVwZ 2003, 1384: „(…) ist jedoch festzuhalten, dass Richtlinien nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG (…) keine Rechtsnormen sind. Sie sind verwaltungsinterne Weisungen ­ und dazu bestimmt, für die Verteilung von Fördermitteln Maßstäbe zu setzen; insoweit regeln sie das Ermessen der letztlich für die Verteilung bestimmten Stellen (…). Allein der Verstoß gegen Richtlinien macht hiernach eine Subventionsvergabe nicht rechtswidrig.“ 236  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 274 f. 234  BVerwG,



D. Funktionen privater Regelsetzung137

geber das „Wie“ der Unternehmensbewertung nicht geregelt, sodass in der Praxis erhebliche Unsicherheiten bestehen; tatsächlich wird hier ganz überwiegend, was bereits angeklungen ist,237 auf IDW S 1 zurückgegriffen.238 Ein ebenfalls großes Konkretisierungspotenzial kann wiederum in IDW PS 261 Das interne Kontrollsystem im Rahmen der Abschlussprüfung und IDW PS 340 Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB gesehen werden, doch ist die Situation hier etwas verstrickter. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft verpflichtet, unter anderem das interne Kontrollsystem, das Risikomanagementsystem und das interne Revisionssystem zu überwachen, wobei das Gesetz diese Systeme zwar in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG ausdrücklich nennt, auf weitere Konkretisierungen jedoch verzichtet. Die Aussagen der Standards werden von der Literatur jedenfalls umfassend rezipiert.239 Auch für eine Lückenfüllungsfunktion lassen sich Beispiele aus dem Katalog der IDW-Standards anführen. So hat der Gesetzgeber bislang keine Regelungen zur Überwachung rechtmäßigen Verhaltens im Gesellschaftsrecht erlassen, die Legalitätspflicht gilt jedoch unstreitig als Kardinalspflicht aller Geschäftsleiter. Die sich ergebenden Sachfragen zwischen Rechtsbefolgungspflicht und Unternehmensorganisationspflicht werden unter dem Schlagwort Compliance bzw. Compliancemanagement diskutiert. Inzwischen liegt hierzu der IDW-Standard PS 980 Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen vor.240

III. Experimentierfunktion Hinzu kommt eine Experimentierfunktion. Hier spielt die Überforderung des staatlichen Gesetzgebers, auf jede Problematik zeitnah und sachkompetent regulativ zu reagieren, eine wichtige Rolle.241 Nicht zuletzt eine gewisse Starre und Behäbigkeit des staatlichen Rechtssetzungsverfahrens trägt ihren Teil zu privaten Rechtssetzungsinitiativen bei.242 Im Falle privater 237  Oben

Einleitung. ausführlich unten Kapitel 6. 239  Etwa von Klöpper, in: Hauschka, § 11 Rn. 45 ff.; Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 183 ff.; Pampel / Glage, in: Hauschka, § 5 Rn. 20; Spindler, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 19 Rn. 18; Warncke, Prüfungsausschuss und Corporate Governance, S. 319 ff. 240  Dazu ausführlich unten Kapitel 5 E. 241  Merkt, Privatisierung der Regelsetzung und -durchsetzung, 169, 179 f.; Voelskow, Private Regierungen, S. 68; kritisch zu dem Postulat gesetzgeberischer Überforderung aber Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 52 f. 242  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46 f. 238  Dazu

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Normsetzung sind fachliche Expertise und die Möglichkeit, zeitnah auf mögliche Fehlentwicklungen zu reagieren, eher gesichert als bei staatlicher Normsetzung.243 Diese Flexibilität ermöglicht es zumindest theoretisch nichtstaatlichen Regelgebern, bestimmte Regelungen gleichsam versuchsweise zu erlassen. Insbesondere in Fällen, in denen die rechtliche Verbindlichkeit nicht durch Inkorporationslösungen erzeugt wurde, sondern die Akzeptanz der Regelung bei den Regelungsadressaten über den Erfolg der Standardisierung entscheidet, eröffnet sich hier ein regulatorisches Versuchslaboratorium. Es ist darauf hingewiesen worden, dass Regulierung allgemein die Funktion eines Wissensspeichers erfüllt. Das Fehlen historischen Erfahrungswissens bei der Regulierung neuartiger Sachprobleme birgt hingegen die Gefahr von Über- oder Untersteuerungseffekten, weil sich ohne dieses Wissen die konkreten Regulierungsfolgen noch weniger prognostizieren lassen als dies selbst bei langjähriger Regulierungserfahrung der Fall ist.244 Diese Experimentierfunktion ist derzeit anhand der Entwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) abzulesen. Die enthaltenen Aussagen lassen sich unterteilen in Ziffern, die lediglich das Gesetz paraphrasieren, in Empfehlungen und Anregungen. Die gem. § 161 AktG abzugebende Entsprechenserklärung bezieht sich ausschließlich auf die Befolgung der Empfehlungen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, innovative Regelungsvorhaben zunächst als Anregung auszugestalten. Hat sie sich bewährt oder wird sie zwar von weiten Kreisen für erforderlich gehalten, aber nicht befolgt, lässt sich der Befolgungsdruck durch ein „upgrade“ zu einer Empfehlung erhöhen. Schließlich kann der Gesetzgeber die Empfehlung, wenn er sie für gelungen und erforderlich hält, ins Gesetz schreiben.245 Einen entsprechenden Entwicklungsprozess haben etwa die Regelungen zur Vorstandsvergütung in § 285 Nr. 9 lit a S. 5–8 HGB durchlaufen.246 Vergleichbares lässt sich in der Schweiz beobachten.247 Seither lässt sich nicht ganz ohne Grund bisweilen die Befürchtung äußern, die Möglichkeit des 243  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 46 ff.; dazu auch – am Beispiel des DCGK – Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich der Corporate Governance, 19, 29 ff. 244  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 384  f.; Reimer, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 9 Rn. 110. 245  Goette, FS Hommelhoff, S. 257, 262; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 98. 246  Fleischer, DB 2005, 1611 ff.; Goette, FS Hommelhoff, S. 257, 261 f.; Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich der Corporate Governance, 19, 30. 247  Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 13 Rn. 84.



D. Funktionen privater Regelsetzung139

Experimentierens werde umfassend genutzt, um unliebsamen Regelungsintentionen einen sanften und ebenen Weg ins Gesetz zu bereiten.248 Andererseits hat die Kodex-Kommission inzwischen auch einige (wenige) Empfehlungen und Anregungen, die sich auf die eine oder andere Art nicht bewährt haben, zurückgenommen.249 Ein Changieren von Regeln zwischen verschiedenen, nach ihrem Verpflichtungsgrad differenzierten Regulierungsmodellen lässt sich im Zusammenhang mit IDW-Standards nicht unmittelbar beobachten. Insofern kann nicht davon gesprochen werden, dass sich der Gesetzgeber des IDW zur Regulierungsvorbereitung bedient, indem er Regulierungsmöglichkeiten testen lässt und sie gegebenenfalls sodann in gesetzliche Vorschriften übernimmt. Andererseits gibt es Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber die Arbeit des IDW dennoch zur Kenntnis nimmt. Sowohl im Zusammenhang mit Fragen der Unternehmensbewertung als auch der Corporate Governance finden sich Aussagen in Gesetzesbegründungen, aus denen das Einverständnis des Gesetzgebers mit den Regulierungsmaßnahmen des Berufsstandes hervorgeht. In der Regierungsbegründung zum Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts von 1994 deutet sich dies nur an. Dort heißt es, die Festschreibung einer bestimmten Bewertungsmethode, wie sie bis dato im Gesetz enthalten war, habe sich nicht bewährt, „weil die Berücksichtigung und Gewichtung der verschiedenen Methoden je nach Natur und Gegenstand des Unternehmens verschieden sein kann.“250 Explizit ist damit nicht mehr gesagt, als dass sich nach Meinung des Gesetzgebers die gesetzliche Normierung einer Bewertungsmethode wegen der großen Unterschiede zu bewertender Unternehmen nicht zweckadäquat durchführen lässt. Implizit ist das Bewertungsvorgehen und mithin die Entwicklung von Bewertungsmethoden und Bewertungsverfahren damit aber in die Hände der Bewerter gelegt. Deutlich klarer fällt das Bekenntnis des Gesetzgebers zu den Standards des Berufsstandes in der Begründung zum BilMoG aus. Der neue § 317 Abs. 6 HGB enthält eine Verordnungsermächtigung, die auf das Wahlrecht in Art. 26 Abs. 3 der Abschlussprüferrichtlinie251 zurückgeht und die es dem Bundesjustizministerium erlaubt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie weitere Abschlussprüfungs248  Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 293; ferner Kremer, ZIP 2011, 177, 1179; Krieger, ZGR 2012, 202, 212. 249  So etwa mit den Kodex-Änderungen vom Mai 2012 die Empfehlung in Ziffer 2.3.3 DCGK, die Gesellschaft solle die Aktionäre bei der nach § 118 Abs. 2 AktG fakultativen Briefwahl unterstützen, weil die Praxis dem offenbar teilweise eine Empfehlung entnommen hat, die Briefwahl auch anzubieten, dazu Ringleb / Kremer / Lutter / v.  Werder, NZG 2012, 1081, 1083. 250  BT-Drucks. 12 / 6699 S.  94. 251  Richtlinie 2006 / 43 / EG.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

anforderungen zu normieren.252 Abschlussprüfungsverfahren sind hingegen von der Verordnungsermächtigung ausdrücklich ausgenommen mit der Begründung: „Diese hat der Berufsstand, ebenso wie die Prüfungsmethodik, seit jeher unter Berücksichtigung der internationalen Prüfungsstandards selbst entwickelt, so dass eine Erstreckung der Verordnungsermächtigung hierauf nicht erforderlich ist.“253

IV. Gewährleistung von Regelakzeptanz Mit den zuvor genannten Aspekten eng verbunden ist die Funktion privat gesetzter Regeln, höhere Akzeptanz der Regeln bei den Normadressaten zu erreichen.254 Das spielt gerade im Bereich der Rechnungslegung eine entscheidende Rolle,255 wie schon die Tatsache erhellt, dass die USamerikanischen Regelungen zur Bilanzierung als Generelly Accepted Account­ing Standards (GAAP) bezeichnet werden. Das Rechnungslegungsrecht erfüllt heute unstreitig drei Funktionen: Seit Jahrhunderten schon dient es zunächst dem Zweck, insbesondere gegenüber Eigen- und Fremdkapitalgläubigern Rechenschaft abzulegen. Hinzu getreten ist die Kapitalschutzfunktion durch Bemessung und Begrenzung des ausschüttungsfähigen Gewinns, die insbesondere hinreichenden Gläubigerschutz gewährleisten soll. Mittlerweile dient aber auch das deutsche Bilanzrecht der Information potentieller Investoren, indem Unternehmenszahlen veröffentlicht und der Marktöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bilanzrecht ist insofern Bestandteil der als Korrelat für die Marktteilnahme zu gewährleistenden Publizität von Unternehmen.256 Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen ist das Bilanzrecht auf eine möglichst weltweit einheitliche Regelung angewiesen, was mit der verpflichtenden Anwendung der IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen innerhalb der Europäischen Union zu erreichen versucht wurde und wird. Im Vordergrund steht hier nicht die Durchsetzung kontrafaktischer Verhaltensvorgaben, die nötigenfalls mit staat­ lichem Zwang durchzusetzen sind, sondern Bemühungen bereits auf Gesetzgebungsebene um eine gemeinsame „Sprache“ zur Darstellung der Unternehmensdaten möglichst vieler Unternehmen, die vielfach zugleich 252  Hopt / Merkt, in: Baumbach  / Hopt, § 317 Rn. 12; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 317 Rn. 39. 253  BT-Drucks. 16 / 10067 S.  88. 254  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 54; insbesondere aus Perspektive des Verwaltungsrechts auch Eifert, in: Hoffmann-Riehm / SchmidtAssmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 59. 255  So insbesondere Achleitner, Normierung der Rechnungslegung, S. 60 f.; Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 54. 256  Grundlegend Merkt, Unternehmenspublizität, S. 316 ff.



D. Funktionen privater Regelsetzung141

selbst Adressat der publizierten Information sind.257 Dass die Akzeptanz der Regelungen vor dem Hintergrund der beschränkten Durchsetzungsmöglichkeiten rechtlicher Regelungen über staatliche Grenzen hinweg unabdingbar ist, tritt hier offen zutage. Sie soll durch sachnahe Regelgeber wie beispielsweise den International Accouting Standard Board (IASB) als Urheber der IFRS gewährleistet werden, das mit Vertretern des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer und anderen Experten besetzt ist,258 wobei die Selbstbetroffenheit der Akteure die Vermutung für sachgerechte Regelungen begründen soll.259 Zugleich lässt sich aber die tatsächliche Akzeptanz von Regelungen bei den Regelungsadressaten nicht in jedem Falle bereits aus der Selbstbetroffenheit der Urheber folgern.260 Vielmehr kommt es darauf an, wie konkret die Regelsetzer selbst betroffen sind. Auch im Themenkomplex des Corporate Governance Kodex tritt die Sachnähe und das Selbstbetroffensein der Regelgeber als vielfach bemühtes Argument hervor; ob sich indes aus der tatsächlichen Besetzung und Ausgestaltung der Arbeitsweise der Kodex-Kommission wirklich die statistisch feststellbare Akzeptanz der Kodexempfehlungen herleiten lässt, wird mit guten Argumenten bezweifelt. Eher widerwillig – so kann man es bei Vertretern der Praxis lesen261 – fügten sich viele Unternehmen den Vorgaben des Kodex, und zwar aus Sorge vor Sanktionen durch den Kapitalmarkt oder, noch stärker, aus Sorge vor der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen der Hauptversammlung durch Aktionäre wegen einer unrichtigen Abgabe der Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG.262 Hinzu tritt die bisweilen bewusst durch den Gesetzgeber erzeugte und aufrecht erhaltene Sorge, dass bei geringen Befolgungs- und Steuerungserfolgen rasch mit hoheitlicher Regulierung reagiert werde.263 Die Regelakzeptanz hat hier mithin vor allem heteronome Gründe. 257  Dazu

bereits oben sub B.I. Liste der aktuellen Mitglieder des IASB ist abrufbar unter www.ifrs.org. 259  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 274 f. 260  Goette, in: MK-AktG, § 161 Rn. 34. 261  Besonders nachdrücklich das Fazit von Krieger, ZGR 2012, 202, 215: „Im Ergebnis stehen die Empfehlungen daher zwingendem Recht de facto weitaus näher als dispositivem Recht.“; zusammenfassend auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, E 52 f. 262  Dazu ausführlich oben sub B.IV.6. 263  Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 61; mit Hinweis auf das Presserecht und die Verpackungsverordnung (Pfandgut) ebenso Engel, FS Mestmäcker, S. 119, 123. Im Zusammenhang mit dem DCGK auch Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, E 25. Krieger, ZGR 2012, 202, 212, weist darauf hin, dass im Falle des DCGK erfahrungsgemäß immer mit einer späteren Regulierung im Gesetz gerechnet werden müsse. 258  Eine

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Im Bereich der internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS lassen sich verschiedenen Studien zufolge ebenfalls positive Aussagen darüber treffen, ob die Befolgung messbaren Nutzen bringt,264 was im Falle rational und ökonomisch handelnder Regelanwender das stärkste Indiz für die Akzeptanz der Regeln darstellen dürfte. Das Bild ist allerdings notwendigerweise schon deshalb verzerrt, weil seit 2005 die Anwendung der IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtend vorgeschrieben ist. Relativierend stellt ferner eine Studie fest, dass eine messbare Verbesserung der Liquidität nur in den Fällen zu verzeichnen war, in denen zugleich eine Enforcement-Stelle eingerichtet wurde, die die Qualität der Jahresabschlüsse überwacht.265 Das ließe einerseits den Schluss zu, dass ohne entsprechende Enforcement-Stelle die tatsächliche Befolgungsquote verfehlt wurde, weshalb die Akzeptanz der Regelungen letztlich doch nicht gewährleistet war. Andererseits könnte die festgestellte Effektivität der Enforcement-Stelle in Wahrheit nicht die fehlende Bereitschaft zur Regelbefolgung der Regeladressaten beseitigt, sondern erst die korrekte und mithin kostenoptimierende Anwendung der fraglichen Regeln ermöglicht haben, was wiederum über die Akzeptanz der Regelung keine Aussage zuließe. Es zeigt sich hierin, dass die Überprüfung privat gesetzter Regelungen auf ihre Akzeptanz weder anhand von Kosteneffekten noch von Befolgungsstatistiken belastbare Ergebnisse hervorbringt. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum möglich festzustellen, ob auch die bereits mehrfach angesprochene und hier unterstellte hohe Befolgungsquote der IDW-Standards auf die Akzeptanz der Standards oder auf andere externe Faktoren zurückzuführen ist.

V. Verhinderung von (Krisen-)Gesetzgebung Auch die Funktion, Gesetzgebung zu verhindern oder gar bestehende Gesetze zu beseitigen, kann privater Regelsetzung zukommen.266 Denn sobald von staatlicher Seite Regulierung erwogen wird, kann das Vorhaben unter Umständen dadurch verhindert werden, dass private Normen erlassen werden, die das Anliegen des staatlichen Gesetzgebers und der Normbetroffenen gleichsam bedient.267 Die private Normsetzung muss, um gesetzgebe264  Brüggemann / Hitz / Sellhorn, SFB 649 Discussion Paper (2012), passim; Daske / Hail / Leuz / Verdi, Chicago GSB Research Paper No. 12; Li, The Accounting Review 2010, Vol. 85, No. 2, pp. 607 ff. 265  Christensen / Hail / Leuz, Chicago Booth Research Paper No. 12-12, passim. 266  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 49; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 512. 267  Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 85. In England erweist sich das offenbar auch im Feld der Corporate Governance als erfolgreich, Winner, ZGR 2012, 246, 250.



D. Funktionen privater Regelsetzung143

rische Regelungsintentionen aufzuhalten, die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Denn sie ist, anders als staatliche Regulierung, auf freiwillige Befolgung ausgerichtet. Da sie möglicherweise aufgrund sachnaher und unbürokratischer Regelgeber besser als der staatliche Gesetzgeber geeignet ist, die fachlich richtige Lösung herbeizuführen,268 kann aber auch die Mitwirkungsbereitschaft der Regelungsadressaten größer sein. Außerdem erzeugt die Befürchtung staatlicher Regulierung hier in besonderem Maße einen faktischen Befolgungsdruck.269 Die Verhinderung neuer gesetzlicher Regelungen erweist sich insbesondere dann als erstrebenswert, wenn die Gefahr krisengetriebener gesetzgeberischer Überreaktion erkannt werden konnte.270 Als Beispiele für eine solche Krisengesetzgebung wird insbesondere der Sarbanes-Oxley Act angeführt, der nach den spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen in den USA zu erheblichen Verschärfungen bei der Unternehmenskontrolle geführt hat.271 In Deutschland wurden Verschärfungen der Vergütungsregelungen für Manager nach Ausbrechen der Finanzkrise 2008 vorgenommen; hier hätte sich eine segmentspezifische Differenzierung nach Kreditinstituten und anderen Aktiengesellschaften angeboten.272 Eine Lösung über privat gesetzte Regelungen, namentlich den DCGK, wäre durchaus naheliegend gewesen und hätte den Vorteil gehabt, einzelne, später als unangemessen empfundene Regelungen einfacher anpassen oder zurücknehmen zu können. Gesetzesvorschriften jedenfalls werden in der Regel nicht zeitnah aufgehoben, wenn die Triebkraft der jeweiligen Krise zurückgegangen ist.273

268  Nochmals Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 274 f.; insbesondere aus Perspektive des Verwaltungsrechts auch Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, §  19 Rn. 59; kritisch hingegen Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 52. 269  So auch Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 61. 270  Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 292. 271  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 461  f.; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 85. ­Einen Überblick zu anderen kriseninduzierten Gesetzesreformen bietet Fleischer, FS Priester, S.  75 ff. 272  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 462. Bezogen auf die krisenbedingte Verkürzung von Aktionärsrechten durch das Finanzmarktförderungsbeschleunigungsgesetz zum Zwecke der Reorganisation angeschlagener Kreditinstitute auch Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 292 f. 273  Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 292.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

VI. Transnationale Regulierung Besondere Bedeutung hat private Regelsetzung auch aufgrund fortschreitender Europäisierung und Globalisierung erlangt.274 Denn während staat­ liches Recht national ist und folglich jedenfalls hinsichtlich der Durchsetzbarkeit an staatlichen Grenzen haltmacht, gilt dies für privat gesetzte Regelungen nicht.275 Insbesondere im Bereich des Kapitalmarktrechts verliert der Einfluss nationaler Gesetzgebung angesichts global agierender Marktteilnehmer an Bedeutung.276 1. Auf europäischer Ebene Auf europäischer Ebene sind verschiedene Bemühungen zu verzeichnen, die Erfordernisse Flexibilität, Sachkompetenz und Regelakzeptanz miteinander in Einklang zu bringen, wobei im Bereich der EU-Gesetzgebung die Frage nach der Regelakzeptanz insofern nachrangig ist, als die Setzung zwingenden Rechts auch über nationalstaatliche Grenzen hinweg supranational möglich ist; stattdessen treten Fragen nach der jeweiligen verfahrensmäßigen Ausgestaltung einer Rechtsetzung hinzu, die flexibel und gut informiert ist. Im Jahre 2000 beauftragte der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU (ECOFIN) einen „Ausschuss der Weisen“ unter dem Vorsitz von Alexandre Lamfalussy mit der Erarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Zusammenarbeit, die eine raschere gesetzgeberische Reaktion auf Markentwicklungen gewährleisten sollten.277 Eines der Ergebnisse war der Vorschlag der Einführung eines Komitologieverfahrens (Lamfalussy-Verfahren), das aus vier Stufen besteht und die inhaltliche Erarbeitung der Neuregelungen in Ausschüssen ermöglicht. Es wurde am 23.3.2001 durch den Rat gebilligt und die Kommission mit der Durchführung beauftragt,278 das Parlament stimmte ihm am 5.2.2002 zu.279 Mittlerweile wurde das Verfahren signifikant überarbeitet und in Art. 290, 291 AEUV primärrechtlich fixiert.280 Im Rahmen der Ausschusssitzungen haben Private dabei allerdings 274  Köndgen,

AcP 206 (2006), 477, 511 f. besonders umfassend Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 57 ff.; auch Merkt, ZGR 2007, 532 ff. 276  Merkt, ZGR 2007, 532 f. 277  Lutter / Bayer / Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rn. 45. 278  ABlEG v. 11.5.2001, C 138 / 1. 279  ABlEG v. 21.11.2002, C 284 / 115. 280  Zu Einzelheiten des neuen Verfahrens (Lamfalussy-II) Lutter / Bayer / Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rn. 48 ff. 275  Dazu



D. Funktionen privater Regelsetzung145

lediglich beratende Funktionen, die konkreten Beschlüsse fassen Ausschussmitglieder. Diese waren etwa im Falle des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden bis 2010 (Committee of European Securities Regulators – CESR)281 allesamt hochrangige Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden.282 Nicht nur in diesem, sondern auch in anderen Fällen lässt sich auf europäischer Ebene eine gewisse Skepsis gegenüber rein privater Regelsetzung erkennen.283 Eine Ausnahme bildet das IASB. Das internationale Rechnungslegungsrecht für kapitalmarktorientierte Unternehmen, das innerhalb der Europäischen Union durch das Endorsementverfahren den Rang europäischen Verordnungsrechts hat, kommt durch ein nicht mit Hoheitsträgern besetztes Gremium zustande. 2. Weltweite Regulierungsbemühungen Private Regelwerke in einem weiten Verständnis, deren Ziel unter anderen die Überwindung der sich aus der nationalstaatlich bedingten, begrenzten Wirkungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten ergeben, lassen sich auch außerhalb der EU finden. Ihre Erscheinungsformen sind derart mannigfaltig, dass Hinweise auf ausgewählte Beispiele hier genügen müssen:284 Als Paradebeispiel kann dafür abermals das IFRS-Rechnungslegungsrecht genannt werden, das schon vor der Übernahme durch die EU rechtsordnungsübergreifend den Marktteilnehmern Regelungen zur Verfügung gestellt hat, die die einheitliche Gewinnung und Offenlegung von Unternehmensdaten ermöglichten. Das IASB war von Anfang an darauf ausgerichtet, weltweit einheitliche Rechnungslegungsstandards zu schaffen. Hoheitlichem Handeln vergleichsweise nahe ist hier noch die Vereinigung der Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörden IOSCO,285 die wiederum mit Vertretern der nationalen Behörden besetzt ist. Das gilt auch für den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der unter anderem international anerkannte und innerhalb der EU auch verpflichtend umgesetzte Regeln für die Eigenkapitalunterlegung der Banken entwickelt hat (Basel II).286 Im Bereich des transnationalen Wirtschaftsrechts können ferner die Einheitlichen Richt­linien 281  Aufgelöst

durch die VO (EU) 1095 / 2010. Sinn und Unsinn von Soft Law, S. 68 f.; Spindler / Hupka, Bindungswirkung von Standards, 117, 121 f. 283  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 63. 284  Eine Systematisierung bieten Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, passim. 285  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 64. 286  Spindler / Hupka, Bindungswirkung von Standards, 117, 120 f. 282  Arndt,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA)287 oder Internationale Handelsklauseln (Intercoms)288 genannt werden.289 3. IDW-Standards Unter dem Gesichtspunkt transnationaler Regelung sind die IDW-Standards bislang wenig in Erscheinung getreten. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind sie Standards einer national agierenden berufsständischen Vereinigung, deren primäre Aufgabe die Prüfung von Jahresabschlüssen ist, die auf Grundlage deutschen Rechts aufgestellt wurden. Die gewandelte Rolle der Abschlussprüfer, auch andere Aufgaben der Corporate Governance zu übernehmen, ist vergleichsweise neu.290 Zweitens bemüht sich das IDW selbst um eine Angleichung an internationale Prüfungsstandards, die International Standards on Auditing (ISA).291 Zahlreiche IDW-Standards weisen bereits jetzt eine hohe Konvergenz mit den ISA auf. Mit § 317 Abs. 5 HGB hat der Gesetzgeber zudem eine Möglichkeit geschaffen, künftig bei der Prüfung von Abschlüssen auf Grundlage der IFRS auch die ISA direkt zur Anwendung zu bringen. Geplant ist ein dem Endorsement der IFRS vergleichbares Verfahren.292 Die europaweite Anwendung einheitlicher Abschlussprüfungsstandards verspricht nach einer Studie der Universität Duisburg-Essen erhebliche Kosteneffekte.293 Die ISA werden vom International Auditing and Assurance Standard Board publiziert, das der Interna­ tional Ferderation of Accountants (IFAC) angeschlossen ist.294 Im IFAC ist das IDW selbst Mitglied. Desweiteren bemüht sich das IDW auch um Einfluss beim IASB, etwa durch schriftliche Stellungnahmen.295

VII. Weitere Funktionen Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Es lassen sich eine Vielzahl weiterer Schlagworte finden, unter denen sich einzelne der vorstehend genannten Funktionen verknüpfen lassen oder die weitere Aspekte besonders knapp Hopt, in: Baumbach / Hopt, Einl. ERA Rn. 1. dazu knapp Hopt, in: Baumbach / Hopt, Einl. Intercoms Rn. 9 ff. 289  Buck-Heeb / Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 148 f. 290  Mattheus, ZGR 1999, 682 ff. 291  Habersack / Schürnbrand, GK-HGB, § 317 Rn. 39. 292  Art. 26 Abs. 1 Abschlussprüferrichtlinie; näher Merkt, FS Wymeersch, S.  244 ff. 293  Köhler / Böhm, WPg 2009, 997, 1003 f. 294  Näheres dazu bei Merkt, FS Wymeersch, S. 244, 245 ff. 295  Siehe dazu etwa der Tätigkeitsbericht 2010  / 2011 des IDW, abrufbar unter www.idw.de. 287  Dazu

288  Auch



D. Funktionen privater Regelsetzung147

betonen. So wird bisweilen auch von einer „Signalfunktion“, von privater Regulierung als „Compliance-Instrument“ oder von „tone at the top-Funk­ tion“ gesprochen.296 Hierbei handelt es sich in erster Linie um Versuche, durch unternehmensinterne Standards das Vorstands- und Mitarbeiterverhalten zu steuern. Aus staatlicher Perspektive schließlich kann eine Entlastungsfunktion proklamiert werden. Durch die Formulierung privater Normen werden staatliche Ressourcen geschont.297

VIII. Schlussfolgerungen Aus den vorstehenden Überlegungen und Analysen lässt sich der Schluss ziehen, dass es eine Vielzahl von Gründen geben kann, privat gesetzte Regelungen als Regulierungsinstrumente in Betracht zu ziehen. Andererseits erfüllen sie aber in der Regel nie alle und vor allem nie gleich stark die Funktionen, die in der Literatur als mögliche Funktionen privat gesetzter Regelungen genannt werden. Als übergreifendes Problem lässt sich ein potenzielles Informationsdefizit ausmachen. Standardisierung dient der Bündelung und Systematisierung von Informationen, im Falle der IDW-Standards bewährter beruflicher Praxis. Das Ausfüllen von Gesetzeslücken oder von unbestimmten Rechtsbegriffen mithilfe privat gesetzter Regelungen substituiert Informationen, die der Regelanwender benötigt, um das fragliche Gesetz oder den unbestimmten Rechtsbegriff auf den konkreten Fall anwenden zu können; es dient also dem Herstellen formaler Realisierbarkeit. Dabei ist festzuhalten, dass dieses Informationsdefizit private und staatliche Normgeber zunächst in ähnlicher Weise belastet.298 Denn auch der staatliche Gesetzgeber benötigt eine gewisse Datenbasis, auf deren Grundlage er eine effiziente Regelung treffen kann. Nur ist private Regelsetzung flexibler als staatliche und erlaubt es deshalb leichter, bei zu geringer Datenbasis und gleichzeitigem Regelungsbedarf zunächst eine Regelung zu schaffen, die als Experiment dient. Die größere Sachnähe der Regelgeber, wenn Regeln durch praktisch involvierte und dadurch gut informierte Akteure geschaffen werden, kann zu einer höheren Akzeptanz der Regeln bei den Adressaten führen. Das Informationsdefizit als Grund für private Regelsetzung kann deshalb sowohl auf der Seite des Rechtsanwenders als auch des Gesetzgebers selbst auftreten. 296  Windbichler, Bindungswirkung von Standards im Bereich der Corporate Governance, 19, 25 ff. 297  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 51 ff.; Köndgen, AcP 206 (2006), 477 513; Voelskow, private Regierungen, S. 67 ff. 298  Zusammenfassend Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrate­ gien, S. 284.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

IDW-Standards erfüllen primär eine Standardisierungsfunktion. Sie dienen als wertvoller Wissensspeicher und können so zur Komplexitätsreduktion beitragen. Zugleich hat die Standardisierungsfunktion aber auch Nachteile. Denn dem möglichen Mehrwert von Feinsteuerungseffekten steht die Gefahr von Verkrustungserscheinungen gegenüber. Gerade bei geringem Erfahrungswissen, insbesondere der Standardisierung von Verfahren bei neuartigen Sachproblemen, können die Innovationsverluste durch die Standardisierung dazu führen, dass sich ihr Verzicht empfiehlt.299 Skepsis ist gegenüber der Fähigkeit von privat gesetzten Standards im Allgemeinen und von IDW-Standards im Besonderen geboten, Gesetzeslücken zu schließen. Das gilt zumindest dann, wenn dieser Lückenfüllungsakt als Möglichkeit verstanden wird, mit normativem Regulierungsanspruch verbindlich die offen gehaltenen Bereiche der Rechtsordnung auszufüllen. Ohne diesen Anspruch bleibt die Lückenschließungsfunktion allerdings eine bloße Standardisierungsfunktion. Eine wichtige Rolle spielt in der jüngeren Vergangenheit für den Gesetzgeber die Experimentierfunktion privater Regelsetzung. Im Falle der IDWStandards konnte diese Beobachtung jedoch nicht gemacht werden. Der Gesetzgeber scheint dennoch die Arbeit des IDW als Standardsetter zu verfolgen. Häufig wird postuliert, private Regelsetzung gewährleiste eine höhere Akzeptanz der geschaffenen Regeln. Es konnte aber auch gezeigt werden, dass sie mitunter in Regulierungszusammenhängen vorkommen, die ihre Befolgung zumindest stark begünstigen. Über die tatsächliche Akzeptanz ist dann mit Vorliegen einer feststellbaren hohen Befolgungsquote wenig gesagt. Das gilt auch und gerade im Falle von IDW-Standards. Eine geringere Rolle spielt in ihrem Fall das Ziel, durch Standardisierungsleistung auf privater Ebene ein regulatorisches Eingreifen des Gesetzgebers zu verhindern. Man gewinnt eher den Eindruck, der Gesetzgeber selbst scheue eine stärkere inhaltliche Befassung mit den Themen, in deren Zusammenhang er die Wirtschaftsprüfer einschaltet. Das wird im 4. Kapitel zu vertiefen sein.

E. Rechtsvergleichende Umschau Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass IDW-Standards keine Rechtsnormen sind, sondern sich dem Phänomen privater Regelsetzung zuordnen lassen. Dargestellt wurde, welche Funktionen private Regelsetzung haben kann und welche Mechanismen im Unternehmensrecht bisher 299  Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 342 f.

S.  386  f.



E. Rechtsvergleichende Umschau149

bekannt geworden sind, um privat gesetzte Regeln in die Rechtsordnung zu inkorporieren und diese Vorteile auch rechtlich zu rezipieren. Dabei konnte gezeigt werden, dass die deutsche Rechtsordnung eine Berücksichtigung privat gesetzter Regelungen nicht ohne weiteres zulässt. Die Voraussetzungen, unter denen sie im Unternehmensrecht ermöglicht wird, sind nicht abschließend geklärt. Private Regelsetzung ist aber nicht nur ein Phänomen in Deutschland. Es ist sogar ein möglicher Vorteil privater Regelsetzung, anders als staatliches Recht angesichts globaler Märkte nicht territorial begrenzt zu sein. Auch wenn dieser Vorteil für IDW-Standards keine besondere Rolle spielt, erscheint es angesichts des nicht geklärten Verhältnisses des deutschen Unternehmensrechts zum Phänomen privater Regelsetzung sinnvoll, einige rechtsvergleichende Betrachtungen anzustellen und so der Frage nachzugehen, welche Rolle andere Rechtsordnungen privat gesetzten Regelungen zuerkennen.

I. Schwierigkeiten und Chancen der Rechtsvergleichung im Themenkreis privater Regelsetzung Rechtsvergleichung im Sinne eines internationalen Vergleichs privat gesetzter Regelungen und ihrer Entstehungs- und Funktionsbedingungen wird bislang wenig betrieben.300 Das liegt nicht etwa daran, dass es weltweit nicht privat gesetzte Regeln gäbe, das Gegenteil ist der Fall,301 doch wird die Komplexität des Unterfangens möglicherweise gescheut, zumal ihr Nutzen nicht recht absehbar scheint. Denn schon eine überschlägige Einschätzung der Situation zeigt so unterschiedliche Voraussetzungen für die Entstehung und Wirkungsmöglichkeiten privat gesetzten Rechts, dass eine äußerst breit angelegte Untersuchung unumgänglich wäre. Sie steht bislang aus und kann hier nicht vorgenommen werden. Es ist der Verdienst von Reimann, erste Parameter für eine solche Untersuchung herausgearbeitet zu haben.302 Grob zusammenfassend lassen sich folgende Aspekte anführen, um zu erhellen, womit sich eine rechtsvergleichend angelegte Untersuchung „entstaatlichten Rechts“ auseinander zu setzen hätte: Zunächst zeigt sich, dass bereits kontinentaleuropäische und anglo-amerikanische Sichtweisen auf privat gesetzte Regeln im Vergleich stark divergieren,303 die dringend geforderte Berücksichtigung nicht-westlicher 300  Reimann,

Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1, 3. dazu die Nachweise bei Cunningham, 104 Michigan L.Rev. 291, 292 f. (2004); ferner Di Robilant, 54 Am. J. Comp. L. 499, 500 ff. (2006). 302  Reimann, Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1 ff. 303  Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 251. 301  Vgl.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Rechtskulturen304 noch außen vor lassend. Im deutschen Rechtskreis wird das Privatrecht als Teil der Gesetzesmaterie gesehen, als Element staatlich normierten, institutionell verankerten Rechts, während es im common law mehr als lose umrissene Rechtsmasse auftritt, welche die Verhältnisse Privater zueinander regelt.305 Auch der Staatsbegriff vermittelt in beiden Rechtskreisen Verschiedenes.306 Schließlich ist die Rechtserzeugung in Kontinentaleuropa traditionell staatlichen Parlamenten vorbehalten, während sich im common law Rechtsentstehung durch Fallentscheidungen vollzieht.307 Zwar sollte dieser Unterschied nicht überhöht werden, weil im kodifizierten, aber abstrakt-generellen Recht zumindest Rechtssicherheit im Einzelfall und auch darüber hinaus erst durch Rechtsprechung entsteht,308 doch scheint das etwas losere Verhältnis von Staat und Privatrecht im anglo-amerikansichen Rechtskreis die grundsätzliche Akzeptanz nicht staatlich gesetzter Regelungen zu begünstigen,309 weil gerade der Ruf nach formaler Legitimation hier weniger laut schallt.310 Ohne weiteres haben Gerichte etwa Regelungen des Berufsstandes zur Konkretisierung des haftungsrelevanten Standards herangezogen.311 Soweit ersichtlich, werden auch kaum Zweifel an der Existenzberechtigung und Rechtsetzungsbefugnis des American Law Institute erhoben,312 das seit 1923 sogenannte restatements und principles veröffentlicht.313 Doch 304  Reimann,

Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1, 8. RabelsZ 2007, 345, 352 f. 306  Reimann, Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1, 12. 307  Jansen / Michaels, RabelsZ 2007, 245, 377 ff.; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 123 ff. (England) und S. 190 ff. (USA); Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 251. 308  Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 245; dem folgend Ohly, AcP 201 (2001), 1, 22 ff.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 91; rechtsvergleichend monographisch jüngst Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 26 und insbesondere S. 252 ff. 309  Reimann, Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1, 13. 310  Pointiert Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 413 (2003): „Instead of taking on such a battle, let us instead be practical and realistic. Although the state could refuse to honor privately made law, it does not. (…) So we might see the situation as something of a sandwich, and the state brings the bread. Between the two pieces of bread (…) is the interesting part of the sandwich.“ Eine Alternative sieht er in einem Wettbewerb der Regelgeber, aaO., 444: „The difference, highlighted in that exercise, is that competition plays the crucial role of giving legitimacy to privately made laws.“ Allein auf Effizienzkriterien abstellend Hadfield, 6 J Emerging & Small Bus.L. 257, 263 (2000): „… efficiency as their only goal.“ 311  Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185 (1976); Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 222. 312  Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 383 (2003). 313  Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 380 ff. (2003); Zekoll, Das Amerikanische Law Institut, S. 101, 112. 305  Jansen / Michaels,



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ist auch hier Zurückhaltung im Urteil geboten, weil das American Law Institut von Anfang an vor allem der Strukturierung und Systematisierung des case law dient, wobei andererseits aber durchaus die Frage gestellt wird, ob es nur feststellend tätig werden oder auch Werturteile fällen darf.314 In den Staaten Virgin Island315 und Northern Mariana316 wird den restatements offenbar durch den Territorialgesetzgeber Rechtsgeltung zuerkannt, sofern ihnen kein lokales Recht entgegensteht; in anderen Staaten sind sie das, was man aus europäischem Blickwinkel als „unverbindlich“ bezeichnen würde, doch erlangen sie auf Rechtsprechungsebene große Bedeutung. Denn un­ abhängig von einem staatlichen Geltungsbefehl werden sie durch die Obergerichte der Einzelstaaten zur Anwendung gebracht.317 So lässt sich jedenfalls eine geringere Scheu vor der Anwendung privat gesetzter Regeln durch Gerichte konstatieren, und ganz in diesem Sinne hat schon 1897 der bereits zitierte Justice Holmes befunden: „The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.“318 Erscheinen diese Grundbedingungen, unter denen jeweils privates Recht entsteht, derart heterogen, lässt sich mit guten Gründen die Frage aufwerfen, ob privat gesetzte Regelungen nicht an sich rechtsordnungsunabhängig gewisse Familienähnlichkeiten aufweisen, entstaatlichtes Recht mithin nicht aufgrund seiner Entstehungsbedingungen, sondern anderer Merkmale als eine Rechtsfamilie begriffen werden kann.319 In Betracht kommen die Geschichte, Kultur und Funktion der privaten Regelung ebenso wie wesensprä314  Zekoll, Das Amerikanische Law Institut, S. 101, 112, weist darauf hin, dass die restatements Werturteile enthalten und nach seiner Einschätzung auch enthalten dürfen. 315  Virgin Islands Code Annotated Title 1 § 4: „The rules of the common law, as expressed in the restatements of the law approved by the American Law Institute, and to the extent not so expressed, as generally understood and applied in the ­United States, shall be the rules of decision in the courts of the Virgin Islands in cases to which they apply, in the absence of local laws to the contrary.“ 316  Nothern Mariana Islands Commonwealth Code § 3401; näher auch Adams, 33 Hofstra L.Rev. 423, 426 (2005). 317  Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 381 (2003); Zekoll, Das Amerikanische Law Institut, S. 101, 115; kritischer aber Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 247: „… so wird ein amerikanischer Richter zwar häufig das Restatement heranziehen, wird ihm aber in der Regel doch nur ein Gewicht zuerkennen, das einige Meßstriche oberhalb desjenigen eines führenden Lehrbuchs liegt, und das ist in einem Lande des Common Law noch immer nicht übermäßig viel.“ 318  Holmes, 10 Harvard L.Rev. 457, 461 (1896); dem folgend die sog. soziologische Rechtsschule, näher Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 242; aktueller etwa Snyder, 64 Ohio State L.Rev. 371, 373 und 382 (2003). 319  Reimann, Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S. 1, 16 f.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

gende Stilelemente,320 doch zeigt sich ja bereits in der vorliegenden Untersuchung, dass ein derartiges Unterfangen schon auf nationaler Ebene vielschichtig ist. Damit soll andererseits nicht in Abrede gestellt werden, dass das Forschungsfeld lohnend sein kann, auch gibt es bereits zahlreiche, aber themenspezifische Vorarbeiten321 auf nationaler Ebene, auf die zurückgegriffen werden kann.322 In Europa sind einige dieser möglichen rechtlichen Grundbedingungen durch Rechtsakte der Europäischen Union zum Teil vereinheitlicht. Soweit es das Referenzgebiet angeht, sind zumindest durch die Publizitätsrichtlinie, die zweite und die vierte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie und die Abschlussprüferrichtlinie Mindestanforderungen an die Offenlegung, Bilanzierung und Prüfung supranational festgelegt, und zwar in stärkerem Maße für kapitalmarktorientierte Unternehmen, schwächer für geschlossene Kapitalgesellschaften und noch immer kaum für Einzelkaufleute.323 Anderes gilt wiederum für die Schweiz, die sich jedoch an den europäischen Regelungen zumindest orientiert. Das Vereinigte Königreich nimmt gewissermaßen eine Sonderstellung ein, weil sein Recht einerseits traditionell dem common law entstammt und dieser Tradition wie kaum eine andere Jurisdiktion treu geblieben ist,324 andererseits aber dem zumindest der Kodifizierungsidee kontinentaleuropäischer Prägung folgenden Gemeinschaftsrecht verpflichtet ist. Wenn im Folgenden ein Seitenblick auf die Regelungslage und Erscheinungsformen privater Regelsetzung in der Schweiz und dem United Kingdom gewagt wird, so hat dies nach dem vorstehenden Befund in erster Linie den Sinn zu zeigen, welche Ansätze für Regulierung im Referenzgebiet dort vorhanden sind. Es sollen so Lösungstypen für das Sachproblem gefunden werden,325 wie privat gesetzte Standards rechtliche Bedeutung erlangen können. Auch das erhebt grundsätzlich einen Anspruch auf Vollständigkeit, der hier nicht erfüllt werden kann.326 Der Blick zur Schweiz lohnt sich dabei wegen ihrer Unabhängigkeit von europäischen Regelungsakten und der nach England insbesondere deshalb, weil private Regelungen dort stets eine Vorbildfunktion für entsprechende Initiativen in Deutschland hatten. 320  Zu Rechtsstilen als Element der Rechtsvergleichung Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 67; Reimann, Entstaatlichung des Rechts und Rechtsvergleichung, S.  1, 16 f. 321  Dazu oben sub A. 322  Abstrahierend aber auch etwa Köndgen, AcP 206 (2006), 477 ff. 323  Merkt, FS Blaurock, S. 311, 315 ff. 324  Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 177 f. 325  Für den Ansatz, Lösungstypen zum Ausgangspunkt rechtsvergleichender Untersuchungen zu machen Drobnig, FS Rheinstein, S. 221, 225 ff. 326  Insofern auch kritisch zu dem zitierten Ansatz von Drobnig Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 41.



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II. Ansätze für rechtsvergleichende Untersuchungen im Referenzgebiet 1. Vereinigtes Königreich a) Rechnungslegung Privat gesetzte Standards spielen für die Rechnungslegung von Unternehmen im Vereinigten Königreich eine wichtige Rolle, denn ein ausdifferenziertes System bilanzrechtlicher Vorschriften, die für alle Kaufleute den Ansatz und die Bewertung von Vermögensgegenständen regelt, existiert hier nicht. Andererseits sind Fragen der Rechnungslegung nicht ausschließlich in privat gesetzten Standards geregelt, sondern auch in gesetzlichen Vorschriften. Beide Regulierungsinstrumente greifen also ineinander. aa) Das Konzept der Regulierung der Rechnungslegung Während in Deutschland – wie erwähnt327 – das Rechnungslegungssystem seit langem vom Grundsatz des bilanziellen Kapitalschutzes, vom Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip geprägt ist, dominiert den anglo-amerikanischen Rechtskreis das Prinzip des true and fair view,328 also das Anliegen, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage möglichst realistisch darzustellen.329 Die so ermittelten Gewinne dürfen in England ausgeschüttet werden, solange der Nettowert der Aktiva nicht niedriger ist als das gezeichnete Kapital (sec. 831 Companies Act 2006).330 Doch gibt es Ausnahmen: Werte, die in der Bilanz stehen, jedoch nicht realisiert sind, sind gem. sec. 830(2) CA 2006 mit einer Ausschüttungssperre belegt, die derjenigen des § 57 Abs. 3 AktG ähnelt331 und es müssen zuerst Verlustvorträge ausgeglichen werden.332 Das Konzept einer vorsichtigen Bewertung, die letztlich zu fiktiv niedrigen Werten und zur Bildung versteckter stiller Reserven führt, kennt das 327  Kapitel

1 I.1. historischen Entwicklung der Generalnorm Kloos, Die Transformation der Bilanzrichtlinie, S.  124 ff. 329  Kuhner, ZGR 2005, 753, 777. 330  Davies, Company Law, 12-1. 331  Steffek, Gläubigerschutz, S. 14. 332  Sec. 830(2) CA 2006 lautet: „A company’s profits available for distribution are its accumulated, realized profits, so far as not previously utilized by distribution or capitalization, less its accumulated, realized losses, so far as not previously written off in a reduction or reorganization of capital duly made.“ Ausführlicher von Rummel, Institutioneller Gläubigerschutz, S. 32 f. 328  Zur

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

englische Recht als allgemein gültiges Bilanzierungskonzept nicht. Der Companies Act von 2006 hält zwar eine ganze Reihe von Vorschriften bereit, die die accounts von Unternehmen betreffen, doch beschäftigen sich diese Vorschriften vornehmlich nicht mit Ansatz und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden, sondern sie setzen einige formelle Vorgaben der 4. Richtlinie um, also größenspezifische Unterschiede, Gliederungsvorgaben etc. Materielle Bilanzierungsprinzipien wie das Vorsichtsund Realisationsprinzip oder das Anschaffungskostenprinzip, die ebenfalls in der Bilanzrichtlinie verankert sind, finden im englischen Recht weniger stark Betonung, was neben der Tatsache, dass teilweise entsprechende Wahlrechte bestehen (z. B. Art. 33 Bilanzrichtlinie), zum einen schon darauf zurückzuführen ist, dass die Sprachfassungen der Richtlinie hier unterschiedlich akzentuieren333 und sich zum anderen auch historisch divergierende Verständnisse dieser Prinzipien ausmachen lassen. So gilt das Prinzip des true and fair view in Großbritannien als overriding principle, das im Zweifel andere Vorgaben verdrängt, während in Deutschland das Vorsichtsprinzip zu den Fundamentalprinzipien zählt.334 Das Vorsichtsprinzip wird in England eher als innere Einstellung des Bilanzierenden verstanden.335 Geschriebenen und damit tendenziell starren materiellen Bilanzierungsvorschriften gegenüber besteht eine gewisse Skepsis in Anbetracht der Vielfalt und Volatilität wirtschaftlicher Sachverhalte.336 Dementsprechend sind die Vorgaben der Art. 31 ff. der Bilanzrichtlinie auch nicht im Companies Act, sondern in Schedule 1 der sog. Large and Medium-Sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulation 2008 umgesetzt, wobei – anders als in Deutschland – auch von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht wurde, nicht zu historischen Anschaffungskosten, sondern zum Zeitwert zu 333  Najderek, Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts, S. 55. Zum Streit, welche Bedeutung das Prinzip des true and fair view in Deutschland hat statt vieler Adler / Düring / Schmaltz, § 246 Rn. 59; Habersack / Verse, Europäisches GesR, § 9 Rn.  33 ff.; Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 264 Rn. 11. 334  Evans / Nobes, EAR 1996, 361, 367 f.; Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 263; Kloos, Umsetzung der Bilanzrichtlinie, S. 139; Najderek, Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts, S. 53. Von einer überragenden Bedeutung des true and fair view-Prinzips im deutschen und englischen Recht spricht, insofern die Unterschiede nivellierend, aber Steffek, Gläubigerschutz, S. 14. 335  Najderek, Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts, S. 55; aus den englischen Bilanzierungsstandards FRS 18 (2000) Rn. 36 ff.: „However, it is not necessary to exercise prudence where there is no uncertainty. Nor is it appropriate to use prudence as a reason for, for example, creating hidden reserves or excessive provisions, deliberately understating assets or gains, or deliberately overstating liabilities or losses, because that would mean that the financial statements are not neutral and therefore not reliable.“ 336  Adler / Düring / Schmaltz, § 264 Rn. 38.



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bilanzieren.337 Zur Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden jenseits dieser europarechtlichen Vorgaben jedenfalls bestimmt sec. 393 CA 2006 lediglich: „The directors of a company must not approve accounts for the purposes of this chapter unless they are satisfied that they give a true and fair view of the assets, liabilities, financial positions and profit or loss (…) of the company; …“. bb) Financial Reporting Standards Die Konkretisierung dieses true and fair view-Prinzips, aber auch die Interpretation ausschüttungsrelevanter Begriffe wie dem der realisierten Gewinne in sec. 830(2) CA 2006 ist in England seit Jahrzehnten Sache des Berufsstandes.338 Die Hauptrolle spielt dabei das Financial Reporting Council (FRC) in der Rechtsform einer Limited Liability Partnership. Seit Juli 2012339 entstehen zentral unter ihrem Dach Financial Reporting Standards (FRS),340 die mithin keine gesetzlichen Vorschriften sind, jedoch schon als Verlautbarungen des vormals zuständigen Accounting Standards Board (Statement of Standard Accounting Practice (SSAP))341 von den Gerichten anerkannt und tatsächlich befolgt wurden.342 Das Zustandekommen der Regeln vollzieht sich in einem mehrstufigen Verfahren, das auch die Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit vorsieht.343 Ein Standardentwurf (Exposure Draft) ist vor seiner endgültigen Verabschiedung zu veröffentlichen, sodass die Möglichkeit zur Stellungnahme besteht. In besonderen Fällen kann sogar schon vor der Erarbeitung des Exposure Draft ein Konsultationspapier veröffentlich werden, um von An337  Davies,

Company Law, 21-14. Company Law, 21-15 und zur Kapitalerhaltung 12-2; ferner Böckem, Durchsetzung von Rechnungslegungsstandards, S. 64, ausführlich Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 169 ff. Anders als in Deutschland enthält für England sec. 395(1)(b) CA 2006 zusätzlich die Möglichkeit, einen Einzelabschluss wahlweise auch nach den IAS aufzustellen, das Regelwerk des IASB also als Grundlage für diese Konkretisierung heranzuziehen. 339  Vorher war für Accounting Standards das Accounting Standards Board zuständig; zu dessen Entwicklung näher Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 169 ff. 340  www.frc.org.uk. 341  Zur Entwicklung dieser Organisationen näher Davies, Company Law, 21-15; Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 266. 342  Macquarie Internationale Investments Ltd v Glencore UK Ltd., [2010] 1 CLC 1035, 1049; Lloyd Cheyham & Co Ltd v Littlejohn & Co Queen’s Bench Division, [1987] 1 BCLC 303; Davies, Company Law, 21-15; Palmer’s Company Law, p. 364. 343  Eine Beschreibung des Normsetzungsverfahrens ist abrufbar unter www.frc. org.uk / About-the-FRC / Procedures / Regulatory-policies.aspx. 338  Davies,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

fang an für einen breiteren Interessenaustausch zu sorgen. Diese Stellungnahmen werden – sofern der Verfasser nicht widerspricht – auf der Internetpräsenz des FRC bekannt gemacht. Die endgültige Entscheidung über die Annahme eines Exposure Draft als Standard bleibt aber schließlich Sache des FRC Board; sie muss mit Zweidrittelmehrheit gefällt werden. Die Sitzungsprotokolle werden anschließend veröffentlicht. Das FRC ist als relevantes Standardsetzungsgremium gesetzlich verankert. Gem. sec. 464(1) CA 2006 sind accounting standards im Sinne des Gesetzes statements of standard accounting practice, die von einem entsprechenden, gesetzlich anerkannten Standardsetzungsgremium veröffentlicht wurden. Diese gesetzliche Anerkennung kam durch die Accounting Standards (Prescribed Body) Regulation 2008 / 651 zustande.344 Für große und mittlere Unternehmen besteht außerdem die Pflicht zu erklären, ob die Bilanz in Übereinstimmung mit anwendbaren accounting standards erstellt wurde, Schedule 1 Nr. 44(2) Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulation 2008. Das geht über die Vorgaben der Bilanzrichtlinie hinaus, die lediglich zur Angabe von valuation methods spricht und rückt die Angabepflicht in die Nähe eines comply or explain-Mechanismus, der die Wirkung der privat gesetzten Standards verstärkt; denn es ist auch anzugeben, von welchen Vorgaben der Standards abgewichen wurde und warum. Die Einhaltung der Rechnungslegungsregeln und damit nach britischem Verständnis auch der Normen des FRC wird zusätzlich durch das Financial Reporting Preview Panel (FRRP) abgesichert, das seit der Reform vom Juli 2012 Teil des conduct committee des FRC ist.345 Diese EnforcementStelle stand für die deutsche Regelung in § 342e HGB Modell.346 Es handelt sich ebenfalls um ein privates Gremium, das sowohl anlassbezogen als auch proaktiv Abschlüsse überwiegend großer Unternehmen, die im öffentlichen Interesse stehen, prüft.347 Das conduct committee ist, wie zuvor das FRRP, mit bestimmten Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen ausgestattet, die der Companies Act 2006 dem secretary of state zuweist, welche dieser aber auf die Unterorganisation des FRC übertragen hat.348 344  Nr. 2 der Regelung lautet: „The body known as the Accounting Standards Board established under the articles of association of The Financial Reporting Council Limited is hereby prescribed for the purposes of section 464 of the Companies Act 2006.“ 345  Nach der Reform vom Juli 2012 gehört es zu dessen Unterabteilung Conduct, www.frc.org.uk / Our-Work / Conduct / Corporate-Reporting-Review.aspx. 346  Paal, in: MK-HGB, Vor § 342b Rn. 5. 347  Bockmann, Enforcement-Aktivitäten, S. 132 ff.; ausführlich Böckem, Durchsetzung von Rechnungslegungsstandards, S. 75 ff.



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Obwohl privater Regelsetzer, ist das FRC nicht frei von hoheitlichen Einflüssen. Das ergibt sich zwar nicht zwingend aus der Tatsache recht­ licher Anerkennung, wohl aber durch die Besetzung des Council und dessen Finanzierung. So besteht gesetzlich die Möglichkeit zur weitreichenden Übernahme der Kosten des Standardsetzers durch die Regierung,349 aber auch die vermehrt genutzte Variante einer Abgabenfinanzierung.350 Die Leitung des Unternehmens wird personell durch den Secretary of State bestimmt,351 welche wiederum für die Auswahl der am Standardsetzungsprozess beteiligten Personen zuständig ist. Nach Davies ist so die Kombination von Sachkompetenz und öffentlichen Interessen „which legislation should ensure“ gewährleistet.352 348

b) Abschlussprüfung Der Companies Act 2006 enthält zahlreiche Regelungen zur Abschlussprüfung. Grundsätzlich ist jeder Abschluss, auf dessen Grundlage ausschüttungsfähige Gewinne353 ermittelt werden, gem. sec. 837(3) CA 2006 durch einen Abschlussprüfer zu prüfen.354 Aber auch unabhängig von der Gewinn­ ermittlung zu Ausschüttungszwecken unterliegen die jährlichen Jahresabschlüsse – europarechtlichen Vorgaben folgend – der Prüfungspflicht, sec. 475(1) CA 2006.355 Ein Großteil der Regelungen befasst sich dabei mit Fragen der Bestellung, Abberufung und Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, der Zusammenarbeit von Abschlussprüfer und Prüfungsausschuss und mit Befreiungen von der Prüfungspflicht, ferner ausführlich mit der Haftung des Abschlussprüfers.356 Prüfungsmethoden und Verfahren legt das Gesetz nicht fest. Deren Entwicklung obliegt wiederum dem Berufsstand. Gleich348  Sec 7(4) The Supervision of Accounts and Reports (Prescribed Body) and Companies (Defective Accounts and Directors’ Reports) (Authorised Person) Order 2012 / 1439. 349  Sec. 16 Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004. 350  Sec. 17 Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004. 351  „The Chair and Deputy Chair were appointed by the Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform.“ www.frc.org.uk / About-the-FRC / FRCstructure / Former-FRC-structure.aspx. 352  Davies, Company Law, 21-15. 353  Zur Gewinnermittlung oben sub E.II.1.a).aa). 354  Davies, Company Law, 12-5; von Rummel, Institutioneller Gläubigerschutz, S. 33. 355  Palmer’s Company Law, p. 454. 356  Umfassend dazu Davies, Company Law, 22.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

wohl sind die Bilanzskandale der Jahrtausendwende auch in England nicht ohne Konsequenzen geblieben und haben dafür gesorgt, dass die Bedeutung der Selbstregulierung begrenzt wurde.357 Zudem bedurften die entsprechenden europäischen Rechtsakte, insbesondere die Abschlussprüferrichtlinie358, der Umsetzung. Entscheidend ist aber vor allem, dass auch das FRC offenbar darum bemüht ist, sich an den International Auditing Standards des IAASB359 inhaltlich zu orientieren.360 Die angesprochene Begrenzung der Selbstregulierung vollzieht sich folgendermaßen: Gem. sec. 484 CA 2006 kann zunächst der zuständige Minister (Secretary of State) ergänzende Regelungen zur Abschlussprüfung erlassen oder andere, auch private Institutionen mit dieser Aufgabe betrauen, sec. 1252, 1253 CA 2006. Die Delegation dieser Aufgaben erfolgte durch The Statutory Auditors (Delegation of Functions) Order 2008 / 496 an eine Unterabteilung des FRC. Daneben schreibt sec. 1212 CA 2006 vor, dass alle Prüfer, die einen Abschluss im Rahmen der gesetzlichen Pflicht prüfen, Mitglied eines sog. supervisory body sind. Dabei handelt es sich gem. sec. 1217 CA 2006 um eine (englische) Institution, die die bestehenden Regeln über Abschlussprüfungen zur Anwendung bringt und umfassenden, insbesondere prozeduralen Anforderungen genügt, welche Schedule 10 des CA 2006 enthält. Derzeit sind fünf solcher anerkannten Institutionen vorhanden, allesamt Zusammenschlüsse von Abschlussprüfern.361 Diese haben grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Prüfungsmethoden selbst festzulegen.362 Jedoch bestimmt Schedule 10 CA 2006 auch, welchen Anforderungen die von der Institution erlassenen Regeln zur Abschlussprüfung genügen müssen. Bleiben sie hinter diesen Vorgaben zurück, kann der secretary of state bzw. das FRC als das von ihm mit seinen Aufgaben betraute Gremium dem supervisory body seine Funktion wieder entziehen, Schedule 10 Nr. 3 CA 2006. Das FRC hat damit eine Kontrollfunktion über alle Mitglieder des Berufsstandes inne. Sichergestellt werden muss außerdem, dass alle für die Abschlussprüfungen rele357  Davies,

Company Law, 22-28.

358  2006 / 43 / EG. 359  Dazu

oben sub C. II.

360  www.frc.org.uk / Our-Work / Codes-Standards / Audit-and-assurance.aspx:

„The Audit and Assurance team seeks to ensure that the FRC point of view is appropriately considered by the International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB)“. 361  Eine Übersicht ist abrufbar unter www.frc.org.uk / Our-Work / Conduct / Profes sional-oversight / Oversight-of-Audit / Recognition-of-Recognised-Supervisory-Bodiesand-R / Current-RSBs-and-RQBs.aspx. 362  Insbesondere das Institute of Chartered Accountants in England and Wales hat früher von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, vgl. Kloos, Transformation der Bilanzrichtlinie, S. 112.



E. Rechtsvergleichende Umschau159

vanten Regelungen durch die Mitglieder befolgt werden, sec. 1217(3) CA 2006, selbst dann, wenn sie nicht vom jeweiligen supervisory body selbst stammen. Es kommt allein darauf an, ob es die Möglichkeit hat, diese fremden Regelungen zur Anwendung zu bringen. Auf diese Weise erlangen die Regelungen des FRC potenziell für den gesamten Berufsstand Bedeutung.363 Die für den Abschlussprüfer bedeutende Frage, ob die Prüfungsstandards den von ihm bei der Prüfung geschuldeten Sorgfaltsmaßstab konkretisieren und ihre Nichtbeachtung insofern zu seiner Haftung führen kann, wird tendenziell bejahend beantwortet. Grundlegend ist hier der Fall Lloyd Cheyham & Co Ltd v Littlejohn & Co,364 wonach Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers dann unwahrscheinlich ist, wenn er die akzeptierten Regelungen des Berufsstandes befolgt hat. Ist er aber von ihnen abgewichen, wird dies als starker Hinweis dafür angesehen, dass er sich pflichtwidrig verhalten hat.365 Im Ergebnis lässt sich damit konstatieren, dass im Vereinigten Königreich die Regelung sowohl der Bilanzierung als auch der Abschlussprüfung grundsätzlich Sache des Berufstandes ist, die relevante berufsständische Organisation, das FRC, aber durch die Besetzung seines board und die Art der Finanzierung staatlich beeinflusst ist und zudem sogar weitreichende, grundsätzlich hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Diese bestehen zum einen darin, die rechtlichen Vorgaben des Companies Act 2006, insbesondere dessen Schedule 10, durchzusetzen, indem es deren Einhaltung durch einzelne berufsständische Vereinigungen überwacht, denen jeder Abschlussprüfer angehören muss. Außerdem hat es als hoheitlich beauftragtes Gremium die rechtliche Möglichkeit, anstelle des secretary of state ergänzende Regelungen zu erlassen und diese selbst entsprechend zur Anwendung zu bringen. c) Corporate Governance Das englische Recht hat die corporate governance-Bewegung in Europa entscheidend geprägt und damit auch die Entwicklung privater Regelsetzung insgesamt, weil erstere im Unternehmensrecht einen wichtigen Teil letzterer ausmacht. Die Bedeutung der Kodizes im Gefüge gesetzlicher 363  Davies,

Company Law, 22-10. Cheyham & Co Ltd v Littlejohn & Co Queen’s Bench Division, [1987] 1 BCLC 303. 365  Davies, Company Law, 21-15; Mayson / French / Ryan, Company Law, p. 517; Palmer’s Company Law, p. 364; Sealy / Worthington, Cases and Materials in Company Law, p. 73. 364  Lloyd

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Vorschriften hat sich in Deutschland und im Vereinigten Königreich unterschiedlich entwickelt. aa) Entwicklung Private Regelsetzung war in Großbritannien insbesondere im Übernahmerecht Jahrzehnte lang erfolgreich. Bereits seit 1968 sind zahlreiche, teilweise äußerst strenge Regelungen dieser Materie im City Code on Takeovers and Mergers366 enthalten, erst durch die Umsetzung der Übernahmerichtlinie367 kam eine statutarische Regelungskonzeption hinzu.368 Der City Code wird durch das Panel on Takeovers and Mergers, ein privat organisiertes Expertengremium, erarbeitet.369 In Deutschland hingegen sind vergleichbare Bemühungen privater Regelsetzung im Übernahmerecht mit dem Übernahmekodex von 1995 nicht gelungen.370 Als Hauptgrund wird die fehlende Akzeptanz einzelner Regelungen zu Pflichtangeboten bezeichnet,371 die dazu geführt habe, dass mangels strenger Durchsetzungsmöglichkeiten372 die den Übernahmekodex befolgenden Gesellschaften einen Nachteil gegenüber jenen hatten, die sich nicht an ihn hielten.373 Der Erfolg im Vereinigten Königreich könnte vor allem auf die dort herrschende Beteiligungsstruktur zurückzuführen sein. Im Vergleich zur Lage in Deutschland ist die Streubesitzquote hier deutlich höher,374 was den Einfluss institutioneller Investoren begünstigt, die zugleich – wie Untersuchungen zeigen375 – tendenziell bieterfreundliche Regelungen im Takeover Code verankern konnten.376 Des Weiteren hat die Entwicklung privater Regelungen am historisch relativ geschlossenen Finanzplatz London – anders als in Deutschland – Tradition,377 366  Abrufbar

unter www.thetakeoverpanel.org.uk / the-code / download-code.

367  2004 / 25 / EG. 368  Winner,

ZGR 2012, 246, 259. Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 288 f. 370  Baums / Rieder, in: Baums / Thoma, Einleitung 1.3; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 553 f.; Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 289. 371  Kleindiek, ZGR 2002, 546, 553 f.; Merkt, Implikationen der Weltfinanzkrise, S. 283, 289. 372  Dazu näher Baums / Rieder, in: Baums / Thoma, Einleitung 1.3. 373  Kleindiek, ZGR 2002, 546, 553. 374  Merkt, NZG 2011, 561, 566 f.; Winner, ZGR 2012, 246, 252. 375  Armour / Skeel, Georgetown L.J. 95, 1727, 1765 (2007). 376  So überzeugend Winner, ZGR 2012, 246, 252. 377  Hornberg, Regelungen im deutschen und britischen Kodex, S. 90. Dieser Punkt war Gegenstand der Diskussion im Rahmen des ZGR-Symposions 2012, insofern zusammenfassend wiedergegeben bei Schroeter, ZGR 2012, 273, 278 f.; diesen Aspekt ebenfalls andeutend Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 457. 369  Merkt,



E. Rechtsvergleichende Umschau161

sodass die generelle Akzeptanz für sie grundsätzlich schon deshalb höher ausfallen dürfte und bei Nichtbefolgung jedenfalls ein Reputationsverlust zu befürchten steht.378 Angesichts dieser positiven Erfahrungen im Vereinigten Königreich mit privat gesetzten Regelungen verwundert es nicht, dass 1992 hier mit dem sogenannten Cadbury Report in Form eines Code of Best Practice die Grundlagen für die heutige Kodex-Bewegung entstanden.379 Auslöser waren mehrere spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche und die daraus resultierende Einsicht, dass die Corporate Governance-Struktur in Großbritannien verbesserungswürdig war.380 In mehreren Schritten entstand aus der Zusammenarbeit mehrerer Kommissionen 1998 schließlich der sog. Combined Code, der seit 2010 nunmehr den Titel UK Coporate Governance Code trägt. Seit diesem Datum liegt zudem der Stewardship Code vor, der die Beziehung zwischen einflussreichen institutionellen Anlegern und den Gesellschaften regelt.381 Beide Regelwerke werden wie die Abschlussprüfungs- und Bilanzierungsstandards im Vereinigten Königreich durch das Financial Reporting Council (FRC)382 publiziert. Es hat eine standing commission eingerichtet, die mit der Weiterentwicklung der Standards betraut ist.383 Das Regelsetzungsverfahren ist identisch. Die Bedeutung des Code wird auch in Großbritannien, wie von Art. 46a Abs. 1 lit. b Bilanzrichtlinie europarechtlich vorgeschrieben, durch einen comply or explain-Mechanismus verstärkt.384 Allerdings sind es hier anstelle einer gesellschaftsrechtlichen385 Regelung die Listing Rules der London Stock Exchange, die die Erklärungspflicht konstituieren.386 Über die Einhaltung wacht die Financial Services Authority (FSA), eine private, aber mit 378  Winner,

ZGR 2012, 246, 252. Hopt, in: Handbuch Corporate Governance, S. 39, 42 f.; Leyens, in: GK-AktG, § 161 Rn. 79 ff.; Winner, ZGR 2012, 246, 250. Zur Entwicklung monographisch Hornberg, Regelungen im deutschen und britischen Kodex, S. 42 ff. 380  Davies, Company Law, 14-29; Hornberg, Regelungen im deutschen und britischen Kodex, S. 42 f. 381  Dazu ausführlich Cheffins, Modern L.Rev. 73 (2010), 1004 ff.; übersichtlich Fleischer, ZGR 2011, 155, 162 ff.; knapp Wilsing, ZGR 2012, 291, 293. 382  Näher oben sub C.II. 383  www.frc.org.uk / Our-Work / Codes-Standards / Corporate-governance.aspx. 384  Davies, Company Law, 14-31; Moore, Comparative Corporate Governance, S. 913, 917. 385  Ob es sich bei § 161 AktG tatsächlich um eine rein gesellschaftsrechtliche Regelung handelt, ist zweifelhaft, vgl. den Diskussionsbericht zum ZGR-Symposion von Schroeter, ZGR 2012, 273, 277. 386  FSA Listing Rule 9.8.6(5), (6). 379  Näher

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

weiten hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Finanzaufsichtsstelle. Verstöße gegen die Listing Rules können von ihr verhängte Sanktionen bis hin zum Delisting nach sich ziehen.387 Allerdings hat sie von diesen Befugnissen bisher kaum Gebrauch gemacht.388 Die FSA überprüft hingegen offenbar nicht die inhaltliche Richtigkeit der abgegebenen Erklärung.389 Diese Frage wird dem Markt überlassen, was zugleich die Bedeutung der Abweichungserklärung hervorhebt. bb) Die Rolle der Kodizes Das Verständnis von der Rolle der Corporate Governance Kodizes in Deutschland und in Großbritannien unterscheidet sich grundlegend. Diese Unterschiede beginnen schon mit der Art der Kodifizierung des Gesellschaftsrechts in beiden Rechtsordnungen. Während das deutsche Recht zahlreiche Bestimmungen zur Bestellung des Aufsichtsrats oder zu den Geschäftsführungsbefugnissen des Vorstands hat, ist der Companies Act 2006, der sowohl für kleine als auch für große Gesellschaften inklusive der Publikumsgesellschaften gilt, sehr viel zurückhaltender: Es gilt der Grundsatz des „one size does not fit all“, weshalb die Einzelheiten nur den dispositiven Model Articels390 entnommen werden können oder in der Satzung geregelt werden müssen.391 Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften bieten die Regelungen des Code hier eine Ausgestaltungsmöglichkeit, die gewählt werden kann, aber nicht muss. Es ist lediglich zu erklären, ob dieser Ausgestaltungsmöglichkeit gefolgt wurde oder ob eine andere Regelung für besser befunden wurde. Eine abweichende Lösung ist nicht nur möglich, sondern schlicht ein normaler Vorgang, und es ist Sache des Marktes darüber zu befinden, ob sie die ökonomisch richtige ist.392 Mit der nach deutschem Verständnis oft assoziierten Lückenfüllungsfunktion hat das nach britischer Lesart nichts gemein.393 Dass die Qualität der Abweichungserklärung nicht immer wie gewünscht ist, steht auf einem anderen Blatt.394 387  Davies, Company Law, 14-31; Moore, Comparative Corporate Governance, S. 913, 917; Wymeersch, Journal of Corporate Law Studies 6 (2006), 113, 131. 388  Moore, Comparative Corporate Governance, S. 913, 917; rechtsvergleichend auch Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 454. 389  So jedenfalls Winner, ZGR 2012, 246, 263. 390  The Companies (Model Articles) Regulations 2008 / 3229. 391  Winner, ZGR 2012, 246, 259. 392  Davies, Company Law, 14-31; Winner, ZGR 2012, 246, 262. 393  Davies, Company Law, 14-31; Winner, ZGR 2012, 246, 260. 394  Arcot / Bruno / Faure-Grimaud, Int. Rev. Law Econ. 30, 193 ff.; Davies, Company Law, 14-32.



