Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität 3402129981, 9783402129982

Humanitäre Hilfe – gewaltsame Intervention – politische Neutralität, mit diesen Begriffen ist das Spannungsfeld bezeichn

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German Pages 269 [270] Year 2012

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Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität
 3402129981, 9783402129982

Table of contents :
Title
Inhalt
VORWORT DER HERAUSGEBER
Grußworte
Einführung
Franz-Josef Jakobi: MÜNSTER UND DAS GEDENKEN AN DEN WESTFÄLISCHEN FRIEDEN
Rudolf Seiters: HUMANITÄRES HANDELN – EINE INTERVENTION?
Joachim Gardemann: INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG: 1. MÜNSTERSCHER KONGRESS ZUR HUMANITÄREN HILFE
Tagungsbeiträge
Roméo A. Dallaire & Andrew Coleman: BEYOND ABSOLUTE SOVEREIGNTY: THE RESPONSIBILITY TO PROTECT AND THE CHANGES AHEAD
Frank Chalk: MOBILIZING THE WILL TO INTERVENE: THE NATIONAL INTEREST MEETS THE RESPONSIBILITY TO PROTECT
Ted .A. van Baarda: IS ETHICS WORTHWHILE? / IST ETHIK TAUGLICH? THE ‘NARROW’ VIEW AND THE ‘BRAOD’ VIEW ON THE ROLE OF ETHICS IN HUMANITARIAN RELIEF IN ARMED CONFLICT
Reinhard Meyers: FROM WESTPHALIA TO WESTFAILURE? INTERNATIONALE AKTEURE UND DIE FALLSTRICKE HUMANITÄRER INTERVENTION
Podiumsdiskussion
Thomas Dienberg: HILFE UND SOFORTHILFE AUS DER PERSPEKTIVE DER CHRISTLICHEN SPIRITUALITÄT
Stefanie Haumer: THE RESPONSIBILITY TO PROTECT. HISTORICAL DEVELOPMENT AND ANNOTATIONS FROM THE POINT OF VIEW OF THE RED CROSS AND RED CRESCENT MOVEMENT
Tankred Söbe: THE POLARIZATION OF HUMANITARIAN AID – WHY INDEPENDENCE MATTERS
Winfried Nachtweih: INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG
Zusammenfassung und Ausblick
Joachim Gardemann: INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG: 1. MÜNSTERSCHER KONGRESS ZUR HUMANITÄREN HILFE
Vorbereitende Vorlesungen
Joachim Gardemann: ORGANISATORISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN IN DER PRAXIS DER INTERNATIONALEN SOFORTHILFE
Fabian Wittreck: GERECHTER KRIEG - EIN GESPENST MIT TRADITION? EINE RECHTSPHILOSOPHISCHE SPURENSUCHE
Franz-Josef Jakobi: ZUR BEDEUTUNG DES WESTFÄLISCHEN FRIEDENS
Dirk Hanschel: DIE HUMANITÄRE INTERVENTION IM VÖLKERRECHT IM LICHTE AKTUELLER HERAUSFORDERUNGEN DER STAATENGEMEINSCHAFT
Christian Walter: EINGREIFEN ZUM SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE – DER LIBYENKONFLIKT UND DAS MODERNE VÖLKERRECHT
Eva Friedrich / Konstantin Hauß: A Conversation with Senator Roméo Dallaire
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Autorenverzeichnis

Citation preview

Münster, die Stadt, in der 1648 das internationale Vertragswerk des Westfälischen Friedens unterzeichnet worden ist, auf das dieses völkerrechtliche Prinzip zurückzuführen ist, bemüht sich seit einigen Jahren in Anknüpfung an die mehr als vier Jahre dauernden Verhandlungen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, als Stadt der ‚Dialoge zum Frieden‘ Profil zu gewinnen; das heißt konkret, sich als Veranstalter und Veranstaltungsort für Fachtagungen und Kongresse zum Themenkomplex „Konfliktregelung, Krisenprävention und Friedenssicherung durch Verhandlung und Dialog“ sowie als organisatorische Drehscheibe für die Koordination von Hilfseinsätzen und deren Vor- und Nachbereitung überregional und international zu positionieren. Einen der Höhepunkte unter den bisherigen Veranstaltungsprogrammen stellte der 1. Münstersche Kongress zur Humanitären Hilfe dar, der am 20. Mai 2011 im Historischen Rathaus zu Münster unter Federführung des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe der Fachhochschule Münster mit der Titelformel „Internationale Soforthilfe – eine Gratwanderung“ mit großer überregionaler und internationaler Beteiligung durchgeführt worden ist. Die Tagungsbeiträge sind in diesem Band zusammen mit den Texten vorbereitender Vorlesungen sowie einem Interview mit Roméo Dallaire, dem kanadischen Senator und ehemaligen Kommandeur der UN-Truppen im Ruanda-Konflikt von 1994, veröffentlicht. ISBN 978-3-402-12998-2

Gardemann/Jakobi/Spinnen (Hrsg.) • Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität

Humanitäre Hilfe – gewaltsame Intervention – politische Neutralität, mit diesen Begriffen ist das Spannungsfeld bezeichnet, das für die gegenwärtig weltweit immer häufiger und immer ausgedehnter zu leistenden Hilfsmaßnahmen in Katastrophen- und Krisengebieten konstitutiv ist. Gleichzeitig sind damit zentrale Diskussionsfelder einer intensiven interdisziplinären und internationalen wissenschaftlichen Diskussion benannt, an der insbesondere Juristen und Völkerrechtler, Politologen und Historiker beteiligt sind. Die zentralen Fragen lauten: Gibt es eine allgemein gültige „Schutzverantwortung“ (responsibility to protect), die notfalls gewaltsame Interventionen auch mit militärischen Mitteln rechtfertigt? Ist ‚the end of Westphalian system‘ (Henry Kissinger) und damit die Relativierung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates erreicht?

Joachim Gardemann, Franz-Josef Jakobi und Bernadette Spinnen (Hrsg.)

HUMANITÄRE HILFE und STAATLICHE SOUVERÄNITÄT

Joachim Gardemann | Franz-Josef Jakobi | Bernadette Spinnen (Hrsg.)

HUMANITÄRE HILFE UND STAATLICHE SOUVERÄNITÄT

Joachim Gardemann | Franz-Josef Jakobi | Bernadette Spinnen (Hrsg.)

HUMANITÄRE HILFE UND STAATLICHE SOUVERÄNITÄT

Umschlagfoto: Ngara in Tansania an der Grenze zu Ruanda 1995, wo in der Folge des Genozids und des Bürgerkriegs in Ruanda mehr als 500.000 Menschen aus Ruanda Zuflucht fanden. 2° 29` 40`` S 30° 39` 46`` O Foto: Joachim Gardemann

© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Druckhaus Münster Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞

ISBN 978-3-402-12998-2

Inhalt Vorwort der Herausgeber ........................................................................ 9 Grußworte............................................................................................... 11 Grußwort der Präsidentin der Fachhochschule Münster (Ute von Lojewski) ............................................................................ 11 Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Münster (Markus Lewe) .................................................................................. 14 Einführung ............................................................................................. 17 Münster und das Gedenken an den Westfälischen Frieden (Franz-Josef Jakobi) .......................................................................... 17 Humanitäres Handeln – eine Intervention? (Rudolf Seiters) ................................................................................. 20 Internationale Soforthilfe – eine Gratwanderung: 1. Münsterscher Kongress zur Humanitären Hilfe International Emergency Aid – A Delicate Balance: st 1 Münster Congress on Humanitarian Relief (Joachim Gardemann) ..................................................................... 25 Tagungsbeiträge ..................................................................................... 31 Beyond Absolute Sovereignty: The Responsibility to Protect and the Changes Ahead (Roméo Alain Dallaire) .................................................................... 31 Mobilizing the Will to Intervene: The National Interest Meets the Responsibility to Protect (Frank Chalk) .................................................................................... 47 Is Ethics Worthwhile?/ Ist Ethik tauglich? The ‘Narrow’ View and the ‘braod’ view on the Role of Ethics in Humanitarian Relief in Armed Conflict (Ted A. van Baarda) .......................................................................... 59 From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitärer Intervention (Reinhard Meyers) ............................................................................ 83

Podiumsdiskussion .............................................................................. 103 Hilfe und Soforthilfe aus der Perspektive der christlichen Spiritualität (Thomas Dienberg) ........................................................................ 103 The Responsibility to Protect. Historical Development and Annotations from the Point of View of the Red Cross and Red Crescent Movement (Stefanie Raumer)........................................................................... 117 The Polarization of Humanitarian Aid – Why Independence Matters (Tankred Ströbe) ............................................................................ 122 Internationale Soforthilfe – eine Gratwanderung (Winfried Nachtwei) ....................................................................... 124 Zusammenfassung und Ausblick ......................................................... 135 Internationale Soforthilfe – eine Gratwanderung: 1. Münsterscher Kongress zur Humanitären Hilfe International Emergenvy Aid – A Delicate Balance: st 1 Münster Congress on Humanitarian Relief (Joachim Gardemann) ................................................................... 135 Vorbereitende Vorlesungen ................................................................ 141 Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen in der Praxis der Internationalen Soforthilfe (Joachim Gardemann) ................................................................... 141 Gerechter Krieg: Ein Gespenst mit Tradition? Eine rechtsphilosophische Spurensuche (Fabian Wittreck) ............................................................................ 156 Zur Bedeutung des Westfälischen Friedens (Franz-Josef Jakobi) ........................................................................ 174 Die Humanitäre Intervention im Völkerrecht im Lichte aktueller Herausforderungen der Staatengemeinschaft (Dirk Hanschel) .............................................................................. 185 Eingreifen zum Schutz der Menschenrechte – Der Libyenkonflikt und das moderne Völkerrecht (Christian Walter) ........................................................................... 196 A Conversation with Senator Roméo Dallaire (Eva Friedrich & Konstantin Hauß).................................................... 215

Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur ............................... 229 Autorenverzeichnis .............................................................................. 268

VORWORT DER HERAUSGEBER Humanitäre Hilfe – gewaltsame Intervention – politische Neutralität, mit diesen Begriffen ist das Spannungsfeld bezeichnet, das für die gegenwärtig weltweit immer häufiger und immer ausgedehnter zu leistenden Hilfsmaßnahmen in Katastrophen- und Krisengebieten konstitutiv ist. Gleichzeitig sind damit zentrale Diskussionsfelder einer intensiven interdisziplinären und internationalen wissenschaftlichen Diskussion benannt, an der insbesondere Juristen und Völkerrechtler, Politologen und Historiker beteiligt sind. Die zentrale Frage, die sich im Einsatzfall unabhängig von der politischen Gesamtlage jeweils neu stellt und praktisch wie theoretisch zu entscheiden ist, lautet: Kann der aus dem Westfälischen Frieden herrührende, völkerrechtliche Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheit eines souveränen Staates weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen, oder gibt es eine übergeordnete Verpflichtung der Weltgemeinschaft zur Nothilfe, zum Schutz von Individuen, deren Leben gefährdet beziehungsweise deren körperliche und/oder geistige Unversehrtheit beeinträchtigt wird? Kurz: Ist die völkerrechtlich sanktionierte Autonomiegarantie von Staaten als Völkerrechtssubjekten oder sind die individuellen Menschenrechte das höhere Rechtsgut? Für die praktische Politik bedeutet das: Gibt es eine allgemein gültige „Schutzverantwortung“ (responsibility to protect), die notfalls gewaltsame Interventionen auch mit militärischen Mitteln rechtfertigt? – Für die Theorie-Debatte: ist ‚the end of Westphalian system‘ (Henry Kissinger) erreicht? Darüber hinaus stellt sich für die Hilfsorganisationen die Frage, inwieweit politische Neutralität als Voraussetzung für erfolgreiche Einsätze anzusehen ist. Was liegt näher, als Münster, die Stadt in der das internationale Vertragswerk des Westfälischen Friedens 1648 unterzeichnet worden ist, zum Forum für die Diskussion sowohl der praktischen wie der theoretischen Fragen zu machen? Die Stadt bietet sich dafür nicht nur wegen des Traditionserbes an, sondern auch wegen der Fülle von institutionellen und organisatorischen Möglichkeiten, die sie dafür bereitstellen kann: Zahlreichen Hochschulinstitutionen, insbesondere das Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘ der Westfälischen Wilhelms-Universität verfügen über wissenschaftliche Potenziale zur fachlichen Diskussion der einschlägigen Probleme, die Fachhochschule über im Kompetenzzentrum für Humanitäre Hilfe gebündelte praxisorientierte Fachkompetenzen. Münster bemüht sich seit einigen Jahren, diese Möglichkeiten im Rahmen der ‚Allianz für Wissenschaft‘ in Kooperation mit den genannten starken Partnern zur Geltung zu bringen und sich in An-

10 knüpfung an die mehr als vier Jahre dauernden Verhandlungen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges als Stadt der ‚Dialoge zum Frieden‘ zu profilieren; das heißt konkret, sich als Veranstalter und Veranstaltungsort für Fachtagungen und Kongresse zum Themenkomplex ‚Konfliktregelung, Krisenprävention und Friedenssicherung durch Verhandlung und Dialog‘ sowie als organisatorische Drehscheibe für die Koordination von Hilfseinsätzen und deren Vor- und Nachbereitung überregional und international zu positionieren. Einen der Höhepunkte unter den bisherigen Veranstaltungsprogrammen stellte der 1. Münstersche Kongress zur Humanitären Hilfe dar, der am 20. Mai 2011 im Historischen Rathaus zu Münster unter Federführung des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe unter der Titelformel „Internationale Soforthilfe – eine Gratwanderung“ mit großer überregionaler und internationaler Beteiligung durchgeführt worden ist. Die Tagungsbeiträge sind in diesem Band zusammen mit den Texten vorbereitender Vorlesungen sowie einem Interview mit Roméo Dallaire, dem kanadischen Senator und ehemaligen Kommandeur der UN-Truppen im Ruanda-Konflikt von 1994, veröffentlicht. Die Last der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses haben sich die Stadt Münster/MünsterMarketing und die Fachhochschule/Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe geteilt. Für die fachliche Begleitung und Beratung stand der Arbeitskreis ‚1648 – Dialoge zum Frieden‘ zur Verfügung. Es ist den Herausgebern ein Anliegen, allen Beteiligten auch in dieser Form und an dieser Stelle noch einmal Dank und Anerkennung auszusprechen. In erster Linie gilt der Dank natürlich den Referentinnen und Referenten sowie den Beteiligten auf dem Podium, die ihre Beiträge überarbeitet und für die Publikation zur Verfügung gestellt haben. Die Einrichtung der Druckdateien hat Frau Lena Bethmann besorgt; auch ihr sei herzlich gedankt. Münster im Juli 2012 Joachim Gardemann

Bernadette Spinnen

Franz-Josef Jakobi

Grußworte GRUßWORT DER PRÄSIDENTIN DER FACHHOCHSCHULE MÜNSTER So manch einer mag sich gewundert haben, warum gerade eine Fachhochschule einen großen Kongress zur Internationalen Soforthilfe veranstaltet. Tatsächlich scheint dieses – im Moment äußerst aktuelle – Thema nicht so recht zum klassischen Fächerkanon einer Fachhochschule zu passen. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten indes könnte es kaum eine geeignetere Einrichtung geben. Aber nur, wenn sie es schafft, vorhandene Kompetenzen zu bündeln und für die Humanitäre Hilfe nutzbar zu machen. Der Fachhochschule Münster ist das gelungen. Fachhochschulen sind vor allem eines: Sie sind anwendungsorientiert. Ob in der Lehre oder in der Forschung, stets ist der wichtigste Bezug der zur Praxis. Und jeder, der sich das Fächerspektrum genauer ansieht, wird Disziplinen finden, die für die internationale Soforthilfe in Krisengebieten nützliche Beiträge liefern können. Überspringen wir also den ersten und werfen direkt einen kurzen zweiten Blick auf Fachbereiche, die etwas beisteuern, wie zum Beispiel • Die Bauingenieure bringen Wissen bei der Trinkwassergewinnung und -aufbereitung mit. • Die Architekten entwickeln einen Bauplan, um mit einfachen Mitteln aus den Holzpaletten, die für Hilfsgüter genutzt werden, Notunterkünfte zu errichten. • Den Designer gelingt es, Piktogramme für mobile Zeltstädte im Einsatzgebiet zu entwerfen, die Menschen unterschiedlichster Kulturen verstehen und nicht anstößig finden. • Die Oecotrophologen steuern wichtige Erkenntnisse zur Ernährung bei. • Der Fachbereich Pflege und Gesundheit trägt seine Kompetenzen für die Humanitäre Hilfe ja schon im Namen, dass aber sogar • der Fachbereich Sozialwesen sich mit dem Thema beschäftigt, dafür ist „Haboub“ ein schönes Beispiel. „Haboub – Der Sand-

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Grußworte

sturm“ ist ein dort entstandenes Musical, das den Katastropheneinsatz in der sudanesischen Provinz Darfur im Jahr 2004 thematisiert. Wie schon gesagt, jede Disziplin kann etwas beisteuern. Entscheidend ist aber vor allem, diese einzelnen Kompetenzen zu bündeln und zu koordinieren, um sie im konkreten Fall zielgerichtet einsetzen zu können. Dies gelingt seit vielen Jahren in beispielhafter Art und Weise unserem Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe unter der Leitung eines ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet der internationalen Soforthilfe: Prof. Dr. Joachim Gardemann. Unter seiner Leitung und mit Hilfe seiner weit verzweigten Kontakte arbeitet das Kompetenzzentrum sehr erfolgreich und bringt immer wieder Experten aus Hochschulen, Hilfseinrichtungen und Politik zusammen und koordiniert verschiedene Projekte im In- und Ausland. Dabei steht immer das Ziel im Vordergrund, möglichst schnell, effektiv und sensibel dort Hilfe zu leisten, wo Menschen durch Katastrophen oder politische Konflikte in Not geraten sind. Dieses Ziel verfolgt unser Kompetenzzentrum seit seiner Gründung im Jahr 2001 mit stetig wachsendem Erfolg – und das seit nunmehr zehn Jahren. Unsere Hochschule möchte keine Wissenschaft im sprichwörtlichen Elfenbeinturm betreiben – wir definieren uns über unsere Rolle in und für die Gesellschaft. Gesellschaftliches Engagement ist der Fachhochschule Münster wichtig. Wir fühlen uns dabei dem Gedanken der Menschlichkeit und des Humanismus verpflichtet. Die Arbeit, die unser Kompetenzzentrum leistet, liegt uns daher sehr am Herzen und wir finanzieren es fast vollständig aus eigenen Mitteln. Für den heutigen Kongress haben wir allerdings gerne die Unterstützung vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und von der Sparkasse Münsterland Ost in Anspruch genommen. Unser Engagement ist schließlich bei der Initiative „Münster – Allianz für Wissenschaft“ auf fruchtbaren Boden gefallen. Für die Allianz haben sich die münsterschen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und die Stadt Münster zusammengeschlossen. Das Erbe unserer Stadt – der Westfälische Friede 1648 – ist ein Schwerpunkt dieser Allianz. Denn wir in Münster sehen uns auch heute noch diesem Erbe verpflichtet. Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen möglichst großen Erkenntnisgewinn bei der „Gratwanderung“ zwischen den

Grußwort der Präsidentin der Fachhochschule

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unterschiedlichen Positionen, die bei der internationalen Soforthilfe zu berücksichtigen sind. Dr. rer. pol. Ute von Lojewski Präsidentin der Fachhochschule Münster

GRUßWORT DES OBERBÜRGERMEISTERS DER STADT MÜNSTER Kein anderes historisches Ereignis ist mit der Stadt Münster so verbunden, wie der Westfälische Frieden 1648 und damit die langen mühsamen Verhandlungen die schließlich zur Unterzeichnung der Friedensverträge zur Beendigung des 30 jährigen Krieges führten. Diese Prozesse, die zum Westfälischen Frieden führten, verstehen wir heute als wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung und zur Entwicklung des heutigen Völkerrechts. Die absolute Gleichberechtigung souveräner Staaten, die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten gelten als Errungenschaften des „Westfälischen Systems“. Jedoch gerade diese werden – angesichts humanitärer Katastrophen und der Verletzung von Menschenrechten zunehmend in Frage gestellt. Was wiegt schwerer – das Völkerrecht oder das Menschenrecht? Wo sind die Grenzen? Der 1. Münstersche Kongress zur Humanitären Hilfe widmet sich genau diesem Diskurs und stellt an historisch bedeutsamen Ort – im Rathaus zu Münster – die Rolle der internationalen Nothilfeorganisationen in den Mittelpunkt. Münster versteht die historischen Ereignisse als bleibende Verpflichtung für ein friedenssicherndes und humanitäres Handeln in der Gegenwart. Vor diesem Hintergrund und als Tagungs- und Verhandlungsort ist Münster prädestiniert, sich als Kompetenzzentrum für Humanitäre Hilfe zu entwickeln. Hinzu kommen die vielfältigen Kompetenzen an den Hochschulen, allen voran die Fachhochschule mit ihren Fachbereichen, aber auch die Universität mit dem Exzellenzcluster Religion und Politik sowie der Medizin, dem Völkerrecht, der Ethnologie und Politikwissenschaft. Auch die anderen Hochschulen in Münster ebenso wie die vielen Organisationen der Nothilfe oder das Deutsch-Niederländische Korps sind Partner im starken Netzwerk Humanitäre Hilfe. In Münster ist das Wissen gebündelt. Wir freuen uns, dass wir mit der Fachhochschule einen starken Partner haben. Stadt und Hochschulen arbeiten in der Allianz für Wissenschaft gemeinsam daran, Münster als Stadt des Westfälischen Friedens und der Dialoge zum Frieden zu profilieren. Den Referenten des 1. Münsterschen Kongresses zur Humanitären Hilfe, insbesondere General Roméo Dallaire gebührt großer Dank. Sie haben nachdrücklich gezeigt, dass alles dafür getan werden muss, bei Krisen- und Konflikten, ob auf internationaler Ebene oder auch vor

15 Ort, einen Konsens durch Dialog zu erreichen. Mehr denn je gilt es, dafür neue Instrumentarien und Verfahren zu entwickeln. Das Themenspektrum der Internationalen Humanitären Hilfe ist weit und viele Fragen gilt es noch zu stellen. Über eine Fortsetzung des Diskurses in unserer Stadt an historisch einzigartigem Ort würde ich mich daher sehr freuen. Markus Lewe, Oberbürgermeister

Einführung MÜNSTER UND DAS GEDENKEN AN DEN WESTFÄLISCHEN FRIEDEN Franz-Josef Jakobi Als am 24. Oktober 1648 in Münster die Friedensverträge des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation mit Frankreich und mit Schweden unterzeichnet wurden, war damit der bis dato längste, grausamste und folgenreichste Krieg aller Zeiten beendet, der in unermesslichem Ausmaß und über dreißig Jahre lang Leid, Tod und Zerstörung über ganze Landstriche und große Teile der Bevölkerung gebracht hatte. Um dem Wüten der Kriegsfurie ein Ende zu bereiten, von dem ganz Mitteleuropa betroffen gewesen war, hatten in Münster und Osnabrück von Sommer 1644 bis zum Oktober 1648 mehr als vier Jahre lang die Gesandten der am Krieg beteiligten Mächte unter Vermittlung der „Mediatoren“ Fabio Chigi und Alvise Contarini langwierige und komplizierte Verhandlungen geführt. Der schließlich erreichte Friedensschluss und seine Umsetzung in Vertragsform sind als „Westfälischer Frieden“ bis heute im regionalen, überregionalen und internationalen Geschichtsbewusstsein tief verankert. Der Name Münsters, der Stadt, in der in einer Kette von Staatsakten und Festveranstaltungen vom Sommer 1648 bis zum Frühjahr 1649, die Beendigung der Kriegshandlungen, der Abschluss der Friedensverträge und ihre öffentliche Verkündigung feierlich begangen wurde, ist für immer damit verbunden. Durch Jubiläumsfeiern und Gedenktage mit Ausstellungen, Vortragsveranstaltungen und Publikationen hat man dem seit Generationen stets von neuem Rechnung getragen. Dabei stand vor allem das Vertragswerk selbst mit seinen neuen religions-, verfassungs-, staats- und völkerrechtlichen Bestimmungen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seine geschichtliche Bedeutung und bis in die Gegenwart reichenden Wirkungen können kaum überschätzt werden. Der Friedensschluss von 1648 stellt deshalb einen historischen Orientierungspunkt, an den es immer wieder zu erinnern gilt, auch für die Lösung gegenwärtiger Problemkomplexe dar.

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Einführung

Nicht weniger von Bedeutung für unsere Zeit als das Vertragswerk von 1648 selbst erscheint – angesichts drohender Verteilungskämpfe um knapper werdende Ressourcen und neuer ethnischer und konfessioneller Konflikte auf allen Kontinenten – der lange und mühsame Prozess, der zu diesem Ergebnis geführt hat. In einer ausweglos erscheinenden Konflikt- und Kriegssituation ist es gelungen, Problemlösungen zu erreichen, indem man den mühsamen Verhandlungsweg beschritten und allen verfügbaren kreativen und innovativen Sachverstand dafür mobilisiert hat. Fast vier Jahre lang ist in Münster – und parallel dazu in Osnabrück – unter schwierigsten Bedingungen verhandelt worden: es gab keinen Waffenstillstand und die Kriegshandlungen gingen ununterbrochen weiter; ebenso wenig gab es international anerkannte und erprobte Regeln für solche Verhandlungen, sie mussten vielmehr – und das war die Geburtsstunde der modernen Diplomatie – in aufwendigen Prozeduren von den Gesandten der kriegführenden europäischen Mächte und der deutschen Fürstentümer und Städte zugleich mit der Auseinandersetzung über die Inhalte neu entwickelt werden. Die Stadt mit ihrer noch intakten Infrastruktur bot für diesen Friedenskongress mit mehreren Dutzend hochrangigen und teilweise mehrere Hundert Personen starken Delegationen den organisatorischen und logistischen Rahmen, sie war Verhandlungsforum mit zahlreichen über den gesamten Stadtraum verteilten Orten und Ebenen. Mehr noch als der Westfälische Frieden als staats- und völkerrechtliches Vertragswerk, bietet so das historische Themenfeld „Münster 1643 – 1648. Konfliktbewältigung und Friedenssicherung am Ende des 30jährigen Krieges“ Anknüpfungs- und Orientierungspunkte, wenn es darum geht, für die Krisenherde unserer Zeit neue Instrumentarien und Verfahren zur Konfliktvermeidung, Konfliktlösung und Friedenssicherung zu entwickeln beziehungsweise um einen Konsens durch Verhandlungen zu ringen. Die grundlegenden Konflikte in der Mitte des 17 Jahrhunderts, die nur noch am Verhandlungstisch gelöst werden konnten, da eine Entscheidung auf den Schlachtfeldern sich für alle Kriegsparteien als unerreichbar erwies, hatten weit zurückreichende Ursachen. Seit mehr als 100 Jahren hatten sich die konfessionellen Gegensätze in Deutschland und Europa, der Verfassungskonflikt im Reich sowie die Rivalität der europäischen Mächte untereinander und zum Hause Habsburg immer stärker aufgeladen und ineinander verschränkt. Für alle drei Problemkreise sind im Westfälischen Frieden – erstmals in der Geschichte Europas – rechtsverbindliche Lösungen auf dem Ver-

Gedenken an den Westfälischen Frieden

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handlungswege gefunden worden. Sie sind dementsprechend drei Bedeutungsebenen1 zuzuordnen: Es ging um 1) Die Beendigung der konfessionellen Konflikte. 2) Die Beilegung des Deutschen Verfassungskonflikts. 3) Die Neuregelung der europäischen Mächtekonstellation Das generationenlang aufgehäufte Konfliktpotential des „konfessionellen Zeitalters“ konnte so im Westfälischen Frieden entsprechend der zeitgenössischen Devise „pax optima rerum“ (Der Friede ist das beste aller Dinge) dauerhaft entschärft werden; eine wichtige Voraussetzung für ein friedliches Miteinander der Konfessionen, Stände und Mächte in Deutschland und Europa war damit geschaffen. Eine der zentralen Neuregelungen, das 'Westphalian system' der völkerrechtlich fundierten Autonomie souveräner Staaten und des Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten bildete bis ins 20. Jahrhundert die Grundlage für das staatliche Miteinander – auch noch im Rahmen des Völkerbundes und der UNO– Charta. Seit einiger Zeit ist es angesichts der steigenden Zahl innerstaatlicher Konflikte mit massiven Menschenrechtsverletzungen in die Krise geraten. Ob das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates als Völkerrechtssubjekt weiterhin uneingeschränkt gelten darf, ist grundsätzlich infrage gestellt, und zwar nicht erst seit der Nato-Intervention auf dem Balkan oder dem, was im Irak und in Afghanistan geschah und geschieht. Erstmals ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gerückt wurde es – wenn ich es richtig sehe – durch den Völkermord an der TutsiMinderheit in Ruanda 1994 und die fast zeitgleich beginnenden Tschetschenien-Kriege der Russischen Föderation. Die zentrale Frage lautete damals und lautet auch gegenwärtig angesichts der Situation in Libyen und Syrien: Darf die Weltöffentlichkeit tatenlos zusehen, wenn diktatorische oder fundamentalistische Regime unter Berufung auf das Völkerrecht die individuellen Menschenrechte missachten? Wann und ggf. unter welchen Bedingungen darf oder muss eine Intervention zu deren Schutz erfolgen und wie weit darf sie gehen? Darüber wird zur Zeit in der Politik wie in den einschlägigen Wissenschaften eine intensive und kontroverse Debatte geführt, und das sind auch die Rahmenbedingungen dessen, was hier in Münster zu diskutieren ist.

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Sie sind hier nur angesprochen; im Einzelnen gekennzeichnet sind sie in dem Beitrag „Zur Bedeutung des Westfälischen Friedens“ in diesem Bande.

HUMANITÄRES HANDELN – EINE INTERVENTION? Rudolf Seiters Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Lewe, sehr geehrte Frau Präsidentin Prof. von Lojewski, meine Damen und Herren, ich bin der Einladung gerne gefolgt, beim Ersten Münsterschen Symposium zur humanitären Hilfe zu sprechen, das die Frage stellt nach „Interventionsverbot, Interventionsrecht oder Interventionsverpflichtung rechtstreuer Staaten aus humanitären Gründen?“ Kann humanitäres Handeln eine Intervention darstellen und wenn ja, sind Interventionen nicht nach der Charta der Vereinten Nationen verboten? Humanitäres Handeln nach einer Katastrophe umfasst im weiteren Sinne alle Aktivitäten von kurzfristiger Hilfeleistung über Aufarbeitung und Wiederaufbau bis hin zu Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit, Katastrophenvorsorge und Risikoverminderung. Die Leistung humanitärer Hilfe im engeren Sinne umfasst das Zugänglichmachen von Hilfsgütern und Dienstleitungen für die Not leidende Bevölkerung nach einer humanitären Katastrophe – ausgelöst durch einen bewaffneten Konflikt, einen Terroranschlag oder eine Naturkatastrophe. Zu unterscheiden von der humanitären Hilfeleistung ist die sog. humanitäre Intervention im Rechtssinn. Letztere bezeichnet einen Eingriff mit bewaffneten Streitkräften in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates, um Menschen – eigene Staatsangehörige oder auch Staatsangehörige eines anderen Staates – in einer humanitären Notlage zu schützen. Während die Völkerechtmäßigkeit humanitärer Interventionen – die nicht auf Grundlage einer Sicherheitsratsresolution stattfinden, die zu einem Eingreifen ermächtigt – umstritten ist, kann es ein Verbot für humanitäres Handeln an sich grundsätzlich nicht geben. Vielmehr ist Menschlichkeit der erste der sieben Rotkreuzgrundsätze. Er ist das oberste Ziel, das unser Handeln bestimmen sollte und eine humanitäre Hilfeleistung im Einzelfall geradezu als geboten erscheinen lassen mag. Das Völkerrecht – und damit die Staatengemeinschaft, die das Völkerrecht schafft – hält verschiedene Rechtssysteme bereit, je nachdem aus welcher Situation die Notlage entspringt, auf die zu reagieren ist. Liegt ein bewaffneter Konflikt vor, so regelt das humanitäre Völker-

Humanitäres Handeln - eine Intervention?

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recht den Zugang zu einer unterversorgten Bevölkerung und den Schutz von humanitären Operationen und Helfern. Ist der Ursprung der Notlage kein bewaffneter Konflikt, sondern z.B. eine Naturkatastrophe, ein Terroranschlag oder interne Unruhen und Spannungen, besteht derzeit kein dem humanitären Völkerrecht vergleichbares einheitliches Rechtssystem. Um diese Lücke zu füllen und in der Hoffnung die Entwicklung von einschlägigem Völkergewohnheitsrecht zu initiieren und zu beflügeln, wurden auf der letzten Internationalen Konferenz vom Roten Kreuz/ Roten Halbmond im Jahre 2007 die sog. IDRL-Richtlinien1 verabschiedet. Bei den IDRL-Richtlinien handelt es sich um rechtlich nicht bindende Empfehlungen über die geeignete nationalgesetzliche, institutionelle und administrative Behandlung von internationaler Hilfe2 nach einer Katastrophe. Sie wurden einstimmig von den Regierungen aller Vertragsparteien der Genfer Abkommen sowie den Nationalen Rotkreuz-/ RothalbmondGesellschaften, der Internationalen Föderation und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz angenommen. Grundlegende Voraussetzung für eine effektive Hilfeleistung ist in jedem Fall – d.h. sowohl in bewaffneten Konflikten als auch nach Naturkatastrophen –, dass der Zugang zur betroffenen Bevölkerung gewährleistet ist. Die Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs gilt sowohl gewohnheitsrechtlich als auch völkervertraglich.3 Sofern die Zivilbevölkerung in einem Gebiet nicht ausreichend mit lebensnotwendigen Gütern versorgt ist, sind humanitäre Hilfsaktionen ohne jede nachteilige Unterscheidung und unparteiisch durchzuführen. Die Konfliktparteien müssen die zügige und ungehinderte Durchfahrt von humanitärer Hilfe für bedürftige Zivilpersonen zulassen und ermöglichen. Das geltende Völkerrecht trifft jedoch eine wichtige Regelung, die zunächst erstaunen und im Einzelfall wenig befriedigend sein mag. Zwar besteht als Kehrseite der angesprochenen Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs ein entsprechendes Recht auf freien Zugang zur betroffenen Bevölkerung. Dieses Recht kann jedoch nicht ohne die Zustimmung oder gar gegen den Willen des betroffenen Staates 1

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Guidelines for the Domestic Facilitation and Regulation of International Disaster Relief and Initial Recovery Assistance, online: http://www.icrc.org/eng/assets/files/red-cross-crescent-movement/31stinternational-conference/idrl-guidelines-en.pdf. Humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe in der Erstphase. Für Situationen in internationalen bewaffneten Konflikten besteht die Pflicht nach dem I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949 (Art. 70 ZP I), für nichtinternationale bewaffnete Konflikte nach dem II. Zusatzprotokoll (Art. 18 ZP II); für Situationen, in denen kein bewaffneter Konflikt vorliegt, gelten die nicht bindenden IDRL-Richtlinien (Regel 16).

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Einführung

durchgesetzt werden. Hilfsleistungen können also auch in größten Notsituationen nicht erfolgen, ohne dass der betroffene Staat einverstanden ist und ihnen zustimmt. Zu begründen ist dieses Zustimmungserfordernis mit der Souveränität der Staaten. Die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten, die als völkerrechtliche Praxis im Jahr 1648 mit dem Westfälischen Frieden begann, mit den Verträgen von Münster und Osnabrück, die im Rathaus zu Münster unterzeichnet wurden, an dem Ort, an dem wir uns heute befinden, gilt also bis heute in einem hohen Maße fort. Ich komme zurück auf meine Ausgangsfrage „Kann humanitäres Handeln eine Intervention darstellen?“: Humanitäres Handeln verleiht kein uneingeschränktes Recht, sich in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen, zu intervenieren. Eine humanitäre Absicht und Mittel der humanitären Hilfe verleihen nach dem geltenden Völkerrecht kein Recht, sich über einen – eventuell auch missbräuchlich gebildeten – entgegenstehenden Willen eines betroffenen Staates hinwegzusetzen und Hilfe gegen den Willen dieses Staates zu leisten. Dies gilt sowohl mit Blick auf staatliche Akteure als auch auf Nichtregierungsorganisationen – als auch für das Rote Kreuz. Die einzige Institution, die sich über den Willen eines souveränen Staates hinwegsetzen darf, ist der VN-Sicherheitsrat. Eine Intervention ist daher dann rechtmäßig, wenn sie auf der völkerrechtlichen Grundlage einer Sicherheitsratsresolution stattfindet, die zum Eingreifen ermächtigt, wie gegenwärtig in Libyen.4 Die Autorisierung durch den Sicherheitsrat ermächtigt die internationalen Truppen, auch gegen den Willen Libyens „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (...), um Zivilpersonen und von diesen bewohnte Gebiete in Libyen, die von Angriffen (...) bedroht werden, zu schützen“.5 Falls eine entsprechende Ermächtigung durch den Sicherheitsrat nicht vorliegt, stellt sich die Frage, ob ein Zugangsrecht, das auch gegen den Willen des betroffenen Staates durchgesetzt werden könnte, wünschenswert wäre. Aus Sicht des Roten Kreuzes ist diese Frage zu verneinen. Denn es ist höchst umstritten, welche Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen müssen, damit eine Hilfsoperation rechtmäßig erfolgen kann. Der Grund für diese Unsicherheit liegt darin, dass die 4

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Zum ersten Mal beruft sich der Sicherheitsrat in Resolution 1973 (2011) (VN SR Resolution 1973 (2011) ist die zweite Libyenresolution; sie wurde am 17.03.2011 verabschiedet.) ausdrücklich auf das Konzept der Schutzverantwortung, d.h. auf die Verantwortung zum Schutz der libyschen Bevölkerung, die primär den libyschen staatlichen Stellen zukommt und komplementär der Weltgemeinschaft obliegt. Die Auswirkungen und die Bedeutung dieser Bezugnahme auf das umstrittene Konzept sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar. UN SC Resolution 1973 (2011), Ziff. 4.

Humanitäres Handeln - eine Intervention?

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Voraussetzungen sich einer generellen Beurteilung entziehen und ausschließlich vom Einzelfall abhängig sind. Derartige Voraussetzungen, die in einem bestimmten Einzelfall vorliegen müssen, können jedoch nicht Grundlage einer verallgemeinerungsfähigen Doktrin sein. Vor diesem Hintergrund bestünde die Gefahr, dass humanitäre Hilfsaktionen unter unzureichenden Voraussetzungen oder aus vorgeschobenen Gründen durchgeführt und zur Verfolgung anderer Ziele missbraucht werden. Speziell bestünde die Gefahr, dass das Rote Kreuz bei der Teilnahme an derartigen Hilfsoperationen nicht mehr als unparteiliche und neutrale Organisation wahrgenommen werden würde. Dies gilt insbesondere in komplexen humanitären Situationen, in denen die Notlage der Zivilbevölkerung nicht ausschließlich durch eine Naturkatastrophe verursacht wurde. Hinzu kommt, dass die Nationalen Rotkreuz-/ RothalbmondGesellschaften Hilfe im Rahmen der Bewegung ausschließlich auf Ersuchen einer Schwestergesellschaft und evtl. koordiniert durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder die Internationale Föderation leisten. Die Koordination innerhalb der Bewegung könnte empfindlich gestört, wenn nicht im Einzelfall sogar unmöglich gemacht werden, sofern eine Nationale Gesellschaft auf dem örtlichen Zuständigkeitsgebiet einer Schwestergesellschaft die Hilfe eigenmächtig durchführt, ohne um diese Hilfeleistung ersucht worden zu sein, und dabei möglicherweise auch gegen den Willen des betroffenen Staates handelt, als dessen Nationale Hilfsgesellschaft – auxiliär zu ihren staatlichen Behörden – die Schwestergesellschaft vor Ort fungiert. Gegen den Willen eines Staates kann also auch das DRK keine humanitäre Hilfe leisten. Allerdings profitiert die Rotkreuz-/ Rothalbmond-Bewegung – im Vergleich zu anderen internationalen und nationalen, staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren auf dem Gebiet der humanitären Hilfe – oftmals von ihrer eben angesprochenen weltweiten Vernetzung. Die Schwestergesellschaften in 186 Ländern der Welt unterstützen sich gegenseitig und arbeiten besonders in Katastrophenfällen eng zusammen. Die zuständige Nationale Rotkreuz- oder Rothalbmond-Gesellschaft im betroffenen Land dringt in dieses Land nicht von außen ein, sondern ist Nationale Hilfsgesellschaft des betroffenen Staates und kann vor Ort auf der Grundlage der RotkreuzGrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Menschlichkeit, Hilfe leisten. Im Einsatz werden Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oft unter schwierigen Bedingungen und in gefährlichen Situationen tätig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit von

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bewaffnetem Schutz für die Mitarbeiter einer Hilfsoperation. Dass Rotkreuz-Mitarbeiter im Einsatz eines besonderen Schutzes bedürfen, ist selbstverständlich. Diesem Schutz dienen insbesondere die Embleme der Bewegung das Rote Kreuz, der Rote Halbmond und der Rote Kristall. Auch die Streitkräfte könnten evtl. zusätzlichen Schutz in Form einer bewaffneten Begleitung leisten. In der Vergangenheit haben Komponenten der Bewegung – in Ausnahmefällen – vereinzelt auf einen solchen Schutz zurück gegriffen. Allerdings muss gerade in Regionen, in denen das Militär als Partei eines bewaffneten Konflikts wahrgenommen wird, zu jedem Zeitpunkt ein Unterschied zwischen bewaffneten Angehörigen der Streitkräfte und Mitarbeitern der Hilfsorganisation deutlich sichtbar sein. Diese klare Trennung der Aufgaben und Arbeitsgebiete beginnt bereits beim Transport von Hilfsgütern in eine betroffene Region, die insbesondere in Konfliktregionen nur als letztes zur Verfügung stehendes Mittel durch Transportmittel des Militärs erfolgen sollte. Nur durch eine nach außen sichtbare und wahrgenommene Unterscheidbarkeit und Abgrenzung von zivilen Helfern und Militärs, durch die Wahrnehmung der Beachtung der Grundsätze der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, lässt sich das für eine effektive Durchführung des humanitären Mandats erforderliche Vertrauen aller Seiten erwerben und bewahren. Abschließend lassen Sie mich betonen, dass unser Ziel ist und bleibt, durch humanitäres Handeln – in den rechtlichen Grenzen und speziell mit der Zustimmung des jeweils betroffenen Staates – die Not der betroffenen Bevölkerung während und nach einer Katastrophe zu lindern. Für dieses Ziel setzen sich täglich weltweit unzählige Rotkreuz-Mitarbeiter unter oftmals schwierigen Bedingungen ein. Ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank! Meine Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen mit diesen Worten den Einstieg bereitet zu haben für eine lebhafte Diskussion, und freue mich auf interessante Vorträge. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG: 1. MÜNSTERSCHER KONGRESS ZUR HUMANITÄREN HILFE INTERNATIONAL EMERGENCY AID – A DELICATE BALANCE: ST 1 MÜNSTER CONGRESS ON HUMANITARIAN RELIEF Joachim Gardemann Prohibition, right or even obligation – when humanitarian disasters occur due to natural phenomena or when a state flagrantly disregards its citizens' human rights, the international community is faced with a difficult question: to what extent is intervention justified and international emergency aid appropriate? The issue is based on two standards that may be conflicting: human rights and sovereignty. The 1st Münster Congress on Humanitarian Relief on 20 May 2011 focuses on the practical work of international relief organizations. How do they act if human rights and international law clash? Numerous well-known guests will shed light on this question from various perspectives at the historic City Hall of the Peace of Westphalia in Münster, and discuss whether we may have to refer to an end to the era of the “Westphalian System”. One of the speakers will be General Roméo Dallaire.1 The commander of UN troops in Rwanda in the mid 1990s will lecture on the issue of national sovereignty. The international Congress is being organized by Münster University of Applied Sciences and its Centre of Competence for Humanitarian Relief. Both the City of Münster and the Alliance for Science are sponsoring the multidisciplinary symposium.2 Verbot, Recht oder gar Verpflichtung – wenn humanitäre Katastrophen durch Naturereignisse geschehen oder ein Staat die Menschenrechte seiner Bürger massiv missachtet, stellt sich für die internationale Gemeinschaft eine schwierige Frage: In welchem Umfang sind Interventionen berechtigt und internationale Soforthilfe angemessen? Dabei liegen zwei Normen zugrunde, die sich widersprechen können: Menschenrecht und Souveränität. Im 1. Münsterschen Kongress zur Humanitären Hilfe am 20. Mai 2011 steht die praktische Arbeit der internationalen Hilfsorganisatio1 2

DALLAIRE: Shake Hands. Fachhochschule Münster, online: https://en.fh-muenster.de/humanitaerehilfe/kongress/kongress_2011_zum_thema.php.

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nen im Mittelpunkt. Wie verhalten sie sich, wenn Menschenrecht und Souveränität miteinander in Konflikt geraten? Im geschichtsträchtigen Rathaus des Westfälischen Friedens in Münster werden eine Vielzahl namhafter Gäste die Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und darüber diskutieren, ob man möglicherweise von einem Ende der Ära des „Westfälischen Systems“ sprechen muss. Unter anderem referiert General Roméo Dallaire, Mitte der 90er Jahre Kommandant der Blauhelmtruppen in Ruanda, zum Thema nationale Souveränität.3 Die Fachhochschule Münster veranstaltet zusammen mit seinem Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe den internationalen Kongress. Mit der Stadt Münster unterstützt zudem ein weiteres Mitglied der Allianz für Wissenschaft das multidisziplinäre Symposium.4 363 Jahre nach dem großen europäischen Friedensschluss im Jahr 1648 haben sich im historischen Rathaus der Stadt Münster Teilnehmende aus insgesamt 26 Hochschulen, 30 internationalen Organisationen sowie aus den Streitkräften von 6 Nationen zusammengefunden5. So unterstreicht alleine schon Ihre Anwesenheit die große Bedeutung der Fragestellung des 1. Münsterschen Kongresses zur Humanitären Hilfe. Natürlich hat auch die aktuelle politische Lage in einigen Ländern der arabischen Welt dazu beigetragen, dass sich Fachleute in so großer Zahl versammelt haben, um Antworten auf unsere drängenden Fragen zu finden. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Herr Dr. Seiters, hat bereits die völkerrechtlichen Grundlagen und die besondere Rolle des Roten Kreuzes als Völkerrechtssubjekt und Wahrer der Genfer Konventionen des Kriegsvölkerrechtes erläutert. Ursprünglich sollte die heutige Veranstaltung als Titel haben: „The End of Westphalia“, allerdings hätte das gerade in Münster sicherlich 3 4 5

DALLAIRE: Shake Hands. Fachhochschule Münster, online: https://www.fh-muenster.de/humanitaerehilfe/kongress/kongress_2011_zum_thema.php. Vertreten sind am 20. Mai 2011 in Münster unter anderem die folgenden Organisationen in alphabetischer Reihenfolge: Amnesty International, Ärzte der Welt (Médecins du Monde), Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières), action medeor, Bischöfliches Generalvikariat, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, Deutsches Rotes Kreuz, Deutsch Niederländisches Korps, Evangelischer Kirchenkreis, Gesellschaft für bedrohte Völker, Ghana-Forum NRW, Humanity Care Stiftung, Humedica, Institut der Feuerwehr NRW, Integrationsrat der Stadt Münster, Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, International Physicians for the Prevention of Nuclear War, Islamic Relief Deutschland, Johanniter International, Joint allied command NATO, LandsAid e.V., Malteser International, Parliament of Israel, Save the Children, terre des hommes, Titus Dittmann Stiftung, United States Africa Command, World Vision und weitere.

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zu einigen Diskussionen geführt. Henry Kissinger hatte im Jahr 2002, noch ganz unter dem Eindruck des 11. September, einen Artikel in „new perspectives“ veröffentlicht unter dem Titel „The End of Westphalia“6. Dabei hatte er natürlich vorausgesetzt, dass seine Leserschaft sowohl mit dem Begriff „Westfalen“ als auch mit dem Begriff „Westfälisches System“ etwas anfangen könnte. Professor Franz-Josef Jakobi wird uns zur Bedeutung des großen europäischen Friedens von Münster für unsere heutige Zeit gleich noch Wichtiges mitteilen.7 Die Frage stelle sich, so Kissinger, ob dieses Westfälische System dauerhaften Bestand behalten werde, ein System also, das seit 1648 souveräne Staaten als Akteure der internationalen Beziehungen bestimmt auf Grundlage der Gleichberechtigung aller Staaten und unabhängig von ihrer tatsächlichen Macht und Größe. Wenn wir diese staatliche Souveränität allerdings als Privileg und nicht als selbstverständliches Recht begreifen, dann muss sie auch verdient werden durch gegenseitigen Respekt zwischen Staat und den Staatsangehörigen. Wir werden heute aber von einigen historischen Situationen hören, in denen souveräne Staaten ganz offensichtlich ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen konnten oder nicht nachkommen wollten. In diesen Fällen stellt sich dann die Frage nach einer Schutzverantwortung der anderen und rechtstreuen Staaten. Der Genozid an den Tutsi in Ruanda 1994 ist ein besonders bewegendes Beispiel hierfür. General Romeo Dallaire und Prof. Frank Chalk aus Kanada werden hierzu Bericht erstatten und Instrumente zur Verhütung solchen Grauens entwickeln. „Mobilizing the Will to Intervene“ lautet der Titel ihres gemeinsamen Buches hierzu8. Es gibt doch eine ärztliche Meldepflicht beispielsweise für Masern an das Gesundheitsamt und für Cholera gar an die Weltgesundheitsorganisation. Warum gibt es eigentlich noch keine Meldepflicht für genozid-typische Verletzungsmuster an den Weltsicherheitsrat? Massenhafte rituelle Amputationen oder erzwungene Schwangerschaften fallen uns vor Ort sofort auf und ragen sogar aus den „üblichen“ Grausamkeiten des Krieges heraus. Wir als das Gesundheitspersonal vor Ort können diese Beobachtungen anonymisiert zusammenfassen und als Beweismittel weiterleiten, wobei aber hierdurch in keinem Falle unsere Neutralität und Unparteilichkeit in der öffentlichen Wahrnehmung gefährdet werden darf. Der Genozid an den Tutsi ist noch aus einem weiteren Grund für uns in Deutschland sehr bewegend. Als unsere lokalen Mitarbeiter mir

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KISSINGER: Preemption. JAKOBI: Religionsgeschichtliche Bedeutung, S. 83–98 CHALK, DALLAIRE et al.: Mobilizing.

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dort deutsche koloniale Rupien in die Hand drückten, habe ich unsere historische Verantwortung wirklich begreifen können. Die deutsche Kolonialmacht war es nämlich vor dem ersten Weltkrieg, die sich der Tutsi bediente, um die Hutu-Mehrheit in Ruanda zu unterdrücken. Damit war dort der Hass auf die Tutsi geschürt. Auch für Ruanda tragen wir also als ehemalige Kolonialmacht eine besondere Verantwortung.9 Ein weiteres Kapitel deutscher Geschichte wird Prof. Ted van Baarda aus den Niederlanden aufschlagen.10 Im Jahr 1935 trat der Hochkommissar des Völkerbundes für die Flüchtlinge zurück.11 Warum? Er hatte die Vorzeichen und Vorbereitungen des Holocaust genau erkannt und ausführlich beschrieben. Er hatte dann die rechtstreuen Staaten im Völkerbund zur Intervention aufgerufen, um den drohenden Völkermord in Deutschland zu verhüten. Unter Hinweis auf die Souveränität des Deutschen Reiches in inneren Angelegenheiten passierte aber nichts. Der Genozid fand dann ja wie geplant auch statt.12 Haben sich also die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, der Neutralität und der Unparteilichkeit gleichermaßen immer und überall bewährt? Zum einhundertjährigen Gründungstag der Rotkreuzidee im Juni 1959 formulierte der damalige Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Carl Jacob Burckhardt in Genf einen für das Rote Kreuz geradezu revolutionären Satz: „Das Rote Kreuz ist neutral. „Neutral“ ist an und für sich ein negativer Begriff, der eine Haltung bezeichnet, durch die man sich aus den Konflikten heraushält.”13 Auch für das Rote Kreuz also ist die Neutralität eben keine sittliche Kategorie, kein Wert an sich, sondern bloßes Instrument, um den Zugang zu beiden Seiten eines Konfliktes zu ermöglichen. Sittlichen Wert hat eigentlich nur der humanitäre Grundsatz der Menschlichkeit, der seinerseits auf dem Gedanken der Menschenwürde fußt. Der Philosoph EMMANUEL LÉVINAS lehrt uns die Wertschätzung von Andersheit und die Bedeutung des „Angerufenwerdens durch das menschliche Antlitz“: Sittliches Verhalten zeigt sich LÉVINAS zufolge alleine schon darin, dass ich die Erscheinung des Mitmenschen in meinem Erleben nicht für die tatsächliche Wesenheit des Gegenüber halte, sondern mir bewusst bleibe, dass jeder Mitmensch für mich 9 10 11 12 13

KANDT: Caput Nili. VAN BAARDA: Moral Ambiguities. Breitmann, McDonald Stewart et al.: Advocate. MCDONALD: Letter of Resignation. Audio: WDR 5 Zeitzeichen 08.05.2008, online: http://www.wdr5.de/sendungen/zeitzeichen.html.

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immer unerreichbar anders sein wird. Niemand kann statt meiner auf den Anruf des Antlitzes antworten, ich kann meine Antwort zwar wählen, aber meine Verpflichtung zur Antwort und meine Verantwortung nicht delegieren.14 Das heißt doch mit anderen Worten, der Mensch ist verantwortlich und aufgerufen, sich einzumischen. Ähnliche überragende Bedeutung hat das Antlitz auch für die christliche Spiritualität: „Die Mystik der biblischen Traditionen ist in ihrem Kern eine antlitzsuchende Mystik, keine antlitzlose Natur- bzw. kosmische Allreinheitsspiritualität. Buddha meditiert, Jesus schreit.“15 Ist angesichts dieser unserer sittlichen „Verpflichtung zur Antwort“ das Westfälische System der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten als Ordnungsprinzip also letztlich gescheitert, „from Westphalia to Westfailure“16, um Professor Reinhard Meyers zu zitieren? Darf denn nur die Bedrohung des Weltfriedens zur Intervention berechtigen? Gibt es denn nicht auch berechtigte humanitäre Interventionen aufgrund des Prinzips der Schutzverantwortung? Sind Zwangsmaßnahmen gegen massive Menschenrechtsverletzungen oder gegen mangelnde Daseinsvorsorge auch innerhalb einzelner souveräner Staatsgebiete verboten, erlaubt oder gar geboten? Wird sich aber dann ein solches Instrument der Daseinssicherung steuern lassen? Warum wird nicht schon längst im Ostkongo eingegriffen? Besteht nicht auch immer die Gefahr der öffentlichen Inszenierung unfassbarer Grausamkeiten in abtrünnigen Regionen wie im sudanesischen Darfur? Haben Rebellenführer mittlerweile nicht schon längst gelernt, dass medienpräsente Grausamkeiten zur Intervention der Vereinten Nationen führen und damit ein erster Schritt sind auf dem Weg in die erwünschte Unabhängigkeit? Vor gut einem Jahr, im Januar 2010, mussten wir nach dem Erdbeben in Haiti in Gegenwart von rund 10.000 amerikanischen Marinesoldaten arbeiten, für deren Präsenz zunächst überhaupt keine völkerrechtliche Grundlage vorlag. Daneben gab es dort die umfangreiche UN-Mission MINUSTAH. Diese hatte zwar ein völkerrechtliches Mandat, wurde aber dennoch von der Bevölkerung als Besatzung empfunden und abgelehnt. Durch die Identifizierung des CholeraStammes als Import aus Asien verstärkte sich diese Abneigung noch. Wie sollen wir uns in einer solchen Situation verhalten? Wir vertrauen nach wie vor auf die Genfer Konventionen und ihre Schutzregelungen und lehnen militärischen Beistand und militärische Einmischung ab. Präsident René Garcia Préval war nach wie vor die höchste und legi-

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LÉVINAS: Spur des Anderen, S. 223. METZ: Mystik, S. 91. STRANGE: Westfailure, S. 345-354.

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time Autorität in Haiti, auch wenn fast alle seine Ministerien und die Infrastruktur vollständig zerstört waren. Solidarische Hilfeleistung war geboten, aber gab es da ein Recht oder gar eine Pflicht, militärisch einzugreifen? Wir als Praktiker der internationalen Nothilfe kommen mit vielen Fragen hierher. Wir erhoffen uns Antworten aus Sicht von Ethik, Politikwissenschaften und Völkerrecht. Letztlich geht es dabei immer um eine Abwägung zwischen Völkerrecht und Menschenrechten, zwischen der Souveränität eines Staates und seiner Pflicht zur Daseinssicherung. Schon alleine das Zustandekommen der heutigen Veranstaltung zeigt uns, dass wir uns auf einem gangbaren Weg befinden. Hochschulen, internationale Organisationen, Militär und Politik sind hier an historisch einzigartigem Ort versammelt. Möglich wurde dieser erneute westfälische Friedenskongress nur durch die enge Kooperation der Hochschulen mit Bürgerschaft, Rat und Verwaltung der Stadt Münster. Besonderer Dank gilt dem Präsidium und dem Kollegenkreis der Fachhochschule Münster für die kontinuierliche Unterstützung und Förderung. Der Allianz für Wissenschaft Münster, dem Arbeitskreis Westfälischer Frieden, dem Kongressbüro und Wissenschaftsbüro der Stadt Münster ist hier ebenfalls ganz herzlich zu danken. Wie bereits schon 1648, bietet Münster und sein Rathaus auch heute für den längst fälligen Diskurs zur Frage humanitärer Intervention einen geeigneten, würdigen und sinnstiftenden Rahmen.

Tagungsbeiträge BEYOND ABSOLUTE SOVEREIGNTY: THE RESPONSIBILITY TO PROTECT AND THE CHANGES AHEAD Roméo A. Dallaire & Andrew Coleman Introduction The 20th century gave voice and name to the most abhorrent evils conceivable: the threat and execution of genocide, war crimes, crimes against humanity, and ethnic cleansing (“mass atrocities”).1 In spite of their indefensible nature and the unanimity of all peoples in their condemnation, it has been difficult to prevent, let alone eliminate, mass atrocities. Even the exemplification of genocide in World War Two (“WWII”) and the legal weight of the Convention for the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (“Genocide Convention”) proved insufficient when confronted with the long entrenched principles of territorial sovereignty and non-interference in domestic affairs. The necessity of reconciling the notion of absolute sovereignty with the inherent indefensibility of mass atrocities led to the development of the Responsibility to Protect (“R2P”), which has resulted in significant changes to the understanding of sovereignty and the manner in which the international community is able to address the issue of mass atrocities. It is now arguable that sovereignty and noninterference are no longer fatal impediments to the prevention and elimination of mass atrocities; however, significant obstacles still need to be negotiated, particularly concerning the practical operation of R2P and the challenge of garnering political leadership.

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The 20th century introduced mass atrocities to global populations at large. In return, names and sanctions were given to what had before been silent crimes, the most notable being the term Ralph Lemkin gave for a nameless crime, “genocide.” Lemkin: Axis Rule.

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Why we needed the Responsibility to Protect Principles In 1948, still in shock from the horrors of the Holocaust, the members of the General Assembly of the United Nations adopted the Genocide Convention.2 In law, the Genocide Convention was a monumental step forward in the quest to save succeeding generations from the gravest threats. In practice, it did little to protect succeeding generations from the apocalyptic horror of mass slaughter. Since the passing of the Genocide Convention systematic slaughters have occurred in Bangladesh, Cambodia, East Timor, Burundi, Uganda, Rwanda, Bosnia, Southern Sudan, and the Congo. In each case, the inaction of the international community was accompanied by excuses, the most debilitating being the political climate of the Cold War and the paramountcy of absolute sovereignty. Instead of saving succeeding generations from the scourge of war, the post WWII era was dominated by a competition for supremacy between the two emergent global superpowers: the United States of America (“US”) and the Union of Soviet Socialist Republics (“USSR”). This clash of superpowers imposed of a narrative that saw interstate and intrastate conflict interpreted as proxy wars in the contestation of competing ideologies. International scrutiny into these conflicts was barred by the fact that both the US and the USSR were permanent members of the UN Security Council (“UNSC”), the body responsible for the maintenance of international peace and security, and could therefore veto any resolution put to the UNSC.3 With the collapse of the USSR in 1989, the Cold War came to an abrupt end. It was believed that the United Nations (“UN”) would finally be able to advance its preeminent principle: “to save succeeding generations from the scourge of war… and to reaffirm faith in fundamental human rights, in the dignity and worth of the human person, [and] the equal rights of men and women.”4 Between 1990 and 1994 the UNSC passed twice as many resolutions as it had in its previous fifty years.5 In spite this flourish in activity, a series of tragic failings would demonstrate that the international community was still far from the ideal of universal human rights and even farther from the protection of civilians from the scourge of unrestrained violence. 2

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Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, 9 December 1948, No. 1021 (entered into force 12 January 1951) [Genocide Convention]. Charter of the United Nations, 26 June 1945, Can TS 1945 No 7 at art 23(1) [UN Charter]. UN Charter. Hamilton: Responsibility to Protect.