E. Rechtsvergleichende Umschau163

Insofern unterscheiden sich der deutsche und britische Kodex auch in der Art ihrer Regelungen.395 Der Code enthält etwa keine Paraphrasierungen gesetzlicher Bestimmungen, wie sie zahlreich im deutschen Kodex vorhanden sind. Ähnlichkeiten bestehen vordergründig insofern, als auch im Code Normen unterschiedlicher Qualität vorhanden sind. Einerseits gibt es die sog.  Main Principles, die nach Listing Rule 9.8.6(5) eingehalten werden müssen, andererseits die sog. Code Provisions, für die das eigentliche comply or explain-System gilt. Die zwingenden Main Principles enthalten dabei allerdings sehr allgemein gehaltene Regelungen, die weite Spielräume geben und für die im Geschäftsbericht deshalb zwar nicht zu erklären ist, ob sie eingehalten, wohl aber, wie sie angewendet wurden.396 Sie können folglich als prozedurale Anordnung verstanden werden, eine bestimmte Problematik individuell zu lösen und sich darüber zu erklären. Demgegenüber sind die Code Provisions sehr viel konkreter formuliert. Sie haben den Charakter eines Modellvorschlags. Durch die Notwendigkeit, bei Abweichung die Gründe hierfür zu erklären, kommen sich beide Regelungsvarianten jedoch näher: Am Ende wird in beiden Fällen ein Themenkreis vorgegeben, über dessen regulative Umsetzung zu berichten ist, nur kann im zweiten Fall auf die Erklärung verzichtet werden, wenn der Modellvorschlag übernommen wird. Bloße Anregungen, wie sie im DCGK enthalten sind und für die das comply or explain-Prinzip nicht gilt, kennt der britische Code nicht. Darin zeigt sich nochmal die viel stärkere Betonung des Informationsmodells im Code, denn Anregungen sind nicht auf Transparenz, sondern auf Beachtung (wenn auch nicht gleich auf Befolgung) angelegt.397 2. Schweiz a) Rechnungslegung aa) Bilanzrechtliches Bewertungskonzept Die Rechnungslegung von Gesellschaften war in der Schweiz lange äußerst rudimentär und zudem nicht rechtsformeinheitlich geregelt. Für die Aktiengesellschaft verlangte das Obligationenrecht (OR) von 1936 eine Bilanzierung nach allgemein anerkannten Grundsätzen und überantwortete die inhaltliche Ausgestaltung der Regelungen weitgehend der Praxis.398 Mit 395  Fleischer,

396  Davies,

ZGR 2012, 160, 183. Company Law, 14-31; Moore, Comparative Corporate Governance,

S. 913, 917. 397  Zutreffend schon Winner, ZGR 2012, 246, 265. 398  Böckli, Aktienrecht, § 8 Rn. 9.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

der Reform von 1991 vollzog sich eine gewisse Annäherung an die EUBilanzrichtlinie, jedoch blieb das Rechnungslegungsrecht – verglichen etwa mit den deutschen Regelungen – eher fragmentarisch. Annäherungen an internationale Entwicklungen, unter anderem wiederum zurückgehend auf die Bilanzrichtlinie, aber auch die zunehmende Bedeutung der IAS / IFRS, erfolgten schrittweise, insbesondere auf Druck des Marktes. Zum 1. Januar 2013 ist mit einer Reform des Aktienrechts im OR auch das Rechnungslegungsrecht umfassend reformiert worden.399 Die neuen, nunmehr rechtsformübergreifend anwendbaren Regelungen bemühen sich um einen Kompromiss zwischen dem Bilanzierungskonzept der Bilanzrichtlinie, das heute in weiten Teilen international als überholt gilt, und dem Prinzip des true and fair view und verfolgen damit insbesondere das Ziel, die Maßgeblichkeit des Rechenwerkes für die Steuerbilanz auch bei realitätsnaher Bewertung aufrecht erhalten zu können.400 Als Konzession an das Prinzip einer fair presentation kann beispielsweise gesehen werden, dass gem. Art. 958c OR das Vorsichtsprinzip nicht mehr als Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung gilt, eine vorsichtige Bilanzierung wird lediglich in § 960 Abs. 2 OR angemahnt, darf aber eine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht verhindern. Andererseits bleibt es grundsätzlich bei der Pflicht, zu historischen Anschaffungskosten zu bilanzieren und Vermögenswerte auch in der Folge höchstens zu Anschaffungskosten und vermindert um Abschreibungen zu bewerten.401 Jedoch gelten Ausnahmen für bestimmte Aktiven. Namentlich gestattet Art. 960n OR, dass „Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis in einem aktiven Markt“ angesetzt werden dürfen, auch wenn dieser über dem Anschaffungspreis liegt. Sofern die Gesellschaft jedoch bestimmte Schwellenwerte überschreitet, besteht die Pflicht bzw. bei Überschreiten niedrigerer Schwellen ein Wahlrecht, zusätzlich zum handelsrechtlichen Abschluss einem stärker informa­ tionsvermittelnden Rechnungslegungskonzept zu folgen:402 Diese Unternehmen müssen bzw. dürfen nach einem „anerkannten Standard“ Rechnung legen, den der Bundesrat bezeichnet.403 Ursprünglich war geplant, dass die Erstellung eines Abschlusses nach einem anerkannten Standard von der Pflicht zur Rechnungslegung nach Obligationenrecht befreit.404 Im Laufe 399  Gesetz zur Änderung des Obligationenrechts (Rechnungslegungsrecht) vom 23.12.2011, AS 2012 6679, BBl 2008 1589. 400  Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts vom 21.12.2007, S. 1625 f. 401  Art. 960a OR. 402  Art. 960 Abs. 1 OR. 403  Art. 962 Abs. 4 OR. 404  Auf dieser Grundlage basieren auch noch die Ausführungen in der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts vom 21.12.2007, S. 1719 ff.



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des Gesetzgebungsverfahrens wurde diese Idee jedoch aufgegeben, weil die Eignung der anerkannten Standards für Zwecke einer Ausschüttungs- und Steuerbemessungsbilanz in Zweifel gezogen wurde.405 Derzeit sind die International Financial Reporting Standards (IFRS), die International Finan­ cial Reporting Standards for Small and Medium-sized Entities (IFRS for SME), die United States Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP), die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) sowie die Swiss GAAP FER als solcher Standard anerkannt.406 bb) Swiss GAAP FER Diese letztgenannten Swiss GAAP FER sind ein originär schweizerisches Phänomen privater Regelsetzung und gehen zurück auf die Zeit vor dem Rechnungslegungsrecht des OR von 1991. Dessen Defizite führten zu einer Initiative der „Schweizerische Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuer­ experten“,407 kurz als Treuhand-Kammer bezeichnet,408 die das Ziel hatte, eine unabhängige Institution ins Leben zu rufen, die sich mit der Entwicklung von Rechnungslegungsstandards befassen sollte.409 Seit 1984 wird diese Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung von einer Stiftung getragen, die ihren Sitz in Zürich hat.410 Finanziert wird das Gremium, dessen Mitglieder ehrenamtlich tätig sind, vor allem durch Unternehmen und Interessenverbände sowie aus Verkaufserlösen aus dem Verkauf der fachlichen Verlautbarungen, die nicht frei zugänglich sind.411 Die Standards werden von einer sogenannten Fachkommission bzw. deren Untergruppen erarbeitet und von dem sogenannten Fachausschuss beschlossen. Die Mitglieder sind auf der Internetpräsenz des FER aufgelistet.412 Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass große Prüfungsgesellschaften und Banken personell und finanziell besonders stark repräsentiert sind. Ob sich das in den Regelungen im Einzelnen niederschlägt, muss hier offen bleiben. Die FER verstehen sich als aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept, nicht als Einzelempfehlungen. Deshalb hat das Gremium von Beginn an für 405  Handschin,

Rechnungslegung, § 2 Rn. 34 f. Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung. 407  Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts vom 21.12.2007, S. 1710. 408  Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 26. 409  Behr, WPg 1994, 832. 410  Stiftung für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung, www.fer.ch. 411  Behr, WPg 1994, 832, 834. Im Jahr 2012 waren die beiden größten Geldgeber die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers AG mit Beträgen über 20.000 SFR, die genaue Höhe ist nicht angegeben, www.fer.ch / inhalt / finanzielle-unterstuetzung.html. 412  www.fer.ch / inhalt / personelles / personelles / fachkommission.html. 406  Art. 1

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

die Befolgung der Standards im Ganzen und eine Angabe hierzu im verpflichtend vorgeschriebenen Anhang plädiert.413 Konzipiert waren sie ursprünglich vor allem für große Publikumsgesellschaften, die nicht ohnehin freiwillig nach IAS bilanzierten.414 Nach anfänglicher Skepsis der Praxis gewannen die Standards vor allem dadurch an Bedeutung, dass die Schweizer Börse sie in ihren Kotierungsregeln 1996 zum Mindeststandard für eine Notierung erklärte.415 Seit 2004 hat sich das FER zum Ziel gesetzt, für kleine und mittelgroße Unternehmen eine international konkurrenzfähige Alternative zu den IFRS anzubieten und die Standards deshalb zum Jahr 2007 grundlegend überarbeitet.416 Welches Verständnis in Bezug auf die rechtliche Relevanz der Standards in der Schweiz vorherrscht, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Teilweise wird – in Parallelität zur in Deutschland geführten Diskussion417 – hervorgehoben, die Produkte der Selbstregulierung wiesen eine geringe staatliche Legitimation vor und besäßen daher eine geringe rechtliche Verbindlichkeit.418 Andererseits wird aber auch vertreten, dass es sich im Falle des Rechnungslegungsrechts um eine spezielle Materie handle, für die nicht dieselben methodischen Zwänge bestünden wie für andere rechtliche Regelungen.419 Infolge dessen sei es leichter möglich, den Swiss GAAP FER rechtliche Relevanz beizumessen. Handschin ist der Ansicht, die Standards hätten mittlerweile die Grenze zur Usance überschritten und seien durch den Verweis auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu mittelbarem Gesetzesrecht geworden.420 Daneben wird die Auffassung vertreten, die Swiss GAAP FER könnten jedenfalls als Auslegungshilfe herangezogen werden.421 Sie stützt sich unter 413  Behr,

WPg 1994, 832, 834. WPg 1994, 832, 836. 415  Böckli, Aktienrecht, § 8 Rn. 40; Strenz, Entwicklungen bei den Rechnungslegungsstandards, S. 119, 126. 416  Böckli, Aktienrecht, § 8 Rn. 37; Meyer / Teitler, Der Schweizer Treuhänder 2004, 715 ff. Eine Darstellung des Gesamtkonzepts Swiss GAAP FER findet sich bei Meyer, Der Treuhandexperte 2008, 654 ff. 417  Kapitel 2 sowie oben sub C.IV.6.c). 418  Bühler, Regulierung im Bereich der Corporate Governance, § 2 Rn. 129; Kunz, FS Böckli, S. 471, 482; Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S.  38 f. 419  Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 25 Rn. 37  ff.; Handschin, Rechnungslegungsrecht, § 2 Rn. 27 f. 420  Handschin, Rechnungslegungsrecht, § 2 Rn. 30 m. w. N. 421  Böckli, Aktienrecht, § 8 Rn. 41; Handschin, Rechnungslegungsrecht, §  2 Rn. 31 m. w. N.; in diese Richtung auch Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 144. 414  Behr,



E. Rechtsvergleichende Umschau167

anderem auf ein Urteil des Bundesgerichts zur Bedeutung der IFRS für das schweizerische Recht.422 Das Gericht hat sich nach rechtsvergleichender Analyse auf den Standpunkt gestellt, in Europa herrsche eine allgemeine Tendenz zur Annäherung der Rechnungslegungssysteme an die IFRS. Aus diesem Grunde sei es zulässig und nötig, die rudimentären Regelungen des schweizerischen Obligationenrechts in dieser Richtung zu konkretisieren und insofern auf IFRS selbst zurückzugreifen.423 Es gebe, so folgert daraus wiederum Handschin, keine getrennten Systeme jeweils nach IFRS, Swiss GAAP FER und Obligationenrecht, sondern nur eine einheitliche Rechtsordnung, in der sich alle bezeichneten Normen wechselseitig ergänzten.424 Ob der Entscheid des Bundesgerichts diese Folgerungen tatsächlich zu tragen vermag, erscheint zumindest offen. Zum einen ist mit der zutreffenden Feststellung gesteigerter europaweiter Relevanz der IFRS noch nichts über die Swiss GAAP FER gesagt. Diese orientieren sich zwar inhaltlich und methodisch stark an den IFRS,425 sind aber ansonsten gerade keine Regelungen, die europaweit eine Rolle spielen; auch beanspruchen die IFRS in der EU ja gerade rechtliche Geltung, weil sie im Verordnungswege übernommen wurden,426 sodass mehr die Frage nach der Rolle von rechtsvergleichend gewonnenen Erkenntnissen bei der Konkretisierung nationaler Vorschriften im Raum steht427 als jene nach privat gesetzten Standards. Zum anderen betraf der Entscheid eine eher spezielle Bilanzierungsfrage: Es ging um das Verfahren der Währungsumrechnung, die das schweizerische Recht nicht regelt. Andererseits ging es auch um die Ermittlung des steuerbaren Gewinns, also nicht nur darum, Umrechnungsdifferenzen möglichst informativ auszuweisen, wie es dem Zweck der IFRS grundsätzlich entspricht, sondern auch um die unmittelbar vermögensrelevante Frage der Schuld gegenüber dem Fiskus. so jedenfalls Handschin, Rechnungslegungsrecht, § 2 Rn. 31. 136 II 88, E. 3.4: „Dans ce contexte, force est de constater l’existence d’une tendance générale, tant au niveau suisse qu’européen, de se rapprocher des normes IFRS. Comme le droit comptable suisse actuel est sommaire, on ne peut reprocher aux autorités fiscales de s’inspirer des normes IFRS lors de l’établissement de l’impôt sur le bénéfice (…), puisque ces normes expriment les principes généralement admis dans le commerce. Encore faut-il que la solution concrète résultant de l’application d’une norme IFRS n’aille pas à l’encontre de l’ordre juridique suisse.“ 424  Handschin, Rechnungslegungsrecht, § 2 Rn. 31. Kritisch zu dieser Vermischung der Regelungssysteme aber Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 25 Rn. 41. 425  Böckli, Aktienrecht, § 8 Rn. 41. 426  Oben sub C. I. 427  Dazu Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 16 ff. 422  Ausdrücklich 423  BGE

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cc) Fazit Verbleiben so noch zahlreiche offene Fragen, lässt sich doch festhalten, dass auch in der Schweiz – wie schon im Vereinigten Königreich – eine geringere Scheu davor besteht, im Bereich des Rechnungslegungsrechts Normen und Standards zu berücksichtigen, die jedenfalls nicht vom schweizerischen Gesetzgeber stammen. b) Abschlussprüfung Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer, die in der Terminologie des Obligationenrechts als „Revisionsstelle“ bezeichnet werden,428 ist in der Schweiz ebenfalls vereinsrechtlich organisiert, und zwar in der bereits erwähnten TreuhandKammer, auf die auch die Stiftung für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung zurückgeht. Die Aufsicht über die Revisoren übt allerdings die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde aus, eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit.429 Rechtliche Grundlage ist das Bundesgesetz über die Revisionsaufsicht (RAG) vom 1. Oktober 2007. Danach dürfen alle gesetzlich vorgeschriebenen Revisionen nur von behördlich zugelassenen Prüfungsfachleuten vollzogen werden,430 wobei es unterschied­ liche Qualifikationsanforderungen für die Zulassung zur Prüfung von kleinen und mittelgroßen Gesellschaften, großen Gesellschaften und Publikumsgesellschaften gibt. KMU dürfen nur von einem zugelassenen Revisor, große Gesellschaften nur von einem zugelassenen Revisionsexperten und Publikumsgesellschaften nur von zugelassenen Revisionsunternehmen geprüft werden.431 Die Treuhand-Kammer widmet sich vier großen Aufgabenbereichen und ist entsprechend organisatorisch gegliedert: Branchenpolitik und Mitgliederwesen, Facharbeit, Information und Kommunikation sowie Aus- und Weiterbildung.432 Dabei entwickelt sie unter anderem Standards und Richtlinien zur Regelung des Berufsstandes selbst, aber auch zu seiner inhaltlichen Aufgabenwahrnehmung.433 Diese Standards und Richtlinien setzt sie mit statutarisch verankerten Sanktionsmechanismen gegen ihre Mitglieder durch. Intern zuständig ist hierfür die sogenannte Standeskommission.434 Bei Ver428  Art.  728 ff.

OR. Aktienrecht, § 15 Rn. 57. 430  Art. 3 Abs. 1 RAG. 431  Böckli, Aktienrecht, § 15 Rn. 62. 432  www.treuhand-kammer.ch / dynasite.cfm?dsmid=105382. 433  Überblicksartig Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 26 ff. 434  Art. 9, 23 ff. Statuten 2007 (Stand: 28.10.2011) sowie Art. 1 Abs. 1 des Reglement über die Standeskommission und über das Unabhängige Schiedsgericht 2007 429  Böckli,



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stößen kann sie zunächst eine Ermahnung, sodann einen Verweis aussprechen, eine Konventionalstrafe von bis zu 200.000 SFR verhängen und schließlich den Ausschluss aus der Treuhand-Kammer erwirken.435 Einzelheiten sind in einer Verfahrensordnung geregelt, etwa die Geltung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs, das nähere Beweisverfahren und das Zustandekommen der schiedsgerichtlichen Entscheidung sowie die Kosten des Verfahrens.436 Die Treuhand-Kammer publiziert unter anderem Standesregelungen zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers437 und Prüfungsstandards. Für die Verabschiedung der Standesregelungen ist die Generalversammlung,438 für die der Prüfungsstandards eine Fachkommission innerhalb des Ressorts Facharbeit zuständig.439 Da die Treuhand-Kammer Mitglied der International Federation of Accountants (IFAC) ist, ist sie bei der Erarbeitung ihrer Prüfungsstandards um eine Angleichung an die International Auditing Standards (ISA) bemüht.440 Sie stimmen weitgehend mit dem englischen Originaltext der ISA überein und sind lediglich mit gewissen Ergänzungen versehen, die aufgrund schweizerischer Vorschriften nötig waren.441 Die rechtliche Relevanz der Standesrichtlinien und der Prüfungsstandards wird in der Schweiz nicht einheitlich beurteilt. Unstreitig ist, dass sie die Mitglieder der Treuhand-Kammer intern binden.442 Ob sie darüber hinaus Minimalanforderungen an die Sorgfalt des Revisors festlegen, ist unklar. Einige Stimmen sprechen sich dafür aus.443 Ein in der Literatur zitiertes Urteil des Bundesgerichts vermag aber jedenfalls nicht die These zu begründen, die Standesregeln seien insofern verbindlich. Das Gericht führt aus: (Stand: 28.10.2011). Alle hier und im Folgenden genannten Regelungen der Treuhand-Kammer sind abrufbar unter www.treuhand-kammer.ch. 435  Art. 12 Abs. 2 des Reglement über die Standeskommission und über das Unabhängige Schiedsgericht 2007 (Stand: 28.10.2011). 436  Art. 9 ff. der Verfahrensordnung zum Reglement über die Standeskommission und das unabhängige Schiedsgericht 2007. 437  Art. 728 OR. 438  Art. 10 lit. h der Statuten 2007. 439  III. B. 3 (2) b Organisationsreglement 2007 (Stand: 30.4.2012). 440  Zur IFAC und den ISA oben sub C.II. 441  Böckli, Aktienrecht, § 15 Rn. 222; Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S.  29 f. 442  Eggmann, Verantwortlichkeit der Revisionsstelle, S. 86; Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 39. 443  Eggmann, Verantwortlichkeit der Revisionsstelle, S. 88; jedenfalls die Beachtung der Standards durch Gerichte für gerechtfertigt haltend Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 39, andererseits zur Bedeutung der Prüfungsstandards aber S. 419: „binden berufsständische Normen allein die Mitglieder“.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

„Diese Richtlinien einer Berufsvereinigung sind für die Konkretisierung des Erfordernisses der Unabhängigkeit zwar heranzuziehen, haben aber selbst keine Gesetzeskraft.“444 Eggmann geht von einer faktischen externen Bindungswirkung aus.445 Die Marktteilnehmer erwarteten, so die Argumenta­ tion, dass sich die gewählte Revisionsstelle an die vom Berufsstand erarbeiteten Grundsätze hält. Das Vertrauensprinzip gebiete deshalb ihre Befolgung. Sie würden zudem oft Bestandteil des Prüfungsvertrages, weil die Revisionsstelle einer berufsständischen Empfehlung entsprechend oft im Prüfungsbericht bestätige, sie befolgt zu haben.446 Andere hingegen mahnen an, die selbstgesteckten Maßstäbe des Berufsstandes dürften von der Rechtsprechung nicht in gleicher Weise für die retrospektive Betrachtung herangezogen werden, weil auch der Revisionsstelle ein Ermessensspielraum zukomme447 – in der Schweiz herrscht die Ansicht vor, dass die Revisionsstelle Organ der Gesellschaft ist,448 weshalb auch die Anwendung der Business Judgement Rule als Mittel zur Haftungsbegrenzung erwogen wird;449 zudem kennt das schweizerische Recht – anders als etwa § 323 Abs. 2 HGB – keine summenmäßige Haftungsbegrenzung (Art. 755 OR).450 c) Corporate Governance Selbstregulierung im Bereich der Corporate Governance hat in der Schweiz im Wesentlichen zwei große Themen: Zum einen geht es um die Zulassung zur Schweizer Börse SIX Swiss Exchange, zum anderen um die sinnvolle Gestaltung von Freiräumen, die das helvetische Gesellschaftsrecht bietet. aa) Regeln der Schweizer Börse: comply or explain Die schweizerische Börse ist – anders als in Deutschland, aber wie international üblich – keine Einrichtung öffentlichen Rechts, sondern des Privat444  BGE

138 III, 38, 4.2.4. Verantwortlichkeit der Revisionsstelle, S. 89 f. 446  Eggmann, Verantwortlichkeit der Revisionsstelle, S. 89 f.; dem folgend Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 39. 447  Forstmoser, FS Schmid, S. 483, 500. 448  Böckli, Aktienrecht, § 15 Rn. 31; kritisch zur Organstellung etwa Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 1208 ff. In Deutschland wird die Auffassung, der Abschlussprüfer sei Organ der Gesellschaft, heute abgelehnt, Habersack / Schürnbrand, in: GK-AktG, Vor § 316 Rn. 16; Jacoby, Das private Amt, S. 142. 449  Von einer „Audit Judgement Rule“ spricht von der Crone, SZW 2006, 1, 11. 450  Näher zur aktuellen Diskussion in der Schweiz Sethe, Haftung der Revisionsstelle, S.  121 ff. 445  Eggmann,



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rechts; Träger ist eine Aktiengesellschaft.451 Das Börsengesetz verpflichtet sie jedoch zur Einrichtung einer angemessenen Betriebs-, Verwaltungs- und Überwachungsorganisation und insofern auch zur Erarbeitung von Regularien, die der Finanzaufsicht FINMA vor Genehmigung vorgelegt werden müssen.452 Gestützt auf Art. 8 Abs. 1 BEHG hat die SIX Swiss Exchange eine Richtlinie betreffend Informationen zur Corporate Governance erlassen.453 Diese Ermächtigung verpflichtet die Börse in ihren Regularien festzulegen, wie der Effektenhandel organisiert ist, welche Informationen für Anleger erforderlich und wie sie ihnen zu vermitteln sind. Die Richtlinie verlangt unter anderem in ihrem Art. 4 i. V. m. dem Anhang die Veröffent­ lichung von Angaben zur Konzernstruktur, zur Kapitalstruktur, Informationen über die Mitglieder des Verwaltungsrates, über die statutarischen Regeln, die von dispositivem Gesetzesrecht abweichen, sowie zum Abschlussprüfer. Für die Durchsetzung der Vorgaben ist ein comply or explain-Mechanismus etabliert. Eine an der SIX Swiss Exchange kotierte Gesellschaft hat gem. Art. 7 RLCG eine substanzielle Begründung in ihren Geschäftsbericht aufzunehmen, wenn sie von einer der im Anhang der RLCG vorgeschriebenen Anforderungen abweicht. Verstöße können mit Geldbußen oder sogar mit Delisting geahndet werden.454 Allerdings hat auch die SIX Swiss Exchange nach Einschätzung mancher Beobachter bis vor einiger Zeit selten von Sanktionen Gebrauch gemacht,455 eine deutlich rigidere Verfolgung von Verstößen sehen wiederum andere in den letzten Jahren.456 bb) Swiss Code: Bloße Empfehlungen Seit dem Jahr 2002 gibt es in der Schweiz ebenfalls einen Coporate Governance Kodex. Dieser Swiss Code of Best Practice (SCBP) ist vom Wirtschaftsverband „economiesuisse“457 erarbeitet worden. Im Unterschied zu Kodizes anderer Länder458 ist für seine Implementierung in die Rechtsordnung weder ein comply or explain-Mechanismus vorgesehen, noch ist seine Beachtung Voraussetzung für eine Börsennotierung.459 Insofern weicht 451  Bühler,

ZGR 2012, 228, 234. BEHG. 453  RLCG vom 29.10.2008. 454  Art. 61 Kotierungsreglement (KR) i. V. m. Art. 60, 49 Abs. 2 KR, 7 RLCG. 455  Kunz, FS Böckli, S. 471, 485, mit Kritik daran. 456  Böckli, Aktienrecht, § 7 Rn. 32a f. 457  www.economiesuisse.com. 458  Rechtsvergleichend Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 457 ff. 459  Bühler, ZGR 2012, 228, 235 f.; Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 13 Rn. 83. 452  Art.  4 ff.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

das schweizerische Modell vom europäischen ab. Vielmehr gilt der SCBP als Beispiel „echter Selbstregulierung“, der in erster Linie sachlich überzeugend sein soll.460 Ausdrücklich erklärt in diesem Sinne auch die Einleitung des SCBP, der Swiss Code solle Leitlinien setzen und Empfehlungen abgeben, nicht Schweizer Unternehmen eine Zwangsjacke anziehen; „jede Gesellschaft soll die Möglichkeit behalten, eigene Gestaltungsideen zu verwirklichen.“461 Für das genauere Verständnis des Swiss Code ist es erforderlich, seine Rolle im Gefüge der aktienrechtlichen Bestimmungen in den Blick zu nehmen. Ein erheblicher Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass das Obligationenrecht weit weniger (zwingende) Vorschriften enthält als das Aktiengesetz. Die Aktiengesellschaft der Schweiz ist eine Gesellschaft auch für kleinere und mittlere Unternehmen, für die hierzulande oftmals eher die GmbH als passende Rechtsform gesehen wird.462 Eine gewisse Bedeutung dürfte insofern das Stammkapital haben: Es beträgt bei der Aktiengesellschaft 100.000 SFR, wovon allerdings nur 50.000 SFR sofort eingezahlt werden müssen, für eine GmbH-Gründung sind 20.000 SFR aufzubringen.463 Bis 1991, als das Mindestkapital verdoppelt wurde, war die Differenz deutlich geringer, in der Folge ist die Zahl der Aktiengesellschaften zwar nicht signifikant zurückgegangen, wohl aber die der GmbHs gestiegen. Wichtiger dürfte indessen sein, dass in der Schweiz auch die inneren Verhältnisse der Aktiengesellschaft vergleichsweise privatautonom geregelt werden können und in Anbetracht der geringeren gesetzlichen Regulierungsdichte auch geregelt werden müssen.464 Gegenüber der GmbH macht sie dabei attraktiv, dass sie als Publikumsgesellschaft weniger personal strukturiert ist und ihre Anteile fungibel sind.465 Der Swiss Code dient deshalb einerseits – ähnlich wie der Code im Vereinigten Königreich – dem Zweck, Modellvorschläge für die Ausgestaltung der inneren Verhältnisse der Aktiengesellschaft, insbesondere der Unternehmensspitze zu machen.466 Seine Bestimmungen verstehen sich im Sinne einer Best Practice, ohne dass dabei eine allgemeine Regelungsintention mit ihnen verbunden wäre. Viele Vorgaben greifen Regulierungsstrategien des US-ameri­ 460  Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 322; Bühler, ZGR 2012, 228, 236; ders., Regulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 471; Kunz, FS Böckli, S. 471, 485. 461  Präambel Ziff. 2.2 SCBP. 462  In den letzten Jahren hat die Zahl der GmbHs jedoch deutlich zugenommen, näher Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 2 Rn. 39 ff. 463  Art. 773 OR. 464  Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 327. 465  Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 2 Rn. 41. 466  Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 327; Bühler, ZGR 2012, 28, 232.



E. Rechtsvergleichende Umschau173

kanischen Sarbanas Oxley Act von 2002 auf. Wie in den Vereinigten Staaten war es auch in der Schweiz in den Jahren vor 2002 zu Unternehmenszusammenbrüchen gekommen, deren Gründe in der Governance-Struktur der Gesellschaften vermutet wurden.467 Dabei sind sie sehr allgemein gehalten. Zur Zusammensetzung des Verwaltungsrates etwa heißt es in Ziff. 12 SCBP: „Der Verwaltungsrat soll so klein sein, dass eine effiziente Willensbildung möglich ist, und so gross, dass seine Mitglieder Erfahrung und Wissen aus verschiedenen Bereichen ins Gremium einbringen und die Funktionen von Leitung und Kontrolle (Ziffer 21 ff.) unter sich verteilen können. Die Grösse des Gremiums ist auf die Anforderungen des einzelnen Unternehmens abzustimmen.“ Ihm sollen Personen mit „erforderlichen Fähigkeiten angehören, damit eine eigenständige Willensbildung im kritischen Gedankenaustausch mit der Geschäftsleitung gewährleistet ist.“ Konkreter werden die Aussagen etwa, wenn es um die Empfehlung zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses, eines Vergütungsausschusses und eines Nominierungsausschusses geht.468 Hier enthält der Swiss Code auch einige Aussagen zur inneren Ordnung der Ausschüsse und präzisiert ihre Aufgaben. Auch zur Einrichtung eines internen Kontrollsystems, das im Obligationenrecht keine Erwähnung findet, macht der SCBP einige, wiederum recht allgemeine Vorgaben. Andererseits will der SCBP über die vorhandenen aktienrechtlichen Vorschriften des Obligationenrechts informieren. Eine ganze Reihe von Bestimmungen paraphrasiert nämlich Vorgaben des Gesetzes und erläutert sie entsprechend einer herrschenden Auslegung und Rechtsprechung.469 Teilweise wird auf die gesetzlichen Regelungen oder andere berufsständische Regelungen, etwa die Unabhängigkeitsrichtlinien der Treuhand-Kammer verwiesen.470 Bei alledem richtet sich der Swiss Code in erster Linie an große Publikumsgesellschaften.471 Er ist ausdrücklich von dem Anliegen geleitet, die Stellung der Aktionäre zu betonen und zu verbessern.472 Das verwundert insofern, als jedenfalls für börsennotierte Gesellschaften Corporate Governance Bestimmungen über das Kotierungsreglement festgeschrieben werden können.473 In der Literatur wird die Existenz des Swiss Code deshalb häufig damit erklärt, dass einige wichtige schweizerische Unternehmen sich der 467  Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 222; Bühler, Regulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 464. 468  Ziff.  21 ff. SCBP. 469  Bühler, ZGR 2012, 228, 238 f. 470  Ziff. 29 SCBP. 471  Ziff. 3 der Präambel des SCBP. 472  Ziff.  1 ff. SCBP. 473  Der SCBP ist inhaltlich auf die RLCG der SIX Swiss Exchange abgestimmt, Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 224.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Börsenregulierung durch eine Notierung an ausländischen Börsen faktisch entzogen haben; der SCBP sollte diese Lücke schließen. Außerdem verlangt etwa die New York Stock Exchange zwar nicht die vollständige Anpassung ihrer Unternehmensorganisation an die US-amerikanischen Regeln, wohl aber zumindest die Veröffentlichung des jeweiligen Modells auf der Internetseite oder im Jahresbericht der notierten Gesellschaft.474 Diese Anforderung kann erfüllt werden, indem der SCBP dem geforderten Bericht zugrunde gelegt wird.475 Auch in der Schweiz wird gelegentlich die Frage aufgeworfen, ob die Nichtbefolgung der Vorgaben des SCBP rechtliche Konsequenzen haben kann. Dabei wird die Möglichkeit einer vertraglichen und deliktischen Haftung, einer Vertrauenshaftung sowie einer Prospekthaftung – jeweils der Gesellschaft gegenüber Dritten, wenn sie im Geschäftsbericht freiwillig eine Entsprechenserklärung abgegeben hat – zumindest im Ergebnis verneint,476 wobei sich die Argumente nicht von jenen unterscheiden, die in Deutschland zur Thematik ausgetauscht werden.477 Einige Stimmen sprechen sich jedoch dafür aus, dass zumindest grundsätzlich die Regeln des Swiss Code zur Feststellung herangezogen werden können, ob ein haftungsbegründendes Verhalten der Gesellschaftsorgane vorliegt.478 In Rede steht also die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „mit aller Sorgfalt“ in Art. 717 Abs. 1 OR. Gestützt wird diese Ansicht auf eine besondere Vorschrift des schweizerischen Rechts, auf die sogleich noch einzugehen sein wird: Art. 1 Abs. 2 ZGB. Das schweizerische Bundesgericht hat zwar bislang nicht zu den rechtlichen Wirkungen des SCBP Stellung genommen. Anerkannt hat es aber in einem strafrechtlichen Verfahren, dass Selbstregulierungserlasse des Bankenverbandes zur Konkretisierung der Sorgfaltsanforderung von Vorständen bei der Entgegennahme von Wertgegenständen zur Konkretisierung des Art. 305 StGB (Geldwäsche) als Auslegungshilfe herangezogen werden können. Zugleich hat es klargestellt, dass schon wegen der Kurzlebigkeit der Standards eine echte Bindung des Richters an die Standards nicht vom Gesetzgeber gewollt war.479 474  Bühler,

Regulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 520. Aktienrecht, § 14 Rn. 221. 476  Bühler, Regulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 469. 477  Dazu oben sub C.IV.6.c).bb.). 478  Giger, Corporate Governance, S. 79 f.; Kunz, FS Böckli, S. 471, 487; differenzierend Bühler, Selbstregulierung im Bereich der Corporate Governance, S. 472, der eine Organhaftung nur im Falle einer publizierten fehlerhaften Entsprechenserklärung gem. Art. 7 KR für möglich hält. Für eine Umkehr der Beweislast bei Abweichen des Verwaltungsrats von einer „Best Practice“ von der Crone / Carbonara / Hunziker, Ak­ tienrechtliche Verantwortlichkeit, S. 60. Ablehnend Böckli, Aktienrecht, § 14 Rn. 371. 479  BGE 125 IV, 139, 3.d). 475  Böckli,



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d) Die Öffnung des Regelungssystems für privat gesetzte Standards durch den Normbildungsauftrag des Richters gem. Art. 1 ZGB? Die Zusammenfassung der bisher gewonnenen Ergebnisse zeigt sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine zurückhaltende Bereitschaft, auch solchen Regeln, die nicht durch den schweizerischen Gesetzgeber verabschiedet wurden, eine gewisse normative Relevanz zuzuerkennen. Danach können sowohl die Swiss GAAP FER und die IFRS als auch die Regelungen des Swiss Code of Best Practice als Auslegungshilfe herangezogen werden. Teilweise wird dieses Ergebnis ausdrücklich auf Art. 1 ZGB gestützt.480 Art. 1 ZGB gibt in drei Absätzen die Methodik der richterlichen Rechtsfindung vor. Danach findet das ZGB Anwendung auf alle Rechtsfragen, für die es eine Bestimmung enthält (Abs. 1). Ist keine Bestimmung vorhanden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht entscheiden, und wo auch ein solches fehlt, nach der Regel, die es selbst als Gesetzgeber aufstellen würde (Abs. 2). Dabei folgt es auch bewährter Lehre und Überlieferung (Abs. 3). Die Norm regelt in einzigartiger Weise das Verhältnis von Gesetz und Gericht. Nach schweizerischem Verständnis ist der Richter weder „la bouche qui prononce les paroles de la loi“481 noch derjenige, durch den die Rechtsregel erst aufgestellt wird.482 In dem weiten Feld zwischen diesen Polen bemüht sich die Norm um einen Kompromiss, der zwar grundsätzlich das Gesetz zum Ausgangspunkt hat, aber stärker als in anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen die Freiheit des Richters betont. Die Diskussion um sein Verhältnis zum Gesetz in Europa wurde in der Schweiz weniger stark rezipiert,483 dafür allerdings zugunsten der Formulierung in Art. 1 ZGB 1907 entschieden, und zwar in einem Sinne, der wohl am ehesten der Interessenjurisprudenz entspricht484 und dabei den Grundsatz der Gewaltenteilung weniger stark unterstreicht als dies in Deutschland heute der Fall ist. Hintergrund der Einführung von Art. 1 ZGB in dieser Form war aber vor allem, dass allein in den einzelnen Kantonen der Schweiz völlig verschiedene Verständnisse von der Funktion des Richters vorherrschten. So fanden sich stärker gesetzespositivistische Elemente in der Westschweiz, während im Wallis und in Basel-Land richterliche Rechtsfortbildung weitgehend zu480  Giger, Corporate Governance, S. 80; Kunz, FS Böckli, S. 471, 487 (Art 1 Abs. 2 ZGB); kritisch zur Subsumierbarkeit unter Art. 1 ZGB, aber im Ergebnis zustimmend Handschin, Rechnungslegung, § 2 Rn. 27 f. 481  Montesquieu, De l’esprit des lois, S. 59. 482  Gray, The Nature and the Sources of the Law, S. 119 f. 483  Tuor / Schnyder / Schmidt, ZGB, § 5 Rn. 5. 484  Coin / Honsell, in Staudinger, Einl. zum BGB Rn. 206.

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

lässig war.485 Ob mit dieser Methodennorm aber tatsächlich das Verhältnis von Richter und Gesetz geklärt ist, muss bezweifelt werden. Denn es gilt noch, das Verhältnis ihrer drei Absätze zueinander zu bestimmen, wobei die gesamte Problematik in diesem Verhältnis wiederkehrt. Immerhin bietet sie aber eine Aufforderung zur methodenkonsistenten Berücksichtigung von Einflüssen außerhalb des Gesetzestextes. Hierdurch wird die Rechtsordnung geöffnet, wobei der Richter darüber wacht, was hereingelassen wird. Die wichtige Rolle spielt im vorliegenden Zusammenhang deshalb Art. 1 Abs. 3 ZGB, der aufgrund seiner systematischen Stellung486 sowohl für die Auslegung als auch die Normbildung anordnet, bewährter Lehre und Überlieferung zu folgen. Unter „Lehre“ werden heute inländische und ausländische Forschung und Lehre innerhalb, aber auch außerhalb der Rechtswissenschaft verstanden.487 Die „Überlieferung“ umfasst in erster Linie die Rechtsprechung, vor allem die Entscheide des Bundesgerichts.488 Beachtlich ist darüber hinaus aber auch die sonstige Praxis von Verwaltungsbehörden.489 Entscheidend ist, ob die Lehre oder Überlieferung „bewährt“ ist. Die Begriffsbestimmung bereitet Probleme. Einigkeit besteht darüber, dass die Überzeugungskraft der Argumente ausschlaggebend sein soll,490 wobei die Anzahl der Vertreter einer Lehre ebenso ein Indiz darstellt wie gefestigte Rechtsprechung;491 dabei ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu beachten, wenn eine übliche Praxis geändert werden soll.492 Soweit ersichtlich, wird das Problem privater Regelsetzung bislang nicht als Problem des Art. 1 Abs. 2 ZGB ausführlich erörtert. Den vereinzelten Stimmen, die eine Öffnung der Rechtsordnung auch für Selbstregulierung über Art. 1 Abs. 2 ZGB begrüßen, wird ebenso vereinzelt entgegengehalten, schon das Erfordernis des Bewährtseins von Lehre und Überlieferung hindere daran, die häufig sehr schnelllebigen privat gesetzten Regelungen über Art. 1 Abs. 3 ZGB zu berücksichtigen.493 Ob der Einwand zutrifft, muss 485  Emmenegger / Tschentscher, 486  Emmenegger / Tschentscher,

in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 20. in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 474; Honsell, in Ba-

selerKomm, Art. 1 Rn. 35. 487  Emmenegger / Tschentscher, in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 475  f.; Honsell, in BaselerKomm, Art. 1 Rn. 38. 488  Emmenegger / Tschentscher, in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 484  f.; Honsell, in: BaselerKomm, Art. 1 Rn. 38; Tuor / Schnyder / Schmidt, ZGB, § 5 Rn. 39. 489  Emmenegger / Tschentscher, in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 483. 490  Tuor / Schnyder / Schmidt, ZGB, § 5 Rn. 38. 491  Honsell, in: BaselerKomm, Art. 1 Rn. 38. 492  Emmenegger / Tschentscher, in: BernerKomm, Art. 1 Rn. 488 f. 493  Handschin, Rechnungslegung, § 2 Rn. 27.



E. Rechtsvergleichende Umschau177

hier dahinstehen. Festgehalten wird aber, dass Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB in ihrem Zusammenspiel eine Argumentationsgrundlage bieten, mit der sich die Berücksichtigung privat gesetzter Regelungen leichter begründen lässt als in Deutschland. Ob im Hinblick darauf die Position des Richters insgesamt als stärker einzuordnen ist, muss hier offenbleiben; die Tatsache, dass in vielen Kantonen die Richter entweder vom Parlament oder sogar direkt vom Volk gewählt werden, spricht eher dafür als dagegen. 3. Vergleichendes Fazit Für das britische Recht ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Einerseits werden die Bestimmungen des UK Corporate Governance Code weitgehend für unverbindlich erachtet, ein Abweichen ist möglich und durchaus gewünscht, aber offen zu legen. Andererseits sind die privaten Regelungen des FRC im Bereich der Rechnungslegung und Abschlussprüfung von ganz erheblicher Relevanz: Sie konkretisieren weitreichend allgemeine rechtliche Grundsätze wie den des true and fair view. Wird von ihnen abgewichen, sind die Gründe dafür zu erläutern. Einige Urteile zeigen jedoch, dass auch unabhängig von Publizitätspflichten die privaten Standards rechtliche Bedeutung haben können – sie bilden einen Sorgfaltsmaßstab ab. Es lässt sich damit konzedieren, dass in Großbritannien weniger Scheu davor besteht, privat gesetzte Regelungen zur Anwendung zu bringen. Das gilt auch für die Schweiz. Sie gehört zwar zu den kontinental-europäischen Rechtsordnungen mit einem kodifizierten Zivilrecht, sodass das Verhältnis von staatlichen und nichtstaatlichen Regelungen grundsätzlich klärungsbedürftig ist. Dennoch zeigen einige bundesgerichtliche Urteile, dass auch nichtstaatliche Regelungen die richterlichen Entscheidungen präformieren. Ob der Grund hierfür in Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB zu sehen ist, liegt zwar nahe, ist aber unklar. In beiden Rechtsordnungen dient der comply or explain-Mechanismus dazu, privat gesetzten Regelungen zur Anwendung zu verhelfen, indem das Befolgen oder Abweichen zu erklären und zu erläutern ist. In der Schweiz dient er der Durchsetzung der Börsenzulassungsregeln, nicht aber der des Swiss Code of Best Practice, dessen Einhaltung den Betroffenen offen steht. Das englische Recht sieht demgegenüber sogar im Bereich des Rechnungslegungsrechts und des Rechts der Abschlussprüfung vor, dass das Unternehmen sich über die Befolgung der anwendbaren – aber nicht zur Anwendung vorgeschriebenen – Standards erklärt. Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen, dass sie – wenn auch unterschiedlich stark – Abweichungen im Bereich der Corporate Governance vom jeweils einschlägigen Kodex akzeptieren, anders als in Deutschland,

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Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

wo bislang der Nichtbefolgung trotz einer Begründung der Dünkel eines Rechtsverstoßes anhaftet. Die Schweiz verlangt nicht einmal eine solche Erklärung. Der Grund dazu ist in der vergleichsweise großen Gestaltungsfreiheit für die innere Ordnung von Kapitalgesellschaften zu sehen. One size does not fit all. Die Kodizes bieten hier Gestaltungsvorschläge, mehr nicht.

F. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen I. Zusammenfassung Die Erscheinungsformen privat gesetzter Regelungen sind vielfältig. Im Referenzgebiet spielen insbesondere die IAS / IFRS, die ISA, die DRS und die Regelungen des DCGK eine Rolle. Die untersuchten Regelungen werden mittels ganz unterschiedlicher Mechanismen in das Regelungsgefüge des geltenden staatlichen Rechts integriert. Ein einheitliches gesetzgeberisches Anforderungsprofil für die Ausgestaltung von Mechanismen zur Inkorporation privat gesetzter Regelungen im Unternehmensrecht wie etwa IDW-Standards lässt sich nicht feststellen. Immerhin lässt die Untersuchung den Schluss zu, dass das Verfahren, in dem IDW-Standards zustande kommen, schon nicht den Mindestanforderungen an die Publizität privat gesetzter Regelungen entspricht, die sich als einziges übergreifendes Anforderungsmerkmal aus bisher bekannten Inkorporationsmechanismen im Unternehmensrecht deduzieren lassen. IAS / IFRS gelten kraft der Übernahme in eine europäische Verordnung. Hier ist insbesondere diskussionswürdig, ob sie in einem Verfahren zustande kommen und übernommen werden, das rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, oder ob ihr Endorsement letztlich europarechts- oder verfassungswidrig ist, weil diese Anforderungen nicht erfüllt werden. Zur Übernahme der ISA ist ein ähnliches Verfahren vorgesehen, sodass die Probleme hier wiederkehren. Die DRS des DRSC sollen ihre Wirkung dadurch bekommen, dass ihre Beachtung die Vermutung auslöst, dass auch die Konzern-GoB beachtet wurden. Sie werden also nicht wie die IAS / IFRS zu unmittelbar geltendem Recht erklärt. Es konnte gezeigt werden, dass eine solche Vermutung eine Reihe von Problemen aufwirft, die sich kaum befriedigend lösen lassen. Unklar ist dabei auch, welche Rolle dem Ministerium zukommt, das für die Bekanntmachung der Standards zuständig ist. Eine nachträgliche Kontrolle der privat entworfenen Regelungen durch das Ministerium scheint erstens gar nicht so stattzufinden, wie es in der Literatur behauptet oder erwartet wird. Zweitens fehlt es hierzu an einem konturierten Überprüfungspro-



F. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen179

gramm. Drittens werden die positiven Effekte, die man sich von der Übertragung von Regelungsbefugnissen auf ein privates Gremium erhofft, durch eine umfassende ministerielle Kontrolle wieder aufgehoben. Begrüßenswert wäre, von ihr abzusehen und stattdessen die prozeduralen Anforderungen im Standardisierungsvertrag, mit dem das private Gremium als Standardsetzer anerkannt wird, auszuweiten und zu optimieren. Den Regelungen des DCGK soll mit einem comply or explain-Mechanismus Bedeutung verliehen werden. Welche Art von Bedeutung, ist unklar. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass der DCGK drei verschiedenen Herren dienen soll: Er soll die Praxis standardisieren, Investoren über das System des deutschen Aktienrechts informieren und schließlich dem Kapitalmarkt Informationen über das unternehmensindividuelle GovernanceModell verschaffen. Je nach Betonung dieser Funktionen lässt sich auch die Frage nach den Konsequenzen bei Verstößen gegen § 161 AktG oder gegen die Bestimmungen des Kodex selbst verschieden beantworten. Das gilt maßgeblich für die Möglichkeit der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Insofern lohnt sich der Blick nach England und in die Schweiz, wo das Grundverständnis von der sogenannten Kodex-Bewegung ein anderes ist: Erklärungspflichten werden hier nicht so sehr als Zwangsmittel zur Durchsetzung von Kodex-Regelungen gesehen, sondern als Mittel zur Beschaffung für den Kapitalmarkt notwendiger Informationen. Unabhängig vom Bestehen eines Inkorporationsmechanismus erfüllt private Regelsetzung verschiedene Funktionen. Einige dieser Funktionen beziehen sich auf das Bestehen von unbestimmten Rechtsbegriffen und Gesetzeslücken, indem sie als Wissensspeicher für die Rechtsanwender fungieren und so mögliche Verhaltensweisen standardisieren. Andere Funktionen dienen eher der Vorbereitung oder Verhinderung gesetzlicher Regelungsinitiative. Für den Untersuchungsgegenstand IDW-Standards konnte die Standardisierungsfunktion als die am stärksten ausgeprägte Funktion ausgemacht werden. Ein rechtsvergleichender Seitenblick konnte zeigen, dass weltweit privat gesetzte Regelungen eine Rolle spielen. Der jeweilige Umgang mit privat gesetzten Regelungen hängt dabei unter anderem davon ab, ob die jeweilige Rechtsordnung in der Tradition kodifizierten Rechts oder des common law steht. In letzterem, wo Rechtsentstehung und Rechtsanwendung häufig zeitlich und personell zusammenfallen, bereitet die Berücksichtigung von Selbstregulierung weniger methodische Schwierigkeiten. In Rechtsordnungen mit kodifiziertem Recht werden privat gesetzte Regelungen herangezogen, wenn die Regulierungsdichte bewusst gering ist. Das gilt sowohl für die Schweiz als auch für das Vereinigte Königreich im Bereich der Corporate Governance. In England bleiben die Regelungen aber Modellvorschlag,

180

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

über dessen Einhaltung zu berichten ist und werden letztlich kein Problem juristischer Hermeneutik. In der Schweiz gilt das im Grundsatz ebenfalls, doch herrscht hier noch Unklarheit darüber, ob diese Regelungen doch einen allgemeinen Sorgfaltsmaßstab prägen.

II. Schlussfolgerungen 1. Begrenzter Nutzen der gewählten Inkorporationsstrategien Die vorstehende Zusammenfassung macht eines bereits deutlich: Die Instrumente zur Verknüpfung von privat gesetzten Regelungen mit der Rechtsordnung sind vielfältig. Im Referenzgebiet konnten als solche Instrumente Endorsement, Vermutungswirkung und der comply or explain-Mechanismus näher untersucht werden, im Weiteren dann die Anerkennung als Auslegungshilfe oder als relevante Beschreibung dessen, was für Aktionäre wesentliche Informationen sind, sodass in Deutschland nach derzeit überwiegender Auffassung die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gerechtfertigt ist, wenn nicht erklärt und begründet wurde, warum eine Kodex-Empfehlung nicht beachtet wurde. Dabei wird zum einen ersichtlich, dass sich diese Mechanismen nicht für alle Regelungszusammenhänge und Regulierungsziele gleichsam eignen. Zum anderen ergeben sich erhebliche Zweifel, ob sich die Problematik privater Regelsetzung überhaupt als Normsetzungsproblematik bewältigen lässt. Sämtliche dargestellte Verfahren zur Inkorporation privat gesetzter Regelungen – nicht unbedingt die privaten Regelwerke selbst – erweisen sich als begrenzt geeignet, praktisch auftretende Probleme zu bewältigen. Wenn oben die Bedeutung der Rechtsquellenlehre494 in erster Linie darin gesehen wurde, dass sie einen prozeduralen Test zur Verfügung stellt, welcher die Unterscheidung von Recht und NichtRecht ermöglicht, so taugen die hier vorgestellten Rezeptionsmechanismen nicht zur Erfüllung dieses Ziels. Denn die wissenschaftlichen Diskussionen, die auch die praktischen Probleme spiegeln, zeigen, dass die größte Unsicherheit immer noch dort besteht, wo ein Rezeptionsmechanismus gerade für mehr Klarheit sorgen soll. Die Vermutungswirkung von DRS bleibt im konkreten Fall diffus, die Anfechtbarkeit fehlerhafter Entsprechenserklärungen ein Damoklesschwert über der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und eine mögliche Haftung von Organmitgliedern, die ihr Handeln nicht am DCGK ausrichten, ebenso ungewiss wie die Sicherheit, die umgekehrt bei ihrem Befolgen erhofft wird. Bezeichnenderweise werden in der Schweiz, wo der Swiss Code nicht mit einem comply or explainMechanismus versehen ist, die Fragen ähnlich diskutiert wie in Deutschland. 494  Kapitel

2 B.I.



F. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen181

Ob mit dem Rezeptionsmechanismus theoretisch oder praktisch überhaupt etwas gewonnen ist, ist deshalb jedenfalls fraglich. Unsicherheit besteht selbst noch dort, wo die Regelwerke Privater in eine staatliche Rechtsetzungsform überführt wurden. Zwar sind mangels höchstrichterlicher Urteile die Stimmen verhallt, die eine verpflichtende Anwendung von IFRS für verfassungswidrig halten, doch zeigt sich auch hier, dass sich allein mit einem technischen Kunstgriff inhaltliche Bedenken nicht auflösen lassen. Letztlich haben IFRS-Übernahme, die etablierte Vermutungswirkung für DRS und die Pflicht zur Abgabe einer Entsprechenserklärung – dabei insbesondere der früher stärkere Regelungsanspruch des Kodex – zu einem Mediatisierungseffekt bei jenem angesprochenen prozeduralen Test495 zur Unterscheidung von Recht und Nicht-Recht geführt, ohne die dadurch entstehenden Unsicherheiten prozedural aufzufangen. 2. Nutzen privater Regelsetzung Das deutet zugleich auf die Bedeutung privater Regelsetzung für die Praxis hin. Standardisierungseffekte dienen der Komplexitätsreduktion und ermöglichen damit letztlich das Senken von Transaktionskosten. Das ist allerdings ein Erfolg, der nicht ausschließlich privater Regelsetzung vorbehalten ist. Erst im Zusammenspiel mit anderen Vorteilen privater Regelsetzung, die sich aus der regelmäßig größeren Sachnähe und Flexibilität der Regelungsverfahren ergeben, wird die spezifische Rolle privat gesetzter gegenüber hoheitlichen Regeln als Wissensspeicher ersichtlich. Die Funktion einer bestimmten privat gesetzten Regelung erschließt sich üblicherweise aber erst, wenn sie im konkreten Regulierungszusammenhang in den Blick genommen wird. Dabei können möglicherweise bestehende Inkorporationsmechanismen eine Rolle spielen, doch sind sie keinesfalls der einzige Einfluss auf den Grad an Steuerungswirkung, den eine privat gesetzte Regelung entwickeln kann. Eine nicht zu unterschätzende Rolle kommt Faktoren wie der Regelungsdichte, der Zahl möglicher zulässiger Alternativgestaltungen sowie der Haltung des Gesetzgebers zum privat gesetzten Regelwerk zu; hält er es für ausreichend, so nimmt er sich zurück, andernfalls stellt er hoheitliche Regulierung in Aussicht. Das konnte rechtsvergleichend anhand von Corporate Governance-Kodizes gezeigt werden, deren Einfluss und Rolle sich unter anderem nach der Dichte gesetzlicher Vorschriften zur Ausgestaltung der Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle richtet.

495  Hierzu

nochmals oben Kapitel 2 B.I.

182

Kap. 3: IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzung

Nicht unterschätzt werden darf auch die Auswirkung des generellen Regulierungsverständnisses einer Rechtsordnung. Die Kodifizierungsidee, die das kontinentaleuropäische Recht prägt, scheint zu einem anderen methodischen Umgang mit privat gesetzten Regelungen zu führen als im common law. Während hier Regelungen zur Corporate Governance eher Modellcharakter haben und als Vorschläge zur Ausgestaltung unternehmensinterner Strukturen verwendet und individuell angepasst werden können und sollen, begegnet die deutsche rechtswissenschaftliche Diskussion den Bestimmungen des Kodex eher mit den Mitteln juristischer Hermeneutik. Was regelhaft daherkommt, wird wie eine Regel behandelt, also im historisch-systematischen Kontext ausgehend vom Wortlaut ausgelegt in dem Bemühen um das „richtige“ Verständnis der Regel. Das Wirken privat gesetzter Regelungen in einem funktionalen Sinne ist folglich primär ein Problem ihrer Anwendung im konkreten Regulierungszusammenhang und damit letztlich auch im konkreten Einzelfall. Das gilt folglich auch für IDW-Standards. Damit beschäftigt sich das folgende Kapitel.

Kapitel 4

Die Wirkungsweise von IDW-Standards – der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur Das Thema private ordering hat besondere Beachtung im Recht der freien Berufe erfahren, denen die Organisation ihres Berufsstandes traditionell selbst zugewiesen ist. Die den freien Berufen typisierend zugeschriebenen Merkmale1 der staatlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit, der besonderen persönlichen Qualifikation und der (angeblich) altruistischen Motivation können als Gründe dafür angesehen werden. Auch die IDW-Standards sind aus der Selbstorganisation des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer hervorgegangen.2 Überall dort, wo es um die Frage der Wirkung privater Regelungen für Dritte geht, verzahnen sich diese thematischen und berufsstandbezogenen Entwicklungstendenzen. Es ist daher im Folgenden auch für den hier untersuchten Problemkreis zu klären, welche Spezifika sich im Tätigkeitsbereich der freien Berufe ergeben und welche Zusammenhänge zwischen beiden Themenkreisen bestehen. Dabei stellt sich erneut die Frage nach den jeweiligen Durchsetzungsstrukturen. Zwar ist ein wesensprägendes Merkmal privater Regelsetzung gerade die fehlende staatliche Durchsetzbarkeit.3 Doch ist längst bekannt, dass es andere Möglichkeiten gibt als die Anwendung durch Gerichte, um privat gesetzten Regelungen eine gewisse Gefolgschaft zu verschaffen.4 Vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchung, die eine gewisse Vergeblichkeit des gesetzgeberischen Bemühens um eine rechtssichere Inkorporation privat gesetzter Regelungen erwiesen hat, rückt – auch gestützt durch den obigen rechtsvergleichenden Befund5 – die Durchsetzung privat gesetzter Regelungen stärker in den Fokus. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 11–149. Kapitel 1 A.I.2.b). 3  Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 43. 4  Dazu insbesondere die sog. Steuerungsdiskussion, die derzeit im Verwaltungsrecht geführt wird, Voßkuhle, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 1 Rn. 16 ff.; zu Einrichtungen privater Fremdkontrolle in diesem Zusammenhang Eifert, in: Hoffmann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 80 ff.; auch Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 263; zur Bedeutung von dispositivem Gesetzesrecht als Steuerungsinstrument Möslein, Dispositives Recht, S. 38 ff. 5  Kapitel 3 E.3. 1  Umfassend 2  Oben

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

Im folgenden Kapitel werden deshalb die Besonderheiten im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, welche sich aus dem Zusammenspiel spezifischer Eigenschaften der freien Berufe, insbesondere des Berufes des Wirtschaftsprüfers, und privater Regelsetzung ergeben. Herausgearbeitet werden zunächst Besonderheiten privat gesetzter Regelungen im Funktionszusammenhang der Tätigkeiten freier Berufe. Sodann wird dies anhand einer Untersuchung der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers verfeinert. Dabei zeigt sich, dass der Wirtschaftsprüfer in vielen Bereichen nicht nur als Kontrolleur, sondern auch als ein Verifikateur tätig wird, dessen Aufgabe es ist, oft sehr allgemein formulierte Vorschriften auf einen hoch komplexen Einzelfall anzuwenden. Daraus formt sich eine allgemeine Anwendungspraxis, die sich in IDW-Standards verfestigt. Eine Aufwertung dieser standardisierten Praxis zu einer Regelung mit normativer Wirkung gelingt damit jedoch nicht.

A. „Recht“ der freien Berufe als besonderer Fall privater Regelsetzung I. Auf Dritte bezogenes Tätigwerden Eine gesetzliche Definition des freien Berufes ist dem deutschen Recht unbekannt,6 das BVerfG hat den Begriff als einen soziologischen beschrieben, der einen Sachverhalt kennzeichnet, welcher „aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation erwachsen ist, der des frühen Liberalismus.“7 Wesensprägende Merkmale der freien Berufe seien jedoch „der persönliche Einsatz bei der Berufsausübung, der Charakter des jeweiligen Berufs, wie er sich in der allgemeinrechtlichen und berufsrechtlichen Ausgestaltung und in der Verkehrsanschauung darstellt, die Stellung und Bedeutung des Berufs im Sozialgefüge, die Qualität und Länge der erforderlichen Berufsausbildung.“8 Es handle sich um eine Berufsausübung höherer Art im Rahmen einer Gemeinwohlverpflichtung.9 Das Recht der freien Berufe wird häufig auch dem Expertenrecht zugeordnet: Es betrifft die Art und Weise, wie die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen ihren Beruf ausüben.10 Letztlich kann der größte Teil privater Regelsetzung als Expertenrecht in dem Sinne verstanden werden, dass gerade die Sachkunde der betroffenen 6  Beispielhafte Aufzählungen von Berufen, die als freier Beruf angesehen werden, finden sich aber in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 2 PartGG. 7  BVerfG, Beschluss vom 25.2.1960, Az. 1 BvR 239 / 52, NJW 1960, 619, 620. 8  BVerfG, Beschluss vom 25.10.1977, Az. 1 BvR 15 / 75, NJW 1978, 365, 367. 9  BVerfG, Urteil vom 13.2.1964, Az. 1 BvL 17 / 61, NJW 1964, 1067, 1069. 10  Köndgen, AcP 206, (2006), 477, 481 f.



A. „Recht“ der freien Berufe als besonderer Fall privater Regelsetzung 185

Kreise den wesentlichen Grund für die private Regulierungsinitiative darstellt, im Recht der freien Berufe treten jedoch zwei Aspekte besonders hervor: Zum einen sind viele der privat gesetzten Regelungen hier verhaltensbezogen, denn sie haben Einfluss auf eine Dienstleistung, zu der sich der Regelungsadressat gegenüber einem Dritten verpflichtet hat. Bestimmt werden damit nicht Verhaltensregeln der Experten untereinander, sondern gegenüber Dritten. Denn es ist ein wesentliches Merkmal der freien Berufe, dass ihre Angehörigen im Rahmen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu ihrem Auftraggeber tätig werden.11 Das gilt in sehr hohem Maße etwa für Ärzte, aber auch für Rechtsanwälte und schließlich – jedoch mit etwas anderer Akzentuierung, worauf noch zurückzukommen sein wird – für den Wirtschaftsprüfer. Zum anderen zeichnen sich Tätigkeiten, die als freier Beruf ausgeübt werden, häufig dadurch aus, dass sie nicht nur im privaten Interesse des Auftraggebers wahrgenommen werden, sondern zudem gewisse öffentliche Funktionen erfüllen. Im Notarwesen ist das insbesondere die Funktion der öffentlichen Beurkundung,12 Ärzte handeln im Interesse der Volksgesundheit als Teil der kassenärztlichen Versorgung,13 Rechtsanwälte sind gem. § 1 BRAO „Organ der Rechtspflege“ und Wirtschaftsprüfer werden gem. § 1 Abs. 1 S. 1 WPO öffentlich bestellt.

II. Vertrauensverhältnis Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Berufsangehörigen freier Berufe zu ihren Klienten ergibt sich aus der mit ihrer Tätigkeit notwendigerweise verbundenen Einwirkungsmöglichkeit auf empfindliche Güter und Interessen des Auftraggebers.14 Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer von Unternehmen kommen mit sensiblen Unternehmensdaten in Berührung, und es ist gerade Teil ihrer Aufgabe, diese Daten auszuwerten. Der Mandant 11  Kluth, JZ 2010, 844, 845; grundlegend bereits Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 52 ff.; auch Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 226 weist daraufhin, dass im Rollenbild der freien Berufe „alles professionelle Handeln klientenbezogen ist“. 12  Stürner, FS Leipold, 835, 841 f. 13  Kilian, ZGR 2004, 189, 201. 14  Im Zusammenhang mit Wirtschaftsprüfern wird häufig vom Vertrauen in die Abschlussprüfung gesprochen, dazu statt vieler nur Kilian, ZGR 2004, 189 f. Dieses betrifft aber vor allem die öffentliche Aufgabe des Wirtschaftsprüfers, gemeint ist das Vertrauen der Allgemeinheit in die Qualität und Unabhängigkeit der Prüfungsleistung. Darum geht es hier noch nicht, sondern erst sogleich unter III.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

erwartet deshalb einen fachkompetenten und verschwiegenen Umgang mit den Daten.15 Die Vertraulichkeit ist sogar staatliches Schutzobjekt, da insoweit Verstöße gem. § 203 StGB unter Strafe gestellt werden und Bezugspunkt einer besonderen Kündigungsmöglichkeit gem. § 627 BGB sind.16 Das Gesetz geht in § 664 Abs. 1 S. 1 BGB davon aus, dass Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge17 persönlich zu erfüllen sind und nicht ohne weiteres Dritten übertragen werden dürfen.18 Was die fachliche Kompetenz betrifft, ergibt sich das Vertrauensverhältnis aus dem Wissensgefälle zwischen Berufsangehörigem und Auftraggeber: Der Auftraggeber vertraut darauf, dass der Auftragnehmer besondere fachliche Kenntnis besitzt und auch anwendet.19 Insofern gibt es innerhalb der freien Berufe standesabhängige Unterschiede nach der Intensität des Vertrauens, denn während im medizinischen Bereich viele Patienten kaum Spezialkenntnisse werden aufweisen können, haben große Unternehmen oft Wirtschaftsprüfer in den eigenen Reihen, sodass sich ein Wissensgefälle hier vor allem in der Prüfungserfahrung zeigen dürfte. So gesehen ist es aber gerade dieses Wissen, das sich in Form von privat gesetzten Regelungen innerhalb des Berufsstandes standardisieren lässt und das zugleich für den Auftraggeber von großem Interesse ist, als es den Informationsvorsprung des Auftragnehmers weiter verkürzt. Damit vergrößert sich allerdings notwendigerweise das zu erbringende Vertrauen des Mandanten in diese Regelungen und damit in die Organisation des Berufsstandes. Sie sind der Wissensspeicher20 gesamtberufsständischer Erfahrungen.

III. Freie Berufe und öffentliche Aufgabe Auf der anderen Seite steht die Gemeinwohlorientierung der freien Berufe, wie sie in §§ 1 Abs. 1 BRAO, 1 Abs. 1 WPO zum Ausdruck kommt. Dem Merkmal der Gemeinwohlorientierung kommt historisch vor allem die Bedeutung der Abgrenzung freier Berufe von gewerblichen Tätigkeiten zu. Es verfolgt das Ziel, eine bloße Gewinnorientierung zu verhindern.21 Ende des 18. Jahrhunderts wurden in vielen deutschen Ländern vorübergehend sogar Anwälte und Ärzte als „Staatsdiener“ in die Pflicht genommen, die sie ähnlichen hoheitlichen Einflussnahmen aussetzte, wie sie für Beamte 15  Taupitz,

Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 58. Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 53. 17  Für sie gilt § 664 BGB analog, Heermann, in: MK-BGB, § 675 Rn. 24. 18  Seiler, in: MK-BGB, § 664 Rn. 1. 19  Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 54 f. 20  Dazu bereits oben Kapitel 3 D.I.1. 21  Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 132 ff. 16  Taupitz,



A. „Recht“ der freien Berufe als besonderer Fall privater Regelsetzung 187

bestand.22 Hintergrund ist aber, dass Angehörigen freier Berufe oftmals eine Tätigkeit zugewiesen ist, die der Staat auch selbst hätte wahrnehmen können23 und für die es aus Wohlfahrtsperspektive ein erhebliches Bedürfnis gibt, etwa für die Rechtspflege, das Gesundheitssystem oder auch – weniger augenfällig – für die Abschlussprüfung.24 Zugleich ist es aber das Wesen der freien Berufe, dass die Art der Aufgabendurchführung frei von fachlichen Weisungen möglich, ihr „Wie“ also Teil der Eigenverantwortlichkeit des Berufsangehörigen ist.25 Im Verhältnis zum Auftraggeber ist diese Freiheit in Form der Pflicht zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers für den Berufsstand des Wirtschaftsprüfers gesetzlich besonders hervorgehoben worden (§ 319 HGB).26 Von ihrem Zuschnitt und ihrer Entstehungsgeschichte her gesehen ist die Norm in erster Linie darauf ausgerichtet, die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vom zu prüfenden Unternehmen zu gewährleisten. Lange Zeit war der Abschlussprüfer beratender Partner des Vorstandes, der ihn auch bestellte, was zu tatsächlichen Abhängigkeiten führte.27 Doch gilt die Pflicht zur Unabhängigkeit grundsätzlich auch gegenüber allen anderen Dritten,28 bis hin zum Staat.29

IV. Expertenrecht als Selbstregulierung mit Wirkung für Dritte30 Aus der Drittbezogenheit der Tätigkeit, der besonderen Vertrauensstellung der Berufsangehörigen und der gleichzeitigen Verpflichtung auf öffentliche 22  Taupitz,

Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 114 ff. ZGR 2004, 189, 201; Uhlmann, in: Hense / Ulrich, § 1 Rn. 5. 24  Kluth, JZ 2010, 844, 845. 25  Kämmerer, Gutachten H zum 68. DJT 2010, H 13; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 45. Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 275 f., folgert daraus, es liege in der Natur berufsständischer Regeln, dass sie parteilich sind und gegenläufige Interessen weniger stark berücksichtigt würden als im Falle technischer Normen; indessen könnte auch das Gegenteil zutreffend sein: Im Bereich der freien Berufe werden oft potentiell gegenläufige Interessen vertreten, weil die Mandate wechseln, wogegen im Technikrecht DIN und insbesondere VDI stark von der Herstellerseite beeinflusst sind, Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 438 ff. 26  Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S.  156  ff.; ausführlich ferner Schmidt, in: BeckBilKomm, § 319 Rn. 20 ff. 27  Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 563, 580. 28  Bauch / Precht, in: Hense / Ulrich, § 43 Rn. 12. 29  Kilian, ZGR 2004, 189, 200; zuvor schon Karl, Recht der freien Berufe, S. 12. 30  Diese Formulierung hat Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder mir gegenüber in einem persönlichen Gespräch verwendet und mir gestattet, sie zu übernehmen; ihm sei dafür herzlich gedankt. 23  Kilian,

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

Belange ergibt sich ein Spannungsverhältnis, das sich auch auf die Selbstregulierung der freien Berufe auswirkt. Die Auftraggeber überlassen die Wahrnehmung ihrer empfindlichen Interessen einem anderen, der teilweise stark parteiergreifend (Ärzte, Rechtsanwälte), teilweise neutraler (Abschlussprüfer) diese Interessen wahrnimmt. Die Organisation der Aufgabenwahrnehmung regelt der Beauftrage selbst auf der Grundlage staatlicher Vorgaben und fachlicher Qualifikation. Sein erwarteter Wissensvorsprung, die gleichzeitig bestehende Notwendigkeit zu Wettbewerbsfähigkeit (Kostendruck) und die Erforderlichkeit gleichmäßiger, willkürfreier Wahrnehmung der Gemeinwohlbelange erfordert eine Standardisierung der Tätigkeiten,31 um die Komplexität der Aufgabendurchführung zu reduzieren. Diese Standardisierung wird so zur Grundlage der Aufgabenwahrnehmung dem Auftraggeber gegenüber. Es liegt auf der Hand, dass diese privat gesetzten Standards umso bedeutender für den Auftraggeber werden, je größer die Unabhängigkeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist, oder anders gewendet: Je stärker die Verpflichtung auf das öffentliche Wohl, desto geringer fällt die Möglichkeit des Beauftragten aus, die partikularen Interessen des Prinzipals zu berücksichtigen. Anschaulich wird dies am Beispiel von Rechtsanwalt und Abschlussprüfer: Während der Rechtsanwalt stark auf die Wünsche seines Mandaten eingehen kann, muss der Abschlussprüfer die Vereinbarkeit des Jahresabschlusses mit den gesetzlichen Vorschriften öffentlich testieren. Auch hat der Mandant nicht selten die Wahl, ob er überhaupt einen Rechtsanwalt zurate zieht oder seine recht­lichen Interessen, falls Anwaltszwang besteht, gar nicht weiterverfolgt, sofern er keinen Rechtsanwalt konsultieren will, während ein prüfungspflichtiges Unternehmen diese Wahl nicht hat. Der Prinzipal kann nicht anders als die Prüfung, die auf Grundlage der berufsständischen Regelungen durchgeführt wird, hinzunehmen. Die neutrale Rolle des Wirtschaftsprüfers als Abschlussprüfer gleicht hier derjenigen einer Aufsichtsinstanz, ohne dass der Wirtschaftsprüfer allerdings wie etwa die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als staatliches Exekutivorgan eingebunden wäre und auch ohne entsprechende hoheitliche Sanktionsbefugnisse sowie die dort geltende Weisungsabhängigkeit. Darauf wird später noch einmal zurückzukommen sein.32 Je stärker dieses Aufsichtselement ausgeprägt ist, desto stärker ist aber auch der von der Aufsicht Betroffene durch die Regelungen berührt, welche die Aufsichtsinstanz im Zuge ihrer Aufgabenwahrnehmung zur Anwendung bringt.

31  Köndgen, 32  Unten

AcP 206 (2006), 477, 482. sub. B.II.



A. „Recht“ der freien Berufe als besonderer Fall privater Regelsetzung 189

V. Schlussfolgerungen Private Regelsetzung in den freien Berufen weist folglich einige spezifische Merkmale auf, die in anderen Feldern privater Regulierung fehlen. So werden etwa Regelungen im Deutschen Corporate Governance Kodex zwar zunehmend zur Implementierung öffentlicher Belange herangezogen, doch prägen sie nicht das Handeln eines speziell qualifizierten Dritten mit erheblichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen des Unternehmens. Ähnlich verhält es sich mit Rechnungslegungsstandards des DRSC, die weder Selbstregulierung des Prüferberufsstandes sind noch spezifische tätigkeitsbezogene Vorgaben für die Abschlussprüfung machen. Auch in anderen, hier bisher nicht vertieften Feldern privater Regelsetzung fehlen diese spezifischen Merkmale. Im Technikrecht, wo insbesondere DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. oder VDI-Standards des Vereins Deutscher Ingenieure e.  V. eine Rolle spielen, können zwar bestimmte objektive Stellen berufen sein, die Vereinbarkeit von Maßnahmen mit dem Gesetz zu überwachen,33 sie sind aber wiederum weniger stark zur Unabhängigkeit verpflichtet.34 Im Medizinrecht, wo ein umfassendes System von Empfehlungen, Richtlinien35 und Leitlinien36 teils rein privat organisierter Verbände zur Konkretisierung des „ärztlichen Standards“ besteht,37 stellt sich die Lage nochmals anders dar. Zwar sind diese Richtlinien und Leitlinien dazu bestimmt, durch einen Experten zur Anwendung gebracht zu werden, der zudem besonderes Vertrauen genießt; auch weist der Arztberuf einen besonders starken Gemeinwohlbezug auf. Allerdings geht es bei seiner Arbeit (ähnlich wie bei Rechtsanwälten) nicht um die Kontrolle von in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten, wie dies besonders bei Wirtschaftsprüfern der Fall ist. 33  Beispielsweise sog. Konformitätsbewertungsstellen gem. § 12 ProdSG oder Überwachungsstellen gem. § 21 Abs. 1 BetrSichV, dazu unten sub. III.3.a)aa). 34  Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 482. 35  Richtlinien werden gem. § 92 Abs. 1 SGB V vom sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen, der sich aus den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zusammensetzt; sie sind gem. § 91 Abs. 6 SGB V nicht nur für die Mitglieder, sondern auch für die Versicherten verbindlich, Roters, in: KassKommSGB, § 91 Rn. 22; kritisch zur demokratischen Legitimation Neumann, NZS 2010, 593, 597 ff. 36  Leitlinien haben keine Rechtsverbindlichkeit wie Richtlinien, sondern dienen der Qualitätssicherung, Laufs, in: Laufs / Kern, Arztrecht, § 5 Rn. 11. Nach Taupitz, Verbindlichkeit unterschiedlicher Leitlinien, S. 101, 108 ff. sollen sie aber Indizcharakter für den Inhalt des ärztlichen Standards haben. 37  Übersichtlich Tomassone / Wöffen, StudZR 2005, 61, 66 ff.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

Im Ergebnis kann deshalb festgehalten werden, dass die hier herausgestellten Merkmale privater Regelsetzung im Regelungsfeld der freien Berufe zwar häufig, aber nicht immer und erst recht nicht stets gleich stark ausgestaltet vorliegen. Es konnte jedoch herausgearbeitet werden, dass jedenfalls die tatsächliche Bedeutung privat gesetzter Regelungen für Dritte davon abhängig ist, in welchem Funktionszusammenhang diese Regelungen stehen.

B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur Im Folgenden gilt es deshalb herauszuarbeiten, in welchem Funktionszusammenhang die privat gesetzten Regelungen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer stehen. Dazu wird zunächst die Funktion des Wirtschaftsprüfers als Kontrolleur skizziert. Danach wird dargestellt, welche Bedeutung dabei die IDW-Standards haben. Hierzu wird auf die bisher gewonnen Erkenntnisse zurückgegriffen. Es zeigt sich, dass dem Wirtschaftsprüfer neben der Kontrollfunktion auch eine Verifikationsfunktion zukommt, die im IDW institutionalisiert wird.

I. Aufgaben des Wirtschaftsprüfers Das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers umfasst heute eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten. Die Aufgaben des Wirtschaftsprüfers sind in § 2 WPO beschrieben und ergeben sich zudem aus den zahlreichen gesetzlichen Anordnungen, einen Wirtschaftsprüfer hinzuzuziehen. Das sicherlich prominenteste Beispiel ist hier die Pflicht für nicht kleine Kapitalgesellschaften, ihren Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, § 316 Abs. 1 S. 1 HGB.38 Praktisch wichtig und auch für diese Untersuchung relevant39 ist daneben die Aufgabe der Prüfung von Unternehmensverträgen gem. § 293b AktG, die insbesondere die Prüfung der Angemessenheit einer Barabfindung für außenstehende Aktionäre beinhaltet und dazu in der Regel eine Unternehmensbewertung erforderlich macht.40 Gem. § 293d AktG gilt für die Auswahl der Vertragsprüfer § 319 Abs. 1 HGB, wonach Abschlussprüfer Wirtschaftsprüfer sein müssen. Entsprechendes gilt für die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Squeeze-out nach §§  327a ff. AktG.41 Auf § 319 Abs. 1 HGB verweist auch § 11 Abs. 1 38  Eine Auflistung der Vorschriften, die eine Prüfung verlangen, findet sich bei Naumann, WP-Handbuch I, Kap. D Rn. 2 ff. 39  Kapitel 6. 40  Unten sub III.4.b)aa). 41  § 327c Abs. 2 S. 3 AktG verweist auf § 293d AktG.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur191

S. 1 UmwG für die Bestellung des Verschmelzungsprüfers. Einige Vorschriften verlangen lediglich eine fachlich qualifizierte, unabhängige Prüfung, ohne dabei den Kreis der Prüfer auf Wirtschaftsprüfer zu beschränken.42 Wird allerdings ein Wirtschaftsprüfer bestellt, kann seine Eignung für diese Tätigkeiten grundsätzlich unterstellt werden.43 Die Fälle, in denen das Gesetz ausdrücklich einen Wirtschafts- oder Abschlussprüfer adressiert, werden als Vorbehaltsaufgaben bezeichnet; für sie sieht die Wirtschaftsprüferordnung besondere Anforderungen vor.44 Wirtschaftsprüfer haben gem. § 2 Abs. 1 WPO „die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen.“ Sie sind darüber hinaus befugt, ihre Auftraggeber auch in steuerlichen Angelegenheiten zu beraten und zu vertreten.45 Ferner dürfen sie gem. § 2 Abs. 3 WPO im Bereich der wirtschaftlichen Betriebsführung als Sachverständige auftreten und unternehmensberatend tätig werden.

II. Kontrollfunktion des Wirtschaftsprüfers Das Tätigkeitsprofil des Wirtschaftsprüfers ist praktisch in erster Linie von der Aufgabe geprägt, gesetzlich vorgesehene Prüfungen durchzuführen.46 Dazu gehören nicht nur die Vorbehaltsaufgaben, sondern alle Pflichtprüfungen.47 Außerdem werden dem Wirtschaftsprüfer aufgrund seiner besonderen Befähigungen oft auch freiwillige und solche Prüfungen übertragen, die zwar nicht gesetzlich, jedoch durch satzungsmäßige Regelungen vorgeschrieben oder qua Gesellschafterbeschluss verlangt werden.48 In diesen Aufgaben kommt die Kontrollfunktion des Wirtschaftsprüfers zum Ausdruck. Sie ist die historisch gewachsene, die Ur-Funktion des Wirtschaftsprüfers, deren Ursachen in der historischen Entwicklung der Rechnungslegung zu finden sind. Diese sind im ersten Kapitel dieser Arbeit 42  Z. B.

§ 33 Abs. 4 AktG; § 143 Abs. 2 AktG. den Fall der Gründungsprüfung, aber verallgemeinerungsfähig Pentz, in: MK-AktG, § 33 Rn. 39 mit dem Hinweis, das Gesetz wolle nur zum Ausdruck bringen, dass kein Monopol der Wirtschaftsprüfer besteht; ferner Gerber, in: Spindler / Stilz, §  33 Rn.  18; Hüffer, AktG, § 33 Rn. 8. 44  Wollburg, in: Hense / Ulrich, § 2 Rn. 9 f. 45  § 2 Abs. 2 WPO. 46  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. A Rn. 22; Wollburg, in: Hense / Ulrich, § 2 Rn. 3. 47  Wollburg, in: Hense / Ulrich, § 2 Rn. 3. 48  Naumann, in: WP-Handbuch I, Kap. A Rn. 23. 43  Für

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

aufbereitet worden und können nun für den vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden. 1. Defizite binnengesellschaftlicher und gerichtlicher Kontrollen Die Entstehung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer wurde maßgeblich durch die wachsende Komplexität der Rechnungslegung befördert.49 Zunächst waren es die Gerichte, die in Gesellschafterstreitigkeiten Probleme mit der Verarbeitung von Informationen aus unternehmensinternen Rechenwerken hatten und deshalb auf sachverständigen Rat angewiesen waren. In der Folge griffen dann aber auch vermehrt Kaufleute selbst auf externe Berater zurück. Die Komplexität der Rechnungslegung nahm im 18. Jahrhundert erheblich zu, weil sie nunmehr zu Zwecken der Kapitalerhaltung fruchtbar gemacht wurde und die Ermittlung der Zahlen dafür normativen Wertungen wie einer besonders vorsichtigen Gewinnermittlung folgen musste. Doch erst die Weltwirtschaftskrise von 1929 verhalf einer längst gewachsenen Erkenntnis zum Durchbruch: Dass nämlich erstens eine effektive Kontrolle der Unternehmenszahlen allein durch den Aufsichtsrat nicht genügt50 und zweitens es für diese Aufgabe gut ausgebildeter und organisierter Experten bedarf.51 Mit der Durchführungsverordnung52 zur „Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnesie“53 von 1931 wurde deshalb die aktienrechtliche Pflichtprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer vorgeschrieben. Diesen Berufsstand gab es bis dato faktisch nicht, er war völlig zersplittert in unterschiedlich organsierte Verbände von vereidigten Buchprüfern und Treuhandgesellschaften, womit weder Zugangsvoraussetzungen noch Berufsausübungsregeln für die neue gesetzliche Aufgabe bestanden. Aus dieser Situation heraus gründete sich das heutige Institut der Wirtschaftsprüfer, sorgte für eine einheitliche Berufsausbildung, einheitliche Zugangsvoraussetzungen und beschloss schon bald erste interne Regeln, die der Wirtschaftsprüfer in Ausübung seiner Arbeit zu beachten hatte.54

49  Dazu

und zum Folgenden bereits Kapitel 1 A.I.2. in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 502; Quick, ZUG 1990, 217, 221. 51  Zur ökonomischen Begründung der Erforderlichkeit eines Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer Marten / Quick / Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S.  41 ff. 52  RGBl. I 1931, S. 761. 53  RGBl. I 1931, S. 493 ff. 54  Dazu nochmals oben Kapitel 1 A.I.2. 50  Spindler,



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur193

2. Proaktive Kontrolle durch den Wirtschaftsprüfer Die Einführung der genossenschaftlichen und aktienrechtlichen Pflichtprüfung hatte deshalb zum Ziel, Unternehmensschieflagen proaktiv zu verhindern. Der Verstoß gegen bilanzrechtliche Vorschriften sollte nicht erst gerichtlich sanktioniert werden, vermutlich weil schon damals erkennbar wurde, dass sich ein hinreichender Vermögensschutz im Nachhinein nicht bewerkstelligen lässt. Dieser Aspekt wurde zwar – soweit ersichtlich – nicht erörtert. Doch hatten sich bereits die bestehenden Strafvorschriften als nahezu wirkungslos erwiesen.55 Gering waren auch die Aussichten, erfolgreich Schadensersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder geltend machen zu können56 – eine Maßnahme, die sich grundsätzlich eignet, um sogar mit präventiver Wirkung das Handeln von Gesellschaftsorganen zu disziplinieren.57 Dass schon damals mit ihnen ohnehin keine Vollkompensation in Fällen größerer Unternehmenszusammenbrüche erreicht werden konnte, kann unterstellt werden. Es ging folglich darum, Fragen der richtigen Anwendung des Rechnungslegungsrechts im Einzelfall nicht durch Gerichte, sondern schon im Vorfeld zu entscheiden.58 Die Begründung zum zweiten Entwurf eines Aktiengesetzes von 1931 formulierte diesem Gedanken entsprechend sogar, es sei eine „Beaufsichtigung und Nachprüfung des Rechnungswesens“ erforderlich.59 Zum Instrument dieser „präventiven Aufsicht“ wurde der Wirtschaftsprüfer gemacht.60 Diese Feststellung hat bis heute – auch nach zunehmender gemeinschaftsbzw. unionsrechtlicher Überformung des deutschen Bilanzrechts – Gültigkeit. Das zeigen neueste Entwicklungen, insbesondere durch das KonTraG von 1998 und das BilMoG von 2009. Bis zum Publizitätsgesetz von 1969 sollte die Kontrolle des Jahresabschlusses nach überwiegender Auffassung gesellschaftsinternen Zwecken dienen, der Wirtschaftsprüfer hatte dem Aufsichtsrat zu berichten, welcher schon damals nur einen testierten Abschluss feststellen durfte.61 Erst mit der Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen erlangte das Testat verstärkt Bedeutung für Gesellschaftsexterne. Die weiter entwickelte Idee von der Bilanz als Informationsinstrument für An55  Spindler,

in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 500. in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, S. 513. 57  Habersack, Gutachten E zum 69. DJT 2012, E 28; Leyens, FS Schäfer, S. 159, 163 ff. 58  Zur Aufsicht als Alternative zu privaten Rechtsbehelfen im Falle eines Marktversagens Baums, Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, S. 17. 59  Abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsrechtsreform, S. 957. 60  Mattheus, ZGR 1999, 682, 683  f. Hommelhoff, in: Hommelhoff / Schubert, Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, S. 71, 82. 61  Mattheus, ZGR 1999, 682, 687 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 98 ff. 56  Spindler,

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

leger findet heute seinen stärksten Niederschlag in den IFRS, die weder der Steuer- noch der Ausschüttungsmessung dienen und statt auf vorsichtige Gewinnermittlung auf die hochkomplexe fair value-Bewertung setzen.62 Auf Ebene der Prüfung ist in jüngerer Zeit eher eine Rückkehr zu den ursprünglichen Prüfungszwecken zu verzeichnen. Neben der Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses und der jeweiligen Lageberichte hat der Abschlussprüfer seit dem KonTraG von 1998 auch das gem. § 91 Abs. 2 AktG einzurichtende System zur Früherkennung bestandsgefährdender Risiken zu kontrollieren, seit dem BilMoG von 2009 ferner das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem, soweit es auf den Rechnungslegungsprozess bezogen ist. Über beides hat er gem. § 321 HGB dem Aufsichtsrat zu berichten, der diesen Bericht sodann der Erfüllung seiner eigenen Überwachungsaufgabe gem. § 111 AktG zugrunde legen kann und muss.63 Zu dieser Überwachungsaufgabe gehört auch, die Erforderlichkeit und gegebenenfalls die Wirksamkeit eines internen Kontrollsystems, eines internen Risikomanagementsystems und eines internen Revisionssystems zu prüfen. Hierzu kann der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss einrichten. Handelt es sich um eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft, die keinen Aufsichtsrat hat, der die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllen muss, ist ein Prüfungsausschuss zwingend einzurichten.64 An den Sitzungen des Prüfungsausschusses über den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Gewinnverwendungsbeschluss muss gem. § 171 Abs. 1 S. 2 AktG auch der Abschlussprüfer teilnehmen.65 In der Literatur wird seine Teilnahme an weiteren Sitzungen für möglich und erstrebenswert erachtet.66 Diese Verbesserungen der Corporate Governance dienen, ohne dass dies jedoch häufig erwähnt wird, dem Zweck einer vorgeschalteten, aufsichtsähnlichen Kontrolle. Das zeigen die internationalen Entwicklungen in der Corporate Governance-Bewegung, auf die unter anderem die gewachsene Bedeutung von Prüfungsausschüssen zurückgeht. Sie waren eine Reaktion auf Unternehmensskandale in den USA, die zuerst in Gestalt des Sarbanas62  Übersichtliche Darstellung der Unterschiede zwischen IFRS und HGB bei Köhrle, IFRS-Einzelabschluss, S. 39 ff. 63  Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 202: „(…) Verpflichtung, die Möglichkeiten der Verbesserung seiner Information voll auszuschöpfen.“ Zuvor schon Mattheus, ZGR 1999, 682, 690 ff. 64  Betroffen sind die mitbestimmungsfreie kapitalmarktorientierte GmbH, die kapitalmarktorientierte OHG und KG, Kreditinstitute in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft und Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer VVaG, Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 324 Rn. 3. 65  Hennrichs / Pöschke, in: MK-AktG, §  171 Rn.  124; Hüffer, AktG, § 171 Rn. 11a. 66  Hennrichs / Pöschke, in: MK-AktG, § 171 Rn. 125; Krasberg, der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 240 f.; a. A. Hüffer, AktG, § 171 Rn. 11a.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur195

Oxley-Act und in dem Bemühen manifestiert wurde, derartige folgenreiche Zusammenbrüche von Weltkonzernen künftig zu verhindern.67 3. Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem Gesetz Die Kontrollfunktion des Wirtschaftsprüfers besteht darin, die Vereinbarkeit von prüfungspflichtigen Unterlagen, insbesondere von Jahresabschluss, Konzernabschluss und Lagebericht mit dem Gesetz und der Gesellschaftssatzung zu prüfen.68 § 317 HGB macht dies deutlich. Die Prüfung gem. § 316 ff. HGB ist keine umfassende Geschäftsführungs- und Wirtschaftlichkeits­ prüfung,69 auch wenn die jüngeren, wiederum gesetzlichen Entwicklungen in die Richtung eines umfassenden, zukunftsgerichteten business audit weisen.70 Angesprochen ist damit insbesondere die Pflicht zur Auseinandersetzung mit dem internen Kontroll- und Risikomanagementsystem, soweit es den Rechnungslegungsprozess betrifft, wie sie sich aus § 171 Abs. 1 S. 2 AktG ergibt, und zur Prüfung des Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Risiken gem. § 91 Abs. 2 AktG bei börsennotierten Aktiengesellschaften, aber auch die Pflicht zur Prüfung des Lageberichts. Zu der Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem Gesetz gehört auch die Prüfung der Einhaltung von GoB.71 Das stellt den Abschlussprüfer vor die schwierige Aufgabe, diese hoch abstrakten Grundsätze und die anderen, oft sehr allgemein formulierten Vorschriften des Bilanzrechts auf den Einzelfall anzuwenden und damit operationalisierbar machen zu müssen.72 Ähnlich verhält es sich mit anderen Prüfungstätigkeiten des Wirtschaftsprüfers. So schreibt beispielsweise § 293b AktG die Prüfung von Unternehmensverträgen vor, wozu auch die Angemessenheit von Ausgleichszahlungen und Abfindungen gem. §§ 304, 305 AktG gehört.73 Das macht die Be67  Ausführlich Merkt, US-GesR, Rn. 49; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 465  ff.; Huwer, Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, S. 39 f.; Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 23. 68  Bormann, in: MK-BilR, § 317 Rn. 16; Förschle / Almeling, in: BeckBilKomm, § 317 Rn. 10; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 317 Rn. 1; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, §  317 Rn.  2. 69  BGH, Urteil v. 15.12.2005, Az. III ZR 424 / 04, NZG 2006, 862, 865; Förschle / Almeling, in: BeckBilKomm, § 317 Rn. 7; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 317 Rn. 1. 70  Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 204; Mattheus, ZGR 1999, 682, 689. 71  Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 317 Rn. 8; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, §  317 Rn.  2. 72  Zu der Ermittlung und Konkretisierung von GoB ausführlich oben Kapitel 2 C.III. 73  Statt aller Altmeppen, in: MK-AktG, § 293e Rn. 5 ff.; Hüffer, AktG, § 293e Rn. 4.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

wertung des Unternehmens erforderlich, für die das Gesetz so gut wie keine Vorgaben macht.74 Ein entsprechendes Bewertungserfordernis ergibt sich auch, wenn Geschäftsbetriebe als Sacheinlage eingebracht werden (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 2 AktG).

III. Der Wirtschaftsprüfer als „privater Sachverständiger“ Der Wirtschaftsprüfer erfüllt mit seiner Tätigkeit die Voraussetzungen eines privaten Sachverständigen, wie sie in der verwaltungsrechtlichen Literatur beschrieben werden. Dadurch wird er als Phänomen für die dort geführte Diskussion um den Gesetzesvollzug durch Sachverständige anschlussfähig. In der Verwaltungsrechtswissenschaft etabliert sich derzeit die Bezeichnung „Verifikateur“ für einen bestimmten Sachverständigentypus. Die Bezeichnung erscheint auch für den Wirtschaftsprüfer treffend. Das soll nachfolgend gezeigt werden. 1. Auflösung der Dichotomie von Beratung und Entscheidung Der Begriff des privaten Sachverständigen ist weder gesetzlich bestimmt noch sind seine typischen Aufgaben gesetzlich geregelt, es herrscht vielmehr ein freier Sachverständigenmarkt.75 Sachverständige dienen als Beweismittel im gerichtlichen Verfahren und der Begriff hat durch diese Funktion gewisse Konturierungen erfahren. Danach ist ein Sachverständiger, wer aufgrund sachlicher oder fachlicher Kenntnis die fehlende eigene Kenntnis des Gerichts ausgleichen kann.76 Ausgenommen ist wegen des Grundsatzes iura novit curia im Regelfall77 das Hinzuziehen eines Sachverständigen bei fehlender Rechtskenntnis des Gerichts.78 Der Sachverständige fungiert nach diesem Verständnis als reine Informationsquelle des Gerichts im Bereich des Tatsächlichen. Die Verwaltungsrechtswissenschaft hat sich in jüngerer Zeit darum bemüht, Betrachtungen des Sachverständigen aus dieser gerichtszentrierten Perspektive zu lösen.79 Das formalisierte Verwaltungsverfahren, das bereits auf den 74  Zur

Unternehmensbewertung ausführlich unten Kapitel 6 sub A. und B. Der private Sachverständige, S. 92. 76  BGH, Urteil v. 18.03.1993, Az. IX ZR 198 / 92, NJW 1993, 1796, 1797; Huber, in: Musielak, § 402 Rn. 1; Leipold, in: Stein / Jonas, Vor § 402 Rn. 8; Münch, in: MK-ZPO, § 1049 Rn. 11. 77  Ausnahme ist vor allem fehlende Kenntnis des ausländischen anwendbaren Rechts, von Handelsbräuchen und Gewohnheitsrecht, § 293 ZPO. 78  Huber, in: Musielak, § 402 Rn. 2. 79  Monographisch aus der jüngeren Literatur insbesondere Scholl, Der private Sachverständige, S. 92 ff.; mit vielen Nachweisen übersichtlich Ladeur, in: Hoff75  Scholl,



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur197

Erlass von verbindlichen Entscheidungen durch Verwaltungsbehörden gerichtet ist,80 macht es erforderlich, besondere Sachkunde von Sachverständigen nicht erst im Gerichtsverfahren zu berücksichtigen. Beratende Tätigkeiten durch Private finden hier auf zahlreichen Verfahrensstufen zwischen Gesetzgebung und Gesetzesvollzug statt.81 Dabei zeigt sich, dass die klare Linie zwischen Beratung und Entscheidung, die im Falle des gerichtlichen Sachverständigen zumindest personell gezogen wird, verwischt. Sachverständigen wird zum Teil aufgrund ihrer besonderen Kenntnis die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben übertragen, mitunter auch eine Entscheidungsbefugnis, etwa bei einer Zertifizierung der Produktsicherheit im Technikrecht.82 Das macht es erforderlich, dass der Sachverständige Tatsachen nicht bloß erläutert, sondern zugleich unter einen Rechtssatz subsumiert, der die Entscheidung leitet. 2. Typenmerkmale des privaten Sachverständigen Angesichts der Tatsache, dass keine gesetzliche Definition des privaten Sachverständigen vorliegt, bietet es sich an, zur Konturierung des Begriffs einzelne Strukturmerkmale dieser Rechtsfigur herauszuarbeiten. Diese Aufgabe hat insbesondere Patrick Scholl83 übernommen. Die von ihm bezeichneten Strukturmerkmale, die im Folgenden präsentiert werden, weisen Parallelen zu jenen auf, die hier als Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeiten vorgestellt wurden. Neben der besonderen Fachkenntnis zeichnet sich der private Sachverständige dadurch aus, dass sein Handeln auf einen Auftraggeber gerichtet ist, um ein bestehendes Wissensgefälle zu überbrücken. Er wird dabei als Dritter in einer Entscheidungssituation tätig. Die Eigenschaft als Dritter ergibt sich daraus, dass der private Sachverständige weder eingegliederter Teil der Verwaltung ist noch Adressat der Rechtsnorm, die eine gutachter­ liche Tätigkeit in einer spezifischen Entscheidungssituation verlangt. Seine Leistungserbringung ist also neutral und nicht weisungsabhängig. Sie ist aber geprägt von einem besonderen Vertrauensverhältnis.84 Schließlich mann-Riehm / Schmidt-Assmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, §  21 Rn.  46 ff.; Scherzberg, NVwZ 2006, 377 ff.; Voßkuhle, in: Isensee / Kirchhof, § 43 passim; Windmann, DÖV 2010, 396 ff. 80  Maurer, VerwR, § 19 Rn. 1. 81  Eine Übersicht mit zahlreichen Nachweisen ist zu finden bei Voßkuhle, in: Isensee / Kirchhof, §  43 Rn.  6. 82  Scholl, Der private Sachverständige, S. 78 ff.; Voßkuhle, in: Isensee / Kirchhof, § 43 Rn. 23; Windmann, DÖV 2010, 396, 399. 83  Scholl, Der private Sachverständige, S. 91 ff. 84  Diesen Aspekt führt Scholl nicht als typenprägendes Merkmal des Sachverständigen, wohl aber als Garantie der Vertraulichkeit, die er zu den Formalzielen der

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steht am Ende der Leistungserbringung privater Sachverständiger das Erfordernis, eine bestimmte Fragestellung beantworten zu müssen.85 3. Der private Sachverständige als Verifikateur a) Abgrenzung Scholl unterscheidet im Rahmen seiner Untersuchung vier Typen von Sachverständigen:86 den Behördengutachter als sachverständigen Verwaltungshelfer, den Privatgutachter als sachverständigen Auftragsnehmer des Normadressaten, den beliehenen Sachverständigen, der in einer öffentlichrechtlichen Garantiefunktion tätig wird, und schließlich den Verifikateur, den er als „das privatrechtliche Sachverständigen-Vollzugsmodell“ bezeichnet. Der Behördengutachter wird in die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde integriert, welcher dabei die volle Entscheidungskompetenz verbleibt. Der Privatgutachter steht demgegenüber ganz im Lager einer privaten Partei, die Beteiligte im Verwaltungsverfahren ist, er ist also gerade nicht zur Unabhängigkeit verpflichtet und hat auf das Verwaltungsverfahren zumindest förmlich nahezu keinen Einfluss.87 Dem beliehenen Sachverständigen wird ausdrücklich eine öffentlich-rechtliche Begutachtungs- und Entscheidungskompetenz übertragen mit der Folge, dass die Verfahrensherrschaft auf den Beliehenen übergeht.88 Die Kategorie des Verifikateurs schließlich wird vor dem Hintergrund gesetzlich vorgeschriebener Gutachterbeteiligungen entwickelt, die sich nicht zwanglos einem der zuvor genannten Sachverständigentypen zuordnen lassen. Diese sind insbesondere keine „Beliehenen“ und werden typischerweise erfasst, indem von „staat­licher Indienstnahme“ oder „staatlicher Inpflichtnahme“ gesprochen wird.89 Dieses Beteiligungskonzept des Verifikateurs ist so ausgestaltet, dass der Gesetzgeber dem Normadressaten auferlegt, „sich ein bestätigendes Urteil über die Konformität des Regelungsgegenstandes mit dem öffentlich-rechtlichen Maßstab von einem privaten Sachverständigen einzuholen.“90 Dieses Urteil wird sodann normativ rezipiert und mit bestimmten Rechtsfolgen versehen. Die Verarbeitung Funktionsfähigkeit des Interaktionsverhältnisses zählt, Scholl, der private Sachverständige, S. 367. 85  Scholl, Der private Sachverständige, S. 97 ff. 86  Scholl, Der private Sachverständige, S. 146 ff. 87  Scholl, Der private Sachverständige, S. 205 f. 88  Scholl, Der private Sachverständige, S. 244 ff. 89  Ibler, in: Maunz  / Dürig, Art. 86 Rn. 120; Kirchhof, NVwZ 1988, 97 f.; Remmert, in: Maunz  /  Dürig, Art. 19 III Rn. 61; Scholl, Der private Sachverständige, S. 281 in Fn. 721. 90  Scholl, Der private Sachverständige, S. 280.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur199

des erstatteten Gutachtens ist deshalb nicht mehr Aufgabe der Verwaltung, sondern geschieht ipso iure. Auf diese Weise erhält es regelmäßig eine Art Garantiefunktion, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrauenstatbestand begründet. b) Beispielhafte Verifikationsfunktionen im Verwaltungsrecht Zwei Beispiele aus dem Verwaltungsrecht sollen erhellen, wie die Aufgabe eines Verifikateurs ausgestaltet sein kann und im Folgenden einen Vergleich mit der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers ermöglichen. aa) Prüfbescheinigungen nach der Betriebssicherheitsverordnung Gem. § 12 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) müssen überwachungsbedürftige Anlagen nach dem Stand der Technik montiert, installiert und betrieben werden. Bei der Einhaltung des Standes der Technik sind die vom Ausschuss für Betriebssicherheit91 ermittelten und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesarbeitsblatt oder im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Das ist durch erstmalige92, laufende93 und außerordentliche94 Prüfungen zu gewährleisten. Zuständig für diese Prüfungen sind private Prüfstellen.95 Sie werden als solche auf Antrag zugelassen, wenn sie den Anforderungen nach § 37 Abs. 5 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) i. V. m. § 21 BetrSichV genügen, die organisatorische Anforderungen formulieren und die themenspezifische Sachkenntnis verlangen. Entspricht die überwachungsbedürftige Anlage dem Stand der Technik, so stellt die Überwachungsstelle gem. § 19 Abs. 1 BetrSichV eine Prüfbescheinigung aus, die auf Nachfrage der zuständigen Behörde vorzuzeigen ist, § 19 Abs. 2 BetrSichV. bb) Übereinstimmungszertifikat gem. § 24 LBO BW Das Bauordnungsrecht sieht vor, dass nur solche Baustoffe, die bestimmten Anforderungen genügen, für bauliche Anlagen verwendet werden dürfen.96 Für besonders sensible Baustoffe kann im Verordnungswege vorgeschrieben werden, dass ihr Transport und ihre Verarbeitung überwacht und 91  Ein

Ausschuss der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. BetrSichV. 93  § 15 BetrSichV. 94  § 16 BetrSichV. 95  Eine Liste der zugelassenen Prüfstellen ist abrufbar unter www.baua.de. 96  § 17 Abs. 1 LBO BW. 92  § 14

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die Ordnungsmäßigkeit dieser Tätigkeiten von einer anerkannten Prüfstelle zertifiziert wird.97 § 22 LBO BW verlangt, dass die Übereinstimmung von Baustoffen mit den technischen Regeln nach § 17 Abs. 2 LBO BW, den allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen, den allgemeinen bauaufsicht­ lichen Prüfzeugnissen oder den Zustimmungen im Einzelfall zertifiziert wird. Diese Zertifikate werden von einer Zertifizierungsstelle ausgestellt,98 die gem. § 25 LBO BW von der Baurechtsbehörde zugelassen werden kann. Auch eine Übereinstimmungserklärung des Herstellers der Bauprodukte ist möglich.99 cc) Folgen der Zertifizierung Die Zertifizierung führt dazu, dass die behördliche Kontrolle vollständig durch die Kontrolle des Verifikateurs substituiert wird.100 Der Gutachter verifiziert den Vollzug des rechtlichen Normprogramms durch den Norm­ adressaten. Er prüft folglich die Übereinstimmung der tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Gesetz und entscheidet über sie durch Subsumtion. 4. Die Sachverständigenleistung des Wirtschaftsprüfers Der Wirtschaftsprüfer lässt sich – insbesondere in seiner Funktion als Abschlussprüfer – dem Sachverständigentyp des Verifikateurs im oben dargelegten Sinn zuordnen.101 Seine Tätigkeit ist auf Dritte bezogen, denn er leistet Rechnungslegern gegenüber die Prüfung ihrer Dokumente. Dabei steht er zu ihnen in einem besonderen Vertrauensverhältnis, ist aber gleichzeitig zur Unabhängigkeit verpflichtet. Am Schluss seiner Prüfung steht eine Entscheidung über die Normkonformität der geprüften Abschlüsse und Unterlagen. Mit dieser Entscheidung übernimmt er eine Garantiefunktion im öffentlichen Interesse. Der Wirtschaftsprüfer übt einen freien Beruf aus und wird öffentlich zum Wirtschaftsprüfer bestellt, § 1 Abs. 1 WPO. Diese Bestellung ist eine öffentlich-rechtliche Inpflichtnahme.102 Dabei ist unerheblich, ob der Abschluss97  § 17

Abs. 6 LBO BW. Abs. 1 Nr. 1 LBO BW. 99  § 23 LBO BW. 100  Scholl, Der private Sachverständige, S. 300 ff.; bezogen auf das Technikrecht dem folgend Windmann, DÖV 2010, 396, 399 f. 101  Ausführlich Scholl, Der private Sachverständige, S.  313; ebenso Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, Vor § 316 Rn. 17; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 221 f. 102  Kilian, ZGR 2004, 189, 201; Uhlmann, in: Hense / Ulrich, WPO, § 1 Rn. 5. 98  § 24



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur201

prüfer tatsächlich ein öffentlich-rechtliches Normprogramm vollzieht.103 Zwar wird überwiegend das Bilanzrecht tatsächlich dem öffentlichen Recht zugeordnet,104 doch ist diese Zuordnung weder zwingend noch aufschlussreich für die Lösung von Sachproblemen, die sich eher aus dem jeweiligen materiellen Gehalt der Regelung ergeben.105 Insofern ist es gerade die Aufgabe des Wirtschaftsprüfers, die Übereinstimmung von Jahres- und Konzernabschluss sowie der Lageberichte mit dem Bilanzrecht zu prüfen und öffentlich zu zertifizieren. a) Die Bedeutung des Bestätigungsvermerks aa) Grundlagen An das Vorliegen dieses Zertifikats – des Bestätigungsvermerks – knüpft das Gesetz Rechtsfolgen: Nur wenn es vorhanden ist, darf der Jahresabschluss festgestellt106 und gem. § 325 Abs. 1 S. 2 HGB veröffentlicht werden. Entsprechendes gilt für die Billigung107 und Veröffentlichung108 des Konzernabschlusses. Den Inhalt des Bestätigungsvermerks regelt § 322 HGB. Der Abschlussprüfer muss das Ergebnis seiner Prüfung zusammenfassen, beurteilen, Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung beschreiben und dabei die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze angeben. Zweifelsfrei muss sich aus dem Prüfungsvermerk ergeben, ob ein uneingeschränkter oder eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird, oder ob er aufgrund von Einwendungen oder deshalb versagt wird, weil der Abschlussprüfer nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben. Außerdem ist auf Risiken einzugehen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses erfasst auch, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluss in Einklang steht und insgesamt ein zutreffendes Ergebnis von der Lage des Unternehmens vermittelt. Der Bestätigungsvermerk trifft folglich auch Aussagen über die Risikobeurteilung der Geschäftsleitung und damit über die zukunftsgerichtete Einschätzung der Lage des Unternehmens. unterstellend Scholl, Der private Sachverständige, S. 313. Vor § 238 Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 15; in dieser Richtung auch Hüffer, in: GK-HGB, Vor § 238 Rn. 1: „rechtspolizeilicher Hintergrund“. 105  Merkt, Unternehmenspublizität, S.  253; Fleischer, in: Spindler  /  Stilz, § 91 Rn. 4. 106  §§ 171 Abs. 3 S. 1 AktG, 42a Abs. 2 S. 2 GmbHG. 107  § 316 Abs. 2 S. 2 HGB. 108  § 325 Abs. 3 i. V. m. § 325 Abs. 1 S. 2. HGB. 103  Das

104  Adler / Düring / Schmaltz,

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

bb) Kein Erfordernis eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks Allerdings ist für die Feststellung des Jahresabschlusses nicht erforderlich, dass ein positiver Bestätigungsvermerk erteilt wurde, es muss nur überhaupt ein Bestätigungsvermerk vorhanden sein. Die Feststellung eines Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat, für den ein Versagungsvermerk erteilt wurde, ist aber regelmäßig pflichtwidriges Verhalten der Organmitglieder.109 Warum sie trotzdem erfolgt, wird der Hauptversammlung nur mit besonders hohem Begründungsaufwand seitens des Aufsichtsrates auf Grundlage des Ergebnisses der eigenen, gem. § 171 Abs. 1 S. 1 AktG erforderlichen Prüfung zu vermitteln sein.110 Außerdem ist der Bestätigungsvermerk gem. § 325 Abs. 1 S. 2 HGB zusammen mit dem Jahresabschluss zu veröffentlichen. Er entfaltet damit eine Garantie- und Beglaubigungsfunktion111 bezüglich des Jahresabschlusses und eine Art Signalwirkung für die Öffentlichkeit.112 cc) Erforderlichkeit eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks (1) Nominelle Kapitalerhöhung Einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk zur Jahresbilanz – nicht zum gesamten Jahresabschluss, mit dem sie eine Einheit bildet113 – verlangen demgegenüber § 209 Abs. 1 und Abs. 3 S. 2 AktG sowie §§ 57e Abs. 1, 57f Abs. 2 S. 2 GmbHG für den Fall einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.114 Fehlt er, so ist die Kapitalmaßnahme gem. § 241 Nr. 3 AktG nichtig.115 Die nominelle Kapitalerhöhung ist nämlich die einzige, bei welcher der Gesellschaft tatsächlich keine zusätzlichen Mittel zufließen, aber trotzdem ein höheres Stammkapital als vorher ausgewiesen werden 109  Förschle / Küster, in: BeckBilKomm, § 322 Rn. 14; Hennrichs / Pöschke, in: MK-AktG, § 171 Rn. 108. 110  Ekkenga, in: KK-AktG, § 171 Rn. 81; Hüffer, AktG, § 171 Rn. 13b. 111  Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 322 Rn. 2. 112  Bormann, in: MK-BilR, § 322 Rn. 4; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 322 Rn. 1; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 322 Rn. 3. Zur tatsächlichen Verwertbarkeit der Informationen im Bestätigungsvermerk kritisch W. Müller, FS Hommelhoff, S.  777 ff. 113  §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 S. 1 HGB. 114  Bormann, in: MK-BilR, § 322 Rn. 3; Ebke, in: MK-HGB, § 322 Rn. 3. 115  BayObLG, Beschluss v. 09.04.2002, Az. 3Z BR 39  / 02, AG 2002, 397 ff.; Arnold, in: MK-AktG, §  209 Rn.  43; Hüffer, AktG, § 209 Rn. 14; Veil, in: Schmidt / Lutter, § 209 Rn. 15; unklar Fock / Wüsthoff, in: Spindler / Stilz, § 209 Rn. 30 („… wenn die zugrunde gelegte Jahres- oder Erhöhungsbilanz nicht ordnungsgemäß geprüft wurde.“)



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur203

kann.116 Damit fehlt zugleich ein zusätzlich haftender Gesellschafter, auf den zugegriffen werden kann, wenn sich die Einlage als nicht werthaltig erweist. Dass die Gesellschaftsmittel tatsächlich vorhanden sind, ist deshalb Voraussetzung für die Kapitalmaßnahme und soll durch das Testat öffentlich versichert werden. So wird außerdem statt eines Inferenten der Abschlussprüfer in die Pflicht genommen, denn er haftet bei Pflichtverletzungen gem. § 323 Abs. 1 S. 3 HGB auf Schadenersatz.117 Liegt umgekehrt aber ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vor und stellt sich die Bilanz später als fehlerhaft heraus, berührt dies die Wirksamkeit der Kapitalmaßnahme nicht.118 Denn gem. § 310 Abs. 3 AktG braucht das Registergericht nicht zu prüfen, ob die Bilanz tatsächlich den gesetzlichen Vorschriften entspricht, sondern nur, ob die formalen Voraussetzungen des § 309 AktG erfüllt sind, insbesondere also ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers vorliegt.119 Trägt es sodann den Beschluss ein, wird die Kapitalerhöhung gem. § 211 AktG wirksam. Das macht die Garantiefunktion des Bestätigungsvermerkes deutlich. (2) Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk ist ferner erforderlich, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses gem. § 173 Abs. 1 AktG durch die Hauptversammlung und nicht durch den Aufsichtsrat stattfindet und die Hauptversammlung den geprüften Jahresabschluss selbst vor der Feststellung noch einmal ändert. Für diesen Fall schreibt § 173 Abs. 3 AktG vor, dass vor der Änderung gefasste Beschlüsse über die Feststellung und Gewinnverwendung erst wirksam werden, wenn der Abschlussprüfer eine Nachtragsprüfung gem. § 316 Abs. 3 HGB vornimmt und diesbezüglich einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Der Grund hierfür dürfte darin zu sehen sein, dass in dieser Konstellation keine doppelte Kontrolle des aufgestellten Jahresabschlusses durch Abschlussprüfer und Aufsichtsrat stattfindet, weil § 171 AktG hinsichtlich der Änderungen nicht zur Anwendung kommt.120 Aufstellung und Feststellung 116  Arnold, in: MK-AktG, § 207 Rn. 1; Drygala / Staake / Szalai, KapGesR, § 15 Rn.  31 ff.; Hirte, in: GK-AktG, § 207 Rn. 31; Veil, in: Schmidt / Lutter, § 207 Rn. 2 f. 117  Veil, in: Schmidt  / Lutter, § 212 Rn. 3. Freilich sind Haftungsvoraussetzungen und Haftungsgrenzen unterschiedlich. 118  Arnold, in: MK-AktG, § 209 Rn. 43; Korsten, AG 2006, 321, 322. 119  OLG Hamm, Beschluss v. 22.01.2008, Az. 15 W 246 / 07, AG 2008, 713, 716; Arnold, in: MK-AktG, § 210 Rn. 20 ff.; Fock / Wüsthoff, in: Spindler  /  Stilz, § 210 Rn. 8; Veil, in: Schmidt / Lutter, § 210 Rn. 6. Kritisch zu dieser gesetzlichen Konzeption Hirte, GK-AktG, § 310 Rn. 31 f. 120  Diesen Aspekt zumindest andeutend Ekkenga, in: KK-AktG, § 273 Rn. 16.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

der Änderungen werden von der Hauptversammlung vollzogen und von keinem anderen Gesellschaftsorgan geprüft. Damit entfällt auch die Möglichkeit, im Falle fehlerhafter Prüfung Haftungsansprüche, wie sie gegen Vorstand und Aufsichtsrat in Betracht kommen, geltend zu machen, weil die Hauptversammlung als Organ nicht haftet. Die herrschende Meinung stellt demgegenüber in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung121 darauf ab, dass eine nochmalige Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung im Anschluss an die Nachtragsprüfung gesetzlich nicht mehr vorgesehen ist.122 Die Feststellung geschieht vielmehr ausnahmsweise schon vor der Nachtragsprüfung, obwohl § 316 Abs. 1 S. 2 die Feststellung nicht geprüfter Abschlüsse grundsätzlich verbietet.123 Bis zur Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerkes, der nicht später als zwei Wochen nach der Beschlussfassung vorliegen darf, sind alle Beschlüsse deshalb schwebend unwirksam. Daraus wird der Schluss gezogen, ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk sei dann verzichtbar, wenn die Nachtragsprüfung noch durch den Prüfer in der Hauptversammlung selbst stattfindet und diese sodann nochmals einen Feststellungsbeschluss trifft.124 Das begegnet Zweifeln. § 316 Abs. 1 S. 2 AktG vermag zwar das Erfordernis der Nachtragsprüfung, nicht aber das des uneingeschränkten Bestätigungsvermerkes zu erklären. Letzteres erschließt sich vielmehr erst, wenn es als Substitut für die Prüfung – nicht die Feststellung – durch den Aufsichtsrat gem. § 171 AktG gesehen wird. Das Gesetz verlangt statt der Prüfung durch den Aufsichtsrat also ein besonderes Prüfzertifikat in Form des uneingeschränkten Bestätigungsvermerkes. Daraus folgt dann freilich, dass der Versuch, die Prüfung noch in der Hauptversammlung vorzunehmen, nicht funktionieren kann. Die Garantiefunktion des Bestätigungsvermerkes kommt hier erneut klar zum Ausdruck. b) Bedeutung von Prüfungen ohne Bestätigungsvermerk Zahlreiche Prüfungstätigkeiten von Wirtschaftsprüfern schließen allerdings nicht mit einem Bestätigungsvermerk gem. § 322 HGB ab.

bei Kropff, AktG, S.  280 f. § 173 Rn. 28; Ekkenga, in: KK-AktG, § 173 Rn. 16; Euler, in: Spindler / Stilz, § 173 Rn. 15; Drygala, in: Schmidt / Lutter, § 173 Rn. 12; Hennrichs / Pöschke, in: MK-AktG, § 173 Rn. 56. 123  Adler / Düring / Schmaltz, § 173 Rn. 28; Euler, in: Spindler / Stilz, § 173 Rn. 15; Drygala, in: Schmidt / Lutter, § 173 Rn. 12. 124  Ekkenga, in: KK-AktG, § 173 Rn. 23; Drygala, in: Schmidt  /  Lutter, § 173 Rn. 12; Hennrichs / Pöschke, in: MK-AktG, § 173 Rn. 56; Hüffer, AktG, § 173 Rn. 9. 121  Abgedruckt

122  Adler / Düring / Schmaltz,



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur205

aa) Prüfung von Unternehmensverträgen Unternehmensverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit gem. § 293 Abs. 1 S. 1 AktG der Zustimmung durch die Hauptversammlung. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit.125 Der Vorstand fertigt einen schriftlichen Bericht über den Unternehmensvertrag an, in dem insbesondere Art und Höhe des Ausgleichs nach § 304 AktG und der Abfindung nach § 305 AktG rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden.126 Der Unternehmensvertrag ist, wie bereits erwähnt, durch einen Vertragsprüfer zu prüfen.127 Das Ergebnis übermittelt dieser dem Vorstand.128 Darzustellen ist, nach welchen Methoden Ausgleich und Abfindung ermittelt worden sind, aus welchen Gründen die Anwendung dieser Methoden angemessen ist und zu welchen Werten unterschiedliche Methoden, falls angewendet, führen. Der Prüfungsbericht schließt gem. § 293e Abs. 1 S. 2 AktG mit der Erklärung des Vertragsprüfers, ob der vorgeschlagene Ausgleich oder die vorgeschlagene Abfindung angemessen ist. Er ist zusammen mit den anderen Unterlagen gem. § 293f Abs. 1 AktG zur Vorbereitung der Hauptversammlung auszulegen. Fehlt ein Prüfungsbericht oder die Erklärung des Vertragsprüfers über die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung, liegt nach ganz herrschend vertretener Auffassung ein Eintragungshindernis129 vor.130 Wird lediglich die Angemessenheit nicht bestätigt, ist dies zunächst unschädlich, weil die Hauptversammlung dann die Zustimmung verweigern kann, wenn sie den entsprechenden Willen dazu bildet. Geschieht dies nicht und stimmt die Hauptversammlung deshalb zu, so ist gegen den Beschluss keine Anfechtungsklage statthaft, weil das Urteil des Vertragsprüfers keine Bindungswirkung hat.131 Doch besteht die Gefahr, dass ein Mehrheitsaktionär sein Stimmrecht missbraucht. In diesem Fall kann ausnahmsweise eine Anfechtung in Betracht kommen.132 In allen anderen Fällen steht die Möglichkeit 125  § 293

Abs. 1 S. 2 AktG. Dazu bereits oben sub I. AktG. 127  Oben sub I. und II.3. 128  Ganz hM, vgl. Altmeppen, in: MK-AktG, § 293e Rn. 4; Hüffer, AktG, § 293e Rn. 2; Langenbucher, in: Schmidt / Lutter, § 293e Rn. 3; Veil, in: Spindler / Stilz, § 293e Rn. 3. 129  Unternehmensverträge bedürfen gem. § 294 AktG für ihre Wirksamkeit der Eintragung. 130  Altmeppen, in: MK-AktG, § 293e Rn. 23 mit Nachw. auch zur Gegenansicht; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 293e Rn. 21; Langenbucher, in: Schmidt / Lutter, § 293e Rn. 6; Veil, in: Spindler / Stilz, § 293e Rn. 13. 131  Zutreffend Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 293e Rn. 21; Langenbu­ cher, in: Schmidt / Lutter, § 293e Rn. 6; Veil, in: Spindler / Stilz, § 293e Rn. 13. 132  Altmeppen, in: MK-AktG, § 293e Rn. 23; Langenbucher, in: Schmidt / Lutter, § 293e Rn. 6; a. A. aber für den Parallelfall nach § 12 UmwG Stratz, in: Schmitt / Hörtnagl / Stratz, § 12 UmwG Rn. 22. 126  § 293a

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

des Spruchverfahrens offen, um die Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich prüfen zu lassen. Der Prüfungsbericht und die Bestätigung der Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung durch den Vertragsprüfer dienen somit vor allem der Information der Hauptversammlung. Diese kann entscheiden, ob sie auf Grundlage des Prüfungsergebnisses der Strukturmaßnahme zustimmt oder nicht. Wesentliches Kriterium wird dabei sein, ob der Vertragsprüfer die Angemessenheit bestätigt. Ist dies nicht der Fall, wird es in aller Regel zu einem Spruchverfahren kommen, sofern die Hauptversammlung gleichwohl der Strukturmaßnahme zustimmt. Die Beurteilung des Vertagsprüfers hat deshalb faktisch erhebliches Gewicht. bb) Gründungsprüfung Vergleichsweise geringe Bedeutung bemisst das Gesetz dem Urteil eines Gründungsprüfers zu. In den Fällen des § 33 Abs. 2 Nr. 1–3 AktG dient seine Einschaltung der Sicherstellung einer unbefangenen Gründungsprüfung, weil Eigeninteressen von Vorstand und Aufsichtsrat zu erwarten sind. Anders ist die Lage der Dinge, wenn Sacheinlagen geleistet werden. Hier dient die aktienrechtlich zwingend vorgesehene Prüfung durch einen Gründungsprüfer der Werthaltigkeitskontrolle der Sacheinlage. Der Prüfungsbericht ist gem. § 34 Abs. 3 AktG dem Vorstand und dem Gericht zuzuleiten und kann dort von jedermann eingesehen werden. Es ist aber Sache des Registergerichts, das Vorliegen der formellen und materiellen Eintragungsvoraussetzungen festzustellen. Praktisch übernimmt der Gründungsprüfer jedoch auch hier einen wesentlichen Teil der Bewertungsleistung. Denn das Registergericht prüft das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen in erster Linie anhand der eingereichten Unterlagen.133 Besteht kein sachlich berechtigter Anlass zu Zweifeln an der ordnungsgemäßen Errichtung und Anmeldung, trägt es die Gesellschaft ein.134 Erforderlich ist folglich eine Plausibilitätsprüfung.135 Eine volle Überzeugung des Registerrichters wird nicht verlangt.136 Das gilt auch für die GmbH,137 für die die externe Gründungsprüfung ohnehin nicht vor133  Hüffer, AktG, § 38 Rn. 2; Kleindiek, in: Schmidt / Lutter, § 38 Rn. 4; Pentz, in: MK-AktG, § 38 Rn. 18. 134  BGH, Urteil v. 13.07.1992, Az. II ZR 263 / 91, NJW 1992, 3300, 3301; Hüffer, AktG, § 38 Rn. 2; Kleindiek, in: Schmidt / Lutter, § 38 Rn. 4; Pentz, in: MK-AktG, § 38 Rn. 18; Wachter, in: Bork / Schäfer, § 9c Rn. 12. 135  Kleindiek, in: Schmidt / Lutter, § 38 Rn. 4. 136  Pentz, in: MK-AktG, § 38 Rn. 18. 137  Ulmer, in: GK-GmbHG, §  9c Rn. 13  f.; Wachter, in: Bork  /  Schäfer, § 9c Rn. 12; Wicke, in: MK-GmbHG, § 9c Rn. 35.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur207

geschrieben ist, die Werthaltigkeit von Sacheinlagen aber trotzdem häufig von Wirtschaftsprüfern geprüft wird. In Anlehnung an § 38 Abs. 2 S. 2 AktG ist das Registergericht hier sogar auf die Prüfung beschränkt, ob eine nicht unwesentliche Überbewertung der Sacheinlage vorliegt. Um diese Prüfung durchführen zu können, ist im Falle schwierig zu bewertender Gegenstände wie Unternehmen, Grundstücke und Immaterialgüter regelmäßig ein Wertgutachten eines Sachverständigen erforderlich.138 5. Unterschiede zu Verifikationsfunktionen im Verwaltungsrecht Die Prüfungstätigkeit des Abschlussprüfers weist folglich einige signifikante Gemeinsamkeiten mit verwaltungsrechtlich vorgesehenen Tätigkeiten eines verifizierenden Sachverständigen als Vollzugsmodell auf. Sie bestehen darin, dass ein Dritter den privaten Sachverständigen beauftragt, weil das Gesetz die Inanspruchnahme der Prüfungsleistung von ihm in bestimmten Situa­ tionen verlangt, dass das Prüfungsergebnis zertifiziert wird und dieses Zertifikat eine Garantiefunktion hat. Auch die Interessenlagen der Beteiligten – des Auftraggebers und des privaten Sachverständigen – sind vergleichbar. Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der konkreten Vollzugstätigkeit der privaten Sachverständigen. Zwar müssen sowohl in den angeführten Beispielen aus dem Verwaltungsrecht als auch im Falle des Wirtschaftsprüfers standardförmige, also sehr vage formulierte Vorschriften zur Anwendung gebracht werden, also etwa der „Stand der Technik“ ermittelt oder die Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit den GoB geprüft werden. Das „Wie“ dieser Aufgabenwahrnehmung ist aber nicht in gleicher Weise normativ präformiert. Im Beispiel des Wirtschaftsprüfers richtet es sich aufgrund der satzungsmäßigen Verpflichtung der Mitglieder des IDW nach den IDW-Standards. Ob dem „Stand der Technik“ entsprochen wurde, richtet sich hingegen nach bestimmten technischen Normen.139 So sind im Arbeitsschutzrecht – wie bereits dargelegt – die vom Ausschuss für Betriebssicherheit140 ermittelten und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesarbeitsblatt oder im Gemeinsamen Ministerialblatt (§ 5 Abs. 2 ProdSG) veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Der Ausschuss ist gesetzlich vorgesehen und mit der Ermittlung entsprechender Vorgaben betraut, § 24 BetrSichVO. Im Bauordnungsrecht von 138  Fastrich, in: Baumbach  /  Hueck, § 8 Rn. 9; Schaub, in: MK-GmbHG, § 8 Rn. 27; Tebben, in: Michalski, § 8 Rn. 18; Wachter, in: Bork / Schäfer, § 8 Rn. 40; ferner Hüffer, AktG, § 37a Rn. 2. 139  Näher zu den Instrumenten des Technikrechts Kloepfer, in: Schulte / Schröder, Handbuch des Technikrechts, S. 151, 182 ff. 140  Ein Ausschuss der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

Baden-Württemberg sieht § 17 Abs. 2 LBO BW vor, dass das Deutsche Institut für Bautechnik im Einvernehmen mit der obersten Baurechtsbehörde für Bauprodukte „in der Bauregelliste A die technischen Regeln bekanntmacht, die zur Erfüllung der in diesem Gesetz und in Vorschriften auf Grund dieses Gesetzes an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen erforderlich sind.“ Das Deutsche Institut für Bautechnik ist ebenfalls gesetzlich verankert.141 Im Gegensatz zu IDW-Standards sind diese Regeln der Technik folglich – erstens – nicht durch die freiwillige Initiative eines privatrechtlich organisierten Vereins verfasst worden, sondern es handelt sich um gesetzlich vorgesehene Institutionen. Zum anderen wird im Gesetz ausdrücklich auf sie verwiesen.142 Drittens ist vorgesehen, dass die Regeln in einem gesetzlich vorgesehenen Medium wie dem Ministerialblatt oder der Bauregelliste bekannt gemacht werden.143 Ausführungen zur Rechtsqualität dieser technischen Regeln sind hier entbehrlich. Es konnte aber gezeigt werden, dass IDW-Standards nicht mit ihnen vergleichbar sind. Schließlich bleibt noch in Erinnerung zu rufen,144 dass sich das Technikrecht und das Rechnungslegungsrecht auch im Hinblick auf das Erfordernis wertender Elemente unterscheiden. Das lässt sich auch mit der Differenzierung danach beschreiben, ob privat gesetzte Regelungen stärker technikoder politikgeprägt sind.145 Während sich das Technikrecht auf naturwissenschaftlich nachprüfbare Erkenntnisse stützen kann, enthält das Rechnungslegungsrecht erhebliche wertende Vorgaben. So ist die Verankerung des Vorsichts- und Imparitätsprinzips als Bewertungsgrundlagen im Bilanzrecht eine politische Entscheidung, die die Interessen von Fremdkapitalgebern an einem möglichst großen Haftungsfond stärker gewichtet als jene der Eigenkapitalgeber, die an den Gewinnen der Gesellschaft partizipieren wollen. Bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe müssen derartige gesetzgeberische Wertentscheidungen beachtet werden. Privat gesetzte Regelungen, die diesem Zweck dienen sollen, müssen das gewährleisten. Tendenziell erhöht das aber die an das Regelsetzungsverfahren und die Publizität der Regeln zu stellenden Anforderungen. Dass das Standardset141  Rechtsgrundlage ist das Gesetz über das Deutsche Institut für Bautechnik vom 22. April 1993 (GVBl. S. 195), geändert durch Gesetz zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt-Änderungsabkommen) vom 13. Mai 2006 (GVBl. S. 438). 142  Oben wurde bereits festgestellt, dass das auf IDW-Standards nicht verweist, vgl. Kapitel 2. C.1.2. 143  Für IDW-Standards gilt dies nicht, vgl. oben Kapitel 3 C.V.2. 144  Oben Kapitel 3 C.IV.6.a)c)bb). 145  Kapitel 3 B.I.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur209

zungsverfahren des IDW und die Publizität der Standards noch hinter jenen Anforderung zurückbleibt, die das Technikrecht vorsieht, verringert die Vergleichbarkeit beider Regelsetzungsphänomene abermals. Diese mangelnde Vergleichbarkeit von IDW-Standards mit Regeln der Technik ändert indessen nichts an dem hier entwickelten Ergebnis, dass der Wirtschaftsprüfer als privater Sachverständiger bezeichnet werden kann. Denn sie betrifft nicht das Vollzugsmodell des Verifikateurs selbst, sondern lediglich die „Regel(ungs)materie“, die vollzogen wird.

IV. Die Verifikationsfunktion des Wirtschaftsprüfers und ihre Folgen 1. Verifikationsfunktion als Beschreibung eines Vollzugsmechanismus Nachdem nunmehr feststeht, dass der Wirtschaftsprüfer als privater Sachverständiger betrachtet werden kann, lässt er sich zugleich als Verifikateur bezeichnen. Will man sich der von Scholl vorgenommenen und oben dargestellten Kategorisierung und Benennung anschließen, fällt der Wirtschaftsprüfer unter diese Gruppe von privaten Sachverständigen. Es stellt sich allerdings die Frage, was mit einer solchen Einordnung gewonnen ist. Mit der Einordnung als Sachverständigen und Verifikateur ist in der Tat nämlich insofern nichts gewonnen, als das Gesetz weder an diesen noch an jenen als Begriff oder Typus irgendeine Folge knüpft, hingegen an die Bezeichnung Wirtschaftsprüfer oder Abschlussprüfer schon. So gesehen erscheint die Kategorisierung hier eher als Rückschritt denn als Fortschritt. Die Einordnung als Verifikateur ermöglicht jedoch einen anderen Blick auf die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers, ohne dabei die Bezeichnungen als Wirtschafsprüfer oder Abschlussprüfer aufgeben zu müssen; sie betont einen anderen Aspekt seines Tätigwerdens. Gegenüber der schlichten Bezeichnung als Sachverständigen ermöglicht sie, wie dies auch im Verwaltungsrecht zu beobachten ist, eine Betrachtung, die sich vom gerichtlichen Sachverständigen löst, der prototypisch nicht selbst entscheidet, sondern das Gericht lediglich berät. Zugleich betont die Bezeichnung als Verifikateur stärker als die Bezeichnung als Prüfer die Notwendigkeit für den Wirtschaftsprüfer, SollAnforderungen zunächst zu konkretisieren, bevor ein Vergleich mit dem IstZustand gezogen werden kann. Das liegt weniger an dem jeweiligen Wortsinn als vielmehr am pfadabhängigen Verständnis dessen, was der Wirtschaftsprüfer tut: Er prüft die inhaltliche Vereinbarkeit von Zahlenwerken mit dem Gesetz; dass dieses nicht immer unmittelbar zum Gerüst für einen sol-

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

chen Ist-Soll-Vergleich taugt, ist in der Prüfungstheorie hinlänglich bekannt,146 in der juristischen Literatur aber selten Gegenstand der Betrachtung. Besonders hebt der Begriff des Verifikateurs in dem hier entwickelten – an den im Verwaltungsrecht bekannten Zertifizierungsstellen orientierten – Sinne hervor, dass der Wirtschaftsprüfer eine weitreichende, mitunter endgültige Entscheidung trifft – der Abschlussprüfer als Verfikateur wird zum Gatekeeper.147 Die Rolle von Informationsintermediären als Gatekeeper auf den internationalen Kapitalmärkten ist seit dem Enron-Skandal von 2001 ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.148 Gatekeeper entscheiden hier darüber, welche Informationen auf den Markt gelangen oder ob die Anforderungen erfüllt sind, die an den Marktzugang gestellt werden. Sie werden dadurch zu einem Mechanismus der Rechtsdurchsetzung, der umso stärker ins Gewicht fällt, je allgemeiner jene Anforderungen formuliert sind.149 Auch in Deutschland spielt die von Abschlussprüfern vermittelte Information eine gewichtige Rolle. Sie wird über die Offenlegungspflicht gem. § 325 HGB allgemein verfügbar. Gesellschaftsintern ist sie Grundlage für die Aufgabenwahrnehmung der zur Überwachung berufenen Gesellschaftsorgane. Der Wirtschaftsprüfer verifiziert hierzu die Gesetzeskonformität von Unternehmensunterlagen, die formellen und in aller Regel auch materiellen Anforderungen genügen müssen. Das wiederum unterscheidet ihn von einigen anderen Informationsintermediären wie beispielsweise Ratingagenturen,150 die ebenfalls als Gatekeeper bezeichnet werden können, die jedoch kein rechtliches Normenprogramm vollziehen.151 2. Ausübung der Verifikationsfunktion als Ursache für fehlende Rechtsprechung im Rechnungslegungsrecht Wenig Beachtung finden – soweit ersichtlich – in der Literatur die Folgen, die sich aus der Aktivierung von Verifikateuren auf Ebene der Recht146  Dazu etwa die Darstellung prüfungstheoretischer Ansätze bei Marten / Quick /  Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S.  49 ff. 147  Insbesondere Coffee, 84 B. U. L. Rev. 301, 309 (2004); Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 209; Leyens, FS Schäfer, S. 159. 148  Cox, The Oligopolistic Gatekeeper, pp. 295 ff.; Leyens, FS Schäfer, S. 159. 149  Armour / Hansmann / Kraakman, Agency Problems and Legal Strategies, S. 35, 49: „Gatekeeper control is probably best viewed as a form of delegated intervention: principles do not themselves engage in scrutiny of the agent, but leave this to the gatekeeper.“; Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 263. 150  Coffee, 84 B. U. L. Rev. 301, 309 (2004). 151  Auf diesen Unterschied weist zurecht Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 209 f. hin, der aber gleichwohl Ratingagenturen als Verifikateure versteht und insofern von einen weiteren Verständnis dieses Begriffes als hier vertreten ausgeht.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur211

sprechung ergeben. Ruft man sich abermals die historische Entwicklung der aktienrechtlichen Pflichtprüfung in Erinnerung, so konnte bereits ausgemacht werden, dass sie vor allem ein Kontrolldefizit ausgleichen sollte. Hier wurde der Schluss gezogen, auf diese Weise solle proaktiv die Einhaltung bilanzrechtlicher Vorschriften sichergestellt werden, weil eine Kontrolle ex post ungenügend ist.152 Zugleich bedeutet dies, dass eine Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz in aller Regel nicht mehr durch Gerichte stattfindet – unterstellt jedenfalls, die proaktive Kontrolle durch den Abschlussprüfer ist erfolgreich. a) Rechtstatsächliche Spurensuche Empirisch gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die Jahresabschlussprüfung in dem Sinne erfolgreich ist, als es tatsächlich selten zur Klärung bilanzrechtlicher Fragen durch Gerichte kommt, sind nicht ersichtlich. Rechts­ tatsachenforschung erweist sich auch in diesem Bereich als vernachlässigte Disziplin. Eine Auswertung leicht erschließbarer Informationsquellen in Form von Zeitschriften und juristischen Datenbanken, die in ihrer wissenschaftlichen Belastbarkeit aber keinesfalls überschätzt werden dürfen, spricht indessen dafür. Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zu zentralen Ansatz- und Bewertungsvorschriften wie §§ 246, 249, 253, 255 HGB ist kaum bekannt geworden.153 Und die wenigen Urteile, die zu finden sind, zitieren meist bilanzrechtliche Normen nur deshalb, weil bilanzrechtliche Fragen zwar berührt, für die Entscheidung des jeweiligen Falles aber nicht zentral sind.154 Anders verhält es sich, wenn die Rechtsprechung der Finanzgerichte ebenfalls berücksichtigt wird. Hier gibt es zum Teil eine wahre Flut von Gerichtsentscheidungen. Auch die juristischen Kommentare zum HGB-Bilanzrecht rezipieren fast ausschließlich finanzgerichtliche Rechtsprechung. b) Erklärungsversuche Begibt man sich auf die Suche nach Antworten auf die Frage, woher diese Diskrepanz zwischen Finanzgerichten und ordentlichen Gerichten in der Häufigkeit ihrer Befassung mit dem Bilanzrecht rührt, finden sich in der Literatur wiederum keine entsprechenden Analysen. Dennoch hat sie ihre 152  Oben

sub B.II. auch Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 490 in Fn. 56. 154  Exemplarisch BGH, Urteil v. 27.09.2011, Az, II ZR 279 / 09, NZG 2011, 1420 (betrifft § 272 HGB); Urteil v. 19.06.1995, Az. II ZR 58 / 94, NJW 1995, 3115, 3116 (betrifft § 255). 153  So