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The most tragic manifestation of this failure was the Rwandan Genocide.6 In Rwanda the most intensive and horrific genocide, second only in scale to the holocaust, took place under the knowing watch of the international community. In 1993 I had the privilege of commanding the United Nations Mission for Rwanda (“UNIMIR”), a peacekeeping operation sent to Kigali under the pretence that the belligerents had agreed to a peace agreement in Arusha. But once on the ground it quickly became clear that the conditions I was operating under were not those of a fragile peace, but the preparations for a slaughter. I sent cables warning the UN staff in New York City of what I saw happening, including reliable information on the existence of weapons caches scattered throughout Kigali in preparation for a massacre. In spite of these warnings the UN did not mobilize itself to prevent the imminent catastrophe, it did the opposite. I was instructed that UNAMIR was not to raid the caches under any circumstances, even though this action was arguably well within the mission’s mandate. The UN had become a powerless witness, emasculated by restrictive mandates and member state passivity. The result, as we now know, was the massacre of close to a million Tutsis and moderate Hutus in the period of 90 days, ending in July.7 A number of reasons were given to justify the impotence of the UN and its member states. One explanation was that the Great Powers were wrestling the “peace dividend” from funds allocated to their armed forces now that the Cold war was over. Another possible explanation was that, following the dramatic failure in Somalia, the international community simply did not have the stomach for another African mission. There was also the sense that the Department for Peace Keeping Operations (“DPKO”) may not survive another disaster of such magnitude. But, behind the fears and motivations of the UN and its member states there was loomed a bigger issue: international practice had consistently placed the Westphalian principle of absolute state sovereignty above all other considerations, even the prevention and elimination of genocide. In the Charter of the United Nations this translated to the principles of “territorial integrity” and nonintervention, as reflected in Article 2: 6

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The Rwandan Genocide was but one of the failures at the time. In July 1995, exactly one year later after the Rwandan Genocide, over 8,000 Bosniak males would be murdered in Srebrenica. Again, a UN force was on site, the United Nations Protection Force (UNPROFOR), but was unable to intervene. The Rwandan population peaked at seven million in 1990, and subsequently fell to five and a half million in 1995. The World Bank, Population, Total, Data [1991-1995], online: The World Bank Group http://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.TOTL?cid=GPD_1.

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[2] 4. All Members shall refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any state… [2] 7. Nothing contained in the present Charter shall authorize the United Nations to intervene in matters which are essentially within the domestic jurisdiction of any state…8 It was clear that the international community was undecided as to how to balance the commitments made in instruments such as the Universal Declaration of Human Rights, the Genocide Convention, and the four Geneva Conventions, against the principle of state sovereignty. Desperate for a solution, former Secretary General Kofi Annan, likely still haunted by his past role as head of the DPKO, asked "if humanitarian intervention is, indeed, an unacceptable assault on sovereignty, how should we respond to… gross and systematic violations of human rights that offend every precept of our common humanity?9 The Government of Canada responded to the Secretary General’s challenge and, in collaboration with a group of major foundations, created the International Commission on Intervention and State Sovereignty (“ICISS”). ICISS combined high-level expertise with a series of worldwide consultations to address the “legal, moral, operational and political” issues that were at the heart of the Secretary General’s challenge. In 2001, ICISS released a report based on the findings of its research and deliberations. The report carried the name of its central concept: The Responsibility to Protect (“R2P”).10

What the Responsibility to Protect proposed A product of its time, the ICISS report responded to the challenge of preventing mass atrocities by building upon ideas that had already started developing on the evolving nature of sovereignty. Paramount among these was the idea of sovereignty as responsibility. Sovereignty as Responsibility was the culmination of efforts by Francis Deng and his colleagues at the Brookings Institute to develop a conception of sovereignty that matched the reality of contemporary international

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UN Charter, at art 2(4), 2(7). ANNAN: We the Peoples, at 48. ICISS: Responsibility to Protect.

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affairs. In it, Deng and his colleagues described sovereignty as passing through four identifiable stages: 1) “represented by the Treaty of Westphalia… when the sovereign reigned supreme domestically and in its relations with the outside world”; 2) “following World War II… the erosion of sovereignty with the development of democratic values and institutions… and… international accountability on the basis of human rights and humanitarian standards; 3) a reactive assertion of sovereignty by government whose domestic performance renders them vulnerably to international scrutiny”; and lastly, 4) …“the contemporary pragmatic attempt at reconciling state sovereignty with responsibility.”11 The last stage was informed by Deng’s personal experience in the early 1990s, at which time he served as the Representative of the UN Secretary General on Internally Displaced Persons. At the time, though only starting to overtake refugees in number, internally displaced persons (“IDPs”) were vastly overly represented in term of “severe human rights violations”.12 To Deng, the assault on IDPs was representative of a “vacuum of responsibility”.13 He explained that, if governments were unable to fill this vacuum then they should seek international help in doing so, and if they were unwilling to seek international help then the “international community should be assertive in filling the vacuum”.14 Understood this way, it is not the protection of civilians that is incompatible with the concept of sovereignty, since “sovereignty carries with it…[a responsibility] for the population”; it is the inability to protect civilians that is incompatible with the concept of sovereignty.15 ICISS grounded itself in this idea and applied it to the prevention and elimination of mass atrocities. The ICISS report posits a “dual notion of sovereignty as responsibility: externally, to respect the sovereignty of other states, and internally, to respect the dignity and basic rights of all people within the state.”16 It describes R2P as being composed of three elements: 1) the responsibility to prevent, which entails addressing root and direct causes of 11 12 13 14 15 16

DENG et al: Sovereignty as Responsibility, at 2, 6. UNHCR: Interview Dr. Francis M. Deng. UNHCR: Interview Dr. Francis M. Deng. UNHCR: Interview Dr. Francis M. Deng. DENG et al: Sovereignty as Responsibility, at 32-33. ICISS: Responsibility to Protect, at VIII.

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mass atrocities; 2) the responsibility to react, which means responding to “situations of compelling human need” with appropriate measures; and, 3) the responsibility to rebuild, essentially assistance with the tasks involved in “recovery, reconstruction and reconciliation”.17 If a domestic power does not fulfill its responsibility to protect its civilians from “serious harm” then the “international responsibility to protect” compels regional bodies and the international community to protect them.18 This general framework is combined with a number of operation principles, largely derived from just war theory. The most contentious operational principle concerns the issue of just authority. The report argues that if the UNSC failed to adequately respond to the threat of a mass atrocity then the General Assembly could act under its “United for Peace Mandate” or a regional body could act unilaterally.19 The ICISS report was well received and with concerted diplomatic maneuvering on the part of the Canadian Government, a bare bones version of the R2P principles were included into the 2005 World Summit Outcome document, in paragraphs 138–139.20 138. Each individual State has the responsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes, including their incitement, through appropriate and necessary means. We accept that responsibility and will act in accordance with it. The international community should, as appropriate, encourage and help States to exercise this responsibility and support the United Nations in establishing an early warning capability. 139. The international community, through the United Nations, also has the responsibility to use appropriate diplomatic, humanitarian and other peaceful means, in accordance with Chapters VI and VIII of the Charter, to help to protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. In this context, we are prepared to take collective action, in a timely and decisive manner, through the Security Council, in accordance with the Charter, including Chapter VII, on a case-by-case basis and in cooperation with relevant regional organizations as appropriate, should peaceful means be inadequate and national authorities are manifestly failing to 17 18 19 20

ICISS: Responsibility to Protect, at XI. ICISS: Responsibility to Protect, at XI. ICISS: Responsibility to Protect, at XI. Notable absent were the operational principles.

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protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. We stress the need for the General Assembly to continue consideration of the responsibility to protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and its implications, bearing in mind the principles of the Charter and international law. We also intend to commit ourselves, as necessary and appropriate, to helping States build capacity to protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and to assisting those which are under stress before crises and conflicts break out.21 Although the two paragraphs appear slight at face, they have proven both resilient and expansive. They have been re-affirmed by resolutions in the UNSC (resolution 1674 on the protection of civilians) and the General Assembly (resolution 63/308 on the responsibility to protect).22 Crucially, the General Assembly followed through with its promise to “continue consideration of [R2P]… and its implications”. Since 2009 the General Assembly has held three dialogues on the subject. While the two most recent dialogues are important in their own light, concerning early warning and the participation of regional and sub-regional bodies respectively, it is arguable that the first dialogue had the biggest impact on the development of R2P as an operational reality. For the 2009 dialogue the Secretary General, with input from his Special Advisors on the Prevention of Genocide and the Responsibility to Protect, produced a report entitled “Implementing the Responsibility to Protect”.23 The report was both an expansion and clarification of paragraphs 138-139. Most importantly, it introduced the three-pillared approach to R2P, which is now the definitive formulation of the norm. Pillar one is the enduring responsibility of the State to protect its populations, whether nationals or not, from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity, and from their incitement…

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2005 World Summit Outcome, GA Res 60/1, UNGA, 60th Sess, UN doc A/RES/60/1, (2005) at 30, online: United Nations Official Documents Systems http://daccess-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N05/487/60/PDF/N0548760.pdf?OpenElement [2005 Outcome Document]. Protection of Civilians in Armed Conflict, UNSC, 5430th meeting, UN doc S/RES/1674 (2006) [Protection of Civilians]; The Responsibility to Protect, UNGA, 63rd session, UN doc A/RES/63/308 (2009). BAN: Implementing Responsibility to Protect.

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Pillar two is the commitment of the international community to assist States in meeting those obligations. It seeks to draw on the cooperation of Member States, regional and subregional arrangements, civil society and the private sector, as well as on the institutional strengths and comparative advantages of the United Nations system… Pillar three is the responsibility of Member States to respond collectively in a timely and decisive manner when a State is manifestly failing to provide such protection.24 The most significant aspect of the three-pillared approach is its emphasis on the concurrence of the pillars.25 Each pillar bears equal weight and is of equal importance. The responsibility to protect civilians from mass atrocities is not something that solely resides with the domestic power and then suddenly shifts to the international community once the domestic power fails to uphold its responsibility. Such an interpretation would render R2P a reactionary and interventionist doctrine, one without benefit but a great deal of risk. Instead, the three pillared approach holds that the responsibility of states to protect their populations from mass atrocities is concurrent with the responsibility of the international community to aid them in doing so. A subtle change, this reading of R2P facilitates a more nuanced approach to prevention. It suggests that the international community can and should help states fulfill R2P through preventative measures, such as capacity building, before a manifest failure or humanitarian crisis occurs.26 If these measures are inadequate or the state is itself the perpetrator of mass atrocities against its populations, the report is clear that the international community is “prepared to take collective action, in a timely and decisive manner…in accordance with Chapter VII.27 The three-pillared approach firmly institutionalized the principles of R2P within the UN, but the true test of R2P is whether its principles can be translated into concrete action. Translating the Principles of the Responsibility to Protect into Action The operationalization of R2P would not have been possible without a dedicated office for the prevention and elimination of mass atrocities at the level of the Secretary General. As early as 2004, the Office of the Special Advisor for the Prevention of Genocide (“OSAPG”) has supported the Secretary General by acting as an early warning mechanism 24 25 26 27

BAN: Implementing Responsibility to Protect, at 8. BAN: Implementing Responsibility to Protect, at 2. BAN: Implementing Responsibility to Protect, at 22. BAN: Implementing Responsibility to Protect, at 22.

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and conduit of threats or potential threats of genocide. The office also has the role of conducting research into genocide prevention, educating UN staff and member states on genocide prevention, developing field tools, and taking part in quiet diplomacy where the threat of genocide has been identified. In 2007 Francis Deng was appointed as the full-time Special Advisor on the Prevention of Genocide. The same year Edward Luck was appointed to the newly created position of Special Advisor for the Responsibility to Protect (“SAR2P”). The objective of the SAR2P is to contribute to the conceptual advancement of R2P and build consensus around the norm. It was also understood to carry with it the rest of the R2P crimes, namely crimes against humanity, war crimes, and ethnic cleansing. In 2010 it was announced that the OSAPG and the SAR2P would formalize their ties and work together under a joint office for the prevention of genocide and the responsibility to protect (“Joint Office”).28 Early on, the Joint Office proved itself useful in mobilizing the international community to respond to the threat of mass atrocities. The same year as its formalization, the Joint Office released a statement calling attention to the alarming violence that was occurring in Kyrgyzstan.29 It was the first time that such a statement had been made by the Joint Office and it undoubtedly contributed to the amount of attention the crisis received, the pressure on the parties to de-escalate the conflict, and the re-stabilization efforts that followed. Significant as it was, the invocation of R2P by the Joint Office was only part of a wider shift occurring within the culture of the UN and its member states. The most striking example of this shift has been the change in the willingness of the UNSC and the international community to recognize situations where mass atrocities are occurring, identify them as such, and take action. This change could be detected as early as 2006, when the UNSC recalled both Resolution 1674 and paragraphs 138139 from the 2005 Outcome Document, in Resolution 1706 on the situation in Darfur, thereby invoking R2P for the first time in a coun28

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The Joint Office was first proposed in 2009, in the report on “Implementing the Responsibility to Protect”. BAN: Implementing Responsibility to Protect. States then showed their support the idea at the 2010 informal dialogue on Early warning, assessment and the responsibility to protect. Though the two Special Advisors have been working in concert, the details for the completion of the Joint Office have yet to be finalized. United Nations Press Release, News Release, “UN Special Advisers of the SecretaryGeneral on the Prevention of Genocide and on the Responsibility to Protect on the Situation in Kyrgyzstan” (15 June 2010). online: United Nations http://www.un.org/en/preventgenocide/adviser/pdf/Statement%20of%20Spec ial%20Advisers%20Deng%20and%20Luck%20on%20the%20situation%20in%20K yrgyzstan%2015%20June%202010.pdf.

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try specific situation.30 Resolution 1706 fell dead when Sudan would not consent to its operationalization, but R2P would once again be invoked in resolution 1769, which marked the creation of the 26,000 strong United Nations Assistance Mission in Darfur (UNAMID).31 Again, operationalization proved difficult, but it was not because the UNSC was unwilling to acknowledge what was occurring, it was due to a lack of commitment from member states and intransience by the Sudanese government. Although the international community and the UN did not act decisively in Darfur, it was undeniable that its approach to mass atrocities was changing. The extent of this change would prove particularly acute in the response to the political crisis in the Ivory Coast and the uprising in Libya. Less than a month after opposing factions in Côte D’Ivoire began fighting over contested elections, both the Office for the High Commissioner for Human Rights and the Joint Office separately released statements alerting the international community to the increasing human rights violations occurring and the threat of mass atrocities.32 The international community took note and, on the 31st of March 2011, after exhausting all pacific attempts at resolving the crisis, the UNSC passed French sponsored resolution 1975. Resolution 1975 not only referenced resolution 1674, but specifically made reference to the state’s “primary responsibility to take all feasible steps to ensure the protection of civilians and facilitate the rapid and unimpeded 30

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Reports of the Secretary-General on the Sudan, UNSC, 5519th Meeting, UN Doc S/RES/1706 (2006) [UNSC, UNAMIS]. It is arguable that then US Secretary of State Colin Powell’s testimony before the Senate Foreign Relations Committee that what was occurring in Darfur was genocide was an earlier example of the shift described above. Unfortunately, the failure of the United States to follow through with concrete action undermined the strength of the declaration. Reports of the Secretary-General on the Sudan, UNSC, 5727th Meeting, UN Doc S/RES/1769 (2007) [UNSC, UNAMIC]. United Nations Press Release, News Release, “UN Secretary-General’s Special Advisers on the Prevention of Genocide and the Responsibility to Protect on the Situation in Côte d’ Ivoire” (29 December 2010) online: United Nations http://www.un.org/en/preventgenocide/adviser/pdf/Special%20Advisers'%20S tatement%20on%20Cote%20d'Ivoire,%2029%20.12.2010.pdf; United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights, News Release, “Special session of Human Rights Council on Côte d’Ivoire concludes after adopting a resolution calling fo end to all human rights violations” (23 December, 2010) online: OHCHR http://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=10615 &LangID=E The Joint Office released a second statement on the situation early in 2011. United Nations Press Release, News Release, “Statement attributed to the UN Secretary-General’s Special Advisers on the Prevention of Genocide and the Responsibility to Protect on the Situation in Côte d’Ivoire” (19 January 2011) online: http://www.un.org/en/preventgenocide/adviser/pdf/OSAPG,%20Special%20A dvisers%20Statement%20on%20Cote%20d'Ivoire,%2019%20Jan%202011.pdf.

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passage of humanitarian assistance and the safety of humanitarian personnel.”33 Most importantly, the resolution authorized the United Nations Operation in Côte d’Ivoire to “use all necessary means to carry out its mandate to protect civilians under imminent threat of physical violence”.34 Less than ten days after the resolution was passed Laurent Gbagbo, the entrenched President who had refused to succeed power, was arrested. His arrest put an end the pitched violence against civilians and allowed for the demobilization of armed parties, a normalization of political institutions, and the investigation of any crimes against humanity that may have occurred during the violence. The situation was to unfold in much the same way in Libya. In mid February 2011, following the fall of Hosni Mubarak in Egypt and the arrest of human rights activist Fathi Terbil, Libyan citizens took to the street of Benghazi to voice their opposition to the oppressive regime that had subjugated them for over forty years. The response from the Libyan security forces was violent and unforgiving, causing hundreds of deaths in the first week of protests. Within two weeks, the Joint Office released a statement arguing that if the news coming out of Libya of “widespread and systematic attacks against civilian populations by military forces, mercenaries, and aircraft” were true, then it would constitute “egregious violations of international human rights and humanitarian law…. [that] may well constitute crimes against humanity, for which national authorities should be held accountable.”35 Ironically, on the same day, now deposed dictator Muammar Gadhafi made a speech in which he justified the killing of protestors, calling them “rats”.36 The international community responded decisively: the Arab League suspended the Libyan delegation; the UN passed Resolution 1970, which referred to R2P, authorized sanctions, an arms embargo, and referred the situation to the International Criminal Court (“ICC”).37 At the same time, Western democracies began positioning themselves to act decisively, in the event that indiscriminate attacks 33 34 35

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The situation in Côte d’Ivoire, UNSC, 6508th meeting, UN Doc S/Res/1975 (2011) [UNSC, Situation in Côte d’Ivoire]. UNSC: Situation in Côte d’Ivoire. United Nations Press Release, News Release, “UN Secretary-General Special Adviser on the Prevention of Genocide, Francis Deng, and Special Adviser on the Responsibility to Protect, Edward Luck, on the Situation in Libya” (22 February 2011) online: http://www.un.org/en/preventgenocide/adviser/pdf/OSAPG,%20Special%20A dvisers%20Statement%20on%20Libya,%2022%20February%202011.pdf. Khan, Huma, Jeffrey Kofman & Martha Raddatz: Moammar Gadhafi Says he Won’t Leave. Blames Uprising on Foreigners, ABC World News (22 February 2011), online: ABC News http://abcnews.go.com/Politics/libyas-moammarghadafi-control/story?id=12969171. Peace and security in Africa, UNSC, 6491st meeting, UN doc S/RES/1970 (2011).

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against civilians continued. As it became clear that the Libyan government was insistent on using its superior military might to shell any critics, whether poorly armed rebels or unarmed protestors, the UNSC, with the support of the Arab League, passed Resolution 1973. Resolution 1973 authorized the creation of a no-fly zone, which would be implemented by the North Atlantic Treaty Organization (“NATO”), over Libya and the use of “all necessary measures” to protect civilians.38 Although more protracted than the mission in Côte D’Ivoire, the NATO mission undeniably contributed an end to the systematic and widespread targeting of civilians and the capitulation of the Gadhafi Regime. Equally important, the mission has thus far been another successful example of a decisive response by the UN and other international bodies to a situation where crimes against humanity and war crimes were being perpetuated against a civilian population. A strong argument can now be made that non-representative dictators and rogue politicians that illegitimately usurp the mantle of statehood can no longer consider themselves secure against scrutiny in the perpetuations of mass atrocities due to a disfigured definition of sovereignty. The advancements that have been made in the prevention and elimination of mass atrocities are a source of great hope for the posterity of humankind, but they should not be overstated. There is still a great deal that needs to be done. The Challenges Ahead and the Steps Required to Meet Them As I write, massive crimes are being committed against vulnerable populations who do not have recourse, either in their domestic state or to the international community. The Joint Office has released more statements on the crisis in Sudan, whether in Darfur, Abyei, South Kordofan, or the Blue Nile, than on any of the other situations detailed above; yet, the Sudanese continue to suffer from severe crimes that amount to no less than genocide. Similarly, civilian populations in Syria and Yemen continue to be the target of heavy shellfire because they wish to enjoy liberties long entrenched in the political, cultural and religious cultures of human beings everywhere. Religious and ethnic minorities continue to suffer indiscriminately at the hands of extremists in Pakistan. And, women, men and children in the Democratic Republic of Congo continue to live amidst unimaginable insecurity fearing massacre, rape and destitution in the wake of the longest and bloodiest conflict since World War II. These crises are no longer 38

The situation in Libya, UNSC, 6498th meeting, UN doc S/RES/1973 (2011).

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being impeded by arcane interpretations of international law; they are being impeded by difficulties inherent in the operationalization of R2P, particularly operational inexperience and an absence of political leadership from countries that can and should be acting. The operational issue can be broken down to two issues: when to act and how to act. Most of the operations to date have been reactive at their core; the examples I describe above illustrate this trend, they are not examples of the prevention of mass atrocities, but of their mitigation.39 Even at their very best, reactive strategies are simply not good enough. They are too expensive, both politically and financially. Most importantly, should a mass atrocity with horrors at the scale and efficiency of the Rwandan genocide occur, a reactive strategy will be too bloody. The UN and its members must improve their preventative strategies, the second pillar of R2P. They must ensure that domestic powers are supported insofar as development and humanitarian aid are concerned, and that domestic powers understand the consequences of capitalizing on antagonisms, that result from state failure, to fulfill their political goals. This is a task that crosses over many different spheres: the UN, regional bodies, national bodies, academic institutions, international organizations, and non-governmental organizations. It requires making the links between development, diplomacy, social justice, that the prevention of mass atrocities– that the prevention of mass atrocities be understood from within the framework of human security. It also requires that the international community change its conceptions of how success is measured and what subjects are worthy of attention. It is clear that attention and resources must be directed to crises when they explode, but it is equally clear that attention and resources need to be directed to the warning signs that pre-date the descent into crisis. This does not change the reality that, should prevention fail, it is necessary to have a credible and decisive deterrent. The UN and its member states need to ensure that the deterrent of decisive intervention, specifically armed force, is implemented as efficaciously and evenly as possible. It is of the highest import that the armed forces that are called upon to respond the threat of mass are prepared for the specific challenges that face them. Mass atrocities present different operational challenges than conventional warfare, and therefore the approach to them needs to be different. The armed forces of all capable UN member states must ensure that their troops are prepared to play their respective roles in the protection of civilians. For this to be 39

Even the best case study in prevention to date, the UN/African Union mediation of the 2007-2008 Kenyan Election Crisis, was reactive at its base. It entailed a political intervention in the face of violence.

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possible more research into armed operations in mass atrocity situations is required. Conscious of this need, and the lack of planning handbooks in the field, Harvard’s Kennedy School program in Human Rights Policy recently released the first Mass Atrocity Response Operations Handbook.40 The US Army Peacekeeping and Stability Operations Institute is also undertaking research into this area and a publication on the topic is expected in the near future. Great as the challenges to national forces, the challenge for UN troops is even greater. While there have been some incremental changes in the rules of engagement, UN troops continue to operate predominately as peacekeepers. Deployment is usually predicated on a peace agreement. If and when UN peacekeepers are authorized for deployment, the Department of Peace Keeping Operations then needs to search for troops and equipment. As Kofi Annan succinctly put it “every time there is a fire, the UN must first find fire engines and the funds to run them before there can be any start to dousing the flames.”41 A number of attempts have been made to remedy this deficiency, whether under the UN Standby Arrangement System (UNSAS) or the Standby High Readiness Brigade for United Nations Operations (SHIRBRIG), and proposals have been forwarded for an Emergency Peace Service,42 but to date there is no force within the UN that is capable of credibly responding to the threat of mass atrocities. It is possible that without such a force, or an equally dramatic change to the operation of peacekeeping forces, the implementation of R2P will always suffer from fundamental frailties. The most pressing concern is that when heavy lifting is required the UN must call on foreign states or international organizations for the muscle. This leads to the final issue, the need for political leadership. Uneven implementation of the principles of R2P will discredit the norm; it must be applied in a principled and even manner. This speaks directly to the issue of political leadership, which itself ties into every aspect that has been described above. R2P cannot be implemented unless political leaders possess the will to prevent mass atrocities. There must be enough domestic and international pressure to ensure that the international community is diligent at the national, regional, and international level, in the protection of civilians from genocide, crimes against humanity, war crimes, and ethnic cleansing. This remains true whether the topic is development assistance, the applica-

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SEWALL, RAYMOND et al: Response Operations. ANNAN: We the Peoples, at 49. JOHANSEN: UN Emergency Peace Service.

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tion of mediation and conflict resolution expertise, or the use of hard power through armed forces. In general, this requires informing and directing political leadership on the importance of preventing mass atrocities, building up institutions that can coordinate among government bodies and impel action, and building up the capacity to act decisively when necessary. The Montreal Institute of Genocide Studies has constructed a framework for this process, the Will to Intervene,43 which is expanded upon in greater detail in another chapter. So far, the only country that has taken a leadership role in building up its capacity to respond to mass atrocities is the US. Already having created a senior position for the prevention of mass atrocities at the National Security Council, in 2011 President Barack Obama issued a Presidential Study Directive for the creation of a standing Atrocities Prevention Board.44 It is my hope that other countries will follow this example and themselves take a leadership role, because without political will there is scarcely any hope that action will be taken to prevent and eliminate mass atrocities. Conclusion At the end of the 20th century it was difficult to envisage the huge changes that would affect the state of international order. R2P has provided the international community with a legitimate basis for action and a framework for both the prevention and elimination of mass atrocities. Most importantly, it has all but nullified the perceived incongruence between the principle of sovereignty and the protection of human beings from the most egregious crimes. While there is a great deal of evidence to suggest that the prevention and elimination of mass atrocities is advancing in the rights direction, there are still major impediments that require addressing; particularly, the challenge of prevention, the effective application of armed force, and the necessity of political leadership to ensure the principled and even application of the norm. I have sought to draw attention to the promising research being conducted and the areas where further research is required. Other challenges are sure to manifest along the way, but the hope is that through concerted and deliberate efforts we, as mem-

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CHALK, DALLAIRE et al.: Mobilizing. Office of the Press Secretary, Presidential Study Directive, PSD-10, “Presidential Study Directive on Mass Atrocities” (4 August 2011) online: The White House http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/08/04/presidential-studydirective-mass-atrocities.

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bers of the international community, can fulfill the long overdue promise of “never again.”

MOBILIZING THE WILL TO INTERVENE: THE NATIONAL INTEREST MEETS THE RESPONSIBILITY TO PROTECT1 Frank Chalk Introduction Before the UN and other multilateral bodies can effectively implement the Responsibility to Protect, states all over the world must raise their national domestic capacities to contribute to this task. Much work needs to be done: • the hard work in each country of thinking through its national interest in implementing the Responsibility to Protect and explaining that reasoning to the public; • the conceptual work of creating doctrines and policies to guide government departments devoted to development, foreign affairs and defence in the nuanced work of carrying out the responsibility to protect; and • the practical work of outlining future steps and highlighting key guidelines to ensure success. The National Interest in Implementing the Responsibility to Protect Intervention to protect innocent civilians is the right thing to do, morally and ethically. International mass atrocity crimes like genocide, crimes against humanity, ethnic cleansing and serious war crimes deeply offend the conscience of humankind. For years, human rights groups have urged political leaders to undertake humanitarian intervention to save lives endangered by such crimes and advanced moral and ethical arguments to persuade their governments to act. But their governments did not act. As we showed in our book, Mobilizing the Will to Intervene: Leadership to Prevent Mass Atrocities (McGillQueen’s University Press, 2010), the perceived absence of an American or a Canadian national interest at stake in Rwanda produced 1

Prepared for the Muenster Conference on Humanitarian Intervention, 19-20 May 2011, and presented in revised form at the University of South Florida Conference on “Violence, Memory and Human Rights, “31 January 2012, Tampa, Florida.

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overwhelming indifference at the highest levels of government that blocked any feelings of empathy for a remote, impoverished and different part of humanity. Like the public when it assumes that each year 25 percent of eligible Canadians and Americans donate blood to the Red Cross, when the real figure in both countries is between 2.5 and 5 percent, we advocates of human rights make the mistake of assuming that our leaders are much more altruistic than they are when we urge them to act largely on the basis of humanitarian values. Let me introduce you to a hidden truth: intervention to prevent mass atrocities like genocide and crimes against humanity is in the national interest of our countries, but we human rights advocates have failed to make that case vividly and effectively to our nation’s political leaders and the people who elect them. The implementation of the Responsibility to Protect depends on making the case for the national interest and making it powerfully. In Mobilizing the Will to Intervene, we alert political leaders to five rapidly emerging and devastating threats to the national interest which threaten to strike all of us hard if our leaders ignore the prevention of mass atrocities: First, mass atrocities create conditions which spawn widespread and concrete threats from terrorism, piracy and other forms of lawlessness on the land and sea. The 9/11 attacks orchestrated by Osama bin Laden sucked the armed forces of the United States, Canada and other nations into distant Afghanistan where, in addition to the significant cost in lives lost among soldiers and civilians, the United States Army alone is hemorrhaging nearly $120billion dollars a year of taxpayers’ money.2 And the latest estimate of the total cost of piracy arising from failed and failing states is between US$4.9-8.5 billon a year, heading for $13-15bn a year by 2015.3 Second, mass atrocities facilitate the spread of warlordism whose tentacles block access to vital raw materials at economically-viable prices and threaten the prosperity of every nation which depends on rare minerals like coltan essential to the manufacture of communications and information devices. Third, mass atrocities trigger cascades and avalanches of refugees and internally displaced population flows that combined with global warming and booming air travel will accelerate the incidence and international spread of lethal infectious diseases. The worldwide dissemination of such diseases is virtually guaranteed in an age when in

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The Economist, 14 May 2011, p. 31. The Economics of Piracy: Pirate Ransoms & Livelihoods off the Coast of Somalia, Geopolicity May 2011, online: http://www.geopolicity.com/upload/content/pub_1305229189_regular.pdf.

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some 1.8 billion civilians each year purchase tickets for air travel, including some 750 million tickets for international air travel.4 Fourth, mass atrocities inevitably generate in their aftermath single-interest political parties and reinforce narrow political agendas which drown out more diverse political discourses in the countries where the atrocities have taken place and in receiving countries. Increases in xenophobia and nationalist backlashes in countries hosting large numbers of refugees are the predictable consequences of our governments’ indifference to mass atrocities that could have been prevented through early actions. Fifth, and finally, mass atrocities foster the spread of national and transnational criminal networks trafficking in drugs, women, arms, contraband and laundered money, as we observe in the cases of Somalia, the Democratic Republic of Congo, Serbia, Bosnia-Herzegovina and Croatia. Some forward looking thinkers have already recognized these trends. Retired Canadian General Maurice Baril, who served as the military advisor to Kofi Annan when he headed the Department of Peacekeeping Operations of the UN in 1994, characterizes contemporary threats to national security as “no longer exclusively measured in geographic borders that are physical.” “Maintaining secure borders,” he points out,requires analyses that assess the impact of economic variables, pandemics such as H1N1 and HIV/AIDS, people movement due to climate changes, and the nature of intra-state conflicts. Borders are permeable, and money, disease, migration, ideas, and technology impact on how foreign and defence policy is and will be determined.5 Our political leaders, like some human rights advocates, often make the mistake of assuming that only military intervention is effective in preventing mass atrocities. But like many experienced senior officers, General Baril has become an advocate of what he calls “soft power”. Now I would like to discuss how we can use soft power to implement the Responsibility to Protect.

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Fact Sheet: International Air Transport Association, Updated December 2011, online: http://www.iata.org/pressroom/facts_figures/factsheets/pages/iata.aspx BARIL: Future Roles, p. 20.

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Developing Guidelines for Departments of Development, Foreign Affairs and Defence Implementing the Responsibility to Protect Using soft power to implement the Responsibility to Protect Maurice Baril defines soft power as “the strategic use of diplomacy, persuasion, capacity building, and the projection of power and influence in ways that are cost-effective and have political and social legitimacy.”6 Soft power is most useful when structural prevention has failed to address root causes of conflict and operational prevention is urgently needed to address the immediate causes of conflict, as well as its root causes. Optimally, inter-governmental organizations (IGOs), and especially regional and sub-regional organizations, should be the first responders to looming mass atrocities because they are closest to the scene and have a direct interest in preventing violence and civil conflict from spreading throughout their neighborhood. Professor Edward Kissi of the University of South Florida (Tampa) is one of the pioneer advocates of implementing “practical, bottom up, local and subregional responses” like those of the African Union and its affiliates to “replace existing top-down, international bureaucratic mechanisms.”7 Fulfilling the Responsibility to Protect using soft power requires a culture of prevention integrated with regional institution-building. Inter-governmental organizations should create regional centres devoted to preventing violent conflict, incorporate mainstream conflict prevention and peace-building into every branch of their organizations and expand their capacity for effective action, privileging early warning and early action via diplomacy. John Packer, former Director of the Office of the High Commissioner on National Minorities (HCNM) for the Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), presents three primary requirements for effective violence prevention – early warning, early action, and a fully-stocked toolbox of resources. Early warning depends on building sophisticated monitoring capacities, expertise in applying analytical skills, judgment, and excellent analyses distributed in a timely fashion. The prerequisites of early action are direct contacts with key players, a proactive approach, experience, perseverance, sustained engagement to build confidence, and skills in diplomacy, negotiation, problem solving, mediation, facilitation, and assistance. The tool box for effective violence prevention should contain options for structured dialogue to address recurrent issues, techniques to help all parties improve their 6 7

BARIL: Future Roles, p. 24. KISSI: Holocaust, pp. 50 – 51.

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knowledge sharing and communication abilities, repositories to preserve the mediators’ accumulation of experience and expertise, and fourth parties standing by to create positive conditions and incentives for peace.8 The recent record of the Organization for Security and Cooperation in Europe in preventing the spread of further violence in the Balkans and the Caucuses is strong and makes clear that over time it has raised its quiet diplomacy skills to a very high level, enabling it to contribute valuable experience to implementing the Responsibility to Protect. Other regional and sub-regional organizations have a long way to go before they can match the OSCE´s resources and achievements in the realm of conflict prevention.9 But what can we do when soft power fails? Blending hard power with soft power to implement the Responsibility to Protect Soft power can fail; that is what happened in Rwanda. Quiet diplomacy and Western supervised negotiations brought about the Arusha Accords, designed to bring the Rwandan civil war to an end and propel a shared Hutu/Tutsi government to power in 1994. When spoilers sabotaged the agreements, LtGen Roméo Dallaire, the Canadian commander of the UN Assistance Mission in Rwanda, found himself rendered virtually powerless because the five permanent members of the UN Security Council refused to provide his mission with essential reinforcements and a revised mandate to prevent massive ethnic violence directed against innocent civilians. Their refusal to recognize a responsibility to stop the Rwanda genocide offers us a perfect illustration of the fact that soft power is much more likely to succeed if it is paired with the credible threat of hard power. Every country is a potential contributor to implementing the Responsibility to Protect and has something to offer the international community’s efforts. The broad canvas of what governments must do is now clear and, ironically, the strokes on that canvas emerge from the experiences that intervening countries have acquired in Iraq and Afghanistan. It is the twinning of development assistance with the provision of security, as well as the new emphasis on civil-military cooperation that progressive military thinkers now recognize as essential prerequisites to the success of mass atrocity prevention. “We cannot shoot our way 8 9

COLLINS, PACKER: Options and Techniques, especially part 2 and 3. For examples of flawed interventions by regional organizations see WULF: Still under Construction.

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to peace,” says Maurice Baril; “the civil-military relationship is critical.”10 Doctrine, policies and training for mass atrocity prevention Soldiers putting their lives on the line to protect innocent civilians deserve clear doctrines and policies, as well as training to practice the new skills required. Genocide prevention and peace support missions are not simply one point on the broad spectrum of conventional war fighting operations for which most military units are trained. Analysts drew that lesson after observing Rwanda and the Balkans in the 1990s and it is just as true today. For this reason, senior commanders in a number of countries, including the United States, are directing military planners “to be prepared for `preventing human suffering due to mass atrocities. . . .’”11 The Harvard Kennedy School of Government worked for two and one-half years to fill the gap in American planning, releasing in 2010 Mass Atrocities Response Operations: A Military Planning Handbook, co-authored with the US Army Peacekeeping and Stability Operations Institute (PKSOI). The authors of the study point out that Mass Atrocities Response Operations (MARO) significantly differ from other military operations; they require their own doctrine and training. Humanitarian and relief operations normally take place in a non-violent environment, they emphasize, while MARO may need to combine non-combatant evacuation operations, distribution of food and medicine, and highintensity conventional fighting. “What is more,” they observe, “the enemy is often behaving differently during a MARO than in conventional warfare; instead of seeking first to defeat opposing forces, the enemy is focused on slaughtering defenceless civilians.” Traditional non-combatant evacuation operations (NEO) do not usually involve “Defeating combatants, protecting civilians from continuing attacks, or creating stable conditions . . .,” but MARO do. And unlike a counterinsurgency operation in which both sides vie for the loyalty of civilians and some civilians are allied with one side or the other, the MARO team concludes, “In a MARO, protection of civilians victimized by perpetrators is the core objective of the mission.”12

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BARIL: Future Roles, p. 24. See press release from the Harvard Kennedy School of Government quoting the 2010 US Quadrennial Defense Review’s directive to the US Department of Defense. Available at: http://www.hks.harvard.edu/news-events/news/press-releases/pr-maro-may10. Ibid.

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But it is not enough to apply the latest principles of counterinsurgency warfare to the tasks of civilian protection, nor is it enough to apply a “bureaucratic fix” to the task of nation-building by improving the capacity of diplomatic and development departments to support civilian protection. As Nathan Hodge argues in his 2010 study, Armed Humanitarian: The Rise of the Nation Builders, such proposals may amount to nothing more than “bureaucratic fine-tuning.”13 What is really needed, as Hodges insightfully contends in his study, is recognition that we run the risk of estranging the class of nation builders from ordinary voters in our own countries, widening the divide between civilians and the military. We can begin to bridge that gap in each of our countries, he argues, by having “a national conversation about the real cost of this commitment, the limits of what nation building can and cannot achieve, and what place nation building plays within the larger national interest.”14 Next Steps: A Summary of Guidelines and Actions Needed to Ensure Success Implementing the Responsibility to Protect • Building on these important observations, advocates of Responsibility to Protect policies should help government departments to implement the following agenda: • It is in the national interest of all countries to implement the Responsibility to Protect; political leaders and ordinary citizens should be educated to understand that. • Gear up for preventive diplomacy and conflict resolution mediation for the protection of civilians by establishing mediation units staffed by personnel specially trained for this purpose • Create mediation units in regional and sub-regional organizations dedicated to early warning, early action, and provision of resources to reward stakeholders who cooperate in peace maintenance • Act on the premise that soft power can only succeed if it is paired with the credible threat of hard power

13 14

HODGE: Armed Humanitarians, p. 297. On the pitfalls of counterinsurgency today, see WEST: Counterinsurgency. HODGE: Armed Humanitarians, p. 299.

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• Make credible your possible use of force to support peace building and mass atrocity prevention by training your troops in mass atrocity response operations chiefly aimed at protecting civilians • Expand budgets allocated to support foreign language learning and the serious study of foreign cultures to improve your government’s capacity intelligently to prevent violent conflict, interdict mass atrocities, and assist in post-intervention reconstruction • Focus Responsibility to Protect missions primarily on aiding citizens of the host country to create safe and secure environments, the rule of law, stable governance, a sustainable economy, and social well-being • Embrace Maurice Baril’s aphorism that “We cannot shoot our way to peace;” the civil-military relationship is critical and 80 percent of the effort should be on the non-military side through development and diplomacy • Ensure that the military arm of your government understands the requirements for sustainable development and the development arm understands the requirements of security building. • Support an operational culture which connects with the people at the local level and focuses on operations that bring stability, while shielding citizens of the host country from insurgent violence, corruption, and coercion • Employ strategies and tactics that avoid unnecessary casualties among innocent host country civilians • Ensure that key personnel receive training in local languages, that tour lengths are long enough to build continuity and ownership of success, and that all foreign personnel show respect for local cultures and customs, and demonstrate intellectual curiosity about the people of the host country These recommendations may contain and nurture the seeds of neocolonialism just as critics on the Left often contend. The road to hell is often paved with the best of intentions. Our job is to ensure that we recognize these dangers, contain them within the boundaries of checks and balances, engage with our critics at every opportunity, and

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carry out the principles of the Responsibility to Protect so rigorously that the honest fears of our critics are never realized. We have far to go and much to learn as we venture to go where democrats and advocates of human rights have rarely gone, embarking on shared responsibilities and sharing authority to help local advocates of community building fulfil the potential of democratic development while advancing the national interests and security of our own peoples. This is a challenge whose energy is capable of moving mountains. In many senses we are only at the end of the beginning. Success starts at home: the need for civic dialogues in each major city and region For several years now, the Government of Canada has preferred to let other countries lead the movement to implement the principles of the Responsibility to Protect report despite the fact that the Canadian Government spearheaded the Responsibility to Protect study in 2001. If this can happen in Canada, a country whose credentials include the Noble Peace Prize winning efforts of Lester B. Pearson and the strenuous leadership of Lloyd Axworthy and Paul Martin, it can happen anywhere. There is a lesson to be learned by all countries from this experience: widespread public understanding of the gains arising from mass atrocity prevention is crucial to forging a sustainable, durable foundation in public opinion for Responsibility to Protect programs. It is not enough to foster support in the public service whether it be the public service of Canada or the highly professional international servants of the European Union. If you want to advocate for the Responsibility to Protect, learn the lesson of Canada’s experiences and start working at the grass roots. Ceaseless and unrelenting public education is the key to achieving success. Strasbourg may be on your side and Budapest may be conducting early warning observation and analysis. But no country’s support for the Responsibility to Protect is durable and sustainable without deep and widespread public understanding of the vital connection between your countries’ national interests and implementing the principles of the Responsibility to Protect. Civic dialogues are crucial to success in building bridges to engaged citizens and governments of countries like ours. This is how the Will to Intervene project of the Montreal Institute for Genocide and Human Rights Studies conducts its civic dialogues across Canada. In each major city, a lead NGO and a professional animator bring together about 40 carefully chosen, influential local leaders from city and provincial governments, business, religious communities, universities and the media. The W2I team summarizes its recommendations

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to the Government of Canada and answers questions. The civic leaders register their concerns—their hopes and the fears about our Responsibility to Protect recommendations—and announce what they are prepared to do to advance the adoption of W2I’s recommendations by the Government of Canada. Mayors, Premiers, and city and provincial councils adopt resolutions or issue proclamations supporting the recommendations and forward them to the Government of Canada. Mayors, provincial premieres, NGO lobbyists and research institutes follow up with the Office of the Prime Minister and the Members of Parliament. Opinion pieces, delegations from civic organizations, and friendly parliamentarians remind the Government of the day that it needs to implement the recommendations. Crises in every failing and failed state are also opportunities. Libya and Cote d’Ivoire, Sudan, Kyrgyzstan—each disaster can also be a teachable moment. What lessons for the future did we learn from our will to intervene studies of Canadian and American policies? 1) American and Canadian politicians are risk averse to foreign interventions unless they see a definite security, strategic, economic, or political reason to act. 2) Activists and scholars assume a much higher degree of altruism than really exists among Americans and Canadians. 3) The threats which mass atrocities pose to the national interests of bystanding states are real, but many scholars and the public are unaware of them. In a decade when nearly two billion human beings purchase airline tickets annually, the long predicted “global village” is upon us—it has arrived. 4) Mass atrocities produce the massive displacement of large numbers of people which produces conditions that encourage the spread of infectious diseases worldwide. Mass atrocities increase the probability of new terrorist incidents in our countries. They multiply the number of failed and failing states which in turn creates more sanctuaries for pirates and terrorists. And mass atrocities are force multipliers for war lords fighting to extend their control of rare earth minerals and other strategic raw materials.

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5) We can not prevent every mass atrocity, nor would it be prudent to try. But positioned between doing nothing and doing everything lies a vast terrain littered with preventable mass atrocities. We neglect them literally at our peril . . . our OWN peril. We must not make achieving the perfect the enemy of achieving the good. 6) The governments of Canada and the United States, for example, must take specific measures to implement the lessons crystallized in the Will to Intervene study of Canadian and American policy, as well as the report of the Prevent Genocide Commission chaired by Madeline Albright and William Cohen. It is vital that we incorporate the prevention of mass atrocities into our government’s definition of the national interest. 7) Concretely, we learned that the American and Canadian governments need to do the following: a) Declare preventing mass atrocities a national priority b) Place a trusted cabinet level super secretary in charge of preventing mass atrocities to break government log jams obstructing prevention c) Mandate standing committees in Parliament and the US Congress tasked with monitoring and reporting on what the government is doing to prevent mass atrocities d) Create interdepartmental coordinating offices for the prevention of mass atrocities furnished with standard operating procedures for disseminating intelligence on emerging mass atrocity situations throughout the whole of government e) Appoint public servants with skills and experience in crucial areas of mass atrocity prevention as members of a Civilian Prevention Corps for deployment to sites of preventable conflict in fragile countries f) Increase the diplomatic and development presence of your civil servants in failed and failing states g) Continue to enhance the capability of your military forces to prevent mass atrocities by increasing their force strength and developing operational concepts, doctrine, force structure, and training to support civilian protection 8) We have also learned lessons applicable to civil society organizations such as NGOs and research institutes. They need to do the following:

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a) Organize civic dialogues with invited politicians, business leaders, academics, and NGO activists to spell out the threats to our countries from neglect of mass atrocities. b) Persuade media owners, editors and journalists to recognize their “responsibility to report” accurately the complexity of mass atrocities in Africa and the threat they pose the welfare of their news consumers c) Propose motions and resolutions in city councils and state or provincial legislatures calling on our federal governments to implement the recommendations of the Will to Intervene team and the Cohen/Albright Commission d) Monitor the local language domestic media of failed and failing states for hateful messages and incitement to commit genocide, crimes against humanity, ethnic cleansing and serious war crimes e) Train diplomats, civil servants, media owners, editors and journalists in the history of mass atrocity crimes and the patterns which precede them, as well as their responsibility to report and educate the public about them Adam Smith, the great political economist and author of The Wealth of Nations, put it best when he wrote: “It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest.”15 Self-interest is a powerful engine for good in the marketplace and can be an equally powerful motive and source of inspiration for state action to prevent genocide and mass persecution. In today’s new global village, the lives we save may be our own.

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Adam Smith, “Of the principle which gives occasion to the Division of Labour,” An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Book 1, Chapter 2 (1776). Accessed on 7 March 2012 at http://geolib.com/smith.adam/won1-02.html

IS ETHICS WORTHWHILE?/ IST ETHIK TAUGLICH?1 THE ‘NARROW’ VIEW AND THE ‘BRAOD’ VIEW ON THE ROLE OF ETHICS IN HUMANITARIAN RELIEF IN ARMED CONFLICT Ted .A. van Baarda 1. Introduction Following the end of the Cold War, the integrity of the humanitarian relief effort during armed conflict became the subject of intense debate. During the irregular wars which caught the attention of the public, the humanitarian relief effort was – and is – being confronted with stark questions calling into doubt its moral integrity.2 Humanitarian relief was caught between, on the one hand, principles and practices of the nineteenth century when the Red Cross was founded, and, on the other hand, the necessity to adapt to shadowy internal wars in failed states3 – which, following the attacks of 9/11 – has been compounded by the Global War on Terror. Various studies note that the major Western powers use humanitarian relief as a substitute to finding long-term political solutions.4 Another study suggests that: “The notion that ‘being humanitarian’ and ‘doing good’ are somehow inevitably the same is a hard one to shake off.”5 Recently, Médecins sans Frontières has published, with acclaimed frankness, self-criticism on its ethical stance, based on various case studies. The publication reveals tough and painful compromises, in which the apparent moral high-ground of humanitarianism could not be maintained.6 The nineteen-nineties witnessed inter alia the publication of a range of moral codes of NGOs in a short span of time.7 The tendency 1 2

3 4 5 6 7

ACHTERHUIS: Ethiek. Among the wealth of literature: WALKER: Cracking the Code; HILHORST: Dead Letter; TERRY: Limits and Risks; WEISS, MINEAR: Humanitarism; ANDERSON: Do no Harm; SMYSER: Humanitarian Conscience; CHATTERJEE: Ethics of Assistance; POGGE: Moral Priorities; Médecins sans Frontiéres: Conference on Cooperation 1996; BELL, CARENS: Ethical Dilemmas; MOORE: Hard Choices; LEADER: Politics of Principle; LEADER: Codes of Conduct; DIJKZEUL, HERMAN: Humanitaire ruimte; Humanitarian Studies Unit: Reflections, p. 2. AWOONOR: Concerns of Recipient Nations; RAISIN, RAMSBOTHAM: Relief. SLIM: Doing the Right Thing, p. 244. MAGONE, WEISSMANN et al: Humanitarian Negotiations Revealed. Sphere Project: Humanitarian Charter; the ‘Providence Principles’ in MINEAR, WEISS: Humanitarian Action; International Institute of Humanitarian Law: Guiding

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has been described as one in the direction of a duty-based, deontological approach above more pragmatic considerations,8 although more recently a sober approach appears to prevail.9 What has been the subject of far less attention however, is the preliminary question what the role of moral philosophy is, or ought to be during the debate mentioned. As will be demonstrated below, there is a close relationship between, on the one hand, one’s opinion on the integrity of the relief effort and, on the other, one’s opinion on the role ethics ought to

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Principles on the Right to Humanitarian Assistance (1993), at www.iihl.org; Dutch Interchurch Aid: The Right to Humanitarian Assistance in Conflict Situations (1993); World Conference on Religion and Peace: The Mohonk Criteria for Humanitarian Assistance in Complex Emergencies (1994); Code of Conduct for the Red Cross and Red Crescent Movement and Non-Governmental Organisations (NGOs) in Disaster Relief (1994). The term “humanitarian imperative” has been gained currency in the wake of the wide acceptance of the Code of Conduct in Disaster Relief, the Humanitarian Charter and the Sphere Minimum Standards in Disaster Response. See: SLIM: Claiming a Humanitarian Imperative. Slim suggests that the term was actually intended to be associated with Kant’s ethic of duty (deontology), but he may have over-stated his case, for different reasons. Firstly, The Code states that humanitarian assistance “should” be enjoyed by all – the verb “should” falls short of the absolute nature of Kant’s categorical imperative. Secondly, the Humanitarian Charter limits itself explicitly to civilian human suffering – a limitation which is in violation of the universality test under it can be established whether a maxim can become a categorical imperative. Thirdly, both the Code as well as the Humanitarian Charter use cautious language, such as “we shall endeavour” and “all possible steps should be taken” – language which runs counter to Kant’s thought that the duty to obey a categorical imperative overrides all other considerations. In general terms, one may argue that a thought coined by a philosopher, may lose its precision when it gains currency over time. In his The Decline of Pleasure, (New York: Time/Life Books, 1962/1966) Walter Kerr argues that ideas, “powerful enough to dictate the conduct of whole generations” may gain currency among the public at large long after the philosopher has devised them. “In this process, various things may happen. For one thing, it is likely that the concept will lose precision. For the strict terminology of the practicising philosopher a series of approximations are offered, substitute catch phrases that convey the essential notion roughly, without hairsplitting and without subtlety of inflection. (...) In the end, a proposition that few men could have analyzed becomes for millions of men a perfectly intelligible battle cry” (at pp. 41-42). During the emergence of the term “humanitarian imperative” various key documents on humanitarian values were published, including the Code of Conduct in Disaster Response, the Humanitarian Charter and the Sphere Minimum Standards in Disaster Response. See: VAN BAARDA: Moral Ambiguities, p. 13n. MINEAR: Humanitarian Enterprise, pp. 76 et seq and p. 97; IRINNEWS: Aid Policy. The Politics of Humanitarian Principle, online: www.irinnews.org/report.aspx?ReportID=94095 ; BEAUMONT, Peter: Médecins sans Frontières Book Reveals Aid Agencies’ Ugly Compromises, Book Review, The Guardian 20 November 2011, online: http://www.guardian.co.uk/globaldevelopment/2011/nov/20/medecins-sans-frontieres-book?INTCMP=SRCH.

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have in this debate. The debate concerning the ethics of the humanitarian relief effort does not, in this respect at least, differ from the debate on ethics which take place in a society during times of peace. However, both the concepts of humanity and of neutrality complicate the debate on the integrity of the humanitarian relief effort considerably. In this contribution, we will commence by sketching two fundamentally differing views on what the role of moral philosophy is, or should be, in Western society (§ 2). Subsequently, we will apply the conceptual framework found to the humanitarian relief effort (§ 3). Once we have discussed the impasse resulting from the differing frameworks, we will, in § 4, offer some suggestions for moving forward. In § 5 we will offer our conclusions. 2.1. Opposing views on the role which ethics plays in society in general Zwart argues that two opposing opinions exist concerning the role ethics plays and ought to play in modern society.10 On the one hand he distinguishes the argument in favour of a narrow, minimalistic role which ethics should play in society; on the other hand, he distinguishes an argument in favour of a broad, comprehensive role.11 Occasionally, they are dubbed the ‘narrow’ view and the ‘broad’ view on the role of ethics. The basic idea behind the minimalistic view is that plurality in a society is a given. The staunch Christian is likely to have views which differ at crucial points from those of a humanist, an atheist or a Muslim. Because of this cultural plurality, it is impossible to reach a consensus in the public domain on what should be considered morally right or morally wrong. Many individuals, Zwart notes, “… have become ‘moral strangers’ to one other. It implies that, in the ethical debate, it is no longer possible to make an appeal to basic and substantial

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ZWART: Waarheid; Zwart broadly follows a distinction made by STRAWSON: Social Morality; see also KUITERT: Morele consensus; TAELS: Een vergetelheid. The choice of words in the pertinent publications is not quite stable. I will use the terms ‘minimalistic role’ and ‘comprehensive role’ for reasons of convenience. The terms are not intended to pass a value judgement; they are not pejorative. In order to avoid confusion, we emphasise that the concepts of Zwart have been developed independently of a distinction introduced by Weiss. Summarised briefly, Weiss distinguishes (1) a “classist” or “minimalist” view on humanitarianism; (2) a “political humanitarian” view; (3) a “maximalist” view, and (4) a “solidarist” view. See WEISS: Principles. Weiss’ views did not go unchallenged. See, inter alia, SOMMARUGA: Humanity.

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moral insights (…) shared by all.”12 Ultimate questions about the distinction between Good and Evil, the meaning of a morally good life, about the purpose of Man’s life on Earth should, in the view of the adherents minimalistic role, be relegated to the private domain of human life. The role of ethics should therefore, in the public domain at least, be limited. It should be limited to the establishment of those values, norms and procedures which make it possible for members of various cultural orientations to live and work together. Ethics should remain – as far as the public debate is concerned at least – within the confinements of formal and rational decision-making procedures. Basic, universal moral values and rules exist in the minimalistic view. It is essential that the values and rules thus established are acceptable to all, and, also, that they shall be accepted by all. “The fundamental idea is that of a socially sanctioned demand made on an individual in virtue of merely his membership in the society question, or in virtue of a particular position which he occupies within it or a particular relation in which he stands to other members of it”.13 Key values are: • autonomy (the right of each individual to chose his own purpose in life); • neminen laedere (the right to autonomy ends where the same of someone else begins – the rights of others may not be violated); • utility ( the overall benefits must be as large as possible, with as little harm as possible); • willingness to participate in moral deliberation (the assumption is that all concerned are reasonable: they are prepared, in a case of a moral conflict, to seek a negotiated settlement on the basis of the reality that no one party can impose his truth or doctrine on the other).

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ZWART: Moral Deliberation, p. 73. Zwart defines consensus as “… a kind of agreement that is beyond a mere compromise, as it implies a positive commitment on the part of those involved,” which is reached in “the absence of a single priviliged authority or central moral viewpoint – in the absence of moral authority.” He adds that concensus in this meaning “… was often used during the Reformation period to indicate agreement among the different branches of the Protestant movement, such as the Consensus Tigurinus” of 1549. This consensus can be distinguished from “… a central viewpoint endorsed by all (which was more or less the case during the Middle Ages)” in which case one could speak of “truth” or “doctrine” in stead of “consensus”. STRAWSON: Social Morality, p. 105.

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It is claimed that these values are ‘neutral’, that members of (virtually) all walks of life can agree to them, and that they are of a procedural nature only. According to Strawson, the procedural nature implies that they do not act as a cohesive force in society.14 The values arrived at can, by offering an analytical framework of a procedural nature, assist in avoiding or de-escalating conflict.15 It would appear therefore, 14

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STRAWSON: Social Morality, p. 104; compare ZWART: Moral Deliberation, pp. 78-79. Max Weber made the well-known observation that people possess two differing orientations for their actions: an orientation on efficiency (Zweckrationalität) and an orientation on values (Wertrationalität). The emphasis in Western society on an orientation on efficiency could explain the enormous advances in the fields of natural science and economics. Both Weber and Jürgen Habermas note however that the gradual weakening of the connection between an orientation on efficiency and an orientation on values may also become problematic: the substantive question whether a given decision is just (in terms of value orientation), could be with a decision which is just because it has been arrived at in a procedurally correct manner. An orientation on efficiency generates a means-ends rationale which, according to Habermas, excludes considerations of value and purposefulness, which might, in turn, serve as a cohesive force in society. See, for instance: VAN DER BURG, VAN REIJEN: Introduction, pp. 18-20. A proponent of the minimalistic role is John Rawls, particularly in: ‘The idea of an overlapping consensus,’ in the Oxford Journal of Legal Studies, (1987). He takes cultural and moral pluralism as his starting-point. Since no consensus can be reached within society in general, the public debate about moral issues should, in Rawls view, be strictly limited. It should exclude all references to a morally good life, since a public order based on a single, substantive, comprehensive concept of justice would receive only support from its adherents. Rawls explicitly refers to the Wars of Religion in Europe of the sixteenth and seventeenth century. The modus vivendi which was reached at the conclusion of these wars was, according to Rawls, to tolerate the opinions of one’s neighbour concerning truth and goodness, even one was abhorred by the substance of one’s neighbour’s opinion. However, what began as a modus vivendi evolved subsequently into a moral choice on how to deal with disparate opinions on the meaning, value and purpose of human life. According to Rawls, controversial topics should be deleted from the public agenda, as a strategy which he calls the method of avoidance. The key issue, in his view, is to consolidate the modus vivendi into a minimalistic ethic – an ethic which eventually became a cornerstone in a constitutional democracy. (Rawls calls this the “overlapping consensus” between the disparate views thriving in society). As Rawls argues in Theory of Justice, (1971) the minimalistic role would therefore include: 1) the selfdetermination of peoples, 2) the equality of nations, and, 3) non-interference in internal affairs. We may add that the rise of the nation-state following the Peace of Westphalia has led to a for the application of the Laws of Armed Conflict. Military codes of honour gradually lost their intimate connection the European caste of knights and became linked the nation-state – the pillar of modern international law. Principles of ius in bello underwent a process of secularisation and legalisation at the expense of religiously inspired, concepts of virtue, although the process was as much influenced by the waning relevance of medieval knights as by the new peace. BEST: Humanity, p. 60; HOWARD: Constraints on Warfare, pp. 2 – 3; JOHNSON: Just War Tradition.

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that the adherents of the minimalistic view have moral relativism as their premise. The proposition in favour of a minimalistic role of ethics in society has consequences for the role of the ethicist who acts as a professional. In the minimalistic view, the ethicist should be treated as a subjectmatter expert. He can develop rules, codes of conduct, standards of integrity; he can also train compliance officers, etc. Thus, the roles of ethics and of the ethicist are limited to a narrow field of human experience – that is: standards of politeness, decision-making procedure, respect, integrity and professional codes. In their minimalistic roles, ethics as well as the professional ethicist will focus on applied ethics. The ethicist will be treated on the same footing as the practitioner of natural sciences. A natural scientist can be called upon by the press, and thus by society at large, to explain and apply the knowledge acquired within his particular field of knowledge. The natural scientist is treated as a subject-matter expert. Standards of empirically based evidence, accuracy, objectivity and professional detachment weigh heavily. In the comprehensive view on the role of ethics, issues of truth, justice and purpose are by contrast centre-stage. Thus, the key-question of applied ethics: “What should I do?” is replaced by neo-Aristotelian questions of fundamental ethics: “What is the purpose of Man’s life on Earth?” and: “Is the life I am leading morally good?” The answer to the latter question is neither dictated by conventions of politeness, nor by abstract principle, nor by utilitarian and economical calculations which maximise benefits and welfare.16 2.2. A brief assessment of the opposing views According Zwart, the minimalistic role has a curious consequence. All considerations which drive Man to shape his life – all those motivations which make life worth living for – are excluded from the agenda, at least from the agenda of the public debate.17 Zwart notes that the minimalistic role is therefore at odds with Socrates, who consistently questioned any consensus of convenience, in name of a quest for truth

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The comprehensive role of ethics in society is advanced by, among others, WILLIAMS: Moral Luck. STRAWSON: Social Morality, p. 103 notes: “This is a minimal interpretation of morality. It represents it as what might literally be called a kind of public convenience: of the first importance as a condition of everything that matters, but only as a condition of everything that matters, not as something that matters in itself”.

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– even if that truth was inconvenient.18 Thus, the adherent of the minimalistic role would be reluctant to discuss the meaning of concepts like “health” or “health care” and their place in society – Socratic questions which he is likely to consider to lie in the realms of a comprehensive framework.19 Zwart’s observation can be elaborated upon. The adherents of the minimalistic view effectively address Man in his functional capacity – that is: as a pedestrian, as a labourer, as a conscript, as a voter, as a driver, as a combatant, etc. Thus, Man is addressed in a narrowly defined role, which leaves out all other aspects of his personality. We do not wish to argue that it is morally wrong to address someone in his functional capacity. Indeed, virtually all members in society address someone else on a daily basis with a functional aim in mind. Frequently nothing more is needed. The emphasis on functional considerations is useful. It makes it possible to organise labour efficiently and effectively. If one buys, for instance, a trainticket at the booth – that is to say, when one concludes a transportation agreement with the Railways – it would be irrelevant to ask the question whether each passenger is leading a morally good life. At this point, adherents of the minimalistic role seem to agree implicitly that an image of Man is not relevant. The question who Man is, is not relevant, as long as he behaves properly, i.e. as long as he abides by the pertinent codes of conduct as well as the law. In the context of human rights and humanitarian action, the emphasis on such functional considerations may, however, turn into something of a problem. Rarely do adherents of the minimalistic role – or for that matter, of legal positivism – view Man in the wholeness of his being. Man runs the risk of being fragmentised into different functionalities. What we are suggesting is that the emphasis on functional considerations has become overwhelmingly dominant in Western societies. Thus, the minimalistic role may lead to a subject without a face, a democracy without a sense of community, an anonymous individual who feels that he is almost synonymous with his social security number. The terms for this phenomenon vary – reductionism, the transformation of man into a object (Verdinglichung des Menschen), the human without a face (Mensch ohne Antlitz) – but all seem to refer to the same.20 Sup18 19 20

ZWART: Waarheid, p. 19. ZWART: Moral Deliberation, p. 76. DANNER: Notwendige Besinnung, pp. 2 – 3; BROEKMANN: Mens en mensbeeld, p. 56; KERR: Decline of Pleasure; VAN BAARDA, VERWEIJ: Military Ethics, pp. 10 – 11; VAN DER BURG, VAN REIJEN: Introduction, p. 21. It would appear that in the film Modern Times, (1936) the actor Charlie Chaplin depicted a mechanical interpretation of the image of Man – an image that is, in which Man loses his ‘humaness’.

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pose that the minimalistic role would become so dominant that we, members of society, would no longer pay attention to our fellow human being as such – his wholeness, his concerns, his true ideals – would that in itself constitute a violation of human dignity? Both Article 6 of the Universal Declaration on Human Rights (1948) as well as Article 16 of the International Covenant in Civil and Political Rights (1966) stipulate that everyone has the right to be recognised as a person before the law.21 The comprehensive role of ethics is not free from difficulty either. A comprehensive role of ethics, given its usual tendency to be overarching, can also become over-bearing and oppressive. Zwart notes that pluralism poses a serious threat to society – given its inherent absence of a “truth” or “doctrine” which is acceptable to all. “In the case of conflict, the peaceful coexistence of communities might give way to a condition of moral warfare” which he characterises as a moral Lebanon or a moral Bosnia.22 The imposition of a certain truth or doctrine might lead to violence or intimidation – hallmarks of European Wars of Religion prior to the Peace of Westphalia. Even if one would be prepared to accept – and many do not – that a single all-embracing truth and justice exists, then it is by no means certain that any ordinary mortal will ever be able take cognisance of it – let alone that it would be acceptable to all. Yet, many individuals feel inspired by the quest for an all-embracing vision of truth and justice – the quest is what makes life, for many at least, worth living for. The ambiguity between the minimalistic and the comprehensive approach is curious, according to Taels. The more ethics becomes detached from the quest for an all-encompassing vision, the larger the chance that ethics will be able to regulate potential irritations in society; but the more ethics takes on this role, the larger the chance that ethics itself will become problematic.23 In its minimalistic role ethics not only becomes a science which is well in demand, but also one which becomes tractable.24 21

22 23 24

This stipulation has led Van Boven to the conclusion that a human being may – conceptually speaking – only be considered as a subject of law, not as an object of law. VAN BOVEN: Human Rights, p. 580. ZWART: Moral Deliberation, p. 75. TAELS: Een vergetelheid, p. 115. Compare: SCHUYT: Recht, p. 4. Perhaps it is fair to add that the distinction described between the minimalistic role and the comprehensive role may be related to the philosophy of science. With the advent of the so-called Scientific Revolution of the 16th and 17 centuries, science became associated with empirical, mathmatical and cognitive methods focussing on causality and evidence. Having mentioned rising the influence of Galilei, Descartes and Bacon, Verhoog quotes the contemporary author Ravetz: “‛The most valueable and powerful new Truths are to be

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3.1. The relevance of the opposing views vis-à-vis the humanitarian relief effort In the current section, we will apply the conceptual framework found to the ethical debate concerning the humanitarian relief effort.25 The relevance of the minimalistic role of ethics to the humanitarian effort is obvious. If no consensus can be reached on issues as truth and justice in times of peace, there is certainly no chance of reaching such a consensus in times of armed conflict. Conflict avoidance, a cornerstone of the minimalistic view, is also a cornerstone of the humanitarian effort. The latter is based on the premise that it should never become part of the problem – hence the emphasis on neutrality.26 It would appear therefore tempting to conclude that the role of

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achieved by a certain new method of studying a natural world considered as dehumanised and disenchanted’”. Verhoog adds that the term “new Truths” was used “… because it was believed that with the new experimental method of research genuine novelties could be achieved, surpassing those of the Ancients. (…) The world was ‘dehuanised’ to get rid of Aristotle’s ‘final causes’ and a mechanical philosophy took its place.” VERHOOG: Science, p. 22 and p. 24 et seq. The distinction between the minimalistic view and the comprehensive view is of direct relevance to another body of law, namely human rights law. Rawls made his comments in the context of human rights and democracy. We will avoid a discussion of human rights in our contribution, since its role in society is fundamentally different from humanitarian law. Human rights aim to emancipate; they aim for a more just society, including a participation of all citizens, regardless of their cultural background in the public functioning of society. The aims of LOAC and humanitarian assistance are much more limited, since they seek to limit the consequences of armed conflict for the victims thereof. LOAC and humanitarian assistance of course, do not have the aim of restructuring society. The reader may be reminded of the fact that neutrality is not a moral value. The word neutrality emanates from the Latin neuter, which means neither nor. Whereas a moral value aims to assist Man in distinguishing morally right from wrong, the concept of neutrality remains silent on the issue. See, for instance: PICTET: Red Cross Principles, p. 59. Thus, the concept of neutrality is, by its nature, instrumental, as it is an instrument of other concepts. It is “... a form of outward behavious which is not in itself either good or evil and can therefore only be appreciated in relation to the surrounding circumstances.” Pictet continues by distinguishing neutrality from impartiality. The latter “... describes the attitude of someone who acts, making a choice in accordance with pre-established rules, while a man who is neutral refrains from action, refusing to express an opinion concerning the qualities of the men or theories compared. (...) Although neutrality defines the attitude of the Red Cross toward belligerents and ideologies, it never determines the institutions’ behaviour towards sufferers. (...) Charity demands imparitality and not neutrality (...),” which is, ac-

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ethics vis-à-vis the humanitarian effort will have to be confined to that of ethical minimalism. This would also seem to include an emphasis on functionality. The humanitarian organisation par excellence, the Red Cross, would, then, be able to maintain functional relationships with the warring parties regardless of the question whether either party has committed war crimes. Put simply: the minimalistic role of ethics would allow a humanitarian organisation to maintain functional contacts with a warring party of doubtful reputation, without, itself, becoming tainted by the maintenance such contacts. An analogous line of thought can be found in the Laws of Armed Conflict (LOAC). From the standpoint of military necessity – which is a concept inherent to LOAC – it is essential to define someone wearing an enemy uniform as an enemy combatant and, hence, as a legitimate target. Without the definition of a combatant, LOAC, as we know it, would cease to exist. The distinction combatant / non-combatant is functional. Life and death depend on it. However, as is the case with the minimalistic role of ethics during times of peace, the minimalistic role also has a peculiar consequence during times of war. Questions concerning the the integrity of humanitarian relief and of LOAC cannot be dealt with simply by invoking the minimalistic ethic of the Geneva Conventions or the Code of Conduct in Disaster Relief. We will offer examples concerning: (1) functionality; (2) the strategic level; the level of (3) organisational ethics; the level of (4) professional ethics, as well as examples (5) from the Laws of Armed Conflict (LOAC). Emphasising functionality (1) may come at the expense of humanity.27 The tendency of adherents of the minimalistic role to address

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cording to Pictet, not part of the ideal, but a means of the institution (at p. 61). Slim refers to Dante’s compelling metaphor of neutrality in: SLIM: Relief Agencies. A nearly forgotten example concerning humanitarian relief is the case of James G. MacDonald, League of Nations High Commissioner for Refugees coming from Germany, who resigned his post in December, 1935. In his lengthy letter of resignation to the Secretary General of the League, he concluded: “But convinced as I am that desperate suffering in the countries adjacent to Germany, and an even more terrible human calamity within the German frontiers, are inevitable unless present tendencies in the Reich are checked or reversed, I cannot remain silent. I am convinced that it is the duty of the High Commissioner for German Refugees in tendering his resignation, to express an opinion on the essential elements of the task with which the Council of the League has entrusted him. When domestic policies threaten the demoralisation and exile of hundreds of thousands of human beings, considerations of diplomatic correctness must yield to those of common humanity. I should be recreant if I did not call attention to the actual situation, and plead that world opinion, acting through the League and its MemberStates and other countries, move to avert the existing and impending tragedies.”

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Man in his functional capacity28 may become counterproductive. Empirical evidence demonstrates that the process of distancing oneself from others – in itself a typical aspect of functionality – may in fact, also be conducive to unethical behaviour and social injustice.29 During

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Source: James G. MCDONALD, Letter of resignation dated 27 December 1935, LoN doc. C.13.M.12.1936.XII. McDonald distinguishes, on the one hand, considerations of diplomatic correctness – considerations which can be categorised as examples of the role ethics should have in the minimalistic view. On the other hand, he distinguishes considerations of common humanity –considerations of a more substantive nature and which, henceforth, can be characterised as examples of the role ethics should play according to the comprehensive view. The latter are, in his view, decisive: the League of Nations ought to act with determination against the Reich, whatever considerations of diplomatic correctness may have to bear on the case. A careful study of his letter suggests that McDonald implicitly makes a second distinction. McDonald distinguishes between McDonald as High Commissioner, (his function, his role) and McDonald the human being (the human being who has to take final responsibility for whatever McDonald the High Commissioner does). In his role as High Commissioner, McDonald remains the discrete diplomat. However, McDonald the human being observes that a moment arrives that discrete diplomacy, based on neutrality and respect for state sovereignty has become ineffective, to the point that is being deliberately misused by the Reich. The tension between the two, between McDonald the High Commissioner and McDonald the human, cannot, in the end, be managed. He resigns. Of course, the dilemma between, on the one hand, universal considerations concerning the defence of human rights and the rendering of humanitarian assistance, and on the other hand the traditional deference to state sovereignty, is still with us. FALK: Human Rights As is known, this dilemma was one f the reasons for the founding of Médecins sans Frontières, in the wake of the secessionist wars in Biafra and East Pakistan. See BRAUMAN: Médecins sans Frontières Experience. One author who, unwittingly perhaps, emphasised the issue of functionality in the context of LOAC, was Jean-Jacques Rousseau in his Du Contrat Social. In the chapter on the LOAC, he clearly states that war is not personal, but a matter of the state, that soldiers ought not to feel personal hatred; that they are acting in a professional capacity – not in a personal capacity – and that they should live peacefully with their former enemies as soon as the state of armed conflict has ended. J.J. Rousseau, Du contrat social, Book I, Chapter IV, quoted by PICTET: Development, pp. 22-23. The contrast between the minimalistic role and the comprehensive role appears graphically in LOAC, as the following quote illustrates: “A soldier is normally identified in terms of his uniform, i.e. his nationality, but once he has been wounded or take prisoner, he must be regarded first and foremost as a person”. See: BLONDEL: Meaning, p. 509. In other words, quite literally the opposite of the emphasis on functionality. BANDURA: Social Cognitive Theory; BANDURA: Moral Disengagement; OPOTOW: Moral Exclusion. She writes: “Perceiving another as unconnected to oneself can trigger negative attitudes, destructive competition, discriminatory responses, and aggressive, destructive behaviour – attitudes and behaviours consistent with moral exclusion. Conversely, perceiving another as connected to oneself in any way can hinder moral exclusion. Belonging to the same community, perceiving another as a worthwhile being (…) creates bonds, even with strangers” (at p. 7). More generally, on the ‘ethics of distance,’ see: SINGER: Outsiders.

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armed conflict – and with a view to PSYOP for example – feelings of hatred against ‘the generalised other’ are cultivated. A the same time, the positive aspects of one’s own group are being emphasised – even glorified. It occurs that combatants literally forget that someone of enemy nationality is also a human being.30 Then, the functional definition of an enemy combatant loses its integrity. At the strategic level (2), various authors have noted that humanitarian relief is losing its integrity because it is perceived of as an instrument of foreign policy of Western nations. Walker has added that the lack of attention for fundamental moral issues has left humanitarian agencies vulnerable. He refers to Occidentalism: the West in the Eyes of its Enemies of Buruma and Margalit. It discusses inter alia the potential of a backlash against corporate growth, the symbolic collapse of ENRON, the life of the urban elite and “the glossy unattainable world of television advert.” Walker then argues: “It is here where the most urgent and fundamental challenge to humanitarianism lies. Humanitarianism is cast in the mould of the West. It may hold that its values are universal, but funding, staffing and methods are predominantly Western. The challenge is to unhitch humanitarianism from its Western moorings (...)”.31 At the level of organisational ethics (3), the picture is different. Usually, the level of organisational ethics is one of the levels at which a certain code of conduct is introduced – the other level being that of professional ethics. The introduction of a code is considered necessary by personnel and management when the ethos – the more internalised and traditional values associated with the labour process – is considered to be waning. In Western societies, the arrival of multi-cultural society, the loss of the traditional influence of churches and the rise of individualism have been identified as reasons for developing a code. The aim was to arrive at a generally held concept, in the workplace, of what is appropriate or inappropriate conduct among labourers who come from differing cultural backgrounds.32 What is frequently seen 30 31 32

BOURKE: Intimate History. WALKER: Cracking the Code, pp. 333-334; compare: AWOONOR: Concerns of Recipient Nations. Referring to the development of the Red Cross Principles, Meurant noted that while the number of national Red Cross Societies was limited in the late eighteen-nineties, it grew spectacularly in the era of decolonalisation between 1948 and 1967 from 65 to 106. He adds the observation that “…in the late nineteenth century the International Committee and the relief societies were aware of the existence of common principles but did not feel the need to create a body of principles or a specific Red Cross ideology, for one simple reason: countries which shared a common heritage and religion naturally shared similar values and there was no need to recall them or put them down in writing. But when the Movement began to expand, embracing

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as a disadvantage of the adoption of a code, is that, once it has been adopted, attention focuses more on the formalities of maintaining the code, than a more personally held distinction between Good and Evil.33 Generally speaking, a code of conduct is, hence, a typical example of the ethics in its minimalist role. In the cases of the Red Cross Principles, the Code of Conduct in Disaster Relief as well as the Humanitarian Charter, this is more problematic. These documents refer to human dignity – a value which is of a fundamental rather than procedural nature. Moreover, the reference to neutrality could preclude a discussion of most, if not all, references to crimes being witnessed on the battlefield – a matter on which may appear to be inconsistent with respect for the value of dignity. Experience demonstrates that difficult questions surface if a code is perceived to be inconsistent. Still at the level of organisational ethics, humanitarian organisations ask of their personnel to be prepared to risk their lives in order to save others – to put the interest of one’s fellow human being ahead of one’s own interest. The commitment humanitarian organisations ask from their personnel cannot be based on grounds of politeness, diplomatic correctness, costs-benefits calculations or on considerations of conflict avoidance. The commitment is, in final analysis, grounded in what humanitarian field workers consider to be just,

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new National Societies that represented other civilizations, beliefs and cultures, it became necessary to refer to a set of values which all could accept and which would be the connective tissue binding the ICRC and the National Societies together.” See MEURANT: 125th Anniversary, at § 3. PICTET: Red Cross Principles, p. 5 argued: “It is particularly important for the Red Cross to possess a well defined and firmly established doctrine. The institution is born of high ideal and inseperable from it (...). But the Red Cross is made up above all of practical actions, of a very varied nature and often improvised: there is therefore a great danger that, in the hastle of charitable action and in spite of the purity of one’s intentions, one may deviate form the guiding principles (...).” On organisational ethics in general, see: KAPTEIN: Living Code; KAPTEIN, WEMPE: Balanced Company; JEURISSEN: Ethics & Business. Schwartz challenges the assumption that codes of ethics are always ethical. A system of best practice is needed on how to develop and maintain a code. SCHWARTZ: Code of Ethics, p. 29. More specifically on the Code of Conduct in Disaster Response, the disadvantage of having a code in the first place has been noted. TERRY: Limits and Risks, argues: “But once they are written down as rules set in stone, they are no longer a tool of reflection but become ends in themselves to uphold. (…) Focus on technical aspects of relief operations is often undertaken at the expense of addressing the more difficult issues of humanitarian action”. Warren Lancaster argues in favour of an ethos, which “... can only be said to exist when the ethical culture and customs of the humanitarian agency as outlined in the Code become an identifying characteristic and which are so universal that they are rarely questioned or disputed by personnel.” LANCASTER: Code of Conduct Lancaster appears to give a tall order in view of the wide diversity of humanitarian NGOs, as described by WEISS: Principles.

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kind, honourable, humane or worthwhile – they appear find a purpose in their biographies by doing so. Considerations as these belong to the realms of the comprehensive role of ethics in the debate.34 Both at the levels of organisational (3) and professional (4) ethics we can find the tension between means and ends. In a crisis area, commodities available to sustain the needy at a basic level are, by definition scarce. The phenomenon of scarcity generates heart-rendering questions on whom to save at the expense of whom. Pogge puts it bluntly: “By contributing to one [death – TvB] rather than to another, I am, then, indirectly deciding who will live and who will die.”35 In terms of moral philosophy, this dilemma raises the thorny question of the moral distinction between killing and letting die.36 It will be readily seen that this question cannot be dealt with merely from the perspective of ethical minimalism. At the level of LOAC (5), we note that the comprehensive approach in can be found in recent jurisprudence. The International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia. In the Furundzija judgement, the Trial Chamber stated: “The essence of the whole corpus of international humanitarian law as well as human rights law lies in the protection of the human dignity of every person, whatever his or her gender. The general principle of respect for human dignity is (…) the very raison d’être of international humanitarian law and human rights law; indeed in modern times it has become of such para34

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DE LANGE: Jezelf opofferen ; Patrick REED: Triage. Dr. James Orbinski’s Humanitarian Dilemma, National Film Board of Canada & White Pine Pictures, DVD, 2007). The example given is tangent to both organisational ethics as well as private ethics – the question what a field worker considers worthwhile in his or her life, lies in the realm of private ethics. Thus, when the organisation requires a personal commitment from an employee, a moment exists where the levels of organisational ethics and private ethics meet. See: PICTET: Red Cross Principles, p. 69; SLIM: Relief Agencies; see also the DVD of Mark N. HOPKINS: Living in Emergency – Stories of lives of Doctors Without Borders, (2009), in which various doctors with MsF explain their, differing, motives. On the question whether humanitarian workers can give their lives a purpose, see the philosophical disagreement between Luc Ferry and Alain Finkielkraut, discussed by MEURANT: Philosophical and Religious Dimension. POGGE: Moral Priorities, p. 220. HARRIS: Violence, pp. 48 et seq.; Kuhse: Euthanasia, p. 297 et seq; WILCOCKSON: Medical Ethics; Typical for emphasis on applied ethics is: SHEATER, SHAH: Ethical Dilemmas. In a critical article, Petrini notes that the emphasis on applied ethics is that a medical activity which frequently occurs in crisis circumstances – triage – is typically being supported by utilitarian arguments, even though the propriety of utilitarianism vis-à-vis other schools of moral thought, finds itself in unstable grounds. PETRINI: Triage.

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mount importance as to permeate the whole body of international law.”37 ICTY was more explicit in the Kupresckić judgement, when it invoked the philosophy of Immanuel Kant: “... that it became clear to States that norms of international humanitarian law were not intended to protect State interests; they were primarily designed to benefit individuals qua human beings. Unlike other international norms, such as those of commercial treaties, which can legitimately be based on the protection of reciprocal interests of States, compliance with humanitarian rules could not be made dependent on a reciprocal or corresponding performance of these obligations by other States. The trend marks the translation into legal norms of the ‘categorical imperative’ by Kant in the field of morals: one ought to fulfill an obligation regardless of whether others comply with it or disregard it.”38 We will set aside the question whether Immanel Kant did, in fact, influence the ius in bello to the degree which is suggested by the Tribunal.39 Our point is rather that Immanuel Kant introduced with his categorical imperative more than a procedural theory of justice alone. Although Immanuel Kant has offered differing versions of the categorical imperative, the version which refers to human dignity springs 37 38

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ICTY, Furundzija judgement, Trial Chamber, 1998, § 185. ICTY, Kupresckić judgement, Trial Chamber, 2000, § 518. In the subsequent paragraphs, the judgement continues: “As a consequence of their absolute character, these norms of international humanitarian law do not pose synallagmatic obligations, i.e. of a State vis-à-vis another State. Rather – as was stated by the International Court of Justice in the Barcelona Traction case (which specifically refered to obligations concerning fundamental human rights) – they lay down obligations towards the international community as a whole, with the consequence that each and every member of the international community has a ‘legal interest’ in their observance and consequently a legal entitlement to demand respect for such obligations. Furthermore, most norms of international humanitarian law, in particular those prohibiting war crimes, crimes against humanity and genocide, are also preemptory norms of international law or ius cogens, i.e. of a non-derogable and overriding character.” The hallmark of non-reciprocity of LOAC is at odds with the minimalistic view. In describing the latter, Strawson emphasises that the moral duties of the individual within society are reciprocal by nature. See: STRAWSON: Social Morality, p. 110. Kant’s discussion of the ius in bello has been markedly brief, if not incomplete. OREND: Kant’s Just War Theory, p. 349 arguments that “[t]he glaring omission in Kant is any kind of explicit mention and endorsement of non-combatant immunity.”

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out as particularly relevant for our study.40 With it, Kant introduces a description of the dignity of Man, which goes beyond a procedural theory of justice; rather it bears the hallmarks of a substantive theory of justice.41 3.2. Human dignity In section 2 of this contribution, we have discussed the view concerning the minimalistic role ethics should have in society. There, we have argued that the main advantage of the minimalistic role lies in its functionality – as soon as certain ground-rules have been agreed upon, then people of different cultural and political orientations can labour together in peace. A disadvantage lies in the fact that all issues concerning truth and justice are removed seemingly indefinitely from the public agenda. We have noted that, in the field of humanitarianism, with its emphasis on ideological neutrality, the minimalistic role of ethics is of particular importance. In section 3.1 we have, so far, argued that despite efforts to maintain ideological neutrality, important traces of the comprehensive role can be detected – indeed, the core value of humanitarianism, humanity - is itself an example of what is frequently seen as a substantive, rather than a procedural topic. As can be expected, the comprehensive role of ethics in humanitarianism is not free from difficulty. The con40

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Immanuel Kant did, of course, conceptualise the categorical imperative, albeit that his choice of words fluctuates. One of Kant’s versions emphasises ICTY’s point that a categorical imperative may not be set aside under any circumstance. In another version, the emphasis lays on the injunction of treating a fellow human being instrumentally – this version has since been hallowed as a definition of human dignity. See: OREND: Kant’s Just War Theory, p. 327n. Moreover, when the Tribunal refered to Kant, it applied an overtly secular, rational ethic. Thus, the Tribunal found a principled argumentation for a key element of LOAC, which is the non-reciprocity in the application of the laws of war. The categorical imperative offers a footing of the kind sought after. By doing so however, the Tribunal has not only moved considerably in the direction of deontological ethics, but it has also based itself on a specific ethic. Absolute obligations can be found in various religiously based ethics as well. Cicero, arguably the first author to define dignity as a universal value, was a Stoic philosopher, who based the universal nature thereof on Man’s potential to be inspired by the divine. From the Catholic perspective it has been argued that Man’s “… fundamental rights are inalienable because they are grounded not on social convention but on our intrinsic dignity,” with the latter referring to Man as the visible image of the invisible God.” GRASSO: Saving Modernity From Itself, p. 212. In our view, one may wonder to which extent the LOAC’s hallmark of (ideological) neutrality has been dented by the Tribunal’s emphasis on a secular ethic.

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cept of dignity in the context of humanitarianism is far from clear.42 Indeed, a bewildering range of philosophies on this issue exist, inducing one author to comment that ‘dignity’ is nothing but a hollow or “useless concept”.43 Jean Pictet, who discussed the principles of the Red Cross movement, has offered the following observations: “… it is necessary to work everywhere on parallel lines, even, and especially in wartime, when so many links are sundered: the same inspiration, the same attitude, the same action must prevail on either side of the front.”44 “… animated by favourable intentions, the good man is touched by the suffering of others and he tries to alleviate them; showing respect and affection, he protects and helps them.”45 42

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As far as is known, Cicero was the first author to describe ‘dignity’ as a universal concept, thus refuting the Aristotelian position that foreigners – including enemies – were barbarians. See: CANCIK: Dignity of Man. MACKLIN: Dignity, pp. 1419-1420. Viewed from an emprical perspective, Macklin’s comment appears to have merit. No scholarly consensus on the concept of dignity exists; legal documents such as constitutions and treaties do nothing to clarify the matter. Judging from the perspective of the philosophy of science however, Macklin may be overstating her case. We have mentioned the influence of empirical methods of science since the rise of the Scientific Revolution of the 16th and 17 centuries. Typical hallmarks are the dehumanisation of the world (Entzauberung), the power of Man over nature and the rejection of a neo-Aristotelian telelogy. It remains in our view, doubtful wether scientific methods which claim to be objective and cognitive – and which are so overwhelmingly dominant today – can offer the oppropriate conceptual framework for a topic which is so sensitive and intimate as the dignity or humanity of Man. See: VAN BAARDA, VERWEIJ: Human Dignity, p. 500. VERHOOG: Science, quotes Koyré as follows: “‛I have been saying that modern science broke down the barriers that separated the Heavens from the Earth, and that it united and unified the Universe. And that is true. But, as I have said too, it did this by substituting for our world of quality and sense of perception, the world in which we live, and love, and die, another world: the world of quantity, of reified geometry, a world in which though there is place for everything, there is no place for man. Thus the world of science – the real world – became estranged and utterly divorced from the world of life which science has been unable to explain: not even to explain away by calling it ‘subjective’. True, these two worlds are every day – and even more and more – connected by praxis. Yet, for theory they are divided by an abyss. Two worlds; this means two truths. Or no truth at all’”. Overviews of the pertinent schools of thought on dignity have been published by: TIEDEMANN: Menschenwürde; KLEIN, KRETZMER: Concept of Human Dignity; BEYLEVELD, BROWNSWORD: Human Dignity; PAUST: Human Dignity as a Constitutional Right; BAYERTZ: Sanctity of Life; MCCRUDDEN: Human Dignity and Judicial Interpretation; CAROZZA: Human Dignity and Judicial Interpretation. PICTET: Red Cross Principles, p. 10. PICTET: Red Cross Principles, pp. 13-14. The ICRC offers a more modern description of humanity on its website. Its description is interesting, not only because it too,

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“…Humanity is a sentiment of active goodwill towards mankind.”46 One may note firstly, that in this description of humanity there is an emphasis on favourable intentions, on an attitude of good will. At a first glance, Pictet’s thoughts may be in agreement with Kant’s philosophy, who also chooses the good will as the overarching premise of his ethic.47 However, Pictet secondly mentions the capability of being touched by the suffering of others. This implies empathy. A person demonstrates humanity is, in Pictet’s view, a sensitive person. At this point, Kant would strongly disagree, since feelings of empathy, being quintessentially subjective cannot, lead to a maxim which is aligned with a categorical imperative.48 With his emphasis on empathy and attitude, Pictet suggests that humanity is based on meritorious conduct. This is by itself noteworthy, since other authoritative texts exist which suggest that humanity – or dignity – is a given, rather than a merit.49 Pictet’s words however, leave the impression that ‘humanity’ is a virtue, rather than a value. We do not point out these differences in order to criticise, rather to emphasise that a lack of clarity on the key humanitarian value re-

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emphasises empathy, but also because it explictly refers to human nature: “ Humanity is therefore the sentiment or attitude of someone who shows himself to be human. Following Littre’s dictionary, we would define humanity as a sentiment of active goodwill towards mankind. The word humanity in this sense is so perfectly suited to the Red Cross that it was chosen to designate its essential principle. At the same time, the word also serves to specify human nature and even the human species as a whole. In addition, it is rather more a feeling than a principle, so that perfect logic would suggest a preference for the word humanitarianism. These are minor drawbacks however and we should maintain the word humanity, for it is simple, direct and closer to man” (our italics – TvB). ICRC, at http://www.icrc.org/eng/resources/documents/misc/fundamental-principlescommentary-010179.htm. PICTET: Red Cross Principles, p. 14. On p. 15 he adds: “... humanity thus prompts each individual to act for the good of his fellow men”. PICTET: Red Cross Principles, p. 25 makes a comment which might be interpreted as reminiscant of kantian philosophy. He writes that humanitarian law requires that everyone whould be treated humanely, that is to say, as a man and not as a beast or a thing, as an end in itself and not as a mere means to an end” (our italics, footnote ommitted – TvB). SHELL: Kant on Human Dignity. The main versions of Kant’s categorical imperative have been quoted by OREND: Kant’s Just War Theory Compare Article 1 of the German Constitution, which presents dignity as a fact: man possesses dignity simply because he is human; not because he has committed himself to meritorious conduct. The same can be said for the Universal Declaration of Human Rights: there as well dignity is treated as a given, as something which is “inherent” to man.

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mains. This, in turn, appears to complicate the role of the comprehensive role in ethics. 4. Can the opposing views be reconciled in the context of humanitarianism? In the previous paragraphs we have offered the reader a complex question concerning two differing views on the role ethics play and should play. We have distinguished the minimalist view and the comprehensive view. We have subsequently discussed the roles of ethics according to the minimalistic view and the comprehensive view vis-àvis the humanitarian effort. The minimalistic role is, and remains, vital to humanitarian relief. Humanitarian relief cannot engage in the quest for truth or purpose without losing its neutrality. At a first glance one may arrive at the impression that solely the minimalistic view is pertinent to humanitarian relief. However, the core value of humanitarian relief, humanity, is itself not of a procedural nature; it falls into the realms of the comprehensive role. This consideration leads us to consider the comprehensive role. It allows those moral considerations which concern the quest for truth and justice – including quest to understand the concept of humanity – to be placed centre-stage. The comprehensive role would allow humanitarians to discuss the distinction between Good and Evil – including the possibility to take a stance on gross war crimes. However, while taking a stance creates well-documented risks, the reverse is also true: not taking a stand may lead to a loss of integrity.50 The situation seems impossible. The minimalistic role is essential for humanitarian relief, but evidently insufficient. The comprehensive role appears essential as well, but cannot guide humanitarian relief unless humanitarians are prepared to give up the principle of neutrality. Put bluntly: humanitarians cannot do without the comprehensive role, but they cannot do with it either. 51 50

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Perhaps a distinction should be made between moral neutrality and operational neutrality. In the first, the distinction between Good and Evil loses its practical significance. In the second, the distinction between Good and Evil remains relevant, and neutrality is only understood as the reluctance to chose between political and ideological issues. VAN BAARDA, VAN IERSEL: Uneasy Relationship. As a matter of course, the concept of neutrality is mentioned in the Principles of the Red Cross Movement and in United Nations General Assembly resolution 46/182 of 19 December 1991. It has also been accepted by the International Court of Justice in the case Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua vs United States of America) Merits, Judgement, ICJ Reports 1986. For a detailed and critical analysis, see: KALSHOVEN: Impartiality. Following Pictet, Kalshoven explains

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The current section will discuss a possibility to overcome this oxymoron. The question then, is how one can come to terms with the comprehensive role in the context of humanitarian relief without giving up completely on the issue of neutrality. Coming to terms with a comprehensive role vis-à-vis humanitarian relief would have to be conditional: the comprehensive role may not, in any substantive manner, determine the ‘nature’ of Man. A substantive determination of Man, the purpose of his life on Earth, would lead to an over-arching ‘truth’ or ‘doctrine’. Any substantive determination of Man along these lines would only be acceptable to the adherents of the particular denomination from which it emanates – be it Catholics, or Muslims, or atheists, etc. By the same token, any determination of Man which explicitly accepts – or rejects – the existence of God would lead to the same. It is perhaps on these grounds that one may question the wisdom of ICTY in invoking Immanuel Kant’s philosophy, as his emphasis on rationality and secularism are by no means shared by all. Kantianism has no monopoly on the ethic of duty – universal moral duties can be based on other grounds. Any attempt to say: “this is man’s being and this is how he should behave,” leads to a circular reasoning, a petitio principii. It would, according to the humanist legal philosopher Glastra van Loon, inevitably lead to moral determinism.52 This brings Glastra van Loon (with whom we agree) to the conclusion that Man can only be determined negatively. There is no room, according to Glastra van Loon, for a substantive summing up Man’s hallmarks or properties. There is no room to argue: “this is man’s being, and this how he should behave”. While it is not possible to describe Man substantively, the observation that Man can be described negatively, marks, according to Glastra van Loon the essence of Man being-a-subject; a subject with selfconsciousness among other subjects with self-consciousness. Values can only be realised in contact with others; it is in labouring with others that values like freedom, dignity, caring, etc, become concrete. To be realised, values need human communication.

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that neutrality has two components. It requires non-participation in hostilities and it requires “… the non-acceptance of any ideology other than its own (which in effect has found expression in the principle of humanity)” (at p. 7). Arguments in favour of neutrality of humanitarian assistance are, firstly, to ensure acceptability to all, and, secondly, to build confidence in working relationships with all concerned. In the Code of Conduct in Disaster Relief however, neutrality is dealt with ambiguously. The issue is dealt with in article 3, but the term neutrality is avoided in an apparent concession to faith-based NGOs and to development NGOs. See: HILHORST: Dead Letter, p. 356; SLIM: Relief Agencies GLASTRA VAN LOON: Eenheid van handelen, pp. 44, 47; VAN BAARDA, VERWEIJ: Human Dignity, pp. 479-480.

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Martin Buber distinguished in the communication between one human being to another, between a I-and-Thou relationship and an Iand-It relationship. Buber viewed only the former as a true meeting of minds, while the latter was viewed as merely functional. As long as an ‘I’ experiences the Other as an ‘It’ – as a legal subject, as a student, as a combatant – a distance will remain between the Other and me. One’s observations will be steered by one’s interests. In contrast to the I-andThou relationship, the I-and-It relationship is devoid of intimacy, purpose and empathy.53 If one is listening to a fellow human being from a functional perspective one can no longer, according to Martin Buber, perceive the wholeness of the of the Other.54 Listening requires tranquillity, as well as the capacity of ‘de-centring’, i.e. the ability to see the world through the eyes of the other. The ability to listen to openmindedly and respectfully to a fellow human being is a moment of choice, a moment of full equality, as one can also decide to close oneself for the messages the other is conveying.55 A purposeful existance of Man is interpreted to be within the moral universe and in communication with fellow human beings, rather than detached from it. In this concept of dialogue, there is no attempt to define Man substantively, neither do they try to stake out Man’s purpose. Buber has been quoted as saying: “Ich habe keine Lehre, aber Ich führe ein Gespräch, (I have no teaching, but I am conducting a conversation)”.56 Given the fact that there is no attempt to state: “this is man’s being, and this is how he should behave”, an objection of the adherents of the minimalistic role against the comprehensive role can be set aside. The reader will recall that the adherents of the minimalistic role of ethics seek to avoid a public discussions of questions of truth and purposefulness, in order to avoid conflict, including of course, the Wars of Religion which predated the Peace of Westphalia. The skill of ‘de-centring’ is a skill without which Man cannot be truly compassionate. The value of compassion, Barmherzigkeit, ability of sympathos: to change one’s perspective, to identify with someone else’s life, to be aware of moral issues even if they do not touch upon one’s own interests. Verhezen adds that compassion can then be interpreted as the freedom of response – the freedom to respond, or not 53

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BUBER: Ich und Du; BUBER: Urdistanz und Beziehung; BUBER: Das dialogische Prinzip; WECHSLER: For the Sake of my Kin and Friends, pp.27-28; SPERNA WEILAND: Mens in de filosofie, chapter 10. Martin Buber deliberately wrote the ‘Other’ with a capital O, in order to reflect his respect for his fellow man. BLONDEL: Meaning, briefly alludes to the possibility of the ethic of communication as a source of inspiration to humanitarianism, at p. 514. Buber, as quoted by DANNER: Notwendige Besinnung, p. 63 (our translation – TvB).

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to respond, to the message of the other.57 The skill of ‘de-centring’ – frequently called awareness or empathy – is therefore as element of moral competence.58 The version of the comprehensive role which we sketch here, argues that values are created through communication. It argues that dignity lies in communication with people, not in communication about people. The reader may be tempted to counter our argument in favour of dialogue by invoking one of the premises of the minimalistic role: the willingness of all concerned to participate in moral deliberation – precisely the premise which does not hold water in many of the shadowy armed conflicts of today. It is indeed well-documented that spoilers frequently exist: groupings which have no interest in respect for humanitarian law or a negotiated settlement. However, the reader is reminded of the fact that it is moral minimalism which has no cohesive power in society. As such, it has little to offer in terms of a stance against naked opportunism. It is at this juncture that dissemination, either in the context of LOAC59 or post-conflict peace-building, can play a role. 5. Conclusion Is ethics worthwhile? Ist Ethik tauglich? Following Zwart we have argued that the science of ethics is at a cross-roads. The cross-roads is defined by the distinction between the minimalistic role and the comprehensive role ethics plays, and ought to play in society. The two concepts aptly uncover a measure of moral duplicity in Western societies. Furthermore, we have argued that in the West the minimalistic role of ethics prevails, albeit at the heavy price of the citizen without a face. We have provocatively argued that LOAC and humanitarian action are on the same cross-roads, albeit for different reasons. A balancing act is necessary. Society cannot do without the minimalistic role. Neither should society avoid being functional. Also within LOAC and humanitarian assistance, the minimalistic role is and remains essential. Given the emotions on the battlefield, it is impossible to envisage humanitarian assistance without the minimalistic role. LOAC draws the line below one may never fall: LOAC is therefore an

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VERHEZEN: Terugkeer, p. 18-19. For a definition of moral competence, see: VAN BAARDA, VERWEIJ: Military Ethics, pp. 12 et seq. Art. 47/48/127/144 of the Geneva Conventions (1949), Art. 83 of Additional Protocol I (1977) and Art. 19 of Additional Protocol II (1977).

Is Ethics Worthwhile?

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example of moral minimalism par excellence. In short: humanitarian relief squarely falls in the minimalistic role, and that is as it should be. However, considerations of procedure and diplomatice correctness do not suffice as the sole consideration. Kalshoven reminded us of the German figure of speech: “Jede Konsequenz führt zum Teufel – any attempt to maintain absolute consistency leads to the devil.”60 Thus, a contradiction remains: while a humanitarian commitment should respect considerations of procedure and diplomatic correctness, a humanitarian commitment without giving thought to the concept of humanity, is difficult to envisage. A telling detail is the ICRC’s description of humanity, quoted in footnote 45: its specifies ‘human nature’. Humanity is the key value in humanitarian assistance – it is the main principle of the Red Cross Movement, indeed of humanitarian organisations in general. The principle has been acknowledged explicitly in courts – even though it is unclear what “humanity” actually means. The conclusion seems inevitable that the minimalistic role is only valid in LOAC and humanitarian assistance up to a point. There would appear to be a limit on the emphasis one can place on a means-ends rationale without losing sight of the ‘humanness’ of Man.61 Beyond that limit, the role of ethics in the debate concerning humanitarian relief will inexorably become more comprehensive. As we mentioned, the chapters of human rights law, refugee law and humanitarian law have their starting-point in the dignity of Man – not in Westphalian concepts of the nation-state, territorial integrity and sovereignty. Ever since Cicero commenced mentioning it, dignity and universality could be seen as twin concepts. As such, human rights, refugee law and humanitarian law can bridge the gap between the abstract and the particular. The abstract can lead to cold ideologies, in which the individual is no more than a pawn, marching toward some collective goal, pre-determined by God or history. The particular can lead to an extreme individualism and moral relativism, with little attention for one’s neighbour. The vital point of the chapters of human rights law, refugee law and humanitarian law is that they have the potential to connect the individual and the universal. By emphasising that each individual counts, including the nameless person lying in the gutter of some far-flung country, these chapters say that no one is forgotten! Thus, dignity and universality are no abstract concepts, unless we, memebers of society, treat them as such. They remain living concepts as long as each humanitarian worker indeed each citizen attempts to 60 61

KALSHOVEN: Impartiality, farewell address, p. 16. Van der Burg, van Reijen: Introduction p. 23.

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conceptualise for himself what dignity actually means; why Cicero was right when he contradicted Aristotle by arguing that dignity is not limited to people of one’s own community. What is necessary is to think out of the box. A good starting point remains the minimalistic role, with its focus on conflict avoidance. The comprehensive role may be more appealing to each of us personally, since it acknowledges Man’s quest for truth and purpose. Each of us may find a personal moral compass in the comprehensive role which, in turn, may guide our moral integrity in times of perplexity. At a policy level however, the comprehensive role is generally unworkable, since it implies that a humanitarian organisation gives up its ideological neutrality. It seems a Gordian Knot, an insoluble dilemma. Admittedly, the dilemma between, respectively, the minimalistic and comprehensive roles will never be solved completely. However, the philosophies of Glastra van Loon and of Buber may go some way to view the dilemma from a more relaxed perspective. Their views on communication are comprehensive without being substantive. They offer a concept of dialogue which can be seen as a non-ideological ideology, non-religious religion. They offer the possibility of envisaging comprehensiveness without attempting to impose or to patronise. They put into action that crucial element of human rights law, humanitarian law and refugee law – that is to connect the individual with the universal. A connection which is not made in the abstract. It is made through the act of dialogue, through the act of rendering assistance, as the face of the fellow human being in need (if we may paraphrase Emanuel Lévinas) is a universal command to us.62 Seen in this perspective, humanitarianism does not represent a moral minimum. Rather, it represents a moral maximum.63

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VERHEZEN: Terugkeer, p. 19. Compare: MEYER: Dignity, p. 195.

FROM WESTPHALIA TO WESTFAILURE? INTERNATIONALE AKTEURE UND DIE FALLSTRICKE HUMANITÄRER INTERVENTION Reinhard Meyers Unter Bezug auf den Westfälischen Frieden von 1648 nutzt die Lehre von den Internationalen Beziehungen die Metapher vom „Westfälischen System“ schon seit den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, mehr aber noch seit dem Ende des Ost-West-Konflikts gern zur generellen Beschreibung des modernen internationalen (Staaten-) Systems1. Sie verbindet damit ein Bündel von Ideen und Vorstellungen über internationale Politik, die ausgehen vom Kernkonzept der einzelstaatlichen Souveränität, dem staatlichen Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit innerhalb eines abgrenzbaren Territoriums (Max Weber), dem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Dritter, dem Schutz der territorialen Integrität der Akteure und dem Verbot der Gewaltanwendung in den zwischenstaatlichen Beziehungen (Art.2 UNO-Charta). Im Sinne des klassischen Realismus dient die Metapher auch zur griffigen Anzeige einer Vorstellung internationaler staatenweltlicher Ordnung, die bewußt mit globalistischen oder gar die Menschheit zur Gänze umfassenden Ordnungsvorstellungen des Idealismus kontrastiert2. Kurz – das Westfälische Modell „ … based on the principles of autonomy, territory, mutual recognition and control, offers a simple, arresting, and elegant image. It orders the minds of policymakers. It is an analytic assumption for neo-realism and neo-liberal institutionalism. It is an empirical regularity for various sociological and constructivist theories of international politics. It is a benchmark for observers who claim an erosion of sovereignty in the contemporary world. ...”3

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Paradigmatisch eines der im angloamerikanischen Raum am weitesten verbreiteten Lehrbücher: KEGLEY, BLANTON: World Politics, S. 12 ff.; genereller kritischer Überblick zu dieser Begriffspraxis SCHMIDT: Order the Minds of Scholars. Zur weiteren Übersicht mit reichhaltigen Literaturangaben MEYERS: Theorien der Internationalen Beziehungen. KRASNER: Rethinking.

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Allerdings – von einer empirisch akkuraten Beschreibung der historischen Wirklichkeit ist das Westfälische Modell doch recht weit entfernt: weder kann das Jahr 1648 als der terminus post quem dienen, zu dem die Vertragsparteien von Münster und Osnabrück gleichsam mit einem Federstrich das moderne internationale System und seine von der Fundamentalnorm der Staatssouveränität her geordnete Völkerrechtsordnung aus der Taufe hoben4. Noch läßt sich die empirische Referenz einer auf Gleichberechtigung aller Akteure und Interventionsverbot abstellenden wissenschaftlichen Denk- und Argumentationsfigur festhalten, die sich im Laufe der Diskussion vom historischen Substrat immer weiter entfernte5 und ein virtuelles, in mancher Hinsicht gar hypertrophes Eigenleben gewann6. Wir konzedieren gern, daß Wissenschaft ontologischer Weltbilder und methodologischer Großtheorien bedarf, um die unendliche Menge realhistorischer Phänomene zu ordnen, zu strukturieren und (wenigstens) zu erklären7. Nicht erst seit dem Einzug des Konstruktivismus in den Sozialwissenschaften, sondern schon seit der Auseinandersetzung um Begriff und Wirkung des Vorverständnisses in der hermeneutischen Philosophie wissen wir aber auch, dass Vorverständnisse und ontologische Weltbilder nicht nur der Selbstverständigung wissenschaftlicher Schulen über den je eigenen Standort und die je eigene „Denke, Rede und Schreibe“ dienen, sondern auf dem Weg über die Konstruktion von „Wirklichkeit“ die Realitätsperzeptionen, Zieldefinitionen und Ziele umsetzenden Aktionen gesellschaftlicher und politischer Handlungsträger wenigstens beeinflussen, wenn nicht entscheidend prägen. In diesem Kontext bleibt das Westfälische Modell bis auf weiteres relevant: Wegen seiner relativ einfachen, eher schon unterkomplexen Akteursstruktur, wegen seiner Insistenz auf dem nationalen Interesse als Leitstern politischen Handelns, wegen seiner Interpretation des 4 5

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Hierzu BEAULAC: Westphalian Model. Von der Regelung reichsverfassungsrechtlicher Angelegenheiten durch Intervention Dritter – nämlich Frankreich und Schweden – im Westfälischen Frieden über die Pentarchie bzw. das Konzert der Mächte nach dem Wiener Kongreß bis zur Neuordnung des Balkans durch den Berliner Kongreß 1878 ist die neuzeitliche Geschichte Europas durchsetzt von schlagenden Beispielen für die Intervention Dritter in innere Angelegenheiten vorgeblich souveräner Akteure – wobei es freilich einen Unterschied macht, ob man als Kleinstaat das Zusammenspiel oder die Soli der Großen erdulden oder als Großmacht Tempo und Tonart der konzertanten Darbietung bestimmen kann. Lehrreich in diesem Kontext DURCHHARD: Balance of Power, und BAUMGART: Europäisches Konzert. Man vergleiche die unterschiedliche Anlage solcher Werke wie HINSLEY: Power and the Pursuit of Peace, und WALTZ: Theory of International Politics. Hierzu als vorzüglicher Überblick KRELL: Weltbilder.

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Akteurs- und Handlungsumfeldes als einer nullsummenspielartigen, vom Sicherheitsdilemma durchzogenen Anarchie, in der allein die eigene Stärke (oder wahlweise noch die Schwäche der Anderen) über Erfolg und Misserfolg von Politik entscheidet, hat es bislang nicht nur die Kritik all jener überlebt, die ihm in seiner nachgeradezu grandiosen Simplifikation komplex geschichteter historischer Tatbestände und kaum definitiv auf Anfangs- oder Endpunkte zu bringender, vielfach zerfranster langfristiger Entwicklungsprozesse organisierte Heuchelei vorwerfen8. Auch die Lebensendzeitprognosen all jener, die eine materiell-dialektische Verbindung zwischen der Entwicklung des Westfälischen Systems und der zunächst europazentrischen, dann auf den Weltzusammenhang ausgedehnten kapitalistischen Wirtschaftsform mit ihren periodischen Krisen und Zusammenbrüchen postulieren9 und dem Westfälischen System ob seines Verlustes an Kontrolle des internationalen Finanzsystems, seiner defizitären Bilanz im Umweltschutz und seines Versagens beim Nord-Süd [oder besser: ReichArm-] Ausgleich den Weg nach Westfailure weisen10, hat es bis dato ignoriert – ein Johnny Walker der Internationalen Politischen Ökonomie – born 1648 and still going strong?? Nach der Meinung mancher meiner Fachkollegen – für die das Westfälische System als mythische Denkfigur eher das Ergebnis einer Fixierung des 19. und 20. Jahrhunderts auf den Begriff der Souveränität zu sein scheint11 denn die begriffliche Abstraktion eines historischen Entwicklungsprozesses des 17. Jahrhunderts12 – haben erst die Auswirkungen der Globalisierung auf die Gegenstände, Prozesse und Strukturen von Krieg und Frieden13 (Transnationalisierung der Problemlagen, Ablösung der klassischen staatenzentrischen internationalen Politik durch internationales Regieren: international governance, Ausbildung transnationaler Öffentlichkeiten und deren durchgängiger Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflichtigkeit des Akteurshandelns) zu einem Paradigmenwechsel im Nachdenken über internationale Ordnungsstrukturen geführt und deren nationale durch postnationale Konstellationen abgelöst14. Bestimmt man diesen

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KRASNER: Rethinking, S. 42. Hierzu grundlegend STRANGE: States and Markets und STRANGE: Casino Capitalism. STRANGE: Westfailure System. OSIANDER: Sovereignty. So die These Osianders: „…’Westphalia’ as generally understood in IR today is really a figment of the nineteentrh-century imagination, stylized still further, and reified, by the discipline of IR itself in the twentieth century...” – OSIANDER: Sovereignty, S. 284. Zur Übersicht MEYERS: Krieg und Frieden. ZANGL, ZÜRN: Frieden und Krieg.

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Vorgang stärker aus der Perspektive der Sicherheitspolitik15, liessen sich auch neben der klassischen westfälischen Konstellation mit ihrem Bezug auf die Kernkonzepte innere und äußere Souveränität, staatliches Gewaltmonopol, Gleichrangigkeit der Akteure und Legitimität des Rekurses auf bewaffnete Gewalt wenn nicht länger zur Durchsetzung der eigenen Interessen nach außen so doch zumindest zur Sicherung der Freiheit der gesellschaftlichen Eigenentwicklung gegen Einund Übergriffe Dritter zwei weitere Konstellationen unterscheiden, die unseren Kontext ausfüllen: Die prä-westfälische Konstellation16 in der das staatliche Gewaltmonopol entweder nie ausgebildet war oder – als Folge von Staatsversagen oder Staatszerfall - zusammengebrochen ist, in der der Staat das seine Existenz seit der Hobbes’schen Vertragstheorie legitimierende Sicherheitsversprechen (nach außen gegen militärische Angriffe, nach innen durch Garantie der Verkehrswege-, Rechts- und Besitzsicherheit) nicht erfüllt, in der Gewalt vielmehr fragmentiert, privatisiert, kommerzialisiert wird – nach Maßgabe politischer Willkür und nullsummenspielartiger Verteilungskämpfe aufgeteilt unter Clans, Stammesherrn und Warlords. Und die postwestfälische Konstellation, geordnet vom Gedanken der kollektiven Sicherheit her, die ihre Akteure in internationale oder multilaterale Entscheidungsprozesse und Handlungsstrukturen einordnet, ihnen einen zumindest partiellen Souveränitätsverzicht abnötigt, im Sinne der Agenda für den Frieden der Vereinten Nationen aus 1992 aber der Welt auch Chancen auf eine konfliktpräventive Friedensdiplomatie, eine konflikteinhegende und/oder konfliktschlichtende Friedenssicherung und eine postkonfliktive Friedenskonsolidierung eröffnet. Ulrich Schneckener17 hat diese Konstellationen einmal pointiert zusammengefaßt: „Während bei der westfälischen Konstellation Sicherheitspolitik primär eine Domäne des Nationalstaats ist und bleibt, verweist Prä-Westfalia auf die Privatisierung und Entstaatlichung von Sicherheit, verbunden mit dem Verlust staatlicher Kontroll- und Handlungsfähigkeit. Post-Westfalia ist hingegen durch Tendenzen zur Internationalisierung und Multilateralisierung von Sicherheit geprägt, bei der staatliche Akteure Aufgaben an internationale Organisationen oder multilaterale Gremien delegieren und damit bewußt de-facto-Einschränkungen in ihrer Souveränität in Kauf nehmen.“

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Hierzu relativ früh schon MEYERS: Von der Globalisierung zur Fragmentierung?. SCHNECKENER: Post-Westfalia. SCHNECKENER: Post-Westfalia, S. 193.

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Dabei sollten wir festhalten, dass die eben kurz skizzierten Kategorien solche der politikwissenschaftlichen Analyse sind, mit Blick auf die von ihnen abgedeckten historischen Tatbestände aber allenfalls den Rang idealtypischer Konstrukte beanspruchen können. Kritisch zu hinterfragen wären in diesem Zusammenhang • die oft auch und gerade in der völkerrechtlichen Literatur geäusserte Behauptung, der Westfälische Friede etabliere eine Epochenschwelle, den Umschlagspunkt von der hierarchischen Gemengelage quasi noch mittelalterlicher Gewalten und ineinander verschachtelter Zuständigkeiten, Privilegien, Prärogative und Immunitäten zum Auftritt des straff und zentralistisch organisierten einheitlichen internationalen Akteurs, ausgestattet mit absoluter und exklusiver Macht und Herrschaft über ein wohldefiniertes Territorium, eingebunden in eine Ordnung „…created by states, for states…“18, • die wirkmächtige definitorische Rolle einzelner Wissenschaftler in der Begründung eines kompletten Traditionsduktus, demzufolge der Vertrag von 1648 das Verlassen eines geschichteten, von Kaiser und Papst dominierten hierarchischen Abhängigkeitssystems unterschiedlicher Gewalten besiegelt und eine auf dem Grundsatz der Gleichrangigkeit der Akteure fußende internationale (Staaten-) Gesellschaft etabliert, deren Mitglieder als „…individually independent of any higher authority…“19 betrachtet werden konnten, und schliesslich • die Wirkung der globalisierungstypischen Phänomene von Kooperation, Verflechtung und Entgrenzung auf das reale Substrat des Westfälischen Modells. In ihrer Gesamtheit könnten diese Argumentations-zusammenhänge den Schluss nahelegen, unsere hyperbolische Metapher gerate über kurz oder lang in einen Zustand der metaphorischen Hypertrophie. I. 1648 als Epochenschwelle ? Die Lexikonliteratur lebt von Vereinfachungen: aber es sind gerade diese Vereinfachungen, die die Grundzüge einer Problemdiskussion in einer bestimmten Epoche plastisch hervortreten lassen (und auch darüber Auskunft geben, wann und wo ein Phänomen überhaupt 18 19

BEAULAC: Westphalian Legal Orthodoxy, hier S. 149 sowie HOLSTI: Peace and War. FENWICK: International Law, S.14, zit.n. BEAULAC: Westphalian Legal Orthodoxy, S.150.

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problematisiert wird). Eine überschlägige Durchmusterung völkerrechtlicher und politikwissenschaftlicher Nachschlagewerke – vom klassischen Strupp/Schlochauer20 über Pipers Wörterbuch zur Politik 21 und Beck’s Lexikon der Politik22 bis zu neueren englischsprachigen und französischen Werken ergibt ein zunächst verblüffendes Ergebnis: für die deutschen Lexikographen – mit Ausnahme der Enzyklopädie der Neuzeit23 – ist der Westfälische Friede überhaupt kein Thema24, für ihre angloamerikanischen und französischen Kolleginnen und Kollegen aber desto mehr.25 Und: das Interesse am Sujet scheint ein Produkt des ersten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts zu sein – Reaktion auf die – im 11.09.200126 symbolhaft aufscheinende – grundsätzliche Infragestellung der überlieferten Ordnungsprinzipien des staatenzentrischen Systems durch neuartige Gewaltakteure, die sich ganz bewußt nicht mehr an den überkommenen westfälischen Komment halten ? Wie dem auch sei – die These von der Epochenschwelle scheint vornehmlich angloamerikanischen völkerrechtsgeschichtlichen und politikwissenschaftlichen Ursprungs27, und wird in der eher historisch argumentierenden Literatur nur bedingt geteilt28. Wenn schon eine Epochenschwelle, dann aber eine langgestreckte: 1648 und der Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien 1659 und der Friede von Oliva zwischen Schweden, Polen, Brandenburg und Österreich 1660 gehören zusammen – und wenn man – wie Heinz Schilling29 – argumentiert, dass eine Gesamtwürdigung der Verträge von Münster und Osnabrück darauf beharren müsse, dass mit ihnen „… ein Schlußstrich unter eine durch rechtlich ungebändigte Staatenkonkurrenz und endemische Glaubenskriege gekennzeichnete Epoche gezogen…“ und eine „…neue Grundordnung 20 21 22 23 24

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Hier angezogen STRUPP, SCHLOCHAUER: Wörterbuch des Völkerrechts. NOHLEN: Wörterbuch zur Politik. NOHLEN: Lexikon der Politik. JAEGER: Enzyklopädie der Neuzeit. So übrigens auch für die Klassiker der Völkerrechtsgeschichte nicht: vgl. GREWE: Völkerrechtsgeschichte; Strupp/Schlochauer referieren zwar die wesentlichen Bestimmungen des Westfälischen Friedens, enthalten sich aber jeglicher Bewertung seiner möglichen Bedeutungen. Vgl. den ausführlicheren Beitrag von RAYMOND: Westphalia. GREINER: 9/11. Belege in BEAULAC: Westphalian Legal Orthodoxy, Anm. 1. So etwa WIGHT: Systems of States, der die langfristige Dauer der Ausbildung des modernen Staatensystems betont und als Eckpunkte der Entwicklung das Konzil von Konstanz 1414 – 1418 einerseits und den Frieden von Utrecht 1713 andererseits ansetzt. SCHILLING: Konfessionalisierung, insbes. S. 591ff.