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Ursachen und ist keine rein zufällige Entwicklung. Dass Finanzgerichte überhaupt zu Vorschriften des Handelsgesetzbuches judizieren, ist auf das Maßgeblichkeitsprinzip gem. § 5 EStG zurückzuführen; disparate Rechtsbehelf, Klagemöglichkeiten und Klagemotive zeitigen den zahlenmäßigen Unterscheid. aa) Prinzip der Maßgeblichkeit gem. § 5 EStG Die Beschäftigung der Finanzgerichtsbarkeit mit dem HGB-Bilanzrecht überhaupt geht zurück auf die materielle Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gem. § 5 EStG. Sie ist historisch gewachsen. Ursprünglich war mit ihr zum einen ein Vereinfachungseffekt intendiert, sollte sie doch ermöglichen, dass eine Einheitsbilanz sowohl für handelsrechtliche als auch für steuerrechtliche Zwecke aufgestellt wird.155 Zum anderen sollte sie verhindern, dass sich die steuerrechtlichen Entwicklungen vom Handelsbilanzrecht abkoppeln und das Bilanzrecht „zum Tummelplatz der Fiskalisten entartet.“156 Beides hat sich indessen nicht als erfolgreich erwiesen: Von Beginn an hat das Maßgeblichkeitsprinzip Durchbrechungen erfahren157, heute ist aufgrund zahlreicher gesetzlich vorgesehener Abweichungen mit der Einheitsbilanz kaum noch ein Vereinfachungseffekt zu erreichen158 und das Handelsbilanzrecht durchzogen von steuerrechtlichen Wertungen.159 Auch wenn die Handelsbilanz für die Steuerbilanz noch immer maßgeblich ist, folgen beide doch unterschiedlichen Zwecken und driften insofern auseinander. Selbst der Bundesfinanzhof hat dies kürzlich in völliger Klarheit herausgestellt, indem er von einer originär steuerrechtlichen Auslegung des § 255 HGB spricht.160 Auch die Interessen der jeweiligen Verfahrensbeteiligten stehen sich diametral gegenüber: Im Handelsrecht will sich der Kaufmann in aller Regel reichrechnen, im Steuerrecht will er sich armrechnen.161 Darüber hinaus erfasst der Maßgeblichkeitsgrundsatz lediglich die Wertansätze in der Handelsbilanz; zahlreiche andere handelsrechtliche Vorgaben, insbesondere zu Ausweisfragen, bleiben auch den Finanzgerichten insofern vorenthalten. Das erklärt auch, weshalb etwa zu § 285 HGB keine finanzgerichtlichen Entscheidungen vorliegen. 155  Meyer, in: Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit, S. 147, 152 ff.; auch Köhrle, IFRS-Einzelabschluss, S. 86; Schülke, DStR 2012, 45, 49. 156  Thiel / Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht, § 4 Rn. 306. 157  Meyer, in: Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit, S. 147, 155 ff.; ebenso Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 242 Rn. 4. 158  Haller / Ferstl / Löffelmann, DB 2011, 885. 159  Schülke, DStR 2012, 45, 49. 160  BFH, Urteil v. 20.7.2010, IX R 4 / 10, DStRE 2010, 1435. 161  Schülke, DStR 2012, 45, 49.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur213

bb) Rechtsbehelfe Auf der anderen Seite wird auch eine gewisse Rolle spielen, welche Rechtsbehelfe die Rechtsordnung zur Verfügung stellt, um bilanzrechtliche Fragen gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Steuerrecht kann in der Tat jede Festsetzung durch die Finanzverwaltung gerichtlich angegriffen werden, im Handelsrecht dagegen nur der Jahresabschluss als Ganzes. Klagebefugt sind gem. §§ 256 Abs. 7 S. 1, 249 AktG Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat. Erforderlich ist nach ganz überwiegender Ansicht aber, dass sich der Bilanzierungsfehler wesentlich auf die Bilanzdarstellung auswirkt162 und er zudem bei der Aufstellung der Bilanz auch erkennbar war.163 Beides reduziert die Kalkulierbarkeit der Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Überprüfung. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird es zu derartigen Klagen schon deshalb nicht kommen, weil es Aufgabe des Wirtschafsprüfers ist, Ungereimtheiten im Vorfeld mit dem Aufsichtsrat zu erörtern. Zudem haben Aktionäre potenziell gleichlaufende Interessen mit denjenigen, die den Jahresabschluss aufstellen und feststellen, also Vorstand und Aufsichtsrat, nämlich einen eher zu hohen als zu niedrigen Gewinnausweis.164 Besteht gleichwohl Anlass zur Annahme, dass eine nicht unwesentliche Unterbewertung vorliegt, kann zwar auf Antrag der Aktionäre ein Sonderprüfer durch das Gericht bestellt werden.165 Doch führt das in der Regel nicht zu höheren Ausschüttungen, weil der hierzu erforderliche Beschluss der Hauptversammlung nicht unbedingt erwartet werden kann, was den wirtschaftlichen Anreiz zur Antragsstellung gem. § 258 AktG entfallen lässt.166 Das Verfahren nach §§ 258 ff. AktG spielt praktisch deshalb keine große Rolle.167 Ob die Herabsetzung des erforder­ 162  OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 18.3.2008, Az. 5 U 171 / 06, NZG 2008, 429, 431; OLG München, Beschluss vom 07.01.2008, Az. 7 U 3773 / 07, BeckRS 2008, 04119; Hüffer, in: MK-AktG, § 256 Rn. 56; Rölike, in: Spindler / Stilz, § 256 Rn. 64; Schwab, in: Schmidt / Lutter, § 256 Rn. 15; a. A. mit beachtlichen Argumenten Heidel, in: Heidel, § 256 Rn. 35a ff. 163  Hüffer, AktG, § 256 Rn. 25; Rölike, in: Spindler  /  Stilz, § 256 Rn. 65; a. A. Schwab, in: Schmidt / Lutter, § 256 Rn. 20 mit der Begründung, subjektive Anforderungen ließen sich der Norm nicht entnehmen. Die subjektiven Voraussetzungen ergeben sich in der Tat wohl eher aus der Tatsache, dass im Bilanzrecht nach herrschender Meinung der sogenannte subjektive Fehlbegriff gilt, dazu BFH, Urteil v. 23.1.2008, Az. I R 40 / 07, DStR 2008, 1180, 1181; Grottel / Schubert, in: BeckBilKomm, § 253 Rn. 805; Küting / Ranker, WPg 2005, 1, 2  ff.; Merkt, in: Baumbach / Hopt, §  245 Rn.  4. 164  Mattheus / Schwab, BB 2004, 1099, 1101; Mock, DB 2004, 987, 989; Rölike, in: Spindler / Stilz, § 256 Rn. 2. 165  § 258 Abs. 1 S. 1 AktG. 166  Hüffer, in: MK-AktG, § 258 Rn. 9. 167  Adler / Düring / Schmaltz, § 258 AktG Rn. 7 zur tatsächlichen Entwicklung bis 1995; der Befund hat sich aber nicht entscheidend verändert, siehe Hüffer, in:

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

lichen Quorums durch das UMAG168 daran etwas zu ändern vermag, scheint insofern zweifelhaft.169 Deshalb lässt sich zwar festhalten, dass im HGB-Bilanzrecht weniger Rechtsbehelfe gegen fehlerhafte Jahresabschlüsse gegeben sind als im Steuerrecht. Doch würden mehr Rechte wohl kaum zu mehr Verfahren führen, weil konfligierende Interessen – jedenfalls im Hinblick auf Bewertungsfragen – eher selten sind. Das ändert sich erst, wenn wegen zu hoher Bewertung die Gesellschaft in die Krise gerät. Dann ist es aber aus den genannten Gründen oft zu spät. Genau dies soll der Wirtschaftsprüfer verhindern. cc) Vertrauen der Rechtsprechung in den Wirtschaftsprüfer in anderen Fällen Insbesondere im Bereich der Unternehmensbewertung, die wie dargestellt regelmäßig im Spruchverfahren nach dem SpruchG überprüft werden kann, gibt es dennoch Möglichkeiten, Rechtsfragen im Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfer gerichtlich überprüfen zu können. Doch zeigt sich hier, dass die Gerichte regelmäßig keine eigene inhaltliche Prüfung vornehmen, sondern sich auf das Urteil von Sachverständigen – in der Regel also von Wirtschaftsprüfern – verlassen.170 c) Fazit Wird der vorstehende Befund trotz der fehlenden empirischen Erkennt­ nisse als zutreffend oder zumindest eine zutreffende Tendenz darstellend MK-AktG, § 258 Rn. 9; Euler / Wirth, in: Spindler / Stilz, § 258 Rn. 4; Waclawik, in: Hölters, § 258 Rn. 4. 168  UMAG vom 22.9.2005, BGBl. I S. 2802. 169  Positivere Einschätzung aber von Euler / Wirth, in: Spindler  /  Stilz, § 258 Rn. 4. 170  Exemplarisch OLG Dresden: Urteil vom 30.06.2011 – 8 U 1215 / 09, BeckRS 2012, 10929, unter II.4.2.a)bb)(2)(b)(aa): „Der Sachverständige konnte weder eine prüferische Auseinandersetzung mit den Gutachten noch mit der Qualifikation dieses Gutachters feststellen. Beides ist aber nach Wertung des Sachverständigen T., die sich der Senat zu Eigen macht, zwingend erforderlich. Der Beklagte konnte sich insbesondere nicht damit begnügen, auf die öffentliche Bestellung und Vereidigung des Sachverständigen zu verweisen. Der Sachverständige T. konnte in den Prüfungsunterlagen nichts dafür finden, dass der Beklagte die Plausibilität dieser Gutachten geprüft hätte. Dies musste er aber nach Einschätzung des Sachverständigen nach dem Prüfstandard IDW PS 322 („Verwertung der Arbeit von Sachverständigen“) tun, denn der Wirtschaftsprüfer muss zumindest in wesentlichen Schritten beurteilen können, ob die Arbeit des Sachverständigen, auf dessen Begutachtung er zurückgreift, sachgerecht und schlüssig ist.“



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur215

akzeptiert, so spricht er für den Erfolg der Einschaltung eines gesetzlichen Abschlussprüfers. Das Funktionieren der Abschlussprüfung im Sinne einer Entlastung der Gerichte bewirkt also – anders gewendet – gleichzeitig, dass durch die Abschlussprüfung entsprechende Rechtsprechung verhindert wird. 3. Verifikationsfunktion als Ursache für ein Defizit richterrechtlicher Normbildung Verhindert das Einschalten eines Verifikateurs, dass Gerichte in den Arbeitsfeldern des Wirtschaftsprüfers Recht sprechen können, so gehen damit notwendigerweise auch die anderen Funktionen verloren, die die Rechtsprechung für die Rechtsordnung erbringt. Das betrifft insbesondere die Funk­ tion der Normbildung. Unter dem Gesichtspunkt der Fortentwicklung des Rechts wird dies zum Problem. Felix Maultzsch171 hat in seiner Habilita­ tionsschrift erst kürzlich aus zivilprozessualer Perspektive herausgearbeitet, dass dem Zivilprozess nicht nur die Aufgabe zukommt, den streitigen Einzelfall zu schlichten, sondern auch Normbildung172 durch Rechtsprechung zu ermöglichen.173 Das gilt umso stärker, je offener die anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften formuliert sind. Hier sorgt in der Regel erst jahrelange Rechtsprechung für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit.174 Das Einschalten eines Wirtschaftsprüfers in der Funktion des Verifikateurs verhindert, dass es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen in jenen Fragen kommt, für die er zuständig ist. Spiegelbildlich fehlt dem Wirtschaftsprüfer die Konkretisierungsleistung der Rechtsprechung, wenn er die Vereinbarkeit von Unternehmensunterlagen und Unternehmensdaten mit dem Gesetz prüft. Das unterstreicht die praktische Relevanz von IDW-Standards, die Konkretisierungsmöglichkeiten formulieren, für die Arbeit der Wirtschaftsprüfer. Diese Argumentation soll nun plausibilisiert werden, indem die rechtliche und tatsächliche Bedeutung von Präjudizien im deutschen Recht analysiert wird. 171  Maultzsch,

Streitentscheidung und Normbildung, passim. Normbegriff ist in der Literatur höchst umstritten, näher dazu knapp Bachmann, Private Ordnung. S. 21, der deshalb den Begriff der Regel bevorzugt. Dieser Begriff wurde hier bisher aber bereits für zwei verschiedene Phänomene verwendet: Zum einen als Synonym für Verlautbarungen, für Produkte eines private ordering. Zum anderen als Beschreibung einer Modalstruktur von Rechtsnormen oder Erzeugnissen privater Regelsetzung. Trotz der Unschärfe des Normbegriffes wird deshalb der Beitrag der Rechtsprechung zur Weiterentwicklung und Konkretisierung des Rechts durch Präjudizien als Normbildung bezeichnet. 173  Zur Rechtsfortbildung als Prozesszweck monografisch bereits Lames, Rechtsfortbildung als Prozesszweck, passim. 174  Ohly, AcP 201 (2001), 1, 16 ff. 172  Der

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

a) Richterliche Rechtsfindung als Methodenproblem Das Spannungsverhältnis von Rechtsanwendung und Normbildung ist weit und immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen.175 Es ist in ähnlicher Weise wie das Verhältnis von Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen aufgrund der Vielfalt möglicher Perspektiven auf das Phänomen Richterrecht und der unzähligen thematischen Anknüpfungspunkte von einer „thematischen Totalität“,176 die es unübersichtlich und strukturlos macht. Gleichzeitig ist es aber auch ein Thema, das die Praxis tagtäglich beschäftigt. Einigkeit besteht wohl noch insoweit, dass Rechtsprechung für die Fortentwicklung der Rechtsordnung von erheblicher Bedeutung ist.177 Welche Natur diese Bedeutung allerdings hat, ist schon offen.178 „Fassen Gerichte Beschlüsse oder fällen sie Urteile, so erzeugen sie Recht“.179 Folgt man dieser Feststellung konsequent, so wird Normbildung zum reinen Kompetenzproblem.180 Jeder Rechtsanwendungsvorgang ist dann zugleich Rechtserzeugungsvorgang, offen ist allein, ob dem Rechtsanwender auch die Befugnis durch die Rechtsordnung verliehen ist, über den einzelnen Anwendungsvorgang hinaus rechtsgestaltend tätig zu sein.181 Unbedeutend bleibt in diesem Verständnis auch, ob das gefundene Ergebnis material fundiert, also vor dem Hintergrund des geschriebenen materiellen Rechts inhaltlich überzeugend ist.182 Rechtsdogmatik verliert hier – auf die Spitze getrieben – 175  Siehe nur die Nachweise bei Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 570. Zur Geschichte richterlicher Rechtsfortbildung in Deutschland Heusinger, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung, S. 53 ff., Hillgruber, JZ 2008, 745 ff. und Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 34 ff. 176  Bumke, Einführung, S. 1, 4. 177  Etwa Larenz, Methodenlehre, S. 429; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, § 100 Rn. 50; E. Picker, JZ 1988, 62, 73 f.; aus der Rechtsprechung grundlegend der „Soraya“-Beschluss des BVerfG, Beschluss v. 14.2.1973, Az. 1 BvR 112 / 65, NJW 1973, 1221, 1225; ferner Beschluss v. 15.1.2009, Az. 2 BvR 2044 / 07, NJW 2009, 1469, 1472: „Es gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, im Rahmen der Gesetze von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgestellte Rechtssätze zu überprüfen und sie, wenn erforderlich, weiterzuentwickeln.“ 178  Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 572; Rüthers / Fischer, § 23 Rn. 823. 179  Bumke, Verfassungsrechtliche Grenzen fachrichterlicher Rechtserzeugung, S. 33. 180  Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S.  49, 65; Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 572. 181  Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 572. 182  Ablehnend gegenüber einer allein auf Kompetenzkriterien abstellenden Perspektive des Richterrechts deshalb etwa E. Picker, Richterrecht und Rechtsdogmatik, S. 85, 118.



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur217

ihre Funktion als Bezugspunkt für die richterliche Entscheidung.183 Das Gesetz wird erst zum Recht durch den Richter.184 Gelöst sind indessen die schwierigen Fragen nach der Abgrenzbarkeit von Rechtserzeugung und Rechtsanwendung. Die Methodenlehre muss hier weniger als ein Mittel zur Rechtsfindung für den Richter verstanden werden; vielmehr wird der Richter zu einem wesentlichen Element dieser Methodenlehre. Dieser Problemkreis – der oben bereits im Zusammenhang mit der Bedeutung von Rechtsquellen angeklungen ist – sorgt noch immer für kontroverse Diskussionen.185 Aus der Perspektive der Methodenlehre und auch des Verfassungsrechts geht es dabei um die Zulässigkeit von Normbildung durch die Gerichte. Gesucht wird die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung, und zwar sowohl die Obergrenze als auch die Untergrenze.186 Die Obergrenze betrifft die Vereinbarkeit der richterlichen Normbildung mit dem Gewaltenteilungsprinzip und der Bindung des Richters an Recht und Gesetz. Die Untergrenze wird markiert durch den sogenannten Justizgewährungsanspruch.187 Dabei hat der Rechtssuchende nicht nur Anspruch auf eine formal korrekte Entscheidung, sondern auch auf eine sachgerechte Entscheidung, und zwar selbst dann, wenn diese sich nicht durch schlichte Subsumtion aus dem Gesetz ableiten lässt.188 Ganz unabhängig von der andauernden Diskussion um das „Wie“ einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung besteht folglich eine Pflicht der Gerichte, dort normbildend tätig zu werden, wo es die Vagheit des Gesetzes erfordert.

183  E.

Picker, Richterrecht und Rechtsdogmatik, S. 85, 91. Picker, Richterrecht und Rechtsdogmatik, S. 85, 95. 185  Sie reicht sogar bis in die Tagespresse hinein, siehe nur die Beiträge von Hirsch, FAZ v. 30.4.2007; Rüthers, FAZ v. 27.12.2006, C. Möllers, FAZ v. 26.10.2006. Zum ganzen Hillgruber, JZ 2008, 745 ff. 186  Treffend Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 6. 187  BVerfG, Urteil vom 11.06.1980, Az. 1 PBvU 1  / 79, NJW 1981, 39 ff.; Beschluss v. 18.11.1980, Az. 1 BvR 194 / 78, NJW 1981, 446; Beschluss v. 30.4.2003, Az. 1 PBvU 1 / 02, BVerfGE 107, 395, 406 f. 188  BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991, Az. 1 BvR 779  /  85, NJW 1991, 2549, 2550: „Die Gerichte müssen bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind. Das gilt auch dort, wo eine gesetzliche Regelung, etwa wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht, notwendig wäre“; Jachmann, in: Maunz / Durig, Art.  95 Rn. 14; Lames, Rechtsfortbildung als Prozesszweck, S. 4 f.; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 90 f. 184  E.

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

b) Richterliche Normbildung als gesetzlicher Auftrag Jeder dieser Normbildungsanlässe geht dabei grundsätzlich von einem Einzelfall aus: Der Richter entscheidet nur einen konkreten Fall, sein Urteil hat rechtlich keine präjudizierende Wirkung. Das gebietet die richterliche Unabhängigkeit jedes einzelnen Richters. Das deutsche Recht kennt deshalb im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Rechtskreis grundsätzlich keine Bindung an Präjudizien.189 Auch die Rechtskraft des Urteils wirkt grundsätzlich nur inter partes und bindet ein neu angerufenes Gericht nur dann, wenn es in einem späteren Verfahren um dieselbe Rechtsfolge geht.190 Gleichwohl haben auch deutsche Gerichte eine normbildende Funktion. Rechtsvergleichend ist insofern festgestellt worden, die Unterschiede zwischen normativer Bindungswirkung im anglo-amerikanischen Rechtskreis und einer feststellbaren faktischen Bindungswirkung in Deutschland würden „nicht mehr als kategorial, sondern nur noch als graduell erscheinen.“191 Den Grund hierfür liefert heute in aller Deutlichkeit die Prozessordnung.192 Als Revisionsgrund nennt § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO unter anderem die Situation, dass „die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.“ Mit der Revisionsmöglichkeit werden daher auch Allgemeininteressen der Rechtseinheitlichkeit und Rechtsfortbildung verfolgt und somit zum Ziel der Rechtsprechung erhoben.193 Diese Stoßrichtung haben auch die Vorlagemöglichkeiten der in letzter Instanz entscheidenden Gerichte.194 Der 1935 unter den Nationalsozialisten eingeführte § 137 GVG, dem im Wesentlichen unverändert der heutige § 132 Abs. 4 GVG entspricht,195 sollte das Reichsgericht von Bindungen an frühere Rechtszustände befreien und ihm die Fortbildung des Rechts und die Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur effektiveren Verfolgung politischer Ziele im Recht ermöglichen.196 Geblieben ist unter der Geltung des Grundgesetzes eine Möglichkeit, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten und ihr eine „gewisse Bewe189  Gottwald,

in: MK-ZPO, § 322 Rn. 23. in: MK-ZPO, § 322 Rn. 1. 191  Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 33; zuvor schon gleichsinnig Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 245. 192  Heusinger, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung, S. 74 ff. 193  Jachmann, in: Maunz  /  Durig, Art. 95 Rn. 15; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 91 f. 194  §§ 132 GVG, 45 ArbGG, 11, VwGO, 41 SGG, 11 FGO. 195  Zimmermann, in: MK-ZPO, § 123 GVG Rn. 21. 196  Ausführlich Hillgruber, JZ 2008, 745, 749 f.; Jungmann, JZ 2009, 380, 381; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung, S. 76 ff. 190  Gottwald,



B. Der Wirtschaftsprüfer als Verifikateur219

gungsfreiheit zur Rechtsfortbildung“ zu verschaffen.197 Die nahezu flächendeckende Veröffentlichung von gerichtlichen Entscheidungen verstärkt diese Möglichkeit ebenso wie die – gerichtlich anerkannte – Pflicht von Rechtsanwälten, jedenfalls höchstrichterliche Rechtsprechung zu kennen und zu berücksichtigen.198 Relativiert wird dieser Befund allerdings durch verfahrensrechtliche Möglichkeiten, Streitigkeiten etwa im Wege des Vergleiches, mit Hilfe von Mediatoren oder Schiedsgerichten beizulegen. Auf diesen Wegen getroffene Vereinbarungen und Entscheidungen werden nicht veröffentlicht, weshalb sie zur Normbildung nichts beitragen können. Aufzuheben vermögen sie die Normbildungsfunktion jedoch nicht. Richterliche Normbildung hat damit heute ein dreifaches gesetzliches Fundament. Eine Pflicht zur richterlichen Normbildung ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich abgestützten Rechtsverweigerungsverbot. Erfolgt die Normbildung uneinheitlich, gibt dies dem einzelnen Betroffenen einen Revisionsgrund. Mit der Revision soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung hergestellt werden können. Schließlich können einzelne Senate des BGH den Großen Senat anrufen, um eine einheitliche Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung zu gewährleisten. c) Schlussfolgerungen Diese Normbildungsfunktion der Rechtsprechung – das ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen – wird faktisch auf den Wirtschaftsprüfer als Verifikateur verlagert. Er ist als privater Sachverständiger derjenige, der in seinen gesetzlich beschriebenen Aufgabenfeldern ein unverzichtbares Sonderwissen entwickelt und mitbringt. Mit diesem Wissen steht er aber in aller Regel nicht einem Gericht beratend zur Seite, sondern er bringt es selbst gegenüber seinen privaten Auftraggebern in Form einer Prüfungsdienstleistung zur Anwendung. Mittels dieses Sonderwissens entscheidet und zertifiziert er teilweise unternehmensintern, teilweise öffentlich, ob gesetzliche Vorgaben eingehalten wurden oder nicht. Sofern hierüber Streitigkeiten zwischen dem Unternehmen und dem Wirtschaftsprüfer entstehen, können diese in einem Haftungsprozess entschieden werden. Diese sind jedoch vergleichsweise selten und tragen ihrerseits wenig zur Normbildung in den Arbeitsfeldern des Wirtschaftsprüfers bei. Praktisch hat aber, soweit ersichtlich, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit IDW-Standards durch Gerichte in Fällen der Abschlussprüferhaftung nicht stattgefunden.199 Die 197  Heusinger,

Rechtsfindung und Rechtsfortbildung, S. 78 f. Methodenlehre, S. 430. 199  OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.11.1998, Az. 8 U 59 / 98, NZG 1999, 901; OLG Köln, Urteil v. 24.02.2011, Az. 8 U 29 / 10, BeckRS 2012, 03409; OLG Köln, Urteil 198  Larenz,

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

Normbildung findet stattdessen in der Arbeitspraxis der Wirtschaftsprüfer ihren Niederschlag. Die Arbeitspraxis der Wirtschaftsprüfer wird durch das IDW institutionalisiert. Die historischen Gründe hierfür sind nunmehr – insbesondere im 1. Kapitel – ausführlich dargelegt worden.

C. IDW-Standards als (unvollständiges) Substitut für fehlende richterliche Normbildung I. Verifikationsfunktion als Normbildungsfunktion200 Im letzten Abschnitt dieses Kapitels, das sich bisher mit der Wirkung von IDW-Standards befasst hat, sollen nun einige der bisher gewonnenen Erkenntnisse zusammengetragen und unter dem Aspekt beleuchtet werden, ob aus der dargestellten Wirkungsweise Rückschlüsse auf die Geltung von IDW-Standards möglich sind. Gleichsam als Antithese zu den Ergebnissen der vorstehenden Kapitel, wonach IDW-Standards weder eine originäre noch eine derivative normative Wirkung zukommt, wird nunmehr ein Vergleich mit der zuvor behandelten Thematik der Normsetzungsfunktion von Gerichten gewagt. Zum einen ist die funktionale Vergleichbarkeit von IDWStandards und Präjudizien im Hinblick auf die Normbildung zu beurteilen. Da Präjudizien eine gewisse normbildende Funktion haben, kommt ihnen eine besondere Art von Bindungswirkung zu, die häufig als faktische Bindungswirkung bezeichnet wird. In einem nächsten Schritt ist sodann zu betrachten, wie sich der Gesetzgeber zu der privaten Normsetzungsinitiative des IDW verhält. Zusammengenommen ergibt sich dann das Bild eines privaten Normbildungsgremiums, dessen Standards im Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfer eine Art funktionales Äquivalent zur Normbildungsfunktion darstellen, die sonst Präjudizien zugeschrieben wird. Als ein normatives Äquivalent können sie gleichwohl nicht verstanden werden. v. 23.09.2010, Az. 8 U 2 / 10, BeckRS 2012, 09817; das liegt wohl auch dem Befund von Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 172 zugrunde: „Die in Haftungsfragen entscheidenden Gerichte lassen diese Differenzierung zwischen maßgeblicher Rechtsnorm und Auslegungshilfe allerdings häufig nicht erkennen.“; auch die Kommentarliteratur zitiert kaum Urteile, wenn es um die haftungsrechtliche Relevanz von IDW-Standards geht, vgl. Ebke, in: MK-HGB, § 323 Rn. 31. 200  Die Verwendung des Begriffes „Norm“ ist nicht unproblematisch. Er ist in der Literatur hoch umstritten, knapp Bachmann, Private Ordnung, S. 21. Hier wurde er gleichwohl für die Bezeichnung des Beitrags der Rechtsprechung zur Konkretisierung und Fortentwicklung des Rechts verwendet, s. oben sub. B.IV.3. Wenn hier nun die These untersucht wird, ob IDW-Standards diese Funktion der Rechtsprechung substituieren, erscheint es für diese Untersuchung gerechtfertigt, auch die Konkretisierungsleistung IDW-Standards als Normbildungsfunktion zu bezeichnen.



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung221

II. Ähnliche Funktionen von Präjudizien und IDW-Standards 1. Konkretisierungsleistung Die Verwendung von Rechtsnormen in der Form von offen oder vage gehaltenen Standards als gesetzgeberisches Regulierungsinstrument verlangt nach einer Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale – oder auch der Rechtsfolgen – im Einzelfall. Sie bilden den „funktionalen Kontrapunkt“201 zur möglichen Ausgestaltung von Rechtsnormen in der Regelform, die vorliegt, wenn, wie schon erwähnt, eine Norm eine hohe formale Realisierbarkeit aufweist. Diese Terminologie – formale Realisierbarkeit – geht zurück auf Rudolph von Jhering, der damit „die Leichtigkeit und Sicherheit der Anwendung des abstrakten Rechts auf die konkreten Fälle“ meint und bemisst.202 Standards weisen in diesem Sinne eine geringe, Regeln eine hohe formale Realisierbarkeit auf. Ob sich die eine oder andere Form als Regulierungsinstrument anbietet, richtet sich in erster Linie nach der Verfügbarkeit von historischem Erfahrungswissen.203 Standards bedürfen zu ihrer verlässlichen Handhabung langfristig einer dauerhaften praktischen Übung und diese wiederum muss als Wissen gespeichert und den Rechtsunterworfenen zur Verfügung gestellt werden. Diese Aufgaben der Normkonkretisierung übernehmen dort, wo es Rechtsprechung gibt, unabhängig von der Frage nach ihrer normativen Wirkung – auf die sogleich noch zu sprechen kommen wird – gerichtliche Präjudizien.204 Deutlich zeigt dies schon der Umstand, dass die Veröffentlichung von Urteilen und die damit verbundene Publizitätswirkung im Falle von Fehlurteilen als Risiko für die Einheitlichkeit und damit als Gefahr für das Vertrauen in die Rechtsprechung beurteilt wird:205 Veröffentlichte Gerichtsurteile konservieren eine Rechtsauffassung. Wenn oben bereits festgestellt wurde, dass Rechtsnormen auch die Funktion eines Wissensspeichers innehaben, so gilt dies im Falle der Standardform jedoch nur in ihrem Zusammenspiel mit Präjudizien. Eine vergleichbare Funktion erfüllen auch die IDW-Standards. Eine Standardisierungsfunktion wird privat gesetzten Regelungen allgemein als ty201  Binder,

Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 191. Jhering, Der Geist des römischen Rechts, S. 51. 203  Überzeugend Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 192 f. und S. 302 ff., insbesondere S. 310. 204  Exemplarisch Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 161; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 501 ff.; Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49, 65; Ohly, AcP 201 (2001), 1, 16 ff.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 1. 205  BGH, Beschluss v. 31.10.2002, Az. V ZR 100 / 02, NJW 2003, 754, 755; Ball, in: Musielak, § 543 Rn. 8d. 202  von

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

pisch zugeschrieben, im Falle von IDW-Standards konnte sie als die am stärksten hervortretende Funktion eruiert werden.206 Lässt man einmal die Frage nach ihrer normativen Geltung beiseite, war auch eine Lückenfüllungs- und Konkretisierungsfunktion feststellbar. Diese Funktionen verstärken sich in ihrer Bedeutung durch die Rolle des Wirtschaftsprüfers als Verifikateur, wie sie hier herausgearbeitet wurde. Denn sie konservieren die geübte Praxis und die so gewonnenen Erfahrungen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer. Damit treten sie, was die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe in den rechtlich determinierten Arbeitsfeldern des Wirtschaftsprüfers anbelangt, funktional an die Stelle von Präjudizien, die aus den beschriebenen Gründen hier nur selten zu finden sind. 2. Rechtlicher Auftrag zur Vereinheitlichung der Standardisierungsleistung als weitere Gemeinsamkeit Das Prozessrecht formuliert an mehreren zentralen Stellen den Anspruch, die Standardisierungsleistung durch Präjudizien solle zugleich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewährleisten. Das wurde oben ausgeführt.207 Präjudizien binden andere Gerichte nicht, abweichende Entscheidungen sollen trotzdem vermieden werden. Auch die IDW-Standards dienen dem Ziel, die Einheitlichkeit der Berufsausübung zu gewährleisten. Das war einer der Gründe, warum das IDW gegründet wurde und sukzessive alle anderen berufsständischen Organisa­ tionen ablöste.208 Heute nennt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich die Einheitlichkeit der Berufsausübung als sein Regelungsziel. Zahlreiche Vorschriften der Wirtschaftsprüferordnung und der Wirtschaftsprüfersatzung lassen diesen Telos aber erkennen. So wäre die Publizität des Bestätigungsvermerkes nach § 325 Abs. 1 S. 2 HGB wertlos, würde er nicht stets unter gleichen Bedingungen erteilt.209 Das gilt auch für die Pflicht des Wirtschaftsprüfers gem. § 48 Abs. 1 S. 1 WPO, bei Wahrnehmung von Vorbehaltsaufgaben ein Siegel zuführen. Denn die Wirtschaftsprüferordnung stellt an die Wahrnehmung von Vorbehaltsaufgaben besondere Anforderungen, deren Einhaltung mit dem Siegel signalisiert wird.210 Die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gem. § 43 Abs. 1 S. 1 WPO, die auch die Einhal206  Oben

Kapitel 3 D.VIII. sub B.IV.3.b). 208  Kapitel 1 A.I.2.; so auch Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 98. 209  In dieser Richtung auch die Begründung zu § 22a WP-Satzung; die Begründung ist zusammen mit der Satzung abgedruckt abrufbar unter www.wpk.de. 210  Schnepel, in: Hense / Ulrich, § 48 Rn. 3. 207  Oben



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung223

tung der fachlichen Regeln umfasst,211 zur Qualitätssicherung und zur Fortbildung sollen zumindest einen gewissen Mindeststandard bei der Berufsausübung gewährleisten.212

III. Bindungswirkung von Präjudizien Problematischer erscheint eine Vergleichbarkeit von IDW-Standards und Präjudizien unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Bindungswirkung. Es gilt daher zunächst zu beleuchten, woraus sich die angesprochene, literarisch attestierte faktische Bindungswirkung von Präjudizien herleiten lässt. So kann Klarheit darüber gewonnen werden, ob sich IDW-Standards und Präjudizien nicht nur hinsichtlich einer anekdotischen-empirisch feststellbaren Funktion ähnlich sind, sondern ob sich die Ähnlichkeit auch normativ abstützen lässt. Art. 97 Abs. 1 GG bestimmt, dass Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Daraus folgt unter anderem, dass ein Richter bei seiner Entscheidungsfindung grundsätzlich nicht an Urteile anderer Gerichte gebunden ist;213 eine Ausnahme stellt insofern § 32 BVerfGG dar. Dass Präjudizien gleichwohl im deutschen Recht eine erhebliche Rolle spielen, ist oben bereits dargelegt worden. Noch nicht geklärt ist hingegen, welche Konsequenzen sich daraus für die Berücksichtigung von Präjudizien im Einzelfall ergeben. 1. Ansichten zur Präjudizienbindung in der Literatur Nach Karl Larenz sind Präjudizien Entscheidungen, in denen dieselbe Rechtsfrage, die gegenwärtig durch ein Gericht geklärt werden muss, bereits früher entschieden wurde. Präjudiziell sei dabei aber lediglich die vormals gefundene Antwort des Gerichts auf eben jene Rechtsfrage, nicht das Urteil selbst.214 Richterlich beantwortet ist also nur die Frage nach der konkreten Auslegung einer Rechtsnorm, ihrer Anwendung in einem bestimmten Fall. In dieser konkreten Fallkonstellation ist die gefundene Antwort damit für den entscheidenden Richter die einzig richtige.215 Ein anderer Richter darf aber nach der Auffassung von Larenz das Präjudiz nicht einfach „blind“ übernehmen, sondern muss sich selbst ein Bild davon machen, ob er die in 211  § 4

Abs. 1 WP-Satzung und bereits oben Kapitel 1 C.I.2. in: Hense / Ulrich, § 43 Rn. 31. 213  Gottwald, in: MK-ZPO, § 322 Rn. 23; Hillgruber, in: Maunz  / Dürig (67. EL 2013), Art. 94 Rn. 48 f. 214  Larenz, Methodenlehre, S. 429 f. 215  Larenz, Methodenlehre, S. 430. 212  Kühl,

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Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

ihm gefundene Auslegung und Konkretisierung des geltenden Rechts für überzeugend hält oder nicht.216 Angewendet auf den konkreten Entscheidungsvorgang des Richters lässt sich diese Auffassung so interpretieren, dass eine Auseinandersetzung mit Präjudizien wünschenswert und rechtstatsächlich häufig, aber nicht zwingend vorgesehen ist.217 Eine formale Bindung des Richters an Präjudizien lehnt auch Eduard Picker ab. Ohne das „innovatorische Element“218 ihres Beitrags zur Entwicklung der Rechtsordnung zu bestreiten, kommt er zu dem Fazit, Präjudizien hätten eine faktische, aber keine normative Bedeutung für die Rechtsgewinnung. Darin Larenz ähnlich folgert E. Picker, die Rechtsgemeinschaft könne Präjudizien folgen, wenn und solange sie von ihrer inhaltlichen Richtigkeit überzeugt sei.219 Ein fallübergreifender Geltungsgrund für einen Richterspruch sei deshalb stets nur „material“ und niemals „formal“.220 Zu einer deutlich weitergehenden Bindung der Gerichte an Präjudizien führt die von Wolfgang Fikentscher221 geprägte Fallnormtheorie. Immer dann, wenn sich Gerichte über die Wortsinn-Grenzen des Gesetzes hinausbewegten, sei es durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung, entstünden rechtlich bindende Präjudizien. So gesehen, kehrt sich das RegelAusnahme-Verhältnis dergestalt um, dass Präjudizien nur dann nicht bindend sind, wenn sie sich innerhalb der Wortlautgrenze eines Gesetzes halten.222 Dem steht die Auffassung Martin Krieles nahe, wonach Präjudizien „präsumtive Verbindlichkeit“ besäßen,223 sodass von ihnen nur dann abgewichen werden darf, wenn sich „gute Gründe“ dafür anführen ließen.224 Noch weiter geht Franz Bydlinski, wenn er verlangt, dass ein Präjudiz nachweislich falsch sein müsse, damit ein Richter von ihm abweichen darf.225 Nur soweit ernstliche Zweifel an ihrer Richtigkeit auftauchen, sei ein Richter verpflichtet, die Präjudizien zu überprüfen.226 216  Larenz,

Methodenlehre, S. 430. auch Fikentscher, Die Bedeutung von Präjudizien, S. 11, 18 und Diedrich, Präjudizien im Zivilrecht, S. 210. 218  E. Picker, JZ 1988, 62, 73. 219  E. Picker, JZ 1988, 62, 74. 220  So auch aus jüngerer Zeit E. Picker, Richterrecht und Rechtsdogmatik, S. 85, 118. 221  Fikentscher, Die Bedeutung von Präjudizien, S. 11, 19. 222  Diedrich, Präjudizien im Zivilrecht, S. 212. 223  Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 243. 224  Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 247. 225  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 511 f. 226  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 510. 217  So



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung225

Ob diese einzelnen Auffassungen tatsächlich – d. h. bei ihrer Anwendung im konkreten Fall – weit auseinanderliegen, erscheint zweifelhaft. Sowohl bei Larenz und E. Picker als auch bei Fikentscher, Bydlinski und Kriele hat der Richter die Aufgabe zu prüfen, ob ihn das gefundene Ergebnis eines früher mit der Rechtsfrage befassten Gerichts überzeugt. Larenz und E. Picker gehen davon aus, dass ein überzeugendes Urteil zu einer freiwilligen Beachtung durch den Richter führt. Fikentscher, Bydlinski und Kriele nehmen eine Befolgungspflicht an, wenn nach ihrer Meinung das Urteil nicht falsch ist oder ihm zumindest keine guten Gründe entgegenstehen. Dass aber ein Richter, der von einem Präjudiz inhaltlich überzeugt ist, es gleichwohl nicht befolgt, scheint ohnehin zweifelhaft. Andererseits steht nicht zu erwarten, dass ein Richter, der ein Urteil für nicht überzeugend hält, es doch für „nicht falsch“ erachtet und somit zu einer Befolgungspflicht im Sinne der zweiten dargestellten Meinung gelangt. Es steht deshalb vor allem in Frage, ob ein Richter sich mit den Präjudizien eines anderen Gerichts überhaupt befassen muss oder ob die richterliche Freiheit es ihm gestattet, sie zu ignorieren227 – so theoretisch dieser Fall auch erscheinen mag. Das vertreten aber auch ­Larenz und E. Picker nicht, sondern erkennen die große Bedeutung von Prä­ judizien praktisch an. Angesichts der gesetzlich verankerten Aufgabe der Gerichte, eine möglichst einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten, erscheint dies auch zwingend. 2. Erforderliches für den Richter zur Vermeidung einer Revision gem.  § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO Der Richter in einem Berufungsverfahren muss gem. § 543 Abs. 2 ZPO228 die Revision gegen das durch ihn ergangene Urteil zulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revi­ sionsgerichts erfordert. Möchte er die Revision nicht zulassen, darf er folglich von bestehenden Entscheidungen nicht abweichen. Als derartige Divergenzentscheidungen kommen nicht nur solche des BGH in Betracht, sondern Entscheidungen aller anderen höher- oder gleichrangigen deutschen Gerichte229 sowie – falls die Abweichung nicht schon ein Vorlageverfahren erforderlich macht – des EuGH.230 Folglich muss etwa der Amtsrichter prüfen, ob eine Entscheidung des BVerfG, eines Bundesgerichts, eines anderen Oberlandesgerichts, Landgerichts oder Amtsgerichts die gegenwärtig auch Fikentscher, Die Bedeutung von Präjudizien, S. 11, 18. Beschwerdesachen gilt der wortgleiche § 574 Abs. 2 ZPO. 229  BGH, Beschluss v. 1.10.2002, Az. XI ZR 71 / 02, NJW 2003, 65, 66; Ball, in: Musielak, § 543 Rn. 8; Prütting, in: GK-ZPO, § 543 Rn. 39; Reichold, in: Thomas / Putzo, §  543 Rn.  4b. 230  Prütting, in: GK-ZPO, § 543 Rn. 39. 227  So 228  In

226

Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

zu klärende Rechtsfrage bereits behandelt hat. Allerdings wird die Einschränkung gemacht, dass Abweichungen innerhalb der landgerichtlichen Spruchpraxis nicht ausreichten, weil die Abweichung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Ganzen betreffen müsse; das sei regelmäßig hier nicht der Fall, wenn höherwertige Streitgegenstände gleicher Art zu den OLG gelangen können und deshalb regelmäßig erwartet werden kann, dass die Abweichungen schon durch Berufungsurteile aufgelöst werden.231 Erst recht muss dies für amtsrichterliche Entscheidungen gelten. Auch in diesem Fall kommt ein Richter aber nicht umhin, eine Divergenzentscheidung zumindest zu beachten und sich mit ihr inhaltlich auseinander zu setzen. Dass es im Einzelfall dann trotzdem an den Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision fehlen kann, weil etwa das Urteil im Ergebnis trotz Verkennens höchstrichterlicher Rechtsprechung richtig ist232 oder das geplante Abweichen aus anderen Gründen nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Ganzen gefährdet,233 ändert daran nichts. 3. Schlussfolgerungen Das deutsche Recht kennt grundsätzlich keine normative Bindung der Rechtsprechung an Präjudizien. Teilweise wird gleichwohl angenommen, dass ein Richter nur im Ausnahmefall von ihnen abweichen darf. Unabhängig davon erfordert der Revisionsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass sich ein Richter mit den Entscheidungen anderer höher- oder gleichrangiger Gerichte auseinandersetzt. Denn er muss unter bestimmten Voraussetzungen die Revision gegen seine Entscheidung zulassen. Man kann insofern von einer Befassungsobliegenheit sprechen. Daraus ergibt sich eine Art umgekehrter Argumentationslast. Faktisch muss der Richter, den eine Divergenzentscheidung nicht überzeugt, argumentieren, weshalb seine Rechtsauffassung richtig ist und somit begründen, weshalb er von dem Präjudiz abweicht.

IV. Gesetzgeberisches Unterlassen und Überlassen der Standardbildung als rechtlich wirksamer Delegationsakt? Im vorstehenden Abschnitt wurden die Funktionen von IDW-Standards und Präjudizien vergleichen und der Meinungsstand zur Bindungswirkung 231  Kayser / Koch, in: HK-ZPO, §  543 Rn. 22; Krüger, in: MK-ZPO, § 543 Rn. 13; ähnlich Heßler, in: Zöller, § 543 Rn. 13. 232  BGH, Beschluss v. 18.3.2004, Az. V ZR 222 / 03, NJW 2004, 1960, 1961. 233  Zu diesen anderen Gründen ausführlicher Ball, in: Musielak, § 543 Rn. 8b ff.; Kayser / Koch, in: HK-ZPO, § 543 Rn. 27 ff.



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung227

von Präjudizien präsentiert. Demnach kennt das deutsche Recht keine normative Bindungswirkung von Präjudizien, das Zivilprozessrecht knüpft an ihr Vorliegen jedoch rechtliche Konsequenzen, insbesondere die Pflicht des Richters zur Zulassung der Revision. Der Grund für die Bedeutung von Präjudizien für das geschriebene Recht besteht darin, dass dieses standardförmige Formulierungen verwendet, die im Einzelfall der Konkretisierung bedürfen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Konkretisierungsaufgabe auch als Kompetenzproblem verstanden werden kann.234 Wenn also vergleichbare Funktionen von IDW-Standards und Präjudizien gefunden und die Bindung an Präjudizien eher als faktische beurteilt wurde, bleibt auch dieser Frage noch nachzugehen: Ob das Offenlassen einer Regelung im Gesetz als Regelungsauftrag nicht nur an die Rechtsprechung, sondern auch an ein privates Regelsetzungsgremium verstanden werden kann. Trotz der genannten Streitigkeiten in der Literatur, die die Rolle des Richters als Rechtsetzer und die rechtliche Relevanz von Präjudizien betreffen, kann festgestellt werden, dass der Judikative und damit der richterlichen Spruchpraxis als staatsorganisationsrechtliche Institution gegenüber privaten rechtsetzenden und rechtsvollziehenden Elementen eine herausgehobene Stellung zukommt. Denn Art. 92 GG weist die rechtsprechende Gewalt235 den Richtern zu, die sie sodann unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen auszuüben haben. Man kann daraus ohne weiteres die Kompetenz des Richters ableiten, alles Erforderliche tun zu dürfen und unter dem Gesichtspunkt des Rechtsverweigerungsverbotes auch tun zu müssen, um die Norm für den konkreten Einzelfall operationalisierbar zu machen.236 Die Verwendung einer Rechtsnorm in der Standardform und die Zuweisung des Vollzugs bzw. der Vollzugskontrolle an den Richter ist zugleich ein originär verfassungsrechtlicher Auftrag zur Normkonkretisierung im Einzelfall. Weniger unkompliziert nimmt es sich jedoch aus, wenn der Gesetzgeber sich nicht nur allgemein oder standardförmig gehaltener Regulierungsinstrumente bedient, sondern einzelne Fragen gar nicht geregelt hat. Man kann diese Situation als eine beschreiben, in der das Gesetz lückenhaft ist, wobei allerdings die Abgrenzung zwischen Gesetzeslücke und unbestimmtem Rechtsbegriff schwierig ist und in der Literatur zu einer Vielfalt an unterschiedlichen Meinungen dazu geführt hat, wie sie vorzunehmen sei.237 Das 234  Oben

sub. B.IV.3.a). Abs. 2 S. 2 GG. 236  Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49, 65. 237  Einführend in diese Problematik etwa Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  633 ff.; Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 23 Rn. 835. 235  Art. 20

228

Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

kann und muss hier nicht vertieft werden. Steht einmal fest, dass das Gesetzesrecht einen Sachverhalt tatsächlich nicht regelt und damit eine Gesetzeslücke vorliegt, stellt sich als nächstes die Frage, ob diese Lücke planwidrig ist oder ob sie vom Gesetzgeber beabsichtigt war.238 Im Falle einer beabsichtigten Regelungslücke kann auch von einem „beredten Schweigen“ des Gesetzes gesprochen werden.239 Ob auch hier die Rechtsprechung zur Lückenfüllung berufen ist, erscheint fraglich. Grundsätzlich wird man davon ausgehen müssen, dass ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers dem Richter eine Lückenfüllung verbietet.240 Das Feststellen oder das Fehlen eines beredten Schweigens freilich ist als Aufgabe leicht gestellt, doch weniger einfach bewältigt. Die wesentlichste – vielleicht die einzige – Quelle für den mit dieser Aufgabe Betrauten stellen die Gesetzesmaterialien dar, um den historischen Willen des Gesetzgebers als Auslegungsmethode für die Interpretation des Schweigens seines Produkts fruchtbar machen zu können.241 Was aber gilt, wenn der Gesetzgeber bestimmte Themenkreise gar nicht regelt und sie auch nicht der Rechtsprechung überlässt, sondern stattdessen ausdrücklich der Praxis? Und welche Folgen hat es schließlich, wenn diese Praxis sich letztlich nahezu ausschließlich selbst kontrolliert, indem die von ihr entwickelten und standardisierten Methoden mit dem Vollzugsmodell des privaten Sachverständigen als Verifikatuer zur Anwendung gebracht werden? 1. Gesetzesmaterialien Im Felde des Bilanzrechts hat der Gesetzgeber in der Begründung zum BilMoG 2009 – wie schon erwähnt242 – Auslegungs- und Konkretisierungsspielräume für die Abschlussprüfer implizit deutlich anerkannt. Deshalb ist es die entsprechende Passage der Begründung wert, hier zitiert zu werden. Im Allgemeinen Teil der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es zur Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie zunächst:243

238  Rüthers / Fischer, 239  Röhl / Röhl,

Rechtstheorie, § 23 Rn. 835. Allgemeine Rechtslehre, S. 633; Rüthers / Fischer, Rechtstheorie,

§ 23 Rn. 838. 240  Hillgruber, JZ 1996, 118, 120; Rüthers / Fischer, Rechtstheorie, § 23 Rn. 838. Nach BVerfG, Beschluss v. 30.03.1993, Az. 1 BvR 1045 / 89, NJW 1993 2861, 2863 bedarf die Rechtsfortbildung „praeter legem“ einer besonderen Begründung. 241  Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung, S. 49, 65 f. 242  Oben Kapitel 3 D.III. 243  BT-Drucks. 16 / 10067, S.  40.



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung229 „Aus deutscher Sicht bewegt sich der Umsetzungsbedarf, der aus der Abschlussprüferrichtlinie für das Bilanzrecht und das Recht der Abschlussprüfung resultiert, in einem überschaubaren Rahmen. Zum einen weist die Abschlussprüferrichtlinie, die von ihrem Regelungsbereich her breit angelegt ist, nur eine geringe Regelungs­ tiefe auf, verzichtet mithin auf allzu detaillierte Vorgaben. Zum anderen gehören die Inhalte verschiedenster Vorschriften der Abschlussprüferrichtlinie in Deutschland bereits seit geraumer Zeit zum Allgemeingut der Regulierung von Berufsstand und Abschlussprüfung.“

Dieses „Allgemeingut der Regulierung“ klammert jedoch die Prüfungsstandards und damit erforderliche textliche Verdichtung der Praxis weitgehend aus. Auch der Aufsicht durch die APAK sind sie aufgrund der defizitären Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie durch die WPO-Novelle von 2004 entzogen. Und der Gesetzgeber des BilMoG scheint daran nicht nur festhalten, sondern die Methoden der Wirtschaftsprüfer, soweit sie nicht demnächst in Form der ISA über § 317 Abs. 5 HGB zwingend vorgegeben sind, weiterhin dem Berufsstand überlassen zu wollen. So führt die Regierungsbegründung in aller Klarheit aus:244 „Abschlussprüfungsverfahren werden von der Verordnungsermächtigung nicht umfasst. Diese hat der Berufsstand, ebenso wie die Prüfungsmethodik, seit jeher unter Berücksichtigung der internationalen Prüfungsstandards selbst entwickelt, so dass eine Erstreckung der Verordnungsermächtigung hierauf nicht erforderlich ist.“

Auch im Zuge der Änderungen zur Berufsaufsicht im Jahre 2008 durch das Berufsaufsichtsreformgesetz (BARefG)245 hat der Gesetzgeber seine Erwartung an den Berufsstand und dessen Selbstregulierung hervorgehoben.246 „Der Berufsstand ist daher in diesem Zusammenhang aufgerufen, die untergesetzlichen Regelungen zur Qualitätskontrolle so zu fassen, dass insbesondere Inhalt, Umfang und Konsequenz der Überprüfung der Vergütungsgrundsätze deutlich werden; ggf. sind hierzu die Satzung für Qualitätskontrolle (§ 57c WPO) und der sog. Prüfungsstandard 140 (PS 140) zu erweitern.“

Für den Bereich der Unternehmensbewertung als wichtigem Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfer finden sich ebenfalls Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Fragen der Bewertungsmethodik der Praxis überlassen wollte. Die Regierungsbegründung zum UmwG von 1994 formuliert hierzu:247 „§ 30 übernimmt in Absatz 1 aus dem Umwandlungsgesetz die Regelung über die Angemessenheit einer Barabfindung. Entsprechende Vorschriften finden sich auch in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5, 6, § 375 Abs. 1 Satz 1 AktG. Weil es sich danach um einen allgemeinen Grundsatz für die Bemessung einer Barabfindung handelt, soll dieser in die allgemeinen Vorschriften über die Verschmelzung 244  BT-Drucks.

16 / 10067, S.  88. I S. 2178. 246  BT-Drucks. 16 / 2858, S.  28. 247  BT-Drucks. 12 / 6699, S.  94. 245  BGBl. 2007

230

Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

eingestellt werden. Allerdings soll nicht mehr wie im geltenden Recht die Berücksichtigung bestimmter Bewertungsmethoden vorgeschrieben werden. Dies hat sich nicht bewährt, weil die Berücksichtigung und die Gewichtung der verschiedenen Methoden je nach Natur und Gegenstand des Unternehmens verschieden sein kann.“

2. Pflichtenverkettung Neben diese, den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zuweisung an den Berufsstand tritt die ebenfalls bereits herausgearbeitete Pflichtenverkettung,248 also das Phänomen, dass die Pflicht zur Prüfung von Unternehmensunterlagen durch einen Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen faktisch keine andere Wahl lässt, als sich an IDW-Standards zu orientieren. Die in diesem Kapitel nochmals vertieft beleuchtete gesetzliche Pflicht von Gesellschaften, ihre Jahresabschlüsse, Unternehmensverträge, Gründungsvorgänge und Kapitalerhöhungsmaßnahmen extern prüfen zu lassen und die gleichzeitige Zuweisung dieser Aufgaben an den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer durch die Wirtschaftsprüferordnung erzeugt einen Befolgungsdruck, dessen Resultat über das Maß faktischer Relevanz, wie es sich regelmäßig aus der Akzeptanz von privat gesetzten Regelungen als sachnahe Standardisierungsmaßnahmen ergibt, hinausreicht. Die Entscheidung eines Geschäftsleiters oder Aufsichtsorgans, unternehmensinterne Vorgänge in einer Weise auszugestalten, dass in den später zu prüfenden Unterlagen wahrheitsgemäß zur Zufriedenheit des eingeschalteten Verifikateurs berichtet werden kann, büßt hierdurch an Freiheit erheblich ein. Denn die ökonomischen Folgen, die Beanstandungen des Wirtschaftsprüfers nach sich ziehen können, werden die Betroffenen im Zweifel veranlassen, auf eine Abweichung zu verzichten. Indem der Gesetzgeber diese Pflichtenverkettung schafft und zulässt, trägt er diese Auswirkung mit. 3. Schlussfolgerungen Nach alledem erscheint es zumindest befremdlich, wenn IDW-Standards jede rechtliche Relevanz kategorisch abgesprochen wird. Einerseits verweigert der Gesetzgeber IDW-Standards jede formelle Anerkennung, indem er kein Verfahren – keine Prozedur – zur Verfügung stellt, das über das Fehlen eines formalen Geltungsbefehls hinweghilft, wie er es in anderen Fällen – wenngleich oft mit erheblichen Defiziten – getan hat. Andererseits äußert er sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, nämlich in der Gesetzesbegründung, zu den Sachfragen in einer Weise, die keinen Zweifel daran lässt, 248  Oben

Kapitel 1 sub B.II.



C. IDW-Standards als Substitut für fehlende richterliche Normbildung231

dass auch der Gesetzgeber IDW-Standards materiell nicht für völlig irrelevant erachtet. Trotzdem ist weiterhin Zurückhaltung geboten, wenn es darum geht, IDW-Standards einen eigenen normativen Geltungsanspruch zusprechen zu wollen. Auch eine Pflichtenverkettung in dem dargestellten Sinne vermag nicht, jenen prozeduralen Test zu ersetzten, der als wichtigste Errungenschaft der Rechtsquellenlehre ausgemacht werden konnte.249 Zur Rechtsquelle werden IDW-Standards durch die Pflichtenverkettung folglich nicht. Auch wenn das BVerfG in seiner berühmt gewordenen Entscheidung zur Rügeverkümmerung im Strafprozess in beachtenswerter und kritisierter250 Weise schon in einem gesetzlichen Lückenbereich, für dessen Ausfüllung weit weniger Parameter aus den Gesetzesmaterialen auffindbar waren als im vorliegenden Zusammenhang, die Rechtsfortbildung zugelassen hat,251 bleibt gegenüber der Annahme einer normativen Regelungskompetenz des IDW aus rechtsstaatlicher Sicht große Skepsis angezeigt. Denn zum einen ging es dabei um eine Gerichtspraxis, die sich – wie ausgeführt – auf eine originär verfassungsrechtliche Kompetenz zur Rechtsanwendung und Rechtskonkretisierung stützen kann. Zum anderen hat auch das Sondervotum der Richter Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio zu der genannten Entscheidung des BVerfG zur Rügeverkümmerung dargelegt, aus dem Umstand allein, dass der Gesetzgeber untätig geblieben ist, lasse sich weder der Schluss ziehen, er akzeptiere eine bestimmte Normanwendungspraxis, noch folgern, er habe Kompetenzen „unter Verzicht auf sein Gestaltungsprimat der Rechtsprechung überantwortet.“252

V. Schlussfolgerungen Der als antithetischer Kontrast zu den vorangegangenen Kapiteln formulierte Versuch, anhand eines Vergleichs von IDW-Standards und gericht­ lichen Präjudizien eine normative Wirkung von IDW-Standards abzuleiten, ist erfolglos geblieben. Vielmehr erscheinen IDW-Standards als lediglich funktionales und damit unvollständiges Substitut für eine gerichtliche Konkretisierungsleistung. Diese ist im Arbeitsfeld des Wirtschaftsprüfers auch deshalb selten, weil die Implementierung des Wirtschaftsprüfers forensischen Streit gerade verhindern soll. Trotz einiger funktionaler Gemeinsamkeiten von IDW-Standards und gerichtlichen Präjudizien musste abschlie249  Oben

Kapitel 2 B.I. Möllers, JZ 2009, 668 ff. 251  BVerfG, Urteil v. 15.1.2009, Az. 2 BvR 2044 / 07, NJW 2009, 1469, 1470 ff. 252  Sondervotum der Richter Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio zu BVerfG, Urteil v. 15.1.2009, Az. 2 BvR 2044 / 07, NJW 2009, 1469, 1477. 250  Ch.

232

Kap. 4: Die Wirkungsweise von IDW-Standards

ßend konstatiert werden, dass Unterschiede bestehen, die eine Gleichbehandlung von IDW-Standards und Präjudizien verhindern: Gemeinsam ist IDW-Standards und Präjudizien zunächst, dass ihnen keine normative Bindungswirkung zukommt. Gleichwohl erfüllen sie beide faktisch eine Konkretisierungsfunktion. Denn Gerichtsurteile entscheiden nicht nur rechtskräftig einen konkreten Fall, sondern treffen dabei auch abstrakt-generelle Aussagen über die Rechtslage, wenn diese nur vage formuliert ist. Ihnen kann deshalb eine bestimmte Gerichtspraxis entnommen werden. IDW-Standards konservieren hingegen eine bestimmte Berufspraxis der Wirtschaftsprüfer. Sowohl Präjudizien als auch IDW-Standards dienen der Vereinheitlichung einer Rechtsanwendungspraxis. Für Gerichte lässt sich diese Aufgabe aus Art. 97 GG i. V. m. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO herauslesen. Für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer ist eine vergleichbare gesetzliche Aufgabenzuweisung jedoch nicht getroffen. Lediglich einige Gesetzgebungsmaterialien lassen den Willen des Gesetzgebers erkennen, diese Aufgabe dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer zu überlassen. Präjudizien werden von Gerichten berücksichtigt, IDW-Standards von Wirtschaftsprüfern. Die Berücksichtigung von Präjudizien durch Gerichte ist gesetzlich in § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO ZPO abgestützt. Die Pflicht zur Beachtung von IDW-Standards ist nicht gesetzlich verankert, sondern lediglich in der Satzung des IDW für ihre Mitglieder vorgeschrieben. Die Gerichte sind gem. Art. 92, 20 Abs. 3 GG zur Rechtsprechung und damit zur Entscheidung eines konkreten Einzelfalls berufen. Die konkrete Entscheidung erwächst in Rechtskraft. Wirtschaftsprüfer müssen gem. § 316 Abs. 1 HGB die Vereinbarkeit von Unternehmensunterlagen mit dem Gesetz prüfen und zertifizieren. In beiden Fällen existiert eine gesetzliche Aufgabenzuweisung zur Prüfung eines Sachverhalts auf seine Subsumierbarkeit unter gesetzliche Tatbestandsmerkmale. Diese unterscheiden sich jedoch grundlegend: Das Grundgesetz weist den Gerichten die Kompetenz zur Rechtsprechung als originär verfassungsrechtliche Kompetenz zu. Die Kompetenz des Wirtschaftsprüfers aus § 316 Abs. 1 HGB ist lediglich eine abgeleitete. Während der Gesetzgeber im Falle der originären Kompetenzzuweisung keine Möglichkeit hat, einem gem. Art. 97 GG unabhängigen Richter die konkrete Auslegung einer vage formulierten Rechtsnorm vorzuschreiben, könnte er die sich dem Wirtschaftsprüfer stellende Konkretisierungsherausforderung frei nach politischer Opportunität gestalten.



D. Zusammenfassung233

D. Zusammenfassung Private Regelsetzung im Themenkreis des Rechts freier Berufe hebt sich von anderen Bereichen privater Regelsetzung durch einige Spezifika ab. Angehörige freier Berufe, auch und insbesondere Wirtschaftsprüfer, richten ihre Dienste auf Dritte aus und nehmen dabei ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch. Zugleich erfüllen sie eine Aufgabe, die im öffentlichen Interesse steht, weshalb der Auftraggeber auf die Inanspruchnahme des Berufsträgers, etwa auf die Prüfung des Jahresabschlusses, nicht ohne weiteres verzichten kann. Privat gesetzte Regelungen – hier also insbesondere IDW-Standards – werden durch den Wirtschaftsprüfer angewandt, indem er sie in Ausübung einer auf Dritte gerichteten Tätigkeit befolgt. Man kann deshalb auch von einer Selbstregulierung mit Wirkung für Dritte sprechen. Der Abschlussprüfer kann als privater Sachverständiger bezeichnet werden, denn er zertifiziert im öffentlichen Interesse die Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit den gesetzlichen Vorschriften. Im Anschluss an eine im Verwaltungsrecht geführte Diskussion trifft auf ihn die Beschreibung als Verifikateur zu. Der Verifikateur ist im Verwaltungsrecht ein Modell zum Vollzug vage bzw. standardförmig formulierter Gesetzesvorschriften. Es besteht darin, dass ein privater Sachverständiger Konformitätsbescheinigungen ausstellt, die einen Vertrauenstatbestand begründen, wenn ein Prüfungsobjekt den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Implementierung des Wirtschaftsprüfers dient der proaktiven Kontrolle von Unternehmensunterlagen, weil eine nachträgliche Kontrolle die Erreichung der mit dem Gesetz bezweckten Erfolge, in erster Linie die Verhinderung von Unternehmensinsolvenzen, nicht sicherstellen kann. Damit reduziert sich plangemäß die Häufigkeit gerichtlicher Entscheidungen zum Recht der Rechnungslegung. Das hat den Nebeneffekt, dass Gerichte in dem Maße, wie sich dieses Vorhaben als erfolgreich herausstellt, keinen Beitrag zur Konkretisierung des Rechts leisten können. Das steigert die praktische Relevanz von IDW-Standards. Sie erfüllen die Konkretisierungsaufgabe, die sonst die Rechtsprechung wahrnimmt, wenn bei unklarer Rechtslage Konflikte entstehen, die durch Gerichte entschieden werden. IDW-Standards erscheinen unter diesem Gesichtspunkt als funktionales Äquivalent für gerichtliche Präjudizien. Darüber hinaus bleibt die Äquivalenz jedoch unvollständig. Der Versuch, über den Vergleich mit Präjudizien eine Bindungswirkung für IDW-Standards zu konstruieren, gelingt nicht.

Kapitel 5

Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards In den vorangegangenen Kapiteln wurden die normative Geltung und die faktische Wirkung von IDW-Standards als Phänomen privater Regelsetzung untersucht. Das 5. Kapitel betrachtet nun einige konkrete IDW-Standards unter diesen Gesichtspunkten in einem bestimmten unternehmensrechtlichen Kontext, zu dem sie sich inhaltlich positionieren: den aktienrechtlichen Organpflichten. Im deutschen dualistischen System des Aktiengesetzes obliegt dem Vorstand die Leitung der Aktiengesellschaft (§ 76 AktG). Dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft kommt zum einen die Aufgabe der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zu (§ 84 AktG). Zum anderen hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des durch ihn bestellten Vorstandes zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). In Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben beide die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Im folgenden Kapitel geht es um die Frage, ob IDW-Standards auf diese gesetzlichen Pflichten und Sorgfaltsanforderungen einen Einfluss haben oder zumindest eine Hilfestellung für Vorstand und Aufsichtsrat bieten, um ihnen zu entsprechen.

A. Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates als Ausgangspunkt Den Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen bildet die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates. Zwar erscheint es auf den ersten Blick naheliegender, von den Pflichten des Vorstandes und nicht denjenigen des Aufsichtsrates auszugehen, weil nur überwacht werden kann, was vorhanden ist oder zumindest vorhanden sein muss, wofür der Vorstand verantwortlich ist. Doch ist die gesetzliche Beschreibung des aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsprogramms durch das BilMoG von 2009 erweitert worden1 und 1  Gesell, ZGR 2011, 361, 369; Hoffmann-Becking, WPg 2010, 103, 104; Kort, ZGR 2010, 440, 461; Lutter, DB 2009, 775, 778; Spindler, FS Hüffer, S. 985, 997 f.; Wohlmannstetter, ZGR 2010, 472, 483 f.



A. Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates als Ausgangspunkt235

bietet nun einen legislativen Bezugspunkt für die nachstehenden Ausführungen: Gem. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG, der Vorgaben der Abschlussprüferricht­ linie2 umsetzt, kann der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss bestellen, „der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung“ befasst. Verzichtet der Aufsichtsrat auf diese Möglichkeit, muss er die genannten Aufgaben als Plenum selbst wahrnehmen.3 Es stellt sich deshalb die Frage, ob mit dieser Aufzählung die sachliche Reichweite des organschaftlichen Pflichtenprogramms in der Aktiengesellschaft erweitert worden ist. Zwar war eine entsprechende Pflicht im Grundsatz schon vor Einführung des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG durch das BilMoG 2009 anerkannt. Sie wurde § 91 Abs. 2 AktG entnommen. Aus diesem Grund wird von einigen Stimmen in der Literatur auch bezweifelt, dass sich an dem Pflichtenkanon der Aufsichtsräte aufgrund der Vorschrift überhaupt etwas geändert hätte.4 Zurecht wird jedoch darauf hingewiesen, dass erstens das kodifizierte Pflichtenprogramm nunmehr weiter ist als die bisher deduzierten Pflichten5 und zweitens allein die Tatsache der präziseren Kodifizierung eine verhaltenssteuernde Wirkung nicht verfehlen werde.6 Der Gesetzgeber hat jedoch darauf verzichtet, die in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannten Überwachungssysteme näher zu konkretisieren und näher zu spezifizieren, wie ein Aufsichtsrat seiner Überwachungsaufgabe gem. § 111 Abs. 1 AktG diesbezüglich nachkommen kann. Auch die Vorgaben der Literatur dazu sind bislang spärlich.7 Das stellt die Praxis offenbar vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Mitunter kann man lesen, Aufsichtsräte 2  Richtlinie 2006  /  43  /  EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen. 3  Breuer / Fraune, in: Heidel, §  107 Rn.  22; Ekkenga, in: KK-AktG, §  171 Rn. 6; Gesell, ZGR 2011, 361, 369; Hoffmann-Becking, WPg 2010, 103, 104; Kort, ZGR 2010, 440, 449; implizit Spindler, in: Spindler / Stilz, § 107 Rn. 130. 4  Insbesondere Kort, ZGR 2010, 440, 463, der seine Untersuchung der neuen Vorschriften mit dem Fazit beschließt: „Eine noch deutlichere Absage des deutschen Gesetzgebers an eine Aufgabe des tradierten Verständnisses der Pflichten des Vorstands in Hinblick auf das Thema „Risikomanagementfragen“ ist kaum denkbar.“; gegen die These von einer Änderung der Pflichten durch das BilMoG auch Dreher, FS Hüffer, S. 161, 164 f. 5  Ekkenga, in: KK-AktG, § 171 Rn. 6; Spindler, in: Spindler / Stilz, § 107 Rn. 130. 6  So die von Gesell, ZGR 2011, 361, 371 erwartete Wirkung auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften; auch Spindler, FS Hüffer, S. 985, 991 geht von einer Ausstrahlungswirkung auf die Leitungs- und Sorgfaltspflichten des Vorstandes aus. Jedenfalls im Hinblick auf die Erwartungshaltung der Aktionäre so auch Vetter, ZGR 2010, 751, 761. 7  Vgl. etwa die recht knappen und allgemein gehaltenen Vorschläge zur Überwachung des internen Kontrollsystems von Hönsch, Der Konzern 2009, 553, 560;

236 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

würden deshalb ihre Überwachungsaufgabe verstärkt an den IDW-Standards orientieren,8 die aber an sich auf die Kontrolle durch den Abschlussprüfer zugeschnitten sind. Denn es liegen IDW-Standards vor, die sich inhaltlich mit dem internen Kontrollsystem, dem Risikomanagement und der internen Revision befassen. Auf der Frage, ob dieses Vorgehen zulässig ist, liegt der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen. Es erscheint dafür zunächst sinnvoll, die Grundzüge der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsfunktion kurz in Erinnerung zu rufen und jüngste Entwicklungen nachzuzeichnen. Denn das Maß der erforderlichen Überwachung richtet sich nicht nur nach dem betriebswirtschaftlich Sinnvollen, sondern auch nach der aktienrecht­ lichen Kompetenzordnung, dem Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat.

I. Überwachung des Vorstands durch laufende Beratung Die Kontrollfunktion des Aufsichtsrates besteht zunächst in der vergangenheitsbezogenen Überwachung der Geschäftsleitertätigkeit. Diese hat zum Ziel, mögliche Fehlentwicklungen aufzudecken, zu beenden und etwaige Schäden der Gesellschaft durch die Wiederherstellung eines rechtmäßigen, ordnungs- und zweckmäßigen Zustandes zu begrenzen.9 Indes hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr die Erkenntnis Platz gegriffen, dass eine reine nachträgliche Kontrolle häufig zu spät kommt, um tatsächlich Schäden von der Gesellschaft abzuwenden.10 Um die Überwachungsfunktion effektiv ausüben zu können, bedarf der Aufsichtsrat daher zusätzlich der Möglichkeit einer präventiven Einflussnahme auf das Vorstandshandeln, ohne dass dabei die durch § 111 Abs. 4 S. 1 AktG gezogene Grenze, das Verbot der Erledigung von Geschäftsführungsaufgaben durch den Aufsichtsrat („Trennungsprinzip“), überschritten wird.11 In einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1991 hat der BGH klargestellt, dass der Aufsichtsrat eine präventive Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 185 f.; Vetter, ZGR 2010, 751, 769; Warncke, Prüfungsausschuss und Corporate Governance, S. 319 ff. 8  So berichtet Hoffmann-Becking, FAZ vom 7.10.2010, Wirtschaft, aus der Praxis, dass Aufsichtsräte „zur Vermeidung eigener Haftungsrisiken die IDW-Standards abhaken“ würden. 9  So etwa Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 52 ff.; Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 Rn. 14. 10  BGH, Urteil v. 25.3.1991, Az. II ZR 188 / 89, BGHZ 114, 127, 130; Dry­gala, in: Schmidt / Lutter, § 111 Rn. 4; Hopt / Roth, in GK-AktG, § 111 Rn. 58 ff.; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 136 f.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 3 Rn. 94; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 111 Rn. 40; Oetker, in: Handbuch Corporate Governance, S. 281; Spindler, in: Spindler / Stilz, §  111 Rn.  10. 11  Ausführlich zur Abgrenzung Hopt / Roth, in GK-AktG, §  111 Rn. 556 und besonders 563 ff.; Habersack, in: MK-AktG, § 111 Rn. 97; Spindler, in: Spind-



A. Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates als Ausgangspunkt237

Kontrolle des Aufsichtsrates „wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung“ ausüben kann.12 Seither kann die Beratung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat als das entscheidende Mittel zur präventiven Leitungskontrolle verstanden werden.13 Aufgrund des Diskussions- und Beratungserfordernisses ist der Aufsichtsrat praktisch aber zu einer umfassenden Begleitung der Geschäftsführungstätigkeit angehalten, denn er muss seine Überwachungsintensität der Lage der Gesellschaft anpassen.14 Er muss selbst eine unternehmerische Vor- und Nachbeurteilung leisten.15 Zu diesem Zwecke muss er stets über hinreichende Informationen über die Gesellschaft verfügen.16

II. Ausweitung des aufsichtsratsrechtlichen Arbeitsprogramms und Professionalisierung der Aufsichtsräte Daraus ergibt sich in Anbetracht der zunehmend komplexer werdenden Aufgaben des Aufsichtsrates die Notwendigkeit einer Professionalisierung der nach der Konzeption des Gesetzes grundsätzlich nur im Nebenamt tätigen Aufsichtsräte.17 Für die Beurteilung der in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannten Systeme bedarf der Aufsichtsrat hinreichender Informationen über sie. § 90 AktG schreibt indes eine Berichtspflicht des Vorstandes nicht vor. Teilweise werden die benötigten Informationen durch das Erfordernis entsprechender Angaben im Lagebericht oder dem Bericht des Abschlussprüfers vorhanden sein.18 Es ist jedoch höchst fraglich, ob der Aufsichtsrat damit bereits hinreichend informiert ist. Er wird deshalb abschätzen müssen, welche weiteren Berichte er benötigt, und die erforderlichen Informationen ler / Stilz, § 111 Rn. 10; zum Wandel des Trennungssystems G. Bezzenberger / Keul, FS Schwark, S. 122, 125 ff. 12  BGH, Urteil v. 25.3.1991, Az. II ZR 188 / 89, BGHZ 114, 127, 130. 13  Prägnant Drygala, in: Schmidt  / Lutter, § 111 Rn. 19: „Beratung ist die präventive Kontrolle des Vorstandes“. Ferner Habersack, in: MK-AktG, § 111 Rn. 12; Hopt / Roth, in GK-AktG, § 111 Rn. 63; Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 Rn. 10. 14  OLG Stuttgart, Urteil v. 29.2.2012, Az. 20 U 3  / 11, BeckRS 2012, 05280 = EWiR § 111 AktG 1 / 12, 303 mit Anm. Lieder; Drygala, in: Schmidt / Lutter, § 111 Rn. 22; Habersack, in: MK-AktG, § 111 Rn. 44; Hopt / Roth, in GK-AktG, § 111 Rn. 310; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 135; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 3 Rn. 86 ff.; Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 Rn. 25. 15  Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 31. 16  Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats, S.  38; Habersack, in: MK-AktG, § 111 Rn. 44. 17  Zur Professionalisierung des Aufsichtsrates durch gesetzliche Entwicklungen der letzten Jahre näher Lutter, DB 2009, 775 ff.; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, Vorb. § 95 Rn. 7. 18  Gesell, ZGR 2011, 361, 373.