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für das Zusammenleben der Staaten und Völker ins Leben gerufen…“ wurde, „… die fortan die Staatenbeziehungen nach alllgemein anerkannten oder von Fall zu Fall neu auszuhandelnden Normen regelte…“ dann gehört der Friede von Utrecht mit seiner erstmaligen Nennung des Gleichgewichts als rechtsgrundsätzliches Regelungsmoment der Beziehungen im europazentrischen Staatensystem unbedingt noch mit in diesen Zusammenhang. Das Problem solcher Interpretationen, die den Verträgen von 1648 nicht nur die Legitimation eines „…commonwealth of sovereign states…“ zuschreiben, die Formulierung einer „…fundamental and comprehensive charter for all Europe…“30 (und von dort aus gleich die Jahrhundertverbindungen zum Völkerbund und zu den Vereinten Nationen ziehen wollen), sondern sie auch zur RechtfertigungsGrundlage staatlicher Machtpolitik stilisieren31, scheint uns zunächst darin zu liegen, dass sie sich nicht mehr auf den Text der Verträge selbst beziehen32, sondern auf einen Komplex miteinander verwobener literarischer Annahmen und Meinungsäusserungen, der sich je länger desto mehr von der empirischen Vertragsgrundlage entfernt33. Die instrumenta pacis Monasterii et Osnabrugiensis haben eben nicht als eine Art lex fundamentalis Europae „…resolved the structure and codified the constitutional rules of the European states system as it 30 31

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WATSON: Evolution of International Society, S. 186 ff. Vgl. LUARD: International Society, S. 96ff., der dem Westfälischen Frieden nachsagt, “... a new age and a new type of society, which lasted for 150 years…” eingeführt zu haben: “The concern of the sovereigns and their great ministers who now controlled each state was no longer with the winning of crowns elsewhere, as in the age of dynasties, nor with the type of faith that was practised in other countries; it was with building up the power of their own states. ... Everywhere the dominant aim was the building of powerful and self-sufficient states, each able to deal on a basis of at least theoretical equality (“sovereign equality”) with other states . .... Each was concerned to protect its own power by limiting the power that could be attained by any other, that is to maintain the ‘balance of power’...” – LUARD: International Society, S. 96 ff. Hierzu STEIGER: Der Westfälische Frieden. Besonders schmerzlich wird es dann, wenn die Lexikographie dem Westfälischen Frieden die Formulierung der Grundsätze rex est imperator in regno suo und cuius regio, eius religio zuschreibt: Der erstere ist schon seit dem 13. Jahrhundert bekannt und gewinnt seine Bedeutung zunächst in der Auseinandersetzung Phillip des Schönen mit dem Papsttum, gegen dessen in der Bulle Unam Sanctam 1302 erhobenen Anspruch auf die plenitudo potestatis in temporalibus Phillip seine später dann auch von England gegen den Kaiser genutzte Formel vom rex superiorem non recognoscens est imperastor in regno suo setzt [hierzu DENNERT: Souveränität]. Der zweite ist nach allgemeinem Verständnis ein Produkt des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Vgl. als „Aufhänger“ der Kritik paradigmatisch SMOUTS, BATTISSELLA et al.: Dictionnaire des relations internationales, S. 494 f.

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had emerged from the unity of medieval Christendom...”34. Viel eher waren sie Reichsgrundgesetz, sicherten endlich den konfessionellen Frieden und präzisierten die Reichsverfassung35 (und dieses durchaus unter tätiger “Mithilfe” auswärtiger Mächte...), indem Rechte und Pflichten des Kaisers sowohl als auch der Reichsstände und damit – bis zum Reichsdeputationshauptschluß 1803 – die Grundlagen für ein politisches Miteinander der verschiedenen Gewalten festgeschrieben wurden. In diesem Kontext befestigten die Verträge auch die Landeshoheit der Reichsstände (eine Kompetenz, die ihnen im Grunde schon Karl V. einräumen musste) – nicht aber deren uneingeschränkte Souveränität36 : sie besitzen zwar das Bündnisrecht nach innen und aussen, und damit auch das ius ad bellum, dürfen dieses aber doch nur zu ihrer Erhaltung und Sicherheit einsetzen, nicht gegen Kaiser und Reich oder gegen dessen Landfrieden. M.a.W. – 1648 impliziert nicht jenen Durchbruch des Souveränitätsprinzips, den insbesondere die angloamerikanische Literatur dem Westfälischen Frieden gern unterstellt: „Die Auffassung der Zeit war ganz eindeutig, dass eine Souveränität der Reichsstände nicht bestand“37 – weswegen ihrer einige sich dann ja auch bemühten, nach dem Vorbild BrandenburgPreussens Souveränität ausserhalb des Reiches zu erlangen, um an der Politik der europäischen Mächte wirklich gleichberechtigt teilnehmen zu können. Der diplomatische und völkerrechtliche Zäsurcharakter des Westfälischen Friedens mag nicht bestritten werden38 – eine Zäsur freilich, die doch eher langfristigere Entwicklungen zusammenfasst, bündelt und kodifiziert, statt quantensprungartig aus dem Stand Neues zu schaffen. Gegenüber der begrifflich-überlieferungsgeschichtlichen Verknüpfung von Westfälischem Frieden und Westfälischem System – als vom Mächtegleichgewicht her geordnetem System gleichberechtigter souveräner Staaten – wäre folglich etliche Skepsis anzumelden: die Metapher vom Westfälischen System ist ein schönes Beispiel dafür, was die Simplifizierung und Hypostasierung eines dem Grunde nach vielschichtigen historischen Befundes alles hervorbringen kann.

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BERRIDGE, JAMES: Dictionary of Diplomacy, S.277. Hierzu STRAUMANN: Peace of Westphalia. BEAULAC: Westphalian Model, S. 208ff. STEIGER: Der Westfälische Frieden, S.68. So die Tendenz bei TISCHER: Westfälischer Friede.

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II. Das Westfälische System als lehrgeschichtliches Konstrukt ? Wo es raucht – so der Volksmund – ist nicht nur meist ein Feuer, sondern oft auch einer, der das Feuer legt – und in unserem Fall lässt sich dieser in personam dingfest machen: Leo Gross, Völkerrechtler der Fletcher School of Law and Diplomacy, der zur 300-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens 1948 im American Journal of International Law einen Beitrag veröffentlichte, der als Grundlage für die Entwicklung einer ganzen Gestaltdiskussion angesehen werden kann39, „…Westphalia…“– so Gross „…for better or worse, marks the end of an epoch and the opening of another. It represents the majestic portal which leads from the old into the new world...”40. Eine neue Welt freilich, die nicht als Gemeinschaft der Nationen zu verstehen war, die sich der Herrschaft des Völkerrechts unterordneten: 1648 – so Gross – „…led to the era of absolutist states, jealous of their territorial sovereignty to a point where international law came to depend on the will of states more concerned with the preservation and expansion of their power than with the etablishment of a rule of law41. Die bei Gross im Prinzip der Nonintervention aufscheinende Grundbestimmung staatlichen Handelns – nämlich ihre Selbständigkeit und ihr zentrales Machtmonopol um jeden Preis gegenüber Dritten zu verteidigen und durchzusetzen – scheint dann zu weiten Teilen auch den weiteren Gang der Debatte bestimmt zu haben: Quincy Wright leitete Mitte der 50er Jahre das Interventionsverbot aus der durch 1648 bekräftigten Augsburger Religionsfriedensformel des cuius regio, eius religio ab42, während John Herz Ende der 50er Jahre in einem Werk über Weltpolitik im Atomzeitalter (deutsche Ausgabe 1961) ein Billard-Ball-Modell der internationalen Politik konstruierte, in dem die Begriffstrias von Territorialität, Souveränität und Nonintervention den staatlichen Akteuren gleichsam eine harte Schale verlieh, die sie vor Eingriffen Dritter schützen sollte (und die durch die Politik der nuklearen Abschreckung noch verstärkt wurde). Die Festigkeit des modernen, keiner höheren Gewalt unterworfenen Staates erklärt Hertz aus seiner Schutzfunktion und der damit verknüpften

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Belege in BEAULAC: Westphalian Legal Orthodoxy, S. 149 ff.. Zitat nach BEAULAC: Westphalian Legal Orthodoxy, S. 149. SCHMIDT: Order the Minds of Scholars, S. 610. Belege bei SCHMIDT: Order the Minds of Scholars, S. 613.

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erfolgreichen Sicherung des inneren (Rechts-) Friedens wie der äußeren Unabhängigkeit43: „Wir finden dieses Etwas weder im Rechtsbereich noch im Politischen, sondern vielmehr in jener letzten, tiefsten Schicht, wo der Staat uns sozusagen in seiner physischen Gestalt gegenübertritt: als sich vor uns ausbreitendes Gebiet, das sich zur Selbstbehauptung mit Festungen und sonstigen Befestigungen als dem greifbaren militärischen Ausdruck seiner Staatlichkeit umgibt. Dieses Phänomen möchte ich … als die ‚Undurchdringlichkeit’ oder ‚Undurchlässigkeit’ oder aber einfach als die ‚Territorialität’ des modernen Staates bezeichnen. Mit diesen Ausdrücken soll das Eigentümliche des modernen Territorialstaates erfaßt werden, sein Umschlossensein von einer ‚harten Schale’ des Schutzes gegen Durchdringung von außen her, durch die er sich verteidigen und sich in seinem Verhältnis zu anderen Einheiten wenigstens einigermaßen sicher fühlen konnte. … Da die Staaten keiner höheren Gewalt unterstanden, so konnte es nur ihre eigene territoriale Undurchdringbarkeit sein, die die Grundlage abgab für ihre faktische Unabhängigkeit, ihre äußere Macht, souveräne Gewalt, sonstige Rechte und Ansprüche.“ Sehr schön kann man sich die Essenz dieser Aussage vor Augen halten, wenn man sich etwa eine Karte Frankreichs unter Ludwig XIV mitsamt dem System der Vauban’schen Grenzbefestigungen vorstellt: die harte Schale wird in diesen Werken geradezu physisch greifbar. Allerdings: Vorstellungsbilder wie das Billard-Ball-Modell laufen Gefahr, sich in der wissenschaftlichen Imagination zu verselbständigen, vom historischen Substrat zu lösen, ein Eigenleben zu führen – und dann in einer weiteren Stufe der dialektischen Entwicklung wiederum die Perzeption politischer und historischer Wirklichkeit zu präformieren – ein klassischer Prozess der Konstruktion von Realität, wie er im Konstruktivismus immer wieder thematisiert wird44. Wir können diesen Prozess an einem weiteren Kollegen-Beispiel demonstrieren, das nun die Trennung des metaphorischen Konstrukts Westfälisches System vom historischen Substrat des Westfälischen Friedens definitiv besiegelt: dem 1969 erstmals publizierten, dann mehrfach erneut erschie43 44

HERTZ: Weltpolitik, insbes. S. 26 ff. Hierzu WATZLAWICK: Erfundene Wirklichkeit. Von ähnlich zäher Langlebigkeit wie das Billard-Ball-Modell der internationalen Politik ist das Drei-Ebenen-System zu ihrer Analyse und Erklärung, das Kenneth N. Waltz in seiner 1954 erschienenen Dissertation entwickelt hat: WALTZ: Man, the State, and War.

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nenen und weidlich zitierten Beitrag Richard Falks The Interplay of Westphalia and Charter Conceptions of the International Legal Order45. Dort kontrastiert Falk die westfälische Konzeption internationaler Ordnung – mit ihren Grundelementen der Souveränität, Territorialität und Nichtintervention – mit der UNO-Konzeption, der Betonung internationaler Governance-Strukturen und kosmopolitischer Entwicklungstrends der internationalen Beziehungen und befördert beide zu Modellen internationaler Ordnung „… that can be posited for consideration whether or not they have actually existed…“46! Kurz: die Verweise auf das westfälische System in der wissenschaftlichen Literatur „…have created a relatively robust and well-defined analytical referent. Because it conveys a package of specific ideas about the nature of the international system, the Westphalia concept can be put to a number of uses. Most significantly, it has helped scholars concerned with the study of globalization and growing international interdependence to orient their analyses of the state system and to define their arguments more clearly by serving as a conceptual foil: various incarnations of the Westphalia concept are essentially what interdependence is not, what transnationalism is not, and what integration is not47 Im Boxsport nennt man so etwas einen Sparringspartner, im Geschäftsleben einen Strohmann. Wir bevorzugen zur Bezeichnung dieses intellektuellen Entwicklungsergebnisses in der Auseinandersetzung mit den Folgen von 1648 den Begriff der metaphorischen Hypertrophie ! III. Risse im Monolith – ist die Metapher vom Westfälischen System noch zeitgemäß? Wenn es mit rechten – nämlich sicherheitspolitischen – Argumenten zuginge, müsste das Westfälische System schon längst sein Leben als 45 46 47

FALK: Interplay of Westphalia; zur Einschätzung vgl. SCHMIDT: Order the Minds of Scholars, S. 612 ff. Vgl. ferner auch FALK: Revisiting Westphalia. Zitat nach SCHMIDT: Order the Minds of Scholars, S. 613. SCHMIDT: Order the Minds of Scholars, S. 615.: ferner habe der jeweilige Verweis auf das westfälische Modell erlaubt, „…to draw attention to trends in international politics…“ und der politikwissenschaftlichen Analyse eine Zielgerichtetheit und Kohärenz verliehen, „…that might otherwise (sc. have) been more difficult to convey without the clean package of ideas represented by the concept…“.

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analytische Kategorie der Lehre von den Internationalen Beziehungen ausgehaucht haben – besteht doch der bereits zitierte John Herz 1961 an gleicher Stelle48 darauf, dass die Undurchdringbarkeit ihrer harten Schale es sei, die es rechtfertige, Machteinheiten als politisch unabhängig und rechtlich souverän zu betrachten; unter klassischen Bedingungen stelle Macht die strategische, Unabhängigkeit die politische und Souveränität die juristische Komponente jener Undurchdringbarkeit dar. Diese Prämisse gilt aber nur solange, wie sich der Krieg aussschliesslich in der Horizontalen entfaltet: in dem Moment, in dem sich seit den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges eher zögerlich, im Zweiten Weltkrieg dann umso entschiedener der Luftkrieg (und die Verbindung von Luft- und Panzerwaffe) zum Vorläufer moderner Massenvernichtungswaffen entwickelte, war die Undurchdringbarkeit der harten Schale des Hertz’schen Billardballs in Frage gestellt – und gänzlich aufgehoben wurde sie durch die Entwicklung der modernen Interkontinental-Raketentechnik mitsamt ihrer Fähigkeit, nukleare Sprengköpfe punktgenau ins Ziel zu bringen49. Allerdings: trotz gelegentlicher entschiedener Versuche, den Geist des Westfälischen Systems mittels Exorzismus aus der Politikwissenschaft zu vertreiben50, zeigt eine kursorische Durchsicht neuerer Lehrbücher, dass er sich weiterhin im Gewande von Erörterungen über den Staat als (Haupt-)Akteur internationaler Politik im Fach behauptet51. Und selbst Veröffentlichungen, die die Weltpolitik schon seit langem erfolgreich aus der Perspektive der Globalisierung angehen52, sehen in den überkommenen normativen Grundsätzen des Westfälischen Systems – insonderheit der Doktrin der Staatssouveränität und Nichtintervention – die normative Grundstruktur, die Verfassung der modernen Weltordnung: Territorialität, Souveränität, Autonomie und Selbstbestimmung – all das kommt uns sehr bekannt vor, nur der Begründungszusammenhang variiert ein wenig: „… it was only in the twentieth century, as global empires collapsed, that sovereign statehood and with it national selfdetermination finally acquired the status of universal organizing

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HERTZ: Weltpolitik, S. 27f. Gelungene knappe Übersicht bei JORDAN: Air and Space Warfare. Vgl. KEGLEY, RAYMOND: Exorcising. Paradigmatisch RUSSETT, STARR et al.: World Politics, S. 53 ff; KEGLEY, BLANTON: World Politics, S. 12 ff.. BAYLIS, SMITH et al.: Globalization of World Politics.

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principles of world order. ...the Westphalian Constitution by then had come to colonize the entire planet...”53 Der Wissenschaftsbetrieb in der Lehre von den Internationalen Beziehungen – ein Skriptorium wie das aus Umberto Eco’s Name der Rose54?? Dem wäre denn nun doch entgegenzuhalten, dass in mehr als einer Hinsicht Westfälisches System und Garantie der Freiheit der gesellschaftlichen Eigenentwicklung gegen Dritte durch Interventions- und Gewaltverbot analytisch notwendige Korrelate jenes Gleichgewichts des Schreckens waren, das sich in den Jahrzehnten des Kalten Krieges zwischen den beiden grossen Machtblöcken ausgebildet hatte. Ein Gleichgewicht, dessen Funktionieren zumindest im euro-atlantischen Raum der gegenseitigen Anerkennung der Besitzstände ebenso bedurfte wie des seit der Kuba-Krise mehr und mehr einvernehmlichen Einfrierens, Abschleifens oder Einebnens von Konfliktanlässen und Interessendifferenzen im Prozess der kooperativen Rüstungssteuerung, der KSZE und der MBFR. Jene Entwicklungen mögen ursächlich dazu beigetragen haben, aus dem naturzuständlich – anarchischen, vom Sicherheitsdilemma beherrschten Staatensystem der vierziger und frühen fünfziger Jahre eine (völker-) rechtlich verfasste internationale Staatengesellschaft zu formen, deren Triebkraft nicht mehr das nullsummenspielartige Konkurrenzverhalten ihrer Akteure war, sondern die Bündelung von je einzelstaatlich immer schwieriger umzusetzenden Interessen zur gemeinsamen Hand: Entwicklung kooperativer Lösungen für Gemeinschaftsprobleme in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft55. Man kann diese Entwicklung eher funktionalistisch (als Ergebnis von Sachzwängen moderner Industriegesellschaften und der Entwicklung der Produktivkräfte) oder eher intergouvernementalistisch deuten (als bewußte, die je nationalen Interessen durchaus im Blickfeld haltende Willensentscheidung der Staaten). Ihr Kennzeichen ist in beiden Fällen die Entwicklung eines Korpus von Verhaltensregeln für die internationale Staatengesellschaft, die abstellen auf Vertrauensbildung und Verlässlichkeit des künftigen internationalen Akteurshandelns als Entscheidungsparameter für das Akteurshandeln in der Gegenwart. In diesem Kontext kommen den bekannten Prinzipien des Westfälischen Systems – Gleichrangigkeit der Akteure, Interventions- und Gewaltverbot - ein-

53 54 55

BAYLIS, SMITH et al.: Globalization of World Politics. ECO: Name der Rose, Erster Tag: Nach Nona. Übersicht: MEYERS: Theorien internationaler Verflechtung.

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deutige Funktionen zu: nämlich jene Staatengesellschaft flankierend zu stützen, die sich zwar nicht immer, aber doch immer öfter der rationalen und kooperativen Lösung ihrer Probleme im Sinne der gegenseitigen Anerkennung wie des konstruktiven Ausgleichs ihrer Interessendifferenzen zuwendet. Unsere Argumentation hat bislang eine top-down – Perspektive vorausgesetzt, die das Westfälische System von 1648 nicht grundsätzlich in Frage stellt. Problematisch wird es für seine Rolle als analytische Leitinstanz der Internationalen Beziehungen allerdings dann, wenn man die Gesamtheit neuerer weltgesellschaftlicher Transformationsphänomene ins Auge fasst, die sich knapp mit dem Stichwort von der „Entgrenzung der Politik“56 belegen lassen – in aller Kürze: 1) Entstehung, Ausbreitung und Ausdifferenzierung der verschiedenen Erscheinungsformen der Globalisierung – verstanden als Sieg der Zeit über den Raum, verstanden aber auch als erfolgreiche Durchlöcherung und Infragestellung klassischer Grenzziehungen durch moderne Transport- und Kommunikationsmittel sowie die von diesen verbreiteten einheitlichen Lebenserwartungen und Konsumstile: Macdonaldisierung ebenso wie die Madonnisierung der Weltgesellschaft57; 2) Veränderungen der Kriegführung durch den Wandel klassischer zwischenstaatlicher zu asymmetrischen Neuen Kriegen [typischerweise ausgefochten zwischen staatlichen Kombattanten einerseits und Freischärlern, Guerillas oder Warlords andererseits], verstanden als Privatisierung und Kommerzialisierung des staatlichen Gewaltmonopols, Entwicklung dauerhafter Kriegsökonomien und Vernetzung dieser mit organisierter Kriminalität und globalisierter Schattenwirtschaft 58; 3) Veränderungen der Perzeption und der Begrifflichkeit von Sicherheit, verstanden als Entterritorialisierung, Funktionalisierung und Individualisierung eines erstrebenswerten gesellschaftlichen Zustandes, zum ersten Mal deutlicher greifbar im Human Development Report der Vereinten Nationen von 199459. 56 57 58 59

ALBERT et al.: Entgrenzung. Übersicht: SCHIRM: Globalisierung; immer noch nützlich: WATERS: Globalization. Übersicht: MEYERS: Krieg und Frieden Übersicht bei KERR: Human Security; grundlegend KALDOR: Human Security. Mit dieser Entwicklung weitet sich der Sicherheitsbegriff, wird mehrdimensional, erstreckt sich auf Aussen-, Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt-, Entwicklungs- und Sozialpo-

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Die Essenz all dieser Entwicklungen läuft schon lange auf eine Überwindung des Nationalstaats als des alleinigen oder hauptsächlich bedeutsamen Akteurs der internationalen Politik hinaus – er erhält mächtige Konkurrenz, die es sich leisten kann, ihn zu unterlaufen, ihre Geschäfte an ihm vorbei zu betreiben oder ihn schlichtweg zu ignorieren60. Diese neuen Akteure der internationalen Beziehungen – die in aller Regel keinen staatlichen Status beanspruchen können, gleichwohl aber in vielen Fällen mächtiger sind als Klein- und selber gar Mittelstaaten – lassen sich mit den Kategorien des überkommenen Westfälischen Modells nicht mehr fassen. Aus unserer Perspektive vielleicht noch wichtiger: die Zerfransung, wenn nicht gar Auflösung des klassischen staatlichen Gewaltmonopols. Seit dem Ende der Kolonialreiche in den fünfziger und sechziger Jahren des 20.Jahrhunderts tritt mehr und mehr an die Stelle des klassischen zwischenstaatlichen Krieges als zeitlich begrenzter Eruption organisierter Gewalt, nach Clausewitz gipfelnd in der Entscheidungsschlacht zur Niederringung des Gegners, der langdauernde Bürgerkrieg in der Form des low intensity conflict oder low intensity warfare. Aus einem Instrument der Durchsetzung staatlichen politischen Willens, der Realisierung staatlicher politischer, territorialer, ökonomischer, weltanschaulicher Interessen wird der Krieg zu einer Form privatwirtschaftlicher Einkommensaneignung und Vermögensakku-

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litik neben dem Bereich des genuin Militärischen (läuft damit allerdings auch Gefahr, überfrachtet und überlastet zu werden). In der Summe dieser Entwicklungen nimmt die Bedrohung der Staaten durch staatliche Akteure ab, durch gesellschaftliche hingegen zu – und damit eröffnet sich ein Reaktionsdefizit, weil sich zeigt (im Irak, in Afghanistan, im Sudan, in Subsahara-Afrika), dass militärische Maßnahmen komplexe gesellschaftspolitische Probleme nicht lösen können. Der 11. September 2001 demonstriert diese Lücke besonders deutlich – entstaatlichte, privatisierte, ubiquitäre terroristische Gewalt wirkt nicht zuletzt deshalb so bedrohlich, weil die Staaten sie im Großmaßstab nur durch neue Stellvertreterkriege – oder präziser: Kriege gegen die Stellvertreter, Unterstützer, Sympathisanten, aber kaum gegen die eigentlichen Urheber terroristischer Gewalt – bekämpfen können. Ob sie dabei immer die Richtigen treffen, wollen wir hier und jetzt nicht entscheiden: Afghanistan zumal gibt zu erheblichen Zweifeln Anlass. Die Vereinten Nationen zählen derzeit 192 Staaten als Mitglieder. Demgegenüber stehen ca. 82.100 internationale Konzerne mit knapp 810.000 nationalen Filialen – manche von ihnen mit einem grösseren Jahresumsatz als dem BSP des Ölstaats Norwegen (und natürlich auch mit einer Beschäftigtenanzahl, die die der Mitarbeiter des norwegischen öffentlichen Dienstes bei weitem übertrifft). Wir zählen derzeit 240 IGOs – regierungsamtliche Internationale Organisationen von der UNO bis zur Internationalen Kaffeeorganisation: denen gegenüber stehen ca. 7.600 INGOs – nichtregierungsamtliche Internationale Organisationen von Amnesty International bis zur World Alliance of Baptists und etwa 10.000 NGOs mit Sitz und vorwiegendem Betätigungsfeld im Sitzland. Zahlen nach BAYLIS, SMITH et al.: Globalization of World Politics, S.328.

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mulation, zu einem Mittel klientelistischer Herrschaftssicherung und semi-privater Besetzung und Behauptung von nur unter den besonderen Bedingungen einer spezifischen Kriegsökonomie überlebensfähigen Territorien, Enklaven, Korridoren, Kontrollpunkten. In einer Gemengelage von privaten Bereicherungs- und persönlichen Machtbestrebungen, Interventionen Dritter zur Verteidigung bestimmter Werte, aber auch zur Durchsetzung je eigener Herrschafts- und Ausbeutungsinteressen, der gegenseitigen Durchdringung und Vermischung kriegerischer Gewalt und organisiertem Verbrechen verliert der klassische Staatenkrieg seine überkommenen Konturen. Partisanen- und Guerillaaktionen, Selbstmordattentate, terroristische Gewaltexzesse unterlaufen die Trennung von Schlachtfeld und Hinterland, von zivilen und militärischen Zielen. Die Ausbildung eines „Lumpenmilitariats“ („tagsüber Soldaten, in der Nacht Gangster“) durchdringt die Trennlinie zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. Das Miteinander bewaffneter Kämpfe, fragiler Kompromisse und Waffenstillstände, und erneuter bewaffneter Auseinandersetzungen hebt die zeitliche Unterscheidung von Krieg und Nicht-Krieg auf. Das genuin Neue an dieser Welt reprivatisierter Gewaltanwendung ist allerdings nicht so sehr das Aufeinandertreffen staatlicher und nichtstaatlicher, gesellschaftlicher Gewaltakteure im selben Raum- und Zeithorizont. Sondern die Fähigkeit lokal agierender Rebellen, Condottiere, Warlords, Kriegsunternehmer, ihr Handeln durch effiziente Nutzung globalisierter Relationen und Prozesse zu optimieren und entweder Formhülsen der Staatsgewalt wie moderne Freibeuter zu kapern oder staatsfreie Räume einzurichten und zu behaupten, die einer informellen Ökonomie und der organisierten Kriminalität den zur Finanzierung des Krieges notwendigen Freiraum verschaffen61. In Abwandlung jenes berühmten Zitats des Generals von Clausewitz: der Krieg ist nicht länger mehr die Fortsetzung des politischen Verkehrs, sondern die Fortsetzung des Beutemachens unter Einmischung anderer Mittel! An der Fortdauer eines solchen (Bürger-)Kriegszustandes haben viele Akteure ein eigensüchtiges materielles Interesse – die Konfliktforschung fasst sie seit einigen Jahren unter dem Begriff „spoiler“ – Spielverderber. Sie machen nicht nur den humanitären NGOs das Leben schwer und tragen das Ihre zur Entwicklung fragiler Staatlichkeit wie zum Staatszerfall bei62 . Sie sind auch der Schlusspunkt in einer Debatte, die seit Ende des Ost-West-Konflikts eine Wandlung des Sicherheitsbegriffs konstatiert – und dies gleich in mehrfacher Hin61 62

Belege in MEYERS: Krieg und Frieden. SCHNECKENER: Fragile Staatlichkeit.

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sicht: Durch Setzung einer Schutzverantwortung für einzelne Personen – responsibilty to protect: R2P – die als Verwirklichungsbedingung menschlicher Sicherheit neben die überkommene Vorstellung von der Sicherheit des Staates63 tritt. Und durch die Entterritorialisierung des Gegenstandes der Bedrohungswahrnehmung: mit Blick auf die weltumspannenden Aktivitäten und Wirkungen des internationalen Terrorismus ist der Ort, von dem eine (immer noch vorwiegend militärisch verstandene) Bedrohung eines Staates ausgeht, nicht länger im Voraus zu lokalisieren64. IV. Internationale Beziehungen zwischen Prä- und Post-Westfalia ? Welche Konsequenz ziehen wir nun aus all dem für unsere Fragestellung ? Das staatenzentrische Westfälische System scheint angeschlagen, aber noch nicht ausgezählt: die ehedem in der Verkettung von Staat und Krieg, bewaffneter Selbsthilfe zur Durchsetzung eigener Partikularinteressen und rüstungswettlaufgenerierendem Sicherheitsdilemma sich manifestierende historische Logik politischer Unvernunft65 nicht immer, aber immer öfter von den sich ausbildenden Institutionen einer rechtlich verfaßten Staatengesellschaft in die Schranken gewiesen. Die Suche nach einem für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiß durch Friedensdiplomatie, Verhandlung und Kongreßwesen, der Rekurs auf das (Völker-) Recht als Instrument zur Regulierung und Lösung inner- wie zwischenstaatlicher Konflikte, die Kontrolle des Machtstrebens und der Machtausübung der Akteure durch die Anerkennung gemeinschaftlicher Interessen, selbstbindender Verhaltensregeln und Normen, die schon im aufgeklärten Eigeninteresse die Erwartungsverläßlichkeit des Akteurshandelns in der internationalen (Rechts-) Ordnung garantieren: all diese Entwicklungen lassen – nicht zuletzt seit 1992 gestützt von der Agenda für den Frieden der Vereinten Nationen – das überstaatliche Konzept einer auf Recht und Vereinbarungen beruhenden internationalen Ordnung je länger desto intensiver hervortreten. Freilich verläuft dieser Prozeß – der auch als Zivilisierung der internationalen Beziehungen durch Verrechtlichung des Konfliktaustrags66 begriffen werden kann – nicht ohne Brüche und Rückschläge. Kooperative Konfliktbearbeitung schlägt immer wieder einmal um in 63 64 65 66

Greifbar in der Unversehrtheit seines Territoriums und in der Garantie seiner ungestörten gesellschaftlichen Eigenentwicklung. VARWICK: Humanitäre Intervention. KRIPPENDORF: Staat und Krieg. RITTBERGER, ZANGL et al.: Internationale Organisationen.

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Konkurrenz und Feindschaft, gesellschaftlichen Antagonismus und militärische Gewaltanwendung. Als Bauprinzipien oder Gestaltungselemente einer internationalen Ordnung konkurrieren miteinander Konflikt und Kooperation; bewaffnete Selbsthilfe der Staaten und auf dem Prinzip kollektiver Sicherheit fußendes Kriegsverbot; hierarchisch-vertikale Koordination der Akteure durch einen Hegemon im Geflecht einseitiger Abhängigkeiten und horizontale Selbstkoordination der Akteure im Netzwerk gegenseitiger RegulierungsInterdependenzen. Der gesellschaftliche Systemkonflikt des Kalten Krieges vermittelte sich auf der zwischenstaatlichen Ebene durch eine duopolistisch strukturierte, auf nukleare Abschreckung, gesicherte Zweitschlagsbefähigung der Hauptakteure und systemstrukturstabilisierendes Konfliktmanagement der Blockvormächte gestützte organisierte Friedlosigkeit67 Die internationale Gesellschaft der Nach-KaltenKriegs-Ära ist bislang hauptsächlich charakterisiert durch eine Mischverfassung, die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten: durch den Wettbewerb eines polyzentrischen, auf Einvernehmen der Beteiligten, kollektive Entscheidungsprozesse und geteilte Souveränitäten gestützten, sich allmählich vor allem in der internationalen Zivilgesellschaft ausdifferenzierenden Systems der Global Governance68 und der Weltordnungspolitik einerseits, eines auf die kompetitive Kooperation der Großmächte und Regionalverbände gestützten, im Prozeß von Macht- und Gegenmachtbildung, von Hegemoniestreben und Machtbalance bestenfalls ein „ ... kooperatives Gleichgewicht (unter Beimischung konfrontativer Mittel) ...“,69 verwirklichenden Systems der inter-regionalen Ordnung andererseits. Inwieweit diese sehr langfristigen Tendenzen durch nicht-westfälische Mavericks von Al Khaida bis Lehman Bros. In andere Richtungen gelenkt werden, bliebe abzuwarten. Dabei bildet die Dringlichkeit der Suche nach Modellen einer gelingenden internationalen Ordnung seit 2001 den paradigmatischen Vorbildcharakter des Westfälischen Friedens vor dem Hintergrund des Auseinanderfallens der Machtblöcke, der visionären Beschwörung eines Kampfs der Kulturen (Huntington), und den Bemühungen um die Einhegung sehr realer ethnonationalistischer und fundamentalistischer Konflikte umso plastischer ab. Mit seinen Grundzügen der Säkularisierung des Politischen, der Bindung staatlicher Herrschaft und Kompetenz an ein je beschreibbares, exclusives Territorium, der Verknüpfung und Verdichtung von Herrschaftsrecht, Gewaltmono67 68 69

SENGHAAS: Abschreckung und Frieden. ROSENAU: Domestic-Foreign Frontier. Locus classicus dieser Debatte: ROSENAU, CZEMPIEL: Governace without Government. LINK: Neuordnung.

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pol, Kompetenz-kompetenz, Souveränitätsprinzip und Nichteinmischungs-gebot zum staatsrechtlichen Wesenskern des gegenüber Gleichen Handlungs-autonomie beanspruchenden neuzeitlichen internationalen Akteurs, schließlich mit seinem Verweis auf die aus gegenseitiger Selbstbindungsbereitschaft der Staaten abgeleitete, eben dort aber auch ihre Grenzen findende Rechtsförmlichkeit des internationalen Verkehrs stellt das System von Münster und Osnabrück den Ausgangspunkt für die Formulierung von Antworten auf die Frage, wie es unabhängigen Staaten gelingen kann, als Mitglieder eines Systems, an dessen Erhaltung alle ein Interesse haben müßten, ihre Interessen so zu verfolgen und so durchzusetzen, dass weder das System selbst noch seine Einzelakteure dabei grundlegend beschädigt werden. Freilich – schon eine kursorische Übersicht der Geschichte der Internationalen Beziehungen seit 1648 zeigt, daß ihr Bewegungsmoment unter dem Dach der sich ausbildenden staatenüberwölbenden Rechtsordnung doch die Dialektik von Konflikt und Kooperation blieb70. Solange die Staaten als Hauptakteure dieses Prozesses auftraten, war die Fortgeltung der Grundprinzipien des Westfälischen Systems nicht zu bestreiten. In dem Maße allerdings, in dem die traditionelle staatenzentrische Ordnung in Frage gestellt wird • zum einen durch grenzüberschreitende, wenn nicht kontinentübergreifende Prozesse der Modernisierung, Industrialisierung, Demokratisierung und des damit verbundenen sozialen Wandels, m.a.W. durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse, die einen „…Ausbruch des Politischen aus dem kategorialen Rahmen des Nationalstaats…“71 vermitteln • zum anderen durch die Entgrenzung der Staatengesellschaft in der Folge von Prozessen der Verregelung und Institutionalisierung internationaler Beziehungen, der Ausbildung transnationaler Interessenkoalitionen in der Situation des Regierens ohne Staat, der Entwicklung inter- und transgouvernementaler Politikverflechtungen und von Mehrebenen-Systemen des Regierens in staatenüberwölbenden Zusammenhängen72 70 71 72

Hierzu immer noch klassisch HINSLEY: Power and the Pursuit of Peace. BECK: Was ist Globalisierung?, S.13. Ohne Zweifel ein analytisches Modell, das das Westfälische System als neue Orthodoxie internationaler Analysen ablösen könnte. Hierzu kursorisch ZÜRN: Regieren. Grundsätzlicher BENZ: Politik in Mehrebenensystemen; BENZ: Governance; schließlich BENZ, LÜTZ et al.: Handbuch Governance. Weiter gespannt zu den unterschiedlichen europäischen Perspektiven KOHLER-KOCH, LARAT: European Multi-Level

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• in dem Maße wäre zu prüfen, ob die Frage nach den Grundbedingungen einer internationalen Ordnung so, wie sie im Anschluß an den Westfälischen Frieden immer wieder gestellt wurde, heute noch gestellt werden kann. Unsere These heißt, daß der Dialektik von Konflikt und Kooperation eine Dialektik von Verflechtung und Entgrenzung zur Seite, wenn nicht gar entgegen tritt. Denn die sowohl mit dem Phänomen der Verflechtung als auch mit dem Phänomen der Entgrenzung verknüpfte Beschädigung der harten Schale, der inneren und äußeren Handlungsfreiheit des Nationalstaats klassischer westfälischer Prägung torpediert nicht nur seinen Anspruch auf die Hauptrolle im Spiel der internationalen Politik, sondern läßt ihn als Baustein einer gelingenden internationalen Ordnung allenfalls noch in arbeitsteiliger Kooperation mit anderen taugen. Angeschlagen, aber noch nicht ausgezählt….

Governance; und SCHUPPERT: Governance Forschung.; schliesslich BOTZEM et al.: Governance als Prozess.

Podiumsdiskussion HILFE UND SOFORTHILFE AUS DER PERSPEKTIVE DER CHRISTLICHEN SPIRITUALITÄT Thomas Dienberg Christliche Spiritualität leben bedeutet ‚Einmischung’ Der Heilige Franz von Assisi war kein Mann des Wortes, er war ein Mann der Tat. Weniger die hinterlassenen Briefe und Fragmente, vielmehr das, was er getan hat, wirkt bis heute nach und zieht noch immer weltweit Kreise. Doch auch seine Briefe, schaut man einmal genauer hin, haben es in sich. Er schreibt u. a. Briefe an die Lenker der Völker, die Politiker und Staatsmänner, an alle Gläubige, an die Kleriker und an seine Brüder.1 Er fühlt sich berufen, sich mit seinen Anliegen an alle zu wenden, auch an die Mächtigen, die damals die Geschicke der Welt in ihren Händen hielten, für den kleinen Bettelbruder aus Assisi eigentlich unerreichbar. An seiner Person wird deutlich, dass aus der christlichen Perspektive, Diplomatie hin oder her, ein „Sich-Heraus-halten“ nicht die Haltung einer gelebten christlichen Nachfolge sein kann, nicht für Franziskus, und auch nicht für den Christen heute. Das gilt in politischer, in kirchlicher, in gesellschaftlicher und vor allem auch humanitärer Hinsicht. Zeit seines Lebens wendet Franziskus sich den Menschen zu, die nichts haben und nichts gelten, um ihnen Würde, Leben und Heil zurückzugeben. Gleiches verlangt er von seinen Brüdern bis heute. Ein solches Handeln liegt ganz einfach in der Tatsache begründet, dass es für ihn keine größere Liebe gibt, als die Gottes zum Menschen. Gott ist Mensch geworden und in die Welt gekommen. Diese Tatsache bewegt Franziskus so sehr, dass er nicht anders kann als eine bedingungslose Liebe für den anderen, für alles, was existiert, zu leben. Der Sonnengesang, das wohl am häufigsten übersetzte und transformierte Lied des Mittelalters, oft romantisierend falsch verstanden, legt beredt davon Zeugnis ab. Weil 1

Vgl. LEHMANN, BERG: Franziskus-Quellen.

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der Mensch wie alles andere auf der Welt geschaffen ist, ist er zutiefst mit allem verwandt und hat eine Verantwortung für den anderen. Alles, was ist, ist ihm Bruder, Mutter, Schwester. Und das impliziert, sich nicht herauszuhalten, wenn Menschen unterdrückt werden, wenn Menschen ein liebendes Antlitz fehlt, wenn Menschen Not leiden. Die amerikanische Theologin Elio Delio formuliert es, kurz auf den Punkt gebracht, wie folgt: „Just as Francis realized that God has humbly bent over in love to embrace us in the humility of the incarnation and in the charity of the Passion, so too he realized that the suffering of humanity and all creation could only be lifted up through solidarity in love.“2 Eine Solidarität in Liebe ist das einzige, das das Leiden der Menschheit und der Schöpfung wirklich aufhebt. Solidarität meint dann nicht einfach nur ein vages Gefühl von Mitleid oder Bedauern, es ist keine oberflächliche Rührung, versehen mit dem Impuls helfen zu wollen. Sie ist eine Haltung tiefer Mitmenschlichkeit, sich für den anderen und die Welt einzusetzen. Nicht die Willenserklärung oder das sentimentale Gefühl stehen im Vordergrund, sondern die Fähigkeit, sich selbst mit den je eigenen Möglichkeiten einzubringen. Solidarität im christlichen Sinne entspricht einer Handlungskategorie in Form gelebter Beziehung. „Solidarität ist die Fähigkeit (Kompetenz) eines Menschen, sich für das Gemeinwohl und darin für eine gerechtere Verteilung der Lebenschancen (wie bewohnbare Welt, Nahrung, Wohnen, Familiengründung, freie Erziehung, Bildung, Arbeit, gemeinsame öffentliche Religionsausübung) stark zu machen.“3 Der ureigene Ort der Solidarität liegt also in einer Mangelsituation, die aktiven Einsatz erfordert. Gerechtigkeit und Liebe sind dabei die Antriebsfedern. Das unbedingte Ja Gottes zum Menschen gilt es, um mit den Worten von Teilhard de Chardin zu sprechen, sich zu eigen zu machen, „und es insbesondere denen zuzusprechen, denen es sonst vorenthalten bliebe, den Armen. […] Darin erschließt sich, was es heißt, als Geschöpf Gottes zu leben, was wiederum dem Leben in der Nachfolge Jesu entspricht. Beides meint nichts anderes, als ernst zu machen mit der Entdeckung, dass die unbedingte Solidarität mit den Armen – als den Menschen, in denen das Menschsein als solches ‚auf dem Spiel steht’ – der ‚Ort’ Gottes in der Geschichte ist, und deshalb auch die eigene christliche Lebensgestaltung, das eigene Handeln, diesen ‚Ort’ als Standort wählen und von dort ausgehen muss, wie es das Lebenszeugnis Jesu vorgibt.“4 Die Armen sind der Ort Gottes in der Ge-

2 3 4

DELIO: Franciscan View, S. 10. ZULEHNER: Solidarität, S. 54. HEIMBACH-STEINS: Gottes Option, S. 10.

Perspektive der christlichen Spiritualtität

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schichte, das hat Franziskus für sich bereits als junger Suchender entdeckt. Er begegnet einem Aussätzigen, jemandem, der in aller Öffentlichkeit für tot und berührungsunwürdig erklärt worden ist, und gibt ihm nicht nur ein Almosen, vielmehr umarmt er ihn und küsst ihn. Er sieht in ihm einen Menschen, der nach Begegnung, nach Beziehung, nach tiefer Solidarität ruft. Er sieht in ihm den liebenden Blick Jesu. Und er gibt ihm das zurück, was ihm abgesprochen wurde: Würde. Gleichzeitig aber macht sich Franziskus daraufhin auch auf den Weg, den vielen Aussätzigen mit Rat und Tat, mit Gaben und im Mitleben zu helfen. Das meint Solidarität, Antwort auf eine Mangelsituation, die nicht nur nach Hilfe schreit, die nach Hilfe mit Antlitz ruft. Und das ist mehr, als nur Essen zu verteilen oder Wunden zu pflegen. Das verlangt von demjenigen, der hilft, seinen ganzen Einsatz, seine ganze Person. Christliche Solidarität ist das Bekenntnis zum Menschen und zu einem Gott, der aus Liebe mit den Menschen, besonders mit den Armen, solidarisch wurde. Solidarität ist von daher zum Leben in einer Weltgemeinschaft notwendig und unerlässlich.5 Nicht nur Franziskus legt von diesem Verständnis menschlicher Solidarität Zeugnis ab. Die christliche Spiritualitätsgeschichte, insbesondere auch die Mystiker, betonen diesen Zugang zur Welt als den einzig gangbaren und als notwendigen Schritt. Je mehr ein Mystiker in seiner persönlichen Beziehung zu Gott vorangeschritten ist, umso mehr fühlt er sich gedrängt, die erfahrene Liebe in der Welt in Solidarität umzusetzen. „Caritas Christi urget me!“ Der Mystiker kann nicht anders als von der erlebten Liebe mitzuteilen: in der Liebe zum Nächsten, im Weltauftrag des Christen. So ist der Mystiker, der Gott liebende und suchende Mensch, kein Entrückter und kein Ekstatiker, der nur sich und sein Glück auf der Himmelsleiter seinem Gott entgegen sucht. Er ist hingegen einer, der Gott in allen Dingen sieht und sich seiner tiefen Verantwortung und Solidarität mit der Schöpfung bewusst ist. Hildegard von Bingen steht als klausurierte Nonne in engem Kontakt zum Papst, dem sie wertvolle Hilfestellungen und Kritik entgegenbringt. Bernhard von Clairvaux, ein tiefer ‚Brautmystiker’ handelt extrem politisch, indem er – aus unserer Perspektive heute unverständlich – zum Kreuzzug ins Heilige Land aufruft. Der hl. Do5

Schon das Vatikanum II hat das in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts sehr deutlich betont: „Zum Aufbau einer internationalen Ordnung, in der die rechtmäßigen Freiheiten aller wirklich geachtet werden und wahre Brüderlichkeit bei allen herrscht, sollen die Christen gern und von Herzen mitarbeiten, und das um so mehr, als der größere Teil der Welt noch unter solcher Not leidet, dass Christus selbst in den Armen mit lauter Stimme seine Jünger zur Liebe aufruft.“ (Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, 88, in: RAHNER, VOGRIMLER: Konzilskompendium, S. 547f.)

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minikus versucht, in den Auseinandersetzungen zwischen Katharern und dem Papst zu vermitteln. Elisabeth von Thüringen verschenkt all ihr Hab und Gut und widmet sich den Armen und Kranken. Charles de Foucauld geht in die Wüste, um Gott im Antlitz des Armen zu entdecken. Unzählige Beispiele unterstreichen die enge Verbindung von Mystik und Politik, von Gottessuche und liebender Solidarität mit den Menschen. In jüngerer Zeit ist vor allem der zweite UN-Generalsekretär Dag Hammerskjöld (1905–1961) zu erwähnen, der aus seiner Gottverbundenheit keinen Hehl machte. Aus einer tiefen Spiritualität gestaltete er seine verantwortliche Aufgabe in einem Weltgeschehen, das bedroht war von Hunger, Krieg und Tod. Er selbst schließlich verlor sein Leben in diesem Dienst bei einem Absturz seines UNFlugzeugs in Afrika. „Weltverantwortung aus Nächstenliebe übernehmen und tragen ist geradezu ein Lebensgesetz all jener, die Gottes Liebe am tiefsten erfahren haben und sich nun gedrängt fühlen, sie durch Zuwendung zur Welt aufs großherzigste zu erwidern. Gottförmig geworden, vertreten sie in gewisser Weise Gott selber in den Nöten ihrer Zeit und wirken als Zeugen und Fanale, als Wolken- und Feuersäule für das Volk Gottes bei seiner Wüstenwanderung zum endgültig ewigen Ziel.“6 Das Schlagwort der 70er und 80er Jahre ‚Mystik und Politik’ hat noch einmal etwas Selbstverständliches zum Ausdruck gebracht, nämlich, dass sich diese beiden Dimensionen in einer gelebten christlichen Spiritualität nicht von einander trennen lassen. Sie gehören zusammen. Christliche Spiritualität lässt sich provozieren und provoziert Im vierten Jahrhundert hat der römische Kaiser Julian erkannt, dass der Erfolg der christlichen Mission von ‚ihrem’ sozialen Engagement getragen war, und er unterstellt ihr gezieltes Kalkül dabei. So beklagte der Kaiser unter anderem: „Wir sollten doch einsehen, dass die Gottlosigkeit (das Christentum) nur deshalb Boden hat gewinnen können, weil sie sich liebevoll um Fremde gekümmert oder auch für die Bestattung Friedhöfe besorgt hat, ganz zu schweigen von ihrer strengen Lebensführung, einerlei ob sie bloß äußerlich war oder nicht!“7 Oder an anderer Stelle: „Sooft die Armen den Eindruck haben, von Priestern nicht beachtet zu werden, sehen das die gottlosen Galiläer sofort und nutzen die Gelegenheit zur Wohltätigkeit.“8 Unterstellt wird den

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GORDAN: Mystik, S. 111. Zitiert nach: MARKSCHIES: Das antike Christentum, S. 128. MARKSCHIES: Das antike Christentum, S. 128.

Perspektive der christlichen Spiritualtität

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Christen Kalkül, Kapitalerweiterung, sie ziehen die Armen über den Tisch. Doch sprechen die frühen Gemeindeordnungen eine andere Sprache. Es lag in der Natur ihrer Spiritualität, überall dort hilfreich zu sein, wo Menschen, egal welcher Nationalität und Religion, ihre Hilfe brauchten. Ob nun etwas dabei heraussprang oder nicht, ob man Gewinne erzielen konnte oder nicht – darum ging es nicht. Sicherlich vermischten sich auch die Ideale, doch Jesus spricht: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Ist das Christentum noch die Kontrastgesellschaft, die sie einmal gewesen ist, vor der ein Kaiser Julian sich im vierten Jahrhundert gefürchtet hat? Wo ist der Glaube an die Kraft des eigenen Kapitals, wo ist da das Glaubenskapital? Die provozierende Spiritualität? Gelebte Spiritualität ist schon immer eng verbunden nicht nur mit der Politik und politischem Handeln zum Wohle des Gesamten, es ist nicht nur solidarisches Handeln mit den Ärmsten der Armen, es ist immer auch verbunden mit konkreter Hilfeleistung und dem Dienst an den anderen. In der langen Geschichte christlicher Spiritualität gab es manche Fehlentwicklungen: ein Verständnis von Mission, das Konversion mit Zwang oder materiellen Vorteilen verband; die unheilige Verbindung von Glaubenseifer und Gewalt; die Trennung von Geistlichen und dem Volk, die als Anfänger im geistlichen Leben betrachtet wurden; eine schematisierte Frömmigkeit, in der es um die Verdienste des einzelnen für den späteren Himmel ging und der andere als Mittel zum Zweck betrachtet wurde. Doch es gab und gibt auch die anderen Seiten: eine Spiritualität, die sich durch die Zeichen und Nöte der Zeit herausfordern lässt und handelt, ohne groß zu diskutieren und zu überlegen, ohne die Mächtigen der jeweiligen Zeit um Rat zu fragen und auch sich durch Konventionen, Souveränität von Staaten und andere Regelungen nicht beirren zu lassen. Entgegen einem Missverständnis: Mission steht im Dienst an den Menschen Das betrifft auch das Missionsverständnis der Kirchen. Der heilige Franziskus ist in seinen Gedanken dazu einzigartig, und er vermag in der Diskussion um Hilfe einen ganz wichtigen Aspekt aufzuzeigen, der aus seiner Sicht mit der Verkündigung des Glaubens Hand in Hand einhergehen muss: Hilfe, Zeugnis und Hilfe zur Selbsthilfe. Franziskus lebt in einer Zeit, die von den kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen den Ständen in den Städten geprägt ist. Er lebt in einer Zeit, in welcher Ruhm und Ehre, Kampf und Sieg in der Ferne gesucht werden, konkret in der Befreiung Jerusalems, in den

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Kreuzzügen ins Heilige Land. Franziskus tut es den vielen, die sich den Aufrufen des Papstes und der Bischöfe anschließen, gleich. Auch er pilgert ins Heilige Land und nimmt an einem Kreuzzug teil, aber auf so ganz andere Weise, als viele, die mit ihm auf dem Wege sind, es tun oder auch erwarten. Davon zeugt die bekannte Erzählung der Begegnung von Franziskus mit dem Sultan vor Damiette. Gleichzeitig macht er dort Erfahrungen, die sich in seinen Schriften wiederfinden lassen, er ist beeindruckt von der Gläubigkeit der Muslime und ihrer Ehrfurcht dem geschriebenen Wort gegenüber. In der Nicht-bullierten Regel schreibt Franziskus 1221: „Daher soll jeder Bruder, der auf göttliche Eingebung hin unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen will, mit der Erlaubnis seines Ministers und Dieners gehen. ... Die Brüder, die dann hinausziehen, können in zweifacher Weise unter ihnen geistlich wandeln. Eine Art besteht darin, dass sie weder zanken noch streiten, sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind. Die andere Art ist die, dass sie, wenn sie sehen, dass es dem Herrn gefällt, das Wort Gottes verkünden...“9 Franziskus unterscheidet hier zwei Arten des Verhaltens unter den Sarazenen (Muslime). Die erste Art besteht darin, ohne Zank und Streit jeder Kreatur untertan sein und bekennen, dass man Christ ist; die zweite Art kommt dann zur Geltung, wenn die Brüder spüren, dass es Gott gefällig ist, das Wort Gottes zu verkünden. Hier wird ein Prinzip deutlich, das eindrucksvoller gerade auch für die heutige Zeit nicht sein könnte: Durch die Teilhabe am Leben der anderen Menschen bringen ihnen die Brüder den Frieden; also nicht, indem sie nur predigen und als Rufer zur Umkehr erscheinen, sondern indem sie die Lebenswelt der Menschen ernst nehmen, mit ihnen das Leben teilen, sie in ihren Häusern aufsuchen, mit ihnen arbeiten; und erst wenn es Gott gefällt, predigen und mit dem Wort das Evangelium verkünden. So kann man mit Fug und Recht mit Hoeberichts sagen, dass Franziskus und die ersten Brüder das Leben unter den Menschen bevorzugen. „Das einfache Wohnhaus, nicht die Kirche, ist das kulturelle Modell der ersten Brüder.“10 Die Predigt ist erst das zweite Moment; die Brüder rund um Franziskus sind keine Wanderprediger, wie es in ihrer Zeit üblich war; sie sind zuerst einmal Brüder, die mit den Menschen zu leben versuchen und erst in zweiter Linie das Wort an sie richten. Durch die Existenz zeigen, dass die Basis und Grundlage ihres Lebens das Evangelium ist, das ist die erste Weise, unter die Muslime zu gehen, das ist aber vor allem die erste Weise überhaupt, Zeug9 10

LEHMANN, BERG: Franziskus-Quellen, S. 82. HOEBERICHTS: Feuerwandler, S. 93.

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nis von ihrem Leben und dem Evangelium zu geben, und das nicht nur unter den Muslimen, sondern generell. Dass die Brüder keine Streitgespräche führen sollen, mag in der Tatsache begründet liegen, dass Franziskus es nicht den vielen apologetischen Methoden und Weisen der damaligen Zeit gleich tun will; in Liebe und Demut, allen untertan, den Frieden verkünden – nur so lassen sich die Kraft und der Friede des Evangeliums wirklich vermitteln und spüren. Das Zeugnis des Lebens hat absoluten Vorrang vor dem Wort, bzw. beides muss miteinander korrespondieren. Dort, wo Liebe und Respekt herrschen, dort, wo die Grundbedürfnisse von Anerkennung und Verständnis herrschen, dort können Friede regieren und ehemalige Feinde zu Freunden werden, wenn das Bemühen und die Anstrengung herrschen, den anderen und seine Handlungsweisen wirklich verstehen zu wollen. Diese Art und Weise, den Frieden zu leben, ist nichts, was auf das Denken und den Erfindungsreichtum von Franziskus zurückgeht, vielmehr schreibt Franziskus in seiner nicht bullierten Regel im 16. Kapitel, dass der Herr ihm dieses gesagt hat. Er allein zeigt, wo es im Umgang mit den Fremden und vor allem den Sarazenen langgeht, kein Bischof, kein Fürst und nicht der Papst zeigen ihm den Weg. Eine durchaus verborgene Kritik kann hier herausgelesen werden, denn der Papst und die Bischöfe riefen beständig zum Kreuzzug auf, zur Befreiung des Heiligen Landes, zum Heiligen Krieg – und das oftmals in sehr apologetischer Weise und Begründung. Demut und Gehorsam, Untertänigkeit und das Gefühl für die Situation sind die Weisen, die Franziskus einsetzen will, nicht das Schwert oder die ‚Waffe’ der apologetischen Begründung für die Gewalt zur Bekehrung. Der Herr selbst führt Franziskus und die Brüder unter die Sarazenen, so wie er zuvor Franziskus unter die Armen und Aussätzigen geführt hat. Die brüderliche Anwesenheit und Solidarität bringen den Frieden, nicht der Kreuzzug und das Schwert. Es ist der radikale Verzicht auf Macht und Gewalt, der sich vor allem in dem Wort des Untertan-seins („subditus“) ausdrückt. Damit erhält die Friedensbotschaft von Franziskus eine gesellschaftlich äußerst kritische und provozierende Bedeutung, denn den Christen war es verboten, Sarazenen und Juden untertan zu sein; zudem eckt Franziskus mit seiner gelebten minoritas in der Gesellschaft von Assisi schon ohnehin mehr als genug an. Dabei gibt es für Franziskus keine besondere Strategie, sondern lediglich den geistlichen und überzeugenden Lebensstil, nicht mehr und nicht weniger, dabei geht es nicht um das Rechthaben, sondern um die Wahrheit Jesu Christi. Streitgespräche sind kontraproduktiv: „Im Glauben an einen Gott, der ’Niedrigkeit’ ist, sollen die Brüder durch ein Leben in minoritas, ohne Besitz und ohne Macht, die Mög-

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lichkeit schaffen, dass die Wahrheit von Gott und Jesus zum Heil und Frieden unter den Sarazenen aufleuchten kann, unter denen sie im Geist des Herrn als Friedensbringer leben sollen. Daraus folgt aber auch, dass seine Zurückweisung von Streitgesprächen nicht als eine Taktik, die Sarazenen nicht gegen sich einzunehmen und so eine größere Erfolgschance zu haben, verstanden werden darf. Für Franziskus ist seine neue Art und Weise, sich den Sarazenen zu nähern, vielmehr eine echte Prinzipienfrage: er tut es ‚um Gottes willen.’“11 Also ohne Ansehen der Person, der Nationalität, der Hautfarbe und der Religion leben die Brüder des heiligen Franziskus unter den Andersgläubigen. Und das kann und muss auch eine Richtlinie für die humanitäre Hilfe aus christlicher Sicht allgemein sein: Hilfe um des anderen willen, so wie es auch schon in der Erzählung vom barmherzigen Samariter im Evangelium beschrieben wird (Lk 10,25ff). Die Priester und Leviten gehen vorbei, doch der andere mischt sich ein, geht nicht vorbei und hilft – ohne Ansehen der Person. Auch gilt es vielleicht, und das nächste Kapitel wird das noch deutlicher herausstreichen, in Krisengebieten auf bereits vorhandene Strukturen und Gemeinschaften, die einfach mitleben und mit den Menschen sind, zurückzugreifen, was oftmals leider von Hilfsorganisationen übersehen wird. Eine weltweite (spirituelle) Bewegung, die sich einmischt12 Man kann die gesamte Franziskanische Familie durchaus als ‚Global Player’ bezeichnen, gibt es sie doch auf der ganzen Welt, organisiert in Laiengemeinschaften, Ordensgemeinschaften und vielen einzelnen Mitgliedern sowie Familien, die die Ideale des heiligen Franziskus auch heute in die Tat umzusetzen versuchen. Weltweit engagieren sich Ordensleute und franziskanische Christen für den Glauben, für die Armen und für eine Gerechtigkeit für alle; ein global player also in einem anderen Sinne, als es so manche Großorganisationen und multinationale Konzerne mit ihrem enormen Einfluss auf die globalisierte Welt heute sind, aber ein global player, der mitmischt, der sich einmischt und Akzente ganz anderer Art setzt. Es geht nicht um Profit, es geht nicht um Machterweiterung und Kapital, es geht um den Menschen, den anderen, vor allem den, der Hilfe benötigt, der heute zu den Aussätzigen der Gesellschaft und in der Welt gehört – ganz wie Franziskus zu seiner Zeit. 11 12

HOEBERICHTS: Feuerwandler, S. 117f. Vgl.: www.franciscansinternational.org.

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Doch nicht nur die weltweite Verbreitung und Zusammenarbeit der franziskanischen Orden auf vielfältige Art und Weise, vielmehr die Vernetzung und im Falle einer konkreten Institution die Zusammenarbeit dieser weltweit großen spirituellen Bewegung in der Kirche zeichnet die Franziskanische Bewegung als global player aus. ‚Franciscans International’ (FI) wurde in den Jahren 1984-88 langsam aufgebaut und 1989 offiziell als NGO von Seiten der UNO anerkannt. Aufgabe und Zielsetzung ist es seitdem, auf der Ebene internationaler Zusammenkünfte der Staaten an den Orten New York, Genf und Bangkok in der UNO als Anwalt für arme, marginalisierte und rechtlose Menschen zu fungieren. Dabei gibt es keinen großen Verwaltungsapparat oder gar, wie leider allzu oft in manchen Organisationen, lange Informations- und Entscheidungswege. Franziskanische Schwestern und Brüder leben weltweit in Gebieten, in denen es täglich zu Menschenrechtsverletzungen kommt oder wo es von heute auf morgen dringend auf Hilfe internationaler Organisationen ankommt. Dieses kann schnell über die Orden an die Büros von Franciscans International kommuniziert werden, so dass es dann sowohl auf der Ebene der direkten Hilfe als auch auf der Ebene von Intervention an der UNO zu Petitionen kommen kann. Schnell können Orte der Schwestern und Brüder dadurch zu Refugien für Gastarbeiterfamilien oder Migranten oder Flüchtlinge ganz unterschiedlicher Art werden. Vor Ort wird direkt Hilfe geleistet, gleichzeitig aber kann das FI in den Sitzungen des UNO-Rates für Menschenrechte Aufrufe und Petitionen einreichen, die humanitären Hilfsaktionen der franziskanischen Orden und auch anderer Hilfsorganisationen vor Ort wenigstens nicht zu behindern und ggfs. Kriege und Verfolgungen zu beenden. Somit dient FI als Instrument der Franziskanischen Orden, an entscheidenden Stellen die Stimme zu erheben und Partei zu ergreifen, ganz im Sinne einer christlichen Solidarität, aber auch nach innen Schwestern und Brüder zu informieren und Lobbyarbeit zu leisten – wie auch schon Franziskus, der seinen Brief an die Lenker der Völker schreibt. Solche Petitionen und Aufrufe sind zwar nicht immer unmittelbar erfolgreich, doch ist schon vielfach die Erfahrung gemacht worden, dass drohender Ansehensverlust in der Staatengemeinschaft manchmal besser funktioniert, als erwartet. Franciscans International ist gleichzeitig aufgrund der großen Bewegung nicht einfach nur eine NGO unter vielen, sondern eine durchaus auch beachtete in der Staatengemeinschaft. Wichtiger ist jedoch der unmittelbare ‚Hilfserfolg’ vor Ort, der Schutzeffekt in Kriegssituationen, der durchaus ein Ergebnis der Veröffentlichung von Menschenrechtsverletzungen darstellen kann. Diplomaten und Ländervertreter werden mit Problematiken

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vertraut gemacht, die sie aufhorchen und umso hellhöriger werden lassen. Auch hier geht es also um einen nicht unerheblichen Teil um Bewusstseinsbildung. Das wiederum kann die Arbeit vor Ort erheblich erleichtern. In jüngster Zeit ist zudem noch deutlich der Aspekt des Zusammenhangs von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in den Fokus der Arbeit von FI getreten. Gerade der prognostizierte Kampf um den Zugang zu Wasser, der schon jetzt in manchen Teilen der Welt erhebliche Konflikte und ungeheuer viel Not und Elend hervorruft, zeigt die enge Verschränkung der Themen von Frieden, Gerechtigkeit und einem nachhaltigen sowie verantworteten Zugang zu den Ressourcen der Natur. FI versucht, hier vor allem auch die Schwestern und Brüder an den verschiedenen Orten der Welt auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Die Kapuziner haben darüber hinaus z. B. einen sogenannten Promoter für diesen Prozess, der die Brüder in den eigenen Reihen für die Umweltproblematik und den Kampf um einen verantworteten Umgang mit der Erde sensibel zu machen versucht, indem er gezielt auf nachhaltige Projektierung vor Ort hinarbeitet. Auch das ist ganz im Sinne des heiligen Franziskus und seinem oben dargelegten Verständnis von Mission zu sehen: eine solidarische Liebe zur Schöpfung, so wie er es auch in seinem berühmten Sonnengesang formuliert, der nicht nur zu Liebe aufruft, sondern den Menschen auch in die Verantwortung und Solidarität in aller Geschwisterlichkeit ruft. Humanitäre Soforthilfe – keine Gratwanderung, sondern Notwendigkeit Welches Fazit lässt sich nun in konkreter Hinsicht bzgl. einiger aktueller Aspekte internationaler Soforthilfe und ihrer Grenzen, die oftmals von politischen Systemen, von überholten Vereinbarungen, die noch auf den Westfälischen Frieden zurückgehen, oder auch von staatlichen Interessen gelenkten Einschätzungen von Katastrophen und dem erforderlichen Einsatz in solchen Gebieten ziehen? Zunächst, auch wenn dies möglicherweise nicht direkt weiterführt: Der Mensch hat absolute Priorität und steht um seiner selbst willen, da er von Gott geschaffen ist, im Mittelpunkt. Überall dort, wo seine Würde mit Füßen getreten wird, und überall dort, wo es ihm am Lebensnotwendigen fehlt, wo der Mensch in seiner Freiheit bedroht wird, dort ist christliche Spiritualität und Solidarität, dort ist humanitäre Soforthilfe gefragt und notwendig. Das mag idealistisch und unrealistisch klingen, doch für Franziskus und die Franziskanische Bewegung in seiner Nachfolge gibt es keine Grenzen der Hilfe. Der

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christliche Glaube, und das ist hoffentlich aus dem bisher Dargelegten deutlich geworden, kennt nur eine Radikalität der Liebe zum Menschen, und das bedeutet, sich über Grenzen und Restriktionen hinwegzusetzen. Glücklicherweise sind überall auf der Welt, und eben auch in all den Krisengebieten unserer Zeit, Christen und Franziskanische Menschen, die erste Hilfe leisten können – und die die Welt über das, was vor Ort passiert, informieren können. Es ist dies kein humanitärer Heroismus, sondern eine von einer Perspektive und Hoffnung getragene Liebe, die sich zutiefst Gott verdankt. Dabei können Strukturen und Wege genutzt werden, die großen und auch rechtlich ganz anders verankerten Organisationen, wie dem Roten Kreuz mit seinem Credo zur Neutralität, so nicht zur Verfügung stehen können. Christliche Solidarität und humanitäre Hilfe sind nicht neutral. Sie sind immer parteiisch. Erinnert sei gerade hier in Münster auch an die eindrucksvolle Hilfsaktion, die von Seiten der Stadt gemeinsam mit den Kapuzinern für die Opfer des verheerenden Erdbebens auf der Insel Nias/Indonesien am 28. März 2005 geleistet wurde. Mit den Brüdern vor Ort, die sehr genau die Mentalität der Menschen vor Ort kennen, da sie größtenteils selbst Indonesier sind, und gemeinsam mit den Menschen der betroffenen Gebiete wurden die vielen Spenden sinnvoll und effizient umgesetzt, ohne dabei in die Falle der Korruption, eines falsch verstandenen Helfersyndroms oder in die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Hilfsorganisationen zu geraten. Eine koordinierte Soforthilfe mit den Menschen vor Ort durch die Gläubigen und die Kapuziner hat eine fast gänzlich zum Stillstand gekommene Infrastruktur mit Geduld und zielorientiert wieder hergestellt. Zur Gratwanderung wird die Internationale Soforthilfe an folgenden Punkten: • wenn es zur Abwägung von Völkerrecht und Menschenrecht kommt, wenn das Leben der Helfer generell bedroht wird, indem sie verfolgt werden, weil sie auf der Seite der Unterdrückten stehen; • wenn Hilfe nicht zur Selbsthilfe führt, sondern in Abhängigkeit mündet; wenn die Hilfe nicht die eigenen Ressourcen und Widerstandskräfte stärkt, sondern dazu beiträgt, sich allein nur noch auf die Hilfe von außen zu verlassen;

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• wenn die Hilfsorganisationen sich vor lauter Hilfewillen „gegenseitig auf die Füße treten“ und nur wenig mit einander kooperieren und die Kräfte vor Ort nicht nutzen; • wenn die Kulturen und kulturellen Gebräuche nicht genügend bedacht oder auch gewürdigt werden: Eine hohe Sensibilität und auch Kenntnis der Kulturen und Mentalitäten sind neben dem Willen zur Hilfe ebenso notwendig. In diesem Sinne ist auch zum Thema des Völkerrechts und des Menschenrechts und der Frage nach der Priorität zwischen diesen beiden die Position theologisch und für den Christen eindeutig: Völkerrecht und das Recht des einzelnen bedingen einander. Das Recht des einzelnen, seine Würde und Freiheit, werden natürlich auch durch das Völkerrecht z. T. gewährleistet. In diesem Zusammenhang ist die Beziehung zwischen dem Völkerrecht und den allgemeinen Menschenrechten ein schwieriges, wenn z. B. totalitäre Systeme unter Hinweis auf ihre Souveränität zum Schaden der eigenen Bevölkerung alle internationale Hilfe ablehnen. Die theologische Position ist in solchen Fällen eindeutig: Das Recht des Einzelnen, seine Würde, Integrität, Freiheit, seine Lebensbedürfnisse insgesamt, haben, begründet durch seine Schöpfungsqualität, Vorrang vor dem missbrauchten Souveränitätsanspruch des totalitären Systems. Die praktische Umsetzung dieser Priorität der Menschenrechte, also die Hilfeleistung gegen den Willen des Souveräns, ist natürlich politisch für die Staatengemeinschaft wie im praktischen Vollzug für die internationalen Hilfeorganisationen höchst problematisch, vor allem, wenn die Hilfeleistenden selbst in Gefahr für Leib und Seele geraten. Von hoher Brisanz ist die Frage nach dem „Tyrannenmord“, d.h. der Anwendung von Gewalt, die die Weltöffentlichkeit im Todesfall von Osama bin Laden oder auch in der Intervention der NATO in Libyen bewegt hat. Sie ist nicht nur brisant, sondern zwiespältig und in der christlichen Tradition auch sehr unterschiedlich beantwortet worden. Diese Problematik ist eine der schwierigsten theologischen Fragen, die nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Prinzipiell ist jedoch die Friedensbotschaft leitend. Jesus fordert auf, demjenigen, der einem auf die linke Wange schlägt, auch die rechte hinzuhalten. Er durchbricht das Gesetzt des ‚Wie du mir’ oder ‚Aug um Aug, Zahn um Zahn’. Es gilt also, zunächst wirklich alle Möglichkeiten eines gewaltfreien Widerstands gegen die Gewalt eines Staates oder auch einzelnen Machthabern und Despoten auszuloten, bevor man zum Mittel der Gewalt greift. Und aus den bisherigen Gedankengän-

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gen wird hoffentlich deutlich, dass die Anwendung von Gewalt kein Mittel darstellt, internationale Soforthilfe zu gewährleisten. Gewalt, und das erzählt die Geschichte der Menschheit eindrucksvoll, wird mit Gewalt beantwortet, und vielfach ist ein Kreislauf von Gewalt und Tod heraufbeschworen worden, der in der Folgezeit noch weitaus mehr Opfer gefordert hat. Hier gilt prinzipiell das Gesetz der DeEskalierung. Das Evangelium Jesu Christi ist eine Botschaft der Liebe und des Friedens, die in keiner Weise Gewalt befürwortet. Doch gibt es auch Grenzen? Wenn keine Intervention mehr hilft, wenn alle Versuche von Gesprächen und Vermittlungen scheitern, wenn Hilfsorganisationen bedroht oder gar angefeindet und gewalttätig behandelt werden, wenn Menschen vor Ort, die Hilfe leisten und ihren liebenden Dienst zu leben versuchen, dabei zu Tode kommen, wenn Menschen vor der Staatsgewalt, die sie eigentlich schützen soll, selbst geschützt werden müssen, dann ist u. U. eine Grenze erreicht, die zum Wohl des Ganzen Gewalt nicht begründen, aber zulassen kann, gezielt und als äußerstes Mittel. So hat es der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer bereits gesehen, der den Tyrannenmord aus politischen und humanitären Gründen befürwortete, doch gleichzeitig die Verantwortung sah, die der Betreffende damit übernimmt, vor den Menschen und vor Gott zum Wohl des deutschen Volkes damals. Aber: Es gibt in der Geschichte Deutschlands auch die friedliche Revolution, das Aufbegehren gegen einen Unrechtsstaat: die ehemalige DDR. Mit Hilfe friedlicher Demonstrationen sind Mauern eingerissen worden, wie ganz aktuell auch in manchen Ländern im Rahmen des sogenannten jüngsten ‚Arabischen Frühlings’. In der Auseinandersetzung mit diesen Fragen kommen der Aspekt der Quelle und die Bedeutung eines Fundaments der Helfer zu kurz. Was trägt all die Menschen, die unermüdlich in den Krisengebieten der Erde humanitäre Hilfe leisten, oft weit über ihre Kräfte hinaus, ob als Ärzte, als Krankenhelfer, Feuerwehr- und Katastrophenhelfer, ob als Seelsorger oder technische Hilfeleister? Was trägt und was hilft, die Erfahrung von unerträglichem Leid und Bildern, die apokalyptischen Szenarien gleichen, oder auch Erfahrungen von Brutalität und unfassbarem Grauen, das Menschen anderen Menschen antun, zu ertragen und zu verarbeiten, ohne dabei selbst zugrunde zu gehen? Wie kann man das aushalten? Diese im tiefsten Grund spirituelle Frage mag mehrere Antworten finden, sie ist aber häufig von entscheidender Bedeutung für die seelische Gesundheit der Betroffenen. Hier ist sicher nicht der Ort zu beurteilen, welche Motivation die tragfähigere ist, ob die idealistische Verteidigung von allgemein gültigen Werten und Rechten ausreicht als Verortung der eigenen Motivation; mir als Ordenstheologen mag aber zugestanden sein, die Frage nach dem

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tragfähigen Fundament mit dem Glauben an einen Gott der hilft und stärkt, zu beantworten. Denn nur wenn ein Grund vorhanden ist, der mehr darstellt als Werte, aus denen heraus der einzelne lebt, diese vielmehr auch begründet und immer wieder verortet – nur dann ist eine solche Aufgabe zu leisten, und der Mensch kann mit liebenden Gesicht dem anderen helfen, indem er ihm Soforthilfe gewährt und dabei selbst noch Mensch bleibt. Ein gesundes nicht nur Frustrationspotential, sondern eine gesunde Spiritualität, die weiß, woraus und woraufhin sie lebt und leben lässt, die den Menschen mit einer Perspektive und Hoffnung ausstattet, nur eine solche Spiritualität lässt nicht angesichts der unglaublichen Leiden vieler und der manchmal nur mangelhaft zu leistenden Hilfe, von der man den Eindruck hat, sie ist nur ein Tropfen auf einem heißen Stein, verzweifeln und verzagen, sondern immer wieder von neuem eine scheinbare SisyphosArbeit angehen und mit Herz und Liebe erfüllen. So ermahnt Franziskus seine Brüder, die Liebe Gottes, die die Welt und den Menschen geschaffen hat, nicht zu vergessen und aus dieser Liebe heraus die Welt zu gestalten, denn: „Wo Liebe ist und Weisheit, da ist nicht Furcht noch Unwissenheit.Wo Geduld ist und Demut, da ist nicht Zorn noch Verwirrung ... Wo die Furcht des Herrn ist, sein Haus zu bewachen, da kann der Feind keinen Ort zum Eindringen finden.“13

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Ermahnungen, Kapitel 27, in: LEHMANN, BERG: Franziskus-Quellen, S. 54.

THE RESPONSIBILITY TO PROTECT. HISTORICAL DEVELOPMENT AND ANNOTATIONS FROM THE POINT OF VIEW OF THE RED CROSS AND RED CRESCENT MOVEMENT Stefanie Haumer1 Nach einer Darstellung der historischen Entwicklung der Schutzverantwortung wird die Perspektive der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zur Schutzverantwortung beleuchtet. Insbesondere wird hierbei ein Blick auf bestehende Regelungen des humanitären Völkerrechts und einschlägige Richtlinien geworfen. Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, dass die Idee einer Schutzverantwortung nicht neu ist, auch wenn dies mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion so scheinen mag. Ausdrücklich zu begrüßen ist in jedem Fall die Verknüpfung der staatlichen Souveränität mit der Verantwortung für die jeweilige Bevölkerung. After a description of the historical development of the Responsibility to Protect, the perspective of the Red Cross and Red Crescent Movement concerning the Responsibility to Protect is highlighted. The author takes a look especially at the existing regulations of international humanitarian law and corresponding guidelines. The author arrives at the conclusion that the idea of a Responsibility to Protect is not new—even if it seems like this in the current discussion. At any rate, the nexus between state sovereignty and the responsibility for the respective population has to be welcomed explicitly. Historical development of the Responsibility to Protect Often the Westphalian Peace Accord of 1648 is (mis-)taken for being the starting point of the concept of state sovereignty. However, the relevant term superioritas is at no point mentioned in the document.2 However, the concept of states’ sovereignty emerged in the early modern period and has developed since then; it has been stated in Art. 2 (7) of the UN Charter of 1949. Already at this stage, the prohibition “to intervene in matters which are essentially within the domestic jurisdiction of any state” was subjected to restrictions, namely a (mili1 2

Stefanie Haumer is a Legal Advisor in the International Law/ International Institutions Dept. at the German Red Cross Headquarters. Moreover, in the field where the notion of sovereignty is indeed touched – within the freedom of religion – a loss of influence and power of the sovereign can be observed.

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tary) intervention mandated by the UN Security Council under Chapter VII of the UN Charter. Having experienced many casualties and a failure of the invention in Somalia in 1993, the U.S., one of the Permanent Five members (P5) of the Security Council, hesitated to get involved in the situation in Rwanda one year later. The resulting inaction of the Security Council led to one of the gravest mass atrocities after World War II. For different reasons, another year later, in 1995, the genocide in the safe area3 of Srebrenica was not prevented. Against this background, a coalition of the willing intervened in Kosovo in 1999 when again the UN Security Council was unable to adopt a resolution on the authorization to use force beforehand.4 This international operation was highly criticised as violating Serbia’s sovereignty. The Independent International Commission on Kosovo later held that the intervention was „illegal but legitimate“5. This brought the then UN Secretary General, Kofi Annan, to put forward the question: “…if humanitarian intervention is, indeed, an unacceptable assault on sovereignty, how should we respond to a Rwanda, to a Srebrenica – to gross and systematic violations of human rights that affect every precept of our common humanity”?6 To answer this question the government of Canada mandated the International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), which in its 2001 report presented the term ‘Responsibility to Protect (R2P)’ for the first time. After Francis Deng7 and his colleagues from the Brookings Institution in 1996 challenged the long-standing consensus that the principle of state sovereignty was absolute, regardless of whether a state committed serious human rights abuses against its own citizens, ICISS followed this idea of sovereignty as responsibility and named the three columns of the responsibility to prevent, to react and to rebuild. Four years after the ICISS report was launched, the Heads of State and government agreed in the Outcome Document of the World Summit in September 2005 that “[e]ach individual State has the re3 4

5 6 7

See UN SC Res. 819 (1993). The UN SC Res. 1244 (1999), authorizing all necessary means to fulfil the responsibilities of the international security presence to be deployed and acting in Kosovo, was only adopted at 10 June 1999 after the Operation Allied Force was finished. See: Kosovo Report, Independent International Commission on Kosovo, Oxford 2000. ANNAN: We the Peoples, para. 214. Deng was senior fellow at the Brookings Institution where he founded and directed the Africa Project for 12 years. In 2007 he was appointed as the new Special Adviser for the Prevention of Genocide, a position he holds at the level of UN UnderSecretary General.

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sponsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes”.8 The notion of R2P is thus only applicable to the core crimes mentioned. The responsibility of the international community complements a state’s responsibility towards its own people in case the respective state manifestly fails in its protection responsibilities.9 The international community must then take stronger measures, including collective use of force authorized by the Security Council under Chapter VII. However, failure to protect its citizens doesn’t absolve the state of its own responsibility; rather it provokes a concurrent responsibility of all states. Annotations from the point of view of the International Red Cross and Red Crescent Movement As the president of the German Red Cross (GerRC), Mr. Rudolf Seiters, states in his article, the International Red Cross and Red Crescent Movement as committed and obliged to the principles of impartiality and neutrality would not plead for a right to access against the will of a sovereign state as this, amongst others, could possibly endanger the security of relief personnel on the ground. As one of the basic principles within its disaster management, the Red Cross and Red Crescent Movement “considers it a fundamental right of all people to both offer and receive humanitarian assistance”.10 This fundamental right implies the responsibility of the state on the territory of which a disaster occurred to protect its own population and to facilitate assistance coming from abroad. In the same line, Art. 16 para. 1 (d) of the non-binding Guidelines for the Domestic Facilitation and Regulation of International Disaster Relief and Initial Recovery Assistance (IDRL-Guidelines) states that “[w]ith regard to disaster relief and initial recovery personnel of assisting States and eligible assisting humanitarian organizations, affected States should: Facilitate freedom of access to and freedom of movement in and from the disaster-affected area, bearing in mind the safety of disaster relief and initial recovery personnel”.11 In several resolutions and declara8 9 10 11

UN GA Res. 60/1 (2005), para. 138. UN GA Res. 60/1 (2005), para. 139. Principles and Rules for Red Cross and Red Crescent Disaster Relief, adopted at the 26th International Conference of the Red Cross and Red Crescent (2005), para. 2.1. The IDRL Guidelines were adopted at the 30th International Conference of the Red Cross and Red Crescent (2007).The language of Art. 16 (1) (d) is drawn from article 7(2)(b) of the 1984 Draft Convention. It is also similar to provisions in the Oslo

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tions adopted at the International Conference12—the highest body of the Red Cross and Red Crescent Movement—within the past 20 years, states were “urged” and “called upon” to facilitate the access to people in need.13 Delegations of the 194 States Parties to the Geneva Conventions participated in those conferences and agreed on the resolutions. Under international humanitarian law—within armed conflicts— Impartial humanitarian relief actions shall be undertaken, subject to the agreement of the Parties concerned in such relief actions.14 However, the necessary agreement must not be withheld on arbitrary grounds.15 Yet, state practice and opinio iuris being the preconditions for customary law have not amounted to a “right to access” without the parties to a conflict allowing and facilitating the external assistance,16 i.e. irrespective of the will of the head of a sovereign state. In particular, this legal situation has not been changed by the Security Council reiterating in its recent resolutions “the responsibility of [a state’s] authorities to protect [the state’s own] population and reaffirming that parties to armed conflicts bear the primary responsibility to take all feasible steps to ensure the protection of civilians”17 as the Security Council reaffirms “its strong commitment to the sovereignty, inde-

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Guidelines, para. 60; UNITAR Model Rules, rule 16; and the Max Planck Draft Guidelines, para. 21(h). In the International Conference of the Red Cross and Red Crescent delegates from all National Societies, the International Federation of the Red Cross and Red Crescent Societies and the International Committee of the Red Cross as well as state delegations of all states having ratified the Geneva Conventions participate. See e.g. 26th International Conference (2005) Resolution 2 Art. A (i), F (c); Resolution 4 Art. A (1 (d)); Final Declaration para. 8. This request was reiterated at the 27th International Conference (1999), Resolution 1 Annex 2 final goal 1.1, para. 1 (g), as well as at the 28th International Conference (2003), Declaration on “Protecting human dignity”. Additionally, the Council of Delegates, one of the highest Institutions of the Movement, adopted a Resolution on Respecting and Protecting Health Care in Armed Conflict and Other Situations of Violence, being “deeply alarmed that the wounded and sick in armed conflict and other situations of violence do not receive the care and protection that they require”. Resolution 8, Council of Delegates of the International Red Cross and Red Crescent Movement Nairobi, 23–25 November 2009. Art. 70 (1) AP I, Art. 18 (2) AP II, Rule 55 of the Customary International Law Study by the ICRC. For further detail see SPIEKER: The Right to Give and Receive Humanitarian Assistance, p. 17. For further detail see SPIEKER: The Right to Give and Receive Humanitarian Assistance, p. 17 ff. E.g. UN SC Res. 1973 (2011) on the situation in Libya; UN SC Res. 1962 (2010) on the situation in Côte d’Ivoire

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pendence, territorial integrity and national unity of the [respective state]”, 18 in the same breath. Conclusion Bearing in mind the historical background, the R2P is no legitimisation of unauthorized military interventions. It is also not a brand new concept as the fundamental ideas are already long-standing principles under international humanitarian and human rights law. Furthermore, R2P does not constitute any legal obligation which is not included in the UN Charter to date. Especially, it is not an instruction for the UN Security Council to act and respectively not a prohibition for the P5 to make use of their right to veto under certain circumstances. However, the shift of focus concerning the notion of sovereignty, from describing an overall power to a responsibility for a state’s population should not be underestimated. It must also be appreciated that the R2P lays its main focus on the prevention of mass atrocities. Eventually, all situations in which the UN Security Council in its resolutions refers to R2P establish a growing range of precedents which will constitute a yardstick for future situations. In case certain indications of mass atrocities are given, inaction shall not be an option any more.

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Ibid.

122 THE POLARIZATION OF HUMANITARIAN AID – WHY INDEPENDENCE MATTERS Tankred Stöbe Today’s conflicts involve more actors and increasingly complex and confusing operations. In Afghanistan, for example, almost all belligerents promote their work as being “humanitarian”. So do the U.S. Army, NATO, the Afghan government and armed opposition groups. By stressing their so-called “humanitarian activities”, they make it difficult to impossible for humanitarians to be distinguishable. While they compete for the recognition of the civilian population, they endanger people in need and those who actually deliver humanitarian aid. MSF is experiencing this insufficient separation between humanitarian assistance and civil-military operations in many contexts in which we provide emergency medical care to populations in need. Almost all Afghan provinces are currently experiencing active conflict. The need for humanitarian aid is therefore great, with health indicators being by far the worst in the area. To seek help in this situation means inevitably to take sides with one warring party. This in turn can make people in need the target of opposing players. So while entering a clinic as a sick patient might not be a problem, leaving could be a deadly threat. The tragic consequence is that often, people do not seek help again as it could be life threatening. Non-civilian facilities and clinics are often attacked and thus represent a risk to patients in medical facilities. Weapons are banned in all MSF supported clinics in Helmand, Kunduz and Kabul. This brings a level of safety to our staff and patients and prevents them from becoming a potential target for opposing groups. MSF is neutral and independent distances itself from actors that contribute to the mixing of humanitarian assistance and civil-military operations. We do not take sides in armed conflicts, we provide care solely on the basis of medical needs, and push for independent access to victims of conflict as required under International Humanitarian Law. MSF operates independently of any political, military, or religious agendas. Prior to opening a new program, medical teams conduct evaluations on the ground to determine a population's needs. The key to MSF’s ability to act in response to the Afghan crisis is its independent funding. When I was asked by people on the street during my visit what MSF is doing in the country everything apart from direct medical care was regarded as spying and using institutional funding from western governments like the U.S. or Germany was seen as non-acceptable.

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Our most important concern during any war is to provide, and ensure access to life-saving assistance to people in need. MSF's work is based on the humanitarian principles of medical ethics and impartiality. We are committed to delivering quality medical care to people caught in crisis regardless of race, religion, or political affiliation. International Humanitarian Law was conceived for precisely these reasons. It should ensure that in conflict, each person receives emergency medical care, regardless of their status of affiliation.

124 INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG Winfried Nachtwei Mit internationaler Schutzverantwortung und Soforthilfe hatte ich als Mitglied des Deutschen Bundestages aus verschiedenen Perspektiven zu tun: im Verteidigungsausschuss von 1994 bis 2009 mit allen internationalen Kriseneinsätzen, an denen sich Deutschland mit militärischen, zivilen und polizeilichen Kräften beteiligte; als Mitglied des Beirats Zivile Krisenprävention beim Auswärtigen Amt, als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Das Westfälische System souveräner Staaten im Umbruch – für diese Diskussion bietet sich Münster als die Stadt des Westfälischen Friedens in besonderer Weise an. Unterstrichen wird das durch extreme Pendelschläge in der jüngeren Geschichte: Massive Beiträge zur Zerstörung des Westfälischen Systems kamen auch aus Münster – hiesige Kommandobehörden stellten 1939 bis 1945 14 Wehrmachtsdivisionen und 16 Polizeibataillone für den Krieg gegen die europäischen Nachbarn auf. Der positive Pendelschlag: Im Gebäude des früheren Wehrkreis VI befindet sich seit 1995 das 1. Deutsch-Niederländische Korps, wo deutsche und niederländische Militärs, Kriegsgegner vor zwei Generationen, so integriert und konstruktiv zusammenarbeiten wie nirgendwo sonst. Erste Begegnung mit der Schutzverantwortung Bewusst begegnete mir der Grundgedanke der Schutzverantwortung erstmalig mit den Kriegen auf dem Balkan: In der ersten Hälfte der 90er Jahre stritten wir mit Friedensbewegung, Grüner Partei und anderen für konsequentere Gewaltprävention, Sanktionen, Solidarität mit der gequälten Zivilbevölkerung. Gespalten waren wir, ob zum Schutz der Menschen auch militärisch eingegriffen werden sollte. Pazifismus und Warnung vor einer „Militarisierung der Außenpolitik“ lagen im Streit mit dem Vorrang des Menschenrechtsschutzes, zugespitzt im Sommer 1995 nach der Liquidierung der „Schutzzone“ Srebrenica und dem Massaker an ca. 8000 bosnischen Männern und Jungen. Erst im Herbst 1996 wurde uns Teilnehmern einer Delegation von Grüner Fraktion und Parteiführung am Hang über Sarajewo die dreijährige Belagerung und Beschießung der Stadt und ihrer Bevölkerung hautnah bewusst wurde – und die europäische Tatenlosigkeit

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dem gegenüber. Im Herbst 1998 warnte UN-Generalsekretär Kofi Annan vor einer drohenden „humanitären Katastrophe“ im Kosovo und mahnte, dass staatliche Führer die Staatssouveränität nicht als Schutzschirm für Menschenrechtsverbrechen missbrauchen dürften. Bei der Zustimmung der Bundestagsmehrheit im Oktober 1998 zur Androhung von NATO-Luftangriffen gegen Serbien war dann auch das Schutzmotiv ausschlaggebend: Verhinderung „ethnischer Säuberungen“ und eines „zweiten Bosnien“. Überschattet wurde dieser Beschluss durch das Fehlen eines UN-Mandats, wodurch der humanitär motivierte Einsatz in Widerspruch zum Völkerrecht geriet. Indem einzelne Minister der Bundesregierung den Kosovoeinsatz mit einem regelrechten moralischen „overkill“ rechtfertigten und zentrale andere Interessen (z.B. Vermeidung großer Flüchtlingsbewegungen nach Mitteleuropa) übergingen, beeinträchtigten sie gerade in skeptischen Teilen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit des Einsatzes. Kritisch war dann auch die Umsetzung und Wirkung des humanitär begründeten Einsatzes: Der auf Luftstreitkräfte beschränkte NATO-Einsatz konnte den serbischen Vertreibungsterror am Boden zunächst nicht stoppen. Dieser beschleunigte sich sogar. Zwischen März und Juni 1999 waren 590.000 Menschen intern und 860.000 extern auf der Flucht, wurden im Kosovo ca. 10.000 Menschen getötet, der weitaus größte Teil davon Kosovoalbaner durch serbische Kräfte. Auf der anderen Seite fielen laut Human Rights Watch ca. 500 serbische Zivilpersonen NATO-Luftangriffen zum Opfer.1 Während die Gewaltorgie auf dem Balkan in Deutschland verspätet und gespalten wahrgenommen wurde, fand der Völkermord in Ruanda im Frühjahr 1994 in der deutschen Öffentlichkeit und Politik, auch in der Friedensbewegung kaum Beachtung. Dass binnen drei Monaten mehr als 800.000 Menschen abgeschlachtet wurden, dass die Internationale Staaten“gemeinschaft“ vorgewarnt war, hätte eingreifen können, es aber nicht tat, wurde mir, wurde uns erst nachtäglich bewusst. Umso mehr ist General a.D. Roméo Dallaire aus Kanada zu danken: Er hat das Versagen der Staatengemeinschaft beim Völkermord in Ruanda als Kommandeur der politisch „gefesselten“ UNBlauhelme vor Ort schmerzhaft miterlebt. Er kämpft seit Jahren für die Umsetzung des „Nie wieder“ in Tatkraft. Er verleiht dem 1. Münsterschen Kongress zur Humanitären Hilfe durch seine Anwesenheit und Mitwirkung besonderes Gewicht.

1

NACHTWEI: Kosovo-Krieg.

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Podiumsdiskussion

Historischer Fortschritt Als die auf dem Milleniumsgipfel 2005 versammelten Staats- und Regierungschefs einstimmig die Responsibility to Protect beschlossen, als UN-Generalversammlung und Sicherheitsrat dies billigten, war das ein großer Fortschritt für die Weiterentwicklung von Völkerrecht und Menschenrechten. Bisher waren die Sicherheit der Staaten und die Sicherheit der Menschen getrennte Welten. Jetzt wurden sie miteinander verbunden: Souveränität als Verantwortung und Verpflichtung der Staaten zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; der Übergang der Schutzverantwortung auf die internationale Staatengemeinschaft, wenn der jeweilige Staat nicht in der Lage oder willens ist, seine Bürger vor schlimmsten Menschenrechtsverbrechen zu schützen; die dreistufige Umsetzung als Responsibility to Prevent, to React und to Rebuild. Seit 2008 gibt es einen UN-Sonderbeauftragten für die Schutzverantwortung. Der umfangreiche Bericht des UN-Generalsekretärs über die Umsetzung der Schutzverantwortung vom 12. Januar 2009 betont, dass die Schutzverantwortung fest in den anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts verankert und eine „Norm im Werden“ sei.2 Entwickelt wird eine Drei-Säulen-Strategie aus der Schutzverantwortung des Staates, der internationalen Hilfe und Kapazitätsaufbau (assist), der rechtzeitigen und entschiedenen Reaktion (react). Die Strategie betont den Wert der Prävention und, wenn diese versagt, einer frühzeitigen und flexiblen Reaktion. Zögerliche Umsetzung Angestoßen durch die von der kanadischen Regierung berufene International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS 2001), aufgenommen von einer hochrangigen UN-Kommission (2004), beschlossen auf dem globalen Treffen der Staaten in New York war die Schutzverantwortung über Jahre doch in erster Linie ein Anliegen von humanitären und Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten – in Nordamerika viel mehr als z.B. in Deutschland. Gefordert war und ist die Schutzverantwortung besonders in Afrika. Der 2003 offen ausgebrochene Konflikt im westsudanesischen Darfur war laut UN 2004 die „schlimmste humanitäre Katastrophe in der Welt“. 2

Vereinte Nationen, Generalversammlung: Umsetzung der Schutzverantwortung – Bericht des Generalsekretärs, A/63/677 12.01.2009, online: http://www.un.org/depts/german/gv-sonst/a63-677.pdf.

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In einem Gebiet von der anderthalbfachen Größe Deutschlands und 5 Mio. Einwohnern kamen bis Frühjahr 2008 ca. 300.000 Menschen ums Leben, 2,5 Mio. wurden in die Flucht getrieben. Die gemeinsam von Afrikanischer Union und UN gestellte Friedensmission UNAMID mit ihren 26.000 autorisierten Soldaten und Polizisten wird von den westlichen Staaten nur äußerst zurückhaltend unterstützt – von Deutschland mit zzt. 9 (!) Soldaten. Ein anderes humanitäres Katastrophengebiet ist die Demokratische Republik Congo (DRC), insbesondere der Osten, wo Milizen seit Jahren wüten: Eine Hölle auf Erden gerade für Frauen. Im Jahr 2006 beteiligte sich Deutschland für einige Monate an der EU-Mission zur Absicherung der Präsidentschaftswahlen. Begründet wurde die Mission mit europäischem Interesse an einer friedlichen Entwicklung in der DRC und humanitärer Verantwortung für eine kriegsgeschundene Bevölkerung. Als die Wahlen einigermaßen über die Bühne gebracht waren, waren die guten Motive schnell vergessen, schrumpfte das Engagement der Bundesregierung wieder zurück auf einzelne gute Entwicklungsvorhaben. Deutsche Unterstützung für MONUSCO? Die insgesamt fast 20.000 Soldaten, Polizisten und Zivilexperten der Kongo-Mission kommen aus 58 Staaten. Die Bundesrepublik ist nicht darunter. Diese Minimalunterstützung von UN-Friedensmissionen durch westliche und reiche Staaten ist symptomatisch für die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik in globaler Verantwortung. Absoluten Vorrang haben weiterhin nationale und Bündnisinteressen. Gegenüber dem entgrenzten „Krieg gegen den Terror“ insbesondere der USA, dem primär bündnispolitisch motivierten Afghanistaneinsatz und dem Einsatz zum Schutz strategisch bedeutsamer Seewege am Horn von Afrika blieb die Schutzverantwortung über Jahre politisch eher ein „Leichtgewicht“. Eine Gewichtverschiebung machte sich zuerst in den USA bemerkbar. Im Jahr 2008 legte die von Ex-Außenministerin Madeleine K. Albright und Ex-Verteidigungsminister William S. Cohen geleitete „Genocide Prevention Task Force“ die Studie „Preventing Genocide – A Blueprint for U.S. Policymakers“ vor.3 Im Mai 2010 verpflichtete sich die US-Regierung in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie, sich gemeinsam mit der Internationalen Gemeinschaft für die Vorbeugung von Massenverbrechen und Völkermord einzusetzen. Im Dezember 2010 verabschiedete der US-Senat einmütig eine von Demokraten und Republikanern gemeinsam eingebrachte Resolution zur Stärkung der US-Fähigkeiten zur Vorbeugung von Völkermord und 3

ALBRIGHT, COHEN: Preventing Genocide. Herausgeber der Studie sind The American Academy of Diplomacy, United States Holocaust Memorial Museum, United States Institute of Peace.

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Podiumsdiskussion

Massenverbrechen. Am 4. August 2011 erließ Präsident Obama eine Anweisung zur Einrichtung eines ständigen, ressortübergreifenden „Atrocities Prevention Board“. Die Vorbeugung von Massenverbrechen und Völkermord erklärte er zu einem zentralen nationalen Sicherheitsinteresse und einer zentralen moralischen Verantwortung der USA. Demgegenüber spielt die Schutzverantwortung weder im neuen NATO-Konzept vom November 2010 noch in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesrepublik („Nationale Interessen wahren – Internationale Verantwortung übernehmen – Sicherheit gemeinsam gestalten“) vom 18. Mai 2011 eine Rolle. Sieben Jahre zuvor hatte der 2004 von der Bundesregierung beschlossene Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ immerhin die Stärkung umfassender Gewaltprävention zum Programm erhoben.4 Überraschende Aktualisierung Umso überraschender war die Wiederbelebung der Schutzverantwortung im Kontext der libyschen Revolution in den ersten Monaten 2011. Mitte Februar begann die Auflehnung gegen das GaddafiRegime friedlich im Nordosten und südlich von Tripolis. Binnen weniger Tage hatte die vor allem von jungen Libyern getragene Rebellion enormen Zulauf. Teile der Armee und etliche Vertreter des Gaddafi-Regimes liefen über. Viele der großen Stämme kündigten dem Regime ihre Loyalität auf. Das Gaddafi-Regime verlor weite Gebiete und reagierte mit äußerster Brutalität. Schon am 26. Februar missbilligte der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 1970 die „groben und systematischen Verletzungen der Men-

4

Bundesregierung der BRD: Aktionsplan. Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung, Berlin 2004, online: http://www.auswaertigesamt.de/cae/servlet/contentblob/384230/publicationFile/4345/AktionsplanDe.pdf. Als erste der im Bundestag vertretenen Parteien bekannten sich Bündnis 90/Die Grünen zur Schutzverantwortung. Der am 16.11.2008 vom Bundesparteitag in Erfurt gebilligte Abschlussbericht der Friedens- und sicherheitspolitischen Kommission widmete der Schutzverantwortung als „ganzheitlichem Ansatz“, der Zivilen Konfliktbearbeitung und Prinzipien für Krisenengagement und Auslandseinsätze drei Kapitel, S. 15-21, S. 51-55. (Bündnis 90/Die Grünen: Abschlussbericht der Friedensund Sicherheitspolitischen Kommission, online: http://www.gruenepartei.de/cms/files/dokbin/247/247629.frisikoabschlussbericht.pdf). Die Partei DIE LINKE repräsentiert mit ihrer kategorischen Ablehnung der Schutzverantwortung den Gegenpol in der deutschen Parteienlandschaft. Eine aktuelle Übersicht über die Haltung der Bundesregierung und aller Bundestagsparteien zur Schutzverantwortung unter http://www.schutzverantwortung.de.

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schenrechte einschließlich der Unterdrückung friedlicher Demonstranten“ und die „ausgedehnten und systematischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung“, die „möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“. Der Sicherheitsrat bekräftigte die Schutzverantwortung der libyschen Behörden gegenüber der eigenen Bevölkerung und forderte sie auf, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten. An Maßnahmen beschloss der Sicherheitsrat die Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof, ein Waffenembargo, ein Reiseverbot für 16 Führungspersonen des Regimes, das Einfrieren von Vermögenswerten. Am 1. März suspendierte die UN-Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit die Mitgliedschaft Libyens im Menschenrechtsrat – ein in der UN-Geschichte erstmaliger Beschluss. Die UN-Beschlüsse blieben ohne Wirkung bei einem Regime, das offenbar gegen Teile des eigenen Volkes Krieg führte und Stadt für Stadt zurückeroberte. Mitte März standen Gaddafi-Truppen vor Bengasi. Führer des Regimes hatten mit massiver Rache gedroht. Auf Drängen der Vetomächte Großbritannien und Frankreich und unterstützt von der Arabischen Liga befasste sich der Sicherheitsrat ab 14. März auch mit militärischen Maßnahmen. Libanon, das zzt. einzige arabische Land im Sicherheitsrat, beantragte eine Flugverbotszone. Am 17. März beschloss der Sicherheitsrat überraschenderweise eine verschärfte Resolution (1973). Die Vetomächte China und Russland ließen sie mit ihrer Enthaltung passieren. Der Sicherheitsrat wiederholte seine Verurteilung grober und systematischer Menschenrechtsverletzungen und systematischer Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die „möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“ und bekräftigt seine „Entschlossenheit, den Schutz der Zivilpersonen und der von der Zivilbevölkerung bewohnten Gebiete sowie den raschen und ungehinderten Durchlass humanitärer Hilfe (…) zu gewährleisten“. Ausgehend von der Feststellung, dass die Situation in Libyen eine „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt“, verlangte der Sicherheitsrat eine sofortige Waffenruhe, betonte die Notwendigkeit verstärkter Bemühungen zu einer politischen Konfliktlösung, ermächtigte die Mitgliedsstaaten zu allen notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (unter Ausschluss ausländischer Besatzungstruppen), beschloss eine Flugverbotszone und ermächtigt zu allen notwendigen Maßnahmen. Nie zuvor hat der Sicherheitsrat unter Berufung auf die Schutzverantwortung so weitreichende Maßnahmen beschlossen!5 5

Kurz später am 30. März 2011 verschaffte der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 1975 der Schutzverantwortung in der Elfenbeinküste Geltung, verurteilte die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und ermächtigte UNOCI und die sie unterstüt-

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Podiumsdiskussion

Bemerkenswert war der kurzfristige Sinneswandel in der USAdministration, in der zunächst die Interventionsskeptiker dominierten. Die ZEIT vom 24. März 2011 berichtete, dass vier Frauen bei Präsident Obama die militärische Intervention gegen Verteidigungsminister Gates durchgesetzt hätten: Hillary Clinton, Samantha Power (Beraterin aus dem Nationaler Sicherheitsrat), UN-Botschafterin Susan Rice und Anne-Marie Slaughter (bis vor kurzem Leiterin des Planungsstabs im Außenministerium) argumentierten alle im Sinne der Schutzverpflichtung. Alle vier waren geprägt von den Erfahrungen mit unterlassener Schutzverantwortung in den 90er Jahren – in Ruanda, Srebrenica. Entgegengesetzt bemerkenswert war die Enthaltung der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat. Bei aller berechtigter Skepsis gegenüber einer Militärintervention wich sie der akuten Schutzverantwortung gegenüber der bedrohten Bevölkerung von Bengasi aus. Sie verweigerte sich damit der internationalen Verantwortung. Mit der schnellen Intervention von Luftstreitkräften konnte das angekündigte Großmassaker in Bengasi verhindert werden. In den Folgewochen wurde die NATO aber de facto zur Luftwaffe der Rebellen. Dies – und die verdeckte Ausbildungshilfe für die Rebellen – trug wesentlich zum Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes bei. Die extensive Auslegung des UN-Mandats durch die intervenierenden Staaten, die Zielverschiebung von der Großgefahrenabwehr zum RegimeChange wurde aber von Russland, China, der AU und vielen Staaten des Südens als Missbrauch der Schutzverantwortung bewertet. Somit hatte die Libyen-Intervention zwiespältige Wirkungen: Der kurzfristig erfolgreichen humanitären Schutzwirkung, dem erfreulichen Sturz eines Tyrannen stand gegenüber die mittelfristige Diskeditierung und Beschädigung der Schutzverantwortung in den Augen zentraler internationaler Akteure. Die internationale Vertrauenskrise der Schutzverantwortung zeigte sich schmerzhaft gegenüber der Gewalteskalation in Syrien: Lange verweigerten China und Russland im UNSicherheitsrat jede politische Verurteilung des Assad-Regimes. Schutzverantwortung in der Kontroverse und Entwicklung (a) Der häufigste Einwand gegen die Schutzverantwortung verweist auf die Missbrauchsgefahr als Türöffner für Militärinterventionen. Dieser Grundverdacht ist wahrlich nicht unbegründet. Zahlreich sind zenden französischen Truppen, alle erforderlichen Mittel zum Schutz von bedrohten Zivilpersonen einzusetzen. Der eskalierende Bürgerkrieg wurde gestoppt.

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die Fälle in Geschichte und Gegenwart, wo Militärinterventionen und Angriffskriege humanitär und moralisch begründet wurden. Der Irakkrieg ist da noch in frischer Erinnerung. „Zivilisatorische Mission“ war ein Leitmotiv der Kolonialpropaganda des 20. Jahrhunderts, „Schutztruppen“ hießen die deutschen Kolonialtruppen, die in Südwestafrika einen Vernichtungskrieg gegen die einheimischen Herero führten. Bis heute werden die Menschenrechte immer wieder für Machtinteressen instrumentalisiert. Die Missbrauchsgefahr verpflichtet zu ideologiekritischer Wachsamkeit. Sie ändert aber nichts an der Notwendigkeit des Menschenrechtsschutzes – bis zum Einsatz rechtsstaatlicher Gewalt zum Schutz vor illegaler Gewalt. Bezogen auf die vier Haupttatbestände der Schutzverantwortung war über die Jahrzehnte aber nicht der Missbrauch das Problem, sondern das NICHTHANDELN. Und dieses NICHTHANDELN beschränkte sich nicht auf die bekanntesten Fälle Ruanda und Srebreniza. WEGSEHEN und NICHTHANDELN wurde extensiv praktiziert gegenüber der Terrorherrschaft und Vernichtungspolitik der Nazis. Ein erschütterndes Zeugnis davon ist der „Bericht an die Welt“ von Jan Karski.6 Der Kurier der polnischen Untergrundbewegung besuchte im Oktober 1942 (!) das Warschauer Ghetto und das Vernichtungslager Belzec. Er hat „den Großen dieser Welt enthüllt, was die Welt nicht wissen wollte“ (Jorge Semprun). Dass in der Volksrepublik China der „Große Sprung nach vorn“ in den Jahren 1958-1965 ca. 45 Mio. Menschenleben kostete, dass unter den Roten Khmer 1975-1978 in Kambodscha 1,7 bis 2,2 Mio. Menschen durch Zwangsarbeit und in Todeslagern ermordet wurden, darunter fast die ganze intellektuelle Elite, wurde damals gerade von meiner politischen, „antiimperialistisch“ orientierten Generation verdrängt, ja lange geleugnet. Mein Eindruck ist, dass die Fälle umstrittener Militärinterventionen wie Kosovo und Afghanistan in der kollektiven Erinnerung hierzulande unvergleichlich mehr an politisch-moralischen Wunden hinterlassen haben als die Fälle unterlassener internationaler Hilfeleistungen. Dass man in der Politik durch Nichthandeln mindestens genauso schuldig werden kann wie durch fehlerhaftes Handeln, ist viel zu wenig bewusst. (b) Zurecht wird immer wieder die mangelnde Glaubwürdigkeit vieler Staaten, ja der Staatengemeinschaft angeprangert, die je nach ihren Interessen selektiv mit Menschenrechten und Schutzverantwortung umgehen, die immer wieder doppelte Standards praktizieren. Das widerspricht der Unteilbarkeit der Menschenrechte. Solche real6

KARSKI: Bericht an die Welt.

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Podiumsdiskussion

politischen Beschränkungen sind aber kein Grund, Nothilfe auch da zu verweigern, wo sie durch Eigeninteressen befördert und wo sie möglich ist. Verbreitet ist der Vorbehalt, die Schutzverantwortung sei eine „westliche Norm“, Ausdruck westlicher Bevormundungsversuche. So richtig und notwendig die Respektierung unterschiedlicher Kulturen und Wertvorstellungen ist. So falsch ist diese, vor allem von autoritären Machthabern vorgebrachte Relativierung fundamentaler Menschenrechte. Es gibt keine Gemeinschaft, Gesellschaft, Kultur oder Religion, die Völkermord und andere Massenverbrechen öffentlich und offiziell als akzeptabel werten würde. Die Afrikanische Union ist die einzige Organisation, die über die Achtung der nationalen Souveränität, der friedlichen Konfliktlösung, des Gewaltverbotes hinaus auch die Schutzverantwortung, sogar ein ausdrückliches Interventionsrecht durch Beschluss der Vollversammlung der Staatschefs (Art. 4h) in ihre Gründungsakte aufnahm – schon im Jahr 2000! (c) Ein drittes Problem ist, dass die Schutzverantwortung in der öffentlichen Diskussion oft auf die dritte Stufe des react, der ggfs. militärischen Intervention reduziert und der Vorrang der Prävention übergangen wird. Hier kommt eine verbreitete Militärlastigkeit der politischen Wahrnehmung und Auseinandersetzung zum Ausdruck, einhergehend mit einem vorherrschenden friedenspolitischen Analphabetismus. Eigenartig ist, dass auch ausdrücklich friedensorientierte Kreise über die dominierende Auseinandersetzung mit Militär und Rüstung kaum die Vereinten Nationen und ihre Anstrengungen für kollektive Friedenssicherung wahrnehmen, geschweige unterstützen. Ausgangsbasis einer weitsichtigen und wirksamen Gewaltprävention ist der Verzicht auf kontraproduktive Akte („do no harm“). Gerade ungehemmte Rüstungsexporte wirken immer wieder als regelrechte Brandbeschleuniger. (d) Ein viertes Problem ist so manches Mal die Kluft zwischen hohem moralischen Anspruch einerseits und unzureichender Operationalisierung und Wirksamkeitsorientierung andererseits. Guter Wille reicht nicht. Das fängt an beim Mangel an internationalen und integrierten Frühwarn- und Frühaktivierungssystemen zu schwersten Menschenrechtsverbrechen und Völkermord.7 Das geht über den Rückstand an Fähigkeiten und Kapazitäten der zivilen Krisenprävention und Unterstützungskräften. Das reicht bis zu Doktrinen, Konzepten und Kapazitäten für Operationen zur Beendigung von Massenverbrechen. Der Gründungsdirektor des Zentrum Interna7

Die Anweisung von US-Präsident Obama vom August 2011 zur Einrichtung eines „Atrocities Prevention Board“ benennt deutlich diese und die folgenden Defizite: OBAMA: Fact Sheet. Näheres darüber unter http://www.genocide-alert.de

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tionale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin und Peacekeeping-Experte Winrich Kühne spricht in diesem Kontext von einer zusätzlichen „Verantwortung zur Wirksamkeit – und kein Chaos anzurichten“. Hilfreich für UN-Mandate zur Schutzverantwortung sind die fünf von der ICISS entwickelten, aber nicht in das Gipfeldokument von 2005 aufgenommenen Kriterien „Ernst der Bedrohung“, „Redlichkeit der Motive“, „Anwendung als letztes Mittel“, „Verhältnismäßigkeit der Mittel“, „Angemessenheit der Folgen“.8 (e) Eine besondere Herausforderung ist das Spannungsverhältnis zwischen kurzfristiger Großgefahrenabwehr und der mittel- bis längerfristigen Prävention und der Bekämpfung von Konfliktursachen. Während sich Regierungen oft auf kurzfristiges Agieren konzentrieren und dabei immer wieder bei Symptombehandlung landen, haben entwicklungspolitische und zivilgesellschaftliche Akteure ihren Schwerpunkt oft eher bei der Bearbeitung von Konfliktursachen, wo aber die Wirkzusammenhänge komplex und schwer fassbar sind. In der politischen Auseinandersetzung werden Gefahrenabwehr und Ursachenbekämpfung immer wieder gegeneinander gestellt, obwohl sie zusammengehören. Realistischerweise ist dabei zu berücksichtigen, dass verschiedene externe Akteure sehr unterschiedliche Wirkungsmöglichkeiten gegenüber akuten Konfliktdynamiken und tieferen Konfliktursachen haben. Schlussfolgerungen Die internationale Schutzverantwortung ist ein Eckstein einer menschenrechtsorientierten und völkerrechtskonformen globalen Friedens- und Sicherheitspolitik. Sie ist eine zentrale Konsequenz aus dem viel beschworenen „Nie wieder!“ und steht im Kontrast zu Trends einer Fragementierung und Renationalisierung von Sicherheitspolitik. Als Ursprungsland eines historisch beispiellosen Völkermords und Vernichtungskrieges ist Deutschland besonders in der Pflicht, die Schutzverantwortung zu stärken und bestmöglich zu unterstützen – durch nationale Beiträge, im Kontext von EU, OSZE, UN und NATO. Verankert werden muss die Schutzverantwortung in einer künftigen deutschen Friedens- und Sicherheitsstrategie. Humanitäre und Menschenrechtsorganisationen spielen eine Schlüsselrolle für eine glaubwürdige und wirksame Umsetzung der 8

BÖHM, Andrea: Retter ohne Regeln – Irak, Afghanistan, Libyen, Uganda: Die Einmischung in fremde Konflikte wird zur Gewohnheit. Mitleid allein reicht nicht aus. Erforderlich sind klare Kriterien, DIE ZEIT 22. März 2012.

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Podiumsdiskussion

Schutzverantwortung, angefangen bei der Frühwarnung und Vorbeugung.9 Aussichtsreiche Krisenbewältigung allgemein und Schutzverantwortung speziell ist angewiesen auf den Verbund von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, von internen Friedenskräften und externen Unterstützern, auf ein bestmögliches Zusammenwirken von politischen, zivilen, militärischen und polizeilichen Akteuren. In Deutschland sind die bisherigen Strukturen von Ressortkreis und Beirat Zivile Krisenprävention und Ad-hoc-Task Forces in der Bundesregierung hierzu erste, aber keineswegs ausreichende Schritte. Praktizierte Schutzverantwortung gibt es nicht zum Nulltarif, sie geht einher mit finanziellen Kosten, ggfs. auch menschlichen Opfern, sie braucht öffentliche Akzeptanz. Diese ist nur mit einer kontinuierlichen friedens-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Bildungsarbeit und glaubwürdiger öffentlicher Kommunikation zu erreichen. Lernen lässt sich vor allem aus Fehlern. Die öffentliche Kommunikation des Afghanistaneinsatzes in Deutschland bietet hierzu ein reiches Lernangebot.

9

Vgl. die neue, von engagierten www.schutzverantwortung.de

Studierenden

betriebene

Seite

Zusammenfassung und Ausblick INTERNATIONALE SOFORTHILFE – EINE GRATWANDERUNG: 1. MÜNSTERSCHER KONGRESS ZUR HUMANITÄREN HILFE INTERNATIONAL EMERGENVY AID – A DELICATE BALANCE: ST 1 MÜNSTER CONGRESS ON HUMANITARIAN RELIEF Joachim Gardemann The cornerstones of the “Westphalian System” are the equal legal standing of sovereign states and the principle of the exclusion of external actors from domestic matters. Additionally, there exists a historically evolved awareness that not only states, but also humans have rights. Hence, in case of overwhelming natural disasters or mass atrocities a dilemma may arise: To what extent is international humanitarian intervention justified and emergency aid appropriate? What are the limitations of state sovereignty in this case, how far goes a responsibility to protect? These questions of international humanitarian relief were illustrated and discussed in the historic town hall of the 1648 conclusion of the Peace of Westphalia in Münster. Different and manifold aspects were raised like the international humanitarian law, the peace finding by negotiated settlements, constraints of nation state sovereignty, the responsibility to protect, a comprehensive approach to humanitarian ethics and the replacement of outdated state-based international governance and conflict management. There was a general agreement on the importance of the problem and a declared intention that a culture of prevention of atrocities has to be rooted as an attitude of the general civil society. Münster with its history of being the arena of the 1648 European Peace Congress is an unrivaled location and starting point for mobilizing the civil society towards generally accepting a responsibility to protect human life and human dignity wherever.

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Zusammenfassung und Ausblick

Besteht ein Verbot, ein Recht oder gar eine Verpflichtung zur humanitären Intervention? Bei Katastrophen durch Naturereignisse, durch technisches Versagen oder durch Gewalt kann es vorkommen, dass ein Staat die notwendige Hilfe selbst nicht leisten kann oder auch nicht leisten will. In welchem Umfang sind dann internationale Interventionen in souveränen Staaten berechtigt und internationale Soforthilfeleistungen angemessen? Zwei Normen liegen diesem Dilemma zugrunde: Menschenrecht und Souveränität: Das humanitäre Völkerrecht1 erstrebt ein Mindestmaß an Humanität auch im Krieg und stellt juristisch ein für Situationen bewaffneter Konflikte geschaffenes Sonderrecht dar. Es kann damit zwar Kriege nicht verhindern, versucht jedoch mit seinen Regeln, das Leid der Kriegsopfer zu mildern. Das humanitäre Völkerrecht schützt Personen, die sich nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligen (Schutzrecht oder Genfer Recht) und beschränkt Art und Weise der Kriegsführung (Begrenzungsrecht oder Haager Recht). Besonders für das Rote Kreuz als Subjekt internationalen Rechts sind die völkerrechtlichen Vorschriften bindende Rechtsgrundlage. Für zivile Organisationen humanitärer Nothilfe ist es schon allein zur Bewahrung eigener rechtlicher und sittlicher Standpunkte und Prinzipien unmöglich, mit militärischen Einheiten zu kooperieren, die eine Partei im Konflikt darstellen oder unterstützen oder sich nicht radikal den humanitären Grundsätzen unterwerfen. Andererseits ist eine Zusammenarbeit mit lokalen oder auch internationalen Militäreinheiten als Hilfsorganen innerhalb der rechtmäßigen örtlichen Verwaltung oder gemäß dem 4. Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten im Rahmen der Daseinssicherung oder der Bewältigung von Naturkatastrophen zunächst weniger problematisch, wirft aber dennoch immer die Frage der jeweiligen öffentlichen Wahrnehmung auf. Gerade für das Rote Kreuz besitzt die Gewährleistung freien Zuganges zu betroffener Bevölkerung höchste Priorität, aber ein Eingreifen gegen den Willen eines souveränen Staates ist völkerrechtlich so gut wie ausgeschlossen. Zivile humanitäre Hilfsorganisationen müssen ohne jeden politischen oder militärischen Zwang tätig sein können, wenn sie unparteilich und unabhängig menschliches Leid lindern wollen. Jede Nähe zu einer militärischen Konfliktpartei gefährdet ihre Neutralität, schadet dem öffentlichen Vertrauensvorschuss und untergräbt damit die positive Gegenseitigkeitsvermutung. Jede Art von Zusammenarbeit mit militärischen Einheiten darf nur im engsten Rahmen des Völkerrechts stattfinden und muss jeweils die 1

Vgl. den Beitrag von Dr. Rudolf Seiters.

1. Münsterscher Kongress zur Humanitären Hilfe

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ultima ratio darstellen, die nach Ausschöpfen sämtlicher vorhandener ziviler Mittel verbleibt. Der Wille zur Verhandlungslösung2 in auswegloser Situation führte zum europäischen Friedenskongress in Münster und Osnabrück und damit zu den bis heute rechtsverbindlichen Festlegungen des Westfälischen Friedens. Die völkerrechtlich fundierte Autonomie souveräner Staaten und der Grundsatz der Nichteinmischung in deren innere Angelegenheiten bilden als „Westphalian System“ bis heute die Grundlage für die Beziehungen der Staaten untereinander. In einer heutigen zunehmend erkennbaren Krise dieses jahrhundertelang unangefochtenen „Westfälischen Systems“ ist Westfalen wie keine andere Region verpflichtet und geeignet, sich federführend einzumischen und dabei an die historische Lage von 1648 zu erinnern. Der mühsame Verhandlungsweg führte, wenngleich unter großen Mühen und unter Aufbietung allen verfügbaren Sachverstandes, letztlich doch zur Konfliktbewältigung und Friedenssicherung. Das Jahr 1648 und der Verhandlungszeitraum zuvor bieten auch heute noch Orientierung und stärken die Hoffnung, durch „Dialoge zum Frieden“ Konflikte zu vermeiden oder zu lösen, Frieden zu sichern und Not weltweit zu lindern. Die Souveränität der Staaten und die Souveränität der Individuen3 stellen gerade aus Sicht der eigenen tragischen Betroffenheit Grundsatzpositionen dar, die zum Widerspruch und zum nahezu unlösbaren Dilemma führen. Alle Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass hier keine einfachen Lösungswege zu erwarten sind. Das „Westfälische System“ mag zwar in den letzten Jahrhunderten ein wesentlicher Faktor politischer Stabilität in der Außenbeziehung gewesen sein, hat sich aber angesichts neuer Herausforderungen zunehmend als wenig geeignetes und dringend anzupassendes Instrument des Völkerrechtes erwiesen. Staatlicher Souveränität ist auch die Souveränität und Würde des einzelnen Menschen gleichberechtigt an die Seite stellen, denn bei jeder Begegnung mit einem anderen Menschen wird menschliche Einzigartigkeit und Verantwortung offenbar4. Zum Schutz bedrohten Lebens und bedrohter Würde bedarf es daher der Friedenssicherung und der Konfliktlösung notfalls auch mit den Mitteln der humanitären Intervention, da sich in der Geschichte wiederholt eine Berufung rechtstreuer Staaten auf das Prinzip staatlicher Souveränität nur als Entschuldigung für untätiges Zuwarten erwiesen hat.