238 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

möglichst gezielt abfragen.19 Der Aufsichtsrat hat bezüglich benötigter Informationen auf der einen Seite ein weitreichendes Informationsabfragerecht aus § 90 Abs. 3 AktG. Dieses wird flankiert durch die Einsichtnahmerechte des § 111  Abs. 2  AktG.20 Spiegelbildlich ergibt sich daraus für ihn eine Informationsbeschaffungspflicht.21 Sodann müssen die erlangten Informationen sachgerecht verwertet werden,22 um zu einer Beurteilung der eingerichteten Prozesse und Systeme gelangen zu können. Dass dies nur auf Grundlage entsprechender Fachkenntnis effektiv möglich ist, liegt auf der Hand.23 Nicht verwunderlich ist es insofern, wenn von einer massiven Überforderung der Aufsichtsräte durch den Gesetzgeber gesprochen wird.24 Eine effektive Wahrnehmung der vorstehend skizzierten Aufgaben – die offensichtlich nur einen Teil der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ausmachen – ist in einem durchschnittlich sechs Mal25 jährlich zusammentretenden Plenum kaum möglich. Als Lösung dieses Problems wird eine häufigere Delegation an Ausschüsse, die gem. § 107 Abs. 3 S. 1 AktG aus der Mitte des Aufsichtsrats gebildet werden können, vorgeschlagen.26 Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt die Einrichtung eines Prüfungsausschusses für große Publikumsgesellschaften bereits seit er durch die Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ im Februar 2002 beschlossen wurde.27 In Anbetracht der Komplexität der genannten Themen wird vertreten, der Aufsichtsrat sei zur 19  Altmeppen, ZGR 2004, 390 f. verweist darauf, dass den Aufsichtsrat „notfalls eine Holschuld“ treffe und er sich nicht damit entschuldigen könne, er sei hinsichtlich seines Informationsstandes von der Erfüllung einer „Bringschuld“ durch den Vorstand abhängig. 20  Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 Rn. 34. 21  Fleischer, in: Spindler  /  Stilz, § 90 Rn. 39; Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 172; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 90 Rn. 6. 22  Fleischer, in: Spindler  /  Stilz, § 90 Rn. 24; Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 107 Rn. 208; ausführlich zur Informationsverarbeitung als Kern der Überwachungstätigkeit durch den Aufsichtsrat Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 235 ff. 23  Gesell, ZGR 2011, 361, 373 f. 24  Wohlmannstetter, ZGR 2010, 472, 483. 25  So das Ergebnis einer Untersuchung von Eibelshäuser, Unternehmensüberwachung als Element der Corporate Governance, S. 104 f. für die Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen in den Jahren 2006 bis 2009. 26  Zum Sinn und Zweck der Ausschussbildung im Allgemeinen und von Prüfungsausschüssen im Besonderen zusammenfassend Vetter, ZGR 2010, 751, 754 ff.; knapper bereits Altmeppen, ZGR 2004, 390, 404; Lieder, Aufsichtsrat im Wandel,  S.  751 f.; Lutter, DB 2009, 775, 777; Spindler, in: Spindler / Stilz, § 107 Rn. 80 m. w. N.; im Hinblick auf die Effizienz der Informationsverarbeitung Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 44 und S. 262. Rechtsvergleichend zur Bedeutung von Prüfungsausschüssen Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 480 ff. 27  Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 22.



A. Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates als Ausgangspunkt239

Einrichtung eines Prüfungssauschusses zwar nicht dem Wortlaut des Gesetzes nach, wohl aber faktisch verpflichtet, will er den an ihn gestellten Sorgfaltsanforderungen entsprechen.28 Ob allerdings der Prüfungsausschuss bereits die vollständige Lösung des Problems der Überforderung darstellen kann, erscheint offen. Denn auch im Rahmen der Ausschussarbeit bleiben die Aufgaben komplex und die gesetzlichen Vorgaben zu ihrer Wahrnehmung im Einzelfall vergleichsweise vage. Das Aktiengesetz geht nämlich von dem Ideal aus, dass die Aufsichtsräte über die erforderliche Sachkunde verfügen, um die erlangten Informationen zur Geschäftsführung des Vorstandes zutreffend zu verstehen, zu beurteilen und zu gewichten.29 Entsprechend steht für die betroffenen Aufsichtsräte die Frage nach der Präzision des Erforderlichen im Raum, um einen höheren Grad formaler Realisierbarkeit30 der gesetzlichen Vorgaben zu erreichen und so konkrete Ziel- und Handlungsvorgaben zu erlangen.31 Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang hier IDW-Standards herangezogen werden können, ist vereinzelt bereits diskutiert worden, jedoch überwiegend nicht auf Grundlage einer inhaltlichen Analyse der einschlägigen IDW-Standards, sondern allein anhand ihrer abstrakten rechtlichen Beurteilung als Verlautbarungen eines privatrechtlichen Vereins.32 Insbesonde28  Vetter, ZGR 2010, 751, 759. Bereits vor Einführung des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG durch das BilMoG 2009 für eine zwingende Einrichtung („Ermessensreduzierung auf Null“) bestimmter Ausschüsse und insbesondere von Prüfungsausschüssen Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 477 f. Die Möglichkeit einer entsprechenden einzelfallbezogenen Sorgfaltspflicht insbesondere bei großen Gesellschaften betont auch allgemein die h. M., so etwa Hopt / Roth, in GK-AktG, § 107 Rn. 262; auch Spindler, in: Spindler / Stilz, § 107 Rn. 85. Auf die Nachteile der Ausschussbildung hinweisend und eine entsprechende allgemeine Pflicht mit der h. M. deshalb ablehnend etwa Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 107 Rn. 479; monographisch Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 752. Allgemein zur Plenarverantwortung hinsichtlich der Einrichtung von Ausschüssen Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 262 ff. 29  Grundlegend BGH, Urteil v. 15.11.1982, Az. II ZR 27  / 82 BGHZ 85, 293, 296; Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 119; Oetker, in: Handbuch Corporate Governance, S. 277, 294. 30  Zur Problematik formaler Realisierbarkeit von Rechtsnormen oben Kapitel 4 C.II.1. 31  Den Wunsch von (Leitungs-)Organen nach konkreten Handlungsanweisungen erkennt und benennt auch Bachmann, VGR 2007, S. 65, 81; bezogen auf den Aufsichtsrat auch Winter, FS Hüffer, S. 1103. 32  Gesell, ZGR 2011, 361, 377  f.; Kort, ZGR 2010, 440, 450 f.; ansatzweise auch Wohlmannstetter, ZGR 2010, 472, 481. Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 183 f., zieht IDW-Standards zur Konkretisierung der Aufgaben des Prüfungsausschusses ohne weitere Auseinandersetzung heran. Die Diskussion zur Thematik auf dem Symposion der ZGR 2010 ist wiedergegeben bei Binder, ZGR 2010, 489, 493.



240 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

re Gesell33 hat dabei die Auffassung vertreten, dass es unproblematisch sei, auch der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsfunktion IDW-Standards zugrunde zu legen. Er stützt diese These auf zwei Argumente: Erstens würden IDW-Standards – obschon für den Abschlussprüfer geschaffen – gleichwohl „keine spezifisch auf die Abschlussprüfung zugeschnittenen Sonderpflichten normieren“; und zweitens seien sowohl Gegenstand als auch Inhalt der Überwachungsaufgaben von Prüfungsausschuss (und damit auch Aufsichtsrat) einerseits und Abschlussprüfer andererseits identisch und gehe der Umfang des Letzteren in Ersterem auf. Diese These wird nachfolgend zu untersuchen sein. Hierzu werden einzeln IDW PS 261 Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken zum internen Kontrollsystem (unter B.), IDW PS 340 Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB zum Risikomanagementsystem (unter C.) und IDW PS 321 Interne Revision und Abschlussprüfung zum internen Revisionssystem (unter D.) dargestellt und analysiert. Nicht ausdrücklich in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannt ist die Pflicht zur Überwachung eines Compliancesystems. Als weitere mögliche Systemüberwachungspflicht besteht aber eine gewisse sachliche Nähe zu den gesetzlich explizit genannten Überwachungssystemen. Für die vorliegende Untersuchung empfiehlt sich eine Auseinandersetzung insbesondere deshalb, weil seit 2011 der Standard des IDW PS 980 Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance Management Systemen vorliegt.

B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 26134 Eine vergleichsweise präzise Beschreibung des internen Kontrollsystems bietet IDW PS 261 Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken. Diese Beschreibung wird von einer Vielzahl wissenschaftlicher Beiträge zu Fragen des internen Kontrollsystems bemüht, oftmals sogar als Definition schlicht zugrunde gelegt.35 IDW PS 261 hat die Berufsauffassung zum Gegenstand, wie „Wirtschaftsprüfer unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit im Rahmen von Abschluss33  Gesell,

ZGR 2011, 361, 377 f. PS 261 i. d. F. vom 1.3.2012. 35  Bormann / Greulich, in: MK-BilR, §  324 Rn.  81  f.; Braun / Wolfgarten, in: Boos / Fischer / Schulte-Mattler, KWG, §  25a KWG Rn.  185 ff.; Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 183 ff.; Niemann, in: Pelka / Niemann, Band E Rn.  154 ff.; Schmidt, in: BeckBilKomm, § 317 Rn. 139 ff. 34  IDW



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261241

prüfungen Risiken wesentlicher falscher Angaben in der Rechnungslegung (Fehlerrisiken) feststellen und beurteilen sowie in angemessener Weise auf die beurteilten Risiken reagieren (risikoorientierter Prüfungsansatz).“36 ­Damit legt der Standard in seinen ersten Sätzen fest, dass es um die Erkennung von Fehlerrisiken in der Rechnungslegung geht. Die Feststellung solcher Fehlerrisiken „erfolgt im Rahmen der Gewinnung eines Verständnisses von dem zu prüfenden Unternehmen und dessen Umfeld. Dies umfasst auch ein ausreichendes Verständnis vom rechnungslegungsrelevanten internen Kontroll­ system.“37 Die Ausführungen des Standards zum internen Kontrollsystem lassen sich inhaltlich in zwei Teile untergliedern. Der erste Teil betrifft die Ausgestaltung des internen Kontrollsystems (sogleich unter I. und II.). Der zweite befasst sich mit der Frage, wie das interne Kontrollsystem von einem Abschlussprüfer geprüft werden kann. Er bezeichnet Prüfungsgegenstand, Prüfungsziel und Prüfungsmaßnahmen (sodann unter III.).

I. Definition des internen Kontrollsystems 1. Definition nach IDW PS 261 Trotz der ausdrücklichen Beschränkung auf rechnungslegungsbezogene Fehlerrisiken bietet der Standard eine allgemeine Definition des internen Kontrollsystems. Demnach werden unter einem internen Kontrollsystem „die von dem Management im Unternehmen eingeführten Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen (Regelungen) verstanden, die gerichtet sind auf die organisatorische Umsetzung der Entscheidungen des Managements zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit (hierzu gehört auch der Schutz des Vermögens, einschließlich der Verhinderung und Aufdeckung von Vermögensschädigungen), zur Ordnungsmäßigkeit und Verlässlichkeit der internen und externen Rechnungslegung sowie zur Einhaltung der für das Unternehmen maßgeblichen rechtlichen Vorschriften.“38 Nach Aussage des Standards besteht ein internes Kontrollsystem aus einem internen Steuerungssystem und einem internen Überwachungssystem. Das interne Steuerungssystem besteht aus Regelungen zur Steuerung der Unternehmensaktivitäten, das interne Überwachungssystem aus Regelungen zur Überwachung der Regelungen des internen Steuerungssystems.39 „Das 36  IDW

PS PS 38  IDW PS 39  IDW PS 37  IDW

261 261 261 261

Rz. 1. Rz. 12. Rz. 19. Rz. 20.

242 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

interne Überwachungssystem beinhaltet prozessintegrierte (organisatorische Sicherungsmaßnahmen, Kontrollen) und prozessunabhängige Überwachungsmaßnahmen, die vor allem von der Internen Revision durchgeführt werden.“40 Diese einzelnen Begriffe werden sodann der Reihe nach näher definiert. Dabei werden beispielsweise organisatorische Sicherungsmaßnahmen verstanden als solche Maßnahmen, die „durch laufende, automatische Einrichtungen wahrgenommen“ werden und dabei „fehlerverhindernde Maßnahmen, die sowohl in die Aufbau- als auch die Ablauforganisation eines Unternehmens integriert sind und ein vorgegebenes Sicherungsniveau gewährleisten sollen (z.  B. Funktionstrennung, Zugriffsbeschränkungen im IT-Bereich, Zahlungsrichtlinien).“41 Der Begriff Kontrollen wird verstanden als „Maßnahmen, die in den Arbeitsablauf integriert sind. Erfolgen die Kontrollen durch Überwachungsträger, so können diese sowohl das Ergebnis des überwachten Prozesses als auch für das Ergebnis der Überwachung verantwortlich sein. Kontrollen sollen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlern in den Arbeitsabläufen vermindern bzw. aufgetretene Fehler aufdecken (…).“42 2. Kritische Würdigung Diese Definition des internen Kontrollsystems kann aus juristischer Perspektive allenfalls eingeschränkt beurteilt werden. Denn das Gesetz schreibt die Einrichtung eines internen Kontrollsystems weder explizit vor, noch konkretisiert es eine vermeintliche Pflicht des Vorstandes zum „Wie“ seiner Ausgestaltung. Das Gesetz verlangt in § 91 Abs. 2 AktG vom Vorstand lediglich, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“43 Zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes gehört es daher abzuschätzen, ob ein internes Kontrollsystem erforderlich ist und wie dieses den Bedürfnissen des einzelnen Unternehmens angemessen ausgestaltet sein muss.44 Der Vorstand kann hierbei auf betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und Modelle zurückgreifen, muss sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie der jeweiligen Art und Lage des Unternehmens angemessen sind oder entsprechend modifiziert werden müssen. Dazu muss nicht, wird aber in der Regel die Einrichtung eines Systems 40  IDW

PS 261 Rz. 20. PS 261 Rz. 20. 42  IDW PS 261 Rz. 20. 43  Dazu ausführlich unten sub C. 44  Vetter, ZGR 2010, 751, 768. 41  IDW



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261243

gehören, das die Umsetzung von Leitungsentscheidungen und Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes gewährleistet. Dieses kann durchaus als internes Kontrollsystem bezeichnet werden. Sowohl die Einrichtung als auch die Ausgestaltung des internen Kontrollsystems liegt damit in der Geschäftsführungsverantwortung und mithin im Ermessen des Vorstandes. Zur Befolgung eines bestimmten betriebswirtschaftlichen Modells besteht erst recht keine Pflicht.45 Es handelt sich bei den beschriebenen Konkretisierungsversuchen mithin um Vorschläge der Revisionspraxis, die nicht mit gesetzlichen Pflichten gleichgesetzt werden können. Anders formuliert: Es bestehen zu akzeptierende Unterschiede zwischen dem betriebswirtschaftlich wünschenswerten und dem juristisch vorgeschriebenen Maß an Organisationssorgfalt.46 Zugleich bestehen damit aber keine grundsätz­lichen Einwände gegen ein Begriffsverständnis von internen Kontrollsystemen, wie es IDW PS 261 zugrunde liegt.

II. Die einzelnen Elemente des internen Kontrollsystems 1. Spezifisches zur Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses Erst nach einer ausführlichen Darstellung der genannten Begrifflichkeiten spezifiziert der Standard Elemente des internen Kontrollsystems, die auf die Sicherung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung bezogen sind. Diese seien sämtlich für die Abschlussprüfung von Bedeutung. Sie werden in sechs Gliederungspunkten aufgezählt.47 Es handelt sich dabei jedoch mehr um Zielvorgaben als um konkrete Prozesselemente des internen Kontrollsystems, die aus den gesetzlichen Pflichten zur Buchführung und Bilanzierung resultieren. Die anderen, also die auf die Einhaltung sonstiger gesetzlicher Vorschriften gerichteten Teile des internen Kontrollsystems, seien für die Abschlussprüfung insofern von Bedeutung, als sich daraus üblicherweise Rückwirkungen auf den geprüften Abschluss und Lagebericht ergeben können.48 Der Standard hebt besonders nachdrücklich die Pflicht zur Prüfung hervor, ob der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft geeignete Maßnahmen getroffen und insbesondere ein Überwachungssystem zur Erkennung bestandsgefährdender Risiken eingerichtet hat (§ 317 Abs. 4 HGB). Hier wird deutlich, dass sich der Standard trotz der allgemeinen Definition des inter45  Dreher, FS Hüffer, S. 161, 164; Fleischer, in: Spindler  /  Stilz, § 91 Rn. 35; Spindler, FS Hüffer, S. 984, 994; ders, in: MK-AktG, § 91 Rn. 27 m. w. Nachw. 46  Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 91 Rn. 34. 47  IDW PS 261 Rz. 22. 48  IDW PS 261 Rz. 23.

244 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

nen Kontrollsystems in erster Linie an Jahresabschlussprüfer gem. § 316 ff. HGB richtet, wenn es heißt: „Die Prüfung des Risikomanagementsystems geht insoweit über die Prüfung des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems hinaus als auch nicht rechnungslegungsbezogene Feststellungen zu treffen sind.“49 2. Die Ausgestaltung des internen Kontrollsystems durch das Unternehmen Der Standard belässt es gleichwohl nicht bei dieser auf den Rechnungslegungsprozess bezogenen Beschreibung des internen Kontrollsystems, sondern nennt auch mögliche Faktoren für die konkrete Ausgestaltung des internen Kontrollsystems durch das Unternehmen, soweit es nicht speziell um die Sicherung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung geht. IDW PS 261 legt dafür zunächst fest, aus welchen Komponenten das interne Kontrollsystem besteht. Es handelt sich dabei um fünf verschiedene Faktoren, die ihm eine grobe Struktur verleihen: – Erzeugung eines günstigen Kontrollumfelds im Unternehmen – Feststellung und Beurteilung der unternehmensspezifischen Risiken – Festlegung der erforderlichen Kontrollaktivitäten – Information und Kommunikation – Überwachung des internen Kontrollsystems Der Standard macht dabei Vorgaben zu der Frage, welche allgemeinen und unternehmensindividuellen Einflüsse auf diese fünf Elemente des internen Kontrollsystems besonders zu beachten sind. Die mögliche Spanne dieser Einflüsse reicht von allgemeinen Fragen der Unternehmensstruktur wie Größe und Komplexität des Unternehmens50 über die Bedeutung des Kontrollumfelds, etwa der Bedeutung von „Integrität und ethischen Werten im Unternehmen“51 bis hin zu Grundsätzen der Personalpolitik.52 Die aufgezählten Faktoren werden sodann näher beschrieben. a) Größe und Komplexität des Unternehmens Der Standard hebt hervor, dass in kleinen und mittelgroßen Unternehmen das interne Kontrollsystem weniger stark formalisiert sein muss als in gro49  IDW

PS PS 51  IDW PS 52  IDW PS 50  IDW

261 261 261 261

Rz. 23. Rz. 27. Rz. 30. Rz. 30.



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261245

ßen Unternehmen mit mehreren Hierarchieebenen und örtlich getrennten Einheiten. Kleine und mittelgroße Unternehmen seien regelmäßig einfach strukturiert und wiesen eine flache Hierarchie auf. Die Geschäftsabläufe seien geprägt durch tägliche persönliche Kontakte zwischen Geschäftsleitern und Mitarbeitern. Damit seien auch die typischen Risiken, die der Erreichung des Unternehmensziels und der Umsetzung der hierzu gebotenen Maßnahmen drohen, potenziell verschieden. IDW PS 261 verweist insofern auf den Prüfungshinweis IDW PH 9.100.1, der wiederum eine speziell auf kleine und mittelgroße Unternehmen zugeschnittene Beschreibung des internen Kontrollsystems beinhaltet. Dieser Prüfungshinweis geht explizit davon aus, dass auch jedes kleine Unternehmen ein internes Kontrollsystem haben muss.53 Die größenspezifischen Risiken, deren Vermeidung das interne Kontrollsystem hier dienen muss, beruhen dem Standard zufolge gerade nicht wie im Falle großer Unternehmen auf einer arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung, sondern auf der Konzentration vieler Aufgaben bei wenigen verantwortlichen Personen.54 b) Die Bedeutung des Kontrollumfeldes Nach der Aussage von IDW PS 261 bestimmt das sogenannte Kontrollumfeld den Rahmen für die Beurteilung, welche Grundsätze und konkreten Maßnahmen und Verfahren im fraglichen Unternehmen eingeführt werden müssen.55 Denn es beeinflusse wesentlich das Kontrollbewusstsein der Mitarbeiter. Ein ungünstiges Kontrollumfeld könne dazu führen, dass Kontrollregelungen nur der Form halber eingehalten werden, andererseits würde ein günstiges Kontrollumfeld allein nicht genügen, sondern müsse durch die Festlegung konkreter Kontrollmechanismen unterstützt werden.56 Das Kontrollumfeld wird nach IDW PS 261 bestimmt von der persönlichen Haltung der Mitarbeiter (Integrität, ethische Werte), ihrer fachlichen Kompetenz und den Grundsätzen der Personalpolitik. Hierauf hat auch die Unternehmenskultur und Unternehmensphilosophie insgesamt einen Einfluss. Ferner wird es bestimmt von dem Führungsstil des Managements, der konkreten Zuordnung von Weisungsbefugnissen und der Qualität der Überwachung durch den Aufsichtsrat.57

53  IDW

PH 9.100.1 Rz. 20. PH 9.100.1 Rz. 24. 55  IDW PS 261 Rz. 30. 56  IDW PS 261 Rz. 30. 57  IDW PS 261 Rz. 30. 54  IDW

246 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

c) Die Kontrollaktivitäten Der Standard legt keine bestimmten Kontrollaktivitäten fest, sondern verlangt nur prozedural von dem Unternehmen, dass Kontrollaktivitäten festgeschrieben werden. Es handelt sich um Grundsätze und Verfahren, die die Umsetzung der Managemententscheidungen gewährleisten können und geeignet sind, den Unternehmensrisiken zu begegnen.58 d) Information und Kommunikation Die Komponente Information und Kommunikation des internen Kontrollsystems soll sicherstellen, dass das Management die für seine unternehmerischen Entscheidungen erforderlichen Informationen erhält. Konkrete Vorschläge, wie ein solches Informations- und Kommunikationssystem ausgestaltet werden kann, macht der Standard nicht. Er erwähnt lediglich, dass neben mündlichen Berichterstattungen auch Organisationshandbücher, interne Richtlinien und Aktennotizen „in Betracht kommen“.59 e) Selbstüberwachung Schließlich soll das interne Kontrollsystem Regelungen dazu treffen, wie es selbst kontrolliert wird. Ein internes Kontrollsystem nach IDW PS 261 muss also festlegen, wie seine eigenen Funktionsrisiken minimiert werden können. Die zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens sollen beurteilen, ob es verlässlich funktioniert; feststellbare Schwächen sollen so abgestellt werden können.60 Der Standard schlägt vor, dass hierzu Mitarbeiter regelmäßig Unternehmensstatistiken auf ihre Plausibilität prüfen oder dass das interne Kontrollsystem seinerseits von der internen Revision überprüft wird.61 3. Kritische Würdigung a) Betriebswirtschaftliche Anerkennung Der von IDW PS 261 vorgeschlagene Aufbau eines internen Kontrollsystems orientiert sich an international anerkannten Entsprechungen. Stimmen aus der Praxis zufolge sind für die Beschreibung des internen Kontrollsys58  IDW

PS PS 60  IDW PS 61  IDW PS 59  IDW

261 261 261 261

Rz. 32. Rz. 32. Rz. 34. Rz. 34.



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261247

tems insbesondere die Verlautbarungen des Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO) geeignet.62 Dieses besteht seit 1985 und wurde in den USA gegründet, um die National Commission on Fraudulent Financial Reporting zu unterstützen, welche dazu berufen war, die kausalen Faktoren für fehlerhafte Unternehmensberichterstattung zu erforschen.63 Der 1992 publizierte Standard COSO I-Report („Internal Control – Integrated Framework“) gilt inzwischen als international anerkanntes Konzept zur Einrichtung eines internen Kontrollsystems.64 Mittlerweile liegt auch ein Standard COSO II vor, der ein „Rahmenkonzept für Enterprise Risk Management – Integrated Framework“ zur Verfügung stellt. Diese Frameworks können theoretisch weltweit bei der Einrichtung interner Kontrollsysteme berücksichtigt werden,65 bedürfen dafür aber Anpassungen an das jeweilige nationale Recht.66 Auch das IDW hat sich mit COSO zumindest befasst und erwähnt es mittlerweile in zwei Standards ausdrücklich.67 Die einzelnen Elemente des internen Kontrollsystems nach IDW PS 261 orientieren sich stark an dem sogenannten Risikowürfel, mit dem das Risikomanagement des COSO-Frameworks dreidimensional dargestellt wird. Das belegt eine entsprechende Graphik in IDW PS 261.68 Ein Geschäftsleiter, der sich bei der Einrichtung des internen Kontrollsystems an IDW PS 261 hält, kann deshalb davon ausgehen, dass es in seiner Grundstruktur internationalen Gepflogenheiten entspricht. b) Rechtliche Zulässigkeit der Verwendung Aus rechtlicher Perspektive ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorgaben des IDW PS 261 als Vorlage für die Entwicklung eines unternehmens­ individuellen internen Kontrollsystems zugrunde gelegt werden. 62  Insbesondere Nimwegen / Koelen, DB 2010, 2011 ff.; erwähnt auch von Winter, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 71, 80. 63  www.coso.org. 64  So jedenfalls die Einschätzung von Nimwegen / Koelen, DB 2010, 2011, 2012. Seit Mai 2013 liegt eine neue Fassung des Standards vor. 65  Winter, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 71, 80. Das COSO-Modell ist u. a. Grundlage für den Schweizer Prüfungsstandard zum internen Kontrollsystem, Böckli, Aktienrecht, § 15 Rn. 248 ff.; Pfiffner, Revisionsstelle und Corporate Governance, S. 1053. 66  Im Hinblick auf § 289 Abs. 5 HGB beispielhaft Nimwegen / Koelen, DB 2010, 2011, 2013. 67  IDW PS 951 Tz. 14  f. und IDW PS 980 Anlage 1. Nimwegen / Koelen, DB 2010, 2011, 2012, sind der Meinung, die Aussagen des COSO I würden „auch durch den IDW PS 261 wiedergegeben“, belegen diese Einschätzung jedoch nicht weiter. 68  IDW PS 261 Rz. 34.

248 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben. Ausgehend von Art. 41 Abs. 2 lit b) i. V. m. Erwägungsgrund 24 der Abschlussprüferrichtlinie69 sollen interne Kontrollsysteme dazu beitragen, „finanzielle und betriebliche Risiken sowie das Risiko von Vorschriftenverstößen auf ein Mindestmaß zu begrenzen“.70 Dass die Ausgestaltung eines internen Kontrollsystems entsprechend der Vorgaben von IDW PS 261 diesen unbestimmten Anforderungen genügt, steht außer Zweifel. Das deutsche Recht verpflichtet Geschäftsleiter dazu, sich über die Vorgänge in dem von ihnen geleiteten Unternehmen zu informieren, denn nur dann, wenn unternehmerische Entscheidungen auf Grundlage angemessener Information getroffen werden, handelt ein Organ pflichtgemäß.71 Dazu gehört auch die Information, ob die eigenen Entscheidungen im Unternehmen zuverlässig umgesetzt werden. Was konkret erforderlich ist, um diesen Anforderungen zu genügen, richtet sich nach zahlreichen Faktoren wie der Unternehmensgröße, dem Unternehmensgegenstand, der Personalstruktur usw.72 Dementsprechend ist es zu begrüßen, dass IDW PS 261 keine materiellen Vorgaben zur Ausgestaltung des internen Kontrollsystems macht, sondern lediglich prozedurale. Auch weist der Standard häufig darauf hin, dass eine unternehmensindividuelle Ausgestaltung des internen Kontrollsystems erforderlich ist. Nicht außer Acht gelassen werden darf allerdings, dass IDW PS 261 in erster Linie eine Hilfestellung für den Abschlussprüfer geben soll und deshalb einen Schwerpunkt auf Fragen legt, die die gesetzlichen Anforderungen an die Prüfung gem. §§ 316 HGB betreffen. Der Abschlussprüfer muss sich mit dem internen Kontrollsystem gem. § 171 Abs. 1 S. 2 AktG nur in dem Maße befassen, wie es auf die Rechnungslegung bezogen ist. Zwar formuliert der Standard ausdrücklich, dass auch diejenigen Elemente des internen Kontrollsystems, die nicht auf den Rechnungslegungsprozess bezogen sind, für die Beurteilung der prüfungspflichtigen Unterlagen von Interesse sein können, weil sich aus möglichen Verstößen, beispielsweise gegen steuer-, umwelt- oder arbeitsrechtliche Vorschriften, Auswirkungen auf die Rechnungslegung ergeben können.73 Doch sind die Vorgaben des Standards ge69  Richtlinie 2006  /  43  /  EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen vom 17.5.2006, ABlEG Nr.  L 157 / 7. 70  Erwägungsgrund 24 der Abschlussprüferrichtlinie. 71  Fleischer, in: Spindler  / Stilz, § 93 Rn. 58; Hopt, in: GK-AktG, § 93 Rn. 84; S. H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten, S. 85. 72  Fleischer, in: Spindler  /  Stilz, § 93 Rn. 105; Spindler, in: MK-AktG, § 91 Rn.  18 f. 73  IDW PS 261 Rz. 23.



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261249

rade dort besonders detailliert, wo sie spezifisch bilanzrechtliche Fragen betreffen.74 Die gesamte Darstellung des internen Kontrollsystems ist eingebettet in den übergeordneten Kontext, wie die Risiken wesentlich falscher Angaben in der Rechnungslegung durch den Abschlussprüfer erkannt werden können. Eine zu enge Orientierung der Ausgestaltung des internen Kontrollsystems an IDW PS 261 droht deshalb Gefahr zu laufen, die nicht rechnungslegungsbezogenen Aufgaben des internen Kontrollsystems nicht im jeweils erforderlichen Maße zu berücksichtigen. Diese Gefahr ist letztlich aber auch nicht zu überschätzen. Denn die Vorgaben des Standards, die sich unmittelbar auf den Aufbau des internen Kontrollsystems beziehen, verzichten überwiegend auf Hervorhebungen themenspezifischer Besonderheiten. c) Rechtliche Pflicht zur Beachtung von IDW PS 261? Bestehen demnach keine Bedenken gegen die Konstruktion eines internen Kontrollsystems in Anlehnung an IDW PS 261, so stellt sich als nächstes die Frage, ob die Beachtung oder Nichtbeachtung des IDW PS 261 recht­ liche Folgen haben kann. Einerseits steht also in Rede, ob ein Geschäftsleiter IDW PS 261 auch ignorieren darf, und andererseits, ob die Einhaltung des Standards der Geschäftsleitung einen „sicheren Hafen“ zur Verfügung stellt, sich also ein Leitungsorgan von dem Vorwurf der Pflichtwidrigkeit oder jedenfalls schuldhaften Verhaltens exkulpieren kann, indem es belegt, die Vorgaben des IDW PS 261 eingehalten zu haben. Ausgehend von den bisherigen Ergebnissen dieser Arbeit ist zunächst festzuhalten, das IDW PS 261 keine Rechtsnorm ist und deshalb aus sich heraus keine Pflicht begründet, ein internes Kontrollsystem in der von ihm vorgesehenen Weise einzurichten.75 Der Standard kann das Leitungsermessen der Geschäftsleitung deshalb nicht normativ begrenzen. Zum Tragen kommt aber der Durchsetzungsmechanismus des Wirtschaftsprüfers in der Rolle des Verifikateurs, wie er im 4. Kapitel beschrieben wurde. Auch im Falle des internen Kontrollsystems hat sich der Gesetzgeber implizit den Sachverstand und die dadurch ermöglichte Konkretisierungsleistung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer zunutze gemacht. Denn er hat einerseits die Berichtspflicht des Wirtschaftsprüfers an den Aufsichtsrat im Zuge des BilMoG erweitert, sodass dieser nunmehr an den Aufsichtsrat über die Schwächen des internen Kontrollsystems, soweit es auf den Rechnungslegungsprozess bezogen ist, berichten muss. Dieser wird sich hierzu auf seinen standardisierten Sachverstand zurückziehen, der in IDW PS 261 verfes74  Vgl.

etwa IDW PS 261 Rz. 53. Kapitel 2 passim.

75  Oben

250 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

tigt ist. Denn die Erarbeitung von Prüfungsmethoden hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung dem Berufsstand überlassen und auf eine gesetzliche Regulierung verzichtet.76 Obwohl sich der Abschlussprüfer bei seinem Bericht an den Aufsichtsrat auf die rechnungslegungsbezogenen Teile des internen Kontrollsystems beschränken kann, wird er sich doch mit der Struktur des gesamten internen Kontrollsystems befassen. Denn dessen rechnungslegungsbezogene Teile sind nicht zwingend ein eigenständiges System, sondern nur eines von mehreren Themen, mit denen sich das interne Kontrollsystem befasst. Das interne Kontrollsystem ist eine Organisationsstruktur. Folglich wird der Abschlussprüfer – wie von IDW PS 261 vorgesehen – das gesamte System analysieren. Dabei können einerseits solche Fehler zutage treten, die tatsächlich allein Auswirkungen auf die Rechnungslegung haben, etwa weil das System keine verlässliche Inventur gewährleistet. Es können aber auch Fehler ersichtlich werden, die auf ein Strukturproblem des internen Kontrollsystems zurückzuführen sind, beispielsweise weil Ungereimtheiten in der Kommunikationsstruktur dazu führen, dass bilanzpolitische Entscheidungen möglicherweise nicht umgesetzt werden. Deshalb wird der Abschlussprüfer die Struktur des gesamten Systems beurteilen müssen, um zu einer Aussage über die rechnungslegungsbezogenen Teile gelangen zu können. Auch wenn sich daraus noch keine echte Rechtspflicht ergibt,77 interne Kontrollsysteme entsprechend den Vorgaben des IDW PS 261 auszugestalten, bringt es doch die Geschäftsleitung eines Unternehmens in die Situa­ tion, vom faktisch Üblichen abzuweichen, wenn sie IDW PS 261 nicht beachtet. Regelmäßig wird zu erwarten sein, dass sie sich gegenüber dem Abschlussprüfer für die gewählte abweichende Ausgestaltung rechtfertigen muss. Gelingt diese Rechtfertigung nicht, besteht die Gefahr, dass im Prüfungsbericht auf Mängel des internen Kontrollsystems hingewiesen wird.78 IDW PS 400, der die Erteilung des Bestätigungsvermerks betrifft, sieht sogar vor, dass im beschreibenden Teil des Bestätigungsvermerkes das interne Kontrollsystem beurteilt wird. Befürchten muss der Vorstand einer Aktiengesellschaft außerdem, dass der Abschlussprüfer die unübliche Ausgestaltung des internen Kontrollsystems dem Aufsichtsrat kommuniziert. Entscheidet sich also eine Unternehmensleitung gegen die Berücksichtigung von IDW PS 261 bei der Ausgestaltung des internen Kontrollsystems, besteht die Gefahr beträchtlicher Differenzen mit dem Abschlussprüfer. Wie diese aufgelöst werden sollen, ist gesetzlich nicht geregelt. Bis zum Inkraft76  Kapitel

4 C.IV.1. 4 C.V. 78  Ebke, in: MK-HGB, § 321 Rn. 65. 77  Kapitel



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261251

treten des BilMoG war im Gesetz mit § 324 HGB eine Regelung enthalten, die Streitigkeiten über Rechtsfragen zwischen den besagten Beteiligten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuwies. Zu entsprechenden Verfahren kam es aber praktisch nie,79 bekannt geworden sind lediglich zwei Fälle, in denen dieser Weg beschritten wurde.80 Allenthalben liest man dazu, diese Streitigkeiten würden in der Praxis durch die Einholung von Gutachten oder durch berufsständische Gremien beigelegt.81 Wer sich hier in der Regel durchsetzt, kann allenfalls vermutet werden. Jedenfalls bestehen für den Abschlussprüfer keine unmittelbaren Gründe zur Kompromissbereitschaft, denn die Unternehmensleitung ist auf den allgemeinen Zivilrechtsweg verwiesen,82 der zur Beilegung dieser Streitigkeiten allerdings kaum geeignet erscheint. Zu fürchten ist für ihn höchstens ein Prüferwechsel im nächsten Geschäftsjahr. Angesichts dieser rechtspraktischen Lage lässt sich die Frage aufwerfen, ob es pflichtwidrig von einem Leitungsorgan ist, wenn es ohne gute Gründe die Vorgaben des IDW PS 261 ignoriert. Denn sie sind international anerkannt und der mit der Standardisierung verbundene Vereinfachungseffekt sowohl bei der Einrichtung als auch der Überwachung des internen Kontrollsystems reduziert die Compliancekosten des Unternehmens. Eine generelle rechtliche Pflicht zu Ausgestaltung von internen Kontrollsystemen nach den Vorgaben des IDW PS 261 lässt sich gleichwohl nicht konstatieren. d) Die Vorgaben als IDW PS 261 als safe harbour rule? Schließlich bleibt der Frage nachzugehen, ob die Unternehmensleitung ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, wenn sie ein internes Kontrollsystem nach Maß des IDW PS 261 eingerichtet hat. Zunächst gilt auch hier im Grundsatz, dass IDW-Standards den Pflichtenkanon von Geschäftsleitern normativ weder erweitern noch begrenzen können. So lehnt es dann auch die überwiegende Meinung im Schrifttum unter diesem Gesichtspunkt ab, IDW-Standards als safe harbour rule verstehen zu wollen.83 Gleichwohl empfiehlt sich hier eine differenzierte Betrachtung. Einerseits ist dabei zu berücksichtigen, dass schon rein faktisch mit keiner Beanstan79  RegE BilMoG, BT-Drucks. 16 / 10067, S. 91: „Der bisherige § 324 HGB wird mangels praktischer Bedeutung aufgehoben“. 80  Ebke, in: MK-HGB, § 324 Rn. 2; Hopt / Merkt, in: Baumbach  /  Hopt, § 324 Rn. 1. 81  Zur alten Rechtslage etwa Wiedmann, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, § 324 Rn. 1; Ebke, in: MK-HGB, § 324 Rn. 2; Habersack / Schürnbrand, in: GKHGB, § 324 Rn. 1. 82  Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 324 Rn. 1. 83  Fleischer, NZG 2014, 321; Spindler, in: MK-AKtG, § 93 Rn. 29; auch Böttcher, NZG 2011, 1054, 1056; Rieder / Falge, BB 2013, 778, 779 ff.

252 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

dung der Grundstruktur des internen Kontrollsystems gerechnet werden muss, wenn IDW PS 261 berücksichtigt wurde. Denn das interne Kontrollsystem wird in erster Linie durch den Abschlussprüfer und den Aufsichtsrat – wiederum in Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer – beurteilt. Davon ausgehend, dass der Abschlussprüfer seiner Prüfung ohnehin IDW PS 261 zugrunde legt, hat die Anwendung des Standards bei der Ausgestaltung des internen Kontrollsystems also die Konsequenz, dass Abschlussprüfer und Unternehmensleitung vom selben „Soll-Programm“ im Rahmen des „IstSoll-Vergleichs“ der Prüfung ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Beanstandungen hat, ist damit praktisch minimiert. Ob damit zugleich auch rechtlich alles Erforderliche getan ist, sodass ein späterer Haftungsprozess oder eine Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss zur Entlastung des Vorstandes nicht befürchtet werden muss, ist noch nicht entschieden. Gute Gründe sprechen jedoch dafür. Sie ergeben sich aus der Rolle des Wirtschaftsprüfers als Verifikateur, wie sie im 4. Kapitel dargestellt wurde. Wie dort gezeigt, hat der Gesetzgeber den Abschlussprüfer bewusst als Vollzugsmechanismus eingeschaltet und ihm dadurch implizit auch die Aufgabe übertragen, eine verlässliche Praxis zur Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe zu schaffen.84 Dieser Aufgabe ist der Berufsstand im Hinblick auf Grundstrukturen des internen Kontrollsystems mit IDW PS 261 nachgekommen. Das spricht dafür, diese Grundstrukturen als zulässige Konkretisierungsleistung zu akzeptieren. Letztlich bleibt es in forensischen Fällen jedoch der unabhängigen Entscheidung des Richters überlassen, ob er dieser Argumentation folgt; denn er ist nur an Recht und Gesetz gebunden, zu denen IDW-Standards nicht gehören.85 Zudem erfordert die Beschränkung auf die angesprochenen prozeduralen Vorgaben, dass jedes Unternehmen sein konkretes internes Kontrollsystem eigenständig selbst entwickelt. Ob die Unternehmensleitung daraus tatsächlich im Einzelfall ein den individuellen Anforderungen des Unternehmens gerecht werdendes internes Kontrollsystem geformt hat, bleibt deshalb ohnehin stets zu prüfen. Einen safe harbour bietet IDW PS 261 für diese konkreten Anforderungen folglich nicht.

III. Die Überwachung des internen Kontrollsystems nach IDW PS 261 Die Einrichtung des internen Kontrollsystems gehört zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes. Über die Einrichtung hinaus muss er aber auch dafür Sorge tragen, dass das interne Kontrollsystem tatsächlich funktionsfähig ist. 84  Oben 85  Oben

Kapitel 4 C.IV. Kapitel 4 C.IV.3. und C.V.



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261253

Folglich muss er es auch kontrollieren. Der Vorstand seinerseits wird gem. § 111 Abs. 1 AktG durch den Aufsichtsrat überwacht. Die Ausweitung von dessen Pflichtenprogramm, die sich aus der zunehmend komplexer werdenden Leitungsstruktur insbesondere großer Aktiengesellschaften ergibt und die nunmehr in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG gesetzlich abgestützt ist, hat – wie bereits erwähnt86 – in der Literatur die Frage hervorgebracht, ob IDWStandards der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsaufgabe zugrunde gelegt werden können. Im Hinblick auf das interne Kontrollsystem soll dieser Frage im Folgenden nachgegangen werden. 1. Überwachungsmaßnahmen nach IDW PS 261 Der Prüfungsstandard IDW PS 261 unterscheidet zwei Prüfungsprogramme, die durchzuführen sind: Die sogenannte Aufbauprüfung und die sogenannte Funktionsprüfung. Zudem enthält er zahlreiche Vorgaben zur Überwachung des internen Kontrollsystems, die zugleich Teil des internen Kontrollsystems sind; denn dessen Funktion ist schließlich selbst die Überwachung von Geschäftsabläufen, weshalb eine der fünf Komponenten von internen Kontrollsystemen, die IDW PS 261 vorsieht, wie gezeigt auch die eigene Überwachung betrifft. Diese Vorgaben beziehen sich deshalb in erster Linie auf die Ausgestaltung von internen Kontrollsystemen. a) Aufbauprüfung Die Aufbauprüfung hat das interne Kontrollsystem in der Form zum Gegenstand, wie es das jeweilige Unternehmen eingerichtet hat. Das scheint logisch zwingend. Der Standard sieht deshalb vor, dass die Komponenten Kontrollumfeld, Risikobeurteilungen, Kontrollaktivitäten, Information und Kommunikation sowie Überwachung des internen Kontrollsystems als von IDW PS 261 bezeichnete Elemente eines internen Kontrollsystems geprüft werden.87 Insofern überrascht es, wenn IDW PS 261 zugleich formuliert, der Abschlussprüfer habe sich an der konkreten Ausgestaltung des internen Kontrollsystems durch das Management lediglich „zu orientieren“.88 Etwas verständlicher wird diese Vorgabe dann, wenn die Prüfungstätigkeit auf diejenigen Teile des internen Kontrollsystems beschränkt wird, die die Ordnungsmäßigkeit und Verlässlichkeit der Rechnungslegung gewährleisten sollen. Ausgeklammert werden dürfen hingegen solche Bereiche des internen Kontrollsystems, „die auf die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmun86  Oben

sub A.II. PS 261 Rz. 40. 88  IDW PS 261 Rz. 40. 87  IDW

254 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

gen oder die Sicherstellung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der unternehmensinternen Abläufe gerichtet sind“.89 Diese Beschränkung erklärt sich zwanglos aus der gesetzlichen Pflicht des Abschlussprüfers, das interne Kontrollsystem nur im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu prüfen. Durch die Aussparung der anderen genannten Bereiche wird deutlich, dass IDW PS 261 gerade die Überwachungstätigkeit des Abschlussprüfers im Blick hat und nicht die des Aufsichtsrats, zu dessen Aufgaben auch und gerade die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung gehört. Dieser Eindruck setzt sich fort, wenn der Standard konkretere Vorgaben für die Durchführung der Aufbauprüfung macht. So hat der Abschlussprüfer zu beurteilen, ob die für die Rechnungslegung relevanten Risiken von dem jeweiligen Unternehmen zutreffend erfasst und entsprechend bei der Entwicklung des internen Kontrollsystems berücksichtigt wurden.90 Zutreffend erwähnt der Standard selbst, dass sich die Risikobeurteilungen des Unternehmens und diejenigen des Abschlussprüfers unterscheiden können.91 Denn – so heißt es weiter – das Unternehmen führe Risikobeurteilungen durch, um solche Risiken festzustellen, die der Erreichung des Unternehmensziels entgegenstehen, während dem Abschlussprüfer daran gelegen ist, die Rechnungslegung des Unternehmens verlässlich beurteilen zu können. Der Abschlussprüfer überprüft die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung, also insbesondere die Übereinstimmung von Jahres- und Konzernabschluss und der dazugehörigen Lageberichte mit den gesetzlichen Vorschriften. Der Vorstand muss sicherstellen, dass das Unternehmensziel gewahrt wird und ist deshalb darum bemüht, auch und vor allem die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensprozesse zu gewährleisten. Hierauf erstreckt sich entsprechend die Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Eine ganze Reihe von Vorgaben des Standards beschäftigt sich deshalb ausführlich mit Kontrollaktivitäten, die die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung sicherstellen sollen.92 Sie müssen durch das interne Kontrollsystem nachprüfbar vorgegeben werden. Beispielsweise können diese Aktivitäten darin bestehen zu prüfen, ob bestimmte Vermögensgegenstände und Schulden zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich vorhanden waren, ob sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zutreffend dem Unternehmen zugeordnet waren,93 Geschäftsvorfälle und Ereignisse im Unternehmen zutreffend 89  IDW

PS 261 Rz. 42. PS 261 Rz. 45. 91  IDW PS 261 Rz. 48. 92  Hierzu und zum Weiteren IDW PS 261 Rz. 53. 93  Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung gem. §  246 Abs. 1 S. 2, S. 3 HGB. 90  IDW



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261255

und erst nach ihrem tatsächlichen Eintreten dokumentiert wurden und ob sie zutreffend bewertet wurden. Nur sehr knapp sieht der Standard vor, dass die Überwachung des internen Kontrollsystems selbst durch den Abschlussprüfer geprüft werden soll. Beispielhaft wird aufgezählt, sie könne durch die interne Revision, einen externen Prüfer oder spontane Prüfungen der gesetzlichen Vertreter selbst vorgenommen werden. Als konkrete Prüfungshandlungen im Rahmen der Aufbauprüfung werden genannt:94 – Befragungen von Mitarbeitern des Managements und anderen Mitarbeitern auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen – Durchsicht von verschiedenen Unterlagen wie Organisationshandbüchern und Arbeitsplatzbeschreibungen – Die Beobachtung von Arbeitsabläufen im Unternehmen b) Funktionsprüfung Neben die Aufbauprüfung tritt die Funktionsprüfung. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass das theoretisch entwickelte interne Kontrollsystem praktisch tatsächlich funktioniert. Dazu wird die Art und Kontinuität der Anwendung der organisatorischen Regelung durch die im Unternehmen hierfür jeweils verantwortlichen Personen untersucht. IDW PS 261 sieht hierzu wiederum unterschiedliche Maßnahmen vor, die der Abschlussprüfer wahrnehmen kann. Wieder handelt es sich um die Befragung von Mitarbeitern, die Durchsicht von Nachweisen über die Durchführung von Maßnahmen, die Beobachtung von Mitarbeitern, die einzelne Kontrollmaßnahmen durchführen, sowie die Auswertung zahlreicher Unterlagen.95 Zugleich wird darauf hingewiesen, dass eigene Prüfungshandlungen in der Regel aussagekräftiger seien als die Verwertung von Aussagen Dritter.96 2. Kritische Würdigung Die Vorgaben des IDW PS 261 zur Überwachung des internen Kontrollsystems zum Maßstab für die Arbeit des Aufsichtsrates zu erheben, begegnet unter verschiedenen Aspekten rechtlichen Bedenken. Sie entzünden sich insbesondere an den umfassenden Maßnahmen zur Ermittlung von Informationen über die Funktionsweise des internen Kontrollsystems. 94  IDW

PS 261 Rz. 61. PS 261 Rz. 73. 96  IDW PS 261 Rz. 76. 95  IDW

256 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

a) Zeitliche Überforderung Der erste Aspekt betrifft die Intensität des Arbeitsaufwandes, den die vorgesehenen Maßnahmen für den Aufsichtsrat verursachen. In diesem Zusammenhang ist auf die Konzeption der Aufsichtsratstätigkeit als Nebenamt hinzuweisen, wie sie oben dargestellt wurde.97 Es liegt nahe, dass eine derart intensive Prüfung zahlreicher Einzelmaßnahmen wie der Befragung von Mitarbeitern und der persönlichen Begleitung von Prozessabläufen für einen Aufsichtsrat, der daneben auch noch das Risikomanagementsystem, das interne Revisionssystem, die Compliance und vor allem die Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung zu überwachen hat, aber ehrenamtlich tätig ist und lediglich im Schnitt alle zwei Monate zusammentritt, nicht mehr geleistet werden kann. Für den Abschlussprüfer, auf den IDW PS 261 zugeschnitten ist, sind sie leichter möglich. Denn dieser nimmt Kontrollaufgaben im Unternehmen zwar nicht ständig, dafür aber mit mehr fachlich hoch spezialisiertem Personal und folglich intensiver wahr.98 b) Informationsrechte des Aufsichtsrats Der zweite Aspekt betrifft die Frage, ob die vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen dem Aufsichtsrat überhaupt als zulässige Informationsquelle zustehen. Kernelement der Aufsichtsratsinformation sind – wie bereits angeklungen ist99 – die Berichte des Vorstandes gem. § 90 AktG. „Sie bilden die erste Säule der Information des Aufsichtsrats, der selbst nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist und deshalb nicht über Informationen aus eigener Anschauung verfügt.“100 Hinzu tritt der Abschlussprüferbericht an den Aufsichtsrat. Die Tätigkeit des Abschlussprüfers ist primär rechnungslegungsbezogen, hat jedoch in den vergangenen Jahren mehr und mehr Relevanz für die allgemeine Corporate Governance erlangt.101 Dies liegt vor allem an einer Erweiterung der Berichtspflichten des Abschlussprüfers in § 321 Abs. 2 S. 2 HGB durch das TransPuG 2002. Demnach hat der Abschlussprüfer dem Aufsichtsrat auch über solche Vorgänge zu berichten, die nicht zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks geführt haben, aber für die Überwachung der Geschäftsführung von Bedeutung sind. Dadurch gewinnt der Prüfungsbericht unmittelbar an Bedeutung für die Arbeit des Aufsichts97  Sub

A.II. überzeugend Ekkenga, in: KK-AktG, § 171 Rn. 4. 99  Oben sub A.II. 100  Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 143. 101  Ausführlich Mattheus, in: Handbuch Corporate Governance, S. 563, 681 ff.; knapper Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 321 Rn. 4 f. 98  So



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rats.102 Ergänzt wird die Berichtspflicht durch eine mündliche Redepflicht,103 die auch den Bericht zu den wesentlichen Schwächen des internen Kontrollund Risikomanagementsystems bezogen auf den Rechnungslegungsprozess umfasst. Ob dem Aufsichtsrat darüber hinaus vorstandsunabhängige Informationsquellen zustehen, ist in der Literatur stark umstritten. aa) Traditionelles Verständnis: Kein Recht zur Befragung von Angestellten unterhalb der Vorstandsebene Die tradierte aktienrechtliche Meinung geht davon aus, dass ein direkter Zugriff des Aufsichtsrats auf Mitarbeiter in der Regel nicht zulässig ist.104 Denn ein solches Vorgehen entspreche nicht dem Bild von der Arbeit des Aufsichtsrates, wie es eine Zusammenschau der aktienrechtlichen Organisationsregeln ergibt. Danach hat der nebenamtlich tätige Aufsichtsrat die größeren Zusammenhänge der Unternehmensleitungstätigkeit zu überwachen, wobei diese Überwachungsaufgabe insbesondere durch die Berichtspflichten des § 90 AktG konkretisiert werde. Daraus ergebe sich, dass die Informationen des Aufsichtsrats ex lege vorstandsabhängige Informationen sind. Ein Recht zur Einholung vorstandsunabhängiger Informationen bestehe nur in Ausnahmefällen, und zwar insbesondere dann, wenn die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht funktioniert, weil der Vorstand auch auf Mahnungen des Aufsichtsrats hin seiner Informationspflicht nicht nachkommt.105 In allen anderen Fällen bestehe die Gefahr, dass die Informationsbeschaffung am Vorstand vorbei dessen Autorität untergrabe und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Aufsichtsrat empfindlich störe.106 Nach dieser Ansicht scheidet ein direkter Zugriff auf 102  Zu den Erwartungen des Aufsichtsrats an den Abschlussprüfer allgemein auch Müller, WPg 2010, 95 ff.; zu ihrem tatsächlichen Nutzen empirisch Köhler / Ruhnke / Schmidt, DB 2011, 773 ff. 103  § 171 Abs. 1 S. 2 AktG. 104  Bachmann, VGR 2007, 65, 93; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 6 Rn. 246; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 309; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 111 Rn. 55 m. w. Nachw.; Semler, Leitung und Überwachung der AG, § 6 Rn. 172; Spindler, in: Spindler  /  Stilz, § 111 Rn. 36; Steinbeck, Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, S. 135 f.; ausführlich zum Meinungsstand Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 504 ff. sowie Merkt / Köhrle, IR 2004, 222 ff.; zu den Gründen der bisher h. M. übersichtlich auch Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 160 f. 105  Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 309; Steinbeck, Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, S. 135. Zu den Gründen der bisher h. M. zusammenfassend nochmals Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 160 f. 106  Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 309; Steinbeck, Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, S. 135.

258 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

die Überwachungssysteme des Vorstands, wie er in IDW PS 261 vorgesehen ist, aus. Auch hinsichtlich der Frage nach dem Kontrollumfeld bliebe demnach der Aufsichtsrat auf die Berichte des Vorstandes beschränkt. Nichts anderes gilt nach dieser Ansicht für die Prüfungs- und Einsichtnahmerechte des Aufsichtsrats gem. § 111 Abs. 2 S. 1 AktG. Es obliege dem Vorstand, die seiner Ansicht nach erforderlichen Informationen oder die bei ihm abgefragten Informationen in der von ihm für richtig gehaltenen Form an den Aufsichtsrat weiterzuleiten, sie also zuvor insbesondere zu interpretieren und entsprechend zu steuern.107 Entsprechend ist hiernach der Aufsichtsrat gerade nicht an Managementinformationssystemen zu beteiligen.108 Demnach wäre der Aufsichtsrat bei seiner Prüfung des internen Kontrollsystems auf die Angaben beschränkt, die der Vorstand macht. Er könnte sich durch die Auswertung der Vorstandsdokumentation auch kein eigenes Bild etwa davon machen, wie die Zusammenarbeit und der Austausch mit der internen Revision ablaufen.109 Auch eine Befragung der Mitarbeiter des Unternehmens müsste ohne das Vorliegen besonderer besorgniserregender Anlässe scheitern. bb) Neuere Ansätze: Recht zur Befragung der Angestellten Demgegenüber versteht eine jüngere, inzwischen weit verbreitete Ansicht die Zugriffsmöglichkeiten des Aufsichtsrats auf Informationssysteme und Mitarbeiter weiter. Demnach hat er in gewissem Rahmen auch das Recht zur Einholung vorstandsunabhängiger Informationen.110 Für deren Erforderlichkeit lassen sich schon ökonomische Gründe anführen, vor allem die Vermutung prinzipieller Unvollkommenheit von Informationen, die allein vom Vorstand und damit vom Agenten111 des Aufsichtsrats zusammengestellt wer-

107  Mertens, in: KK-AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 42; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 309. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 6 Rn. 243, bezeichnen das Einsichtnahmerecht als ultima ratio; Semler, Leitung und Überwachung der AG, § 6 Rn. 174. Ausführlich zum Meinungsstand auch hier Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 408 ff. 108  Mertens, in: KK-AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 42. 109  Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 320. 110  Insbesondere Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 505 f.; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 182 ff.; ferner Ekkenga, in: KK-AktG, § 171 Rn. 10; Habersack, in: MK-AktG, § 111 Rn. 68; Kropff, NZG 2003, 346, 349. Eine Übersicht zum Meinungsstand findet sich bereits bei Merkt / Köhrle, IR 2004, 222 ff. 111  Zum principal-agent-Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zusammenfassend zur ökonomischen und juristischen Perspektive Leyens, Information des Aufsichtsrats,  S.  17 ff.



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261259

den.112 Auch das weite Verständnis vom Aufsichtsrat als beratendem Organ,113 wie es unter anderem der BGH vertritt,114 spricht dafür, die Beschränkung auf vorstandsabhängige Informationen aufzugeben. Des Weiteren findet dieses Postulat eine Stütze in der Empfehlung der EU-Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats vom 15.2.2005, wonach der Prüfungsausschuss das Recht haben sollte, mit jeder für seine Aufgaben relevanten Person auch ohne Beisein von geschäftsführenden Direktoren oder Vorständen sprechen zu können.115 Nach dieser Stellungnahme wäre es dem Aufsichtsrat weder verwehrt, Mitarbeiter des Unternehmens direkt anzusprechen noch Einsicht in die Unterlagen insbesondere der internen Revision zu nehmen. Die neuere Ansicht hält es ferner nicht mehr für ausgeschlossen, dass der Aufsichtsrat sich ein Bild von den Managementsystemen macht und dazu direkt Einblick in die zugehörigen Unterlagen und die Dokumentation der Abläufe nimmt.116 Um ein solches System handelt es sich insbesondere bei der internen Revision, aber auch beim internen Kontrollsystem. cc) Unterscheidung zwischen Systemüberwachung und Überwachung von Einzelmaßnahmen Bedenken hinsichtlich der selbständigen Informationsermittlung des Aufsichtsrates durch eigene Beobachtungen und Befragungen können sich zusätzlich unter dem Gesichtspunkt ergeben, dass der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat in § 107 Abs. 3 S. 2 die Überwachung von Kontrollsystemen und nicht die Überwachung einzelner Kontrollmaßnahmen übertragen hat. Die ausdrückliche Erwähnung von Überwachungssystemen in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG stellt zwar keine grundsätzliche Neuheit im aktienrechtlichen Begriffsgefüge dar, spricht ja auch der bereits 2002 eingefügte § 91 Abs. 2 AktG von einem System, das einzurichten ist. Gerade als Aufgabe des Aufsichtsrats aber wird die Frage danach, was Überwachungssystem und Systemüberwachung sei, nunmehr durch die gesetzliche Regelung virulent. So regte sich Kritik in der Literatur,117 als im Referentenentwurf zum BilMoG 112  Leyens,

Information des Aufsichtsrats, S. 160. oben sub A.I. 114  BGH, Urteil v. 25.3.1991, Az. II ZR 188 / 89, BGHZ 114, 127, 130. 115  Anhang I Ziff. 4.3.3. Satz 2, ABl. EG Nr. L 052 v. 25.5.2005, S. 52 ff.; darauf weist auch Marsch-Barner, FS Schwark, 219, 221 hin. 116  Hopt / Roth, in: GK-AktG, § 111 Rn. 511  ff.; S. H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten, S. 106 f. 117  Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts v. 21.12.2007 zum Referentenentwurf des BilMoG, S. 2. 113  Dazu

260 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG-Entwurf eine Überwachung nicht des internen Revisionssystems, sondern der internen Revision selbst vorsah – er wurde entsprechend im Regierungsentwurf geändert. Gleichwohl wird teilweise die Auffassung vertreten, es gäbe zwischen der Überwachung der internen Revision und des internen Revisionssystems keinen Unterschied.118 Dem ist zu widersprechen. Denn es ist ein erheblicher Unterschied, ob die im Unternehmen handelnden Personen, insbesondere seine Repräsen­ tanten,119 selbst durch den Aufsichtsrat überwacht werden oder nur die Maßnahmen, die der Vorstand getroffen hat, um dessen Fehlverhalten zu verhindern. Je größer die Zahl potentiell überwachungspflichtiger Angestellter wird, desto mehr wird erforderlich, nicht nur einzelne Überwachungsmaßnahmen, sondern ganze Überwachungsstrukturen zu schaffen,120 die sich ohne weiteres als Überwachungssystem bezeichnen lassen. Die Unterscheidung zwischen der Überwachung von Einzelmaßnahmen und Überwachungssystemen hat aber noch einen zweiten Aspekt: Einzelmaßnahmen können nur retroaktiv überwacht werden, wenn die Überwachung prozessunabhängig stattfindet, der Überwachende im Zeitpunkt der Ausführung also nicht selbst dabei ist. Sie kommt deshalb oft zu spät, erlaubt daher keine präventive Überwachung.121 Überwachungssysteme schaffen hingegen Voraussetzungen, insbesondere in Form von Regeln, die im Idealfall steuernd wirken und außerdem bereits im Vorfeld kontrolliert werden können. Darüber hinaus dient die Unterscheidung der Überwachung von Einzelmaßnahmen und der Systemüberwachung der Wahrung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung. Denn die Überwachung von Einzelmaßnahmen innerhalb der Gesellschaft gehört zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes,122 sodass fraglich ist, ob der Aufsichtsrat hierzu überhaupt ein Mandat hat. Eine mögliche Systemeinrichtungspflicht wiederum kann als Pflicht des 118  Krasberg,

Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 187. juristischen Person wird nicht nur das Handeln ihrer Organe gem. § 31 BGB, sondern auch das ihrer Repräsentanten zugerechnet, BGH, Urteil v. 30.10.1967, Az. VII ZR 82 / 65, NJW 1968, 391, 392, Merkt, in: MK-GmbHR, § 13 Rn. 34; Reuter, in: MK-BGB, § 31 Rn. 3 ff.; Weik, in: Staudinger, § 31 Rn. 24 ff. Dahinter steht der Gedanke, dass es für den Rechtsverkehr keinen Unterschied machen soll, ob Aufgaben arbeitsteilig erledigt werden oder nicht, Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 84, was im Ergebnis auf die Gleichstellung von natürlicher und juristischer Person in Haftungsfragen hinausläuft, Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 601 ff., insbesondere S. 608 f., zusammenfassend S. 781 ff. 120  Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 111; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 47; Spindler, in: MK-AktG, § 91 Rn. 19. 121  Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 8 Rn. 40. 122  Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 800; Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1119 f. 119  Der



B. Beschreibung des internen Kontrollsystems durch IDW PS 261261

Vorstandes vom Aufsichtsrat überwacht werden. Zumindest rechtstatsächlich dürfte außerdem ein berechtigtes Interesse des Vorstands an der Begrenzung der eigenständigen Informationsermittlung durch den Aufsichtsrat bestehen. Denn in der Praxis sind es offenbar häufig Unternehmensleiter anderer Unternehmen, die im Nebenamt dem Aufsichtsrat angehören. Zwar verpflichten §§ 93 Abs. 1, 116 Abs. 1 AktG den Aufsichtsrat strafbewährt123 zur Verschwiegenheit, doch ist eine gewisse Skepsis gegenüber der Vorstellung wohl angezeigt, kein Aufsichtsrat werde in dieser Funktion gewonnene Erkenntnisse auf die eine oder andere Art verwerten.124 Daraus lässt sich nicht ohne weiteres ein Informationsverweigerungsrecht des Vorstands ableiten,125 aber doch ein Argument für die Aufrechterhaltung der organisationsrechtlichen Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat.126 Als Ergebnis kann deshalb festgehalten werden: Entgegen teilweise vertretener Auffassungen besteht ein Unterschied zwischen der Überwachung von Einzelmaßnahmen – dazu können auch ganze Abteilungen gehören – und der Überwachung von Überwachungssystemen, die der Vorstand eingerichtet hat. Deshalb ist der These zu widersprechen, die Überwachung der internen Revision sei mit der Überwachung des internen Revisionssystems gleichzusetzen. Der Gesetzgeber hat diesen Unterschied ebenfalls erkannt und daher in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG nur eine Systemüberwachung vorgesehen. c) Fazit Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Grenzen, die sich vor allem aus dem aufsichtsratsrechtlichen Trennungsprinzip ergeben, erscheint eine Übertragung der für den Abschlussprüfer verfassten Vorgaben des IDW PS 261 auf die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats zumindest bedenklich. Denn selbst die jüngere Ansicht, die weniger stark auf vorstandsabhängige Informationen fokussiert und dem Aufsichtsrat auch andere Informationsquellen zugestehen will, würde wohl nicht so weit gehen, umfassende systematische Beobachtungen der Arbeitsabläufe innerhalb des Unternehmens nebst Mitarbeiterbefragungen zuzulassen. So vertreten beispielsweise auch Hopt / Roth, die sehr weitgehend für die Zulässigkeit vorstandsunabhängiger 123  § 404

Abs. 1 Nr. 1 AktG. in: KK-AktG, Vorb § 94 Rn. 16. 125  Kort, in: GK-AktG, § 90 Rn. 109; a.  A. insofern Mertens / Cahn, in: KKAktG, Vorb § 94 Rn. 16. 126  Anders aber Ekkenga, in: KK-AktG, § 171 Rn. 10, der eine stärkere Einbindung „des Aufsichtsrats in die Kontrolle der Operative“ seit dem BilMoG konstatiert und daraus weitreichendere Kompetenzen und das Desiderat verbesserter personeller Mittelausstattung herleitet. 124  Mertens / Cahn,

262 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Information des Aufsichtsrats eintreten, den Standpunkt, ein Informationsniveau, das demjenigen des Vorstands vergleichbar ist, sei zu weitgehend.127 Auch wird die Regelung entsprechender Informationsrechte in einer Informationsverordnung, die auch die entsprechende Zustimmung des Aufsichtsrats beinhaltet, zumindest insofern dringend empfohlen, als andernfalls mangels eigenen Weisungsrechts des Aufsichtsrats keine Pflicht für die Angestellten besteht, auf Fragen auch tatsächlich zu antworten.128 Der Streit zwischen den verschiedenen Ansichten muss hier nicht entschieden werden, er belegt aber, dass eine Übereinstimmung der nach IDW PS 261 vorgesehenen Prüfungsmaßnahmen mit dem geltenden Recht zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates nicht bedenkenlos bescheinigt werden kann. Die vorgeschlagenen Maßnahmen überraschen aber auch dann noch, wenn sie allein an den Abschlussprüfer adressiert sind. Denn auch der Abschlussprüfer darf nach allgemeiner Meinung zumindest nicht ohne die Zustimmung der Unternehmensleitung auf Mitarbeiter des zu prüfenden Unternehmens als Informationsgeber zugreifen.129 In der Praxis ist es aber offenbar üblich, dass eine entsprechende Zustimmung im Zuge der Prüfungsvorbereitung eingeholt wird und Angestellte durch die Geschäftsleitung zur Auskunftserteilung angewiesen werden.130

IV. Zusammenfassung Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Vorgaben zur Ausgestaltung des internen Kontrollsystems nach IDW PS 261 stark auf den Rechnungslegungsprozess bezogen sind. Die vom Standard vorgesehenen Maßnahmen zur Überprüfung des internen Kontrollsystems sind auf die jährliche Tätigkeit des Abschlussprüfers zugeschnitten. Im Hinblick auf die Rechnungslegung sind die Vorgaben sehr weitgehend, bezogen auf andere Überwachungsfelder, insbesondere die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung, macht der Standard hingegen kaum Vorgaben. Die 127  Hopt / Roth,

in: GK-AktG, § 111 Rn. 188. in: GK-AktG, § 111 Rn. 517; die Erforderlichkeit einer Informationsordnung als Grundlage für ein solches Fragerecht betonend Dreher, ZGR 2010, 496, 523; ohne jede Einschränkung für ein Fragerecht S. H. Schneider, Informa­ tionspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten, S. 106 f. 129  Bormann, in: MK-BilR, § 320 Rn. 23; Burg / W. Müller, in: KK-Rechnungs­ legungsrecht, § 320 Rn. 16; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 320 Rn. 11; Hopt / Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 320 Rn. 2. 130  Burg / W. Müller, in: KK-Rechnungslegungsrecht, §  320 Rn. 16; Förschle /  Heinz, in: BeckBilKomm, § 320 Rn. 11; Habersack / Schürnbrand, in: GK-HGB, § 320 Rn. 11. 128  Hopt / Roth,



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340263

Einzelnen vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen gehen ebenfalls von einer lediglich jährlichen, dafür aber sehr intensiven Überwachungstätigkeit aus. Ihre Übertragbarkeit auf die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats erscheint vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Kompetenzordnung zumindest sehr zweifelhaft. Damit scheidet der Standard als safe harbour rule aus. Somit kann IDW PS 261 nicht unbesehen der aufsichtsratsrecht­ lichen Überwachung zugrunde gelegt werden.

C. Das Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340131 Als Reaktion auf das Inkrafttreten des KonTraG132 hat das IDW seinen Standard IDW PS 340 Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB veröffentlicht. Bereits die Überschrift ist geeignet, Verwirrung hervorzurufen.133 Denn zum einen spricht sie von einem „Risikofrüherkennungssystem“ und verwendet damit einen anderen Terminus als §§ 91 Abs. 2 AktG, 317 Abs. 4 HGB, die statt auf „Risiken“ auf „Entwicklungen“ abstellen, welche erkannt werden sollen. Zum anderen verwendet der Standard aber auch nicht die in der betriebswirtschaftlichen Forschung geläufige Formulierung „Risikomanagementsystem“, sondern nähert sich mit dem Begriff des Risikofrüherkennungssystems der gesetzlichen Wortwahl an. Im Ergebnis handelt es sich um eine Begriffsschöpfung, deren Grund sich dem Leser nicht erschließt. Darauf wird sogleich zurückzukommen sein. Der Standard ist in fünf Abschnitte unterteilt: (1) Vorbemerkung, (2) Die Abgrenzung der Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG vom gesamten Risikomanagementsystem, (3) Die Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG als Prüfungsgegenstand, (4) Die Prüfung von Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG und (5) Besonderheiten der Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG bei Konzernen. Für die Beschreibung des Risikomanagementsystems sind folglich insbesondere die Abschnitte (2) und (3) von Interesse.

131  IDW

PS 340 i.d.F. vom 11.9.2000. 13 / 9712. 133  So auch Baums, ZGR 2011, 218, 272 in Fn. 212 und unter Berufung darauf Bunting, ZIP 2012, 357, 358: „Deshalb ist auch die Bezeichnung „Früherkennungssystem“ im IDW PS 340 zumindest missverständlich“; ferner Kort, ZGR 2010, 440, 451. 132  BT-Drucks.