2 3 4

Vgl. den Beitrag von Prof. Dr. Franz-Josef Jakobi. Vgl. Den Beitrag von LGen Roméo Dallaire (Ret'd). LÉVINAS: Spur des Anderen, S. 223.

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Zusammenfassung und Ausblick

Die Schutzverantwortung5 ist als Grundlage der Beziehungen von Staaten untereinander, aber auch als Grundlage der Beziehungen von politischen Führungskräften mit der ihnen jeweils anvertrauten Bevölkerung zu definieren. In diesem Licht wird staatliche Souveränität vom selbstverständlichen Privileg zum erarbeiteten Qualitätsmerkmal funktionierender und rechtstreuer Staaten. Ein Rückgriff auf naturgegebene staatliche Souveränitätsrechte darf niemals wieder zu einem stillschweigenden globalen Übereinkommen zur Nichteinmischung führen, wie es 1994 angesichts des offenkundigen Genozids in Ruanda der Fall war. Das gemeinschaftliche menschliche Bewusstsein einer Schutzverantwortung für alle Mitmenschen hingegen und der Wille, das menschliche Lebensrecht notfalls auch gegen örtliche Machthaber durchzusetzen, kann einigender Leitgedanke ziviler Bürgergesellschaft sein. Besonders die Stadt Münster mit ihrer Geschichte als Austragungsort der Verhandlungen, die zum europäischen Friedensschluss von 1648 führten, ist aufgerufen, den Gedanken der Schutzverantwortung aufzugreifen und über alle politischen Ebenen zu verbreiten. Die Tauglichkeit ethischer Grundsätze und die menschliche Würde6 werfen die Frage auf, ob eine abendländische Tugend- oder Zweckethik oder auch völkerrechtliche Regelwerke noch die sittliche Richtschnur angesichts weltweiter humanitärer Herausforderungen bieten können oder ob es vielmehr einer erweiterten ethischen Betrachtung bedarf. Besonders das humanitäre Prinzip und Instrument der Neutralität führt in ein unlösbares Dilemma zwischen Zugangsmöglichkeit und aufrichtigem Eintreten für grundlegende Werte. Die humanitären Prinzipien der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit mögen zwar in ihrer kodifizierten Form ebenso wie das heutige humanitäre Völkerrecht durchaus einem abendländischen Denken entsprungen sein, sie verkörpern aber eigentlich globale transkulturelle Werte wie Menschlichkeit, Aufrichtigkeit, Ritterlichkeit und die positive Gegenseitigkeitsvermutung. Das Konzept der menschlichen Würde und die Ethik des Dialogs eignen sich als sittliche Grundlagen humanitären Eingreifens, führen aber damit auch zwangsläufig in eine Verpflichtung zur humanitären Intervention. Die geänderten Regeln internationaler Beziehungen7 werfen immer dringender die Frage auf, welche Instrumente transnationaler Politik die bisherigen überhaupt noch zu ersetzen vermögen, damit weiterhin zumindest ein rudimentäres gemeinsames Verständnis von

5 6 7

Vgl. den Beitrag von Prof. Dr. Frank Chalk. Vgl. den Beitrag von Prof. Dr. Ted van Baarda. Vgl. den Beitrag von Prof. Dr. Dr. Reinhard Meyers.

1. Münsterscher Kongress zur Humanitären Hilfe

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Konfliktlösung und Friedenssicherung erreicht wird. In einer Welt mit zunehmend nichtstaatlichen international auftretenden Akteuren und mit zerbrechenden traditionellen staatlichen Strukturen verlieren überkommene Machtmonopole an Bedeutung und Autoritäten schwinden dahin. Das Westfälische System wechselseitig garantierter staatlicher Souveränität vermag angesichts veränderter Ordnungsverhältnisse immer weniger die Antworten auf aktuelle Konflikte und Krisen zu geben, hat sich aber mangels einer brauchbaren Alternative bis in die heutige Zeit als Richtschnur erhalten und überwiegend bewährt. Nach einer Epoche des Westfälischen Systems wird man heute eher von einer Post-Westfälischen Zeit reden müssen. Münster ist seit 1648 Austragungsort international relevanter Kongresse. Das hier beschworene Westfälische System des Völkerrechts büßt allerdings zunehmend an Wirkmächtigkeit ein und vermag nach 350 Jahren die drängenden komplexen humanitären Fragestellungen nicht mehr zu beantworten. Vom Tagungsort Münster und aus seiner Zivilgesellschaft heraus kann aber zumindest wieder einmal ein Aufruf für entsprechende längst überfällige Dialoge zum Frieden erfolgen.8

8

Im Stadtmuseum Münster findet sich eine Schaumünze zum Westfälischen Frieden von 1648. Um die Stadtsilhouette rankt sich ein lateinischer Sinnspruch: „Hinc toti pax insonat orbi”, aus dem Lateinischen übersetzt: „Von hier aus wird dem ganzen Erdkreis der Frieden verkündet“.

Vorbereitende Vorlesungen ORGANISATORISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN IN DER PRAXIS DER INTERNATIONALEN SOFORTHILFE1 Joachim Gardemann Humanitäre Soforthilfe oder Nothilfe wird als kurzfristige Maßnahme gesehen, um eine akute Unterversorgung im Bereich der Infrastruktur oder auf medizinischem Gebiet zu überbrücken. Humanitäre Nothilfe versteht sich dabei als professionelle Dienstleistung an ungewöhnlichem Ort. Die fachlichen und personalen Anforderungen unterscheiden sich daher prinzipiell nicht von der beruflichen Tätigkeit am Heimatort. Die Professionalität der humanitären Nothilfe stellt ihre Ansprüche sowohl an die strukturelle Qualität der Organisation als auch an die fachliche und personale Qualifikation der einzelnen Hilfeleistenden. Das System der Emergency Response Units (ERU) der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) soll nachfolgend als ein mögliches Beispiel unter vielen für weltweit koordinierte und standardisierte Nothilfe herangezogen werden. Zahlreiche Organisationen haben sich die weltweite Gewährung humanitärer Nothilfe zur Aufgabe gemacht. Das Internetportal „Reliefweb“ der Vereinten Nationen2 verzeichnet allein schon über 120 große Nichtregierungsorganisationen, daneben sind zahlreiche Behörden und Organe der Vereinten Nationen sowie jeweils staatliche Einrichtungen und Körperschaften und eine unübersehbar große Gruppe kleinerer privater Organisationen unterschiedlichster Gesinnung und Professionalität weltweit in der Nothilfe tätig. Jede Professionalität der einzelnen Einsatzkräfte kann sich dabei natürlich nur vor dem Hintergrund einer gesicherten Struktur- und Prozessqualität der 1 2

Aktualisierte und erweiterte Fassung des Beitrages: GARDEMANN: Wie entsteht ein Projekt der Humanitären Hilfe? OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs): Standard Products, online http://oneresponse.info/AboutUs/Pages/About%20Us.aspx.

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Vorbereitende Vorlesungen

Entsendeorganisation entfalten. Die große Vielzahl humanitär tätiger Organisationen zeigt hierbei die unterschiedlichsten strukturellen Merkmale, Leitbilder und Abhängigkeiten von Interessengruppen: Nationale militärische Versorgungs- und Sanitätseinheiten verfügen so zwar im Einsatzfall über eine herausragende und umfassende logistische und technische Ausstattung, sind und bleiben dabei aber weisungsgebundene Instrumente der Außenpolitik ihrer Entsendeländer. Besonders problematisch ist für die international tätigen Militäreinheiten auch die beinahe unlösbare Frage anzuwendender therapeutischer Standards. Primärer Einsatzauftrag einer jeden Sanitätseinheit der deutschen Bundeswehr beispielsweise ist es, „die Gesundheit unserer Kameradinnen und Kameraden zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen.“3 Selbstverständlich muss daher von den Streitkräften auch im Ausland eine medizinische Versorgung nach den hoch technisierten Standards des eigenen Heimatlandes angeboten werden, was bei der Versorgung einer lokalen Bevölkerung im Einsatzgebiet zwar kurzfristig und in Einzelfällen leistbar ist, aber niemals nachhaltig in das dort vorhandene Gesundheitswesen wird integriert werden können. Weiterhin erlaubt alleine schon die Berücksichtigung militärischer Sicherheitserfordernisse keine vollständige Öffnung der militärisch geführten Einrichtungen und steht damit einer ungehinderten Kooperation mit lokalen Fachleuten aus der Population der Katastrophenopfer im Wege. Nationale Zivilbehörden wie beispielsweise das deutsche Technische Hilfswerk als Bundesbehörde der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr4 treten ebenfalls als technisch hervorragend ausgestattete ausführende Organe der jeweiligen Regierungen auf und sind daher ebenso weisungsgebundene Instrumente nationaler Außenpolitik wie militärische Sanitäts- oder Versorgungseinheiten. Internationale humanitäre Organisationen mit einem weltanschaulichen oder religiösen Werterahmen wie Malteser International5, Johanniter International6 oder Islamic Relief Worldwide7 haben sich zumeist die humanitäre Charta zueigen gemacht, so wie sie im SphereProjekt niedergelegt ist8, bleiben dabei aber auch eingebunden in

3 4 5 6 7 8

Bundeswehr: Präsentation Sanitätsdienst. online http://www.sanitaetsdienstbundeswehr.de/portal/a/sanitaetsdienst. Technisches Hilfswerk (THW), online http://www.thw.bund.de/. Order of Malta, online http://www.orderofmalta.int/?lang=en. Order of St. John: Internetpräsentation. online http://www.orderofstjohn.org/. Islamic Relief Worldwide: Internetpräsentation. online . http://www.islamicrelief.com/. Sphere Project: Sphere Handbook 2011.

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Organisation und Ausrichtung der sie tragenden großen Kultur- oder Religionsgemeinschaften. Freie humanitäre Weltorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen9 legen als private medizinische Nothilfeorganisationen großen Wert auf völlige organisatorische, politische und finanzielle Unabhängigkeit, um ganz unbeeinflusst Menschen in Not zu helfen und auf ihr Leid sowie dessen Ursachen auch öffentlich aufmerksam machen zu können. Eine Sonderstellung als Völkerrechtssubjekt und Schutzmacht kommt unter den Hilfsorganisationen dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besonders bei bewaffneten Konflikten zu.10 Die in den Genfer Konventionen verbindlich niedergelegten Rotkreuzgrundsätze der Unparteilichkeit und Neutralität haben sich zwar als Instrumente für einen ungehinderten Zugang in alle Konfliktgebiete weltweit seit nunmehr fast 150 Jahren bestens bewährt, allerdings verbietet das strikte Neutralitätsgebot dem IKRK das wirksame Instrument einer öffentliche Anprangerung tatsächlicher Missstände, das anderen Organisationen an dieser Stelle zur Verfügung steht. Primäre Maßnahmen der Soforthilfe bestehen in der Sicherstellung von Trinkwasserversorgung, Ernährung, Hygiene, Unterbringung und Gesundheitsversorgung vor dem Hintergrund völkerrechtlicher und humanitärer Standards. Humanitäre Nothilfe stellt sich dabei weltweit als zwischenmenschlicher Solidarakt angesichts einer vitaler Bedrohung von Mitmenschen dar und findet ihre ethische Begründung in allen Kulturen und Weltreligionen entweder in der gemeinschaftlichen Zugehörigkeit zur belebten Natur, zur Menschheit oder in der gemeinschaftlichen Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, wie es die Lehre der drei Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam vorgibt.11 Das Ausmaß des Respekts vor den Hilfeempfängern und die Professionalität der Hilfeleistung werden somit auch zu einer sittlichen Dimension und zu einem bedeutenden Indikator für die Qualität der Nothilfe. Auf der Ebene der persönlichen Qualifikation schließt daher schon allein der Respekt vor den vorhandenen fachlichen Kompetenzen innerhalb einer geflohenen oder betroffenen Population die Entsendung unausgebildeter oder angelernter Kräfte in ein Katastrophengebiet grundsätzlich aus. Hilfskräfte braucht man nicht kostenintensiv in 9

10 11

Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen e.V.:Charta. http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/Organisation/Aufgaben-undZiele/Charta.php. Vgl. FLECK: Handbuch. Vgl. HUBER: Der Barmherzige Samariter.

online

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ein Schadensgebiet zu exportieren, sondern kann sie als fachkompetente Muttersprachler vor Ort aus der ansässigen Bevölkerung wesentlich günstiger gewinnen und einweisen. Auch jede betriebswirtschaftliche Gesamtberechnung aufgewendeter Spendengelder lässt die Investition der Versicherungs-, Impf- und Transportkosten für Auslandsdelegierte erst ab einem hohen Grad an beruflicher Selbständigkeit und Führungskompetenz sinnvoll erscheinen. Professionell agierende Hilfsorganisationen setzen im ärztlichen Bereich beispielsweise zumindest mehrjährige verantwortliche Stationsarbeit oder auch eine Facharztanerkennung voraus, im technischen Bereich die Meisterqualifikation und im pflegerischen Bereich Führungserfahrung auf Stations- oder Abteilungsebene. Aufbauend auf einer solchen beruflichen Selbständigkeit, den jeweils erforderlichen personalen Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnissen bieten die Organisationen dann umfangreiche Einführungskurse an. Der Nachweis kultureller Offenheit und geringer Ansprüche an Transport und Unterbringung beispielsweise durch frühere Reisen in ärmeren Ländern kann eine erste Bewerbung auch ohne Einsatzerfahrung unterstützen. Die Erfüllung der Fürsorgepflicht einer Hilfsorganisation zeigt sich auch daran, wieweit sie ihren arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. So sind eine arbeitsmedizinische Untersuchung vor und nach einem jeden Tropenaufenthalt gemäß den jeweiligen arbeitsmedizinischen Festlegungen, so beispielsweise in Deutschland der berufsgenossenschaftliche Grundsatz G 35: „Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen klimatischen und gesundheitlichen Belastungen“12 sowie ein Versicherungspaket unter Einschluss besonderer Risiken wie beispielsweise der Kriegswaffeneinwirkung für die Entsendeorganisation Ausdruck der Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht. Im ganz persönlichen Bereich schafft für zahlreiche Menschen die Nennung der Länder Ruanda, Kongo, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Iran, Haiti, Sudan oder Syrien unmittelbare Assoziationen zu Bildern leidender Menschen und ruft Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft hervor. Dem Schicksal Anderer entnehmen wir wissbegierig auch Erkenntnisse für unsere eigene Lebensbewältigung, und das vergangene Jahrzehnt bot uns überreichlich Gelegenheit hierzu. Die Anziehungskraft der aktiven Teilhabe gerade an internationaler Hilfeleistung besonders für junge Menschen erklärt sich dabei nicht zuletzt durch die Faszination des Humanitarismus, durch Begegnung mit unverfälschtem, intensiv aufrichtigem und wahrhaften Menschsein,

12

BGZ: Berufsgenossenschaftliche Zentrale für Sicherheit und Gesundheit: BerufsgeGrundsätze und andere Schriften. online nossenschaftliche http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=23096.

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das sich in großer Hingabe, aber auch in großem Leid materialisieren kann.13 Die Teilnahme an humanitärer Hilfeleistung im In- und Ausland führt so natürlich bei der überwiegenden Zahl der Einsatzkräfte auch zu individueller Erfüllung und Sinngebung, was damit ja auch einen nicht wegzudenkenden Motivationsfaktor darstellt. Die persönliche Sinnfindung des Helfenden muss aber natürlich immer dem allgemeinen Hilfsziel untergeordnet bleiben. Für viele Einsatzkräfte kann die aktive Teilnahme an internationalen Hilfsmaßnahmen auch eine Befreiung von der ohnmächtigen Ausgeliefertheit gegenüber der multimedialen Katastrophenberichterstattung bedeuten und damit im Sinne des Salutogenesekonzeptes sogar durchaus gesundheitsförderlich wirken.14 Diese Möglichkeit der eigenen Einflussnahme ist ebenso wie die Eingebundenheit im freundschaftlichen Team für jeden einzelnen Helfer auch während des Einsatzes eine wesentliche Stärkung und Hilfe angesichts der Erlebnisse überwältigenden Leides. Wichtigste persönliche Voraussetzung zu tatsächlich uneigennütziger Hilfeleistung aber bleibt die Freiheit von dem Zwang oder dem Bedürfnis, sich selbst beweisen zu müssen, um vielleicht ein Gefühl der eigenen Minderwertigkeit durch das Helfen zu kompensieren. Dietrich Bonhoeffer sprach in diesem Zusammenhang sehr treffend von der Voraussetzung einer „Freiheit zur Mitmenschlichkeit“15. Die Erfahrung der ungenügend koordinierten internationalen Hilfe im afrikanischen Zwischenseengebiet nach dem Genozid in Ruanda hatte zur Intensivierung der Bemühungen namhafter international tätiger Hilfsorganisationen um Zusammenarbeit und Qualität geführt. Mit der Gründung des Sphere-Projekts wurde 1997 ein verbindlicher Rahmen normativer und technischer Standards für die internationale Nothilfe geschaffen. Zu den hier niedergelegten ethischen Fundamenten der Nothilfe zählen die völkerrechtlichen Grundsätze der Neutralität und Unparteilichkeit, die Verpflichtung zur Koordination aller Hilfsmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Kompetenzen der Betroffenen sowie hinsichtlich der Langzeitwirkungen auf die Lebensbedingungen und die künftigen Notfallressourcen der Hilfsempfänger.16 Technische Leitlinien der Daseins- und Gesundheitsfürsorge in Katastrophen werden daneben kontinuierlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen online auf den

13 14 15 16

Vgl. PICTET: Red Cross Principles. Vgl. ANTONOWSKY: Unraveling the Mystery of Health. Vgl. GREEN: Freiheit zur Mitmenschlichkeit. Vgl. Sphere Project: Sphere Handbook 2011.

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Seiten „reliefweb“17 und „health library for disasters“18 veröffentlicht. In der Praxis der Nothilfe verfolgt das Konzept der angepassten Technologie („appropriate technology“) den Ansatz der Orientierung an den lokalen Standards und vermeidet technologische Abhängigkeit. Ein solches Vorgehen birgt aber die Gefahr in sich, dass Flüchtlinge in oder aus Mangelgebieten gesundheitlich unterversorgt bleiben, sodass jeweils eine vorsichtige Güterabwägung zwischen akutmedizinisch Machbarem und langfristig Leistbarem erforderlich wird.19 Bei jeder Planung und Durchführung der Hilfsmaßnahmen stellt die frühzeitige Einbeziehung kompetenter Betroffener nicht nur eine kostensenkende Nutzung lokal vorhandenen Ressourcen dar, sondern fördert unmittelbar die Gesundheit der Opfer durch Stärkung des Kohärenzgefühls im Sinne des Salutogenesekonzeptes.20 Als koordinierende Behörde treten bei Naturkatastrophen die jeweils landesrechtlich zuständigen Verwaltungsorgane auf, bei bewaffneten Konflikten oder Zusammenbruch staatlicher Ordnungsstrukturen („failing state“) muss diese Aufgabe nach den Genfer Völkerrechtsabkommen jeweils von der besetzenden Kriegsmacht oder von den Behörden der Vereinten Nationen übernommen werden.21 Das Koordinationsbüro der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen hat mittlerweile eine Vielzahl von Standards des Berichtswesens und der daseinssichernden Aktivitäten vorgelegt, um sicherzustellen, dass im Bereich der humanitären Nothilfe ein hoher Standard evidenzbasierten Handelns auf professionellem Niveau erreicht und gesichert wird. Neben Handlungsroutinen für den Notfall sind hier auch kritische epidemiologische Kennzahlen sowie ein standardisiertes Berichtswesen zur Qualitätssicherung vorgegeben. Die Entscheidung zu einer internationalen Nothilfeleistung wird in letzter Zeit leider zunehmend durch eine Medienberichterstattung gesteuert, die durch möglichst spektakuläre Bilder und Berichte von ausgewählten Katastrophenszenarios den öffentlichen Druck auf Organisationen und Behörden so stark erhöht, dass dann oft eher politisch motivierte Hilfsmaßnahmen in Gang gesetzt werden.22 Dabei halten die UN-Organisationen seit jeher einen Indikatorensatz zur Entscheidungsfindung bei Krisen und Katastrophen bereit. So sind 17 18 19 20 21 22

United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA): Reliefweb. online http://www.reliefweb.int/. World Health Organization (WHO) and Pan American health Organization (PAHO): Health Library for Disasters.online http://helid.desastres.net/. Razum, Gardemann: Nothilfe. Vgl. ANTONOWSKY: Unraveling the Mystery of Health. UNHCR: Handbook. Vgl. MUNZ: Im Zentrum der Katastrophe.

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unterschiedliche Warnwerte als Indikatoren einer akuten Notlage definiert, beispielsweise die Sterblichkeitsrate innerhalb der Gesamtbevölkerung, die Sterblichkeitsrate der Kinder unter fünf Jahren sowie der Anteil akut mangelernährter Personen und der Anteil untergewichtiger Neugeborener.23 Neben einer datenbasierten Entscheidung durch die Organe der Vereinten Nationen sind internationale Absprachen über die Gewährung humanitärer Soforthilfe oftmals aber auch vor einem politischen Hintergrund zu sehen. Entweder wenden sich nationale Regierungen und Behörden an die Weltöffentlichkeit und erbitten in unterschiedlichem Ausmaß externe Unterstützung ihrer Hilfsbemühungen, oder die großen weltweit agierenden Organisationen und Gruppierungen leisten sich solidarisch grenzüberschreitende Hilfen. Am Beispiel der Rotkreuz- und Rothalbmondföderation lassen sich Ausstattung und Einsatzablauf einer solchen großen humanitären Organisation auf Gegenseitigkeit nachfolgend erläutern: Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde 1919 neben dem IKRK aus dem Jahr 1864 als zweite internationale Organisation der weltweiten Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) mit dem Ziel der Nothilfe bei Naturkatastrophen oder der Flüchtlingshilfe in Drittländern außerhalb der Kampfzone geschaffen. Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften ist heute weltweit die größte humanitäre Organisation und beruht auf dem Gedanken einer Solidargemeinschaft der mittlerweile über 180 nationalen Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften. Die Föderation unterhält über 60 permanente Delegationen weltweit, um jederzeit gemäß ihrer Grundsätze der Humanität, Neutralität und Unparteilichkeit die notwendigen und geeigneten Maßnahmen der Soforthilfe einleiten zu können. Alle Aktivitäten der Nothilfe haben dabei natürlich zunächst die Sofortversorgung bedrohter Menschengruppen zum Ziel, andererseits gehört die nachhaltige Stärkung der lokalen Daseinsfürsorge und Gefahrenabwehr vom ersten Tag der Nothilfemaßnahme zu den Zielsetzungen eines jeden Einsatzes.24 Für diese Aufgaben kann die Föderation auf ihr einzigartiges beinahe lückenloses weltweites Netzwerk nationaler Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften zurückgreifen, das nahezu überall die sofortige Einbindung in lokale Versor23

24

World Health Organization (WHO): List of Reference Values for Rapid Health Assessment and Contingency Planning. Online http://www.who.int/hac/techguidance/tools/Reference%20Values.pdf. International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC): Disaster management. Preparing for disasters. Emergency response Units (ERUs) online http://www.ifrc.org/what/disasters/responding/drs/tools/eru.asp.

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gungsstrukturen und den Zugang zu muttersprachlichem Fachpersonal ermöglicht. Das weltweite Nothilfe-Programm der „Emergency Response Units“ der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) ist beispielsweise in Ausrüstung und Personalausstattung von der Alarmierung an auf sofortige Zusammenarbeit mit der jeweils betroffenen nationalen Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft ausgerichtet, um innerhalb weniger Wochen dauerhaft in deren Bestand übernommen zu werden. Noch bis Anfang der neunziger Jahre wurden für die internationale Nothilfe letztlich die organisatorischen Katastrophenschutzeinheiten der nationalen Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften entsandt. Die Erfahrungen nach dem Erdbeben in Armenien 1988 und bei der Flüchtlingsversorgung während des Golfkrieges 1991 vor dem Hintergrund einer grundlegend veränderten weltpolitischen Lage führten jedoch zu einem Umdenken in die Richtung schnell verfügbarer kleinerer Soforthilfemodule gemäß einem weltweit festzulegenden technischen Standard.25 Es hatte sich nämlich immer wieder gezeigt, dass das benutzte Material technisch zu anspruchsvoll und dadurch auch zu störungsempfindlich und kostenintensiv war und sich für eine nachhaltige Eingliederung in lokale Einrichtungen am Einsatzort nicht eignete. Ebenso hatte die Entsendung größerer personeller Kontingente die ohnehin geschwächten Koordinationsstrukturen im Einsatzgebiet immer wieder zusätzlich belastet. Erstmals nach dem Genozid in Ruanda 1994 wurde daher in den Nachbarländern zur Versorgung der Flüchtlinge ein modularisiertes System kleiner und schnell verfügbarer Nothilfeeinheiten mit Erfolg eingesetzt. Dieses „Baukastensystem“ der Nothilfeeinheiten des Roten Kreuzes bekam bald den Namen „Emergency Response Units“ und hat sich seit nunmehr 15 Jahren an sehr vielen Schauplätzen weltweit bewährt, so beispielsweise während des Kosovo-Krieges26 und nach dem Erdbeben im iranischen Bam.27 Falls eine Natur- oder Gewaltkatastrophe die Möglichkeiten der jeweils nationalen Rotkreuz-oder Rothalbmondgesellschaft übersteigt, kann sich diese hilfesuchend an das Büro der Föderation (IFRC) in Genf wenden, von wo aus dann der solidarische Einsatz innerhalb der weltweiten Rotkreuzbewegung koordiniert wird. Eine weitere Ebene der Alarmierung kann aber auch durch Anforderung seitens der jeweiligen nationalen Regierungsbehörden auf zwischenstaatliches Hil25 26 27

SCHNABEL, MUNZ et al.: Referral Field Hospital, S. 857-61. FLINTROP: Einsatz in Mazedonien. MUNZ, MOCH et al.: Nach dem Erdbeben im Iran.

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feersuchen betroffener Staaten erfolgen. Als anerkannte nationale Hilfsgesellschaften können die Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften von den jeweiligen nationalen Regierungen um Auslandshilfe gebeten und entsprechend ausgestattet werden. So hat beispielsweise das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit zahlreiche Auslandseinsätze des Deutschen Roten Kreuzes finanziell unterstützt. Ein spezielles „Field Assessment and Coordination Team“ (FACT) aus sehr einsatzerfahrenen und im Berichtswesen sowie der Einsatzorganisation speziell geschulten Auslandsdelegierten wird dann von der Föderation unverzüglich zur Lageerkundung und Anforderung weiterer geeigneter Mittel in das Schadensgebiet entsandt. Aus den weltweit vorhandenen und verfügbaren Beständen des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes sind dann die Einheiten innerhalb von 36 bis 72 Stunden vor Ort und einsatzfähig. Das System der Emergency Response Units unterliegt einer fortlaufenden Evaluation und damit einem kontinuierlichen Anpassungsprozess an die sich verändernden Herausforderungen in der internationalen Nothilfe. Als erste Grundbausteine des ERU-Systems wurden von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) zwei medizinische Module entwickelt, die in Europa flugfertig verpackt eingelagert und innerhalb 24 Stunden an jeden beliebigen Katastrophenort verbracht werden können, um dort für 4-5 Wochen völlig unabhängig und ohne logistische Unterstützung von außerhalb die medizinische Erstversorgung aufzunehmen. Von Anfang an arbeiten diese Module in Zusammenarbeit mit nationalen Rotkreuz- bzw. Rothalbmondgesellschaft zusammen und eine Übergabe an die lokalen Partner wird angestrebt. Nach Einsatzende verbleibt das Modul im Gastland um dort bei zukünftigen Katastrophen selbstständig eingesetzt zu werden. Diese beiden medizinischen Grundmodule sind die Basic Health Care Unit und das Referral Hospital.28 Die Basic Health Care Emergency Response Unit ist ein Modul zur notfallmäßigen Basisversorgung für 30 000 Menschen, das in insgesamt 8 Zelten zu je 30m² untergebracht ist, aber ebenso in bestehenden Gebäuden genutzt werden kann. Die Medizinische Versorgung erfolgt gemäß den Grundsätzen einer Primary Health Care, wie sie 1978 in Alma-Ata von der Weltgesundheitsorganisation festgelegt wurde.29 Die Ausstattung besteht aus Ambulanz, Basislabor, Geburtshilfe, kleiner Chirurgie sowie 12 Überwachungsbetten. Diese ERU kann bei Bedarf in ein Cholera-Hospital, ein Feeding-Centre oder in eine Basis zur Massenimp28 29

MUNZ, MOCH et al.: Nach dem Erdbeben im Iran. GARDEMANN: Primary Health Care.

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fung umgewandelt werden. Die Ausstattung wird durch Generatoren, zwei geländegängige Fahrzeuge, Kommunikationseinrichtungen und die komplette Unterkunft für das Personal ergänzt. Die ERU ist nach Eintreffen vor Ort innerhalb von 24 Stunden einsetzbar und wird von einer Ärztin oder einem Arzt, zwei Krankenpflegepersonen oder Hebammen sowie zwei Technikern betrieben, die durch weitere zehn bis fünfzehn einheimische Fachleute komplettiert werden. Diese personelle Ausstattung der Emergency Response Unit erlaubt die Einarbeitung jeweils einiger auch bislang unerfahrener Delegierter während ihres ersten Auslandseinsatzes. Die Basic Health Care Emergency Response Unit verfügt über zwei „Interagency Emergency Health Kits“ als Notfallausstattung für die basismedizinische Versorgung von 10000 Personen.30 Die Basic Health Care Emergency Response Unit kann immer auch als erste und schnell verfügbare Grundkomponente der humanitären Soforthilfe eingesetzt werden und ist modular den jeweiligen Erfordernissen vor Ort entsprechend erweiterbar. Das ERU Referral-Hospital wird zur notfallmäßigen stationären Krankenversorgung von etwa 200 000 Menschen eingesetzt und wird ebenfalls als Zelthospital vorgehalten. Die Ausstattung besteht aus einem OP-Zelt mit einem oder zwei Operationstischen, Labor, Röntgen, Kreissaal und einer großen Ambulanz, die international auch als „outpatient department“ (OPD) bezeichnet wird. Für die stationäre Versorgung stehen 150 Betten in den Abteilungen Innere Medizin, Pädiatrie, Gynäkologie/Geburtshilfe und Chirurgie zur Verfügung. Auch hier wird die Ausstattung durch geländegängige Fahrzeuge, Generatoren, sanitäre Anlagen und Unterkunft für das Personal ergänzt. Das Hospital ist nach Eintreffen vor Ort etwa innerhalb von 48 Stunden operativ. Das internationale medizinische Team der Föderation umfasst folgende fachärztliche Kompetenzen: Pädiatrie, Chirurgie, Anästhesiologie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin. Hinzu kommen acht Krankenpflegepersonen, eine Hebamme, eine Medizinisch-technische Assistentin, eine Radiologieassistentin, fünf Techniker und drei Fachleute für Logistik und Verwaltung. Dieses Team wird durch 50 bis 80 einheimische Kolleginnen und Kollegen komplettiert. Das ERU Referral Hospital wurde unter anderem nach dem Genozid in Ruanda, während der NATO-Angriffe auf Jugoslawien, nach dem Erdbeben im iranischen Bam und nach der Tsunamikatastrophe eingesetzt und hat sich unter diesen schwierigsten Bedingungen bestens bewährt.31

30 31

IDA Foundation: Emergency Health Kit. online http://www.idafoundation.org/enus/content.aspx?cid=68. Vgl. JACOBI: Rahmat lebt, sowie MUNZ: Im Zentrum der Katastrophe.

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Aufgrund der weltweiten Präsenz nationaler Rotkreuz- oder Rothalbmondorganisationen ist eine sofortige enge Zusammenarbeit mit lokalen Kräften ebenso sichergestellt wie die Übergabe der Einrichtungen an die örtliche Partnerorganisation zur langfristigen weiteren eigenverantwortlichen Verwendung. Emergency Response Units stellen sehr schnell weltweit mobilisierbare Einrichtungen der Gesundheits- und Daseinsvorsorge dar und werden aus einer multidisziplinären ehrenamtlichen Personalreserve mit hoher beruflicher Grundqualifikation und spezifischer Fortbildung ausgestattet. Ursprünglich waren fünf verschiedene Typen von Emergency Response Units für die verschiedene Schadenslagen und Bedarfssituationen entwickelt worden: Water and Sanitation ERU, Basic Health Care ERU, Referral Hospital ERU, Logistics ERU und Telecommunication ERU. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen wurde die Trennung zwischen Einheiten der Daseinsversorgung (Water and Sanitation) und Einheiten der Gesundheitsversorgung aufgegeben und so um einen Schwerpunkt Hygiene-Promotion ergänzt. Die Einheiten setzen sich heute aus Fachmodulen und unterstützenden Modulen zusammen, die sich aufteilen in Personalversorgung, Winterausstattung, Verwaltungsausstattung, Kommunikation, Infrastruktur und technische Unterstützung. Im Bereich der Trinkwasserversorgung und Hygienesicherung können verschieden große Module durch Sedimentation und/oder Filtration sowie chemische Nachbehandlung Trinkwasser gemäß SphereStandard bereitstellen und die Grundhygiene für große Bevölkerungsgruppen sicherstellen und fördern. Sämtliche eingesetzte technische Ausstattung wird aus dem „Emergency Items Catalogue“ des IKRK und der IFRC beschafft und erfüllt somit die Voraussetzungen an Robustheit und Angepasstheit zur nachhaltigen Integration auch in das Gesundheitswesen ärmerer Länder. Das externe Personal für die Emergency Response Units begleitet im Einsatzfall das technische Gerät aus dem jeweiligen Standort in das Einsatzgebiet und übernimmt zunächst Aufbau und Betrieb der Einrichtung. Vom Ankunftszeitpunkt im Einsatzland an wird das externe Personal bereits durch einheimische Fachkräfte der nationalen Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft ergänzt und übernimmt zunehmend Aufgaben im Bereich der Koordination und Ausbildung lokalen Personals, bis die Emergency Response Unit schließlich gänzlich der jeweils nationalen Schwestergesellschaft übergeben werden kann und in deren Ausstattung auch zur Bewältigung künftiger Katastrophen übernommen wird. Durch die sofortige Einbindung lokalen Gesundheitspersonals am Einsatzort und durch enge Kontakte zu lokalen Behörden und Dienst-

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Vorbereitende Vorlesungen

stellen der öffentlichen Gesundheitspflege auf den verschiedenen Verwaltungsebenen wird sichergestellt, dass die jeweils am Einsatzort geltenden Rechtsgrundlagen, Therapieschemata sowie Meldepflichten beachtet und angewendet werden. Ebenso dient die tägliche Krankenhausstatistik neben der eigenen Leistungsbeschreibung in erster Linie der Qualitätssicherung und der frühzeitigen Ermittlung epidemiologisch bedeutsamer Ereignisse im Sinne eines Frühwarnsystems und Ausbruchsmonitorings.32 Naturgemäß entsprechen die fachlichen und persönlichen Anforderungen an künftige Einsatzkräfte im System der Emergency Response Units den Erfordernissen an Führungskräfte unter schwierigen Einsatzbedingungen, wie sie beispielsweise durch eine fachärztliche oder Meisterqualifikation nachzuweisen sind. Nach Absolvieren der Lehrgänge „Basic Training Course“ und „First Aid in the Field“ sowie arbeitsmedizinischer Untersuchung und Immunisierung sind dann die Einsatzkräfte als Angehörige der Personalreserve entsprechend einer langfristig vorherigen Abstimmung mit den Arbeitgebern auch äußerst kurzfristig alarmierbar. Die Bewerbungen um Aufnahme in den ERU-Personalpool erfolgen über die jeweilige nationale Rotkreuzoder Rothalbmondgesellschaft. Alle großen humanitär tätigen Organisationen bereiten die für sie tätigen Auslandsdelegierten in ähnlichen speziellen Seminaren inhaltlich und organisatorisch auf ihre jeweiligen Einsätze vor. Das Beispiel des Nothilfeeinsatzes des Deutschen Roten Kreuzes im chinesischen Erdbebengebiet33 zeigt deutlich die spezifischen Rahmenbedingungen der weltweiten Rotkreuzarbeit auf, für die die strikte Wahrung von Neutralität und Unparteilichkeit seit jeher ein Zugangsinstrument auch für Einsatzgebiete im Zustand von Konflikt oder Spannung darstellt. Andererseits schränken diese Grundsätze das Rote Kreuz aber in seiner Möglichkeit einer öffentlichen Stellungnahme zu politischen Fragestellungen im Einsatzgebiet erheblich ein. Die weltweite Not- und Katastrophenhilfe der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist somit in grundsätzlicher Ausrichtung und praktischer Ausrüstung an dieser Stelle nur als ein Beispiel unter vielen möglichen Vorgehensweisen zu verstehen. Sowohl in der strategischen Ausrichtung als auch in der taktischen Abwicklung der Nothilfe sind zahlreiche Alternativen denkbar und zielführend. Im konkreten 32 33

MUNZ, MOCH et al.: Nach dem Erdbeben im Iran; sowie KRIEG, GARDEMANN: Record of Morbidity. BORK, Henrik: Viele Kisten voller Hoffnung. Wie das Deutsche Rote Kreuz im Erdbebengebiet in der chinesischen Provinz Sichuan ein mobiles Krankenhaus installiert, Süddeutsche Zeitung vom 24./25. 05. 2008.

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Einsatzfall kommt es daher erfahrungsgemäß immer zu einer allseits lehrreichen Zusammenarbeit von Betroffenen, Regierungsstellen und Angehörigen der verschiedenen Hilfsorganisationen. Seit mindestens einem Jahrzehnt beobachten Nothilfeorganisationen besorgt die humanitären Aktivitäten militärischer Kräfte in Konfliktgebieten, die sich auf ihre eigene Bewegungsfreiheit und Akzeptanz bei der Bevölkerung negativ auswirken.34 Ein „humanitärer Raum“ wird also von Politik und Militär definiert, gleichermaßen als „Neben-Raum“ für Zivilisten jenseits und außerhalb des Kampfgebietes. Humanität ist jedoch nicht parzellierbar, der Raum für Humanität ist eben kein „Abstell-Raum“, sondern ein wirklicher „Welt-Raum“. Die intensive zivil-militärische Diskussion um den „humanitären Raum“ hat sich zudem fast ausschließlich auf den Kriegsschauplatz Afghanistan verengt, was angesichts der zahllosen Krisen und Katastrophen weltweit und angesichts der derzeit 193 UN-Mitgliedsstaaten in der Tat eine unzulässige Einschränkung des Diskussionshorizonts darstellt. Der eigentliche humanitäre Raum umfasst daher weltweit jeden möglichen Schauplatz menschlichen Leids und somit auch jeden Aufenthaltsort des Menschen. Eine Verengung des Begriffes „humanitärer Raum“ auf definierte gefährdungsarme und militärisch abgesicherte Enklaven in Konfliktgebieten überlässt daher dem Militär bereitwillig eine Deutungsmacht, die diesem einfach nicht zusteht. Die intensiv geführte Diskussion der letzten Jahre stellt diese Deutungsmacht nie infrage, beklagt aber gleichzeitig die zunehmende Einengung des humanitären Raumes durch Militär. Hier kann nur ein deutlicher Perspektivenwechsel die Begrenzung der militärisch besetzten Räume zugunsten neutraler und unparteiischer humanitärer Nothilfe fordern, um damit wieder wirklich auf die Grundprinzipien ziviler Hilfe für Konfliktopfer zurückzukommen, wie sie beispielsweise von Henry Dunant formuliert wurden.35 Der humanitäre Raum muss daher aus Sicht ziviler Organisationen immer Oberbegriff bleiben und sich zunächst kategorisch gegen jegliche Einschränkung stellen. Das humanitäre Völkerrecht erstrebt ein Mindestmaß an Humanität auch im Krieg und stellt juristisch ein für Situationen bewaffneter Konflikte geschaffenes Sonderrecht dar. Es kann damit zwar Kriege nicht verhindern, versucht jedoch mit seinen Regeln, das Leid der Kriegsopfer zu mildern. Das humanitäre Völkerrecht schützt Personen, die sich nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligen

34 35

Vgl. VON PILAR: Humanitarian Space Under Siege. DUNANT: Erinnerung an Solferino.

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(Schutzrecht oder Genfer Recht), und beschränkt die Art und Weise der Kriegsführung (Begrenzungsrecht oder Haager Recht).36 Die grundlegenden humanitären Prinzipien der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit mögen dabei zwar in ihrer kodifizierten Form ebenso wie das heutige humanitäre Völkerrecht durchaus einem abendländischen Denken entsprungen sein, sie verkörpern aber eigentlich globale transkulturelle Werte wie Menschlichkeit, Aufrichtigkeit, Ritterlichkeit und die positive Gegenseitigkeitsvermutung. Diese wurden sämtlich ja auch außerhalb Europas verschriftlicht, so beispielsweise in der islamischen Welt bereits im zwölften Jahrhundert („Siyar“ als islamisches Völkerrecht seit Sultan Saladin). Somit muss immer eine sorgfältige Differenzierung zwischen völkerrechtlicher Legalität und transkultureller Sittlichkeit vorgenommen werden, um die zahlreichen Bruchstellen zwischen militärischen und zivilen Akteuren im Bereich der humanitären Nothilfe hinreichend erklären zu können. Für die betroffene Zivilbevölkerung und für die zivilen Hilfsorganisationen kommt es eben nicht nur auf das rechtmäßige Mandat anwesender Streitkräfte an, sondern genauso auf deren konkretes Verhalten sowie besonders auch auf ihre Wahrnehmung durch die örtliche Bevölkerung. Hier begründet schon die überwiegende Herkunft internationaler Hilfsorganisationen aus reicheren westlichen Ländern in vielen Einsatzorten eine grundsätzliche öffentliche Skepsis, die natürlich durch jede Missachtung kultureller Werte wie beispielsweise eine fehlende Kopfbedeckung von Frauen nur weitere Bestätigung erfährt. Zivilen Hilfsorganisationen wird oft vorgeworfen, inhaltlich fragwürdige Maßnahmen zu ergreifen, um durch verbesserte Medienpräsenz ein höheres Spendenaufkommen zu generieren37, was zweifellos ein unsittliches Gebaren darstellt. Aber auch ein militärischer Grundsatz wie „winning hearts and minds“ durch punktuell willkürliche akutmedizinische Versorgung ohne Nachhaltigkeit stellt in diesem Zusammenhang genauso wie das Aushorchen prämedizierter chirurgischer Patienten der Gegenseite eine sittenwidrige Instrumentalisierung der Nothilfe dar und widerspricht damit in jeder Kultur den Prinzipien der Aufrichtigkeit, Ritterlichkeit und Menschlichkeit. Ein völkerrechtliches Mandat ist für die öffentliche Wahrnehmung dieser sittlichen Verfehlungen völlig unbedeutend. Wohlgemerkt, hier handelt es sich nicht nur um eine sittliche Bewertung aus exotischen Ländern und Kulturen, sondern um Grundwerte europäischer Ethik: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in 36 37

Vgl. FLECK: Handbuch. Vgl. POLMAN: Mitleidsindustrie.

Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen

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der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“38 Für zivile Organisationen humanitärer Nothilfe ist es daher schon allein zur Bewahrung eigener rechtlicher und sittlicher Standpunkte und Prinzipien unmöglich, mit militärischen Einheiten zu kooperieren, die eine Partei im Konflikt darstellen oder unterstützen oder sich nicht radikal den genannten humanitären Grundsätzen unterwerfen.39 Alleine schon durch die räumliche Nähe, durch militärischen „Schutz“, durch Verwendung ähnlicher Fahrzeuge, Ausrüstung, Symbole oder Kleidung kann eine humanitäre Zivilorganisation ihre Neutralität verspielen, sich damit Gefährdungen aussetzen sowie bereitwillig ihren eigenen „humanitären Raum“ preisgeben. Andererseits ist eine Zusammenarbeit mit lokalen oder auch internationalen Militäreinheiten als Hilfsorganen innerhalb der rechtmäßigen örtlichen Verwaltung oder gemäß dem 4. Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten im Rahmen der Daseinssicherung oder der Bewältigung von Naturkatastrophen zunächst weniger problematisch, sie wirft aber dennoch immer die Frage der jeweiligen öffentlichen Wahrnehmung auf. In zahlreichen derzeitigen Konflikten gestaltet sich die Durchsetzung der bewährten Regeln des humanitären Völkerrechts mit seinen Vorschriften zum Kriegsopferschutz und zur Kriegswaffenbegrenzung zunehmend schwieriger.40 Asymmetrische Kriegsführung mit fehlender Erkennbarkeit von Kombattanten oder Missachtung und Unkenntnis völkerrechtlicher Regeln und Schutzzeichen seien hier genannt. Das Durchsetzungsinstrument der positiven Gegenseitigkeitsvermutung büßt immer weiter an Glaubwürdigkeit ein. Auch auf Seiten internationaler Streitkräfte kommt es zur Vermischung militärischer mit polizeilichen Aktivitäten oder gar mit privaten „Sicherheitsfirmen“. Polizeikräfte, die in „law enforcement“-Aktionen tätig werden, sind aber nicht an das Kriegsvölkerrecht gebunden und dürfen ungestraft beispielsweise Gaswaffen (Tränengas) oder völkerrechtlich geächtete Munition (Deformationsgeschosse) verwenden und sich damit wieder der Kampfmittel bedienen, die durch die Petersburger Erklärung vom 11. Dezember 1868 und das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 doch eigentlich endgültig geächtet schienen.41 Zivile humanitäre Hilfsorganisationen müssen ohne jeden politischen oder militärischen Zwang tätig sein können, wenn sie unparteilich und unabhängig menschliches Leid lindern wollen. Jede Nähe zu 38 39 40 41

Vgl. KANT: Metaphysik der Sitten. Vgl. Sphere Project: Sphere Handbook 2011. Vgl. VON PILAR: „I Close my Eyes and I Treat People”. Vgl. FLECK: Handbuch.

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einer militärischen Konfliktpartei gefährdet ihre Neutralität, schadet dem öffentlichen Vertrauensvorschuss und untergräbt damit die positive Gegenseitigkeitsvermutung. Jede Art von Zusammenarbeit mit militärischen Einheiten darf nur im engsten Rahmen des Völkerrechts stattfinden und muss jeweils die Ultima Ratio darstellen, die nach Ausschöpfen sämtlicher vorhandener ziviler Mittel verbleibt.42 In der Soforthilfe hat das humanitäre Prinzip der Unparteilichkeit Vorrang, es vereint in sich den Respekt vor der unbedingten Gleichheit aller Menschen, die darauf aufbauende Gleichbehandlung aller Menschen und die angemessene Hilfeleistung allein nach dem Maß der Not. Am Ort des Konfliktes oder der komplexen Katastrophe stellen Angehörige ausländischer Streitkräfte in dieser Sicht für humanitäre Organisationen zunächst also ganz einfach ein Bevölkerungssegment unter vielen anderen dar mit je eigenen Kompetenzen, Problemen und Zielen. Die Streitkräfte haben dabei im Gegensatz zur örtlichen rechtmäßigen Verwaltung keinen Anspruch auf Informationen der Hilfsorganisationen zu ihren Einrichtungen und Planungen, ihrer Personalstärke und Arbeitsorganisation, wenngleich dies unter Verweis auf Sicherheitsfragen oft verlangt wird. Auch können sie keine Informationen der Hilfsorganisationen über deren Erkenntnisse zur Situation der Gegenseite erwarten, so wie sie ja auch die Weitergabe eigener Strukturdaten mit allen Mitteln verhindern werden. Militärische Einheiten, seien sie national oder international, müssen sich in der Zusammenarbeit mit internationalen humanitären Organisationen immer bewusst sein, dass diese strikt zur Neutralität verpflichtet sind und dass es daher keine „Allianz der Expatriaten“ geben kann oder geben darf. Aus Sicht unparteiischer Nothilfeorganisationen in Bezug auf Militäreinheiten an einem Schauplatz militärischer Gewalt bedeutet das Prinzip der Unparteilichkeit in letzter Konsequenz eigentlich nur, dass sie sich im Falle der Not natürlich auch um die Angehörigen eben dieser Streitkräfte gleichermaßen kümmern werden. Darauf jedenfalls werden sich alle Militärangehörigen immer und überall verlassen können. Gerechter Krieg: Ein Gespenst mit Tradition?

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United Nations Inter-Agency Standing Committee: Civil-Military Guidelines & Reference for Complex Emergencies, New York: UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, 2008.

GERECHTER KRIEG: EIN GESPENST MIT TRADITION? EINE RECHTSPHILOSOPHISCHE SPURENSUCHE Fabian Wittreck I. Rechtsphilosophie als Völkerrechtssurrogat Die Frage nach der Legitimität der Anwendung militärischer Gewalt jenseits der eigenen Staatsgrenzen ist heute eine solche des (Kriegs-)Völkerrechts1. Vor der Ausdifferenzierung dieser eigenständigen Disziplin der Rechtswissenschaft – der Beginn dieses Prozesses wird gemeinhin in die frühe Neuzeit datiert und an der Person des niederländischen Gelehrten Hugo Grotius2, teils (und mit mehr Berechtigung) auch an Vertretern der sog. iberischen Spätscholastik festgemacht3 – wurde das Problem legitimer äußerer Gewaltanwendung vornehmlich von der (Rechts-)Philosophie, teils auch der Moraltheologie verhandelt und in die Vignette vom „Gerechten Krieg“ eingefaßt. Die folgenden Ausführungen wollen möglichst kompakt über die philosophische bzw. theologische Tradition dieses Begriffs informieren (II.), sie zugleich vom heute wieder beängstigend aktuellen „Heiligen Krieg“ abgrenzen (III.) und schließlich fragen, ob die philosophisch-theologische Überlieferung für die Beantwortung moderner Fragen nach einem vielleicht nicht „gerechten“, aber doch wenigstens gerechtfertigten Waffeneinsatz noch einen sinnvollen Beitrag liefern kann (IV.). II. Die klassische Lehre vom bellum iustum Die sich anschließende geraffte Darstellung der Tradition des gerechten Krieges ist zwar nicht ahistorisch, muß aber notwendig verdichten und dabei auch durchaus markante Unterschiede zwischen einzelnen Epochen und Autoren verschleifen. Dabei gilt es sich zu vergegenwär1 2 3

Einschlägige Literatur: BOTHE: Friedenssicherung; SHAW: International Law. So ZIEGLER: Völkerrechtsgeschichte, S. 135f. Hier sind namentlich Francisco de Vitoria OP († 1546) und Francisco Suárez SJ († 1617) zu nennen. NUßBAUM: Geschichte des Völkerrechts, S. 87ff., 93ff; SODER: Suárez, S. 191ff.; DOYLE: Suárez on The Law of Nations, S. 103; BÖCKENFÖRDE: Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 362ff., 393ff.

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tigen, daß die folgenden sieben Kriterien für einen „gerechten“ Krieg sich im Laufe einer fast tausendjährigen Debatte herausgebildet haben, deren wohl wichtigste Protagonisten Aurelius Augustinus († 430)4, Thomas von Aquin († 1274)5 sowie die bereits erwähnten Vertreter der iberischen Spätscholastik (15./16. Jhdt.) sind6. Sofern im Einzelfall einem der Genannten die regelrechte „Erfinderehre“ für eines der Merkmale gebührt, wird das gesondert vermerkt. Zu behandeln sind danach die Erklärung des Krieges durch die rechtmäßige Autorität (1.), der legitime Kriegsgrund (auch ius ad bellum genannt; 2.), die zusätzlich dazu bestehende legitime Absicht (3.), die legitime Art der Kriegführung (auch: ius in bello; 4.), die Aussicht auf Erfolg (5.), die Alternativlosigkeit des Kampfes (6.) sowie die Verhältnismäßigkeit des Kriegseinsatzes (7.). 1. Erste Bedingung: auctoritas principis/Legitime Autorität Das erste Kriterium für einen gerechten Krieg bzw. der erste Ansatz, Waffengewalt möglichst rechtlich einzuhegen, ist vergleichsweise alt: Die Festlegung, daß eine legitime Kriegführung nur vom zuständigen Hoheitsträger oder einem sonst hinreichend Ermächtigten angeordnet werden kann, ist bereits den Römern als Rechtssatz vertraut7 und wird auch von Augustinus präzise formuliert8: „Um solche Ausschreitungen gerecht zu bestrafen, müssen oft die Guten selbst zum Kriege schreiten, sei es auf Geheiß Gottes, sei es auf Befehl einer rechtmäßigen Staatsgewalt [legitimo imperio], und gegen die Gewalttätigkeit ihrer Gegner kämpfen. 4

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Näher zu seinem Beitrag MARKUS: Saint Augustine’s Views on the ‚Just War‘, S. 1; SWIFT: Early Fathers, S. 110ff.; HELGELAND, DALY et al.: Christians and the Military, S. 75ff.; GEERLINGS: De civitate dei, S. 215ff; MATTOX: Saint Augustine and the Theory of Just War; HARTIGAN: Saint Augustine on War and Killing; MARKUS: Coge Intrare; MESSINA, DE PAULO: Influence of Augustine. Zusammenfassend BEESTERMÖLLER: Thomas von Aquin; FINNIS: Aquinas, S. 284ff.; REICHBERG: Thomas Aquinas. Im ersten Überblick: CHILDRESS: Just-War Theories; STEINWEG: Der gerechte Krieg; GREWE: Völkerrechtsgeschichte, S. 131ff., 240ff.; BLIESE: The Just War as Concept and Motive; SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?; PERANI: Guerra santa; KREIS: Der „gerechte“ Krieg; CAMPIONE: The Nomos of War; STARCK: Kann es heute noch „gerechte Kriege“ geben?; SYSE, REICHBERG: Ethics; KORTÜM: Gerechter Krieg; HENSEL: The Prism of Just War. HAUSMANINGER: „Bellum iustum“, S. 337ff, 341f.; RAYMOND: Greco-Roman Roots, S. 12. AUGUSTINUS: Contra Faustum Manichaeum XXII 74 f., S. 672, hier zitiert nach der Übersetzung von REIBSTEIN: Völkerrecht I, S. 135. Vgl. dazu näher ENGELHARDT: Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, S. 74 ff. sowie SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 335f.

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[…] Aber die natürliche Ordnung, die den Frieden unter den Sterblichen will, verlangt, daß die Entscheidung und die Befugnis zur Kriegserklärung bei den Lenkern des Staates liege.“ Damit ist die Einsicht verknüpft, daß der äußere Einsatz von Waffengewalt monopolisiert werden muß, will man nicht Gefahr laufen, daß eine Vielzahl von Akteuren aus ebenso vielfältigen Gründen durch private Kriegszüge das Gemeinwesen in Feindseligkeiten verwickelt. Im Kern wird hier erstmals ein Gedanke formuliert, der sich später zum Topos vom Gewaltmonopol des Staates verdichtet (wovon römische Antike wie Mittelalter natürlich noch weit entfernt sind)9. Der an dieser Stelle zu beobachtende Versuch, die Sachfrage nach einem gerechtfertigten Gewalteinsatz auf der Verfahrensebene zu lösen, begegnet heute noch im Gewande des UN-Sicherheitsrates, der nach der Charta der Vereinten Nationen allein ermächtigt ist, Kriegshandlungen jenseits der bloßen Selbstverteidigung anzuordnen oder zu gestatten10 – man denke hier an die im letzten Jahr ergangenen Resolutionen zum Gewalteinsatz in Libyen, die prompt eine Debatte über ihre materielle Rechtfertigung nach sich gezogen haben11. 2. Zweite Bedingung: ius ad bellum/Legitimer Kriegsgrund Eine große Variationsbreite weisen innerhalb der Tradition des gerechten Krieges die Antworten auf die Frage auf, welche Kriegsgründe als legitim anzusehen sind; daß hier die Gefahr der Anfälligkeit für ideologische Wahrnehmungsengführungen (oder der schlichten Heuchelei) lauert, liegt auf der Hand. Unstrittig sind im Diskurs um den bellum iustum praktisch nur die Selbstverteidigung12, die Hilfe 9 10 11

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Näher statt aller KRAUSE: Kriminalgeschichte der Antike, S. 13ff., 44ff. sowie SCHUSTER: Konfliktlösungsmöglichkeiten, S. 135ff. Vgl. Art. 2 Nr. 4, 24, 39 und 51 UN-Charta und dazu allgemein BOTHE: Friedenssicherung, Rn. 40 ff. Siehe Resolution 1973 vom 17. März 2011, UN-Doc. S/RES 1973 (2011). Aus der Debatte nur MERKEL, Reinhard: Die Militäraktion gegen Gaddafi ist illegitim, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.März 2011 einerseits und THAKUR, Ramsh: UN Breathes Life Into ‚Responsibility to Protect‘, The Star vom 21. März 2011, andererseits. Statt aller aus der Tradition Thomas v. AQUIN: Summa Theologiae II-II qu. 40 art. 1 corpus („rempublicam tueri ab exterioribus hostibus“); vgl. dazu BLIESE: The Just War as Concept and Motive, S. 6f.; JOHNSON: Idea of Defense; sowie REID: Rights of Self-Defense; – Zur Selbstverteidigung als einzigem anerkannten legitimen Grund für Kriegshandlungen eines Staates außerhalb des Systems der kollektiven Sicherheit (Art. 51 UN-Charta) siehe nur BOTHE: Friedenssicherung, Rn. 19; HOBE: Einführung in das Völkerrecht, S. 324ff. Zur gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Selbstverteidigungsrechts siehe namentlich das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Fall Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Ni-

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für andere13 sowie die Wiedergutmachung von Unrecht, die einmal mehr Augustinus in das Zentrum rückt14: „Man pflegt gerechte Kriege als solche zu definieren, die Vergeltung für Unrecht üben […], wenn ein Volk oder ein staatliches Gemeinwesen, gegen das sich der Krieg richten soll, entweder ein Einschreiten gegen das rechtswidrige Verhalten seiner Angehörigen oder die Herausgabe von etwas zu unrecht Weggenommenem unterlassen hat.“ Weitere legitime Kriegsgründe sind indes auch innerhalb der Tradition heftig umstritten, und die Diskussion ist hier weit differenzierter, als häufig kolportiert wird. So findet sich bis in die moderne Forschung hinein die Annahme, spätantike und mittelalterliche Denker hätten generell den Kampf gegen Ketzer und Heiden bzw. für die Ausbreitung des christlichen Glaubens als legitimen Kriegsgrund anerkannt15. Ein genauerer Blick belehrt eines Besseren: Es gibt natürlich vergleichbare Stimmen16, aber die differenzierteren Vertreter der Scholastik erlauben keineswegs derart pauschal Gewaltanwendung in

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caragua v. United States of America), Judgment on Merits, [1986] ICJ Report, 14, S.102f. – Die sog. Feindstaatenklauseln der Art. 53 Abs. 1, 107 UN-Charta als weitere Ausnahmen zum Gewaltverbot sind demgegenüber heute gegenstandslos, dazu nur RESS: Charter of the UN. Sie begegnet historisch bei Francisco de Vitoria, „Relectio de Indis“ (1532), nach: HORST, JUSTENHOVEN et al.: Franciso de Vitoria, S. 483 (Siebter Rechtsgrund): „Daß dies nämlich einen gerechten Grund für einen Krieg zu Gunsten von Genossen und Freunden bedeutet, daran besteht kein Zweifel. […] Denn ein Gemeinwesen kann billigerweise Fremde zur Bestrafung von Feinden wie gegen Übeltäter im Innern herbeirufen.“ – Gleichsinnig aus der modernen Literatur statt aller SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 333ff. AUGUSTINUS: Quaestionum in Heptateuchum VI 10, S. 428; hier zitiert nach REIBSTEIN: Völkerrecht I, S. 126. Vgl. dazu nur ENGELHARDT: Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, S. 76f., 78f. Dieser Tenor etwa bei ENGELHARDT: Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, S. 81ff.; FISHER: Morality and War, S. 64ff.; angedeutet ist der Vorhalt auch bei KLEEMEIER: Krieg, Recht, Gerechtigkeit, S. 13. Im Ergebnis stimmen etwa Augustinus wie Thomas von Aquin der (wohlgemerkt: inneren) Gewaltanwendung gegen „Ketzer“ zu. Vgl. zunächst Aurelius Augustinus, Epistula 185, 24: „Wenn deshalb die Kirche kraft der Gewalt, die ihr Gott zu gegebener Zeit übertragen hat, mit Hilfe der religiösen und gläubigen Könige jene in ihren Schoß einzutreten zwingt, die sie auf den Wegen und an den Hecken findet, das heißt unter den Schismen und Häresien, so sollen sich jene nicht beklagen, daß man sie gezwungen hat, sondern sollen schauen, wohin man sie treibt.“ (Übersetzung nach BÖCKENFÖRDE: Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 209) und dazu nur Swift: Early Fathers, S. 141ff. – Siehe ferner Thomas von AQUIN: Summa Theologiae II-II qu. 11 art. 3 corpus und dazu FINNIS: Aquinas, S. 279ff., 292f.; sowie WITTRECK: Geld, S. 75, 490f.