264 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

I. Die Vorgaben des Standards 1. Anwendungsbereich Die Vorbemerkung verzichtet zunächst auf die übliche Formulierung zur Bedeutung des Standards für den Wirtschaftsprüfer134 und macht statt­ dessen einige allgemeine Erläuterungen zur Einführung des § 91 Abs. 2 AktG durch das KonTraG. Das verdient deshalb Beachtung, weil das IDW den Anwendungsbereich des Standards nicht ausdrücklich mit der üblichen Formulierung auf die gesetzlichen Prüfungsanlässe der Wirtschaftsprüfer beschränkt. Allerdings übernimmt diese Funktion bereits der Titel des Standards. Sein Gegenstand ist demnach ausschließlich das Prü­ fungsprogramm des Abschlussprüfers, wie es sich aus § 317 Abs. 4 HGB ergibt. 2. Risikobegriff und Arten von Risiken Im zweiten Abschnitt wird zunächst das Risiko definiert. Es wird dabei in einem eher umgangssprachlichen Sinne verstanden als „die Möglichkeit ungünstiger künftiger Entwicklungen“.135 Das ist nicht zwingend. Risiko als Gegenstand eines Abwägungsvorgangs ist begrifflich konkretisierungsbedürftig. Dazu lassen sich unterschiedliche Risikodefinitionen in der Literatur ausmachen.136 Umgangssprachlich wird Risiko tatsächlich häufig als Möglichkeit des Eintritts eines negativen Ereignisses verstanden.137 Dieses Verständnis liegt auch dem Risikobegriff des KonTraG138 zugrunde, da in § 289 Abs. 1 S. 4 den Risiken ausdrücklich Chancen gegenüberstehen, diese also nicht im Risikobegriff aufgehen.139 Allgemeiner und neutraler definiert die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie das Risiko als einschätzbare, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintretende, aber noch nicht eingetretene Abweichung von einem mit einer Aktion verfolgten Ziel.140 Eine entsprechende Formulierung verwendet auch der ISO Standard 134  Zum

typischen Aufbau eines IDW-Standards Kapitel 1 B.I.2. PS 340 Rz. 3. 136  Hierzu und zum folgenden mit Nachweisen Baums, ZGR 2011, 218, 222. 137  So Baums, ZGR 2011, 218, 222; auch Pampel / Krolak, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 16 Rn. 36; auch im anglo-amerikanischen Sprachraum, dazu Leitch, Risk Analysis, Vol. 30, No. 6; 2010, pp. 887, 890. 138  BT-Drucks. 13 / 9712. 139  Palmes, Der Lagebericht, S. 53. 140  Übersichtlich zu den unterschiedlichen Risikobegriffen Brünger, Nutzenkonsistente Risikopriorisierung, S. 7 ff. 135  IDW



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340265

31000:2009 Risk Management – Principles and Guidelines.141 Ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts nicht messbar, handelt es sich bei der Entscheidung für oder gegen die fragliche Aktion um eine Entscheidung unter Ungewissheit. In diesem Fall kann mit Hilfe der wissenschaftlichen Entscheidungslehre die Messbarkeit der Eintrittswahrscheinlichkeit durch zumindest rationale Entscheidungsregeln ersetzt werden.142 Auffällig ist, dass der Standard seine sehr allgemeine Risikodefinition nicht näher konkretisiert. Allerdings muss im Zuge einer entsprechenden Kritik beachtet werden, dass Risiken vor allem seit der Finanzkrise im Jahre 2008 als Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussion in den Fokus gerückt sind – IDW PS 340 ist älter. Diese Diskussion hat erste Ergebnisse gezeitigt. Risiken in diesem Sinne lassen sich typologisch einteilen.143 Unterschieden werden können etwa rechtliche und ökonomische Risiken,144 einzelprojektbezogene und bestandsgefährdende Risiken145, unabhängige Risiken und „Klumpenrisiken“146. Eine derartige typologische Differenzierung und Systematisierung ist zwar keineswegs zwingend erforderlich; für den Anwender des IDW PS 340 könnte sie aber nützlich sein. Dass sie fehlt, ist deshalb umso überraschender, als der Standard teilweise sehr wohl einzelne Beispiele enthält, insbesondere das Risiko schwankender Fremdwährungen besonders herausstellt.147 Gerade eine Unterscheidung von rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Risiken könnte hier bei den Anwendern für höheres Problembewusstsein sorgen. 141  Wiedergegeben bei Purdy, Risk Analysis, Vol. 30 Nr. 6, 2010 pp. 881, 882: „(…) risk is the consequence of an organization setting an pursuing objectives against an uncertain environment. The uncertainty arises from those internal and external factors and influences that it does not completely control but that may cause the organization to fail to achieve its objectives or may cause delay. (…). Risk therefor is neither positive nor negative but the consequences the organization experiences may vary from loss and detriment to gain and benefit.“ 142  Baums, ZGR 2011, 218, 222 f. 143  Auch hierzu nochmals Baums, ZGR 2011, 218, 223. 144  Diese Unterscheidung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil Verstöße gegen Rechtsnormen nicht ohne weiteres dadurch gerechtfertigt werden können, sie wären dem Unternehmen im Einzelfall nützlich („Legalitätspflicht“ des Vorstandes), ausführlich aus jüngerer Zeit etwa Thole, ZHR 173 (2009), 504, 513 ff. 145  Während die Realisierung eines nur einzelprojektbezogenen Risikos zwar den konkreten Erfolg des Projekts vereiteln kann, führt der Eintritt eines bestandsbezogenen Risikos zu einer Gefährdung des ganzen Unternehmens, vgl. Baums, ZGR 2011, 218, 227 f. 146  Sogenannte Klumpenrisiken liegen vor, wenn große Teile des Anlagevermögens nur in einige wenige Titel investiert werden oder wenn viele Einzelanlagen eines Portfolios in ihrer Wertentwicklung eine hohe positive Korrelation aufweisen, näher Fleischer / Schmolke, ZHR 173 (2009), 649, 656; auch Baums, ZGR 2011, 218, 240. 147  IDW PS 340 Rz. 9.

266 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

3. Risiko und bestandsgefährdende Entwicklungen Sodann unterscheidet der Standard (nunmehr unter Verwendung der zutreffenden gesetzlichen Formulierung) nach bestandsgefährdenden Entwicklungen und allgemeinen Risiken. Dem allgemeinen Risikomanagementsystem kommt nach IDW PS 340 die Aufgabe zu sicherzustellen, „daß bestehende Risiken erfaßt, analysiert und bewertet sowie risikobezogene Informationen in systematisch geordneter Weise an die zuständigen Entscheidungsträger weitergeleitet werden.“ Die durch die Risikoerfassung und Risikoanalyse gewonnenen Erkenntnisse führten zu Maßnahmen, die nach IDW PS 340 entweder auf Risikovermeidung oder Risikoakzeptanz abzielten. Schließlich gehöre zu dem allgemeinen Risikomanagement auch ein Überwachungssystem, das die Einhaltung der getroffenen Maßnahmen überwacht. Ferner sei „die Reaktion des Vorstands auf die vom Risikofrüherkennungssystem erfaßten, analysierten und kommunizierten Risiken“ festzustellen.148 Demgegenüber ist das Risikofrüherkennungssystem im Verständnis des IDW PS 340 „auf einen wichtigen Teilaspekt des Risikomanagements ausgerichtet. Es hat sicherzustellen, daß diejenigen Risiken und deren Veränderungen erfaßt werden, die in der jeweiligen Situation des Unternehmens dessen Fortbestand gefährden können.“149 Ausdrücklich ausgenommen sind deshalb die Erfassung der Reaktion des Vorstandes auf kommunizierte Risiken und die Beurteilung, „ob die von nachgeordneten Entscheidungsträgern eingeleiteten oder durchgeführten Handlungen zur Risikobewältigung bzw. der Verzicht auf solche sachgerecht oder wirtschaftlich sinnvoll sind“.150 IDW PS 340 berücksichtigt damit eine Abgrenzungsfrage, die in der Literatur stark umstritten ist. Gem. § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand „insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ In der Gesetzesbegründung zum KonTraG, mit dem diese Vorschrift in das Aktiengesetz eingefügt wurde, findet sich dazu die Formulierung, mit der Vorschrift solle „die Verpflichtung des Vorstandes, für ein angemessenes Risikomanagement zu sorgen“, verdeutlicht werden.151 Vor dem Hintergrund dieser beiden Formulierungen entwickelte sich in der Literatur ein Streit darüber, welchen Umfang dieses „Früherkennungssystem“ haben müsse. Während die Vertreter insbesondere der betriebswirtschaftlichen Forschung den hier bereits etablierten Begriff des Risikomanagements aus der Gesetzesbegrün148  IDW

PS 340 Rz. 4. PS 340 Rz. 5. 150  IDW PS 340 Rz. 6. 151  BT-Drucks. 13 / 9712,  S.  15. 149  IDW



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340267

dung bemühten und daraus folgerten, es wäre ein umfassendes Risikomanagementsystem einzurichten,152 stellte die juristische Literatur vor allem auf den Wortlaut des Gesetzes ab, der allein ein System zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen verlangt.153 Der Streit braucht hier nicht nochmals geführt zu werden. Allerdings sprechen seit der Einführung des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG und des Begriffes Risikomanagementsystem die besseren Gründe für eine Differenzierung zwischen diesem System und jenem zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen. Denn das Gesetz verwendet nunmehr beide Termini – das System zur Ermittlung bestandsgefährdender Entwicklungen in § 91 Abs. 2 AktG und das Risikomanagementsystem in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG. Damit lässt sich festhalten, dass dieses System nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG über jenes nach § 91 Abs. 2 AktG hinausgeht.154 4. Maßnahmen zur Risikoorganisation nach IDW PS 340 Zu den Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 zählt IDW PS 340 die Identifika­ tion sämtlicher Risiken aller Unternehmensbereiche, Funktionsbereiche und Hierarchiestufen insoweit, als sie zumindest darauf zu überprüfen sind, ob sie potenziell – auch im Zusammenwirken mit anderen Risiken – den Bestand des Unternehmens gefährden können. Der Standard verlangt eine Abgrenzung derjenigen Unternehmensbereiche, „aus denen Risiken in besonderem Maße resultieren können bzw. in die diese Risiken aus der Unternehmensumwelt hineinwirken.“155 Dabei sei eine Definition der Risiken bzw. Risikoarten vorzunehmen, die zu einer Bestandsgefährdung führen können. Es sei für jedes Unternehmen individuell zu entscheiden und in der Folgezeit laufend zu überprüfen, welche Risikofelder einzeln oder kumulativ oder in Wechselwirkung mit anderen bestandsgefährdend sein können.156 Im Hinblick auf die Risikoerkennung und die Risikoanalyse fordert der Standard, „daß sowohl im vornherein definierte Risiken, als auch – soweit möglich – Auffälligkeiten oder Risiken, die keinem vorab definierten Erscheinungsbild entsprechen, erkannt werden.“ Das setze „die Schaffung und Fortentwicklung eines angemessenen Risikobewußtseins aller Mitarbeiter 152  Lück, DB 1998, 1925 ff.; Oltmanns, in: Heidel, § 91 Rn. 6; Preußner / Becker, NZG 2002, 846, 848; differenzierend Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 427. 153  Baums, ZGR 2011, 218, 272; Dreher, FS Hüffer, S. 161, 162; Eckert, in: Wachter, § 91 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 91 Rn. 35; Hüffer, AktG, Rn. 9; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 55; Müller-Michaels, in: Hölters, § 91 Rn. 10; Spindler, in: MK-AktG, § 91 Rn. 27; Vetter, ZGR 2010, 751, 770. 154  So auch Gesell, ZGR 2011, 361, 371. 155  IDW PS 340 Rz. 7. 156  IDW PS 340 Rz. 8.

268 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

voraus“,157 insbesondere in den Unternehmensbereichen, die als besonders risikoanfällig eingeschätzt werden. Als Beispiel nennt der Standard die Situation, dass Liefer- und Abnehmerkontakte in wesentlichem Umfang in Fremdwährungen abgewickelt werden, was eine besondere Aufmerksamkeit der Mitarbeiter des Finanz- und An- bzw. Verkaufsbereichs für Währungsrisiken erfordere.158 Umfangreiche Vorgaben macht der Standard auch zur Risikokommunikation. Vor allem sei sicherzustellen, dass über unbewältigte Risiken berichtet werde und die dafür erforderliche Kommunikationsbereitschaft vorhanden ist. Auf jeder Stufe der Risikokommunikation sei durch die Festlegung von Schwellenwerten, deren Überschreiten eine Berichtspflicht auslösen muss, dafür Sorge zu tragen, dass auch einfache Risiken nicht zu einem bestandsgefährdenden Risiko kumulieren können.159 Die zuvor genannten Maßnahmen seien durch die Einrichtung eines geeigneten Überwachungssystems sicherzustellen. Hierfür empfiehlt der Standard „fest eingebaute Kontrollen, z. B. die Überwachung der Einhaltung von Meldegrenzen, die EDV-gestützte Überwachung der Einhaltung von Terminen, die Genehmigung und Kontrolle der Risikoberichterstattung und der Vergleich interner Daten mit externen Quellen.“ Ferner seien die Maßnahmen auch Gegenstand der Prüfung durch die interne Revision.160 Zu den Bestandteilen des Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG zählt IDW PS 340 außerdem die Dokumentation aller getroffenen Maßnahmen. Eine fehlende oder unvollständige Dokumentation führte zu Zweifeln an der dauerhaften Funktionsfähigkeit der getroffenen Maßnahmen. 5. Beurteilung der Eignung des IDW PS 340 zur Konkretisierung des Prüfungsgegenstands a) Kritik Die Vorgaben des IDW PS 340 gehen teilweise weit über das hinaus, was ein System zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen verlangt.161 Teilweise bleiben seine Vorgaben aber auch hinter den Anforde­ 157  IDW

PS 340 Rz. 9. PS 340 Rz. 9. 159  IDW PS 340 Rz. 11. 160  IDW PS 340 Rz. 16, dazu auch unten D.II. 161  Entgegengesetzter Ansicht auf Grundlage des betriebswirtschaftlichen Verständnisses eines Frühwarnsystems Pollanz, DB 2001, 1317, 1318; Hillebrand, Früherkennungs- und Überwachungssystem, S. 30 erkennt aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ebenfalls erhebliche Lücken, sieht diese aber durch den begrenzten 158  IDW



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340269

rungen zurück, die Rechtsprechung und Literatur in den vergangenen Jahren an die Risikoorganisation als Leitungsaufgabe entwickelt haben. Zur Kritik fordert die Art und Weise heraus, wie das System zur Ermittlung bestandsgefährdender Entwicklungen und das Risikomanagementsystem voneinander abgegrenzt werden. Denn auch wenn der Standard beides formell trennt, spricht der Umfang der vorgesehenen Maßnahmen dafür, dass letztlich doch ein umfassendes Risikomanagement erwartet wird. Schon die zweifelhafte Begriffswahl Risiko statt Entwicklungen vermag das zu exemplifizieren. Denn Entwicklungen sind gerade nicht vollständig deckungsgleich mit Risiken. Vielmehr sind sie schon dem Wortsinne nach Prozesse und Veränderungen, also nicht der Risikozustand an sich, sondern dessen Vertiefung.162 Zwar ist es zutreffend, dass für die Beurteilung einer Entwicklung die Kenntnis ihres Ausgangspunktes erforderlich ist, weshalb vertreten wird, dass doch stets eine umfassende Risikoermittlung erforderlich sei.163 In der Tat kann sich eine solche Pflicht schon aus § 76 AktG ergeben. Die Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems gem. § 91 Abs. 2 AktG bezieht sich aber nur auf das Erkennen bestandsgefährdender Entwicklungen, eine Tätigkeit, die schon dem Wortlaut nach hinter dem zurückbleibt, was ein Risikomanagementsystem an Risikoanalyse, Einschätzung, Gewichtung und Dokumentation zu leisten hat.164 Diese Kritik gilt ganz besonders für die Vorgabe des IDW PS 340, das Unternehmen habe umfassend Risikofelder zu definieren, für hinreichendes Risikobewusstsein zu sorgen sowie für die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikokommunikation. Hierbei handelt es sich zwar offenkundig um den Versuch, das Tatbestandsmerkmal geeignete Maßnahmen in § 91 Abs. 2 AktG zu konkretisieren, die Vorgabe geht aber in Inhalt und Diktion weit darüber hinaus. Die Vorschläge des Standards mögen durchaus willkommene Inspiration für die Geschäftsleitung sein, wenn sie es zur Wahrung ihrer Sorgfalt nach Lage der Dinge für erforderlich hält, ein Risikomanagement in bestimmter Weise einzurichten. Im Zusammenhang mit der expliziten Systemeinrichtungspflicht des § 91 Abs. 2 AktG sind sie jedoch viel zu detailliert: Verlangt wird von der Norm nur die Erfüllung eines „Minimalpro­ Anspruch des IDW PS 340, lediglich die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen gem. § 93 Abs. 1 AktG gewährleisten zu wollen, gerechtfertigt; wie hier Bunting, ZIP 2012, 358, 359. 162  Bunting, ZIP 2012, 357, 359; Eckert, in: Wachter, § 91 Rn. 7; Fleischer, in: Spindler / Stilz, §  91 Rn.  31; Kort, in: GK-AktG, § 91 Rn. 30; weiter aber Spindler, in: MK-AktG, § 91 Rn. 20, der auf die Erforderlichkeit einer Risikobestandsaufnahme als Ausgangspunkt zur Feststellung von Entwicklungen hinweist. 163  Spindler, in: MK-AktG, § 91 Rn. 20. 164  Ausführlich S. H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten, S. 261.

270 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

gramms“165, das insoweit der externen Prüfung durch den Abschlussprüfer unterliegt, das aber konkrete und systematisierte Vorgehen bei Risikoidentifikation, Risikobewertung und Risikoanalyse nicht umfasst.166 Die Formulierungen des IDW PS 340 hierzu suggerieren jedoch eine entsprechende Pflicht der Unternehmensleitung. Dem Leser des Standards ist es dabei nicht möglich zu unterscheiden, ob es sich tatsächlich um eine Rechtspflicht handelt, die der Standard lediglich referiert, oder lediglich eine Empfehlung des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.  V. Es handelt sich hierbei um eine Problematik, die bereits in Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex diskutiert wird. Dieser verwendet nicht immer die gesetzliche Formulierung, wenn es zu dem Zwecke, internationale Anleger zu informieren, schlicht gesetzliche Vorgaben paraphrasiert.167 Während der Kodex hier immerhin einigermaßen belastbare Abgrenzungskriterien anbie­ tet,168 überlässt das IDW die Anwender seiner Standards sich selbst. Im Ergebnis begeht das IDW hier „Etikettenschwindel“, weil entgegen eigener Beteuerungen doch ein umfassendes Risikomanagement verlangt wird.169 Dieser Befund wird gestützt durch die Tatsache, dass nur zwei vergleichsweise unbedeutende Teile des allgemeinen Risikomanagementsystems – Erfassung der Reaktion des Vorstandes auf kommunizierte Risiken und die Beurteilung, ob die von nachgeordneten Entscheidungsträgern eingeleiteten oder durchgeführten Handlungen zur Risikobewältigung bzw. der Verzicht auf solche sachgerecht oder wirtschaftlich sinnvoll sind – ausdrücklich ausgenommen sind. b) Schlussfolgerungen IDW PS 340 soll dem Abschlussprüfer vor Augen führen, welche Anforderungen an ein System zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu stellen sind, das er gem. § 317 Abs. 4 HGB prüfen muss. 165  Bunting,

ZIP 2012, 358, 359. Preußner / Becker, NZG 2002, 846, 848, die gerade diese Punkte im Rahmen ihres Vorschlages zur Ausgestaltung eines – als Risikomanagementsystem bezeichnetes – Systems gem. § 91 Abs. 2 AktG nennen; wie hier aber Bunting, ZIP 2012, 358, 359. 167  Dass diese Einteilung nicht immer sauber durchgehalten wird, ruft aber etwa Krieger, ZGR 2012, 202, 207 f. in Erinnerung. Dazu schon oben, Kapitel 3 C.IV.7. 168  Echte Rechtspflichten sind als Muss-Vorschriften, Empfehlungen als SollVorschriften formuliert, v. Werder, in: Kodex-Kommentar, Präambel Rn. 119. 169  Zurückhaltender Kort, ZGR 2010, 440, 451: „So geht zwar der IDW PS 340 über die Beschreibung eines Frühwarnsystems im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG deutlich hinaus, umfasst aber dennoch nicht alle Aspekte des von der Betriebswirtschaftslehre entwickelten ganzheitlichen Risikomanagements.“ 166  A. A.



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340271

Wie gezeigt, geht der Standard aber über das von der überwiegenden Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur Geforderte hinaus. Weil der Abschlussprüfer das gesetzgeberisch gewählte Modell zum Vollzug des in § 91 Abs. 2 AktG geforderten Überwachungssystems ist,170 steht zu erwarten, dass sich in der Praxis ein umfassenderes Risikomanagementsystem etabliert, als es das Gesetz verlangt. Für die Unternehmen ist das mit erhöhten Compliancekosten verbunden. Andererseits kann der Standard gerade deshalb, weil er weitergehende Vorgaben macht als es für das System gem. § 91 Abs. 2 AktG erforderlich wäre, als Grundlage für das allgemeinere und umfassendere interne Risikomanagementsystem in Betracht kommen. Denn das interne Risikomanagementsystem, das in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannt ist, ist umfassender als das System nach § 91 Abs. 2 AktG. Seine Einrichtung wird vom Gesetz nicht ausdrücklich verlangt, jedoch gehört die Risikoorganisation zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes einer Aktiengesellschaft. Das Eingehen bestimmter Risiken ist für die Geschäftsleitung eines Unternehmens unerlässlich, es gehört zum Wesen unternehmerischer Tätigkeit171 und ist unter dem Gesichtspunkt der optimalen Allokation von Ressourcen auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.172 Andererseits gibt es selbstverständlich Grenzen dessen, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) an Risiken eingehen darf. Denn er ist vor allem dem Unternehmenswohl verpflichtet173 und muss deshalb stets Chancen und Risiken einer Entscheidung für die Gesellschaft gegeneinander abwägen.174 Daraus kann sich die Pflicht ergeben, ein Risikomanagementsystem einzurichten, wenn eine sachgerechte Risikoorganisation es erfordert. Gerade weil IDW PS 340 über das von § 91 Abs. 2 AktG geforderte System hinausgeht, können ihm einige Anhaltspunkte dafür entnommen werden, wie ein internes 170  s. o. Kapitel

4. vieler Baums, ZGR 2011, 218, 219; aus der Rechtsprechung grundlegend BGHZ 135, 244 ff.; auch schon BGHZ 134, 392, 398 f. 172  Fleischer, in: Spindler  / Stilz, § 93 Rn. 60; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 37; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 13; Spindler, in: MK-AktG, § 93 Rn. 35. 173  Diese Verpflichtung des Vorstandes ist allgemein anerkannt und wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht thematisiert, etwa bei Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 113; Hopt, in: GK-AktG, § 93 Rn. 144 ff.; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95; Spindler, in: MK-AktG, § 93 Rn. 90. Eine speziellere Frage ist jene nach der Verpflichtung des Vorstandes auf das Unternehmensinteresse, in deren Zusammenhang sich insbesondere der Shareholder- und der Stakeholder­ ansatz gegenüberstehen, dazu etwa Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 76 Rn. 29 m. w. Nachw.; Kort, in: GK-AktG § 76 Rn. 53 ff. m. w. Nachw. 174  Fleischer, ZIP 2004, 685: Dieser Abwägungsvorgang gehöre „zu den vornehmsten Aufgaben der Unternehmensleitung“. 171  Statt

272 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Risikomanagementsystem ausgestaltet werden kann. Das gilt aber – wie schon im Falle des internen Kontrollsystems175 – nur für die Grundstrukturen des Systems. Denn erforderlich ist eine unternehmensindividuelle Ausgestaltung des Risikomanagements. aa) IDW PS 340 als zulässiges Modell für das interne Risikomanagementsystem? Wirft man die Fragen auf, ob es rechtlich zulässig ist, dass ein Unternehmen IDW PS 340 seinem internen Risikomanagementsystem, wie es von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG erwähnt wird, als Modell zugrunde legt, so kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum internen Kontrollsystem verwiesen werden; sie gelten entsprechend für das interne Risikomanagementsystem. Demnach ist die Verwendung von IDW PS 340 grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern das interne Risikomanagement auf seiner Grundlage unternehmensindividuell ausgestaltet wird. Der Standard entspricht zudem internationalen Gepflogenheiten bei der Einrichtung von Risikomanagementsystemen.176 Auch Standards der Verbände anderer Länder unterteilen ihre Standards zum Risikomanagement in die fünf Felder Risikoidentifikation, Risikoanalyse bzw. -bewertung, Risikokommunikation, Risikohandhabung und die Überwachung des sich daraus ergebenden Risikomanagementsystems.177 Letztlich ist auch diese sehr grobe Systematik angelehnt an die Vorgaben des Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO),178 welche bereits oben im Zusammenhang mit dem internen Kontrollsystem thematisiert wurden.179 bb) Pflicht zur Anwendung des IDW PS 340? Es besteht keine Pflicht, IDW PS 340 dem internen Risikomanagementsystem zugrunde zu legen; auch hierzu kann auf die Ausführungen zu IDW PS 261 verwiesen werden. Das interne Risikomanagementsystem ist durch 175  Oben

sub B.II.3.d). auch Hillebrand, Früherkennungs- und Überwachungssystem, S. 22. 177  Eine Übersicht zu international anerkannten Standards findet sich bei Winter, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 71, 78 ff. Auch der ISO Standard 31000:2009 Risk Management – Principles and Guidelines folgt diesem Schema, dazu Purdy, Risk Analysis, Vol. 30, No. 6, 2010, pp. 881, 883. 178  Das wird schon ersichtlich aus der Zusammenfassung des COSO II-Framework Unternehmensweites Risikomanagement – Übergreifendes Rahmenwerk, abrufbar unter www.coso.org.; eingehender Hillebrand, Früherkennungs- und Überwachungssystem, S.  43 ff. 179  Oben sub B.II.3.a). 176  So



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340273

den Abschlussprüfer im Hinblick auf rechnungslegungsbezogene Risiken zu prüfen (§ 171 Abs. 1 S. 2 AktG). Wie schon im Falle des internen Kontrollsystems lässt sich die Funktionsfähigkeit des Risikomanagementsystems nicht isoliert für rechnungslegungsbezogene Risiken beurteilen. Der Abschlussprüfer wird deshalb den Aufbau des gesamten internen Risikomanagementsystems prüfen. Er wird dieser Prüfung IDW PS 340 zugrunde legen. Denn auch wenn IDW PS 340 für die Prüfung des Überwachungssystems gem. § 91 Abs. 2 AktG geschaffen wurde, so weist doch IDW PS 470, der die Kommunikation des Abschlussprüfers mit dem Aufsichtsrat betrifft, auch in diesem Zusammenhang auf IDW PS 340 hin.180 Der Abschlussprüfer erfüllt deshalb auch im Rahmen seiner Prüfung des internen Risikomanagementsystems die Funktion eines Vollzugsmechanismus, also die Funktion als Verifikateur, wie sie im 4. Kapitel dargestellt wurde. Danach muss – wie zu IDW PS 261 ausgeführt181 – die Geschäftsleitung zumindest abwägen, ob es wirklich sinnvoll oder erforderlich ist, von den Vorgaben des Standards abzuweichen. cc) IDW PS 340 als safe harbour rule? Beachtet ein Unternehmen IDW PS 340 bei der Ausgestaltung seines Risikomanagementsystems, so kann es davon ausgehen, dass der Abschlussprüfer die Grundstrukturen des Systems nicht beanstanden wird. Auch insoweit wird auf die Ausführungen zu IDW PS 261 verwiesen.182 Wie schon im Falle des internen Kontrollsystems lässt sich jedoch auch ein internes Risikomanagementsystem nicht ohne erhebliche unternehmensindividuelle Anpassungen etablieren. Viele solcher Anpassungen sieht IDW PS 340 selbst prozedural vor. Ob sie hinreichend sind, muss die Geschäftsleitung aber für ihr konkretes Unternehmen selbst kritisch hinterfragen. Deshalb bietet auch IDW PS 340 keinen „sicheren Hafen“.

II. Die Überwachung des internen Risikomanagementsystems nach IDW PS 340 1. Die Vorgaben des Standards IDW PS 340 behandelt Fragen der Prüfung in einem umfangreichen eigenen Abschnitt. 180  IDW

PS 470 Rz. 27 (dort in Fn. 13). sub B.II.3.c). 182  Oben sub B.II.3.d). 181  Oben

274 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Zunächst wird klargestellt, dass es sich um eine Systemprüfung und nicht um eine Geschäftsführungsprüfung handle. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 317 Abs. 4 HGB, wonach zu prüfen ist, ob der Vorstand ein geeignetes System gem. § 91 Abs. 2 AktG eingerichtet und ob er seine damit selbst gesteckten Vorgaben für den Umgang mit möglicherweise auftretenden bestandsgefährdenden Entwicklungen eingehalten hat.183 Besondere Bedeutung misst IDW PS 340 der Auseinandersetzung mit dem Risikobewusstsein und der Risikoneigung des Unternehmens zu. „Hierzu sind insbesondere die Maßnahmen der Unternehmensleitung zu würdigen, die eingerichtet wurden, um die Mitarbeiter mit ihren Aufgaben vertraut zu machen und um die Bedeutung der Risikoerfassung und der Risikokommunikation auf allen hierarchischen Ebenen zu verdeutlichen. Bei der Beurteilung des Risikobewußtseins kann der Abschlußprüfer auch die bei der Prüfung des internen Kontrollsystems gewonnenen Erkenntnisse über das Kontrollbewußtsein im Unternehmen berücksichtigen.“184 Im Hinblick auf die konkrete Prüfungsdurchführung ist IDW PS 340 unterteilt in einen Abschnitt „Beurteilung der Eignung getroffener Maßnahmen“ und einen Abschnitt „Prüfung der Einhaltung der vorgesehenen Maßnahmen“. Die Ausführungen des Standards zur Eignung der getroffenen Maßnahmen sind dabei zunächst sehr allgemein gehalten. Festzustellen sei, ob durch die getroffenen Maßnahmen „bestandsgefährdende Risiken“ so rechtzeitig erfasst und kommuniziert werden, „dass die Unternehmensleitung in geeigneter Weise reagieren kann“.185 Entscheidend sei, „ob alle wesentlichen Risiken bzw. Risikoarten“ von dem System „zutreffend und frühzeitig erfasst, bewertet und kommuniziert werden“. Insofern korrespondieren die Vorgaben des Standards zur Prüfung mit jenen zur Einrichtung des Risikomanagementsystems. Zusätzlich sei anhand der Dokumentation zu prüfen, ob die Erfassung und Bewertung der Risiken oder Risikoarten von einer verantwortlichen Stelle geregelt sei und ob alle wesentlichen Risikofelder durch die identifizierten Risiken bzw. Risikoarten abgedeckt seien.186 Schließlich sei auch zu prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen geeignet sind, die Mitarbeiter, die mit dem Risikomanagement befasst sind, hinreichend über die Bedeutung ihrer Aufgabe aufzuklären, ob sie „so klar sind, daß sie als Handlungsanweisungen verstanden und umgesetzt werden können.“ Der Standard weist auch darauf hin, dass für die Beurteilung der Eignung getroffener Maßnahmen häufig auf die Erkenntnisse anderer Sachverständiger zurückgegriffen werden müsse. Deshalb verweist er auf den 183  IDW

PS 340 PS 340 185  IDW PS 340 186  IDW PS 340 184  IDW

Rz. 19. Rz. 22. Rz. 26. Rz. 27.



C. Risikomanagementsystem im Verständnis des IDW PS 340275

Standard IDW PS 322 (Verwertung der Arbeit von Sachverständigen) und IDW PS 320 (Verwendung der Arbeit eines anderen externen Prüfers).187 Die Prüfung der Einhaltung der vorgesehenen Maßnahmen sieht der Standard vor, indem „erfolgte Vorgänge“ geprüft und Befragungen und Beobachtungen durchgeführt werden.188 Beispielhaft führt der Standard in einer Aufzählung auf, es könne eine Durchsicht von Unterlagen zur Risikoerfassung vorgenommen werden um feststellen zu können, ob „die zuständigen Stellen die ihnen zugewiesenen Aufgaben verstanden und wie vorgesehen wahrgenommen haben“. Eine entsprechende Prüfung sei auch an den Unterlagen zur Risikokommunikation auf verschiedenen hierarchischen Stufen erforderlich. Vorzunehmen seien auch Befragungen und Beobachtungen zur Einhaltung der eingerichteten Kontrollmaßnahmen, etwa der Einhaltung von Meldegrenzen und die Durchsicht der Prüfungsunterlagen der internen Revision. 2. Kritische Würdigung Insgesamt zeigt sich, dass die Anweisungen zur Prüfung in IDW PS 340 stark auf die Überwachung derjenigen Maßnahmen zugeschnitten sind, die der Standard zur Einrichtung des „Risikofrüherkennungssystems“ selbst vorsieht. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, allerdings setzt sich die geäußerte Kritik189 an dem nach IDW PS 340 einzurichtenden System hier entsprechend fort. So sind die Maßnahmen zu weit, um lediglich die Kontrolle des Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu gewährleisten, dessen Einrichtung § 91 Abs. 2 AktG verlangt und worauf seinem Selbstverständnis nach der Standard zugeschnitten ist. Außerdem werden die Vorgaben ihren Nutzen dann deutlich einbüßen, wenn das Risikomanagement nicht den Vorgaben des Standards entsprechend, sondern vom Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens zulässigerweise anders eingerichtet worden ist. Denn dann erweist sich der klare Zuschnitt der Kontrollmaßnahmen auf das eigene System des Standards als hinderlich. Als ganz besonders problematisch stellen sich die weitreichenden Aufforderungen des Standards zur Durchsicht von Unterlagen und Befragung von Mitarbeitern heraus. Wie bereits oben zur Überwachung des internen Kontrollsystems ausgeführt wurde,190 stehen Aufsichtsräten derartig weitrei­ 187  IDW

PS 340 Rz. 30. PS 340 Rz. 31. 189  Oben sub C.I.5.a). 190  Oben sub B.III.1.b). 188  IDW

276 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

chende vorstandsunabhängige Informationsquellen nicht zur Verfügung. Das gilt insbesondere dann, wenn das Risikomanagement als eigene Abteilung unterhalb der Vorstandsebene eingerichtet ist und der Aufsichtsrat vom Vorstand selbst folglich nur mittelbare Informationen erhält. Diese Maßnahmen sind sinnvoll zugeschnitten auf die Überprüfung der Risikoneigung im Unternehmen, gehen aber für die Kontrolle durch Aufsichtsräte zu weit. Denn anders als im Falle des Abschlussprüfers – darauf ist schon wiederholt hingewiesen worden – sind die Zugriffsmöglichkeiten durch das zwischen Vorstand und Aufsichtsrat herrschende Trennungsprinzip deutlich zurückgenommen. Das im Zusammenhang mit der Prüfung des internen Kontrollsystems Gesagte gilt insofern hier im Ausgangspunkt entsprechend: Primäre Informationsquelle des Aufsichtsrats bleiben auch hier die Vorstandsberichte, der Zugriff auf vorstandsunabhängige Informationen ist problematisch und entsprechend umstritten. Gleichwohl lässt sich im Fall der Prüfung des Risikomanagements weiter differenzieren. Denn hier kann der Aufsichtsrat auf weitergehende Informationen durch den Abschlussprüfer zurückgreifen. Das gem. § 91 Abs. 2 AktG einzurichtende System zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ist jedenfalls von kapitalmarktorientierten Unternehmen gem. § 317 Abs. 4 HGB durch den Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Dieser hat zwar nicht die Zweckmäßigkeit des eingerichteten Systems im Sinne einer unternehmerischen Nützlichkeit zu bewerten, wohl aber dessen grundsätz­ liche Eignung zur Früherkennung bestandsgefährdender Risiken.191 Die vom Abschlussprüfer gewonnenen Erkenntnisse hat dieser dem Aufsichtsrat mitzuteilen.192 Daneben hat der Abschlussprüfer auch den Lagebericht zu prüfen (§ 317 Abs. 2 HGB) und die Ergebnisse seiner Prüfung dem Aufsichtsrat mitzuteilen. Auch hieraus kann sich folglich eine Informationsquelle für den Aufsichtsrat ergeben. § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB verlangt, dass der Lagebericht auf „die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft einschließlich ihrer Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen, die im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst werden“ sowie auf die Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken und auf Risiken aus Zahlungsstromschwankungen, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, eingeht. Auch wenn es sich dem Wortlaut nach um eine reine Sollvorschrift handelt, wird die Angabe überwiegend als eine Regelpflicht interpretiert, die nur in Ausnahmefällen entfällt, wenn dem Bilanzleser dadurch keine wichtigen Informationen verloren gehen.193 191  Hopt / Merkt,

in: Baumbach / Hopt, § 317 Rn. 10. Abs. 2 S. 2 HGB, 171 Abs. 1 S. 2 AktG. 193  Ausführlich Palmes, Der Lagebericht, S. 64 ff.; knapper Ellrott, in: BeckBilKomm, § 289 Rn. 60; Lange, in: MK-HGB, § 289 Rn. 97; Merkt, in: Baumbach / Hopt, 192  §§ 321



D. Das interne Revisionssystem in IDW-Standards, insb. in IDW PS 321  277

Auf diese Weise gewinnt der Aufsichtsrat mithilfe des Abschlussprüfers und des Lageberichts einige Informationen über die Risikolage des Unternehmens und kann sie mit der Beschreibung des internen Risikomanagementsystems vergleichen. Für Einzelmaßnahmen, wie sie IDW PS 340 vorsieht, ist hingegen in aller Regel kein Raum.

D. Das interne Revisionssystem in IDW-Standards, insbesondere in IDW PS 321194 In § 107 Abs. 3 S. 2 AktG wird dem Prüfungsausschuss eines Aufsichtsrates unter anderem die Aufgabe zugewiesen, das interne Revisionssystem zu überwachen. Ein internes Revisionssystem war dem Aktiengesetz195 bis zur Einführung der Norm durch das BilMoG 2009 unbekannt. Die interne Revision, wenn auch nicht das interne Revisionssystem, findet in zahlreichen IDW-Standards Erwähnung, die detaillierteste Beschreibung liefert aber IDW PS 321 Interne Revision und Abschlussprüfung.

I. Definition der internen Revision Der IDW PS 321 definiert die interne Revision als „eine unternehmenseigene prozessunabhängige, prüfende, beurteilende und beratende Tätigkeit (…), die innerhalb eines Unternehmens oder Konzerns durchgeführt wird,“ und so das Unternehmen bei der Erreichung seiner unternehmerischen Ziele unterstütze. Dazu bewerte sie „mit einem systematischen und zielgerichteten Ansatz die Wirksamkeit des Risikomanagementsystems, des Steuerungs- und Überwachungssystems einschließlich der Kontrollen und hilft diese zu verbessern.“ Ein Schwerpunkt liege dabei „auf der Untersuchung, Bewertung und Überwachung der Angemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontrollsystems einschließlich des Rechnungslegungssystems (vgl. IDW PS 261, Rz. 19 ff. und 73 ff.) und der in diesem System ablaufenden § 289 Rn. 2; Steuber, in: MK-AktG, § 289 HGB Rn. 80; für eine enge Auslegung wegen des gesetzgeberischen Ziels, mit dem BilMoG insbesondere mittelständischen Unternehmen eine Kostenerleichterung zu verschaffen Claussen, in: KK-Rechnungslegungsrecht, § 289 Rn. 34, damit würde jedoch zu Unrecht das Ziel der Kosteneinsparung zu einer Art „overriding principle“ erhoben. 194  IDW PS 321 i. d. F. vom 9.9.2010. 195  Der Begriff der internen Revision findet sich aber schon länger etwa in § 25a KWG und § 64a VAG. Im allgemeinen Gesellschaftsrecht geht immerhin der Gesetzgeber laut Gesetzesbegründung zum KonTraG seit 1998 ausdrücklich von einer Verpflichtung des Vorstandes aus, für eine angemessene interne Revision zu sorgen, BT-Drucks. 13 / 9712,  S.  15.

278 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Prozesse.“196 Nach IDW PS 321 ist es das Ziel der internen Revision, die Eignung und Einhaltung der Regelungen und Anordnungen der gesetzlichen Vertreter sowie die Ordnungsmäßigkeit von Aufbau und Funktion des internen Kontrollsystems zu überwachen. Dabei soll der Vorstand in diesen Fragen durch die interne Revision beraten werden.197 Der konkrete Umfang der Tätigkeit ist dabei abhängig von „Risiko, Größe und Struktur der Unternehmens- und Konzerneinheiten und den von den gesetzlichen Vertretern an sie gestellten Anforderungen“198. Die interne Revision ist damit ein weiteres Kontrollinstrument zur Sicherung einer ordnungsmäßigen Unternehmensorganisation. Entscheidender Unterschied insbesondere zum internen Kontrollsystem ist ihre Unabhängigkeit.199 Sie hat keine operative Verantwortung inne und kann bzw. muss sogar weisungsfrei agieren.200

II. Tätigkeiten der internen Revision Der Standard beschreibt sodann Tätigkeiten, die üblicherweise von der internen Revision ausgeübt werden. Die Vorgaben sind aber – verglichen etwa mit denen des IDW PS 261 zum internen Kontrollsystem – recht allgemein gehalten. 1. Prüfung des internen Kontrollsystems An erster Stelle steht die Untersuchung des internen Kontrollsystems, dessen Überprüfung zwar grundsätzlich in der Verantwortung der gesetz­ lichen Vertreter liege, welche dies aber „üblicherweise“ der internen Revision übertragen.201 Die Vorgabe ist mit IDW PS 261 in Einklang zu bringen, wonach die interne Revision eine nachgeordnete Einheit des internen Kontrollsystems ist.202 Dieser vordergründige Widerspruch lässt sich auflösen, indem als wesentliches Unterscheidungsmerkmal beider Systeme die Prozessunabhängigkeit der internen Revision herausgestellt wird. Die Pflicht zur Einrichtung einer internen Revision, die nach Ansicht des Gesetzgebers die Geschäftsleiter eines Unternehmens trifft, ist als echte Organisations196  IDW

PS 321 Rz. 1. PS 321 Rz. 8. 198  IDW PS 321 Rz. 9. 199  Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S.  187  f.; Warncke, Prüfungsausschuss und Corporate Governance, S. 331. 200  Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 188; Pauthner-Seidel / Stephan, in: Hauschka, § 27 Rn. 43. 201  IDW PS 321 Rz. 9. 202  IDW PS 261 Rz. 20, dazu oben B.II.2.e). 197  IDW



D. Das interne Revisionssystem in IDW-Standards, insb. in IDW PS 321  279

pflicht Teil aller Maßnahmen, die Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Unternehmensleitung nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen haben.203 Die Kontrolle, ob dieser Pflicht genügt wurde, gehört damit zu den prozessabhängigen Prüfungsmaßnahmen, die das interne Kontrollsystem zu leisten hat. Das interne Kontrollsystem hätte demnach etwa dauernd zu überwachen, ob Art und Umfang der unternehmensinternen Einheit „interne Revision“ der konkreten Geschäftstätigkeit des Unternehmens nach Art und Umfang angemessen ist. Die Überprüfung des internen Kontrollsystems durch die interne Revision besteht in der punktuellen, stichprobenartigen und prozessunabhängigen Prüfung, ob das interne Kontrollsystem den ihm gestellten Aufgaben genügt. Bezogen auf die Überprüfung des internen Kontrollsystems hätte die interne Revision also zu prüfen, ob dieses auch geeignet ist festzustellen, dass sie selbst den konkreten Geschäftsanforderungen entsprechend angemessen ausgestaltet ist. 2. Prüfung von abschlussbezogenen Informationen Sodann wird die Untersuchung von abschlussbezogenen Informationen oder von Informationen, die sich auf weitere betriebliche Prozesse beziehen, angeführt. Beispielhaft wird die Untersuchung von Regelungen genannt, nach denen die bezeichneten Informationen erkannt, gemessen und zugeordnet werden können, ferner die der Regelungen zur unternehmensinternen Berichterstattung.204 Auch hier stellt sich die Frage nach der Abgrenzung von Aufgaben der internen Revision und jenen des internen Kontrollsystems, sie gestaltet sich sogar ungleich schwieriger. Denn gerade im Hinblick auf Regelungen zum internen Berichtswesen ist nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb diese nicht bereits prozessabhängige Maßnahmen darstellen, deren Funktionsfähigkeit nach dem Verständnis des IDW PS 261 bereits durch das interne Kontrollsystem zu prüfen ist. Dies gilt gerade dann, wenn man mit einer im Schrifttum prominent und mit guten Gründen vertretenen Ansicht die Einrichtung eines unternehmensinternen Informationssystems zu den Organisationspflichten des Vorstandes einer Aktiengesellschaft zählt.205

203  Fleischer, in: Spindler  / Stilz, § 93 Rn. 55; Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 186; Müller-Michaels, in: Hölters, § 91 Rn. 9. 204  IDW PS 321 Rz. 9. 205  Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 58; ders., ZIP 2003, 1, 5; dem folgend Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 53.

280 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

3. Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit Weiter rechnet IDW PS 321 Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit und Sicherheit von betrieblichen Vorgängen und die Einschätzung von Risikosituationen zu den Aufgaben der internen Revision. 4. „Compliance-Prüfung“ Schließlich ist es nach dem Standard Aufgabe der internen Revision, Ordnungsmäßigkeitsbeurteilungen zur Feststellung der Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen und anderen externen Vorgaben sowie der Beachtung interner Regelungen vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die üblicherweise unter dem Begriff Compliance zusammengefasst werden. 5. Ermittlung bestandsgefährdender Entwicklungen Weitere Aufgaben weist der bereits untersuchte IDW PS 340 der internen Revision zu, soweit es um die Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen geht.206 Gegenstand dieser Prüfung soll insbesondere die vollständige Erfassung aller Risikofelder des Unternehmens, die Angemessenheit der eingerichteten Maßnahmen zur Risiko­ erfassung und Risikokommunikation, die kontinuierliche Anwendung der Maßnahmen und die Einhaltung der integrierten Kontrollen sein. Außerdem wird die Untersuchung der Wirksamkeit des Risikomanagementsystems hervorgehen. 6. Beurteilung IDW PS 321 beschränkt sich darauf festzuhalten, welche Aufgaben die interne Revision hat. Sie bestehen letztlich in der Überwachung aller betrieblichen Prozesse. Er bietet aber keine Handreichung zur Beantwortung der Frage, wie die interne Revision diese Kontrollen im Einzelnen durchführen kann. Die bedeutendste Information ist die, dass die interne Revision prozessunabhängig ausgestaltet werden muss. Damit lässt sie sich einigermaßen verlässlich vom internen Kontrollsystem abgrenzen. Wie aber darüber hinaus ein internes Revisionssystem ausgestaltet werden kann, ist dem Standard nicht zu entnehmen.

206  Hierzu

und zum Folgenden IDW PS 340 Rz. 15 f.



D. Das interne Revisionssystem in IDW-Standards, insb. in IDW PS 321  281

III. Beschreibung der Überwachungsaufgabe in IDW PS 321 IDW PS 321 enthält Vorgaben zur Überprüfung der internen Revision, adressiert sie aber ausdrücklich an den Abschlussprüfer. In den Vorbemerkungen zu IDW PS 321 wird ausgeführt, das IDW lege „in diesem IDW Prüfungsstandard die Berufsauffassung dar, nach der Wirtschaftsprüfer als Abschlussprüfer unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit im Rahmen von Abschlussprüfungen Feststellungen der internen Revision verwerten und darüber berichten.“207 Daran zeigt sich bereits, dass der Standard nicht einer umfassenden Kontrolle der internen Revision durch den Abschlussprüfer zugrunde gelegt werden, sondern die Feststellung ermöglichen soll, ob die interne Revision verlässlich genug arbeitet, damit ihre Ergebnisse durch den Abschlussprüfer verwertet werden können. Unter der Überschrift „Einschätzung der internen Revision durch den Abschlussprüfer“ heißt es, zur Entwicklung einer wirksamen und wirtschaftlichen Prüfungsstrategie und zur Planung der Abschlussprüfung müsse sich der Abschlussprüfer ausreichende Kenntnisse über die Arbeit der internen Revision verschaffen. Hierzu seien auch die Mitarbeiter der internen Revision zu befragen.208 Die Arbeit der internen Revision könne den Umfang der Abschlussprüfung verringern, ohne sie aber ersetzen zu können. Für die Feststellung, wie weitgehend sich der Abschlussprüfer auf die Ergebnisse der internen Revision stützen dürfe, sei eine Einschätzung ihrer Arbeitsweise erforderlich.209 Dazu seien die Ausgestaltung der internen Revision und sodann ihre Arbeit zu untersuchen. 1. Überprüfung der Ausgestaltung der internen Revision Die vorgesehenen Prüfungsmaßnahmen sind in IDW PS 321 deshalb weniger detailliert beschrieben als im Falle von IDW PS 261 und 340. Der Standard nennt lediglich vier zu beurteilende Punkte:210 Organisatorische Einordnung, Umfang der Tätigkeit, fachliche Kompetenz und berufliche Sorgfalt. Unter dem ersten Punkt (organisatorische Einordnung) sei insbesondere festzustellen, inwieweit die interne Revision in der Lage ist, objektiv zu berichten. Sie sollte zu diesem Zwecke der obersten Leitungsebene im Unternehmen zugeordnet und frei von operativer Verantwortung sein, was als 207  IDW

PS 321 Rz. 2. PS 321 Rz. 14. 209  IDW PS 321 Rz. 15 f. 210  Hierzu und zum Folgenden IDW PS 321 Rz. 17. 208  IDW

282 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Prozessabhängigkeit definiert wird. Insoweit sei zu berücksichtigen, welche Einschränkungen und Zwänge die gesetzlichen Vertreter der internen Revision auferlegen. Unter dem zweiten Punkt (Umfang der Tätigkeit) gibt der Standard vor, der Abschlussprüfer habe Art und Umfang der von der internen Revision durchgeführten Projekte festzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit ihre Vorschläge durch die gesetzlichen Vertreter umgesetzt wurden und wie dies dokumentiert wird. Der dritte Punkt (fachliche Kompetenz) behandelt die Frage nach der personellen Zusammensetzung der internen Revision. Vorgeschlagen wird hierzu, dass sich der Abschlussprüfer die Richtlinien des Unternehmens für die Einstellung, Ausbildung und Fortbildung der Mitarbeiter der internen Revision ansieht, die Zusammensetzung der Teams für die einzelnen Projekte beurteilt und sich ein Bild von deren Erfahrung und Qualifikation macht. Dem vierten Punkt (berufliche Sorgfalt) zufolge müsse die Tätigkeit der internen Revision sorgfältig geplant, überwacht und dokumentiert sein. Hierbei könne auf die Standards des Deutschen Institut für Interne Revision (DIIR) zurückgegriffen werden. 2. Überprüfung der Arbeit der internen Revision Vorgaben zur Überprüfung der Arbeit der internen Revision enthält IDW PS 321 ebenfalls. Hiernach ist abzuschätzen, „ob die Arbeiten durch Personen mit ausreichender fachlicher Ausbildung und Fähigkeit durchgeführt und die Mitarbeiter angemessen angeleitet und überwacht sowie deren Arbeiten ausreichend dokumentiert wurden“211. Ferner ist festzustellen, „ob angemessene und ausreichende Prüfungsnachweise vorliegen, die eine hinreichende Grundlage für die getroffenen Schlussfolgerungen bilden“. Diese Schlussfolgerungen sollen daraufhin überprüft werden, „ob sie den von der Internen Revision erfassten Sachverhalten entsprechen und ob die angefertigten Berichte in Übereinstimmung mit den durchgeführten Arbeiten sind“. Außerdem sei abzuschätzen, ob von der internen Revision festgestellte ungewöhnliche Sachverhalte „ordnungsgemäß erklärt wurden“ und schließlich zu beurteilen, ob die interne Revision die Umsetzung ihrer Empfehlungen überwacht.

211  Dieses

und die folgenden Zitate finden sich in IDW PS 321 Rz. 23.



E. Einrichtung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980 283

3. Kritische Würdigung Die Intention von IDW PS 321 ist es, dem Abschlussprüfer aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen er Feststellungen der internen Revision seiner Prüfungsaufgabe als Informationsbasis zugrunde legen kann. Die Prüfung der internen Revision oder des internen Revisionssystems ist gerade keine gesetzliche Aufgabe des Abschlussprüfers. Allenfalls als Bestandteil des internen Kontrollsystems, über das der Abschlussprüfer gem. § 171 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 289 Abs. 5 HGB an den Aufsichtsrat zu berichten hat, kann dem Gesetz eine Pflicht zur Auseinandersetzung des Abschlussprüfers mit dem internen Revisionssystem entnommen werden. Auch hier gilt jedoch die Beschränkung, dass nur über wesentliche Schwächen und nur bezogen auf den Rechnungslegungsprozess zu berichten ist. Der Abschlussprüfer erfüllt deshalb bei seiner Beurteilung der internen Revision nicht die Funktion eines Verifikateurs,212 der die Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften zertifiziert.213 Anders als IDW PS 261 sieht IDW PS 321 keine konkreten Maßnahmen vor, wie der Abschlussprüfer sich die für erforderlich gehaltenen Informationen verschafft. Die Vorgaben zur Prüfung der internen Revision sind vielmehr sehr allgemein. Sie sind eher darauf ausgerichtet, die Verlässlichkeit der internen Revision als System festzustellen. Gerade deshalb erscheint es aber möglich, dass auch ein Aufsichtsrat sie seiner Überwachungsaufgabe gem. § 111 Abs. 1 AktG zugrunde legt. Er muss sie jedoch um Kriterien erweitern, die es ihm erlauben, die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des internen Revisionssystems zu beurteilen, wozu der Abschlussprüfer nicht verpflichtet ist. Gleichzeitig ist der Beitrag des Standards zur Konkretisierung der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsfunktion entsprechend gering.

E. Die Einrichtung und Prüfung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980214 Gegenstand jüngerer Diskussionen in der Literatur ist die Frage, welche Verantwortung Leitungs- und Überwachungsorgane hinsichtlich der sogenannten Compliance haben. Weder das Aktiengesetz noch das GmbH-Gesetz verwenden diesen Begriff. Ziff. 5.3.2 S. 1 DCGK besagt immerhin, dass 212  Zur

Stellung des Wirtschaftsprüfers als Verifikateur oben Kapitel 4 B. und C. als bei der Prüfung des internen Kontrollsystems und des Risikomanagementsystems, vgl. oben B.II.3.c) und d) sowie C.I.5.b). 214  IDW PS 980 vom 11.3.2011. 213  Anders

284 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

sich der Prüfungsausschuss mit der Compliance befassen solle, und Ziff. 4.1.3 stellt eine Definition der Compliance zur Verfügung, wonach hierunter die Sorge für „die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien“ zu verstehen ist. Dieses Verständnis von Compliance liegt auch IDW PS 980 zugrunde.215 Der Standard verdeutlicht seinem Selbstverständnis nach den Inhalt freiwilliger Prüfungen von Compliancemanagementsystemen216 durch Abschlussprüfer.217 Nach einigen Begriffsklärungen werden Gegenstand, Ziel und Umfang der Prüfung festgelegt und Grundelemente von Compliancesystemen beschrieben. Sodann legt der Standard umfangreiche Prüfungsanforderungen fest und gibt schließlich auf 17 Seiten Anwendungshinweise und Erläuterungen, die die vorangegangenen allgemeineren Aussagen konkretisieren. Ferner sind als Anlagen Hinweise auf allgemein anerkannte CMSRahmenkonzepte und Formulierungsbeispiele für die Berichterstattung über Compliancesysteme vorhanden.

I. Gegenstand, Ziel und Umfang der Prüfung 1. Vorgaben des Standards Gegenstand der Prüfung ist nach IDW PS 980 die konkrete Beschreibung des Compliancesystems durch die Unternehmensleitung. Ziel der Prüfung ist es, mit hinreichender Sicherheit eine Aussage darüber treffen zu können, ob die Beschreibung der Grundsätze und vorgesehenen Maßnahmen des Compliancesystems angemessen ist.218 Das soll dann der Fall sein, wenn die durch den Standard festgelegten Grundelemente eines Compliancesystems berücksichtigt wurden „und keine wesentlichen falschen Angaben oder unangemessene Verallgemeinerungen oder unausgewogenen und verzerrenden Darstellungen enthalten“ sind, die für die Berichtsadressaten irreführend sein können.219 Außerdem solle eine Aussage darüber ermöglicht werden, ob die dargestellten „Grundsätze und Maßnahmen auch geeignet sind, mit hinreichender Sicherheit sowohl Risiken für wesentliche Regelverstöße rechtzeitig zu erkennen als auch solche Regelverstöße zu verhindern.“220 Ebenfalls soll die Feststellung ermöglicht werden, ob die Grundsätze und 215  IDW

PS 980 Rz. 5. Folgenden wird zur Verbesserung der Lesbarkeit der Begriff Compliancesystem synonym verwendet. 217  IDW PS 980 Rz. 1. 218  IDW PS 980 Rz. 14. 219  IDW PS 980 Rz. 19. 220  IDW PS 980 Rz. 14. 216  Im



E. Einrichtung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980 285

Maßnahmen auch tatsächlich implementiert und wirksam waren. Wirksamkeit soll dann gegeben sein, wenn sie „in den laufenden Geschäftsprozessen“ von den Betroffenen „nach Maßgabe ihrer Verantwortung zur Kenntnis genommen und beachtet werden“.221 IDW PS 980 erlaubt die Unterscheidung von Konzeptionsprüfung und Angemessenheitsprüfung. Mit der Konzeptionsprüfung soll eine Aussage darüber ermöglicht werden, ob die Darstellung des entwickelten Compliancesystems den Anforderungen des IDW an Compliancesysteme genügt.222 Mit der Angemessenheitsprüfung soll beurteilt werden, ob das dargestellte System geeignet ist, mit hinreichender Sicherheit wesentliche Regelverstöße rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern und ob die entsprechenden Grundsätze auch tatsächlich implementiert waren.223 2. Kritische Würdigung Die Definition von Compliance des IDW PS 980 entspricht den Anforderungen, die dem sogenannten Legalitätsprinzip zu entnehmen sind.224 Das umfasst zunächst die eigene Pflicht von Geschäftsleitern zum rechtmäßigen Handeln, mithin zur Befolgung aller ihrem Handeln gesetzten rechtlichen Regeln, zu denen auch die Satzungen, Geschäftsordnungen und allgemeine unternehmensinterne Richtlinien gehören. Darüber hinaus haben sie aber auch für die Einhaltung dieser Regeln durch ihre Mitarbeiter die Verantwortung, und eben in diesem Zusammenhang ist es ihnen selbst überlassen, wie sie das organisatorisch gewährleisten.225 Beachtung verdient, dass das Compliancesystem nach IDW PS 980 nur geeignet sein muss, wesentliche Rechtsverstöße feststellen zu können. Denn Gesetze sind grundsätzlich nicht nur „im Wesentlichen“ einzuhalten. Aber auch insofern liegt der Standard auf einer Linie mit der herrschenden Auffassung in der Literatur, die darauf hinweist, dass das Legalitätsprinzip praktisch nicht in der Strenge angewendet wie es gelehrt wird.226 Nament221  IDW

PS 980 Rz. 21. PS 980 Rz. 16. 223  IDW PS 980 Rz. 17. 224  LG München, Urteil v. 10.12.2013, Az. 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345 ff.; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 390; ferner Böttcher, NZG 2011, 1054; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 17 f. 225  Bicker, AG 2012, 542, 543  f.; Dreher, FS Hüffer, S. 161, 168; Fleischer, CCZ 2008, 1, 2; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 390. 226  Bachmann, VGR 2007, 65, 76 f.; auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25; tendenziell auch Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 32: „Hat der Vorstand seinen Rechtsstandpunkt sorgfältig gebildet und die gebotene Risikoab­ 222  IDW

286 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

lich „unbedeutende Formalverstöße“227, unwesentliche Vorfälle228 oder „harmlose Normverstöße (Standardbeispiel: Parkverbotsverletzungen)“229 werden teilweise ausdrücklich ausgenommen;230 andere weisen wiederum daraufhin, dass es „Rechtsnormen zweiter Klasse“ nicht gäbe.231 Die Unterscheidung von Konzeptionsprüfung und Angemessenheitsprüfung begegnet keinen Bedenken und erscheint vielmehr als sinnvolle Möglichkeit zur Abschichtung des komplexen Prüfungsvorhabens. Im Hinblick auf das Verständnis von der Wirksamkeit eines Compliancesystems zeigt sich, dass der Standard es genügen lässt, wenn die betroffenen Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, die Vorgaben der Complianceorganisation zur Kenntnis zu nehmen und umzusetzen. Eine Wirksamkeitskontrolle einzelner Maßnahmen ist gerade nicht vorgesehen. Proaktiv lässt sich aber auch mehr nicht verlangen. Nicht unproblematisch erscheint allerdings, dass der Standard die Einrichtung des Compliancesystems in der Weise verlangt, wie er selbst sie ausdrücklich vorsieht. Zwar verweist er dabei als Referenz auf eine Reihe anerkannter Vorgaben zur Einrichtung von Compliancesystemen, lässt die Aufzählung dadurch aber abschließend wirken. Dabei ist die Frage nach dem „Wie“ der betrieblichen Organisation – das ist schon mehrfach betont worden232 – in erster Linie eine betriebswirtschaftliche, welche zwar die Berücksichtigung rechtlicher Grundlagen der Unternehmensorganisation233 und damit rechtliche Organisationspflichten berücksichtigen muss, im Übrigen aber eine unternehmerische Entscheidung mit Ermessensspielraum darstellt.234

wägung vorgenommen, trifft ihn aktienrechtlich keine Verantwortung.“; ders., ZIP 2005, 141, 150. 227  Spindler, in: MK-AktG, § 93 Rn. 70. 228  Krasberg, Der Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, S. 201. 229  Bachmann, VGR 2007, 65, 77. 230  Fleischer, in: Spindler / Stilz, § 93 Rn. 32, sieht etwas bei unklarer Rechtslage nicht nur kein Verschulden, sondern bereits das Fehlen einer Pflichtverletzung. 231  Spindler, in: MK-AktG, § 93 Rn. 44, der aber gleichwohl die erwähnten „unbedeutenden Formalverstöße“ ausklammert. 232  Oben sub B.II.3.c). 233  Grundlegend Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, passim. 234  Bachmann, VGR 2007, S. 65, 80: „breites Ermessen“; Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1106: „eine unternehmerische Entscheidung, für die die Business Judgment Rule gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gilt“; auch S. H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten, S. 274.



E. Einrichtung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980 287

II. Grundelemente von Compliancesystemen nach IDW PS 980 1. Vorgaben des Standards IDW PS 980 nennt – tabellarisch aufgeführt – sieben Grundelemente eines Compliancesystems, die durch die Geschäftsleitung näher ausgearbeitet und beschrieben werden müssen: Compliance-Kultur, Compliance-Ziele, Compliance-Risiken, Compliance-Programm, Compliance-Organisation, Compliance-Kommunikation und Compliance-Überwachung und Verbesserung.235 Die Compliance-Kultur innerhalb eines Unternehmens wird dem Standard zufolge geprägt durch die Grundeinstellungen und Verhaltensweisen von Leitungs- und Aufsichtsorganen, die sich insofern auf die Mitarbeiter auswirken kann und deshalb mitentscheidend dafür ist, welche Beachtung diese den Compliance-Regeln schenken. Die Compliance-Ziele werden nach IDW PS 980 durch die Unternehmensführung auf der Grundlage der allgemeinen Unternehmensziele und der hierfür bedeutenden Regeln festgelegt. Diese Compliance-Ziele sollen als Grundlage für die Beurteilung von Compliance-Risiken dienen. Dieses Verständnis vermag zunächst zu überraschen, kann es vor dem Hintergrund der Legalitätspflicht doch nicht Aufgabe der Geschäftsleitung sein abzuwägen, welche Regeln zu befolgen sind und welche nicht. Klarstellend hebt der Standard zwar hervor, diese Zielbestimmung beinhalte insbesondere die Festlegung von Teilbereichen des Unternehmens und der von den Teilbereichen einzuhaltenden Regeln, was jedoch nicht über die Möglichkeit der Lesart hinweghilft, nicht alle Teilbereiche hätten alle Rechtsnormen zu befolgen. Konkretisierend ist deshalb festzustellen, dass es sich insofern nur um unternehmensinterne Regeln handeln kann, welche von bestimmten einzelnen Teilbereichen des Unternehmens nicht verpflichtend einzuhalten sind. Insofern muss auch konstatiert werden, dass doch eher die Compliance-Ziele auf Grundlage der Compliance-Risiken festzusetzen sind als umgekehrt. So ließe sich dann auch feststellen, in welchen Teilbereichen Verstöße gegen bestimmte Regeln besonders wahrscheinlich sind. Hierauf aufbauend könnten dann in der Tat teilbereichsindividuelle Compliance-Ziele formuliert werden. Insofern sind im Abschnitt Anwendungshinweise und Erläuterungen Beispiele möglicher Teilbereichsabgrenzungen nach Rechtsgebieten vorhanden.236 Nach dem Vorstehenden verdient auch das Verständnis von der Festlegung der Compliance-Risiken eine spiegelbildliche Kritik. Denn gemäß 235  Hierzu 236  IDW

und zum Folgenden IDW PS 980 Rz. 23. PS 980 Rz. A.3.

288 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

IDW PS 980 sind sie auf Grundlage der Compliance-Ziele zu ermitteln. Weiter verlangt der Standard hier die Einführung eines Verfahrens zur systematischen Risikoerkennung und -berichterstattung und Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit. Mit dem Compliance-Programm sollen Maßnahmen eingeführt werden, die den Eintritt der erkannten Risiken möglichst verhindern können und die im Falle eingetretener Complianceverstöße zu ergreifen sind; verlangt wird auch eine entsprechende Dokumentation. Zur Compliance-Organisation gehört die Festlegung der „Rollen und Verantwortlichkeiten (Aufgaben)“ sowie der Aufbau- und Ablauforganisa­ tion inklusive der Bereitstellung erforderlicher Ressourcen. Die Compliance-Kommunikation verlangt, dass die betroffenen Mitarbeiter „und ggf. Dritte“ über ihre Aufgaben informiert werden, sodass sie diese verstehen und sachgerecht erfüllen können. Außerdem ist festzulegen, wie über erkannte Gefahren von Regelverstößen und über eingetretene Regelverstöße zu berichten ist. Der Standard trifft keine Aussagen dazu, welche Grenzen der Risikokommunikation gesetzt sind, etwa dem sogenannten whistleblowing; diese Frage kann sich insbesondere stellen, wenn „Dritte“, wie vom Standard ebenfalls angesprochen, informiert werden.237 Als Grundvoraussetzung für die Compliance-Überwachung und Verbesserung nennt IDW PS 980 eine ausreichende Dokumentation erkannter Schwachstellen des Compliancesystems und eingetretener Regelverstöße. 2. Kritische Würdigung Dieses siebenstufige Modell des IDW PS 980 begegnet in seiner allgemein gehaltenen Konzeption keinen rechtlichen Bedenken, seine Güte hat sich letztlich nach seiner Eignung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen. Es scheint insoweit aber anerkannten Mustern zu folgen. In seiner Struktur weist der Standard jedenfalls wiederum eine gewisse Nähe zu den Vorgaben des COSO-Frameworks238 zur Einrichtung von Risikomanagementsystemen auf. Die angesprochenen Themen finden sich – wenn auch anders strukturiert – ebenfalls in den US Sentencing Guidelines239 und dem Australian Standard on Compliance Programs240, die zum Teil von der Literatur zur Entwicklung von Compliancesystemen in Deutschnäher Fleischer / Schmolke, WM 2012, 1013 ff. dazu bereits oben sub B.II.3.a). 239  Manual § 8 B.2.1. Federal Organizational Sentencing Guidelines, abrufbar unter www.ussc.gov. 240  Australian Standard on Compliance Programs (AS 3806-2006). 237  Dazu

238  www.coso.org;



E. Einrichtung von Compliancemanagementsystemen nach IDW PS 980 289

land rezipiert werden.241 Die Bedeutung der Compliance-Kultur, die von IDW PS 980 zur Grundlage für die Angemessenheit und Wirksamkeit des Compliancesystems erhoben wird,242 konnte inzwischen auch empirisch belegt werden.243

III. Prüfungsanforderung nach IDW PS 980 1. Vorgaben des Standards IDW PS 980 legt umfangreiche Prüfungsanforderungen fest. Zunächst verweist er auf die allgemeinen Berufspflichten,244 stellt dann Bedingungen für die Auftragsannahme (Erfahrung, Kompetenz, Branchenkenntnis) auf245 sowie Grundsätze für die Prüfungsplanung.246 Diese Aussagen sind also teils prüferbezogen, teils prüfungsbezogen. Die Prüfungsplanung soll eine erforderliche kritische Grundhaltung des Prüfers erzeugen, um das Prüfungsrisiko zu minimieren. Unter Prüfungsrisiko versteht der Standard das Risiko eines uneingeschränkten Prüfungsurteils, obwohl die Aussagen in der Beschreibung des Compliancesystems einen „wesentlichen Fehler“ aufweisen.247 Wann ein „wesentlicher Fehler“ vorliegt, definiert der Standard nicht, diese Entscheidung liegt vielmehr im „pflichtgemäßen Ermessen“ des Prüfers. Es gehört aber zur Prüfungsplanung nach IDW PS 980, bereits im Vorfeld der Prüfung festzulegen und zu dokumentieren, unter welchen Voraussetzungen ein Fehler in der Systembeschreibung als wesentlich zu charakterisieren ist.248 Welche Überlegungen hier im Einzelnen einzustellen sind, konkretisiert der Standard umfangreich unter Anwendungshinweise und Erläuterungen.249 Umfangreiche Vorgaben finden sich insbesondere unter dem Punkt „Prüfungsdurchführung“, wiederum mit zahlreichen Konkretisierungen unter Anwendungshinweise und Erläuterungen. Der Standard unterscheidet hier Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung, zur Aufbau- und Funktionsprüfung, macht Vorgaben zur Auswertung der Prüfungsfeststellungen und zur 241  Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 33 ff.; Rieder / Falge, in: Görling / Inderst / Bannenberg, Compliance, S.  21; auch Beste, in: Görling / Inderst /  Bannenberg, Compliance, S. 139 (Fn. 65). 242  IDW PS 980 Rz. 23. 243  Studie „Compliance und Unternehmenskultur“ aus dem Jahr 2010 der Universität Halle-Wittenberg in Kooperation mit PwC, S. 18 f. 244  IDW PS 980 Rz. 24. 245  IDW PS 980 Rz. 25 ff. 246  IDW PS 980 Rz. 31 ff. 247  IDW PS 980 Rz. 33 f. 248  IDW PS 980 Rz. 37 f. 249  IDW PS 980 Rz. A24 ff.

290 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Ableitung des Prüfungsurteils. Die Darstellungen sind so umfangreich, dass sie hier nicht im Einzelnen untersucht werden können. Einige ausgewählte Maßgaben zur Prüfungsdurchführung müssen deshalb genügen: – Prüfung der Konzeption des Compliancesystems: Als Prüfungshandlungen kommen hier dem Standard zufolge insbesondere die Befragung der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens und die Durchsicht von Organisationsunterlagen, namentlich Protokolle und Sitzungsberichte, Berichte der internen Revision usw. in Betracht.250 – Aufbau- und Funktionsprüfung: Hier werden ebenfalls u. a. Befragungen vorgeschlagen, und zwar auch von Mitgliedern des Aufsichtsorgans, außerdem von Personen, die für die Überwachung des Compliancesystems und die Koordination von Aktivitäten in diesem Zusammenhang zuständig sind.251 Im Hinblick auf die Funktionsprüfung wird auch die Beobachtung der Durchführung von in der Beschreibung des Compliancesystems dargestellten Maßnahmen vorgeschlagen. Hat der Prüfer einen Regelverstoß festgestellt, ist zu klären, ob es sich um einen Einzelfall handelt, der die Angemessenheit und Wirksamkeit des Systems nicht grundsätzlich berührt oder ob ein Fehler des Systems als Ursache für den Eintritt des Regelverstoßes ausgemacht werden kann. Als konkrete Prüfungshandlungen werden insofern vorgeschlagen: Befragung des Managements zur eigenen Einschätzung der Ursache des festgestellten Verstoßes und Würdigung des Umgangs mit dem Regelverstoß, wobei beispielhaft die Unterrichtung der Mitarbeiter, mögliche Sanktionen und die Veranlassung weiterer Maßnahmen aufgezählt werden.252 2. Kritische Würdigung Der Abschnitt des Standards zu den möglichen Prüfungshandlungen zeigt besonders klar, dass IDW PS 980 auf freiwillige, umfassende Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer zugeschnitten ist. Von den vorgesehenen Maßnahmen sind zahlreiche nicht darauf angelegt, auch das aktienrechtliche Kompetenzgefüge von Vorstand und Aufsichtsrat zu wahren. Das gilt insbesondere für die Befragung von Mitarbeitern und deren aktive, stichprobenartige Überwachung. Insoweit sei auf die Ausführungen zur Prüfung der in § 107 Abs. 3 S. AktG ausdrücklich genannten Überwachungssysteme verwiesen.253 Andererseits bergen sie aber ein hohes Konkretisierungspotenzial und sind geeig250  IDW

PS 980 Rz. 41 f. i. V. m. Rz. A31. PS 980 Rz. 43 ff. i. V. m. Rz. A33. 252  IDW PS 980 Rz. 43 ff. i. V. m. Rz. A36 f. 253  Oben sub B.III.2. 251  IDW



F. Abschließendes Fazit291

net, dem Wirtschaftsprüfer eine Handreichung bei der Konzeption seines Prüfungskonzepts zu bieten.

IV. Schlussfolgerungen Die Prüfung von Compliancesystemen ist keine gesetzlich vorgesehene Aufgabe des Wirtschaftsprüfers. Sie wird aber zunehmend auf Basis freiwilliger Beauftragung durch ihn wahrgenommen. Der Berufsstand hat deshalb in IDW PS 980 das Vorgehen im Rahmen solcher Prüfungsaufträge standardisiert. Die Ausgestaltung von Compliancesystemen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Geschäftsleitung eines Unternehmens. Dies wird in den Ausführungen des IDW PS 980 nicht immer hinreichend klar. Der Standard stellt lediglich eine Möglichkeit dar, wie ein solches System ausgestaltet werden kann. Seine Vorschläge sind dabei aber rechtlich nicht zu beanstanden und entsprechen internationalen Gepflogenheiten. Eine Rechtspflicht, sie zu berücksichtigen, besteht jedoch nicht. Die Vorgaben des Standards zur Kontrolle des eingerichteten Systems sind ebenfalls ersichtlich auf eine Prüfung ausgerichtet, die im Auftrag des Unternehmens erfolgt und die deshalb keine besondere Rücksicht auf bestehende rechtliche Informationsschranken nehmen muss, wie sie für den Aufsichtsrat bestehen. Die vorgesehenen Prüfungshandlungen sind deshalb zu weitreichend, um sie der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsfunktion zugrunde zu legen. Der Wirtschaftsprüfer, der ein Compliancesystem prüft, handelt nicht in der Rolle des Verifikateurs, wie er im 4. Kapitel als Vollzugsmechanismus herausgearbeitet wurde. Denn der Gesetzgeber hat ihm die Aufgabe der Prüfung auf die Einhaltung sämtlicher Rechtsvorschriften nicht umfassend zugewiesen. Deshalb kann hier nicht argumentiert werden, dem Wirtschaftsprüfer käme hinsichtlich der sogenannten Compliancepflichten ein Konkretisierungsauftrag zu. Bereits dieser Umstand steht der Erwägung entgegen, IDW PS 980 könne eine safe harbour rule darstellen. Hinzu kommt, wie schon im Falle der bisher behandelten Überwachungssysteme, dass auch IDW PS 980 zahlreiche unternehmensindividuelle Anpassungen verlangt, die aber nicht abschließend aufgezählt werden.

F. Abschließendes Fazit Die Erwartungen an die Überwachungsleistung des Aufsichtsrats sind in den letzten Jahren gestiegen. Das liegt insbesondere an der gesetzlichen Normierung einzelner Aufgabenbereiche in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG. Zur Art

292 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

und Weise der Aufgabenwahrnehmung verhält sich die Vorschrift indes nicht. So ist die Frage aufgekommen, ob zur näheren Konkretisierung der Anforderungen an den Aufsichtsrat die Prüfungsstandards des IDW herangezogen werden können. Diese enthalten in der Tat zahlreiche Hinweise auf die Ausgestaltung und Überwachung von internem Kontrollsystem, internem Risikomanagementsystem, internem Revisionssystem und Compliancesystem. Ihre inhaltliche Ausgestaltung ist jedoch stark auf den Abschlussprüfer zugeschnitten, der – anders als der Aufsichtsrat – nicht begleitend und beratend tätig wird, sondern einmal jährlich die Rechnungslegungsunterlagen einer intensiven Prüfung unterzieht. Die Ausführlichkeit, mit der IDW-Standards einzelne Prüfungsschritte beschreiben, illustriert das. Der Gesetzgeber hat mit der ausdrücklichen Benennung von Überwachungssystemen dem Vorstand einer Aktiengesellschaft eine Möglichkeit aufgezeigt, wie dieser seine Organisationsverantwortung umsetzen kann. Er hat dabei aber von konkreten prozeduralen Vorgaben im Aktienrecht zur Ausgestaltung der Überwachungssysteme abgesehen. Durch die Bezeichnung von Überwachungssystemen in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG ist noch nicht einmal eine Pflicht zu ihrer Einrichtung manifestiert. Sie kann sich erst aus der Zusammenschau mit der – ebenfalls nur allgemein umrissenen – Sorgfaltspflicht der Unternehmensleitung ergeben. Die Geschäftsleitung hat zu prüfen, ob sie ein Überwachungssystem für das von ihr geführte Unternehmen einrichten muss, um die Unternehmenszwecke und konkreten Unternehmensziele erreichen zu können. Das „Wie“ der Einrichtung dieser Überwachungssysteme ist sodann ebenfalls originäre Aufgabe der Unternehmensleitung und unterliegt ihrem unternehmerischen Ermessen. Diese Leitungsfreiheit in der Leitungsverantwortung des Vorstandes hat auch der Aufsichtsrat zu respektieren. Die Überwachung von Einzelmaßnahmen, wie IDW-Standards sie – für Abschlussprüfer völlig nachvollziehbar – vorsieht, widerspricht diesem Gedanken. Demgegenüber wird er mit der Pflicht zur Systemüberwachung besser berücksichtigt. Soweit IDW-Standards Vorschläge zur Ausgestaltung eines Überwachungssystems machen, sind sie folglich sowohl für Vorstand als auch Aufsichtsrat eine fachlich hochkompetente Hilfestellung. Die Übertragung vorgesehener Einzelfallmaßnahmen auf die Pflichtenwahrnehmung des Aufsichtsrats begegnet insofern aber auch organisationsrechtlichen Bedenken. Aus diesem Grunde erscheint es angemessen, wenn der Gesetzgeber auf die zunehmende Komplexität der internen Unternehmensorganisation und die infolgedessen wachsenden Aufgaben des Aufsichtsrates reagiert, indem er ihm die Systemüberwachung ins Aufgabenprogramm schreibt. Sie ersetzt eine nicht mehr zu leistende Überwachung von Einzelmaßnahmen und



F. Abschließendes Fazit293

wahrt dabei die aktienrechtliche Kompetenzordnung. IDW-Standards müssen diese aktienrechtliche Kompetenzordnung insoweit nicht berücksichtigen, als der Abschlussprüfer von ihr nicht betroffen ist. Seine Möglichkeiten zur Erlangung vorstandsunabhängiger Informationen sind zwar ebenfalls begrenzt, doch hat dies einen anderen Grund als im Falle des Aufsichtsrats: Die Begrenzung der Informationsmöglichkeiten im Falle des Wirtschaftsprüfers beruht auf seiner Stellung als Gesellschaftsexterner, die des Aufsichtsrat dient der Kompetenzabgrenzung zweier gesellschaftsinterner Organe, und zwar nicht zuletzt im Interesse der Gewährleistung eines unabhängigen Überwachungsorgans und – zumindest rechtstatsächlich – des Schutzes von Betriebsgeheimnissen. Anknüpfend an das 4. Kapitel dieser Arbeit hat die Untersuchung ergeben, dass der Wirtschaftsprüfer bei der Beurteilung des internen Kontrollsystems und des internen Risikomanagementsystem in seiner Funktion als Verifikateur tätig wird. Folglich hat der Gesetzgeber den Wirtschaftsprüfer hier als Vollzugsmodell für die Durchsetzung der Geschäftsleiterpflichten gewählt, bei Bedarf ein internes Kontrollsystem und ein internes Risikomanagementsystem einzurichten. Ihm obliegt dann die Konkretisierung der jeweiligen gesetzlichen Anforderungen. Diese Standardisierungsleistung ist in den IDWVerlautbarungen als berufsständische Praxis verfestigt. Weil die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Systeme unternehmensindividuell geschehen muss und die Standards deshalb vor allem prozedurale Vorgaben machen, kann daraus gleichwohl nicht gefolgert werden, Unternehmensleiter hätten stets alles Erforderliche getan, wenn sie bei der Ausgestaltung der Überwachungssysteme die Vorgaben der IDW-Standards beachtet haben. Als Grundmodell können sie aber IDW PS 261 der Entwicklung ihres internen Kon­ trollsystems und IDW PS 340 derjenigen ihres internen Risikomanagementsystems zugrunde legen. In diesem Fall ist die gewählte Grundstruktur des in Rede stehenden Überwachungssystems nicht zu beanstanden. Umgekehrt können die Überwachungssysteme aber noch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, weil sich eine Geschäftsleitung gegen die Berücksichtigung von IDW-Standards entschieden hat. Sie steht dann aber faktisch leicht unter dem Druck, rechtfertigen zu müssen, weshalb ihre Form der Ausgestaltung effizienter oder aus anderen Gründen erforderlich war. Die Rolle des Abschlussprüfers als Verifikateur hat keinen Einfluss auf die oben getroffene Feststellung, dass die konkreten Kontrollmaßnahmen, die die jeweiligen Standards vorsehen, für die Arbeit des Aufsichtsrates überwiegend zu umfangreich sind. Sie richten sich an den Abschlussprüfer und betreffen nicht die interne Unternehmensorganisation. IDW PS 321 zur internen Revision und IDW PS 980 zu Compliancesystemen konkretisieren keine gesetzlich vorgesehene Prüfungsaufgabe des

294 Kap. 5: Konkretisierung von Organpflichten mithilfe von IDW-Standards

Wirtschaftsprüfers. Entsprechend handelt er hier nicht als Verifikateur. Es lässt sich deshalb hier nicht aus der Aktivierung des Wirtschaftsprüfers zugleich auf ein Einverständnis des Gesetzgebers mit dessen Konkretisierungsleistung schließen. Im Ergebnis kann deshalb der eingangs vorgestellten These nicht vorbehaltlos zugestimmt werden, ein Aufsichtsrat könne bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe auf IDW-Standards zurückgreifen. Es bedarf vielmehr gewisser Differenzierungen. Erstens decken IDW-Standards nicht das ganze Überwachungsprogramm des Aufsichtsrats ab, zweitens fordern sie in den von ihnen behandelten Sachthemen zu viel an Überwachungstätigkeit im Detail und drittens bestehen zumindest Bedenken, ob die konkreten Überwachungsmaßnahmen die aktienrechtliche Kompetenzordnung wahrt. Gleichzeitig bieten IDW-Standards eine seltene Orientierungsmöglichkeit, wie die in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannten Überwachungssysteme eingerichtet werden können. Weder das Gesetz noch der DCGK leisten diese Aufgabe. Die in ihnen konzentrierte und standardisierte Auffassung des in erster Linie mit diesen Fragen befassten Berufsstandes der Wirtschaftsprüfers gewährleistet höchste fachliche, insbesondere betriebswirtschaftliche Erfahrung und Kompetenz. In einzelnen Fragen, namentlich zum Risikomanagement, gehen die dort entwickelten Anforderungen aber über das gesetzlich Geforderte hinaus. Die IDW-Standards bieten damit eine wesentliche Grundlage für die Orientierung eines Aufsichtsrates, wie er Überwachungssysteme überwachen kann. Zum abschließenden Arbeitsprogramm können sie dem Aufsichtsrat aber nicht dienen.

Kapitel 6

IDW S 1 zur Unternehmensbewertung A. Einführung in die Problematik Im vergangenen Jahrzehnt ist die Unternehmensbewertung verstärkt in den Fokus der rechtswissenschaftlichen Diskussion gerückt. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat die Rechtsprechung, die insbesondere mit den Judikaten DAT / Altana1, Moto Meter2 und Macrotron3 ihre frühere Praxis um weitere Vorgaben konkretisiert und damit Praxis und Literatur vor neue Aufgaben gestellt hat. Für die vorliegende Untersuchung bietet sich das Thema Unternehmensbewertung insofern an, als Bewertungen nicht selten gesetzlich vorgeschrieben sind. Der Gesetzgeber hat jedoch – worauf schon hingewiesen wurde4 – zumindest außerhalb der steuerrechtlich induzierten Bewertung5 bewusst auf nähere Vorgaben zur Bewertungsmethode verzichtet. Gleichwohl ist die Unternehmensbewertung kein rechtsfreier Raum, da insbesondere die grundgesetzlich verankerte Gewährleistung des Eigentums auch das Aktieneigentum erfasst und das Aktienrecht nähere Prinzipien – namentlich den Gleichbehandlungsgrundsatz – bestimmt, die auch bei der Unternehmensbewertung zu beachten sind. Wiederum bedient sich das Gesetz also auch im Feld der Unternehmensbewertung einer standardförmigen Modalstruktur und stellt Literatur, Praxis und Rechtsprechung vor eine neuerliche Aufgabe der Gesetzeskonkretisierung. Die Bewertung von Unternehmen gehört zu den möglichen Aufgaben der Wirtschaftsprüfer und wird praktisch in erheblichem Maße durch sie bewältigt. Regelmäßig ist die Höhe der Abfindung, die infolge einer Strukturmaßnahme ausscheidenden Aktionären zu gewähren ist, durch einen Vertrags-, 1  BVerfG, Beschluss v. 27.4.1999, Az. 1 BvR 1613–94, NJW 2999, 3769  ff.; BGH, Beschluss v. 12.3.2001, Az. II ZB 15 / 00, NJW 1999, 2080 ff. 2  BVerfG (Kammer), Beschluss v. 23.8.2000, Az. 1 BvR 68  /  95, NJW 2001, 279. 3  BGH, Urteil vom 25.11.2002, Az. II ZR 133  /  01, NJW 2003, 1032  ff.; BVerfG, Urteil v. 11.7.2012, Az 1 BvR 3142 / 07, 1569 / 08, NJW 2012, 3081 ff. 4  Kapitel 4 C.IV.1. 5  §§  199 ff. BewG.

296

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Umwandlungs- oder Verschmelzungsprüfer zu überprüfen,6 und obwohl die Unternehmensbewertung nicht zu den sogenannten Vorbehaltsaufgaben des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer zählt, sind es in aller Regel doch Berufsangehörige, die hierzu bestellt werden. Es verwundert deshalb nicht, dass das IDW auch zu den Fragen der Durchführung von Unternehmensbewertungen einen entsprechenden IDW-Standard bereithält. Im Unterschied insbesondere zu den Rechtsfragen bei Jahresabschlussprüfungen kann für den Bereich der Unternehmensbewertung nicht festgestellt werden, dass die Kontrolle durch einen Wirtschaftsprüfer zu einer geringen Zahl durch Rechtsprechung entschiedener Fälle führt. Die Möglichkeit von Aktionären, festgesetzte Abfindungsbeträge gerichtlich in einem Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz überprüfen zu lassen, wird rege genutzt. Anders als im Rechnungslegungsrecht verfolgen die Verfahrensbeteiligten hier regelmäßig diametral entgegengesetzte Interessen, betrifft die Höhe der Abfindung doch den Kern eines aktienrechtlichen MehrheitsMinderheits-Konflikts.7 Gleichwohl richtet sich die konkrete Bewertung praktisch in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nach IDW S 1,8 weil die Gerichte sich auf eine Plausibilitätsprüfung zurückziehen.9 Wie noch zu zeigen sein wird,10 richtet sich der Wert eines Unternehmens in erheblichem Maße nach der Unternehmensplanung für die kommenden Monate und Jahre. Diese Unternehmensplanung obliegt aber der Geschäftsleitung und ergibt sich aus einer Vielzahl unternehmerischer Entscheidungen, die als solche nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Dort schließlich, wo nicht Planungsdaten, sondern bewertungstheoretische Modelle und rechtliche Grundwertungen das Bewertungsergebnis determinieren, herrscht 6  Oben

Kapitel 4 B.I. und B.III.4.b).aa). Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht, S. 599 ff.; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, §  304 Rn.  1; Paulsen, in: MK-AktG, § 304 Rn. 7; Veil, in: Spindler / Stilz, §  305 Rn.  3 ff. 8  Deilmann, in: Hölters, §  305 Rn. 48; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 40; Stephan, in: Schmidt / Lutter, § 305 Rn. 49; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 70. Implizit die Beachtung des IDW S 1 auch von den Gerichten einfordernd Stratz, in: Schmitt / Hörtnagl / Stratz, § 5 UmwG Rn. 12. 9  Exemplarisch KG, Beschluss v. 19.5.2011, Az. 2 W 154 / 08, NZG 2011, 1302 im Leitsatz: „Bei der Unternehmensbewertung im Spruchverfahren genügt es, wenn das Gericht – erforderlichenfalls mit sachverständiger Unterstützung – zu der Überzeugung gelangt, dass eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffender Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führt.“; auch OLG Karlsruhe, Beschluss v. 15.11.2012, Az. 12 W 66 / 06, BeckRS 2013, 07603 unter B.3).c).: „Die Ausführungen des Sachverständigen entsprechen der im Rahmen der Unternehmensbewertung zu beachtenden, eingeschränkten Prüfungsdichte und sind nachvollziehbar begründet.“ 10  Unten sub C.IV.1. 7  Hofmann,



B. Unternehmensbewertung als Rechtsproblem297

häufig in großem Maße eine – auch interdisziplinär geführte – betriebs- und rechtswissenschaftliche Kontroverse, sodass die Durchführung eines Bewertungsauftrages stets auf unsicherem Boden zu stehen droht. Hinzu kommt die in der Einleitung angesprochene erhebliche Verfahrensdauer von Spruchverfahren, die sich mit dem – daran gemessenen – vergleichsweise raschen Wandel der Anschauungen in der Bewertungs- und Rechtswissenschaft schwer verträgt; er droht hier den konkreten Einzelfall gleich mehrfach zu überrunden. Ein IDW-Standard, der seiner Aufgabe gerecht werden soll, der Bewertungspraxis ein operationalisierbares Bewertungskonzept an die Hand zu geben und die nötigen Schritte zu dessen Umsetzung zu beschreiben, sieht sich folglich gezwungen, einige sich praktisch stellende Bewertungsfragen im Interesse dieser Operationalisierbarkeit in die eine oder andere Richtung beantworten zu müssen. Abermals dient hier die Standardisierung der Komplexitätsreduktion,11 und zwar gleich auf mehreren Ebenen: der planerischen, der bewertungstheoretischen und der rechtlichen Ebene. Im folgenden Kapitel wird die Frage im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, auf welche Weise IDW S 1 die rudimentären gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung von Unternehmensbewertungen konkretisiert. Dazu wird zunächst die Unternehmensbewertung als Rechtsproblem verortet. Sodann werden einige Bewertungstheorien grob skizziert und wird versucht zu entschlüsseln, welches Bewertungskonzept IDW S 1 im Grundsatz verfolgt. In der Folge werden einige ausgewählte Probleme der Unternehmensbewertung in den Blick genommen und wird untersucht, wie IDW S 1 zwischen den hier widerstreitenden Ansätzen vermittelt oder entscheidet.

B. Unternehmensbewertung als Rechtsproblem I. Unternehmensbewertung als Spezifikum der Wertfindungsproblematik Der Wert eines Gegenstandes ergibt sich immer aus dem subjektiven Nutzen, den er einem Individuum bringt. Die Aussage über den Wert des Gegenstandes ist daher abhängig von der Person, die sie tätigt. Jeder Bewertung wohnt also ein Subjektbezug inne.12 Eine Aussage über den Wert eines Gegenstandes, die in Anspruch nehmen kann allgemeingültig zu sein, verlangt daher die Abstraktion der Werturteile der Bewertenden. 11  Kapitel

3 D.I. Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S.  1; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 45; Matschke / Brösel, Unternehmensbewertung, S. 7; Nölle, in: Schacht / Fackler, S. 11; Winner, Wert und Preis, S. 8. 12  Adolff,

298

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Diese Aufgabe stellt sich deshalb auch den Verfassern eines Bewertungsstandards wie IDW S 1. Sie fällt dann nicht schwer, wenn es sich um sogenannte Gattungsgegenstände handelt.13 Im Falle von Unternehmen lässt sich eine Typisierung weniger unproblematisch vornehmen. Unternehmen bestehen aus einer Vielzahl von Ressourcen, deren genaue Zusammensetzung einzigartig ist.14 Jede einzelne Ressource hat einen Wert, der durch Typisierung einmal besser, einmal schlechter erfasst werden kann. Die Zusammensetzung der Werte im jeweiligen Unternehmen hat deshalb Einfluss auf den Wert der werbenden Unternehmung.15 Und schließlich kann wiederum auch bezüglich des gesamten Unternehmens die Position des Bewertenden nicht außer Acht bleiben, weil sie sich auf das Ressourcenbündel Unternehmen insofern auswirken kann, als von Bewertungssubjekt zu Bewertungssubjekt unterschiedliche Synergieeffekte erzielbar sind.16 Folglich erzielt jedes Bewertungssubjekt, jeder Marktteilnehmer, einen individuellen subjektiven Wert eines Unternehmens, wenn er es bewertet. Er lässt sich als subjektiver Grenzwert bezeichnen.17 Ein Veräußerer und ein potenzieller Erwerber werden ein Unternehmen daher subjektiv unterschiedlich bewerten. Finden sie im Verhandlungswege schließlich einen Wert, mit dem beide Seiten einverstanden sind und zu dem die Transaktion vollzogen werden soll, liegt ein intersubjektiver Einigungswert vor.

II. Der Normwert als juristisches Bewertungsergebnis Wenn das Gesetz eine Unternehmensbewertung anordnet, wird das in der Regel deshalb geschehen, weil widerstreitende Interessen in einer bestimmten Weise zum Ausgleich gebracht werden sollen. Eine tatsächliche Verhandlungssituation zwischen zwei Parteien, die auch die Freiheit haben, bei andauernden Meinungsverschiedenheiten die Verhandlungsgespräche abzubrechen, liegt dann gar nicht vor. Beispielsweise ist eine Unternehmensbewertung regelmäßig dann vorgeschrieben, wenn eine Partei freiwillig oder unfreiwillig ihre Rechtsstellung zum Unternehmen ganz oder teilweise verliert. Zwei aktienrechtliche Beispiele können das illustrieren. So erlaubt etwa § 327a AktG einen Squeeze-out von Minderheitsaktionären durch den Mehrheitsaktionär, wenn der Mehrheitsaktionär 95 % der Anteile hält; er kann verlangen, dass ihm die Anteile der Minderheit übertragen werden. 13  Münstermann, Wert und Bewertung, S. 12; so auch Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 1. 14  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 1. 15  Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S 8. 16  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 2. 17  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 46.



B. Unternehmensbewertung als Rechtsproblem299

Diesen steht aber sodann gem. § 327b Abs. 1 AktG ein Anspruch auf eine Barabfindung zu, bei deren Bemessung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Squeeze-out-Beschlusses zu berücksichtigen sind. Hier verliert also ein Minderheitsaktionär durch den Squeeze-out alle seine Teilhaberrechte. Einen Abfindungsanspruch hat auch ein Aktionär einer Gesellschaft, die sich für den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer anderen Gesellschaft entscheidet. Dadurch wird sein Dividendenanspruch beschnitten und sein Einfluss auf die Unternehmensführung verkürzt. Er kann in diesem Fall wählen, ob er seine Anteile behält und lediglich eine Ausgleichszahlung akzeptiert,18 oder ob er seine Anteile dem nunmehr herrschenden Unternehmen gegen die Zahlung einer Abfindung überträgt.19 Die Höhe von Ausgleich und Abfindung richtet sich wiederum nach dem Wert des Unternehmens im Zeitpunkt des Beschlusses der Strukturmaßnahme. Sie hat dem Wert zu entsprechen, der im Falle einer Verschmelzung an den außenstehenden Aktionär zu leisten gewesen wäre.20 Mangels einer tatsächlichen Verhandlungssituation muss dieser Wert synthetisch gefunden werden. Dabei sind weitere rechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Das Aktieneigentum ist grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.21 Der außenstehende Aktionär hat deshalb einen Anspruch auf volle Entschädigung für seinen Rechtsverlust. Zu deren Bestimmung verlangt das Verfassungsrecht zwar nicht die Anwendung einer bestimmten Methode,22 sehr wohl aber, dass diese Methode den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt. Die konkrete Auswahl der Bewertungsmethode ist deshalb den Bewertenden überlassen. Sie kann insbesondere von der Betriebswirtschaftslehre erarbeitet werden.23 Gleichwohl zeigt sich, dass dort, wo diese Methoden Rechtsfragen berühren, die Unternehmensbewertung zum Rechtsproblem wird.24 Das muss auch bei der Erarbeitung von Bewertungsstandards wie IDW S 1 beachtet werden. So sind nach §§ 304 Abs. 2, 305 Abs. 3, 327 b Abs. 1 AktG die Verhältnisse „der Gesellschaft“ zu berücksichtigen, sie ist 18  § 304

Abs. 1 AktG. Abs. 1 AktG. 20  §§ 304 Abs. 2 S. 3, 305 Abs. 3 S. 1 AktG. 21  BVerfG, Urteil v. 7.8.1962, Az. 1 BvL 16  / 60, NJW 1962, 1667 ff. („Feldmühle“); Beschluss v. 27.4.1999, Az. 1 BvR 1613–94, NJW 2999, 3769 ff. („DAT / Altana“). 22  BVerfG, NZG 2007, 629, 631. 23  BGH, Urteil v. 13.3.1978, Az. II ZR 142  /  76, NJW 1978, 1316, 1319 („Kali+Salz“). 24  Fleischer, ZGR 1999, 368, 375; ähnlich Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 52; Hüffer, AktG, Rn. 17; Mandl / Rabel, FS Rückle, S. 45, 51; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 76. 19  § 305

300

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

also zu bewerten, nicht etwa jeder Anteil an der Gesellschaft isoliert. Maßgeblich ist dabei die Verschmelzungswertrelation, was grundsätzlich die Bewertung beider Vertragspartner eines Unternehmensvertrages erfordert.25 Außerdem muss die Bewertungsmethode die verfassungsrechtliche Vorgabe einer Pflicht zur vollen Kompensation umsetzen können. Schließlich ist insbesondere die Pflicht zur Gleichbehandlung der Gesellschafter, die in § 53a AktG positivrechtlich abgestützt ist, bei der Bewertung zu beachten, sodass besondere Merkmale einzelner Anteilseigner nicht ohne weiteres bei der Ermittlung ihres individuellen Anteils berücksichtigt werden können. Die gesetzlich angeordneten – man spricht auch von dominierten – Bewertungsanlässe verlangen folglich das Einbeziehen gesetzlicher Wertungen, die sich nicht lediglich aus der Ermittlung intersubjektiver Einigungswerte ableiten lassen. Im Falle der gesetzlich induzierten Unternehmensbewertung ist deshalb ein Normwert zu finden, der nicht immer als der wahre oder intersubjektiv richtige Wert eingestuft werden muss.26 Ein unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben gefundener Wert ist aber der rechtlich richtige Wert. Ein Bewertungsstandard wie IDW S 1 muss deshalb für dominierte Bewertungsanlässe Vorgaben machen, deren Anwendung die Ermittlung eines Normwertes sicherstellt.

III. Relevanz von Börsenkursen In Anbetracht des erheblichen Aufwandes, den die Bewertung von Unternehmen verursachen kann, wird häufiger in Erwägung gezogen, statt auf die Ertragswertmethode auf Börsenkurse abzustellen, sofern die Gesellschaft börsennotiert ist.27 Der Streit geht nun darum, ob die so gewonnenen Werte den rechtlichen Anforderungen genügen.28 Das BVerfG hat in der Rechtssache DAT / Altana entschieden, dass der Börsenkurs nicht außer Acht gelassen werden darf, sondern vielmehr die Untergrenze des Wertes einer Abfindung gem. §§ 304, 305 AktG darstellt.29 Dem hat sich der BGH angeschlossen, dabei aber erklärt, dass der sogenannte Schätzwert – die Verschmelzungsrelation – 25  Hüffer,

AktG, § 305 Rn. 17; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 44. Unternehmensbewertung, S. 48; Mandl / Rabel, FS Rückle, S. 45, 52; Winner, Wert und Preis, S. 417. 27  Bungert / Wettich, FS Hoffmann-Becking, S. 157 ff.; Krieger, in: MünchHBGesR, Band IV, § 70 Rn. 135; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 55; für eine betont stärkere Berücksichtigung von Marktpreisen, wozu auch Börsenkurse zählen, Emmerich, in: Emmerich / Habersack, §  305 Rn.  52. 28  Kritisch Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S.  377 f.; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 53 f.; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 88. 29  BVerfG, Beschluss v. 27.4.1999, Az. 1 BvR 1613-94, NJW 2999, 3769 ff. 26  Großfeld,



C. Bewertungstheorien301

über dem Börsenkurs liegen könne und in diesem Fall der höhere Wert maßgeblich sei.30 Damit bleibt ein Vereinfachungseffekt, der mit dem Abstellen auf Börsenkurse verbunden wäre, weitgehend unerreicht.31 Daneben wirft diese Rechtsprechung einige bewertungsrechtliche Fragen auf. Ersichtlich wird bei der Bewertung zum Börsenkurs nicht vom Wert des Gesamtunternehmens auf den Anteilswert geschlossen, wie dies die herrschende Lesart der Anordnungsnormen verlangt. An Börsen werden nicht ganze Unternehmen, sondern Anteile gehandelt. Der Börsenkurs gibt damit einen Anteilswert. Ob nun auch umgekehrt zulässig ist, von diesem auf den Unternehmenswert zu schließen, hat die Rechtsprechung in den DAT / Altana – Judikaten für möglich gehalten. Das kann – wie später noch zu zeigen sein wird32 – nicht unerhebliche Auswirkungen haben, weil es eine Lesart des Tatbestandsmerkmals „Verhältnisse der Gesellschaft“ eröffnet, anteilsspezifische Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen. Diese Streitfragen können hier nicht aufgegriffen und vertieft behandelt werden. In systematischer Hinsicht muss aber erwähnt werden, dass dort, wo der Gesetzgeber Börsenkurse zum Bewertungsmaßstab erhoben hat, die konkrete Prozedur der Wertermittlung zum Teil näher ausgestaltet ist. Das gilt namentlich für das Übernahmerecht, wo mit § 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 WpÜG eine Regelung geschaffen wurde, die die Berücksichtigung außerbörslich gezahlter Paketzuschläge im Interesse der Gleichbehandlung der Aktionäre verlangt. Gleichwohl ist eine Tendenz in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung erkennbar, der Bewertung zum Börsenkurs mehr Gewicht zuzuerkennen.33 Als ungeklärt muss vor dem Hintergrund dieser Kontroverse einstweilen auch weiterhin gelten, ob verschiedene Auslegungsergebnisse für börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften aus demselben Wortlaut der Anordnungsnormen zu destillieren sind.

C. Bewertungstheorien Der Normwert als Ergebnis einer Unternehmensbewertung in dominierten Bewertungsanlässen lässt sich ohne die Methoden der Betriebswirtschaftslehre und Bewertungstheorie nicht ermitteln. Sie bilden das Grundgerüst jedes auch rechtlich vorgeschriebenen Bewertungsvorgangs. Dementsprechend ist jeder Bewertungsstandard auf sie angewiesen. Zum besseren 30  BGH,

Beschluss v. 12.3.2001, Az. II ZB 15 / 00, NJW 1999, 2080 ff. akzeptierend Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c. 32  Unten sub C. 33  Umfassende Aufbereitung bei Bungert / Wettich, FS Hoffmann-Becking, S. 157 ff. 31  Das

302

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Verständnis der Bewertungskonzeption des IDW S 1 bietet sich an, kurz die wichtigsten Grundströmungen der Bewertungstheorie zu referieren und so den rechtlichen Grundbedingungen einer Bewertungskonzeption einige betriebswirtschaftliche Sichtweisen an die Seite zu stellen.

I. Objektive Bewertungstheorie Nach der objektiven Werttheorie haftet jedem Gegenstand ein Wert wie eine Eigenschaft an.34 Diese ist der Marktpreis.35 Innerhalb der objektiven Werttheorie lassen sich zumindest drei Strömungen ausmachen, die die Objektivität des Ansatzes unterschiedlich stark betonen.36 Der erste Ansatz will ganz ohne jeden Subjektbezug auskommen; das gilt als überholt.37 Die zweite Strömung begibt sich auf die Suche nach tatsächlichen Preisen, also nach Marktpreisen, nach objektiven Tauschwerten.38 Da das Verständnis vom Unternehmen als Gattungsgegenstand, wie soeben erläutert, problematisch ist, geht die dritte Strömung der objektiven Werttheorie für Unternehmen auf die Suche nach dem Wert, der von „jedermann“ realisierbar ist.39 Der Unterschied zur zweiten Strömung besteht im Wesentlichen darin, dass Typisierungen vorgenommen werden und das konkrete Individuum so durch ein abstraktes, vermeintlich allgemeingültiges ersetzt wird.40 Der Unterschied zu anderen Ansätzen, die ebenfalls auf Typisierungen zurückgreifen,41 besteht wiederum darin, dass nicht nur einzelne, vom Bewertungsanlass abhängige Faktoren typisiert werden, sondern das Subjekt als solches, um so eine objektive Bewertung zu ermöglichen.42

II. Subjektive Bewertungstheorie Die subjektive Theorie versucht, das Bewertungsobjekt aus der Analyse weitgehend zu eliminieren. Nach ihr liegt der Wert allein „im Auge des 34  Winner,

Wert und Preis, S. 7. Münstermann, Wert und Bewertung, S. 21 ff.; Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 4. 36  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 161. 37  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 37. 38  Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 31. 39  Näher Busse von Colbe, ZGR 1994, 595, 597; Münstermann, Wert und Bewertung, S. 22; Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 4. 40  Vgl. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 166. 41  Die Kölner Funktionslehre verwendet Typisierungen als Approximationsmethoden zur Verwirklichung bestimmter Bewertungsziele, dazu sogleich sub III. 42  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 166. 35  Näher



C. Bewertungstheorien303

Betrachters“43, er ist der Preis, den ein konkreter Käufer maximal zu bezahlen bereit wäre.44 Er ist nicht zu verwechseln mit dem Kaufpreis, der erst dadurch entsteht, dass Käufer und Verkäufer mit ihren jeweils subjektiven Wertvorstellungen miteinander verhandeln und einen Kompromiss finden.45

III. Kölner Funktionslehre Den Ausgangspunkt der heute ganz überwiegend zugrunde gelegten Bewertungskonzeptionen bildet die sogenannte Kölner Funktionslehre, die sich um eine Vermittlung zwischen der objektiven und der subjektiven Bewertungstheo­ rie bemüht.46 Sie ist hervorgegangen aus der sogenannten Kölner Schule, die unter anderem maßgeblich von Walther Busse von Colbe47 und Hans Münstermann48 geprägt wurde. Die Kölner Funktionslehre versteht den Wert im Rahmen einer Unternehmensbewertung als subjektspezifisch, aber nicht als rein subjektiv.49 Das subjektive Element des Wertes besteht darin, dass die Bewertung von Präferenzen, Investitionsalternativen und Einflussmöglichkeiten eines realen oder gedachten Investors ausgehen. Sie anerkennt aber, dass das Bewertungsverfahren verbindlichen Regeln unterworfen ist, die einzuhalten sind.50 Entscheidend ist demnach, für welchen Anlass die Bewertung erfolgt. Der richtige Unternehmenswert ist der jeweils zweckadäquate.51 Die Kölner Funktionslehre unterscheidet drei Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung: die Beraterfunktion, die Vermittlungsfunktion und die Argumentationsfunktion.52 Die Bewertung im Rahmen der Beraterfunktion des Gutachters dient als Hilfestellung für entweder Käufer oder Verkäufer. 43  „Value, like beauty, is in the eye of the beholder“, vgl. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 167, der diese Sentenz als Kern der subjektiven Werttheorie bezeichnet; ebenso Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 6; Schultze, Methoden der Unternehmensbewertung, S. 7. 44  Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 7. 45  Münstermann, Wert und Bewertung, S. 24  f.; Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 7. 46  Ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 168 ff. 47  Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 ff. 48  Münstermann, Wert und Bewertung, passim. 49  Münstermann, Wert und Bewertung, S. 21 ff. 50  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 168. 51  Busse von Colbe, ZGR 1994, 595, 597; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 6; Nölle, in: Schacht / Fackler, S. 15. 52  Vgl. nur Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 8, und Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S.  171 f. m. w. N.; Schultze, Methoden der Unternehmensbewertung, S. 8.

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Es soll der Preis gefunden werden, der (im Fall des Verkäufers) mindestens erzielt werden muss oder (im Fall des Käufers) höchstens bezahlt werden darf.53 Dieser Grenzpreis ist unverzichtbares Element in der Kölner Funktionslehre und seine Kenntnis Grundlage auch für die Bewertung im Zuge der beiden anderen Bewertungszwecke.54 Die Vermittlungsfunktion ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen zwei Parteien ein Wert gefunden werden soll oder muss. Gesucht wird der sog. Arbitriumswert oder Einigungswert. Zu unterscheiden ist dabei aber zwischen dominierten und nicht-dominierten Konfliktsituationen. In nicht-dominierten Konfliktsituationen kommt die Einigung nur freiwillig zustande, also wenn alle Beteiligten zustimmen. In der dominierten Konfliktsituation muss eine Einigung herbeigeführt werden. Hierzu zählt der Großteil der gesetzlichen Bewertungsanlässe.55 Ziel einer Bewertung im Rahmen der Vermittlungsfunktion ist also das Finden des „angemessenen“ Wertes, der im Falle dominierter Konfliktsitua­ tionen der stärkeren Partei statt eines Kompromisses aufgezwungen werden kann.56 Die Besonderheit der Kölner Funktionslehre besteht dabei darin, dass sie auch in dominierten Konfliktsituationen einen Wert so finden will, als ginge es darum, den Parteien einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten.57 Dieser Vorschlag sollte daher idealiter zwischen den Grenzpreisvorstellungen der Parteien liegen,58 somit im sog. positiven Einigungsbereich.59 Gesucht ist damit ein simuliertes Verhandlungsergebnis.60 Die Argumentationsfunktion füllt ein Gutachter dann aus, wenn er berufen ist, mit seiner Bewertung die Verhandlungsposition einer Partei zu stärken.61 Der Unterschied zur Beratungsfunktion besteht darin, dass das 53  Schultze, Methoden der Unternehmensbewertung, S.  8; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 171. 54  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 169. 55  Vgl. die Übersicht bei Drukarczyk / Schüler, Unternehmensbewertung, S. 81 f.; ferner Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 172. 56  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 172. 57  Schultze, Methoden der Unternehmensbewertung, S.  9; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 173. 58  Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 9. 59  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 169. 60  Das Modell der simulierten Verhandlungssituation ist aber auch nicht unproblematisch, weil es die Gefahr bergen kann, dass gesetzliche Wertungen vernachlässigt werden: Diese müssen die Verhandlungssituation determinieren, nicht umgekehrt, vgl. Mandl / Rabel, FS Rückle, S. 45, 54. 61  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 172; Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S.  10; Schultze, Methoden der Unternehmensbewertung, S. 9.



C. Bewertungstheorien305

Bewertungsergebnis der Gegenseite mitgeteilt werden soll, um diese von der Notwendigkeit eines besseren Angebotes zu überzeugen. Betont werden hier der Einfluss synergetischer Effekte, die Art des Aufbaus des Betriebes und die Eigenkapitalausstattung.62 Er kann deshalb nicht allein von subjektiven Plänen und Vorstellungen des Unternehmensinhabers ausgehen, sondern muss einen konkreten potentiellen Geschäftspartner berücksichtigen und Vermutungen über dessen Grenzpreis mit einstellen.63 Der Argumentationswert soll dann in der Regel als angeblicher Arbitriumswert in die Verhandlungssituation eingebracht werden.64

IV. Einordnung des IDW S 1 Nachdem die wesentlichen Ansätze zur Unternehmensbewertung dargestellt wurden, soll nun versucht werden, die Vorgaben des IDW S 1 dahingehend zu untersuchen, welches Bewertungskonzept seitens des IDW verfolgt wird. 1. Grundlagen IDW S 1 legt zunächst einige begriffliche Grundlagen fest. Danach bestimmt sich der Wert eines Unternehmens durch den Barwert der Nettozuflüsse an den Eigentümer.65 Diese Nettozuflüsse setzen sich zusammen aus dem Saldo von Ausschüttungen bzw. Entnahmen, Kapitalrücklagen und Einlagen. Der Barwert wird ermittelt, indem die künftig zu erwartenden Überschüsse mit einem Kapitalisierungszins abgezinst werden. Dieser repräsentiert die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage. Der ermittelte Wert wird als Zukunftserfolgswert bezeichnet. Die abzuzinsenden Nettoeinnahmen eines Unternehmenseigners ergeben sich aus dessen Anspruch auf Ausschüttung bzw. Entnahme.66 Das setzt eine Prognose der künftig zu erwartenden entziehbaren finanziellen Überschüsse des Unternehmens voraus, die auf Grundlage der vorhandenen Unternehmensdaten und insbesondere der vorhandenen Unternehmensplanung zu erstellen ist.67 Dabei dürfen nach dem sogenannten Stichtagsprin62  Peemöller,

in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 10. WPg 2004, 936, 940. 64  Brösel / Hering, WPg 2004, 936, 940. 65  Hierzu und zum Folgenden IDW S 1 Rz. 4 f. 66  IDW S 1 Rz. 24. 67  IDW S 1 Rz. 24. 63  Brösel / Hering,

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

zip nur solche geplanten Maßnahmen berücksichtigt werden, die zum Bewertungsstichtag bereits hinreichend konkretisiert sind.68 2. Anwendungsbereich Der Standard ist bei jeder Bewertung von Unternehmen anzuwenden, jedenfalls im Grundsatz unabhängig davon, aus welchem Anlass sie erforderlich ist. Der Standard selbst unterscheidet danach, ob aufgrund unternehmerischer Initiative, für Zwecke der externen Rechnungslegung, aufgrund gesetzlicher Vorschriften bzw. vertraglicher Vereinbarungen oder aus sonstigen Gründen eine Bewertung erfolgt.69 Aufgrund unternehmerischer Initiative ergeben sich Bewertungsanlässe im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensanteilen, in Vorbereitung von Fusionen, im Zusammenhang mit Eigen- oder Fremdkapitalzuführungen, der Einbringung von Sacheinlagen, Börsengängen, Management Buy Out oder im Rahmen von wertorientierten Managementkonzepten.70 Zum Zwecke externer Rechnungslegung erfolgen Unternehmensbewertungen dann, wenn sich außerplanmäßige Wertveränderungen ergeben. Grundsätzlich erfolgt die Bewertung von Unternehmensanteilen (Erwerb durch Share-Deal) zu Anschaffungskosten (§ 253 Abs. 1 HGB), das gleiche gilt für den derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis und Wertansatz der einzelnen Vermögensgegenstände beim Asset-Deal, § 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Sodann ist er über die voraussichtliche Nutzungsdauer planmäßig abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 S. 1 HGB). Insoweit ist für eine gesonderte Unternehmensbewertung kein Grund ersichtlich. Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung allerdings sind außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, um die Vermögensgegenstände zu dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB). Dieser Wert muss mittels einer gesonderten Bewertung erfolgen, für die sich der IDW S 1 (aber unter Berücksichtigung von IDW RS HFA 10) heranziehen lässt.71 Die größte praktische Relevanz erlangt der Standard jedoch für gesetzliche Anordnungen von Unternehmensbewertungen, die sich in zahlreichen Normen des Gesellschaftsrechts finden, z. B. wenn es um das Ausscheiden eines Gesellschafters (§§ 15 GmbHG; 304, 305 AktG; 320b AktG; 327a ff. 68  IDW

S 1 Rz. 32. S 1 Rz. 8. 70  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 5 f. 71  Großfeld / Stöver / Tönnes, NZG 2006, 521, 522. 69  IDW



C. Bewertungstheorien307

AktG), Umwandlungen (§§ 197 ff., 207 ff. UmwG) oder Verschmelzungen (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15, 29 ff. UmwG) geht.72 3. Anlassabhängige Funktionen der Bewertung Der Standard selbst definiert Aufgabe und Funktion des Wirtschaftsprüfers. Demnach wird der Wirtschaftsprüfer in drei Funktionen tätig: als neutraler Gutachter, als Berater und als Schiedsgutachter / Vermittler.73 Der Bewertungszweck ist also – wie von der Kölner Funktionslehre etabliert – grundsätzlich auch nach IDW S 1 maßgeblich für das konkrete Vorgehen bei der Unternehmensbewertung.74 Entsprechend unterscheidet der Standard den objektiven Unternehmenswert (Funktion des neutralen Gutachters), den subjektiven Entscheidungswert (Beratungsfunktion) und den Einigungswert (Vermittlungsfunktion).75 Die von der Kölner Funktionslehre vertretene Argumentationsfunktion wird nicht erwähnt. In der Folge unterscheidet der Standard aber nur noch zwischen subjektivem Entscheidungswert einerseits und objektiviertem Unternehmenswert andererseits.76 Im Falle von gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen sei der objektivierte Unternehmenswert zu finden.77 Es handelt sich dabei um einen „intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolgswert“,78 der von der „Fortführung des Unternehmens auf Basis des bestehenden Unternehmenskonzepts und mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der Marktchancen, -risiken und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie sonstigen Einflussfaktoren“ ausgeht.79 Der objektivierte Unternehmenswert soll das Ergebnis der Gutachterfunktion des Wirtschaftsprüfers sein. IDW S 1 sagt dazu wörtlich:80 „In der Funktion als neutraler Gutachter wird der Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger tätig, der mit nachvollziehbarer Methodik einen von den individuellen Wertvorstellungen betroffener Parteien unabhängigen Wert des Unternehmens – den objektivierten Unternehmenswert – ermittelt.“ Zugleich wird im WP-Handbuch des IDW die Gutachterfunktion als Grundlage für die Beratungs- und Vermittlungsfunktion bezeichnet und dies als unstreitig darge72  Großfeld, 73  IDW 74  IDW 75  IDW 76  IDW 77  IDW 78  IDW 79  IDW 80  IDW

S 1 S 1 S 1 S 1 S 1 S 1 S 1 S 1

Unternehmensbewertung, S. 13 ff. sowie oben Kapitel 4 B.I. Rz. 12. Rz. 17. Rz. 17. Rz. 29 und 48. Rz. 31. Rz. 29. Rz. 29. Rz. 12.

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

stellt.81 Auch die Ermittlung subjektiver Entscheidungswerte soll hiernach auf Grundlage des objektivierten Unternehmenswerts erfolgen, der dann in einem zweiten Schritt durch Einbeziehung individueller Vorstellungen modifiziert werden kann.82 Ähnlich soll bei der Ermittlung des Arbitriumswerts vorgegangen werden: Zwar wird darauf hingewiesen, dass nach überwiegender Auffassung der Schiedswert zwischen den subjektiven Preisgrenzen liegt,83 jedoch dürfte damit der subjektive Entscheidungswert im Verständnis des IDW gemeint sein. Anders als nach der Kölner Funktionslehre wird also ein stärker verobjektivierter Grenzpreis herangezogen. Der Arbitriumswert ergebe sich, indem der objektivierte Unternehmenswert um subjektive Wertschätzungen und die Einschätzungen der Parteien über die wechselseitige Partizipation an Synergieeffekten ergänzt werde.84 Sodann wird aber das subjektive Element der Wertfindung noch weiter eingeschränkt, wenn die Notwendigkeit typisierter Betrachtungsweisen hervorgehoben wird.85 Denn die subjektiven Werteinschätzungen und die Vorstellungen der Verteilung der Synergieeffekte müssten „intersubjektiv, angemessen und fair“ sein.86 4. Typisierungen und Annahmen zur Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte Der objektivierte Unternehmenswert stellt nach IDW S 1 „einen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolgswert aus Sicht der Anteilseigner dar“.87 Gemeint sind damit aber nicht die tatsächlichen Anteilseigner. Vielmehr sind dem Standard zufolge objektivierte Unternehmenswerte „im Einklang mit der langjährigen Bewertungspraxis und deutschen Rechtsprechung aus der Perspektive einer inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person als Anteilseigner“ zu ermitteln.88 Ob das der typischen Aktionärsstruktur tatsächlich entspricht, muss hier dahinstehen. Außer Betracht bleibt dementsprechend auch, welche Synergieeffekte der einzelne Anteilseigner tatsächlich erzielen kann.89 Dasselbe gilt für die Erreichbarkeit günstiger Finanzierungsmöglichkeiten, die lediglich bei der Ermittlung 81  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 8, belegt mit einer einzigen Quelle aus dem Jahr 1981. 82  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 10. 83  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 11. 84  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 12. 85  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 11. 86  Siepe, in: WP-Handbuch II, S. 12. 87  IDW S 1 Rz. 29. 88  IDW S 1 Rz. 31. 89  Dazu ausführlicher sogleich sub C.II.



C. Bewertungstheorien309

subjektiver Entscheidungswerte zu berücksichtigen sind.90 Zu unterstellen ist ferner, dass das Management des Unternehmens unverändert bleibt.91 Außerdem ist nach IDW S 1 für die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte davon auszugehen, dass das auf Grundlage der Unternehmensplanung voraussichtlich ausschüttbare Vermögen auch tatsächlich ausgeschüttet wird.92 5. Börsenkurse IDW S 1 zufolge beruhen Unternehmensbewertungen auf detailliert analysierten Daten zum Bewertungsobjekt, insbesondere der nicht öffentlich zugänglichen konkreten Planungsdaten.93 Aus diesem Grunde akzeptiert der Standard Börsenkurse nur zur Plausibilisierung der gutachterlich ermittelten Werte. „Sachlich nicht begründbare wesentliche Abweichungen zwischen dem Zukunftserfolgswert und dem Börsenkurs sollten zum Anlass genommen werden, die der Bewertung zugrunde liegenden Ausgangsdaten und Prämissen kritisch zu überprüfen.“94 Der Standard erwähnt aber auch, dass nach der Rechtsprechung für bestimmte Bewertungsanlässe der Börsenkurs nicht unberücksichtigt bleiben darf.95 Sofern der Börsenkurs tatsächlich dem Verkehrswert der Aktie entspräche, sei er als Mindestgröße heranzuziehen. Verglichen mit der gegenwärtigen Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur erweist sich IDW S 1 als zurückhaltend gegenüber der Tendenz, Börsenkurse stärker zur Ermittlung des Unternehmenswertes heranzuziehen. 6. Fazit Im Mittelpunkt des Bewertungskonzepts von IDW S 1 steht der objektivierte Unternehmenswert. Insofern konsequent, ersetzt der Standard die innerhalb der Funktionentrias der Kölner Funktionslehre etablierte Argumentationsfunktion durch die neutralere Gutachterfunktion. Das zentrale Ordnungsprinzip96 der Kölner Funktionslehre, die Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks, wird zwar als Maßgeblichkeit des Bewertungsanlasses betont,97 dann 90  IDW

S 1 Rz. 53. S 1 Rz. 38 ff. und unten sub C.V. 92  IDW S 1 Rz. 35. 93  IDW S 1 Rz. 14. 94  IDW S 1 Rz. 15. 95  IDW S 1 Rz. 16. 96  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 171. 97  IDW S 1 Rz. 17. 91  IDW

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

aber nicht konsequent durchgeführt. Es wird nicht versucht, das Subjekt in der konkreten rechtlichen und tatsächlichen Situation zu erfassen, sondern es stattdessen durch Typisierungen zu eliminieren.98

D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1 Die vorstehend dargestellten Grundzüge des Bewertungskonzepts nach IDW S 1 sollen im Folgenden anhand einiger Beispiele konkreter ausgeleuchtet werden. Hierzu werden einige in Literatur und Rechtsprechung diskutierte Probleme ausgewählt. Ziel ist es darzustellen, wie sich der IDW S 1 für die Bewertungspraxis konkret positioniert, wenn dem Gesetz eine Entscheidung der jeweiligen Sachfrage nicht ohne weiteres entnommen werden kann.

I. Nachsteuerbetrachtung 1. Die wissenschaftliche Diskussion Lange Zeit wurden bei der Unternehmensbewertung die bei der Körperschaft oder den Eignern anfallenden Steuern ausgeblendet.99 Insbesondere die Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern der Gesellschafter oder Anteilseigner sollte unterbleiben, da diese ihre Privatsache seien.100 Einzig das Finanzamt habe ein Recht, sie zu kennen; im Übrigen setzte sich das Steuergeheimnis durch.101 Mittlerweile wird aber überwiegend eine Nachsteuerbetrachtung befürwortet.102 Auf die Gründe wird sogleich zurückzukommen sein. Betriebswirtschaftlich sind offenbar beide Berechnungsme98  Mandl / Rabel,

FS Rückle, S. 45, 49. Urteil v. 11.6.1959, Az. II ZR101 / 58, BB 1959, 719; Deilmann, in: Hölters, § 304 Rn. 27; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 34a; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 119; Hennrichs, ZHR 164 (2000), 453, 455. 100  BGH, Urteil v. 10.7.1991, Az. XII ZR 109  / 90, NJW 1991, 3036, 3037 f.; Urteil v. 24.10.1990, Az. XII ZR 101 / 89 NJW 1991, 1547, 1549; Hennrichs, ZHR 164 (2000), 453, 469, kritisch aber bereits Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S. 242. 101  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 119. 102  Instruktiv Jonas, WPg 2008, 826 ff.; knapp Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 226; Deilmann, in: Hölters, § 304 Rn. 27; Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 305 Rn. 34a; Löffler, in: Schacht / Fackler, S. 385; speziell zum Falle der Bewertung von Personengesellschaften Ruiz de Vargas / Zollner, WPg 2012, 606 ff.; speziell zur Berücksichtigung von Steuern bei der Bewertung im Falle eines squeeze-out Heintzen / Kruschwitz / Löffler / Maiterth, ZfB 2008, 275 ff.; Meilicke, in: Heidel, § 305 Rn. 46 ff.; Wollny, Der objektivierte Unter99  BGH,



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1311

thoden grundsätzlich anerkannt.103 Auch hier herrscht indes über die unterschiedlichen Auswirkungen von Brutto- und Nettobewertung Streit,104 der hier nicht weiter vertieft werden kann. Ob aber rechtlich das eine oder das andere vorgegeben ist, ist bislang nicht abschließend geklärt.105 Teilweise wird auch hier aus der betriebswirtschaftlichen Anerkennung die rechtliche Zulässigkeit gefolgert.106 Das Steuerrecht selbst gibt aber eine Berücksichtigung anfallender Steuern bei der Berechnung des Unternehmenswerts direkt nicht vor. Auch den einzelnen Normen, die gesellschaftsrechtlich eine Unternehmensbewertung anordnen, ist eine Pflicht zur Berücksichtigung von Steuern nicht unmittelbar zu entnehmen. Nach dem Stand der Literatur und der Rechtsprechung ist sie zwar seit einiger Zeit anerkannt und üblich,107 aber nicht zwingend. Tatsächlich sprechen rechtlich einige gute Gründe gegen die Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern. Sie ergeben sich aus den rechtlichen Faktoren, die den Normwert als Ergebnis gesetzlich angeordneter Unternehmensbewertungen, wie er oben108 vorgestellt wurde, prägen. Typischerweise verlangen die Anordnungsnormen – jedenfalls im Kapitalgesellschaftsrecht – eine Bewertung auf Grundlage der Verhältnisse der Gesellschaft.109 Dass auch die persönlichen Verhältnisse der Anteilseigner eine Rolle spielen sollen, ist hingegen nicht gesagt. Zu bewerten ist außerdem nicht der einzelne Anteil, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Erst aus diesem Wert wird derjenige der einzelnen Aktie abgeleitet.110 Schließlich lässt sich das nehmenswert, S. 269; kritisch gegenüber der Nachsteuerbetrachtung aber Barthel, DStR 2007, 83 ff. 103  Stephan, in: Schmidt / Lutter, § 305 Rn. 94. 104  Vgl. Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 119 m. w. N. 105  Dazu aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Kritik von Barthel, DStR 2007, S. 83 ff.; aus juristischer Perspektive kritisch auch Hennrichs, ZHR 164 (2000), 479 ff. 106  Stephan, in: Schmidt / Lutter, § 305 Rn. 94. 107  BGH, Beschluss v. 21.7.2003, Az. II ZB 17  /  01, NJW 2003, 3272; OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.2.2008, Az. 20 W 9 / 06, BeckRS 2008, 0445 unter D. II.1.e); Beschluss v. 16.2.2007, Az. 20 W 6 / 06, NZG 2007, 302, 308 m. w. N. 108  Sub B.II. 109  Beispielsweise (kursive Hervorhebung durch Verf.) § 304 Abs. 2 S. 1 AktG: „Als Ausgleichszahlung ist mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten (…) verteilt werden könnte“; § 305 Abs. 3 S. 2 AktG: „Die angemessene Barabfindung muß die Verhältnisse der Gesellschaft (…) berücksichtigen.“ (Hervorhebung jeweil durch Verf.) Weitere Beispiele bei Hennrichs, ZHR 164 (2000), 453, 466 f. 110  Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 305 Rn. 75; Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 68; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 141; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 97.

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Gebot der Gesellschaftergleichbehandlung111 für die Kritik an der Nachsteuerbetrachtung fruchtbar machen.112 Da die Höhe der persönlichen Ertragsteuern maßgeblich von den persönlichen Verhältnissen jedes einzelnen Anteilseigners abhängt, fällt die entsprechende steuerliche Belastung ganz unterschiedlich aus. Eine Gleichbehandlung der Gesellschafter erscheint bei einer entsprechenden Berücksichtigung ihrer persönlichen Steuern bereits im Moment der Bewertung des gesamten Unternehmens nicht mehr gewährleistet. Schließlich steht zu befürchten, dass der Grundsatz der Vollkompensation verletzt wird. Denn wenn statt der Berücksichtigung jedes individuellen Steuersatzes ein durchschnittlicher Steuersatz zugrunde gelegt wird, kann ein Teil der Anteilseigner einen niedrigeren Wert erhalten als ihm tatsächlich zustünde. Gleichwohl hat sich die Perspektive auf die Beachtlichkeit von persön­ lichen Ertragsteuern in dem dargestellten Sinne verschoben. Der Meinungsstand in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur hat damit die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Forschung nachvollzogen, die zwar ebenfalls zu keinen völlig unbestrittenen Bewertungssystemen geführt hat, aber doch die Maßstäbe der Investitionsrechnung in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. In diesem Sinne ist der Ausgangspunkt der Bewertung aber eben gerade nicht mehr das zu bewertende Unternehmen, sondern ein außerhalb des Unternehmens stehendes Bewertungssubjekt mit allen seinen persönlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Eigenschaften, die sein Investitionsverhalten beeinflussen. Zu diesen persönlichen Eigenschaften zählt auch die individuelle Steuerbelastung. 2. Die Lösung nach IDW S 1 (2008) IDW S 1 geht seit seiner Fassung aus dem Jahre 2000 davon aus, dass die Nettomethode anzuwenden sei.113 Entgegen der damals überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung schloss sich das IDW damit führenden Stimmen in der betriebswirtschaftlichen Forschung an. Der Ansatz entspricht – wie berichtet – jener Auffassung, welche die Investitionsrechnung zum Bezugspunkt für die Unternehmensbewertung macht.114 Dort können sinnvollerweise nur Nettozahlungen verglichen werden. Problematisch ist allerdings, wie die Steuern der Anteilseigner – gerade im Falle von Publikums111  § 53a

AktG. ZHR 164 (2000), 453, 475. 113  Zur Neufassung im Jahre 2000 aus dem Hause des IDW Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946, 952 f.; so auch der aktuelle IDW S 1 Rz. 28 und 43 ff. 114  s. o. unter II.a. 112  Hennrichs,



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1313

gesellschaften – erfasst werden können.115 Auf die rechtlichen Probleme, insbesondere den Grundsatz der Gesellschaftergleichbehandlung, ist bereits hingewiesen worden. Die Erfassung und Berücksichtigung aller tatsäch­ lichen Steuerbelastungen jedes einzelnen Anteilseigners ist ersichtlich nicht durchführbar. Der inzwischen aufgegebene IDW S 1 (2005) versuchte deshalb einen Kompromiss: Er definierte einen Durchschnittsinvestor, der jeder Bewertung als Bewertungssubjekt zugrunde gelegt werden sollte.116 Der Standard ging hierfür von einem typisierten Steuersatz von 35 % (bzw. 17,5 % bei Zugrundelegung des Halbeinkünfteverfahrens) aus.117 Das blieb jedoch nicht ohne Kritik.118 Die Abbildung der tatsächlichen Steuerbelastung sei für viele Anteilseigner damit nicht zutreffend.119 Allerdings war unabhängig von der Formulierung in IDW S 1 ein typisierter Steuersatz von 35 % für einen inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anerkannt.120 Es erwies sich jedoch die Schnelllebigkeit des Steuerrechts insofern als Problem, weil sie eine häufige Anpassung des IDW S 1 befürchten ließ.121 Änderungen ergaben sich konkret durch die Abgeltung­ steuer 2009.122 Waren bisher nur die Einkommen aus Kapitalerträgen (Dividenden) zu versteuern, sind seitdem auch Kursgewinne, die mit Veräußerung der Anteile realisiert werden, steuerpflichtig. Dabei fallen erstere periodisch an, letztere nur ein einziges Mal. Folglich sinkt der Einfluss der Abgeltungsteuer auf den Unternehmenswert mit steigender Haltedauer. Während im Falle von Dividenden die Ausschüttungshöhe zutreffend erfasst werden muss, gilt dies hinsichtlich der Veräußerungsgewinne für die Haltedauer. In der Tendenz wird dieser offenbar mit dem hälftigen Abgeltungsteuersatz (gerundet 13,2 %123) gegriffen.124 IDW S 1 (2008), der im Zuge dieser steuerrechtlichen Änderungen entwickelt wurde, beschränkt sich nunmehr auf die Empfehlung festzustellen, Mandl / Rabel, FS Rückle, S. 45, 60. ZfB 2008, 275, 279. 117  IDW S 1 (2005) Rz. 37. 118  Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 57; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S.  274 f. 119  Emmerich, in: Emmerich  / Habersack, § 305 Rn. 52b; Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 57; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 274 f. 120  Hachmeister / Kühnle / Lampenius, WPg 2009, 1234, 1238; dazu außerdem Heintzen / Kruschwitz / Löffler / Maiterth, ZfB 2008, 275, 281. 121  Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 274 f. 122  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 123 f. 123  Der Abgeltungsteuersatz beträgt ohne mögliche Kirchensteuer 25  % zuzüglich Solidaritätszuschlag, vgl. Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 58; Veil, in: Spindler / Stilz, §  305 Rn.  92. 124  Hachmeister / Kühnle / Lampenius, WPg 2009, 1234, 1239. 115  Dazu

116  Heintzen / Kruschwitz / Löffler / Maiterth,

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

dass eine entsprechende Typisierung erforderlich ist und die bei der Typisierung getroffenen Annahmen zu erläutern sind.125 Vorgegeben ist insoweit aber das Vorbild einer inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person als Anteilseigner.126 3. Schlussfolgerungen IDW S 1 (2008) trifft einige Entscheidungen, die sowohl in der betriebswirtschaftlichen als auch der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten sind. Danach werden bei der Unternehmensbewertung sowohl die auf Ebene des Unternehmens anfallenden Steuern als auch die persönlichen Ertragsteuern der Gesellschafter berücksichtigt. Aus Gründen der Praktikabilität werden typisierend einige Annahmen getroffen, auf ihrer Grundlage wird ein Bewertungssubjekt modelliert. Die Nettobewertung nach IDW S 1 fordert damit die Typisierung des Einkommensteuersatzes, der Ausschüttungshöhe und der Haltedauer durch Feststellungen im Einzelfall. Bereits von IDW S 1 vorgegeben ist die Annahme, der Anteilseigner sei eine natürliche, inländische, voll steuerpflichtige Person. Sofern diese Annahmen für alle Anteilseigner gelten, stellt dies zumindest keine unzulässige Ungleichbehandlung dar. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass gerade dadurch der Grundsatz der Vollkompensation verletzt wird, weil alle Anteilseigner, deren Steuersatz einen Wert über dem Mittelwert ergibt, zu wenig erhalten. Das gilt auch im Hinblick auf die typisierte Haltedauer.

II. Synergieeffekte 1. Meinungsstand Eine seit Jahren andauernde Diskussion betrifft die Frage, ob im Falle gesetzlich angeordneter Unternehmensbewertungen sogenannte Synergieeffekte berücksichtigt werden dürfen bzw. müssen.127 Zahlreiche dieser Bewertungsanlässe begründen sich in der Verbindung von zwei Unternehmen. Solche Verbindungen bergen in der Regel erhebliche Wertsteigerungspotenziale – deshalb werden sie überhaupt nur eingegangen. Scheidet anlässlich eines derartigen Zusammenschlusses ein Aktionär freiwillig oder unfreiwillig aus der Reihe der Anteilseigner aus, spricht das Gesetz ihm einen An125  IDW

S 1 Rz. 44. S 1 Rz. 46. 127  Vgl. Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 305 Rn. 70a; Fleischer, ZGR 1997, 368, 371; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 88; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 135. 126  IDW



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1315

spruch auf eine angemessene Abfindung zu. Doch stellt sich die Frage, ob in diesem Fall auch die erwarteten Vorteile, die Grund für den Zusammenschluss waren, der zum Ausscheiden des Anteilseigners geführt hat, bei der Ermittlung des vom Unternehmenswert abgeleiteten Anteilswertes berücksichtigt werden müssen. Anders gesprochen lässt sich fragen, ob die Hoffnung auf die mit der Strukturmaßnahme erwartete Wertsteigerung schon zum Vermögen aller Anteilseigner gehört,128 auch wenn sie sodann aus die­sem Kreise ausscheiden. Letztlich geht es hier um den Schutz der Aktio­ närsminderheit, deren Teilhaberrechte durch die Strukturmaßnahme berührt sind. Unterschieden werden zunächst sogenannte echte und unechte Verbundvorteile. Unter unechten Verbundvorteilen werden solche Synergieeffekte verstanden, die nicht nur mit dem konkreten anderen Unternehmen erreicht werden können, mit dem ein Zusammenschluss geplant ist, sondern die sich auch mit einer überwiegenden Zahl anderer potentieller Unternehmen erreichen ließen, weil sie in erster Linie auf Eigenschaften des zu bewertenden Unternehmens beruhen.129 Das betrifft insbesondere steuerliche Ver­lust­vor­ träge,130 aber auch Rezepturen,131 optimale Ablaufsteuerungen oder kompatible EDV-Software.132 Sie sind bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen, wenn sie sich quantifizieren und zuordnen lassen.133 Uneinigkeit besteht hingegen bezüglich der Berücksichtigungsfähigkeit von sogenannten echten Verbundeffekten. Sie ergeben sich erst aus dem Zusammenschluss mit einem ganz konkreten anderen Unternehmen aufgrund der so kumulierenden Eigenschaften dieser beiden individuellen Marktteilnehmer.134

128  Großfeld,

Unternehmensbewertung, S. 90. Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 394; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 70a; Fleischer, ZGR 1997, 368, 371. 130  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 394. 131  OLG Stuttgart, Beschluss v. 4.2.2000, Az. 4 W 15 / 98, NZG 2000, 744, 745. 132  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 95. 133  BGH, Beschluss v. 12.3.2001, Az. II ZB 15  /  00, NJW 2001, 2080, 2082; OLG Stuttgart, Beschluss v. 26.10.2006, Az. 20 W 14 / 05, NZG 2007, 112, 118; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 394; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 70a; Fleischer, ZGR 1997, 368, 371. 134  Emmerich, in: Emmerich  / Habersack, § 305 Rn. 70a; Fleischer, ZGR 1997, 368, 371; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 88; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 135. Ein weiteres Begriffsverständnis legt Decher, FS Hommelhoff, S. 115, 116 zugrunde, der unter Verbundvorteilen nicht nur Synergieeffekte sondern alle positiven oder negativen Effekte versteht, „die in einem Unternehmensverbund aufgrund des Verbundes entstehen.“ 129  Adolff,

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

a) Rechtsprechung Die Rechtsprechung lehnt die Berücksichtigung von echten Verbundvorteilen grundsätzlich ab und folgt damit einer „stand alone-Betrachtung“.135 Zur Begründung wird angeführt, die Barabfindung stelle den Preis dar, zu welchem es (im Falles des § 305 AktG) dem Aktionär ermöglicht werden soll, die Gesellschaft zu verlassen, ohne finanzielle Nachteile zu erfahren. Die künftige Entwicklung spiele daher keine Rolle. Diese hingen vielmehr wesentlich von den Eigenschaften der neuen Vertragspartnerin ab.136 Sofern infolge jüngerer Rechtsprechung137 und Literatur138 die Bedeutung von Börsenkursen für die Ermittlung des Unternehmenswertes zunehmend an Bedeutung gewinnt, bleiben Verbundvorteile faktisch ebenfalls unberücksichtigt. Denn nach der Stollwerk-Entscheidung des BGH vom 19. Juli 2010 ist der Referenzzeitraum für die Ermittlung des Börsenkurses auf die drei Monate vor der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme festgelegt.139 Damit soll sichergestellt werden, dass die Auswirkungen der Information von einer anstehenden Strukturmaßnahme nicht bereits im Börsenkurs Niederschlag gefunden haben. Der Grund für diese Vorkehrung liegt maßgeblich in der berechtigten Sorge begründet, andernfalls würde die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme zu Wertsteigerungen führen, weil die Marktteilnehmer auf die infolge der Strukturmaßnahme erhältliche Abfindung spekulierten.140 Zugleich wird damit aber auch ausgeschlossen, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer an den Erfolg der Strukturmaßnahme und damit die erwar135  BGH, Beschluss v. 4.3.1998, Az. II ZB 5-97, NJW 1998, 1866, 1867; BayObLG, Beschluss v. 19.10.1995, Az. 3Z BR 17 / 90, BB 1996, 259 f.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.1.2011, Az. 20 W 2 / 07, BeckRS 2011, 01677 unter II.2.aa); übersichtlich Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 392; für Berücksichtigung von Synergieeffekten aber OLG Stuttgart, Beschluss v. 06.7.2007, Az. 20 W 5 / 06, BeckRS 2007, 13212, dort unter I 3; ferner LG Dortmund, Beschluss v. 25.11.2010, Az. 18 O 158 / 05 AktE unter BeckRS 2012, 12806 unter II.1.a.bb)(1). 136  BGH, Beschluss v. 4.3.1998, Az. II ZB 5-97, NJW 1998, 1866, 1867. 137  BVerfG, Kammerbeschluss v. 26.4.2011, Az. 1 BvR 2658  /  10, NJW 2011, 2497 ff.; Beschluss v. 16.5.2012, Az. 1 BvR 96 / 09, BeckRS 2012, 53911; OLG München, Beschluss v. 26.7.2012, Az. 31 Wx 250 / 11, BeckRS 2012, 17631; OLG Frankfurt a. M.; Beschluss v. 24.11.2011, Az. 21 W 7 / 11, BeckRS 2012, 02278; LG Köln, Beschluss v. 24.7.2009, Az. 82 O 10 / 08, BeckRS 2009, 69439, Der Konzern 2009, 494 ff. Die Rechtsprechung ist übersichtlich aufbereitet bei Bunger / Wettich, FS Hoffmann-Becking, S. 157 ff. 138  Emmerich, FS Schneider, S. 323 ff.; Krause, FS Hopt, S. 1005 ff.; Krieger, in: MünchHBGesR, Band IV, § 70 Rn. 136; Stilz, FS Goette, S. 529 ff.; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 55; a. A. Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 83. 139  BGH, Beschluss v. 19.7.2010, Az. II ZB 18 / 09, NJW 2010, 2657 ff. 140  Wasmann, ZGR 2011, 83, 85.