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Religionsfragen, lehnen sie teils sogar vehement ab. Sinnfällig ist hier die skrupulöse Prüfung möglicher Interventionsgründe, die das spanische Vorgehen in Amerika decken könnten, durch Francisco de Vitoria in seiner Vorlesung „De Indis“17. Das Ergebnis des Dominikaners lautet kurz und bündig, daß die Spanier lediglich mit den Indianern Kontakt aufnehmen und sich verteidigen dürfen, wenn sie dabei angegriffen werden18; sieben gängige „Titel“ lehnt Vitoria hingegen kategorisch ab19: „Dies soll zu den falschen und unpassenden Rechtsgründen für die Inbesitznahme der Barbarenprovinzen genügen. […] Falls es keine anderen Titel gäbe als die genannten, wäre den Herrschern daher in der Tat schlecht gedient …“. Der Topos vom ius ad bellum begegnet bis heute im Völkerrecht20. Aktuelle Front der Debatte – deren argumentatives Instrumentarium sich im übrigen nur in Randbereichen fortentwickelt hat – ist die Frage nach der Zulässigkeit der „humanitären Intervention“, also nach der möglichen Legitimität der äußeren Gewaltanwendung gegen einen souveränen Staat, um die Menschenrechte seiner Bewohner zu schützen – es drängen sich einmal mehr Libyen, insbesondere aber Syrien als aktuelle Beispiele auf21. Eine Zuspitzung hat die Debatte in den letzten Jahren in Gestalt der sog. Responsibility to Protect („Schutzverantwortung“; unvermeidliches angloamerikanisches Akro17

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Deutsch-lateinische Publikation in: HORST, JUSTENHOVEN et al.: Franciso de Vitoria, S. 370. Vgl. dazu aus der Sekundärliteratur STÜBEN: Relectiones; JUSTENHOVEN: Francisco de Vitoria; DECKERS: Gerechtigkeit und Recht, S. 342ff; BRIESKORN, STIENING: De Vitorias De Indis; sowie KADELBACH: Mission und Eroberung. DE VITORIA: Relectio de Indis, S. 461: „Die Spanier haben das Recht, in jene Provinzen zu reisen und sich dort aufzuhalten – freilich nur, wenn dies nicht mit irgendeinem Schaden für die Barbaren einhergeht. Sie können von den Barbaren nicht daran gehindert werden.“ DE VITORIA: Relectio de Indis, S. 457. – Einseitig kritisch KLEEMEIER: Krieg, Recht, Gerechtigkeit, S. 17, die dem Spanier vorhält, letztlich doch nur die Eroberungen seiner Landsleute rechtfertigen zu wollen. So etwa bei BENVENISTI: US and the Use of Force, S. 685ff. Siehe auch SHAW: International Law, S. 1167. – BOTHE: Friedenssicherung, Rn. 2 spricht angesichts des heute geltenden grundsätzlichen Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4 UN-Charta und der damit einhergehenden veränderten Zielrichtung von einem „jus contra bellum“. Aus der aktuellen Literatur DEMBINSKI, REINOLD: Libya and the Future; CHESTERMAN: “Leading from Behind”; BELLAMY: Libya and the Responsibility to Protect; PATTISON: Ethics of Humanitarian Intervention; WELSH: Civilian Protection; WELSH: International Law; SCHULTE: Völkermord; allgemeiner zum Schrifttum zur humanitären Intervention FIXDAL, SMITH: Humanitarian Intervention; HENSEL: Legitimate Use of Military Force; MEYER: Moralische Bewertung.

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nym „R2P“) erfahren22. Danach trifft zunächst jeden Staat die Verantwortung, die Menschenrechte seiner Bürger bzw. allgemeiner der seiner Gewalt Unterworfenen zu wahren; kann oder will er dieser nicht nachkommen, stehen – je nach Lesart – die internationale Gemeinschaft23, regionale Bündnisse24 oder eben jeder einzelne Staat in der Pflicht, ihm zu helfen25. Dabei gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß „Hilfe“ im konkreten Kontext in letzter Konsequenz den Einsatz von Waffengewalt gegen den überforderten oder einfach unwilligen Staat impliziert26. Die Einsicht, daß damit nicht allein die doch eigentlich zu Schützenden Erstopfer von Gewalt sein können, sondern die Schutzverantwortung auch die Frage nach möglichen Sekundärmotivationen (in Gestalt von Ressourcen oder Hegemonialansprüchen) aufwirft, leitet bereits zum nächsten Punkt über.

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Monographisch VERLAGE: Responsibility to Protect. Vgl. aus der neueren Literatur noch LUCK: Der verantwortliche Souverän; VON ARNAULD: Souveränität; GREUTERKIRCHOF: Völkerrechtliche Schutzverantwortung; WENZEL: Schutzverantwortung; RAUSCH: Responsibilty to Protect. Die UN-Generalversammlung scheint die Durchsetzung der Schutzverantwortung durch das System der kollektiven Sicherheit, also durch den UN-Sicherheitsrat, zu favorisieren, vgl. die Resolution UN-Doc. A/RES/60/1 (2005), Abschnitt 139. Näher VERLAGE: Responsibility to Protect, S. 230. Dies sollte nicht einseitig als moralisch heikle Rechtfertigung eines Einsatzes der NATO oder anderer „Koalitionen der Willigen“ interpretiert werden; tatsächlich ist die Notwendigkeit, vor dem Griff zur Waffe erst Verbündete zu gewinnen, seit alters her als prozedurale Sicherung gegen den vorschnellen Rekurs zur Gewalt verstanden worden, etwa in der Lehre vom sog. Tyrannenmord. Daß gegen einen despotisch herrschenden Inhaber der obersten Gewalt nicht einzelne, sondern ein Bündnis der „Großen“ des Volkes vorgehen soll, steht etwa für Thomas von Aquin fest (De regno I.6): „Es ist also wohl besser, gegen die grausame Bedrückung der Tyrannen nicht nach dem persönlichen Dafürhalten einiger weniger, sondern nach allgemeinem Beschluß vorzugehen. […] Gehört es aber zu dem Recht eines Oberen, dem Volke einen König zu setzen, so ist von ihm auch Abhilfe gegen die Untauglichkeit des Tyrannen zu erwarten.“ (AQUIN: Herrschaft des Fürsten, S 25; vgl. dazu nur FINNIS: Aquinas, S. 287ff.). – In der modernen Völkerrechtslehre vertritt bspw. Thomas Franck die Auffassung, daß eine etwaige humanitäre Intervention möglichst durch Gruppen von Staaten erfolgen soll, um die Mißbrauchsgefahr wenigstens zu minimieren: FRANCK: Humanitarian Intervention, S. 547f. DOEHRING: Völkerrecht, Rn. 1014; vgl. ferner SEEGER: Uniliaterale Humanitäre Intervention. Unterstrichen von MEYER: Moralische Bewertung, S. 18 f. – Damit soll umgekehrt nicht das gesamte Konzept der „R2P“ auf einen Vorwand zur Gewaltanwendung reduziert werden: Es ist nach seinem Ansatz viel umfangreicher, setzt etwa auf Prävention und friedliche Streitschlichtung.

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3. Dritte Bedingung: intentio recta/Legitime Kriegsabsicht Das bloße Vorliegen eines gerechten Kriegsgrundes macht den Krieg noch nicht gerecht: Selbst ein unbezweifelbarer Völkermord kann nur Vorwand sein, um in dem betroffenen Land aus ganz anderen Interessen einzugreifen27. Schon früh fordern die Vertreter der Tradition daher ein subjektives Element, das zum objektiv vorliegenden Kriegsgrund hinzutreten muß. Beispielsweise schreibt Thomas von Aquin28: „Drittens ist erforderlich, daß die Intention der Kriegführenden die richtige ist. […] Denn es kann geschehen, daß zwar eine legitime Autorität den Krieg erklärt und ein gerechter Grund vorliegt, aber nichtdestotrotz der Krieg wegen der bösen Absicht illegitim wird.“ Dem modernen Recht ist dieser genuin moralische bzw. moraltheologische Ansatz zunächst fremd bzw. er spielt praktisch nur im Strafrecht eine Rolle29. Im übrigen aber gilt, daß das Recht nur auf den äußeren Rechtsgehorsam abstellt und Intentionen gerade nicht berücksichtigt30. Gleichwohl ist damit das Thema für die gegenwärtige Debatte noch nicht erledigt, ganz im Gegenteil. Denn Völkerrecht lebt – als ein 27

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Konkret ging der Genozid an den Christen des osmanischen Reiches (gewöhnlich stark verkürzt als „Völkermord an den Armeniern“ bezeichnet) mit einem Angriff des zaristischen Rußland einher, der sich zwar dem Schutz der Betroffenen verschrieb und auf deren implizite oder explizite Unterstützung baute, aber der Spur einer langjährigen Expansionsstrategie folgte; instruktiv REYNOLDS: Shattering Empires 46 ff. u. passim. Den größeren Kontext der Massaker stellt der Band von HOFFMANN: Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung her; für eine weitere differenzierte Sichtweise, die wiederum der osmanischen Optik mehr Raum widmet, siehe MCCARTHY: Death and Exile, S. 23ff., 179ff. Thomas von AQUIN, Summa theologiae, II-II qu. 40 art. 1 corpus (eigene Übersetzung; vgl. dazu BEESTERMÖLLER: Thomas von Aquin, S. 92ff. – Überzogen kritisch KLEEMEIER: Krieg, Recht, Gerechtigkeit, S. 15f., die den Begriff für unklar und nicht kontrollierbar hält. Eingehend Jeschek, Weigend: Lehrbuch des Strafrechts,S. 289 ff. – Zu den theologischen Quellen des modernen (Schuld)Strafrechts im konzisen Überblick GUTMANN: Christliche Imprägnierung. Unterstrichen von RÜTHERS, FISCHER et al.: Rechtstheorie, Rn. 99a ff.; HORN: Rechtswissenschaft, Rn. 6 ff. – Auch im Völkerrecht kommt es grundsätzlich nur auf die objektive Verwirklichung eines Tatbestandes an: VERDROSS, SIMMA: Universelles Völkerrecht, §§ 1265 ff. – Ausnahmen begegnen insb. im Völkerstrafrecht, dessen Straftatbestände subjektive Elemente enthalten. So erfordert etwa die Annahme eines Völkermordes den speziellen Vorsatz, eine Gruppe als solche jedenfalls in Teilen auszulöschen, siehe das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals für das frühere Jugoslawien im Fall Krstic, IT-98-33-A (2004), Rn. 8, 12 und dazu SHAW: International Law, S. 430ff. m.w.N.

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Rechtsgebiet, dessen latent schwacher Durchsetzungsapparat immer wieder dafür sorgt, daß es in der Rechtstheorie als Beispiel für ein Recht ohne Zwangselement und damit Grenzerscheinung herhalten muß31 – auch davon, daß konkretes Handeln auf einem möglichst breiten internationalen Konsens aufruht, wonach es moralisch geboten oder zumindest nicht offen fragwürdig ist. Die unterschiedlichen Reaktionen auf die militärischen Interventionen Vietnams in Kambodscha 1978/7932 und der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten im Irak 2003-201133 sprechen hier Bände. 4. Vierte Bedingung: ius in bello/Legitime Kriegführung Das vierte Kriterium verarbeitet die bittere historische Erfahrung, die Kant später sinngemäß in die Wendung gekleidet hat, der Krieg mache mehr böse Menschen, als er fortnehme34. Er spricht damit die immer wieder bestätigte Verrohungswirkung des Krieges an, der erstens ohnehin schon gewaltbereiten oder gar psychisch gestörten Individuen den Freiraum gibt, den ihnen die gesellschaftlichen Normen im Frieden nicht lassen35, und zweitens selbst solche Menschen, die vor Gewalt an sich zurückschrecken, rasch an diese gewöhnt – bis hin zu dem Punkt, an dem sie als Form der Machtausübung schlicht Freude bereitet36. Abhörprotokolle deutscher Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs, die der Historiker Sönke Neitzel unlängst unter dem Titel „Soldaten“ (mit)veröffentlicht hat, machen mit aller schockierenden Deutlichkeit klar, wie rasend schnell dieser Prozeß ablaufen kann, wenn etwa Piloten den ersten Bombenabwurf noch als traumatische Erfahrung schildern, aber schon Wochen später schiere Lust dabei empfinden, aus der Luft wehrlose Zivilisten zu jagen37.

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Siehe nur BAUMANN: Rechtswissenschaft, S. 537f.; aus der neueren völkerrechtlichen Literatur DOEHRING: Völkerrecht, S. 19ff. Über die Vorgänge, die zum Ende der Terrorherrschaft der sog. Roten Khmer führten, orientieren im ersten Zugriff RASZELENBERG: Die Roten Khmer, S.129ff. (insb. 147ff.) sowie aus genuin völkerrechtlicher Perspektive KLINTWORTH: Vietnam’s Intervention. Aus der nahezu einhelligen Kritik (zumindest der europäischen Völkerrechtslehre) nur WHITE: Self-Defense, S. 235. KANT: Zum Ewigen Frieden, S. 29 (dort als „Ausspruch[s] jenes Griechen“ ausgewiesen). Vgl. dazu nur die Beiträge in HÖFFE: Zum ewigen Frieden. Zu diesem Typus etwa Kümmel, Klein: Gewalt im Militär, S. 225ff. Nachgezeichnet wird dieser Brutalisierungsprozeß von Harald WELZER: Täter, S. 23ff., 76ff. Verstörende Äußerungen bei NEITZEL, WELZER: Soldaten, S. 84ff., 105f.

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Den gleichen Befund faßt wiederum Augustinus früh in die folgenden – in ihrer Einkleidung allerdings ihrerseits verstörenden – Worte38: „Was ist am Kriege zu tadeln? Ist es die Tatsache, daß darin Menschen getötet werden – die doch alle eines Tages sterben müssen –, damit die Sieger in Frieden leben können? Das am Kriege zu beanstanden oder zu verabscheuen, ist kleinmütig und hat mit Gottesfurcht wenig zu tun. Berechtigte Einwände gegen den Krieg sind die in ihm hervortretenden Gesinnungen, wie Lust zu schaden, grausame Rachgier, Unversöhnlichkeit, Vergeltungswut, Eroberungssucht.“ Resultat dieser Einsicht ist der Versuch, Kriegsführung an Mindestregeln zu binden, die der Enthemmung Einhalt gebieten sollen39. Elaborierte Kataloge nach Art der Regeln des modernen Kriegsvölkerrechts40 entstehen allerdings erst spät. Typisch sind zunächst Versuche, erstens einen gruppenbezogenen Schutz für einzelne besonders schutzbedürftige Kollektive (Frauen und Kinder, Geistliche etc.) zu gewährleisten41 und zweitens bestimmte Zeiten und Orte von Kriegshandlungen ganz auszunehmen (Sonn- und Feiertage, Fastenzeiten; Kirchen und Klöster etc.)42. Funktionale Äquivalente sind ferner bereichsspezifische ethische Gebote für herausgehobene Gruppen von Kriegsteilnehmern – man denkt hier an erster Stelle an das sprichwörtliche „ritterliche“ Ethos43, über dessen praktische Wirksamkeit man sich allerdings keinen allzu großen Illusionen hingeben sollte44. Schließlich gehören Versuche einer Professionalisierung und damit auch Einhegung der Kriegsführung hierher – Schulbeispiel sind hier die stehenden Heere des ausgehenden 18. Jahrhunderts45, deren „Leben aus dem Lande“ allerdings ebenfalls die Frage aufwirft, ob die alte 38

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Nochmals AUGUSTINUS: Contra Faustum Manichaeum (hier zitiert nach REIBSTEIN: Völkerrecht I, S.134). Vgl. dazu, insbesondere zur antimanichäischen Stoßrichtung des Textes, ENGELHARDT: Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, S. 77f. Eingehend die Beiträge in HOLLAND: Restraints. Auch hier begegnet bis heute die Etikettierung als ius in bello, etwa bei FLECK: International Accountability sowie BOTHE: Friedenssicherung, Rn. 56. Zu solchen Vorstößen, die namentlich für die hochmittelalterliche Gottesfriedensbewegung typisch sind, siehe KAISER: Gottesfrieden, S. 1589; KORTÜM: Gottesfriede, Landfriede; sowie OHLER: „Pax Dei“. Zu diesem Konzept nur KAISER: Selbsthilfe, S. 63f; BERMAN: Recht und Revolution. Statt aller FLECKENSTEIN: Rittertum, S. 157f. Pointiert KORTÜM: „Krieg und Frieden“, S. 272. Vgl. aber WHETHAM: Just Wars, S. 244ff., der dem „code of chivalric warfare“ substantielle Bedeutung beimißt. Instruktiv FIEDLER: Kriegswesen und Kriegführung, S. 23ff.

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These, der „Kabinettskrieg“ habe die Zivilbevölkerung stärker geschont als die „Volkskriege“ des langen 19. Jahrhunderts46, nicht längst an Überzeugungskraft eingebüßt hat47. 5. Fünfte Bedingung: Aussicht auf Erfolg Das fünfte Kriterium mag auf den ersten Blick überraschen oder gar befremden, ist aber konsequent: Denn wer einen noch so gerechten Krieg führt, den er nicht gewinnen kann, erweist der guten Sache keinen guten Dienst, weil das Verhältnis der – moralisch anfechtbaren – Mittel zum – moralisch wertvollen oder wenigstens rechtfertigungsfähigen – Ziel in eine Schieflage gerät48. Die konzise Formulierung dieses Merkmals dürfte zugleich der zeitlich späteste Beitrag zum Kriterienkatalog sein49; zuzurechnen ist er Francisco Suárez50. Eine erste Reflektion über das Problem findet sich bereits bei Augustinus, der über die Frage sinniert, ob die mit Rom verbündeten Bewohner Sagunts 219 v. Chr. gut beraten waren, ungeachtet des überlegenen karthagischen Angriffs wie der ausbleibenden römischen Hilfe an ihrem Bündnis mit Rom festzuhalten51: „Irre ich nicht, so setzt sich Cicero in seinem dritten Buch über die Res publica dafür ein, ein guter Staat führe Krieg nur um der Treue oder seines Heiles willen. […] Darum fragt man mit Recht, ob die Saguntiner richtig gehandelt haben, als sie lieber ihre ganze Stadt untergehen lassen als die Treue brechen wollten, die sie an die Römer band … Denn wählten die Saguntiner das Heil, mußten sie von der Treue lassen, hielten sie aber an der Treue fest, mußten sie, wie es wirklich geschah, auf das Heil verzichten.“ Modern gewendet ist ein an sich als „gerecht“ zu etikettierender Krieg dann eben doch nicht gerechtfertigt, wenn er sein Ziel nicht erreichen kann. In der Sprache der Verhältnismäßigkeitsdogmatik des Öffentli46 47

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In diesem Sinne wohl GREWE: Völkerrechtsgeschichte, S. 428f.; ähnlich MÜLLER: Militärgeschichte, S. 154; REITER: Krieg und Recht, S. 339. Prononciert für ihre Verabschiedung nun SALEWSKI: Vom Kabinettskrieg zum totalen Krieg, S. 55f.; instruktiv auch OSTERHAMMEL: Verwandlung der Welt, S. 702ff. Schmücker: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 327. Vgl. ferner CHILDRESS: Just-War Theories, S. 437f. und FIXDAL, SMITH: Humanitarian Intervention, S. 303f. Wie hier MCLAUGHLIN: Reasonable Hope of Success, S. 65. SUÁREZ: Disputatio XIII: De bello IV; vgl. dazu eingehend MCLAUGHLIN: Reasonable Hope of Success, S. 47ff. sowie konzise HENSEL: Christian Belief, S. 53f. AUGUSTINUS: Vom Gottesstaat, S. 758f.; vgl. zu den historischen Vorgängen nur FERRER MAESTRO: „Saguntum“.

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chen Rechts52 fehlt es ihm an der Eignung, seinen eigentlich legitimen Zweck zu verwirklichen, weshalb weder Verteidigern noch Angreifern (Lebens-)Opfer abverlangt werden dürfen. Das widerspricht zunächst der Intuition, denn es hieße selbst im bis heute einhellig anerkannten Fall der direkten Verteidigung gegen einen unmittelbaren Angriff, daß diese ungerecht oder moralisch verwerflich wäre, wenn sie keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Historische Exempel belegen jedoch, daß die von der philosophischen Tradition formulierte Regel einige Weisheit in sich trägt: Im Zweiten Weltkrieg sahen sich 1939 Finnland (seitens der Sowjetunion) und 1940 Norwegen (seitens des Deutschen Reiches) unprovozierten Angriffen überlegener Gegner ausgesetzt, die nach anfänglichen Abwehrerfolgen auch mit der Hilfe von Verbündeten nicht abzuwenden waren53. Hätten die finnischen oder norwegischen Verantwortlichen hier nach dem (zeitlich) späteren deutschen Vorbild bis zur buchstäblich „letzten Patrone“ gekämpft und exorbitante Menschenverluste wie die Zerstörung der Lebensgrundlagen des eigenen Volkes in Kauf genommen, hätten sie gerade nicht verantwortlich gehandelt54. In ein schwieriges Dilemma führt diese Position eingestandenermaßen dann, wenn sich abzeichnen sollte, daß der überlegene Angreifer nicht bloß Unterwerfung, sondern schlichte Vernichtung, ja Ausrottung im Schilde führt. In dieser Situation (man mag vom Musa Dagh-Dilemma reden55) wird man bewaffneten Widerstand dann für gerechtfertigt halten können, wenn er erstens wenigstens Teilen des Volkes ein Entkommen ermöglicht und zweitens als symbolische Handlung zumindest das emotionale Weiterleben erlaubt56. 52 53

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Dazu nur DREIER: Grundgesetz-Kommentar, Vorb. Rn. 145 ff.; PIEROTH, SCHLINK: Grundrechte, Rn. 289 ff. Zu den historischen Vorgängen m.w.N. OTTMER: Weserübung, S.71ff. bzw. Coppieters, Apressyan et al.: Last Resort , S. 103ff. – Beide Beispiele weisen natürlich bei näherem Hinsehen weit mehr Ambiguität auf, als der erste Anschein glauben machen mag: Norwegen hat unter einer Exilregierung den Kampf aus dem Ausland fortgesetzt und zu diesem Zweck auch eine Widerstandsbewegung ins Leben gerufen, die keineswegs als bloß symbolisch angesehen werden kann; Finnland hat 1941 den Kampf an der Seite des Deutschen Reiches wiederaufgenommen und sich damit an einem insgesamt verbrecherischen Angriffskrieg beteiligt, selbst wenn die eigenen Motive weniger verwerflich gewesen sein mögen als die der deutschen Verbündeten. Vgl. zur Entwicklung RÖPSTORFF: Finnland, S. 103ff. Zum deutschen Kampf bis zum bitteren Ende 1945 und seinen Gründen jetzt magistral KERSHAW: Das Ende. In Anlehnung an die Vorlage des berühmten Romans von Franz Werfel (1933); vgl. zu den historischen Vorgängen statt aller GUST: Völkermord, S: 197ff. Der Verf. denkt hier konkret an die verzweifelten Versuche westsyrischer („jakobitischer“) Christen, sich in ihren befestigten Dörfern oder Klöstern gegen den Zugriff ihrer Mörder zu verteidigen, wie sie für die Orte Inwerdo (Ainwardo), Hah oder das

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6. Sechste Bedingung: ultima ratio/Alternativlosigkeit Schließlich hat die philosophische bzw. moraltheologische Tradition (wenn auch vergleichsweise spät) betont, daß Krieg erst dann legitimerweise geführt werden darf, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Damit ist in heutiger Diktion der Primat der Diplomatie bzw. – erneut grundrechtsdogmatisch gewendet – der sog. Erforderlichkeit angesprochen57, also die Frage, ob es mildere Mittel gibt, die den Angriff abwenden oder den sonstigen Grund für einen gerechten Krieg aus der Welt schaffen können, ohne daß man zu den Waffen greifen muß58. Die klassische Formulierung des Gedankens dürfte vom französischen Denker Emer de Vattel in seinem Le droit des gens stammen59: „Da die Gebote der Humanität den Nationen wie den Einzelpersonen den Gebrauch der zur Durchsetzung des Rechts genügenden mildesten Mittel vorschreiben, hat ein Souverän, der auf dem Wege der Repressalien eine gerechte Entschädigung oder angemessene Genugtuung zu erlangen vermag, dieses Mittel anzuwenden, das weniger gewaltsam und unheilvoll als der Krieg ist.“ In der Moderne hat dieses Merkmal nichts von seiner Überzeugungskraft verloren, sondern ganz im Gegenteil sogar daran gewonnen, steht doch nunmehr in einer vielfältig (namentlich wirtschaftlich) miteinander verwobenen Welt diesseits des Waffeneinsatzes ein vergleichsweise breites Instrumentarium der friedlichen Konfliktschlichtung zur Verfügung, das von den klassischen Mitteln der Diplomatie bis hin zu abgestuften Sanktionen reicht60. In Gestalt der „Blauhelme“ der Vereinten Nationen existiert zudem eine institutionalisierte Form des dosierten Einsatzes formal neutralisierter militärischer Macht61,

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Kloster Mor Malke überliefert sind. Vgl. zu diesen überwiegend aussichtslosen Abwehrkämpfen und ihrem Kontext GORGIS: Völkermord, S. 117f. sowie BAUM: Türkei, S. 107f. HENKE: Beitrag zur neueren Lehre vom gerechten Krieg, S. 147f. Speziell zu diesem Kriterium: FISHER: Morality and War, S. 235; Fixdal, Smith: Humanitarian Intervention, S. 302f.; GUTHRIE, QUINLAN: Just War, S. 33f.; BELL: Just War, S. 184ff.; COPPIETERS, APRESSYAN et al.: Last Resort, S. 101f. DE VATTEL: Droit des gens (Übers. Euler), Buch II, Kap. XVIII, § 354 (auf S. 363f.); ähnlich Buch III, Kap. III, § 25 und § 37 (auf S. 379, 385). Vgl. zur Lehre Vattels und ihrer Wirkung MANZ: Emer de Vattel sowie GOOD: Emer de Vattel. Vgl. nur WALTER: „Vermittlung“. Näher LANDSHUTER: Friedensmissionen; BERDAL: Security Council and Peacekeeping; BOTHE: Friedenssicherung, Rn. 33ff. – Vgl. ferner SCHÜTZE: Zurechenbarkeit sowie KOCH: Blauhelme.

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das bei allen Schwächen und Unzulänglichkeiten doch einen Fortschritt gegenüber allen bisherigen Formationen darstellt, die unter dem Banner selbsterklärter Neutralität auftraten und mit schöner Regelmäßigkeit dann doch die Seite einer Konfliktpartei ergriffen (sofern das nicht von Anfang an intendiert war62). 7. Siebte Bedingung: Verhältnismäßigkeit Schließlich darf der Schaden, den der Waffengang verursacht, nicht außer Verhältnis zum legitimen Kriegsgrund stehen63. In dieser Optik wären etwa langjährige Kampfhandlungen, die weite Teile eines Landes verheeren, keine angemessene Reaktion auf einen eher peripheren Rechtsbruch in Gestalt eines einzelnen Verstoßes gegen das Gebot, keine Hoheitsakte ohne die Zustimmung des fremden Staates auf dessen Staatsgebiet vorzunehmen, oder der Aufbringung eines fremden Schiffes auf Hoher See64. Ein Völkermord vermag ein deutlich robusteres Vorgehen zu decken, könnte danach aber gleichwohl nicht jede Art von Gewaltanwendung (man denke an Massenvernichtungsmittel) rechtfertigen65. Auf den Punkt gebracht hat den Gedanken wohl erstmals Francisco de Vitoria in seiner Vorlesung „De iure belli“66: „Nicht jedes Unrecht jeden beliebigen Umfangs reicht dazu aus, daß man einen Krieg beginnen kann. Dieser Satz wird bewiesen, weil man nicht einmal gegen weltliche Bürger, Landsleute und Volksgenossen für irgendeine Schuld harte Strafen verhängen darf, wie Tod, Verbannung oder Güterbeschlagnahme. Da nun sämtliche Kriegshandlun62

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Historische Beispiele finden sich hier zuhauf; letztes aktuelles Exempel dürften die russischen „Friedenstruppen“ sein, die die selbstgeschaffenen Puffer„staaten“ Abchasien und Süd-Ossetien gegen Georgien absichern sollten bzw. sollen. Vgl. zu diesem Konflikt nur PLEINES, SCHRÖDER: Der bewaffnete Konflikt um Südossetien; sowie REITER: Machtpoker am Kaukasus. Aus der darstellenden Literatur zum „gerechten Krieg“ etwa BEESTERMÖLLER: „Krieg“, S. 478f.; MEßELKEN: Kann es heute noch „gerechte Kriege“ geben?, S. 23f. spricht von der „Makro-Proportionalität eines Krieges“ (Hervorhebung im Original, F.W.). Vgl. ferner MERKER: Was leistet die Theorie des gerechten Krieges heute?, S. 121 sowie SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 328. Zur Rechtswidrigkeit beider Vorgehensweisen IPSEN: Völkerrecht, § 23 Rn. 69; STEIN, BUTTLAR: Völkerrecht, Rn. 537; GEIGER: Grundgesetz, § 62 II.2.c.aa; PROELß: Raum und Umwelt, Rn. 3, 64; HERDEGEN: Völkerrecht, § 23 Rn. 3; zur Freiheit der Schiffahrt auf Hoher See GEIGER: Grundgesetz, § 53 IV.3. Pointiert SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 327. VITORIA: Relectio de iure belli, S 561; vgl. dazu KLEEMEIER: Krieg, Recht, Gerechtigkeit, S. 16f.

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gen, wie Metzeleien, Feuersbrünste, Verwüstungen usw., schwer und hart sind, darf man die Urheber von Unrechtstaten dann nicht mit Krieg verfolgen, wenn diese geringfügig sind …“. Das Merkmal belegt einmal mehr, daß die Lehre vom „gerechten Krieg“ dogmatisch hochgradig grundrechtsaffin ist, werden doch hier erstmals Probleme der normativen „Feinjustierung“ auf den Begriff gebracht (oder wenigstens zu bringen versucht), die wir heute unter dem Oberbegriff der „Verhältnismäßigkeit“ verhandeln; präziser gesprochen solche der Angemessenheit, Unzumutbarkeit oder der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne67. Damit ist zugleich der problematische Aspekt des Kriteriums angesprochen: So sehr die Maxime „Man darf nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“ Evidenz für sich reklamiert, so selten ist auch ihre Evidenz im Dickicht menschlicher oder staatlicher Konflikte. Sofern man ihre Existenz nicht rundheraus negiert, eröffnet die Verhältnismäßigkeit in jedem Fall Abwägungsfreiräume, die aller Erfahrung mit als „gerecht“ apostrophierten Kriegen nach mit unterschiedlichen Intentionen ausgefüllt werden können … III. Exkurs: Heiliger Krieg Wie verhält sich die bislang vorgestellte Tradition zum „Heiligen Krieg“, der historisch wie aktuell keineswegs ein rein islamisches Phänomen ist68? Beschränkt man sich auf die wohlgemerkt westliche christliche Tradition, so erweist sich der „Heilige Krieg“ als ein Topos, der zwar Überscheidungen mit der Lehre vom bellum iustum aufweist, mit ihr aber keineswegs in eins fällt69. Als „Einfallstore“ für Spekulationen über einen gottgewollten oder wenigstens gottgefälligen Krieg haben sich hier die Merkmale des ius ad bellum sowie – an zwei67

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Vgl. MERTEN: „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“, § 68 Rn. 70 f. bzw. HILLGRUBER: „Grundrechtsschranken“, § 201 Rn. 51 ff. – Zur Verhältnismäßigkeit und ihrem Stellenwert im modernen Völkerrecht siehe etwa die offizielle Kommentierung zu Art. 51 der Draft Articles on State Responsibility der International Law Commission, in: Yearbook of the International Law Commission (New York & Genf: United Nations Publications, 2001), Bd. II/2, 134 ff. Zur Verhältnismäßigkeit im bewaffneten Konflikt monographisch GARDAM: Necessity. Im Überblick zum heiligen Krieg im Christentum NOTH: Heiliger Krieg, S. 93; BRAUNEDER: „Kreuzzüge“; GREWE: Völkerrechtsgeschichte, S. 135, 138f.; PHILIPPS: Holy Warriors, S. xxii, 2ff. Wie hier KORTÜM: Gerechter Krieg, S. 276; ENGELHARDT: Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, S. 72; GREWE: Völkerrechtsgeschichte, S. 131; PHILIPPS: Holy Warriors, S. xxii; mit Blick auf die Lehre des Augustinus KLEEMEIER: Krieg, Recht, Gerechtigkeit, S. 14.

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ter Stelle – die auctoritas principis-Bedingung erwiesen. Zur Frage nach dem gerechten Kriegsgrund haben wir bereits gesehen, daß innerhalb der Tradition durchaus umstritten blieb, ob die bloße Unoder Andersgläubigkeit (oder andere religiöse Motive) einen hinreichenden Grund für einen gerechten Krieg darstellen70. Daß es allerdings eines langen und schmerzhaften Lernprozesses bedurfte, bis sich etwa die offizielle kirchliche Haltung zu einem klaren „Nein“ durchringen konnte71, unterstelle ich an dieser Stelle als bekannt. Eher ein Nebenschauplatz ist zumindest im Hochmittelalter ferner das Kriterium der Erklärung durch die rechtmäßige Obrigkeit. Sie kann dann den Weg zu einem „Heiligen Krieg“ ebnen, wenn man annimmt, daß diese Obrigkeit auch der Papst oder – man denke an den „Slogan“ des sogenannten Ersten Kreuzzuges („Deus lo vult“) – in letzter Konsequenz Gott selbst sein kann72. Im Kern gilt es aber festzuhalten, daß es eine regelrechte Lehre vom „Heiligen Krieg“ im lateinischen Christentum in dieser Form nicht gegeben hat73 – anders als etwa in der islamischen Jurisprudenz74. Das gilt zumindest dann, wenn man unter einer Lehre ein festgefügtes Schema von Lehrsätzen bzw. ein Ensemble von typischerweise erörterten Argumenten versteht, wie es für den „gerechten Krieg“ unzweifelhaft besteht. IV. Fazit: Können Menschen gerechte Kriege bestimmen und führen? Damit müssen wir uns abschließend der Frage zuwenden, welche Relevanz diese philosophisch-theologische Tradition vom „gerechten Krieg“ heute noch entfalten kann (ich unterstelle zugleich einen Konsens, daß sich diese Frage bei „heiligen“ Kriegen nicht stellt). Hier wird häufig verkürzt gefragt, ob es heute noch gerechte Kriege „geben kann“75. Präziser wird man unterscheiden müssen, ob es 70 71 72

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Vgl. oben und in Fn 22f. Statt aller GREWE: Völkerrechtsgeschichte, S. 133 ff . Über entsprechende zeitgenössische Debatten orientieren BLIESE: The Just War as Concept and Motive, S. 4f.; SCHMUGGE: „Deus Io vult?“, sowie ANGENENDT: Kreuzzüge. – Im ersten Überblick zum Phänomen der Kreuzzüge THORAU: „Kreuzzüge“. HEHL: Heiliger Krieg, S. 336. Beispielhafte mittelalterliche Darstellung (in Übersetzung): RUSHD: Distinguished Jurist’s Primer, S. 454 ff. („The Book of Jihād“) – Dazu RAJEWSKI: Der gerechte Krieg im Islam, S. 16ff; KHOURY: Was sagt der Koran, S. 10ff.; TROMBLEY: Arabs in Anatolia, S. 148ff.; BRANCA: Il Jihâd; BONNER: Jihad in Islamic History; PETERS: Jihad; HALLAQ: Sharīca, S. 324 ff. Vgl. statt aller den suggestiven Titel des Bandes von STARCK: Kann es heute noch „gerechte Kriege“ geben?

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erstens noch möglich ist, anhand der genannten Kriterien eine konkrete Situation zu bestimmen, in der ein Militäreinsatz „gerecht“ im Sinne der Tradition ist – sie ist, soviel vorweg, als theoretische Frage zu bejahen76. Größte Skepsis begegnet aber die zweite (praktische) Frage, ob in einer solchen Situation – man denkt hier intuitiv an einen offenkundigen Völkermord – der Krieg auch als ein gerechter geführt werden kann. Sie ist zumindest dann kategorisch zu verneinen, wenn dieser Krieg länger als eine typische Kommandoaktion dauert und den Einsatz von Truppen erfordert, der substantielle Teile der (männlichen) Bevölkerung erfaßt. Das sei anhand eines Beispiels erläutert: In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben mehrfach britische Eliteeinheiten in die Bürgerkriege in Sierra Leone und Liberia eingegriffen. Konkret haben kleine Luftlandetruppen auf Bitten der legitimen oder zumindest international anerkannten Regierung Lager solcher Gruppierungen angegriffen (und deren Kämpfer dabei „ausgeschaltet“, also getötet), die nicht einmal mehr behaupteten, Ziele zu verfolgen, die über die eigene Bereicherung und nackten Terror gegen die Zivilbevölkerung hinausgingen (regelmäßig waren diese Kämpfer durch längeren Drogenmißbrauch zusätzlich enthemmt)77. Diese kurzen, punktuellen Einsätze mit dem Ziel, unter möglichster Schonung Unbeteiligter schwere Menschenrechtsverletzungen zu beenden bzw. Geiseln zu befreien, können im Einzelfall tatsächlich alle Kriterien eines gerechten Krieges erfüllen. Zugleich wird klar, daß es sich in der Sache um Polizeieinsätze handelt, die lediglich militärische Ausbildung und Ausrüstung erfordern. Durch die Beschränkung auf wenige (noch dazu besonders gut ausgebildete und entsprechend überdurchschnittlich disziplinierte) Soldaten und eine möglichst kurze Dauer halten sie das geschilderte Verrohungsrisiko wenigstens gering (daß dieses selbst Spezialeinheiten nicht fremd ist, belegt zur Zeit der Prozeß gegen das selbsternannte „Kill Team“ der US Army, das in Afghanistan gewütet hat78). Ist die Tradition des „gerechten Krieges“ eingedenk dieser Einschränkung ansonsten gänzlich obsolet? Damit würde ohne Not ein Wissensschatz preisgegeben, in dem sehr viel Erfahrung mit der conditio humana steckt. Selbst wenn man das erklärte Ziel aufgibt, einen durch und durch „gerechten“ Krieg zu bestimmen und zu führen, bleibt immer noch die Einsicht, daß menschliche Kriege unterschied76 77 78

Wie hier SCHMÜCKER: Gibt es einen gerechten Krieg?, S. 328 f. Plastische, aber in Einzelheiten nicht unproblematische Darstellung einer solchen Aktion von FOWLER: Certain Death. Vgl. aus der Presseberichterstattung über den Prozeß nur Marc HUJER: Charismatisches Monster, Der Spiegel 2011:45, S. 104.

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lich ungerecht sind – die norwegische Verteidigung gegen den deutschen Angriff 1940 auf eine Stufe mit dem deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion 1941 stellen zu wollen, wäre offenkundig absurd79. Für die Bestimmung, wo ein konkreter Waffeneinsatz auf der danach resultierenden Skala von „möglicherweise rechtfertigungsfähig“ bis „empörend ungerecht“ einzuordnen ist, wird man auf die von der Lehre vom „gerechten Krieg“ entwickelten Kriterien aber kaum verzichten können – ganz praktisch etwa in der sich entwickelnden internationalen Strafgerichtsbarkeit80. Anders gewendet: Die Kenntnis der Tradition vom gerechten Krieg ist – gerade wenn man ihre Schwächen realisiert hat – eine mögliche Grundlage, um der allfälligen Behauptung entgegenzutreten, ein geplanter oder bereits unternommener Waffengang sei gerecht. Diese Behauptung aber ist, soviel haben wir gelernt, in aller Regel falsch.

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Siehe zur Einschätzung des deutschen Überfalls als „Vernichtungskrieg“ nur WETTE: Wehrmacht, S. 13, 128ff. u.ö.; vgl. noch HARTMANN: Wehrmacht im Ostkrieg, S. 469ff. Überlegungen dazu bei STRUETT: War Crimes Trials.

ZUR BEDEUTUNG DES WESTFÄLISCHEN FRIEDENS1 Franz-Josef Jakobi Einleitung Ich komm von Münster her gleich Sporenstreich geritten und habe nun das Meist des Weges überschritten ich bringe gute Post und neue Friedenszeit der Frieden ist gemacht gewendet alles Leid. Man bläst ihn freudig aus mit hellen Felddrommeten mit Kesselpauken Hall mit klaren Feld-Clareten. Merkur fleugt in der Luft und auch der Friede Jo ganz Münster Osnabrück und alle Welt ist froh die Glocken tönen stark die Orgeln lieblich klingen Herrgott wir loben dich die frohen Leute singen. Mit einem solch emphatischen Glücksgefühl wurde auf einem unmittelbar nach Abschluss des „Westfälischen Friedens“ am 24. Oktober 1648 gedruckten Flugblatt das Ende des Dreißigjährigen Krieges begrüßt. Das in diesem Text zum Ausdruck kommende Glücksgefühl wird verständlich, wenn man ihm eines der berühmtesten literarischen Zeugnisse der Zeit gegenüberstellt, mit dem die Schrecken des 30jährigen Krieges beklagt werden: Andreas Gryphius‘ Gedicht „Tränen de Vaterlands“ von 1636: Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret! Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun, Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun Hat allen Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret.

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Dieser Text stellt eine leicht veränderte Version eines Vortrags dar, den ich im Februar 1999 auf Einladung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Trier zum Thema „Zur religionsgeschichtlichen Bedeutung des Westfälischen Friedens“ gehalten habe und der in überarbeiteter und mit Anmerkungen versehener Fassung publiziert ist in: SCHRÖDER: 350 Jahre Westfälischer Friede. Hier ist die Vortragsform beibehalten; Hinweise auf weitere neuere Literatur zum Thema sind angefügt.

Bedeutung des Westfälischen Friedens

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Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret. Das Rathaus liegt im Graus; die Starken sind zerhaun, Die Jungfraun sind geschändt; und wo wir hin nur schaun, Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret. Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut. Dreimal sind schon sechs Jahr als unser Ströme Flut Von Leichen fast verstopft sich langsam fortgedrungen. Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod, Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot: Dass auch der Seelen-Schatz so vielen abgezwungen. Bereits am Tage nach dem offiziellen Abschluss der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück durch Unterzeichnung der instrumenta pacis, der Friedensverträge, wurde durch Postreiter und Flugblätter die freudige Botschaft in alle Himmelsrichtungen verkündet. Westfälischer Frieden heißt dieses bedeutsame Ereignis wegen der mehr als vierjährigen Friedensverhandlungen in zwei der wichtigsten Städte der geschichtlichen Landschaft Westfalen: Münster und Osnabrück. Beendet wurde dadurch allerdings nicht etwa ein Regionalkonflikt, sondern es ist dadurch das Ende der konfessionellen Auseinandersetzungen markiert, die seit mehr als einem Jahrhundert die abendländische Christenheit gespalten und zuletzt zu drei Jahrzehnte währenden ununterbrochenen Kriegshandlungen in der Mitte Europas geführt hatten. Beteiligt waren an diesem Dreißigjährigen Krieg die europäischen Großmächte Habsburg-Österreich-Böhmen, Spanien, Frankreich und Schweden sowie außerdem die schon seit einem halben Jahrhundert zuvor im Aufstand gegen Spanien sich befindenden niederländischen Generalstaaten. Kriegsmächte waren außerdem das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in Gestalt der habsburgischen Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. sowie mehrere Dutzend deutsche Territorialstaaten – so etwa die weltlichen Kurfürstentümer Kurpfalz, Sachsen und Brandenburg, die geistlichen Kurfürstentümer und Erzstifte Mainz, Trier und Köln, die Herzogtümer Württemberg und Mecklenburg, die Landgrafschaften Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, die geistlichen Fürstentümer Münster, Paderborn, Lüttich und Würzburg und viele andere kleinere Reichtsterritorien. Was waren die Gründe für diesen schrecklichsten aller bis dahin erlebten Kriege, der Leid, Not und Tod in ungeheurem Ausmaß über die Zivilbevölkerung vor allem in Deutschland brachte? Wie kam es,

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dass der Frieden nicht in der Hauptstadt einer der beteiligten europäischen Großmächte, in Wien, Paris oder Stockholm, geschlossen wurde oder wenigstens in einer Territorialhauptstadt wie Prag oder München, Berlin oder Heidelberg? Wieso erlangte der Friedensschluss außer für Deutschland auch noch Bedeutung für die Niederlande und schließlich für ganz Europa? Ich will versuchen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, auf diese Fragen zu antworten. 1. Der Dreißigjährige Krieg als Konfessions- und Staatsbildungskrieg Wie fast alle großen kriegerischen Auseinandersetzungen hat auch der Dreißigjährige tiefgreifende und weit in die Geschichte der darin verwickelten Mächte zurückreichende Ursachen und ein eher begrenztes Ereignis als Auslöser. Der den meisten von Ihnen aus dem schulischen Geschichtsunterricht wohl zumindest als Begriff noch bekannte Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 war der Auslöser. Mit dieser spektakulären und symbolträchtigen politischen Manifestation begann der offene Aufstand der mehrheitlich protestantischen böhmischen Reichsstände gegen ihren im Jahr zuvor gewählten habsburgischen König Ferdinand. Dessen Vertreter in Prag wurden Opfer des Fenstersturzes. Die Zuspitzung der Lage hatte mindestens drei unterschiedliche Ursachen, an denen jeweils sogleich die Verquickung mit dem allgemeinen Konfliktpotential im Reich und in Mitteleuropa deutlich wird: 1. Das Königreich Böhmen war ein Wahlkönigtum, befand sich jedoch seit Generationen im Einflussbereich der österreichischen Habsburger. In den böhmischen Ländern wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Vorbehalte gegen die übermächtige Zentralmacht immer größer. Die böhmischen Stände, d. h. im wesentlichen die adeligen Grafen und Herren, wachten argwöhnisch über ihre Freiheitsrechte und Privilegien gegenüber der habsburgischen Dynastie, die zahlreiche europäische Territorien und Länder, nicht zuletzt das von der Reformation ganz unberührt gebliebene Spanien in ihrer Hand vereinigte. 2. Wesentliches Konfliktpotential, das sich mit diesem staatlichterritorialen verband, war die Konfessionsproblematik. Die Mehrheit der böhmischen Stände war protestantisch und stand dem Jesuitenzögling und überzeugten, ja militanten Katholiken

Bedeutung des Westfälischen Friedens

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Ferdinand skeptisch gegenüber. Ein falsches Signal konnte zur Lunte am Pulverfass werden. 3. Ein drittes, sozusagen staatsrechtliches Spannungsfeld stellte die Verfassungsproblematik des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation dar. Böhmen war wie dieses deutsche Reich, zu dem es, wenn auch nur eingeschränkt, gehörte, ein Wahlkönigtum. Die Kronprätendenten waren – wie die deutschen Könige und Kaiser ebenfalls – gezwungen, ihren Wählern weitgehende Zusagen und Garantien für Freiheitsrechte und politische Privilegien zu gewähren.In Böhmen nun bestand der aktuelle Konflikt darin, dass Ferdinands Vorgänger, die Kaiser Rudolf II. und Matthias, den Ständen solche politischen Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte, zu dem vor allem die Freiheit der Religionsausübung gehörte, mehrfach urkundlich und damit rechtsverbindlich zugesichert hatten. Ferdinand hatte diesen „Majestätsbrief“ bei seiner Wahl 1617 bestätigt. Nun aber wollte er im Zuge seiner gegenreformatorischen Bemühungen in wichtigen Punkten diese Rechte einschränken. Aus dem böhmischen Aufstand entwickelte sich schnell ein politischer Flächenbrand, der immer weiter um sich griff. Nach dem Tode des Kaisers Matthias am 20.03.1619 widerriefen die böhmischen Stände die Wahl des Kaisernachfolgers Ferdinand zum böhmischen König wegen der Verstöße gegen den Majestätsbrief. Sie boten stattdessen die Krone dem ehrgeizigen kalvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz an. Dieser ließ sich auf das riskante politische Abenteuer ein, wurde gewählt und am 04. November 1619 in Prag gekrönt. Er konnte sich seiner neuen Würde allerdings kaum ein Jahr lang erfreuen – seine Gegner verspotteten ihn als „Winterkönig“; er verlor seine neue und seine alte Würde gegen die habsburgisch-katholische Übermacht in der Schlacht am Weißen Berge am 08. November 1620 und musste für den Rest seines Lebens ins Exil gehen. Die Pfalz und die Kurwürde gab Kaiser Ferdinand später an seinen katholischen Hauptgefolgsmann, den Herzog Maximilian I. von Bayern aus dem Hause Wittelsbach. Damit nun wird aus dem böhmisch-pfälzischen, in erster Linie territorial und verfassungsrechtlich motivierten Konflikt, zusätzlich bereits ein europäischer, weitgehend konfessionell dominierter. Nicht von ungefähr floh der kalvinistische Pfälzer vor der katholischen Koalition Habsburg-Wittelsbach in die kalvinistischen Niederlande. Diese nämlich befanden sich seit einem halben Jahrhundert im Aufstand

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gegen ihre Landesherren, die spanischen Habsburger, vor allem auch, um ihre religiöse und politische Selbstbestimmung durchzusetzen. Immer deutlicher weiteten sich in der Folge nun der Konfessionskonflikt und der Staatsbildungskrieg gemeinsam aus. Die streitenden Parteien in Deutschland waren in der katholischen Liga bzw. in der protestantischen Union zusammengeschlossen. Sie versicherten sich jeweils, da sie sich allein nicht in der Lage sahen, gegen ihre Gegner zu bestehen, zumindest aber nicht, gegen sie die Oberhand zu gewinnen, potenter Hilfe von außen. Für die Katholiken waren das als natürliche Verbündete die spanischen Habsburger, für die Protestanten die nordischen Königreiche Dänemark und Schweden. Als ausschlaggebende Großmacht in diesem europäischen Konfliktfeld muss schließlich Frankreich angesehen werden, das zwar im Kern katholisch war und von einem geistlichen Fürsten als leitendem Staatsmann regiert wurde, dem berühmten Kardinal Richelieu, sich aber auf dem Wege zu einem zentralen Einheitsstaat befand und das politische Kalkül über die religiösen Überzeugungen stellte. Frankreich, das sich seit Generationen von den Habsburgern „eingekreist“ fühlte, unterstützte zunächst mit riesigen Geldsummen die Protestanten, vor allem die Schweden, und trat nach deren Niederlage – 1635 selbst als Gegner des Reiches und Spaniens in den Krieg ein. Es ist in einer Vorlesung wie dieser nicht möglich, auf die verschlungenen und verwirrenden Kriegshandlungen und Schlachten die diplomatischen und politischen Winkelzüge einzugehen, die die 30 Kriegsjahre ausmachen; auch die Großtaten der berühmten Heerführer – etwa Tilly und Wallenstein auf katholischer, Mansfeld, Christian von Braunschweig und Gustav Adolf von Schweden auf protestantischer Seite – müssen hier außer Betracht bleiben. Wenigstens kurz hinweisen will ich aber doch auf die einzige große Schlacht des 30jährigen Krieges, die in unserer Region stattgefunden hat: die Schlacht im Loner Bruch bei Stadtlohn, der Annette von Droste-Hülshoff ihre bekannte Versdichtung gewidmet hat. Am 6. August 1623 schlug ein Liga-Heer unter Tilly entscheidend das Söldnerheer Herzog Christians von Braunschweig, eines der Hauptgefolgsleute des „Winterkönigs“ – in westfälisch-katholischen Landen wegen seiner Plünderungen und Brandschatzungen „der tolle Christian“ genannt. Der Braunschweiger hatte vergebens versucht, mit seinem Heer – etwa 16.00 Mann zu Fuß und 6.000 zu Pferde – dem ihn verfolgenden Tilly in die Niederlande zu entkommen. Tilly stellte ihn jedoch und rieb das Heer des Braunschweigers weitgehend auf. Mehr als 6.000 Tote sollen auf dem Schlachtfeld geblieben sein.

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Wichtig zur Kennzeichnung des gesamten Kriegsgeschehens ist, dass der Dreißigjährige Krieg weitestgehend durch Söldnerheere in Gang gehalten wurde, die im Besitz von Feldherren als Kriegsunternehmern waren. Stehende staatliche Heere gab es erst danach; sie sind ein Ergebnis der im Dreißigjährigen Krieg gemachten Erfahrungen. Die Söldnerheere, die häufig vergebens auf ihre Entlohnung durch die kriegführenden Staaten warten mussten, waren dann darauf angewiesen, sich aus dem Lande durch Kontribution, Raub, Plünderung und Brandschatzung zu ernähren. „Der Krieg muss den Krieg ernähren“ war die Devise Wallensteins, des kaiserlichen Oberfeldherrn, der im Jahre 1634 ermordet wurde. Insgesamt ging es immer und überall um die drei oben genannten Hauptkonfliktfelder: das Bemühen um die Bildung geschlossener Territorien in Deutschland und ihre Ausweitung sowie um die Vormachtstellung der außerdeutschen zentralistischen Königreiche in Europa, um die Durchsetzung konfessioneller Geschlossenheit im Reich und in Europa als Erbe von Reformation und Gegenreformation und schließlich um die Verfassungssituation im Deutschen Reich, d. h. im wesentlichen, das Verhältnis von Kaisertum und Zentralgewalt zu den Partikulargewalten mit ihren eigenen Herrschaftsansprüchen. 2. Friedensverhandlungen und Friedensschlüsse in Münster und Osnabrück Immer mehr setzte sich nach dem jahrelangen vergeblichen Ringen und dem wechselhaften und unkalkulierbaren Kriegsglück der Heerführer und ihrer Armeen die Einsicht durch, dass es keine Entscheidung auf dem Schlachtfelde würde geben können. So bemühte man sich, nachdem verschiedene Teilfriedensschlüsse nicht gehalten hatten, schon zu Beginn der 1640er Jahre, einen GesamtVerhandlungsfrieden zustande zu bringen. Die beiden Hauptgegner des Reiches, Schweden und Frankreich, hatten zunächst Verhandlungsorte inmitten ihrer Einflusszonen durchsetzen wollen und dafür Hamburg und Köln vorgeschlagen. Man verständigte sich jedoch schließlich auf zwei in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander gelegene und von Kriegszerstörungen weitgehend verschont gebliebenen Städte mit intakter Infrastruktur: Osnabrück und Münster. Die beiden Kongressstädte wurden durch Vertrag der Kriegsparteien für neutral erklärt und 1643 durch kaiserliches Edikt von allen Verpflichtungen gegenüber dem Reich und ihren Landesherren entbunden; sie erhielten also faktisch den Status einer freien Reichsstadt. Für die Abwicklung des Kongresses war vereinbart, dass in Osnabrück die Verhandlungen zwischen Reich und Kaiser einerseits und den

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Schweden und ihren Bündnispartnern andererseits und in Münster die zwischen Reich und Kaiser einerseits und Frankreich und seinen Bündnispartnern andererseits stattfinden sollten. An den Verhandlungen waren von Anfang an die Reichsstände, also die Kurfürsten, die anderen Reichsfürsten und die Reichsstädte beteiligt. In Osnabrück standen außer den Zugeständnissen an Schweden naturgemäß vor allem die Ansprüche der protestantischen Reichsstände im Vordergrund, in Münster außer den Gebietsforderungen der Franzosen vor allem die Probleme der Machtbalance und Friedenssicherung in Europa. Die Verhandlungen erwiesen sich als außerordentlich schwierig und langwierig. Die Gründe lagen nicht nur in der tiefen Verfeindung der Parteien nach den langen Kriegsjahren und den konfessionellen Gegensätzen, sondern auch darin, dass es nicht, wie in späterer Zeit, und für heute gewohnt, ein generell gültiges Völkerrecht mit einer entwickelten Diplomatie sowie Regeln für die zwischenstaatlichen Beziehungen gab. Die beteiligten Mächte, das Deutsche Reich, die Reiche Spanien, Schweden und Frankreich, wie auch die deutschen Territorialmächte, Reichsfürsten und Reichsstädte, ließen sich durch Gesandte und Bevollmächtigte vertreten, die nur ein begrenztes Verhandlungsmandat hatten. Für jeden Verhandlungsfortschritt, vor allem, wenn es um Zugeständnisse ging, musste in schriftlicher Form eine Rückbindung an die jeweiligen Höfe und Kanzleien erfolgen. Die Thurn- und Taxissche Reichspost hatte dazu eigens Verbindungslinien in die europäischen Residenzen und Hauptstädte eingerichtet. Zwischen den Kongressorten Münster und Osnabrück selbst bestand ein regelmäßiger Kurierdienst, damit die Verhandlungen einigermaßen abgestimmt blieben und sich nicht auseinanderentwickelten und so zu neuen Konflikten Anlass bieten konnten. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelang schließlich im ersten Halbjahr 1648 der Durchbruch. Zuerst vereinbarten die Spanier und Niederländer gegen den vergeblichen Widerstand Frankreichs, das für Spanien den niederländischen Kriegsschauplatz offenhalten wollte, einen Separatfrieden, der die Generalstaaten aus der spanischen Oberhoheit in die staatliche Selbständigkeit entließ. Am 30. Januar 1648 wurde der Friedensvertrag im Quartier der Niederländer, dem Krameramtshaus, unterschrieben und am 15. Mai 1648 in der münsterischen Ratskammer, die danach später ebenfalls Friedenssaal hieß, ratifiziert und beschworen. Ende März 1648 war in Osnabrück der Religionsfrieden im Reich ausgehandelt und nach Einigung über die schwedischen Gebiets- und Entschädigungsforderungen wurde dort am 06. August der Vertrag zwischen dem Reich und Schweden mit darin enthaltenen Bestim-

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mungen über den Religionsfrieden aufgesetzt. In Münster erfolgte die Einigung gut einen Monat später. Am 15. September stand auch der Text des Vertrages zwischen dem Reich und Frankreich fest, der neben den Gebietsabtretungen links des Rheins vor allem auch die Bestimmungen über das Verhältnis des Reiches zu den Ständen enthielt. Die Unterzeichnung beider Vertragsinstrumente durch die Hauptgesandten erfolgte am 24. Oktober in Münster, allerdings nicht in einem gemeinsamen Festakt – Schweden und Frankreich hatten sich auch jetzt nicht über Protokollfragen einigen können –, sondern in den Gesandten-Quartieren der beiden Mächte. Die Bevollmächtigten der Reichsstände unterzeichneten danach in der fürstbischöflichen Stadtresidenz auf dem Domplatz. Damit waren die Verträge noch nicht rechtswirksam, denn nun mussten die Texte zur Ratifizierung an die Höfe der beteiligten Mächte verschickt werden. Erst Mitte Februar 1649 waren sie von dort zurück und am 18. Februar konnte schließlich nach Austausch der Ratifizierungsurkunden der Friede endgültig verkündet werden. Die öffentliche Proklamation erfolgte mit barocker Prachtentfaltung am Sonntag, dem 21. Februar 1649. Es gab Festgottesdienste, Dankprozessionen, Paraden der in der Stadt anwesenden Soldaten, ein Volksfest in der gesamten Stadt und am Abend ein großes Feuerwerk. 3. Die Bedeutung des Westfälischen Friedens Kommen wir nun zurück zu der eingangs gestellten Frage nach der historischen Bedeutung der Geschehnisse in Münster und Osnabrück für die Niederlande, für Deutschland und Europa. Für die Niederlande ist der Stellenwert des Westfälischen Friedens klar und eindeutig. Der „Vrede von Münster“, wie die Niederländer sagen, ist die Gründungsurkunde ihrer staatlichen Selbständigkeit. Die sieben Nordprovinzen der spanischen Niederlande, die aus dem burgundischen Erbe der Habsburger an Madrid gelangt waren, erhielten nach einem 80 Jahre währenden „Volksaufstand“ ihre Autonomie und traten als neuer Staat in das Konzert der europäischen Mächte ein. Der südliche Teil, das heutige Belgien mit der Hauptstadt Brüssel, verblieb noch bei Spanien und fiel dann nach dem spanischen Erbfolgekrieg an Österreich. Die Generalstaaten, für die sich bald entsprechend der wichtigsten Provinz der Name Holland einbürgerte, bauten im 17. und 18. Jahrhundert ihr Kolonialreich in Südostasien und in Südafrika auf und entwickelten sich zu einer der führenden Seehandelsnationen Europas.