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1317

teten Synergieeffekte in den Börsenkurs eingepreist werden.141 Zwar hat das Gericht darauf hingewiesen, dass in Ausnahmefällen ein Hochrechnen des Börsenkurses erforderlich sein kann, jedoch nur für die Situation, dass zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme und der Hauptversammlung ein deutlich längerer Zeitraum liegt.142 Ein Hochrechnen aufgrund nicht eingepreister Synergieeffekte ist damit nicht angesprochen. b) Literatur Ebenso wie mit der Rechtsprechung verhält es sich traditionell mit den Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur.143 Eine Berücksichtigung von Verbundeffekten fordere das Recht nicht.144 Hier wird zudem auf die erhebliche Komplexität der Ermittlung der Synergieeffekte und ihres Verteilungsschlüssels hingewiesen.145 Die betriebswirtschaftliche Literatur fordert hingegen offenbar geschlossen die Berücksichtigung von echten Synergieeffekten.146 Sie argumentiert, den Abfindungsgläubigern werde andernfalls ein Preis aufgezwungen, den sie freiwillig nicht zu zahlen bereit wären, weil sie mehr erhalten würden, wenn sie in der Gesellschaft verblieben und damit an den künftig zu erwartenden Verbundvorteilen partizipieren könnten. Nichts anderes könne der Maßstab sein, wenn die Abgabe der Anteile erzwungen wird.147 Andernfalls würden die Synergieeffekte ohne sachlichen Grund den in der 141  Das deutet auch der BGH, Beschluss v. 19.7.2010, Az. II ZB 18  / 09, NJW 2010, 2657, 2629, an; in diesem konkreten Fall ging es allerdings um einen Squeezeout gem. § 327b AktG, durch den keine Synergieeffekte denkbar sind. Deutlich im Hinblick auf die Bedeutung des Referenzzeitraums für Verbundvorteile aber I.3.a.aa); OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.02.2008, Az. 20 W 9 / 06, Beck RS 2008, 04445 unter D.I.3.a)aa); ferner als Vorinstanz der Stollwerk-Entscheidung OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.9.2009, Az. 26 W 13 / 06, NZG 2009, 1427, 1429; ferner Decher, FS Hommelhoff, S. 115, 128; Wasmann, ZGR 2011, 83, 87. 142  BGH, Beschluss v. 19.7.2010, Az. II ZB 18  / 09, NJW 2010, 2657 (2. Leitsatz). 143  Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 65; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 65; Meilicke, in: Heidel, § 305 Rn. 48; Stephan, in: Schmidt  /  Lutter, § 305 Rn. 68; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 81. 144  Decher, FS Hommelhoff, S. 115, 124 ff. 145  Decher, FS Hommelhoff, S. 115, 128 f.; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 65. 146  Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 91; Serf, in: Schacht / Fackler, S. 173; zahlreiche Nachweise bei Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 398, und Fleischer ZGR 1997, 368, 373. 147  Busse von Colbe, ZGR 1994, 595, 604.

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Gesellschaft verbleibenden Anteilseignern zufallen, regelmäßig also dem Mehrheitsaktionär.148 Ihnen folgt nach und nach auch eine Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Diskussion.149 Insbesondere das Argument, ein Eliminieren von Verbundvorteilung aus dem Vorgang der Unternehmensbewertung würde die ausscheidenden Gesellschafter übervorteilen, hat hier zu einem gewissen Umdenken geführt.150 Dass die Ermittlung der konkreten Verbundvorteile erhebliche Schwierigkeiten bereite, betreffe nicht die Frage, ob der Anspruch auf sie dem Grunde nach besteht.151 Die genaue quotale Aufteilung könne beispielsweise bei etwa gleichgroßen Unternehmen hälftig erfolgen,152 andernfalls durch Berücksichtigung der Ertragswertanteile153 oder nötigenfalls im Wege der Schätzung durch den Richter (§ 287 Abs. 2 ZPO) ermittelt werden.154 Aus der Perspektive eines außenstehenden Anlegers, der eine rationale Investitionsentscheidung trifft, erscheint es konsequent, wenn nicht sogar unausweichlich, sowohl echte als auch unechte Synergieeffekte zu berücksichtigen. Auf das Vergangene – so heißt es oft – gibt der Kaufmann nichts, er richtet seine Entscheidung nach den künftigen Ertragschancen aus. Die hängen aber gerade davon ab, wie sich das zu bewertende Unternehmen in der Folge der Strukturmaßnahme entwickelt.

148  Fleischer,

ZGR 1997, 368, 373. Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 400 ff.; Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 305 Rn. 70a; Fleischer ZGR 1997, 368, 369; Großfeld S. 91; Hüttemann, WPg 2007, 812, 815 f.; Hirte / Hasselbach, in: GK-AktG, § 305 Rn. 87; Krieger, in: MünchHBGesR, Band IV, § 70 Rn. 132; Lutter, ZGR 1979, 401, 418; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 137; Reichert / Weller, in: MK-GmbHG, § 14 Rn. 25; Stratz, in: Schmitt / Hörtnagl / Stratz, §  5 UmwG Rn. 28. 150  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 400, 404 f.; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 71; Fleischer, ZGR 1997, 368, 382; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 90; Lutter, ZGR 1979, 401, 418; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 138; kritisch demgegenüber weiter Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 65. 151  Emmerich, in: Emmerich  /  Habersack, § 305 Rn. 71; Hirte / Hasselbach, in: GK-AktG, § 305 Rn. 83; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 138. 152  OLG Stuttgart, Beschluss v. 6.7.2007, Az. 20 W 5 / 06, BeckRS 2007, 13212, dort unter I 3; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 71; Paulsen, in: MKAktG, § 305 Rn. 138. 153  Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 91. 154  Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 138. 149  Adolff,



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1319

2. Die Auffassung des IDW IDW S 1 geht weiterhin davon aus, dass echte Synergieeffekte für die Ermittlung objektiver Unternehmenswerte grundsätzlich unbeachtlich sind.155 Er widmet dieser Problematik eine einzige Randziffer, in der er unechte von echten Synergieeffekten abgrenzt und sodann lakonisch feststellt, unechte Verbundvorteile seien unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen. Zur Begründung wird maßgeblich darauf abgestellt, dass echte Synergieeffekte ausschließlich aufgrund der Kooperation ganz bestimmter Unternehmen realisiert werden können;156 wegen dieses Subjektbezuges stellten sie – so ist es in den Erläuterungen des IDW zu lesen – echte „Wertfaktoren dar, die bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nicht zu berücksichtigen sind. Sie sind nicht mit der Typisierung der Fortführung des Unternehmens (…) vereinbar und beruhen auf subjektiven Faktoren, bspw. speziellen Käuferinteressen.“157 Dies ist insofern erstaunlich, als das Bewertungskonzept des IDW S 1 (2008) sonst darum bemüht ist, die Perspektive eines typisierten Marktteilnehmers zu ergreifen. Ein typischer Investor würde aber gerade ins Kalkül ziehen, welche Wertpotenziale sich aus der Stellung einer Gesellschaft als Teil einer Unternehmensgruppe ergeben. Mit dieser Frage und den Argumenten in der fachlich interdisziplinären Diskussion setzt sich der Standard jedoch nicht auseinander und bietet infolgedessen, anders als im Falle etwa der Nachsteuerbetrachtung, auch keine differenzierten Lösungen. Die Komplexität der Thematik wird folglich nicht abgebildet, dafür allerdings ein Weg gewählt, der die praktische Handhabung erleichtert – Synergieeffekte brauchen weder ermittelt noch zugerechnet werden. Die Auswertung der Rechtsprechung zeigt andererseits, dass Synergie­ effekte gleichwohl gelegentlich von der Praxis berücksichtigt werden. So haben das OLG Stuttgart und das LG Dortmund die hälftige Aufteilung von Synergieeffekten nicht beanstandet.158 Daran wird anschaulich, dass auch in der Bewertungspraxis zumindest teilweise diejenige Ansicht an Gewicht gewinnt, die Verbundvorteile berücksichtigen will und insofern von IDW S 1 (2008) abweicht. Noch überwiegt aber die Meinung, dass echte Synergieeffekte für die Unternehmensbewertung unbeachtlich seien.

155  IDW

S 1 Rz. 34. S 1 Rz. 34. 157  Siepe, in: WP-Handbuch II, Kap. A Rz. 84. 158  OLG Stuttgart, Beschluss v. 6.7.2007, Az. 20 W 5 / 06, BeckRS 2007, 13212, dort unter I 3; LG Dortmund, Beschluss v. 25.11.2010, Az. 18 O 158 / 05 AktE unter BeckRS 2012, 12806 unter II.1.a.bb)(1). 156  IDW

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

III. Minderheitsabschlag 1. Meinungsstand Die wissenschaftliche Diskussion hat sich in jüngerer Zeit vermehrt um die Fragestellung bemüht, ob ein Unternehmenswert, zu dem ausscheidende Anteilseigner abgefunden werden, um einen sogenannten Minderheitenabschlag zu kürzen ist. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass mit Erreichen einer Kontrollmehrheit die Unternehmenspolitik stark beeinflusst werden kann und somit Entscheidungen besser umgesetzt werden können.159 Auf die Spitze getrieben könnte man in Anlehnung an ein von Holger Fleischer vorgetragenes Beispiel sagen, 51 % der Anteile an einem Unternehmen seien eine halbe Millionen Euro wert, die restlichen 49 % keinen einzigen Cent.160 Aus diesem Grunde lassen sich Minderheitsanteile nicht zum selben Wert veräußern wie die Mehrheit der Anteile. Es entspricht deshalb offenbar der Praxis, im Falle freihändiger Veräußerung mitunter entsprechende minoritiy discounts vorzunehmen.161 Von der überwiegenden Meinung im gesellschaftsrecht­ lichen Schrifttum werden solche Minderheitsabschläge jedoch abgelehnt.162 Sie stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente: Zum einen wird darauf verwiesen, dass sich der Anteilswert nach dem Wert des gesamten Unternehmens bestimme. Dieses Prinzip werde verletzt, wenn der Anteilswert aufgrund der Besitzquote verändert wird.163 Das zweite Argument betrifft die Pflicht zur Gleichbehandlung der Anteilseigner gem. § 53a AktG.164 Den einzelnen Anteilseignern erwachse nach herrschender Meinung daraus zwar kein subjektives Recht gegenüber den Mitaktionären,165 sondern nur gegenüber der Gesellschaft, das rechtfertige aber gleichwohl nicht, Anteile zum selben Zeitpunkt unterschiedlich zu bewerten.166 159  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 360; Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 240 f.; Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1635. 160  Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1635. 161  Lorz, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, §  131 Rn.  98; Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1635; Winner, Wert und Preis, S. 417. 162  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 379; Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 68; Emmerich, in: Emmerich  / Habersack, § 305 Rn. 75; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 95; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 138. 163  Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1636 i. V. m. 1639; Veil, in: Spindler / Stilz, § 305 Rn. 94. 164  Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24; Deilmann, in: Hölters, § 305 Rn. 68; Paulsen, in: MK-AktG, § 305 Rn. 141. 165  Bungeroth, in: MK-AktG, § 53a Rn. 5; Fleischer, in: Schmidt  / Lutter, § 53a Rn. 16; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 4. 166  Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten AG, S. 361.



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1321

Minderheitsabschläge finden aber faktisch dann statt, wenn der Unternehmenswert anhand von Börsenkursen ermittelt wird.167 An der Börse bildet sich ein Preis für einzelne Anteile, weshalb der Wert einer erreichbaren Kontrollmehrheit hier in der Regel keinen Niederschlag findet.168 Für den Erwerb größerer Aktienpakete wird deshalb regelmäßig außerbörslich ein Paketzuschlag bezahlt.169 Vertreten wird deshalb teilweise die Ansicht, im Rahmen der Unternehmensbewertung mittels des Ertragswertverfahrens seien Minderheitsabschläge abzulehnen, Paketzuschläge bei der Bewertung von Börsenkursen entgegen der herrschenden Meinung zugleich aber zu befürworten, um auf diese Weise die Konzentration der Perspektive auf den Anteilswert statt auf den Wert des ganzen Unternehmens, welche sich aus der Bewertung zum Börsenkurs ergibt, wieder abzuschwächen.170 Gem. § 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 WpÜG ist eine teilweise Berücksichtigung von Paketzuschlägen sogar ausdrücklich vorgesehen, und zwar nach der Regierungsbegründung mit dem Zweck, die Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten.171 In der Literatur wird insofern aber darüber gestritten, ob in § 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 WpÜG ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, der sich auf andere Abfindungsfälle übertragen lässt172 oder ob die Norm vielmehr eine Sondervorschrift des Übernahmerechts darstellt.173 2. IDW S 1 IDW S 1 enthält keine konkreten Angaben zu Minderheitsabschlägen. Es wird jedoch die Auffassung vertreten, dass der objektive Wert eines Unternehmensanteils dem quotalen Wertanteil an dem Gesamtunternehmen entspreche.174 Lediglich hinsichtlich der Ermittlung subjektiver Entscheidungswerte wird die Relevanz der Beteiligungsstärke für die Wertermittlung anerkannt. Damit spricht sich das IDW implizit gegen minority discounts aus. Bestätigt wird dies durch Ausführungen im WP-Handbuch des IDW, wonach die empirische Validität des Einflusses der Beteiligungsquote auf 167  Winner,

Wert und Preis, S. 468. Unternehmensbewertung, S. 240. 169  Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 49. 170  Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 50. 171  BT-Drucks. 14 / 7034, S.  79. 172  In dieser Richtung für einen Fall des Delisting LG Köln, Beschluss v. 24.7.2009, Az. 82 O 10 / 08, BeckRS 2009, 6943, Der Konzern 2009, 494 ff., insbesondere 2. und 7. Leitsatz; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, § 305 Rn. 50. 173  So Hüttemann, FS Hoffmann-Becking, S. 603, 610. 174  IDW S 1 Rz. 13. 168  Großfeld,

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Liquiditätsrisiken noch nicht abschließend beurteilt werden könne.175 Auch die Ausführungen des Standards zum Verhältnis von Wert und Preis des Unternehmens stützt diesen Befund. Tatsächlich gezahlte Preise spielen danach bei der Bestimmung des objektivierten Unternehmenswertes keine tragende Rolle. Sie könnten aber zur Plausibilisierung des gefundenen Unternehmenswertes herangezogen werden. Sie wären aber nicht in der Lage, eine gutachterliche Unternehmensbewertung zu ersetzen. Das IDW verfolgt damit ein Bewertungskonzept, das den Wert und den Preis für Unternehmen streng voneinander trennt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich der Preis für Unternehmen und Unternehmensanteile auf freien Kapitalmärkten bilde. Er werde dabei im Wesentlichen von den subjektiven Nutzeneinschätzungen der Marktteilnehmer sowie den Einflussmöglichkeiten der Unternehmenseigner auf die Unternehmenspolitik geprägt. Aus diesem Grunde könnten Unternehmenswert und Unternehmenspreis voneinander abweichen. Diese Begründung überrascht insofern, als sie implizit anerkennt, dass das modellierte Bewertungssubjekt des IDW S 1 regelmäßig nicht den tatsächlichen Bewertungssubjekten, also den konkret handelnden Marktteilnehmern entspricht. Sie ist in diesem Punkt aber kongruent mit der von IDW S 1 vertretenen Ansicht, Börsenkurse seien lediglich zur Plausibilisierung der ermittelten Werte heranzuziehen und bildeten in der Regel die Untergrenze des Wertes nach der gutachterlichen Unternehmensbewertung. Das LG Köln hat das Bewertungskonzept des IDW S 1 in diesem Kontext scharf kritisiert und ihm vorgeworfen, es verkenne den Zusammenhang und das Verhältnis von Marktpreisen und Ertragswerten.176 Nicht das Ermitteln von Ertragswerten sei das Ziel der Unternehmensbewertung, sondern das Finden von Verkehrswerten. Der Ertragswert als Ergebnis der Anwendung der Ertragswertmethode sei ein Modellwert, der wahrscheinlich im Rahmen von Vertragsverhandlungen tatsächlich nicht vereinbart worden wäre – insoweit stimmen das Gericht und IDW offenbar überein. Das Gericht zieht jedoch im Gegensatz zum IDW daraus den Schluss, für den Ertragswert sei nur dort Raum, wo sich kein tatsächlich ausgehandelter Wert feststellen ließe und spricht sich deshalb ausdrücklich für die Ableitung des Unternehmenswertes aus tatsächlich gezahlten Paketzuschlägen bzw. Paketabschlägen aus.

175  Siepe,

in: WP-Handbuch II, Kap. A Rn. 434. Köln, Beschluss v. 24.07.2009, Az. 82 O 10 / 08, BeckRS 2009, 6943 unter II.2.3.5. 176  LG



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1323

IV. Fungibilitätsabschlag 1. Meinungsstand Märkte und damit Marktpreise für Waren und Güter bilden sich nur dann, wenn die Güter fungibel sind. Das gilt auch im Falle von Unternehmen und Unternehmensanteilen als Handelsobjekten. Insbesondere für die Bewertung von geschlossenen Gesellschaften, deren Anteile weniger leicht veräußert werden können als beispielsweise börsennotierte Aktien, wird deshalb in der betriebswirtschaftlichen Lehre vorgeschlagen, einen Immobilitätsabschlag vorzunehmen, etwa durch entsprechende Erhöhung des Kapitalisierungszinses.177 Etwas anderes soll nach diesen Stimmen etwa dann gelten, wenn mit einer Weiterveräußerung dauerhaft nicht gerechnet werden muss.178 Andere betonen diesen letztgenannten Aspekt stärker und lehnen Fungibilitätsabschläge ab, weil die unterstellte Illiquidität immobiler Gesellschaftsanteile kaum objektivierbar,179 insbesondere die (Wieder-)Veräußerungsabsicht der Anteilseigner nicht verifizierbar sei.180 International, vor allem in den USA, wird die Berücksichtigung der Illiquidität von Anteilen an geschlossenen Gesellschaften begrüßt,181 die Übertragung ins deutsche Bewertungsrecht aber teilweise kritisch gesehen.182 In der Praxis kommen Fungibilitätsabschläge offenbar nicht nur in Ausnahmefällen vor.183 Aus rechtlicher Perspektive ist die Frage nicht geklärt. In der Rechtsprechung ist das Bild geteilt. Der BGH hält die Berücksichtigung der Unveräußerlichkeit eines Geschäftsanteils bei der Wertermittlung jedenfalls nicht grundsätzlich für ausgeschlossen.184 Das OLG Köln ist der Auffassung, ein Fungibilitätsabschlag würde den Mehrheitsgesellschafter ungerechtfertigt bevorzugen.185 Das OLG Düsseldorf hat einen Fungibilitätsabschlag aus177  Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S.  159  ff.; Schütte-Biastoch, Unternehmensbewertung von KMU, S. 197; zum Ganzen übersichtlich Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1637. 178  Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 160; Schulz, Größenorientierte Risikoanpassungen, S. 83. 179  Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 426. 180  Schulz, Größenorientierte Risikoanpassungen, S. 105 f. 181  Näher dazu Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1637 f. 182  Schulz, Größenorientierte Risikoanpassungen, S. 93. 183  Empirisch Lorson / Geltinger / Horn / Schünemann, DStR 2012, 1621 ff. 184  BGH, Urteil v. 11.12.2002, Az. XII ZR 27  / 00, NJW 2003, 1396. Der Fall betrifft allerdings den ehegüterrechtlichen Zugewinnausgleich. 185  OLG Köln, Urteil v. 26.3.1999, Az. 19 U 108  / 96, NZG 1999, 1222, 1227; dagegen Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1639 mit dem zutreffenden Hinweis, das Gericht trenne in der Argumentation nicht sorgfältig genug zwischen Minderheits- und

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

drücklich für zulässig erklärt,186 das OLG Frankfurt187 und das OLG München188 hingegen nicht und dabei in erster Linie auf die fehlende Anerkennung eines solchen Abschlages in der Praxis verwiesen. Die rechtswissenschaftliche Literatur hat sich mit der Frage bisher kaum ausführlicher befasst. Erst kürzlich hat jedoch Holger Fleischer die Position ergriffen, es sprächen gute Gründe gegen die Berücksichtigung eines Fungibilitätszuschlages beim Ausscheiden eines GmbH-Gesellschafters, zugleich aber ausdrücklich offengelassen, ob diese Rechtssicht auch für Abfindungsfälle nach §§ 304, 305 AktG zutreffend ist und auch Besonderheiten des Familien-, Erb- und Bewertungsrechts nach dem BewG anerkannt, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten.189 In der Kommentarliteratur wird ein Immobilitätsabschlag teilweise für möglich gehalten,190 mitunter aber beschränkt auf die Bewertung zum Zweck der Veräußerung, sodass Abschläge bei der Anteilsbewertung ausscheiden.191 Insgesamt dürften gegen Fungibilitätsabschläge weniger rechtliche Bedenken bestehen als gegen Minderheitsabschläge. Denn Fungibilitätsrisiken treffen alle Gesellschafter gleichermaßen. Eine Übervorteilung des Minderheitsgesellschafters aufgrund der Immobilität seiner Anteile steht deshalb nicht zu befürchten.192 Allerdings erscheint es oftmals sachlich nicht gerechtfertigt, die begrenzte Fungibilität ins Kalkül zu ziehen, wenn mit einer freiwilligen oder zwangsweisen Veräußerung des Anteils auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Aus rechtlicher Perspektive kann wiederum als starkes Argument gegen die Berücksichtigung von Fungibilitätsrisiken im Kapitalisierungszins der Grundsatz der indirekten Anteilsbewertung angeführt werden, wonach zunächst das Unternehmen zu bewerten und erst daraus der konkrete Anteilswert zu ermitteln ist.193 Das widerspricht einer Berücksichtigung anteilsspezifischer Eigenschaften. Anders als bezogen auf Fungibilitätsabschlag, weil die fehlende Fungibilität zumindest im Grundsatz Minderheits- und Mehrheitsgesellschafter gleichermaßen treffe. 186  OLG Düsseldorf, Beschluss v. 31.3.2006, Az. 26 W 5  /  06, BeckRS 2006, 07149 unter B. II.2.3.2. 187  OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.4.2012, Az. 21 W 31 / 11 BeckRS 2012, 19324 unter I.2.b)aa)ccc); Beschluss v. 3.9.2010, Az. 5 W 57 / 09, BeckRS 2010, 21665 unter II.2.a)cc)aaa). 188  OLG München, Urteil v. 3.12.2009, Az. 23 U 3904 / 07 BeckRS 2009, 89373 unter II.A.3.c). 189  Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1639. 190  Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 12b; Strohm, in: MK-GmbHG, § 34 Rn. 208; Ulmer, in: GK-GmbHG, § 34 Rn. 78; Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 34 Rn. 25. 191  Reichert / Weller, in: MK-GmbHG, § 14 Rn. 24. 192  So auch Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1639. 193  So auch Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1639.



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1325

einen konkreten Anteil ließe sich aber nicht ermitteln, ob eine Weiterveräußerung geplant ist, deren Transaktionskosten wertmindernd eingepreist werden sollten. 2. IDW S 1 IDW S 1 (2008) enthält keine Aussagen zur Möglichkeit von Fungibilitätsabschlägen.194 Die Fassung aus dem Jahre 2000 hatte noch ausdrücklich betont, die Fungibilität der Anteile könne sich auf die Höhe des Risikozuschlags im Rahmen der Bemessung des Kapitalisierungszinses auswirken.195 Seit der Fassung aus dem Jahre 2005 wird die Fungibilität in dem ansonsten wortgleichen Passus nicht mehr erwähnt.196 In der Praxis wird daraus offenbar teilweise der Schluss gezogen, es bestünde deshalb ein „Wahlrecht“, einen Fungibilitätsabschlag vorzunehmen oder nicht.197 Der Grund hierfür könnte wiederum fehlende Validität einer unterstellten Veräußerungsabsicht sein, mit der sich ein Fungibilitätsabschlag rechtfertigen ließe.198 Im Übrigen dürfte auch hier die Begründung greifen, die oben für die fehlende Berücksichtigung von minority discounts gefunden wurde:199 Das IDW geht nicht von einer Gleichstellung des Ertragswerts mit konkret erzielbaren Preisen aus.200

V. Abschlag für Schlüsselpersonen In jüngerer Zeit rückt verstärkt der Einfluss in den Fokus der Unternehmensbewertung, den einzelne konkrete Personen, insbesondere bestimmte Persönlichkeiten im Management des Unternehmens, auf den Wert des Unternehmens haben.201 Grundgedanke ist, dass die Ertragskraft insbesondere von kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht unerheblich von den Eigentümern und ihnen nahestehenden Personen sowie der Geschäftsführung und ihren Kontakten zu Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmern des auch Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1638. S 1 (2000) Rz. 97, WPg 2000, 825, 834. 196  IDW S 1 (2005) Rz. 99, WPg 2005, 1303, 1312 und IDW S 1 Rz. 91. 197  Lorson / Geltinger / Horn / Schünemann, DStR 2012, 1621. 198  So die Begründung von Siepe, in: WP-Handbuch II, Kap. A Rn. 434 zur Nichtberücksichtigung von Minderheitsabschlägen. 199  Oben sub III.1. 200  IDW S 1 Rz. 13. 201  Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1639 ff.; Ihlau / Duscha, WPg 2012, 489, 491 ff.; Nestler, BB 2012, 1271, 1273; Schütte-Biastoch, Unternehmensbewertung von KMU, S.  133 ff. 194  So

195  IDW

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Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Unternehmens bestimmt wird.202 Scheidet einer diese sogenannten Schlüsselpersonen aus, kann sich das – so wird argumentiert – wertmindernd auf den Unternehmenswert auswirken. Diskutiert wird deshalb, ob in derartigen Situationen ein Abschlag auf den Unternehmenswert erforderlich ist. 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Im unternehmensrechtlichen Schrifttum ist der Einfluss von Schlüsselpersonen auf den Unternehmenswert durchaus anerkannt. Das zeigt sich exemplarisch anhand der Diskussion um die Frage, ob im Falle einer schweren Erkrankung des Vorstandsvorsitzenden eine ad-hoc-Mitteilung erforderlich ist,203 damit der Kapitalmarkt die Information verarbeiten, bewerten und gegebenenfalls einpreisen kann. Der BGH hat ebenfalls einen entsprechen Abschlag im Grundsatz anerkannt und zur Begründung ausgeführt, dass sich der Mehrertrag, den ein Unternehmen aufgrund besonderer Tüchtigkeit eines Gesellschafters abwerfe, sich mit dessen Ausscheiden mit der Zeit verflüchtige.204 Der Fall betraf die Bewertung einer Arztpraxis. Das gesellschaftsrechtliche Schrifttum hat sich dem weitgehend angeschlossen, ohne jedoch die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des persönlichen Einflusses im Kapitalisierungszins näher zu konkretisieren.205 Insbesondere die Beurteilung, wann eine Person eine Schlüsselperson ist, bereitet insofern Probleme. Während gerade im Feld der freien Berufe der Erfolg eines Unternehmens oftmals in besonderem Maße von dem jeweiligen Berufsträger abhängt,206 weil beispielsweise ein Arzt für sich ein besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, lässt sich die Bedeutung der Gesellschafter oder des Managements in anderen Fällen erheblich schwieriger verifizieren. Pauschale Abschläge erscheinen deshalb nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Im Gegensatz zu den bisher erörterten Abschlägen bestehen hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit von key person discounts wenig Bedenken.207 Diese betreffen alle Gesellschafter gleichermaßen und verstoßen damit nicht 202  Fleischer,

ZIP 2012, 1633, 1640. näher Assmann, in: Assmann  /  Schneider, § 15 Rn. 89, Fleischer, FS Schneider, S. 333, 343 ff. 204  BGH, Urteil v. 14.7.1986, Az. II ZR 249 / 85, NJW-RR 1987, 21, 22. 205  Fastrich, in: Baumbach  / Hueck, § 34 Rn. 23; Strohn, in: MK-GmbHG, § 34 Rn. 211; Thiessen, in: Bork  /  Schäfer, § 34 Rn. 80; Ulmer, in: GK-GmbHG, § 34 Rn. 77. 206  BGH, Urteil v. 9.2.2011, Az. XII ZR 40 / 09, NJW 2011, 999, 1000; Urteil v. 2.2.2011, Az. XII ZR 185 / 08, NJW 2011, 2572, 2574. 207  Hierzu und zum Folgenden Fleischer, ZIP 2012, 1633, 1641. 203  Dazu



D. Einzelfragen der Unternehmensbewertung im Spiegel des IDW S 1327

gegen den Grundsatz der Gesellschaftergleichbehandlung. Sie knüpfen ferner nicht an den Wert eines einzelnen Anteils an, sondern an jenen des gesamten Unternehmens. Sie widersprechen damit auch nicht dem Prinzip der indirekten Anteilswertermittlung. Einzig die Pflicht zur vollwertigen Abfindung könnte Abschlägen für das Ausscheiden von Schlüsselpersonen dann entgegenstehen, wenn sich der Einfluss dieser Personen tatsächlich nicht hinreichend valide erfassen lässt. Denn in diesem Fall erscheinen sie als willkürliche Unterbewertung und damit als Kürzung der hiervon abgeleiteten Abfindungsbeträge. 2. IDW S 1 IDW S 1 widmet der Bedeutung von Schlüsselpersonen fünf Randziffern. Dabei wird die Relevanz persönlicher Einflussmöglichkeiten für den Ertragswert unter dem Begriff Managementfaktoren zusammengefasst. Dazu gehören dem Standard zufolge auch persönliche und familiäre Beziehungen des Managements, die sich aus einem Unternehmensverbund oder sonstigen Verbindungen zu anderen Unternehmen ergeben und nicht übertragbar sind.208 Diese Managementfaktoren sind bei der Bewertung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern zu eliminieren. Der Standard sieht insofern vor, dass unterstellt wird, das Management bleibe im Amt.209 Steht allerdings schon fest, dass das Management das Unternehmen nicht weiter führen wird und dass zudem damit auch eine Fortführung des Unternehmens gar nicht möglich ist, sieht der Standard eine Bewertung zum Liquidationswert vor;210 letztlich verbirgt sich dahinter jedoch noch nicht die Anerkennung eines key person discount, sondern die Tatsache, dass im Falle einer endgültig negativen Fortführungsprognose nicht mehr mit künftigen Erträgen gerechnet werden kann. Lediglich im Falle sogenannter personenbezogener Unternehmen soll ihr Einfluss auf den Unternehmensbetrag festgestellt und sollen diese Erträge außer Betracht bleiben.211 Hier wird ein key person discount also explizit anerkannt. Allerdings definiert der Standard selbst nicht, was ein personenbezogenes Unternehmen ist und wie der Einfluss der Schlüsselperson auf den Ertrag zu ermitteln ist. Hinsichtlich der Höhe des Abschlags schlägt das WP-Handbuch vor zu ermitteln, ob der durch die persönliche Leistung der Schlüsselperson erzielte Ertrag sich bereits entsprechend in dessen Vergü208  IDW

S 1 S 1 210  IDW S 1 211  IDW S 1 209  IDW

Rz. 41. Rz. 38. Rz. 42. Rz. 40.

328

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

tung niederschlägt.212 Hierzu soll ein Drittvergleich dienen. Um den so ermittelten Betrag sind die durch die Unternehmensbewertung feststellbaren künftigen Erträge zu kürzen. IDW S 1 geht insoweit über die in der Rechtsprechung anerkannten Abschläge im Falle der Bewertung von Freiberuflerpraxen hinaus, als personenbezogene Unternehmen kein Spezifikum ihrer Branchen sind. Für eine hinreichende Konkretisierung sorgt er insofern aber nicht. Die Entscheidung, einen entsprechenden Abschlag vorzunehmen oder stattdessen wie vorgesehen die Annahme zu treffen, das Management bleibe im Dienst des Unternehmens, wird damit weitgehend dem Prüfer überlassen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, IDW S 1 präferiere ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass im Zweifel die Annahme eines unveränderten Managements greift. Ob dieses Argumentationsmuster juristischer Hermeneutik zur Ermittlung von Aussagen privat gesetzter Standards angebracht ist, sei dahingestellt.

E. Schlussfolgerungen Im 6. Kapitel dieser Untersuchung wurde der Standard IDW 1 zur Unternehmensbewertung behandelt. Dazu wurden die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Unternehmensbewertung in dominierten Bewertungssituationen vorgestellt; anschließend wurde untersucht, wie IDW S 1 diese Grundlagen umsetzt. Die Ergebnisse werden nachfolgend zusammengefasst: Unter I. wird das Bewertungskonzept des IDW S 1 resümiert, unter II. werden die Vorgaben des Standards in drei Kategorien eingeteilt und unter III. die Bedeutung des Standards für die zur Bewertung berufene Geschäftsleitung festgestellt.

I. Das Bewertungskonzept des IDW Wirtschaftsprüfer übernehmen häufig die Aufgabe der Prüfung von Unternehmensverträgen und der Unternehmensbewertung in Fällen anderer Strukturmaßnahmen gem. §§ 293b ff. AktG.213 Sie legen dabei ihrer Arbeit den Standard IDW S 1 zugrunde. Die Höhe der so ermittelten Abfindung für außenstehende Aktionäre ist zwar in einem Spruchverfahren nach dem SpruchG gerichtlich überprüfbar, doch beschränken sich Gerichte hierbei überwiegend auf eine Plausibilitätskontrolle. Dadurch handelt der Wirtschaftsprüfer auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Vertragsprüfer in der Rolle als Verifikateur, wie sie im 4. Kapitel herausgearbeitet wurde. 212  Siepe,

in: WP-Handbuch II, Kap. A Rn. 101. 4 sub B.I. und B.III.4.b).

213  Kapitel



E. Schlussfolgerungen329

Spezifische Vorgaben zur Bewertungsmethode macht das Gesetz nicht, es ordnet die Bewertung lediglich prozedural an. Gleichwohl ist in gesellschaftsrechtlich indizierten, sogenannten dominierten Bewertungsanlässen ein rechtlich richtiger Wert, ein Normwert, zu finden; denn das Gesetz trifft zumindest einige Wertungen, die zu berücksichtigen sind. So sind Anteilseigner zum vollen Wert abzufinden, der aus dem Wert der Gesellschaft abzuleiten und deshalb nicht unbedingt identisch mit dem des individuell bewertbaren Anteils ist. Außerdem ist das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Andererseits ist die Unternehmensbewertung auf betriebswirtschaftliche Erkenntnisse angewiesen. Zur Feststellung eines Unternehmenswerts sind hier insbesondere die Ertragswertmethode und die discounted cashflowMethode anerkannt. Beide Methoden liegen auch IDW S 1 als mögliches Berechnungsmodell zugrunde. Die eigentliche Komplexität der Unternehmensbewertung resultiert jedoch nicht aus der konkreten Berechnung, sondern aus der Notwendigkeit, bestimmte Annahmen treffen zu müssen, um eine Datenbasis generieren zu können, die der Berechnung zugrunde gelegt werden kann. Die sogenannte Kölner Schule hat hier die Kölner Funktionslehre entwickelt. Sie geht davon aus, dass es rein objektive Unternehmenswerte nicht gibt, rein subjektive Werte aber nicht intersubjektiv nachprüfbar ermittelt werden können und stellt deshalb auf ein bestimmtes Bewertungssubjekt in einer konkreten Bewertungssituation ab. IDW S 1 orientiert sich an der Kölner Funktionslehre, bemüht sich aber darum, das konkrete Bewertungssubjekt durch ein abstraktes, anhand von Typisierungen modelliertes Bewertungssubjekt zu ersetzen. Darin ist der Versuch zu sehen, einen Bewertungsstandard zu entwickeln, der möglichst auf alle dominierten Bewertungssituationen anwendbar ist. Zahlreiche Fragen der Unternehmensbewertung sind sowohl aus recht­ licher als auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive in der Literatur und auch der Rechtsprechung noch immer umstritten. IDW S 1 stellt diese Diskussionen in aller Regel weder dar noch erwähnt er sie. Stattdessen werden einzelne Bewertungsschritte und Bewertungsgrundsätze formuliert und damit die geführte Diskussion für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer in die eine oder andere Richtung entschieden. Das ist vor dem Hintergrund des Ziels, dem Bewertungsprüfer eine konkrete Bewertungsmethode an die Hand geben zu wollen, nachvollziehbar. Im Ergebnis formuliert IDW S 1 damit aber ein eigenes Bewertungskonzept. Manche Detailfragen, die in der Literatur diskutiert werden, behandelt IDW S 1 gar nicht. Einige dieser Fragen lassen sich möglicherweise beantworten, indem verschiedene, von IDW S 1 formulierte Bewertungsgrundsät-

330

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

ze kumulativ zurate gezogen werden. Ob diese systematische Auslegung einer privat gesetzten Regelung aber intendiert ist, scheint zumindest fraglich. Vielmehr liegt nahe, dass IDW S 1 keine abschließenden Aussagen zur Unternehmensbewertung macht. Letztlich ist es hier also der Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers überlassen, gegebenenfalls mithilfe externen Rechtsrates, eine belastbare Lösung zu entwickeln.

II. Kategorisierung der Vorgaben von IDW S 1 Angesichts dieser Feststellungen lassen sich die Aussagen von IDW S 1 zunächst in drei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie betrifft die Berechnungsmethode. Hier sind das Ertragswertverfahren und das discounted cashflow-Verfahren als grundsätzlich anerkannte Berechnungsmethode vorgesehen. Die zweite Kategorie betrifft die Annahmen und Typisierungen zur Generierung der Datenbasis, mit der schließlich der Zukunftserfolgswert berechnet wird. Die letzte Kategorie enthält die Aussagen des IDW S 1 zu Rechtsfragen. Angesprochen sind damit unter anderem die Vorgaben zur Berücksichtigung von persönlichen Steuern, Synergieeffekten, Börsenkursen und Bewertungsabschlägen. Vorgaben aus der 1. Kategorie können als betriebswirtschaftlich anerkannt und rechtlich akzeptiert bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die betriebswirtschaftliche Berechnungsmethode zur Ermittlung von Unternehmenswerten, zu der das Recht keine Aussage trifft und die es stattdessen der benachbarten Disziplin überlässt. Die aufgrund der Vorgaben der 2. Kategorie gewonnene Datenbasis wird in gerichtlichen Spruchverfahren regelmäßig nur auf ihre Plausibilität überprüft. Hier verzahnen sich betriebswirtschaftliche und rechtliche Vorgaben. So ist ein Verschmelzungswert zu finden, der für alle Anteilseigner gilt, der aber aus dem Wert der Gesellschaft, nicht der einzelnen Anteile zu berechnen ist. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive steht das Bewertungssubjekt im Mittelpunkt des Bewertungsvorgangs. In der Praxis wird dem Rechnung getragen, indem Gerichte die Datenbasis nur auf ihre Plausibilität überprüfen. Die rechtlichen Vorgaben aus der 3. Kategorie sind nicht abschließend. Angesichts dynamischer Entwicklungen sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur können sie nicht als starre Vorgaben interpretiert werden. IDW S 1 rezipiert diese Diskussionen jedoch nur rudimentär. Zur Bewertung berufene Personen, insbesondere also die Geschäftsleitung der zur Bewertung verpflichteten Gesellschaft und die von ihr hinzugezogenen Wirtschaftsprüfer, sind deshalb gut beraten, in diesen Fragen gegebenenfalls zusätzlichen Rechtsrat einzuholen.



E. Schlussfolgerungen331

III. Bedeutung von IDW S 1 für die Geschäftsleitung Ausgehend von der vorstehenden Kategorisierung lässt sich nunmehr die Bedeutung von IDW S 1 für die zur Bewertung berufene Geschäftsleitung differenzierter darstellen. Wie schon im 5. Kapitel wird dabei gefragt, ob IDW S 1 als Bewertungsstandard zulässigerweise verwendet werden darf, eine Pflicht zur Befolgung des Standards besteht und er als safe harbour rule verstanden werden kann. IDW S 1 entspricht in seiner Grundstruktur anerkannten Grundsätzen der Unternehmensbewertung. Deshalb bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, den Standard zur Bewältigung einer Bewertungsaufgabe zugrunde zu legen. Das gilt zumindest für die Vorgaben des Standards aus der 1. und 2. Kategorie. Denn die der 1. Kategorie betreffen die betriebswirtschaftliche Berechnungsmethode, die der 2. Kategorie machen überwiegend prozedurale Vorgaben, die abstrakt nicht zu beanstanden sind. Allerdings mehren sich in jüngerer Zeit die Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die Unternehmenswerte nicht aus der Berechnung künftig zu erwartender Überschüsse zu generieren, sondern stattdessen auf Börsenkurse oder Paketpreise abstellen zu wollen. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Auch IDW S 1 ist keine Rechtsnorm und entfaltet deshalb keine originäre normative Wirkung. Es besteht daher keine Pflicht zur Befolgung von IDW S 1 für die Geschäftsleitung, die beispielsweise die Höhe des Abfindungsanspruches für außenstehende Aktionäre festlegen muss. Soweit der Standard Vorgaben der 3. Kategorie macht, paraphrasiert er lediglich das Gesetz; nur aus ihm, nicht aus IDW S 1 ergibt sich hier eine Befolgungspflicht. Andererseits muss die Geschäftsleitung aber davon ausgehen, dass der zur Kontrolle der Abfindungshöhe gesetzlich berufene Bewertungsprüfer seiner Prüfungsaufgabe IDW S 1 zugrunde legt. Denn die Satzung des IDW verpflichtet die Mitglieder des IDW hierzu. Auch insoweit ist jedoch abzuwarten, ob sich die Auffassung, verstärkt auf Börsenkurse und tatsächlich gezahlte Preise zu rekurrieren, mittelfristig im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer durchsetzt. Die Vorgaben des IDW S 1 zur Durchführung von Unternehmensbewertungen sind nicht abschließend. Es ist deshalb durchaus möglich, dass in besonderen Konstellationen Faktoren ins Bewertungskalkül mit einzubeziehen sind, die IDW S 1 nicht vorsieht. Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, die Einhaltung von IDW S 1 während des Bewertungsvorgangs indiziere die Rechtsrichtigkeit der Bewertung und sei damit eine safe harbour rule. Zudem erfordert die Bewertung Annahmen und Typisierungen (Vorgaben der 2. Kategorie). Einige dieser Annahmen und Typisierungen nimmt der Standard selbst vor (Kontinuität des Managements,

332

Kap. 6: IDW S 1 zur Unternehmensbewertung

Vollausschüttungshypothese), andere ordnet er prozedural an (Ermittlung der persönlichen Ertragsteuern), sodass in jedem Falle zu prüfen ist, welche individuellen Anpassungen erforderlich sind. Die Unternehmensbewertung stützt sich maßgeblich auf die Unternehmensplanung, welche überwiegend aus Prognosen der Geschäftsleitung beruht, die bei ihrer Erstellung einen Ermessensspielraum hat. Angesichts dieser am Einzelfall ausgerichteten Erfordernisse erscheint die Frage, ob IDW S 1 eine safe harbour rule darstellt, geradezu hypothetisch. Schließlich bleibt nochmals zu erwähnen, dass die Ertragswertmethode, wie sie IDW S 1 zugrunde liegt, in jüngerer Zeit als Bewertungsmodell in Zweifel gezogen wird, sofern Börsenkurse oder Paketpreise ermittelt werden können.

IV. Fazit Insgesamt kann das Fazit gezogen werden, dass IDW S 1 ein eigenes Bewertungskonzept zur Verfügung stellt, das überwiegend mit anerkannten Bewertungsgrundsätzen der Betriebswirtschaft übereinstimmt. Angesichts jüngerer Entwicklungen muss aber konstatiert werden, dass die Rechtslage gegenwärtig unsicher ist. Ob die Rechtsprechung weiterhin IDW S 1 als Grundlage für gesellschaftsrechtlich indizierte Bewertungsanlässe akzeptiert und sich auf eine Plausibilitätskontrolle der Datenbasis beschränkt, ist noch nicht absehbar.

Kapitel 7

Schlussbetrachtung I. Die Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis von IDW-Standards und Unternehmensrecht. Ausgehend von einer seitens der Literatur und Praxis geäußerten These, IDW-Standard hätten eine hohe Befolgungsquote auch jenseits der zu ihrer Befolgung satzungsmäßig verpflichteten Mitglieder des IDW und entfalteten damit oft eine „rechtsgleiche Wirkung“, wurde die Geltung und Wirkung von IDW-Standards als Produkt privater Regelsetzungsinitiative untersucht. IDW-Standards und Unternehmensrecht berühren sich in den Entscheidungen von gesellschaftsrechtlich berufenen Entscheidungsträgern in Unternehmen: den Organen einer Gesellschaft. Das IDW ist ein privatrechtlich organisierter Verein mit Wirtschaftsprüfern als freiwilligen Mitgliedern. Fast 90 % der Berufsträger gehören ihm an. Die Rolle des IDW lässt sich anhand der historischen Entwicklung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer aufzeigen. Die über Jahrhunderte hinweg immer komplexer werdende Rechnungslegung von Unternehmen, die der eigenen kaufmännischen Kontrolle, der Rechenschaft gegenüber Dritten und der Ausschüttungsbemessung dient, erforderte eine professionelle sachverständige Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen. Das führte schließlich zu einer gesetzlichen Implementierung des Wirtschaftsprüfers, was die einheitliche Organisation des Berufsstandes zur Gewährleistung vergleichbarer Prüfungsqualität und Prüfungsergebnisse erforderlich machte. Diese Aufgabe übernahm das IDW. Zu seinen Aufgaben gehören die Organisation der Aus- und Weiterbildung von Wirtschaftsprüfern und die Entwicklung von Prüfungsstandards. Alle Mitglieder des IDW sind zur Beachtung der IDWStandards satzungsmäßig verpflichtet. Das IDW unterliegt keiner staatlichen Aufsicht, seine Mitglieder allerdings schon. Die Prüfungsstandards des IDW werden nicht kontrolliert, obwohl die Abschlussprüferrichtlinie eine Letztverantwortung der Abschlussprüferaufsicht auch für die Prüfungsstandards vorsieht. Das Verfahren, in dem IDW-Standards zustande kommen, ist nur rudimentär geregelt und kann als intransparent bezeichnet werden.

334

Kap. 7: Schlussbetrachtung

Aufgrund des Zusammenspiels der satzungsmäßigen Pflicht zur Befolgung von IDW-Standards einerseits und der gesetzlichen Pflicht für Unternehmen, ihren Jahresabschluss und gegebenenfalls andere Unterlagen prüfen zu lassen, besteht eine Pflichtenverkettung, mit der die Behauptung einer „rechtsgleichen Wirkung“ erklärt werden kann.

II. IDW-Standards haben keine rechtliche Geltung. Sie erfüllen nicht die Anforderungen einer Rechtsquelle. Darüber hinaus können sie für sich auch keine abgeleitete Rechtsgeltung in Anspruch nehmen. Sie werden weder durch eine direkte Verweisung inkorporiert noch über Generalklauseln in Bezug genommen. Insbesondere sind sie weder Handelsbräuche noch per se Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung. Ob sie Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung sind, ist im Hinblick auf ihre Rechtsqualität irrelevant, da es sich bei Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung nach zutreffender Ansicht um keine rechtliche Kategorie handelt. Möglich erscheint, dass einzelne Vorgaben von IDW-Standards Ausdruck einer Verkehrssitte oder Verkehrsanschauung sind, die dort, wo das Gesetz auf sie abstellt, berücksichtigt werden können.

III. IDW-Standards lassen sich dem Phänomen privater Regelsetzung zuordnen, das bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist. Im Unternehmensrecht existieren einige gesetzliche Mechanismen, um staatliches und privates Recht zu verknüpfen. Diese wurden hier mit dem Ziel untersucht, den Status quo einheitlicher gesetzgeberischer Anforderungen an eine solche Verknüpfung zu deduzieren. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Ausgestaltung dieser Mechanismen disparat ist. Gemeinsam ist ihnen lediglich die Erwähnung im Gesetz und das Erfordernis, Produkte privater Regelsetzung in bestimmten amtlichen Medien publik zu machen. Zugleich konnte gezeigt werden, dass trotz der Verwendung der Inkorporationsmechanismen große Unsicherheit über die konkrete rechtliche Bedeutung der jeweiligen privat gesetzten Regelungen herrscht, sodass sie zu einer rechtssicheren Ausgestaltung der Rechtsordnung keinen nennenswerten Beitrag leisten. Unabhängig von der rechtlichen Geltung wurden die Funktionen von IDW-Standards untersucht. Privat gesetzten Regelungen werden von der Literatur bestimmte Funktionen als typisch zugeschrieben. IDW-Standards erfüllen einige dieser Funktionen. Primär ist die Funktion der Standardisie-



Kap. 7: Schlussbetrachtung335

rung berufsständischer Praxiserfahrung, mit der es möglich wird, vage formulierte rechtliche Anforderungen so zu konkretisieren, dass eine Anwendung auf den konkreten Fall möglich wird. Rechtsvergleichend konnte festgestellt werden, dass private Regelsetzung nicht nur ein Phänomen des deutschen Rechts ist. Die Rolle privat gesetzter Regelungen und der Umgang mit ihnen divergieren jedoch teilweise. Sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der Schweiz existieren privat gesetzte Regelungen im Referenzgebiet. Eine Betrachtung der jeweiligen Regelungen in den Bereichen Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Corporate Governance hat eine größere Bereitschaft zur Berücksichtigung privat gesetzter Regelungen gezeigt, und zwar durchaus unabhängig von der Frage, welche Inkorporationsmechanismen bestehen und wie sie konkret ausgestaltet sind. Die Berücksichtigung von privat gesetzten Regelungen wird hier stärker als Problem der Rechtsanwendung als der Rechtsetzung begriffen. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt aber der jeweilige Regulierungsrahmen, in den sich die privat gesetzten Regelungen einfügen. Das gilt auch für das jeweilige Verständnis von Regulierung insgesamt.

IV. Als besondere Kategorie des Phänomens privater Regelsetzung kann das sogenannte Recht der freien Berufe herausgestellt werden. Hier werden gewichtige Interessen der Auftraggeber durch Berufsträger wahrgenommen, die dabei ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch und Einfluss auf weitreichende Entscheidungen nehmen. Sofern sie – wie im Falle des Wirtschaftsprüfers – im öffentlichen Interesse kontrollierende Funktion ausüben und dieser Aufgabenwahrnehmung privat gesetzte Regelungen zugrunde legen, werden diese Regelungen auch für Dritte unmittelbar relevant. Im Falle von IDW-Standards kann deshalb von einer Selbstregulierung mit Wirkung für Dritte gesprochen werden. Aufgabe des Wirtschaftsprüfers ist es, die Übereinstimmung des Prüfungsobjekts, also etwa der Rechnungslegung, mit dem Gesetz zu prüfen und zu zertifizieren. Er kann deshalb als privater Sachverständiger in der Funktion als Verifikateur bezeichnet werden, die dem Verwaltungsrecht entlehnt ist. Sie beschreibt einen privaten Sachverständigen als Vollzugs­ mechanismus gesetzlicher Vorschriften. Der Zweck der Implementierung des Wirtschaftsprüfers als Vollzugsmechanismus war und ist es, den Nutzen von Rechnungslegung zu vergrößern. Der Wirtschaftsprüfer soll sicherstellen, dass Unternehmensdaten rechtsrichtig ermittelt und veröffentlich werden, denn ein Schaden, der auf fehlerhaften Bilanzen beruht, ist ex post selten kompensierbar. Das hat aber gleichzeitig den Effekt, dass im Erfolgs-

336

Kap. 7: Schlussbetrachtung

fall die Zahl gerichtlicher Entscheidungen sinkt. In Regelungsbereichen wie dem Rechnungslegungsrecht des HGB, das viele allgemeine Grundsätze und unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, reduziert sich damit der praktisch wichtige Beitrag der Rechtsprechung, das Recht durch Präjudizien zu formen und fortzuentwickeln. Diese Rolle übernimmt im Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfer faktisch das IDW, indem es zwar keine gerichtliche Spruchpraxis, aber eine gesetzlich angeordnete Prüfungspraxis standardisiert. Zugespitzt kann von einer funktionalen Äquivalenz von IDW-Standards und gerichtlichen Präjudizien im Arbeitsfeld des Wirtschaftsprüfers gesprochen werden. Ein vollständiges Äquivalent sind IDW-Standards jedoch aus verschieden Gründen nicht. Insbesondere lässt sich weder aus der Stellung des Wirtschaftsprüfers als Vollzugsmechanismus noch aus der funktionalen Vergleichbarkeit der Standards mit Präjudizien eine normative Geltung von IDW-Standards ableiten.

V. Die konkrete Bedeutung von IDW-Standards für das Unternehmensrecht lässt sich anhand der in der Literatur aufgeworfenen Frage verdeutlichen, ob diese zur Konkretisierung der Pflichten von Entscheidungsträgern herangezogen werden können oder sogar müssen. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG sieht seit dem BilMoG von 2009 vor, dass der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss einrichten und ihm die Aufgabe übertragen kann, das interne Kon­ trollsystem, das Risikomanagementsystem und das interne Revisionssystem zu überwachen. Das IDW hat mit IDW PS 261, IDW PS 340 und IDW PS 321 Verlautbarungen veröffentlicht, die sich mit der Prüfung dieser Systeme durch den Abschlussprüfer befassen. Nicht gesetzlich erwähnt, aber in der Literatur diskutiert wird außerdem die Pflicht zur Einrichtung und Überwachung eines Compliancesystems; hierzu hat das IDW PS 980 vorgelegt. Die Untersuchung hat ergeben, dass keine rechtliche Verpflichtung für den Vorstand einer Aktiengesellschaft besteht, diese Standards zu befolgen. Ob eines der Systeme einzurichten und wie es konkret auszugestalten ist, ist eine unternehmerische Entscheidung, bei der dem Leitungsorgan ein Ermessensspielraum zukommt; dieser ist grundsätzlich sowohl vom Abschlussprüfer als auch vom Aufsichtsrat zu respektieren. Zahlreiche Elemente der Überwachungssysteme werden jedoch durch den Abschlussprüfer kontrolliert, der auch hier in seiner Rolle als Verifikateur im dargestellten Verständnis tätig wird. Zur Vermeidung von Compliancekosten ist es deshalb durchaus ratsam, nicht ohne Grund von den Vorgaben der IDW-Standards abzuweichen. Es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, die genannten IDW-Standards im Rahmen der Ausgestaltung der Überwachungssysteme



Kap. 7: Schlussbetrachtung337

zurate zu ziehen. Insbesondere im Falle des Risikomanagementsystems gehen die Vorgaben allerdings über das rechtlich Geforderte hinaus. Sie orientieren sich aber an international anerkannten Maßstäben zur Ausgestaltung von Überwachungssystemen. Viele Vorgaben der genannten IDW-Standards sind prozeduraler Natur. Sie sehen vor, dass zur Erreichung bestimmter Ziele und zur Vermeidung unternehmensspezifischer Risiken Maßnahmen entwickelt und implementiert werden. IDW PS 261, IDW PS 340 und IDW PS 321 lassen sich deshalb nicht „eins zu eins“ umsetzen. Schon aus diesem Grunde können sie nicht als safe harbour rule betrachtet werden. Der Vorstand einer Ak­ tiengesellschaft kann sich also nicht schon damit vom Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens entlasten, er habe die Vorgaben des IDW beachtet. Die genannten IDW Standards machen nicht nur Vorgaben zur möglichen Ausgestaltung von Überwachungssystemen, sondern auch zur Kontrolle dieser Systeme. In der Literatur wird deshalb problematisiert, ob diese Vorgaben der aufsichtsratsrechtlichen Überwachungsaufgabe zugrunde gelegt werden können. Die Untersuchung hat gezeigt, dass diese Vorgaben stark auf die Tätigkeit des Abschlussprüfers zugeschnitten sind. Viele Überwachungsmaßnahmen beachten nicht die Grenzen, die den Kompetenzen des Aufsichtsrats gezogen sind. Diese Grenzen sind zwar stark umstritten, doch gehen insbesondere die Maßnahmen nach IDW PS 261 und IDW PS 340 weiter als es jede insofern streitende Ansicht für zulässig hält. Möglicherweise kann eine Informationsordnung für Vorstand und Aufsichtsrat hier klärend wirken.

VI. Eine große Rolle für die Praxis spielt der Bewertungsstandard IDW S 1 zur Unternehmensbewertung. Das Recht macht hier kaum konkrete Vorgaben, zu berücksichtigen sind jedoch zahlreiche allgemeine Rechtsgrundsätze. Einzelheiten sind in der Literatur und Rechtsprechung stark umstritten. IDW S 1 verknüpft den rechtlichen Rahmen mit Erkenntnissen der Betriebswirtschaft und Bewertungswissenschaft, indem er teilweise konkrete Bewertungsvorgaben entwickelt, teilweise prozedural Maßnahmen zur Ermittlung und Gewichtung erforderlicher Daten macht. So konstruiert der Standard ein eigenes Bewertungskonzept. Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich die einzelnen Vorgaben des IDW S 1 in drei Kategorien einteilen lassen, um ihre rechtliche Relevanz differenzierter beurteilen zu können. Danach gibt es Methoden zur Berechnung des Unternehmenswertes, Vorgaben zu Typisierungen und Annahmen sowie Vorgaben, die die Rechtslage betreffen. Die Methoden zur Berechnung des

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Kap. 7: Schlussbetrachtung

Unternehmenswertes sind betriebswirtschaftlich anerkannt und werden rechtlich nicht beanstandet. Die Vorgaben zu Typisierungen und Annahmen dienen der Ermittlung einer Datenbasis, auf deren Grundlage der Unternehmenswert berechnet wird; sie wird gerichtlich in aller Regel nur auf ihre Plausibilität überprüft. Die rechtlichen Vorgaben des Standards sind rudimentär und deshalb nicht verlässlich. Darüber hinaus hat die Untersuchung auch gezeigt, dass die Ermittlung von Unternehmenswerten auf Grundlage von Bewertungsgutachten zunehmend in Zweifel gezogen wird. Verstärkt wird gefordert, auf Börsenkurse und tatsächlich gezahlte Preise zu rekurrieren, wenn diese zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde kann keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, ob die Bewertung von Unternehmen auf Grundlage von IDW S 1 gerichtlich als zulässig erachtet wird.

VII. Insgesamt ergibt sich ein differenziertes Bild der Bedeutung von IDWStandards für das Unternehmensrecht. Die Rolle des Wirtschaftsprüfers als Verifikateur im dargestellten Verständnis eines Vollzugsmechanismus und die herausgearbeitete Pflichtenverkettung können die von einigen Autoren geäußerte These erklären und stützen, dass IDW-Standards eine hohe Befolgungsquote haben und eine „rechtsgleiche“ Wirkung zeitigen. Eine originäre oder abgeleitete rechtliche Geltung entfalten sie gleichwohl nicht. Angesichts der Tatsache, dass mit Ausnahme des IDW S 1 nur wenige Rechtsfragen im Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfer gerichtlich geklärt werden (müssen), dürfte das dadurch entstehende Risiko für Entscheidungsträger in Unternehmen begrenzt sein: Wenn Wirtschaftsprüfer und Entscheidungsträger denselben Prüfungsmaßstab zugrunde legen, wird es seitens der Kon­ trolleure selten zu Beanstandungen kommen. Nicht ausgeschlossen ist darüber hinaus, dass auch Gerichte diesem Zusammenspiel von rechtlichen und satzungsmäßigen Pflichten einerseits und der unbestrittenen betriebswirtschaftlichen Kompetenz des Berufstandes der Wirtschaftsprüfer andererseits dadurch Rechnung tragen, dass sie im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit IDW-Standards als Rechtserkenntnisquellen heranziehen. Sollte aber seitens des Gesetzgebers schließlich doch ein stärkeres Bedürfnis nach Rechtssicherheit erkannt werden, müsste er regulatorisch tätig werden. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre die bisher nicht umgesetzte Verpflichtung aus der Abschlussprüferrichtlinie, Prüfungsstandards in die unabhängige Abschlussprüferaufsicht zu integrieren. In diesem Zusammenhang könnten vertragliche Kooperationsvereinbarungen mit dem IDW geschlossen werden, die Mindestanforderungen an Inhalt und Verfahren zur Entwicklung von Prüfungsstandards, evtl. auch von Bewertungsstandards formulieren und



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gleichzeitig die Vorteile privater Regelsetzung erhalten. Mögliche Vorbilder sind im Unternehmensrecht bereits vorhanden und wurden in dieser Untersuchung kritisch berücksichtigt. Dieser Kritik entsprechend wünschenswert wäre es, wenn ein Inkorporationsmechanismus gewählt würde, der die Unsicherheit der Entscheidungsträger in Unternehmen hinsichtlich der recht­ lichen Relevanz privat gesetzter Regelungen tatsächlich minimiert oder sogar beseitigt. In Anbetracht der Tatsache, dass demnächst mit einem Endorsement der International Standards on Auditing (ISA) zu rechnen ist, wird die praktische Bedeutung von IDW-Standards voraussichtlich ohnehin zurückgehen. Im Bereich der Corporate Governance, die nicht europarechtlich harmonisiert ist, werden sie aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

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Stichwortverzeichnis Abschlussprüferhaftung  16 ff., 219 Abschlussprüferrichtlinie  44, 48, 84, 87 f., 228 f., 235, 248 f., 333, 338 Akzeptanz  46, 54, 116, 138, 140 ff., 160 f., 230, 266 American Law Institute  150 f. Anfechtbarkeit  115 ff., 127, 180, 353, 355 Anlegerschutz  26 Anregungen  111 f., 138 f., 163 APAK  47 ff., 229 Aufbauprüfung  253 ff. Aufsicht  43 ff., 168, 188, 193, 229, 333 Auslegungshilfe  166, 174 f., 180, 220 Ausschüttungshöhe  313 f. Ausstrahlungswirkung  16, 19, 235 BaFin  44, 82 Befragungen, 255, 259, 275, 290 Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag  299 Bekanntmachung  90 f., 94, 96, 101 ff., 107, 126, 131 f., 178 Beratung  196, 263 f., 304, 307 Berichtspflichten  256 f. Berichtswesen  279 Berufspflichten  44, 46, 74 f., 289 bestandsgefährdende Entwicklungen  266 Bestätigungsvermerk  38, 40 ff., 97 ff., 191, 201 ff., 222, 250, 256, Betriebswirtschaftslehre  270, 299, 301 Bewertungsanlass  300 ff., 304, 306 f., 309, 314, 329, 332 Bewertungszweck, 304, 307, 309 Bilanz  25 f., 28, 64, 66, 78 f., 153, 156, 193, 203, 213

Bilanzrichtlinie  154, 156, 158, 164 BilMoG  21, 87 f., 95, 97, 112, 139, 193 f., 229, 234 f., 239, 249, 251, 261, 336 Bindungswirkung  17, 136, 170, 205, 218, 220, 223, 227, 232 f. Börsenkurs, 164, 300 f., 309, 316, 317, 321 Bücherrevisoren  28 ff. Bundesjustizministerium  87 ff., 94 ff., 101 ff., 126 ff., 139 Business audit  16, 195 Cadbury Report  161 City Code on Takeovers and Mergers  160 Code Provisions  163 Companies Act  153 f., 156 f., 159, 162 Compliance  137, 147, 240, 256, 280, 283 ff. Compliancekosten  251, 271 comply or explain  113 f., 127, 156, 161, 163, 170 f., 177., 179 f. COSO-Framework  247, 272, 288 DCGK  60, 80, 82 f., 108, 110 ff., 116, 120, 123, 126 ff., 138 ff., 163, 178 ff., 283, 294 deduktive Methode  63, 69 Delegationsakt  226 Delisting  162, 171 Din-Normen  81, 125, 89 discounted cashflow-Methode  329 DPR  44 dynamische Verweisung  58 f., 96, 107 Einbeziehung  57 ff., 61, 63, 65, 67, 69, 71, 73, 75 ff.

Stichwortverzeichnis375 Einheitlichkeit der Rechtsprechung  218 f., 222, 226 Einkommensteuer  27 Enforcement-Stelle  142, 156 England  27, 30, 109, 142, 152 ff., 158, 179 Entsprechenserklärung  112 ff., 127 ff., 138, 141, 174, 181 Ertragswertverfahren  330 EU-Kommission  43, 114 f., 259 Exekutive  93 Experimentierfunktion  137 f., 148 Fachkenntnis  197, 238 Fachnormen  61 Fortführungsprognose  41, 327 FRC  155 ff., 161, 177 freiwillige Gerichtsbarkeit  251 Fungibilitätsabschlag  323 ff. Funktionsprüfung  253, 255, 289 f. Garantiefunktion  189 ff., 203 f., 207 Gatekeeper  210 Gemeinwohlbezug  189 Gewaltenteilungsprinzip  217 Gewohnheitsrecht  51 ff., 175, 196 Gläubigerschutz  25 f., 140 GoA  72 GoB  66 ff., 88, 90 ff., 106 f., 129, 131 f., 178, 195, 207 Grundnorm  50 Gründungsprüfer  206 GuV  25 Haftung  120 ff., 130, 157, 159, 174, 180 Haftungsprozess  219, 252 Haltedauer  313 f. Handelsbrauch  54, 59 ff. Hauptfachausschuss  33, 35, 37 f., 42, 49, 55 Hauptversammlung  90, 111 ff., 141, 202 ff., 217

Hauptversammlungsbeschlüsse  115 f., 120, 179 f., 193 Hermeneutik  63, 180, 182 IASB  36, 80, 85 f., 141, 145 f., 155 IFAC  72, 87, 146, 169 IFRS for SME  85, 165 Informationsmangel  120 Informationssysteme  158 Inkorporation  52 f., 58, 79, 84, 107, 132, 178, 183 Interessenvertretung  22 internes Kontrollsystem  134, 137, 241 ff., 279, 292, 336 Interpretationen  90, 95 IOSCO  145 ISA  38, 40, 72, 83, 86 ff., 128, 146, 169, 178, 229, 339 Jahresabschluss  31, 43, 60, 106, 190, 194 f., 201 ff., 213, 334 Kapitalerhöhung  202 f. Kapitalflussrechnung  99 f., 106 Kelsen  50 Kodexempfehlungen  112 f., 115, 123, 130, 141 Kodex-Kommission  108 ff., 114, 116, 124, 127 f., 139, 141 Kölner Funktionslehre  302 ff., 307 ff., 329 Konkretisierungsfunktion  135 f., 222, 232 KonTraG  37, 102, 193 f., 264, 266, 277 Kontrollbefugnis  101, 106, Kontrollmehrheit  320 f. Kontrollumfeld  245, 253, 258 Konvergenz  40, 146 Konzernabschlussprüfung  96 f., 101, 107 Konzernrechnungslegung  88, 91, 94 f., 101, 105, 107, 128 Lagebericht  42, 112, 120, 194 f., 201, 237, 243, 276

376 Stichwortverzeichnis Lamfalussy-Verfahren  144 Leitungsaufgaben  242, 252, 260, 271 Lückenschließungsfunktion  148 Luhmann  50 Main Principles  163 MaRisK  82 Maßgeblichkeit  164, 212 Modalstruktur  78, 133, 215, 295 Nachsteuerbetrachtung  310 ff., 319 Nachtragsprüfung  203 f. Normbildung  66, 150, 176, 215 ff. Normwert  298 ff., 311, 329 OECD-Pinciples  109 Offenlegung  25, 145, 152, 193 Operationalisierbarkeit  123, 297 Paketzuschlag  301, 321 Pflichtenprogramm  130, 235, 253 Pflichtenverkettung  42 f., 230 f., 334, 338 Pflichtmitgliedschaft  33 Pflichtprüfung  22, 25, 27 f., 30 f., 33, 192 f., 211 Pflichtwidrigkeit  249 Plausibilitätsprüfung  206, 296 Präjudizien  56, 215, 218, 220 ff., 336 Professionalisierung  22, 237 Prozessunabhängigkeit  242, 260, 277 f., 280 Prüfbescheinigungen  199 Prüfungsausschuss  21, 157, 173, 194, 235, 238 f., 259, 336 Prüfungsbericht  39 ff., 43, 97 ff., 170, 205 f., 250, 256 Publizität  26, 104, 107, 114, 116, 122, 132, 140, 178, 208 f., 222 Qualitätssicherungssystem  45, 47 Rechnungslegungsprozess  194 f., 235, 243 f., 248 f., 254, 257, 262

Rechtserkenntnisquelle  51 f., 69, 76, 216, 338 Rechtsgeltungswille  55, 57, 59 f. Rechtsnorm  18 f., 49 ff., 54, 57, 60, 68, 94, 116 ff., 118, 120 ff., 163, 148, 197, 215, 220 f., 223, 227, 232, 249, 265, 286 f., 331 Rechtsquelle  50, 56 f., 231, 334 Rechtsquellenlehre  53, 57, 231 Rechtsverweigerungsverbot  219, 227 Redepflicht  257 Regeln der Technik  59, 73, 208 f. Regelverstöße  104, 284 ff. Regulierungsinstrumente  79, 147 Rezeptionsmechanismus  84, 108, 128 f., 112, 180 f. Richterrecht  52 f., 56 f., 216 Risiko  221, 248, 264 ff., 278, 289, 338 Risikoanalyse  266 f., 269 f., 272 Risikobegriff  264 Risikobeurteilungen  253 f. Risikofelder  267, 269, 274, 280 Risikofrüherkennungssystem, 263, 266 Risikomanagementsystem  21, 137, 194 f., 240, 256, 263 ff., 292 f., 336 Risikoorganisation  267, 269, 271 Rückwirkung  18 f. Sachverständige  105, 191, 196 ff., 209, 219, 233, 274, 296, 307, 333, 335 safe harbour rule  53, 124, 130, 132, 251 f., 263, 273, 291, 321, 331 f., 337 Sarbanas-Oxley Act  143, 173, 195 Schätzung  318 Schlüsselpersonen §  325 ff. Schweiz  116, 138, 152, 163, 166, 169 ff., 335 Selbstregulierung  87, 158, 166, 170, 172, 176, 179, 187 ff., 229, 233, 335 soft law  78, 116 Spruchverfahren  17, 206, 214, 296 f., 328, 330 squeeze-out  190, 298 f., 310 Stand der Technik  125, 199, 207

Stichwortverzeichnis377 Standardisierungsfunktion  133 ff., 148, 179, 221 Standardisierungsvertrag  89, 95, 99, 103 f. 107, 128, 131, 179 statische Verweisung  59 Steuern  27, 97, 147, 258, 310 ff., 330 Stewardship Code  161 Stichtagsprinzip  18 f. Swiss Code of Best Practice  171 ff. Swiss GAAP FER  165 ff. Synergieeffekte  298, 308, 314 ff. Systemüberwachung  259 ff., 292 Takeover Code  160 TA-Lärm  136 TA-Luft  136 Trennungsprinzip  236, 261, 276 Treuepflicht  118, 271 Treuhandgesellschaften  29 ff., 192 Treuhand-Kammer  165, 168 f., 173 True and fair view  106, 153 ff., 164, 177 Typisierungen  298, 302, 308, 310, 314, 319, 329 ff., 337 f. Überforderung  137, 238 f., 256 Unabhängigkeit  32, 46, 104 ff., 117, 152, 157, 169, 170, 183, 185, 187 ff., 198, 200, 218, 278, 338

Untergrenze  217, 300, 322 unternehmensindividuelle Ausgestaltung  248, 272 f., 291 Unternehmensverträge  205, 230 unternehmerische Entscheidung  248, 286, 336 US-GAAP  85, 140, 165 VDI-Normen  125, 187, 189 Verbundvorteile  315 ff. Verkehrssitte  59 f., 65, 334 Vermutungswirkung  90 ff., 95 f., 98 ff., 107, 129, 131, 180 f. Verschmelzungsprüfer  296 Verschmelzungswertrelation  300 Vertragsprüfer  190, 205 f., 328 Verwaltungsrat  35, 89 f., 171, 173 f. Verwaltungsvorschrift  52, 92 ff., 136 Vorbehaltsaufgaben  191, 222, 296 Wesentlichkeitstheorie  103 Wirtschaftsprüferkammer (WPK)  43 ff., 47 ff., 71 f. Wurzeltheorie  19 Zeitaufwand  129 Zukunftserfolgswert  305, 307 ff., 330 Zustimmung  76, 200, 205, 262 Zwangsmitgliedschaft  34, 43, 71