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Ähnlich wie für die Niederlande gilt auch für Schweiz der Westfälische Frieden als eine wichtige Wegmarke in der Nationalgeschichte. Allerdings wäre es völlig verfehlt, den 24. Oktober 1648 etwa als den Beginn der staatlichen Existenz, als eine Art Geburtstag, anzusehen. Bekanntlich reicht die Entstehungsgeschichte der Schweiz sehr viel weiter zurück, und Gründungsmythen und Gründungslegenden, die allerdings im Einzelfalle der historisch-kritischen Überprüfung nicht standhalten, beziehen sich eher auf Ereignisse und Entwicklungen des 13. und 14. Jahrhunderts (Wilhelm Tell, Schlacht bei Sempach). Andererseits ist der rechtliche Status der Schweiz als autonomer Staat im neugeordneten europäischen Mächtesystem, das ja durch die beiden Verträge des Westfälischen Friedens – den zwischen Kaiser/Reich und Frankreich (Instrumentum Pacis Monasteriense) und den zwischen Kaiser/Reich und Schweden (Instrumentum Pacis Osnabruggense) – selbst erst seine völkerrechtliche Grundlegung erfuhr, damals definiert und garantiert worden. Das war das alleinige Verdienst des Baseler Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein, der zunächst ohne gesamt-schweizerisches Verhandlungsmandat im Frühjahr 1648 nach Münster und Osnabrück reiste und durch geschicktes Antichambrieren die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in das Vertragswerk erreichte. Der Haupttenor der im Art. VI des Friedensvertrages von Osnabrück und im § 61 des Friedensvertrages von Münster festgelegten Bestimmungen lautet, dass alle Orte der Eidgenossenschaft den Status vollständiger Autonomie und Unabhängigkeit vom Reich besitzen und in keinster Weise dem Reichsrecht unterstehen. Für Deutschland hatte der Westfälische Frieden im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht Bedeutung: 1. Die fast 1 1/2 Jahrhunderte währenden konfessionellen Auseinandersetzungen im Zuge von Reformation und Gegenreformation fanden ein definitives Ende. Die drei Konfessionen – die katholische, die lutherische und die calvinistische – wurden als gleichberechtigte Konfessionen anerkannt und die Freiheit der Religionsausübung gesichert. Im Gegensatz zum Augsburger Konfessionsfrieden von 1555 galt nicht mehr der berühmte Grundsatz cuius regio ius religio, d. h., niemand konnte mehr zum Konfessionswechsel gezwungen werden. Als Kompromiss hatte man nach langen Verhandlungen den Zustand des Jahres 1624 akzeptiert, mit der Folge, daß zwei Erzbistümer, 13 Bistümer und zahllose Klöster und Stifte in Deutschland der Katholischen Kirche für immer verlorengingen. Wegen dieses Teils der Vertragsbestimmungen legte übrigens der Vermittler

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und päpstliche Legat Fabio Chigi im Auftrag des Papstes sein Veto gegen den Vertrag ein – allerdings ohne Folgen, denn die Vertragsschließenden hatten dieses Veto von vornherein einkalkuliert und für unwirksam erklärt. Der Westfälische Friede bedeutete also das Ende des Zeitalters der Konfessionskriege in Deutschland und schuf die Voraussetzung für religiöse Toleranz. 2. Das Verhältnis der deutschen Zentralgewalt zu den Partikulargewalten wurde definitiv zugunsten der letzteren geregelt. Die Reichsstände erhielten weitgehend staatliche Hoheitsrechte und sogar das Bündnisrecht mit auswärtigen Mächten zugestanden. Das Reichskammergericht und der immerwährende Reichstag in Regensburg waren wesentliche Elemente einer föderalen Struktur, die im Gegensatz zu Frankreich und Spanien, Schweden und England die Ausbildung eines zentralistischen Einheitsstaates in Deutschland verhinderten. Im 19. Jahrhundert und vor allem während der nationalsozialistischen Zeit hat man das als Erbübel der deutschen Geschichte verstanden, das vor allem Frankreich als dem Erbfeind angelastet wurde. Heute denken wir anders darüber und sehen darin angesichts der Perspektiven eines Europa der Regionen eine wichtige historische Orientierungsmarke. Eine entscheidende Bedeutung des Westfälischen Friedens für ganz Europa ist schließlich darin zu sehen, dass erstmals in der Geschichte des Kontinents eine Konfliktlösung nicht durch Waffengewalt auf militärischem Wege erreicht wurde, sondern auf der Basis rechtsgültiger Vereinbarungen auf dem Verhandlungswege. Das Völkerrecht war geboren und durch ein Garantiesystem aller Vertragsparteien das Existenzrecht auch der kleineren und mittleren Staaten prinzipiell anerkannt und gesichert. Mit dem Westfälischen Frieden war zumindest potentiell ein neues Konfliktbewältigungsinstrumentarium geschaffen, auch wenn der Friede selbst in Deutschland und Europa damit keineswegs dauerhaft gesichert war. Der Krieg zwischen Frankreich und Spanien, das im Vertragswerk überhaupt nicht mehr erwähnt wird, ging weiter und endete erst gut zehn Jahre später im Pyrenäenfrieden von 1659, mit dem der Niedergang der habsburgischen Monarchie in Madrid besiegelt wurde.

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In Deutschland dauerte es ebenfalls noch einige Jahre, bis im Jahre 1654 die letzten militärischen Operationen mit dem Abzug der schwedischen Garnison in Vechta beendet waren. Insgesamt gab es in Europa nach dem Westfälischen Frieden – und das ist vielleicht seine wichtigste Folge bis heute – nicht mehr die gottgewollte Einheit des christlichen Abendlandes mit Kaiser und Papst an der Spitze, sondern die auf Vereinbarung und Völkerrecht beruhende Ordnung prinzipiell gleichberechtigter Staaten, das europäische Mächtekonzert, das auf ständigen Ausgleich seiner divergierenden Interessen angewiesen war. Das barg natürlich neue Konflikte und Kriegsgefahren in sich, öffnete aber zugleich auch den Weg in die Moderne, in das Zeitalter der Aufklärung und der Entfaltung einer ungeheuren Entwicklungsdynamik im Wettlauf der Mächte und Staaten.2

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Neue Veröffentlichungen zum Thema: DUCHHARDT: Der Westfälische Friede; SCHMIDT: Geschichte des Alten Reiches; MOORMAN VAN KAPPEN, WYDUCKEL: Der westfälische Frieden; ORTLIEB, DUCHHARDT: Der westfälische Friede; BUßMANN, WERNER: Europa im 17. Jahrhundert; ROHRSCHNEIDER: Der gescheiterte Frieden; TESCHKE: Mythos 1648; STEIGER: Der Westfälische Frieden; SCHMIDT-VOGES, WESTPHAL et al.: Pax perpetua.

DIE HUMANITÄRE INTERVENTION IM VÖLKERRECHT IM LICHTE AKTUELLER HERAUSFORDERUNGEN DER STAATENGEMEINSCHAFT1 Dirk Hanschel I. Herausforderungen der Staatengemeinschaft im Hinblick auf die „Arabellion“ Angesichts der Demokratiebewegung in der arabischen Welt, der sog. „Arabellion“, die (mit Vorläufern in Algerien) in Tunesien ausbrach, sich nach Ägypten fortpflanzte und schließlich unter anderem Libyen, Syrien, Bahrain und den Jemen erfasst hat, stellt sich die Frage der Reaktionsmöglichkeiten der Staatengemeinschaft im Falle einer gewaltsamen Niederschlagung der friedlichen Proteste durch die jeweiligen Machthaber. In Libyen eskalierte der Konflikt zu einer militärischen Auseinandersetzung, nachdem die Regierung unter Führung von Muammar alGaddafi brutal gegen die Zivilbevölkerung vorging und dadurch eine Spaltung des Landes bewirkte. Der UN-Sicherheitsrat reagierte hierauf durch Resolutionen auf der Grundlage von Kapitel VII der UNCharta. In der Resolution 1970 vom Februar 2011 führte er aus, dass die „weitverbreiteten und systematischen Angriffe, die derzeit in der Libysch-Arabischen Dschamahirija gegen die Zivilbevölkerung stattfinden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen [können]“, forderte ein sofortiges Ende der Gewalt, verlangte Schritte, die geeignet sind, „die berechtigten Forderungen der Bevölkerung“ zu erfüllen“, und ordnete Wirtschaftssanktionen sowie ein Waffenembargo an.2 In der nachfolgenden Resolution 1973 vom März 2011 (bei der sich Deutschland der Stimme enthielt) verurteilte der Sicherheitsrat die massiven und systematischen Verletzungen der Menschenrechte, willkürliche Verhaftungen, Verschleppung, Folter und standrechtliche Hinrichtungen sowie die Akte der Brutalität und Einschüchterung gegenüber Journalisten und Medienvertretern sowie deren Hilfskräften. Er forderte – bei Aufrechterhaltung des Waffenembargos 1

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Besonderer Dank gebührt Patrick Abel sowie Moritz Indenhuck für ihre tatkräftige Hilfe bei der Erstellung dieses Beitrags sowie MindiaVashakmadze für seine hilfreichen Anmerkungen. Der Beitrag befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von November 2011. S/RES/1970 (2011).

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– einen sofortigen Waffenstillstand und ein vollständiges Ende der Gewaltanwendungen und aller Angriffe gegen Zivilisten sowie eine Intensivierung der Anstrengungen um eine Lösung, die „den legitimen Forderungen des libyschen Volkes Rechnung trägt“; schließlich ermächtigte er die Mitgliedstaaten, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten sowie „alle notwendigen Maßnahmen“ zum Schutze der Zivilbevölkerung zu ergreifen. Zugleich wurde eine Besetzung libyschen Territoriums durch eine ausländische Macht ausgeschlossen.3 Zur Durchsetzung der Resolutionen unternahm die NATO Luftangriffe auf libysches Territorium, die es den Rebellen ermöglichten, die Kontrolle über das Land zu gewinnen. Nach der Einnahme der Stadt Sirte, anlässlich derer es zur Tötung Gaddafis unter bisher ungeklärten Umständen kam, wurde das Land am 23. Oktober 2011 für vollständig befreit erklärt. Per Sicherheitsratsresolution 2016 (2011) wurden die Zwangsmaßnahmen Ende des Monats aufgehoben.4In Syrien hingegen geht Präsident Baschar Al-Assad in seinen Bemühungen, die inzwischen mehr als sechs Monate währenden Massenproteste niederzuschlagen, nach wie vor ungehindert gegen die Zivilbevölkerung vor. Versuche, den Volkszorn durch Rücktritt des Ministerpräsidenten sowie die Aufhebung des Ausnahmezustands zu besänftigen, scheiterten. Seit Monaten kommt es zu willkürlichen Verhaftungen sowie gewaltsamen Zusammenstößen mit der Folge zahlreicher Toter und Verletzter, was eine erhebliche Flüchtlingsproblematik ausgelöst hat. Trotz der teils dramatischen Zustände ist es dem Sicherheitsrat bisher nicht gelungen, einen effektiven Beschluss zustande zu bringen, da Russland und China die Ereignisse nicht als Bedrohung des internationalen Friedens einordnen bzw. sich auf einen politischen Dialog zur Konfliktlösung beschränken.5 Damit sind gegenwärtig keine UN-Sanktionsmaßnahmen (etwa Wirtschaftssanktionen oder ein Waffenembargo) oder gar eine militärische Intervention möglich. Stattdessen kam es lediglich zu Verurteilungen der Menschenrechtsverletzungen durch den amtierenden Präsidenten des Sicherheitsrats sowie den UN-Generalsekretär.6

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S/Res/1973 (2011). S/Res/2016 (2011). Siehe S/PV-6627, 4.10.2011. S/PRST/2011/16; UN News Centre, siehe http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=40078&Cr=syria&Cr1=; zur Reaktion des syrischen Präsidenten Assad siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.10.2011, S. 1 f.: „Assad: Eine Militärintervention wird gesamten Osten erschüttern“.

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II. Eine humanitäre Intervention als Ausweg? Sollte die Situation in Syrien weiter eskalieren, ohne dass sich die Beschlusslage ändert, könnte sich – ähnlich wie zuvor in Ruanda und im Kosovo – die Frage stellen, ob neben unilateralen oder regionalen Wirtschaftssanktionen bzw. einem Waffenembargo als letztes Mittel eine humanitäre Intervention ohne Zustimmung des Sicherheitsrats in Betracht kommt. 1. Begriffsklärung Zur Erörterung dieser Option bedarf es zunächst einer Klärung des schillernden Begriffs der humanitären Intervention.7 Nach einer Definition von Knut Ipsen handelt es sich hierbei um „militärische Maßnahmen eines oder mehrerer Staaten zum Schutze von Bevölkerungsteilen eines anderen Staates vor Menschenrechtsverletzungen oder Völkermord“.8 Diese Definition umfasst Einsätze sowohl mit als auch ohne UN-Mandat.9 Vorliegend wird nur die letztere Konstellation als humanitäre Intervention bezeichnet, während die erstere als humanitäre Mission, ein Unterfall sogenannter Friedensmissionen, begriffen wird.10 Zu unterscheiden sind ferner „die Rettung eigener Staatsangehöriger mit militärischer Gewalt von einem fremden Territorium“ sowie „Hilfsmaßnahmen humanitärer Organisationen“.11 2. Mögliche Anforderungen an die humanitäre Intervention Fällt die völkerrechtliche Begründung humanitärer Missionen mit Blick auf das Gewaltverbot bereits nicht leicht,12 so ist sie im Hinblick auf humanitäre Interventionen, also Einsätze ohne legitimierenden Sicherheitsratsbeschluss, noch deutlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich.13 Verbrechen wie die Ermordung ganzer Volksteile in Kambodscha 1975-78 sowie in Ruanda 1994 oder humanitäre Kata7 8 9 10 11 12 13

Zu der bis in die Zeit von Francisco de Vitoria zurückreichenden Geschichte der humanitären Intervention siehe bereits VITZTHUM: Völkerrecht, S. 25. IPSEN: Völkerrecht, S. 942. IPSEN: Völkerrecht, S. 942. SieheauchROGERS: Humanitarian Intervention, S. 730. IPSEN: Völkerrecht, S. 942. Siehe etwa VITZTHUM: Völkerrecht, S. 661 ff., mit weiteren Nachweisen. Siehe etwa HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 466; zur möglichen Legitimierung siehe etwa SCHACHTER: International Law, S. 126: „a State or group of States using force to put an end to atrocities when the necessity is evident and the humanitarian intention is clear is likely to have its action pardoned”; für eine Darstellung des Meinungsstands siehe ROGERS: Humanitarian Intervention, S. 730 ff.

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strophen wie in Somalia haben immer wieder Rufe nach dem Eingreifen fremder Staaten laut werden lassen.14 Der NATO-Einsatz im Kosovo 1998/9 wurde teilweise mit dem Recht zur humanitären Intervention begründet, da eine Autorisierung des Eingreifens durch den Sicherheitsrat nicht zu erwarten war.15 Der Internationale Gerichtshof hätte hier eine Klärung herbeiführen können, vermied jedoch im Fall Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium)eine Stellungnahme zu dieser Frage, indem er die Klage mangels der Mitgliedschaft Serbien-Montenegros in der UNO für unzulässig erklärte.16 Für die Zulässigkeit einer humanitären Intervention lässt sich anführen, dass es sich bei Menschenrechtsverpflichtungen der Staaten wie dem Folterverbot oder dem Verbot des Genozids um zwingende Normen des Völkerrechts (sog. iuscogens) handelt.17 Sie überlagern unter Umständen das ebenfalls zwingende Gewaltverbot in der UNCharta.18 Dem Sicherheitsrat als auch politisch geprägtem Organ insoweit die alleinige Rolle als Wahrer der Völkerrechtsordnung zuzubilligen, erscheint problematisch.19 Ohne die Möglichkeit einer Abwägung kollidierender iuscogens- Normen droht das Völkerrecht, wie Christian Tomuschat ausführt, seinen grundlegenden Wertegehalt einzubüßen, wenn man im Falle schwerster Menschenrechtsverletzungen aufgrund einer Blockade des Sicherheitsrats nicht handeln kann.20 Zur Rechtfertigung humanitärer Interventionen wird daneben verschiedentlich auf Art. 51 UN-Charta in Form der Nothilfe abgestellt; dies ist jedoch insoweit problematisch, als diese Hilfe nicht zugunsten eines bedrängten Staates, sondern zum Schutz der Zivilbevölkerung vor ihrer Regierung geleistet wird.21 Die Begründung über Art. 51 UNCharter dürfte nicht zuletzt deshalb gewählt werden, weil es sich hierbei um ein allseits akzeptiertes Rechtsinstitut handelt; die Voraussetzungen sind jedoch in den betreffendenFällen häufig nicht 14

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Siehe etwa EVANS: From Humanitarian Intervention to the Responsibility to Protect, S. 706; zu weiteren Beispielen siehe HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 463 ff. ENABULELE: Humanitarian Intervention, S. 412; siehe auch mit Bezügen zu Bosnien und dem Kosovo WILLIAMS, STEWART: Humanitarian Intervention, S. 102 ff. HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 465; zumFall siehe http://www.icj-cij.org/docket/files/105/10538.pdf. Siehe IPSEN: Völkerrecht, S. 161 ff.. Siehe die Darstellung von MAY: Aggression, S. 331 f. Siehe auch die Hinweise von BANNON: ResponsibilitytoProtect, S. 1160; MASSINGHAM: Military Intervention, S. 819 f. So auch TOMUSCHAT: International Law, S. 218; siehe hierzu auch WINKELMANN: „ResponsibilitytoProtect“, S. 449. Weitere Argumente, siehe MASSINGHAM: Military Intervention, S. 824.

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füllt.22Auch völkergewohnheitsrechtlich lässt sich eine Anerkennung humanitärer Interventionen mangels entsprechender einheitlicher Staatenpraxis bisher kaum begründen.23 Gegen die Zulässigkeit spricht zudem der Eingriff in die durch das Gewaltverbot gemäß Art. 2 Nr. 4 sowie das Interventionsverbot des Art. 2 Nr. 7 UN-Charta besonders geschützte, bereits in Art. 2 Nr. 1 der UN-Charta normierte Staatensouveränität.24 Ferner besteht eine erhebliche Missbrauchsgefahr sowie die Gefahr eines Dammbruchs.25 So rechtfertigte Russland sein Vorgehen in Georgien im Jahre 2008 seinerseits als humanitäre Intervention, mit der es dort gegen ethnische Säuberungen vorgehen wolle.26 Dagegen kann man sich allenfalls schützen, wenn man zumindest einen internationalen moralischen Konsens verlangt, wie ihn die internationale Kommission zum Kosovo unter Leitung von Richard Goldstone im Falle des Kosovo-Einsatzes erkannt hat.27 Dies birgt allerdings die Gefahr einer Rückkehr der überkommenen Lehre vom gerechten Krieg (bellumiustum).28 Schließlich stellt sich auch ein pragmatisches Problem, nämlich die Frage der Wirksamkeit solcher Interventionen, und damit ihrer Geeignetheit als Instrument der internationalen Soforthilfe.29 22 23

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Ähnlich wohl auch HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 463. ENABULELE: Humanitarian Intervention, S. 414 ff.; dagegen für ausreichende Staatenpraxis bei strengen Voraussetzungen für unilaterales Handeln BANNON: Responsibility to Protect, S. 1161 ff.; dazwischen liegt die Ansicht von WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 460, dem zufolge „das Konzept weit mehr als lediglich eine moralische Meinung darstellt“. Siehe ROGERS: Humanitarian Intervention, S. 27 ff.; siehe auch Memorial of the Federal Republic of Yugoslavia, Legality of the Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), http://www.icj-cij.org/docket/files/105/8324.pdf (Stand: 6.11.2011). ENABULELE: Humanitarian Intervention, S. 419; dagegen auf den restriktiven Anwendungsbereich im Zuge der Responsibility to Protect hinweisend MASSINGHAM: Military Intervention, S. 827 f. Laut FRANCK: Humanitarian and Other Interventions, S. 326, ist das Problem ein prozedurales: „It is how to separate the sheep of genuine humanitarian rescue from the goats of opportunistic political selfaggrandizement”. BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 151 ff. Da Russland seinen Einsatz nicht erfolgreich durch das Konzept der humanitären Intervention legitimieren konnte, sieht Bellamy jedoch eine Furcht vor einem Dammbruch eher als ungerechtfertigt an. Independent International Commission on Kosovo, Kosovo Report: Conflict, International Response, Lessons Learned 4, S. 163 – 170. Siehe etwa BRUNNÉE, TOOPE: Slouching Toward New ‘Just’ Wars, S. 390 ff.; zum Versuch, die humanitäre Intervention mit der Lehre Augustins in Einklang zu bringen, siehe LEE: Augustinian Just War Tradition, S. 756 ff. BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 162 ff.

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Mit diesen Problemen hat sich bereits 1999 Antonio Cassese befasst, der überzeugende Kriterien für einen potentiellen künftigen Konsens zur humanitären Intervention formuliert hat.30 (1) Auf dem Territorium eines souveränen Staates finden grobe, weitreichende und andauernde Menschenrechtsverletzungen statt, durch die eine Vielzahl von Menschen sterben. (2) Der betroffene Staat ist nicht in der Lage (oder nicht willens), den Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten und weigert sich, andere Staaten oder Internationale Organisationen um Hilfe zu bitten. (3) Aufgrund von Uneinigkeiten im Sicherheitsrat kommt es zu keinem Mandat für eine Intervention (obwohl die materiellen Voraussetzungen vorliegen). (4) Alle nichtmilitärischen Möglichkeiten des Menschenrechtsschutzes wurden ausgeschöpft. (5) Eine Koalition von Staaten (nicht einzelne), die bereit und geeignet ist, eine Intervention durchzuführen, findet mehrheitliche Unterstützung in den Vereinten Nationen. (6) Die Intervention dient ausschließlich dem Menschenrechtsschutz und ist angemessen im Verhältnis zu ihrem Ziel.31 Den Punkt 5 hat Thomas Franck zutreffend ergänzt, indem er ein Bekenntnis der Handelnden zu den Grundsätzen der Vereinten Nationen verlangt sowie ein Bemühen, sie in jeder Phase des Konflikts so weit wie möglich einzubinden.32 Diese Ergänzung bildet gewissermaßen einen Lackmus-Test der Aufrichtigkeit der Motive einer humanitären Intervention.33 Neuen Antrieb erhält die Debatte seit rund einer Dekade durch das Konzept der völkerrechtlichen Schutzverantwortung („ResponsibilitytoProtect“, oder kurz: „R2P“), das der Bericht der sog. International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) 2000/2001 hervorbrachte.34 Zuvor war der damalige UN-

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CASSESE: Ex iniuria ius oritur, S. 27: “…I submit that under certain strict conditions resort to armed force may gradually become justified, even absent any authorization by the Security Council.” Siehe zum Ganzen CASSESE: Ex iniuria ius oritur, S. 27; vgl. auch IPSEN: Völkerrecht, S. 943; kritisch zu Kriterienkatalogen zur Rechtfertigung der humanitären Intervention HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 466, 471. Siehe FRANCK: Humanitarian and Other Interventions, S. 326, der insoweit die Intervention der NATO im Kosovo dem unter George W. Bush initiierten Irakkrieg gegenüberstellt. Zur Schwierigkeit, diese Motive zu ermitteln, siehe LEE: Augustinian Just War Tradition, S. 761 f.. Responsibility to Protect: Report of the International Law Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS-Report), siehehttp://responsibilitytoprotect.org/ICISS%20Report.pdf; siehe etwa auch HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 467 ff.; WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 450; BROCK: Von der „humanitären In-

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Generalsekretär Kofi Annan im Lichte der Intervention im Kosovo für eine neue Sichtweise des Souveränitätsbegriffs eingetreten.35 Ende 2003 wurde das R2P-Konzept durch den Hochrangigen Ausschuss für Herausforderungen, Bedrohungen und Wandel sowie im März 2004 im nachfolgenden Bericht der Generalsekretärs anerkannt, wenngleich wohl lediglich zur Autorisierung entsprechender Maßnahmen durch den Sicherheitsrat.36 Auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen im Jahre 2005 wurde die Schutzverantwortung von fast allen Staaten akzeptiert;37 in der Resolution 1674 des Sicherheitsrats wurde sie zum ersten Mal in einem verbindlichen Dokument genannt.38 Mit ihrer Umsetzung befasst sich auchein Bericht von UNGeneralsekretärs Ban Ki-Moon.39 Das Konzept führt zu einer Neudefinition von Souveränität unter Einschluss einer Verantwortung des Staates für seine Bürger und rechtfertigt eine Intervention von außen hilfsweise dann, wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird bzw. nicht wahrgenommen werden kann.40 Mit seinen drei Bereichen („responsibilitytoprevent, reactandrebuild“) ist es zudem deutlich weiter gefasst als das bisherige Verständnis der humanitären Intervention.41 Inhaltlich konzentriert sich das Konzept auf vier Bereiche: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sog. „ethnische Säuberung“.42 Die mit den Cassese-Kriterien verwandten Voraussetzungen der ICISS für eine humanitäre Intervention lauten: „(1) ein massenhafter Verlust von Menschenleben…oder massenhafte ethnische Säu-

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tervention” zur „Responsibility to Protect”, S. 26 ff.; BRUNNÉE, TOOPE: Slouching Toward New ‘Just’ Wars, S. 382 ff. Siehe WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 450. Siehe WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 450; zum Bericht des Ausschusses siehe UN Doc A/59/565, para 203: “We endorse the emerging norm that there is a collective international responsibility to protect, exercisable by the Security Council authorizing military intervention as a last resort, in the event of genocide and other large-scale killing, ethnic cleansing or serious violations of international humanitarian law which sovereign Governments have proved powerless or unwilling to prevent”. A/Res/60/1, Ziff. 138f. Resolution 1674 (2006) vom 28. April 2006; BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 158 ff.; MASSINGHAM: Military Intervention, S. 804. UN Doc. A/63/677; vgl. Auch BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 146. Zu den Hintergründen der „Responsibility to Protect“ siehe BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 618 ff.; EVANS: From Humanitarian Intervention to the Responsibility to Protect, S. 708 f.; MASSINGHAM: Military Intervention, S. 804. Siehe HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 469; siehe auch BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 143; LUCK: Der verantwortliche Souverän, S. 51 f.; MASSINGHAM: Military Intervention, S. 807 ff. Vgl. BELLAMY: Responsibility to Protect – Five Years On, S. 622.

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Vorbereitende Vorlesungen

berungen“; „(2) geeignete Vorsichtsmaßnahmen“, nämlich „redliche Absicht…letztes Mittel,… Verhältnismäßigkeit…und Folgenabwägung“, schließlich „(3) Zuständigkeit des Handelnden“.43 Durch die R2P findet eine Akzentverschiebung vom Interventionsrecht zur Interventionsverantwortung statt.44 Die Stärken des neuen Konzepts liegen vor allem in der Betonung der Prävention und des Wiederaufbaus; hier steht das Gewaltverbot seltener entgegen, weil es um Diplomatie und Hilfe, nicht um militärische Intervention geht.45 Allerdings handelt es sich hierbei um ein sehr breites Konzept, und häufig dürfte es schwierig sein, die erforderlichen Ressourcen aufzubringen.46 Im Hinblick auf die eigentlichen Interventionen hingegen ist fraglich, inwieweit das Konzept eine Ermächtigung zum Handeln auch ohne Sicherheitsratsbeschluss umfasst oder lediglich den Sicherheitsrat zum Handeln verpflichtet.47 Im Bericht wird der Sicherheitsrat als das richtige Entscheidungsgremium bezeichnet; sollte dieser nicht handeln, komme jedoch auch ein Handeln der Generalversammlung bzw. „regionaler oder subregionaler Organisationen in Betracht“.48 Diese Alternativen werden jedoch in den Berichten des Hochrangigen Ausschusses für Herausforderungen, Bedrohungen und Wandel sowie des UN-Generalsekretärs nicht aufgegriffen.49 Im Gegenteil macht letzterer deutlich, dass es nicht darum gehe, Alternativen zum Sicherheitsrat zu schaffen, sondern dessen Funktionsfähigkeit zu erhöhen.50 Letztlich kann auch also die Schutzverantwortung und die mit ihr verbundene Neuinterpretation des Gewaltverbots nichts daran ändern, dass im Rahmen der UN-Charta grundsätzlichnur der Sicherheitsrat handeln kann, es sei denn, es besteht eine Selbstverteidigungssituation gemäß Art. 51 UN-Charta.51 Nicht einmal im Bereich 43 44 45 46 47

48 49 50 51

Vgl. WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 451. So WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 458. Zu der starken Betonung der Prävention siehe auch HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 471. So auch HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 472. Siehe auch BELLAMY: Responsibility to Protect and the Problem of Military Intervention, S. 621 f., 624, der eine Ermächtigung zu unilateralem Eingreifen nicht von der „Responsibility to Protect” umfasst sieht; siehe auch BROCK: Von der „humanitären Intervention” zur „Responsibility to Protect”, S. 32: „Die Frage, was geschieht, wenn der Sicherheitsrat, gegebenenfalls die Generalversammlung oder regionale Organisationen ihrer Schutzverantwortung nicht nachkommen, bleibt letztlich offen.“ So WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 451. Siehe die Darstellung bei WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 452 ff., 458. A/59/2005, Rn. 126;siehe auch WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 455 f. So auch LUCK: Der verantwortliche Souverän, S. 52.

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mandatierter Kapitel VII - Maßnahmen enthält die R2P eine eindeutige normative Festlegung.52 Umso schwerer fällt die Rechtfertigung bei einer Blockade des Sicherheitsrats.53 Solange das Recht der humanitären Intervention nicht durch eine Änderung der Charta festgelegt wird (was gegenwärtig unwahrscheinlich ist), eröffnet der vorhandene Kriterienkatalog jedochdie Möglichkeit, mit der schwierigen Dilemmasituation massiver Menschenrechts-verletzungen innerhalb eines souveränen Staats umzugehen, ohne aufgrund moralischer Überzeugungen außerhalb des Rechts handeln zu müssen, wie dies Bruno Simma angedeutet hat.54 Dies setzt indes voraus, dass diese Kriterien eine schrittweise völkerrechtliche Anerkennung erfahren.55 Der durch die R2P behandelte Konflikt zweier nicht nur vertragsrechtlich, sondern auch gewohnheitsrechtlich geltender Normen, nämlich des Gewaltverbots und des Schutzes elementarer Menschenrechte, betrifft der Sache nach auch die Situation eines blockierten Sicherheitsrats. Daran vermag auch die vorsichtige Formulierung der entsprechenden Erklärungen nichts zu ändern. Insofern lässt sich mit Blick auf humanitäre Interventionen immerhin vielleicht Völkergewohn-heitsrecht in statunascendi erkennen. Auf dieser noch sehr schwachen Grundlage könnte sich durch entsprechende Staatenpraxis sowie durch Urteile des Internationalen Gerichtshofes schrittweise ein Recht der humanitären Intervention herausbilden. Immerhin hat der Gerichtshof bereits die Verpflichtung aller Staaten zur 52 53

54

55

HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 474. Vgl. GREENWOOD: International Law, S. 931; siehe auch BANNON: Responsibility to Protect, S. 1163 ff.; vgl. auch FRANCK: Humanitarian and Other Interventions, S. 326: „ The starting point in the search for such a process is an acknowledgment by those acting without due authorization that there is a system of rules, one that binds everyone, and that if, in this instance, some of its rules are being violated, this is only being done exceptionally, for clearly demonstrable and exceptional reasons.” Siehe SIMMA: NATO, S. 22; HILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 466; zu dem bestehenden Dilemma siehe auch die Rede von Kofi Annan, zitiert nach WINKELMANN: „Responsibility to Protect“, S. 450 f..CASSESE: Ex iniuria ius oritur, S. 24 ff., sieht die Verletzung des Völkerrechts als gravierender an, als Simma dies tut („My answer is that from an ethical viewpoint resort to armed force was justified. Nevertheless, as a legal scholar I cannot avoid observing in the same breath that this moral action is contrary to current international law”).Gerade in diesem Lichte sei der Kriterienkatalog zu verstehen: “I contend, however, that as legal scholars we must stretch our minds further and ask ourselves two questions. First, was the NATO armed intervention at least rooted in and partially justified by contemporary trends of the international community? Second, were some parameters set, in this particular instance of use of force, that might lead to a gradual legitimation of forcible humanitarian countermeasures by a group of states outside any authorization by the Security Council?” So auchHILPOLD: From Humanitarian Intervention to Responsibility to Protect, S. 466.

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Verhütung von Völkermord auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets festgestellt und zumindest insoweit die Schutzverantwortung bestätigt.56 Bei der weiteren rechtlichen Entwicklung sollten auch die (allerdings immer noch umstrittenen) Cassese-Kriterien weiterhin eine Rolle spielen, da sie im Hinblick auf Interventionen ohne Sicherheitsratsmandat spezifischer sind als die R2P-Kriterien. Wichtig ist, dass das resultierende Völkergewohnheitsrecht konkret genug ist, um Rechtssicherheit im Hinblick auf die bestehenden Voraussetzungen zu schaffen.57 Ob sich tatsächlich ein entsprechender Staatenkonsens herausbilden wird, bleibt indes abzuwarten. Er würde letztlich erfordern, dass auch Staaten, die im konkreten Einzelfall ein Veto gegen eine bestimmte Zwangsmaßnahme im Sicherheitsrat einlegen, ein Handeln ohne Sicherheitsratsmandat bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen prinzipiell für rechtmäßig halten. Dies verdeutlicht die Schwierigkeit der Argumentation. Schwächen weistdaneben auch eine mögliche Begründung über die Schutzpflichten aus den Menschenrechtsverträgen auf, weil fraglich ist, inwieweit man ihnen derart konkrete, kriteriengeleitete Handlungsrechte oder gar -pflichtenmit Wirkung außerhalb des eigenen Staatsgebiets entnehmen kann.58 III. Schlussfolgerungen 1. Konsequenzen für den Konflikt in Syrien Die Beschränkung der R2P-Kriterien zeigt, dass ein Recht zur humanitären Intervention gegenwärtig noch nicht voll ausgebildet ist. Inwieweit sich ein solches Recht langfristig, etwa im Sinne des CasseseDiktums (“ex iniuria ius oritur”) herausbildet, bleibt abzuwarten. Sofern dies der Fall ist, sollte auf den oben dargestellten Kriterien aufgebaut werden, die indes strikt und diszipliniert zu handhaben und eng auszulegen sind. Mit Blick auf Syrien sind jedenfalls zunächst nicht-militärische Maßnahmen wieVermittlungsversuche, Waffenembargos oder Wirtschaftssanktionen vollständig auszureizen. Eine humanitäre Intervention dürfte hier im Übrigen nicht allein an der schwachen völkerrechtlichen Rechtfertigung scheitern. Vielmehr 56 57 58

So BROCK: Von der „humanitären Intervention” zur „Responsibility to Protect”, S. 29. Siehe hierzu auch BRUNNÉE, TOOPE: Slouching Toward New ‘Just’ Wars, S. 385 ff. Grundsätzlich zur Frage der Extraterritorialität von Menschenrechtsverpflichtungen siehe etwa GOODWIN-GILL: The Extra-Territorial Reach of Human Rights Obligations, S. 293 ff; speziell zur Frage der Reichweite wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte siehe http://www.fian.org/programs-andcampaigns/extraterritorial-state-obligations.

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stellt sich die Frage, ob sich überhaupt Staaten zu ihr bereit fänden.So hat Assad bereits mit einem neuen Afghanistan gedroht.59 Insofern wird das Instrumentarium vermutlich auf absehbare Zeit kaum über die Ausübung politischen und wirtschaftlichen Drucks hinausreichen. 2. Konsequenzen für das Instrument der Humanitären Intervention Angesichts der verbleibenden Unsicherheit im Hinblick auf eine mögliche rechtliche Verfestigung dieses Instruments wäre eine Aufnahme der humanitären Intervention durch eine materielle Änderung der Charta oder eine Änderung der Entscheidungsverfahren, insbesondere des Vetorechts zu prüfen. Politisch ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, wie die Querelen um die Erweiterung des Sicherheitsrats der letzten Jahre zeigen.60 Aber auch unterhalb der Schwelle von Änderungen der Charta könnten Verfahrensschritte innerhalb des Sicherheitsrats dazu beitragen, unter bestimmten Bedingungen eine humanitäre Intervention zu erleichtern. Resolutionen, die einen Konflikt rügen, ohne bereits zur Intervention zu ermächtigen, könnten vorsehen, dass Nachfolgebeschlüsse zur Durchsetzung auch mit einer qualifizierten Mehrheit getroffen werden können.61 Gegner einer Intervention sind dann immerhin gezwungen, bereits gegen die erste Resolution vorzugehen, und können sich insoweit keine weiße Weste verschaffen.62 Das von Henry Kissinger im Jahre 2002 ins Spiel gebrachte mögliche Ende des westfälischen Modells der Staatensouveränität (End of Westphalia)63 ist jedoch nicht zu erwarten. Da das Instrument der humanitären Intervention nur als ulima ratio in Betracht kommt, eignet es sich zudem kaum als wirksames Instrument der Soforthilfe. Solche Hilfe kann vielmehr nur gewährt werden, wo sie staatlicherseits erbeten wird, es sei denn, der Sicherheitsrat tritt auf den Plan. Immerhin stellt die humanitäre Intervention aber ein mögliches prospektives Instrument dar, mit dem sich schlimmste Gräueltaten auch dann beenden lassen, wenn sich der Sicherheitsrat dazu außerstande sieht. Dahin muss zumindest die Entwicklung gehen, damit sich das Völkerrecht nicht in der Tat wie von Christian Tomuschat befürchtet seiner Legitimationsbasis begibt.64 59 60 61 62 63 64

Siehe DIE ZEIT vom 3. November 2011, S. 8: Undenkbar? Assad hat eine Intervention selbst zum Thema gemacht (Jörg Lau). Siehe bereits FASSBENDER, All Illusions Shattered? Looking Back on a Decade of Failed Attempts to Reform the UN Security Council, S. 183 ff. So FRANCK: Humanitarian and Other Interventions, S. 334 ff. SieheFRANCK: Humanitarian and Other Interventions, S. 334 ff. KISSINGER: Preemption, S. 31 ff. Vgl. TOMUSCHAT: International Law, S. 218.

EINGREIFEN ZUM SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE – DER LIBYENKONFLIKT UND DAS MODERNE VÖLKERRECHT Christian Walter1 I. Einleitung: Das konzeptionelle Dilemma der humanitären Intervention Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan hat aus Anlass einer Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Genozid in Ruanda am 26. März 2004 Folgendes ausgeführt: „Der Völkermord in Ruanda hätte nie, niemals geschehen dürfen. Aber er geschah. Die Internationale Gemeinschaft hat in Ruanda versagt, und das muss uns für immer schmerzen und mit Trauer erfüllen. Hätte die Internationale Gemeinschaft rechtzeitig und entschlossen gehandelt, dann hätte sie die meisten Morde verhindern können. Aber weder war der politische Wille da, noch standen Soldaten zur Verfügung. […] Die internationale Gemeinschaft hat durch Unterlassen gesündigt.”2 Die Erfahrung dieses Versagens hat insbesondere die Haltung Kofi Annans geprägt. Er war nicht nur der erste schwarzafrikanische Generalsekretär der Vereinten Nationen, sondern während der Zeit des Bürgerkriegs in Ruanda in den Vereinten Nationen als stellvertretender Generalsekretär für die Koordination von Blauhelm-Missionen zuständig. Er stand damit persönlich in unmittelbarer Verantwortung. Wer die Entwicklung des Völkerrechts der letzten Jahre verstehen und den Konflikt in Libyen rechtlich einordnen will, der muss mit diesen Erfahrungen aus den 1990er Jahren beginnen. Neben den Verbrechen in Ruanda (und Burundi) gehören dazu auch die inzwischen vom Jugoslawien-Tribunal und dem IGH als Völkermord einge1

2

Es handelt sich um die leicht überarbeitete und um Fußnoten ergänzte schriftliche Fassung eines Vortrags der am 12. Oktober 2011 im Rahmen der „Dialoge zum Frieden“ der Stadt Münster gehalten wurde. „The genocide in Rwanda should never, ever have happened. But it did. The international community failed Rwanda, and that must leave us always with a sense of bitter regret and abiding sorrow. If the international community had acted promptly and with determination, it could have stopped most of the killing. But the political will was not there, nor were the troops. […] The international community is guilty of sins of omission.”; im Internet verfügbar unter: http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=840.

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stuften Gräueltaten in Srebrenica3 und das rechtlich umstritten gebliebene Eingreifen der NATO zugunsten des Kosovo 1999.4 Die genannten Konflikte haben eine während der Zeit des Kalten Krieges vorherrschende Position in Frage gestellt, nach der – vor dem Hintergrund der Instrumentalisierung zahlreicher interner Konflikte durch die damaligen Supermächte – der Nicht-Intervention stets der Vorrang vor der Intervention gegeben wurde. Dahinter stand die Erwägung, dass mit Interventionen im Zweifel mehr Probleme geschaffen als gelöst werden. Rechtlich getragen wird diese Haltung durch das in Art. 2 Abs. 1 UN-Charta verankerte Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten, welches grundsätzlich ausschließt, dass sich ein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einmischt.5 Das konzeptionelle Dilemma der sog. humanitären Intervention, wie ein militärisches Eingreifen zum Schutz fremder Staatsangehöriger im Völkerecht traditionellerweise genannt wird, besteht darin, dass sie vor dem Hintergrund dieses umfassenden Souveränitätsbegriffs nicht plausibel zu erklären vermag, woraus sich der Rechtstitel für ein Eingreifen zum Schutz der Menschenrechte ergeben könnte. Man hat es unter Rückgriff auf ein angeblich bestehendes Gewohnheitsrecht versucht, sich auf den Gedanken des Notstands berufen, mit den Ansätzen des Menschenrechtsschutzes in der UN-Charta argumentiert oder eine Zusammenschau aller oder einzelner dieser Ansätze bemüht.6 Wirklich überzeugend war das aber alles nicht, denn angesichts der weit reichenden Folgen hätte man doch gerne eine ausdrückliche Eingriffsbefugnis zum Schutz der Menschenrechte mit militärischen Mitteln. Die aber gibt es bis heute nicht und folgerichtig hat die ganz überwiegende Mehrheit der Völkerrechtler das Konzept der humanitären Intervention abgelehnt.7 Das gerade beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechtsschutz und Interventionsverbot ist freilich viel älter. Bei Hugo Grotius kann man in dem berühmten De iure belli ac pacis von 1646 lesen: 3

4

5 6 7

Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), Urteil vom 26. Februar 2007, ICJ Rep 2007, 43, para. 297. SIMMA: NATO, S. 6; CASSESE: Ex iniuria ius oritur, S. 24; HENKIN: Kosovo, S. 826; CHARNEY: Anticipatory Humanitarian Intervention, S. 835; GOWLLAND-DEBBAS: Limits of Unilateral Enforcement, S. 363 f. Vgl. HERDEGEN: Völkerrecht, S. 250 ff.; GRAF VITZTHUM: Völkerrecht, Kap.1, Rn 76; SCHWEISFURTH: Völkerrecht, Kap.9, Rn 258. Vgl. Die umfassende Darstellung bei PAUER: Humanitäre Intervention, S. 123 ff. Vgl. BOTHE: Friedenssicherung, Kap. 8, Rn 22; SCHWEISFURTH: Völkerrecht, Kap.9, Rn 303 jeweils mit weiteren Nachweisen.

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Vorbereitende Vorlesungen

„Auch das ist streitig, ob für fremde Untertanen ein Krieg mit Recht begonnen werden kann, um sie gegen das Unrecht ihrer Obrigkeit zu schützen. […] Wenn aber das Unrecht so klar ist, wie es von Busiris, Phalaris oder dem Thraker Diomedes gegen die Untertanen verübt wurde, und es kein gerechter Mann billigte, so ist die Ausübung des Rechts der menschlichen Gesellschaft (ius humanae societatis) nicht ausgeschlossen.“8 In diesem Zitat ist im Grunde genommen die gesamte Problematik der „humanitären Intervention“ eingefangen: Ein solches Recht war offenbar schon immer umstritten. Spätere Klassiker des Völkerrechts, wie etwa Christian Wolff9 oder Emer de Vattel lehnen eine Eingriffsbefugnis aus humanitären Gründen ausdrücklich ab. Bei Vattel heißt es besonders klar und unter Verwendung des Begriffs „affaires domestiques“,10 dass fremde Mächte sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Mächte einzumischen und sich zum Richter über deren Verhalten aufschwingen dürften: “Keiner fremden Macht steht es […] zu, sich um die Amtsführung [eines] Souveräns zu kümmern, sich zum Richter über sein Verhalten aufzuwerfen und ihn zu einer Änderung zu veranlassen. Wenn er seine Untertanen mit drückenden Steuern belegt, wenn er sie hart anfasst, so ist das Sache der betreffenden Nation; kein anderer ist dazu berufen, ihn zurecht zu weisen und zur Befolgung gerechterer und weiserer Grundsätze zu zwingen.“11 Letztlich ist es also – fast ein bisschen paradox – das aus den religiösen Bürgerkriegen entstandene Souveränitätsprinzip, das einer Intervention aus humanitären Gründen entgegensteht. Andererseits kann man sich aber bis heute moralisch der Vorstellung nicht völlig verschließen, dass es doch zumindest so etwas wie äußerste Grenzen geben müsse, bei denen es unmöglich erscheint, von Außenstehenden ein abwartendes Zusehen zu verlangen („wenn das Unrecht so klar ist, wie es von Busiris, Phalaris oder dem Thraker Diomedes gegen die Untertanen verübt wurde“).12 Wenn dies alles seit Grotius schon bekannt und ebenso umstritten wie ungelöst ist, was ist dann das Neue an der Entwicklung der letzten 8 9 10 11 12

GROTIUS: De Iure Belli Ac Pacis, Zweites Buch, 25. Kapitel, VIII, 407 f. WOLFF: Jus Gentium, Kap. IV, §257. DE VATTEL: Droit des gens (Übers. Schätzel), Buch I, Kap. III, § 37 (S. 45). DE VATTEL: Droit des gens (Übers. Schätzel),Buch II, Kap. IV, § 55 (S. 209). GROTIUS: De Iure Belli Ac Pacis, Zweites Buch, 25. Kapitel, VIII, 407 f.

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Jahre? Warum lohnt es sich gleichwohl, sich mit dem Thema zu beschäftigen? Um eines vorwegzunehmen: Das Grundproblem, dass man im Zeitpunkt des Eingreifens nicht wissen kann, ob die Dinge durch eine Intervention besser oder nicht vielleicht sogar eher schlimmer werden, lässt sich nicht beseitigen. Man weiß bestenfalls hinterher, was richtig gewesen wäre. Die deutsche Außenpolitik hat dies in der Libyen-Krise im Frühjahr und Sommer 2011 besonders schmerzlich zu spüren bekommen. Aber auf einer konzeptionellen Ebene haben die eingangs erwähnten Erfahrungen der 1990er Jahre doch für einen Bewusstseinswandel gesorgt, der – möglicherweise jetzt noch einmal beschleunigt durch die Entwicklung in Libyen – das Verhältnis von Souveränität und Menschenrechtsschutz verändern dürfte. Der nachfolgende Beitrag schildert im ersten Teil die Erfolgsgeschichte einer Idee, die inzwischen wohl als Bestandteil des geltenden Rechts angesehen werden muss, obwohl sie bisher nur über eine vergleichsweise kurze Geschichte verfügt. Die sog. Responsibility to Protect, die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft, verändert die Vorstellung von der Souveränität der Staaten (II.). In einem zweiten Schritt wird auf Entwicklungen im Bereich der Immunität von Staatsoberhäuptern aufmerksam gemacht, mit denen die staatliche Souveränität gleichfalls verändert wird. (III.). Der letzte Teil des Beitrags ist ungelösten Umsetzungsproblemen gewidmet, die im Libyen-Konflikt besonders deutlich geworden sind (IV.). Am Ende steht die Feststellung eines operationellen Dilemmas der Responsibility to Protect (V.). II. Wandel der Souveränität durch die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) 1. Die staatliche Souveränität als Ausgangspunkt In der allgemeinen Staatslehre werden üblicherweise eine innere und eine äußere Komponente der staatlichen Souveränität unterschieden.13 Für das Völkerrecht ist die äußere Souveränität entscheidend. Wie bereits erwähnt, beruht sie auf dem in Art. 2 Abs. 1 UN-Charta verankerten Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten. Nach der klassischen Vorstellung beinhaltet Souveränität das Recht, über den Umfang der völkerrechtlichen Bindungen selbst zu entscheiden. Der Ständige Internationale Gerichtshof, der Vorgänger des heutigen Internationalen Gerichtshofs, hat das 1927 in den folgenden Worten ausgedrückt: 13

RANDELZHOFER: Staatsgewalt und Souveränität, § 17 Rn. 24.

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„Das Völkerrecht regelt Beziehungen zwischen unabhängigen Staaten. Die für sie verbindlichen Rechtsregeln folgen deshalb aus ihrem eigenen freien Willen […]. Einschränkungen der Unabhängigkeit von Staaten können deshalb nicht vermutet werden.“14 In dieser Allgemeinheit ist die Aussage sicherlich schon seit längerem nicht mehr zutreffend. Namentlich die Entwicklung im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes hat zumindest elementare Garantien entstehen lassen, wie etwa das Folter- oder das Genozidverbot, die – als ius cogens – unabhängig vom Willen des einzelnen Staates gelten.15 Gleichwohl schwingt die Vorstellung bis heute nach, die Souveränität nach außen gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten beinhalte auf ihrer Innenseite die volle und uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit eines Staates über sein Verhalten gegenüber den eigenen Staatsangehörigen – ganz ähnlich wie das im Zitat von Vattel anklingt.16 2. Responsibility to Protect: Genese und weiterer Weg einer Idee Genau an dieser Stelle setzt nun die neue Entwicklung an, die im Rahmen der Schutzverantwortung („Responsibility to Protect“) stattfindet.17 Sie geht zurück auf eine Initiative der kanadischen Regierung, die im Jahr 2001 eine „International Commission on Intervention and State Sovereignty“ (ICISS) einsetzte. Der Abschlussbericht dieser Kommission trägt den Titel „Responsibility to Protect“.18 In diesem Bericht wird das Verhältnis von Souveränität und Intervention neu definiert. Die Kommission verfolgt das erklärte Ziel, sich terminologisch von der bisherigen Konzentration auf den Handelnden und dessen „Recht auf Eingreifen“, das auch im Begriff der humanitären Intervention zum Ausdruck kommt, wegzubewegen und stattdessen 14

15 16 17

18

The Case of the S.S. "LOTUS", PCIJ, Series A, No. 9, 18: “International law governs relations between independent States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own free will […]. Restrictions upon the independence of States cannot therefore be presumed.” Vgl. KADELBACH: Zwingendes Völkerrecht, S. 274 ff. (Genozidverbot) und 291 ff. (Folterverbot). Vgl. nochmals oben das Zitat von DE VATTEL: Droit des gens (Übers. Schätzel), Buch II, Kap. IV, § 55 (S. 209). Aus der inzwischen umfangreichen Literatur zur Responsibility to Protect seien auszugsweise erwähnt: EVANS: Responsibility to Protect; ORFORD: International Authority; PETERS: Security Council’s Responsibility to Protect; STAHN: Responsibility to Protect; VERLAGE: Responsibility to Protect; VON ARNAULD: Souveränität. Der Bericht ist im Internet verfügbar unter: http://responsibilitytoprotect.org/ICISS%20Report.pdf.

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die Begrifflichkeit an den Begünstigten und deren Schutzbedürfnis zu orientieren, deshalb eben „responsibility to protect“.19 Das Konzept fand aus dem Bericht der kanadischen Regierungskommission seinen Weg in die Vereinten Nationen. Ende 2003 setzte UN-Generalsekretär Kofi Annan zur Vorbereitung des Weltgipfels der Staats- und Regierungschefs im Jahre 2005 ein sog. „High Level Panel on Threats, Challenges and Change“ ein; dessen Abschlussbericht nimmt das Konzept der Responsibility to Protect ausdrücklich auf.20 UN-Generalsekretär Kofi Annan hat es dann in einen eigenen Grundsatzbericht aufgenommen, den er dem Weltgipfel des Jahres 2005 vorlegte.21 Und als Krönung des Ganzen findet sich das Konzept schließlich im Abschlussdokument des Weltgipfels der Staats- und Regierungschefs, wenngleich konzeptionell weniger ausgefeilt als in den zuvor genannten Dokumenten: “Each individual State has the responsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes, including their incitement, through appropriate and necessary means. […]”22 Wo liegen wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Ausprägung, welche die Responsibility to Protect in den genannten Dokumenten erfahren hat? Unterschiede liegen zweifellos in Einzelheiten der Ausgestaltung. So lässt etwa der kanadische Bericht offen, wer Entscheidungen über ein Eingreifen zum Schutz der Menschenrechte treffen darf.23 Für den Generalsekretär und den Weltgipfel steht dagegen ganz eindeutig die in Art. 24 UN-Charta normierte Hauptverantwortung des UN-Sicherheitsrats im Vordergrund. Danach 19

20

21 22 23

Ibid., para. 1.35: “The defence of state sovereignty, by even its strongest supporters, does not include any claim of the unlimited power of a state to do what it wants to its own people. The Commission heard no such claim at any stage during our worldwide consultations. It is acknowledged that sovereignty implies a dual responsibility: externally – to respect the sovereignty of other states, and internally, to respect the dignity and basic rights of all the people within the state. In inter-national human rights covenants, in UN practice, and in state practice itself, sovereignty is now understood as embracing this dual responsibility.” A more secure world: our shared responsibility, Report of the High-level Panel on Threats, Challenges and Change, Abgedruckt in: UN Doc A/59/565 of 2 December 2004, para. 203. In larger freedom: towards development, security and human rights for all, Report of the Secretary General, UN Doc. A/59/2005 of 21 March 2005, para. 135. Verabschiedet als GA Res. 60/1, para. 138 ff. ICISS-Report (Fn. 18), para. 6.2 ff., 6.28 ff.

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Vorbereitende Vorlesungen

kann eine Entscheidung zur Intervention im Namen der Responsibility to Protect nur vom Sicherheitsrat getroffen werden.24 Ein anderer nicht ganz unwesentlicher Unterschied besteht darin, dass das Weltgipfeldokument als Schwelle für ein Eingreifen schwerste völkerrechtliche Verbrechen (Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) voraussetzt, während die anderen Dokumente hier weniger genau formuliert sind und damit potentiell eine größere Bandbreite von möglichen Eingriffssituationen erfassen. Auf längere Sicht dürfte entscheidend sein, dass alle drei Dokumente von der Vorstellung geprägt sind, dass Souveränität nicht unbeschränkte Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit meint, sondern von vornherein mit der Verpflichtung verknüpft ist, der eigenen Bevölkerung Sicherheit und Schutz elementarer Menschenrechtsgarantien zu gewährleisten.25 Die Responsibility to Protect löst also das Spannungsverhältnis zwischen Souveränität und Menschenrechten gewissermaßen von innen her, aus der Souveränität heraus, auf. Menschenrechtsschutz steht nicht mehr gegen die Souveränität, sondern er wird zu ihrem Bestandteil. Darin liegt auf einer konzeptionellen Ebene eine grundsätzliche Abkehr von früheren Figuren wie namentlich der humanitären Intervention, bei denen der Menschenrechtsschutz immer als Rechtfertigung für den Eingriff in die Souveränität gedacht wurde. Anders gewendet und zugespitzt formuliert: Souverän ist nur, wer seiner Bevölkerung ein Minimum an Sicherheit und elementaren Menschenrechtsgarantien gewährleisten kann. Soviel zur Theorie. In den UN Dokumenten ist die Responsibility to Protect nicht auf der rein konzeptionellen und vielleicht visionären Ebene von Vordenker-Kommissionen und Gipfelerklärungen stecken geblieben, sondern sie hat die Praxis des Sicherheitsrats beeinflusst. Erstmals ausdrücklich in Bezug genommen wird das Konzept in einer Resolution zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten im Jahre 2006.26 Auch in seinen Resolutionen zur Darfur-Krise hat der Sicherheitsrat die Responsibility to Protect angesprochen.27 Am deutlichsten aber, und damit sind wir beim Thema Libyen, sind die Aussagen in den beiden Libyen-Resolutionen aus dem Jahr 2011, den Resolutionen 1970 und 1973 (2011).

24 25 26 27

In larger freedom (Fn. 21), para. 135; GA Res. 60/1, para.139. ICISS-Report (Fn. 18), para 1.35 ; In larger freedom (Fn. 20), para. 135; GA Res. 60/1 para.138. SC Res. 1674 (2006). SC Res. 1706 (2006), 1755 (2007) und 1769 (2007).

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3. Verbindung zu Kapitel VII UN-Charta Wenn das Konzept der Schutzverantwortung einen Übergang der Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung auf die internationale Gemeinschaft vorsieht, dann bedarf es einer Instanz, die in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Es wurde bereits angedeutet, dass die Haltung hierzu in den verschiedenen Berichten unterschiedlich ist. Einigkeit dürfte sich aber zumindest insoweit erzielen lassen, dass es die beste Lösung ist, wenn diese Verantwortung vom Sicherheitsrat im Rahmen seiner Möglichkeiten wahrgenommen wird. Denn er trägt nun einmal nach Art. 24 UN-Charta die Hauptverantwortung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit und ist damit am besten dazu legitimiert, die Schutzverantwortung ersatzweise für einen Staat zu übernehmen, der dazu nicht willens oder nicht in der Lage ist. Entscheidend sind demnach die entsprechenden Befugnisse zur Wahrung des Weltfriedens des Sicherheitsrats nach Kapitel VII UN–Charta. Auch dürfte sich der Gefahr des Missbrauchs und einer zu extensiven Inanspruchnahme des neuen Konzepts auf diese Weise am wirkungsvollsten begegnen lassen. Dies setzt allerdings eine einigermaßen einheitliche Haltung im Sicherheitsrat voraus. Die jüngsten Entwicklungen in Syrien und zuvor schon im Sudan stimmen hier eher skeptisch.28 Voraussetzung für ein Eingreifen des Sicherheitsrates ist nach dem Wortlaut des Art. 39 UN-Charta eine Bedrohung des Friedens, ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung. In der Praxis operiert der Sicherheitsrat hier fast ausschließlich mit der Variante der Friedensbedrohung.29 Für die Feststellung einer Friedensbedrohung kommt es maßgeblich darauf an, was man unter „Frieden“ im Sinne der Vorschrift versteht. Klarheit hierüber ist Voraussetzung, um entscheiden zu können, was „wiederhergestellt“ werden soll. Bei Gründung der Vereinten Nationen herrschte der sog. negative Friedensbegriff vor, der Frieden als die Abwesenheit zwischenstaatlicher militärischer Gewalt versteht.30 Diesen engen Begriff hat der Sicherheitsrat zunehmend ausgeweitet. Namentlich schwere Menschenrechtsverletzungen werden seit geraumer Zeit ebenfalls als Friedensbedrohung eingestuft.31 Hier trifft sich die Praxis des Sicherheitsrats der letzten Jahre mit dem Konzept der Responsibility to Protect.

28 29 30 31

Siehe näher unten unter IV. 3. FROWEIN, KRISCH: Kommentar zu Art. 39, Rn. 16. FROWEIN, KRISCH: Kommentar zu Art. 39, Rn. 7 FROWEIN, KRISCH: Kommentar zu Art. 39, Rn. 18 ff.

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4. Die Praxis des Sicherheitsrats – dargestellt anhand der LibyenResolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) Wie der Sicherheitsrat in Zukunft möglicherweise diese Verbindung zwischen seinen Kompetenzen zur Friedenswahrung nach Kapitel VII UN-Charta und dem Konzept der Responsibility to Protect handhaben will, lässt sich anhand der Libyen-Resolutionen einschätzen. Maßgeblich sind vor allem zwei Resolutionen vom Februar und März 2011. Die erste – 1970 (2011) – ist vor allem wegen der darin enthaltenen Wirtschaftssanktionen bekannt geworden, die zweite 1973 – (2011) – durch das von der NATO in Anspruch genommene Mandat zu militärischem Eingreifen. Beide Resolutionen sprechen von „gross and systematic violations of human rights“, die sie der libyschen Regierung vorwerfen, beide Resolutionen äußern die Befürchtung, dass die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung den völkerstrafrechtlichen Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen könnten – und: beide Resolutionen beziehen sich ausdrücklich auf die Responsibility to Protect. Für die weitere Analyse der Responsibility to Protect sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung, die im Folgenden noch näher betrachtet werden sollen. Der erste betrifft die in Resolution 1970 (2011) auch enthaltene Befassung des Internationalen Strafgerichtshofs mit der Angelegenheit, der zweite das Mandat zum militärischen Eingreifen in Resolution 1973 (2011). III. Veränderungen des Souveränitätsprinzips durch die völkerstrafrechtliche Verfolgung von amtierenden Staatsoberhäuptern In der Öffentlichkeit wurde ausführlich über den Erlass eines Haftbefehls gegen Muammar al Gaddafi durch den Internationalen Strafgerichtshof32 berichtet. Die Rechtsgrundlage für den Haftbefehl ergibt sich zunächst einmal aus dem Römischen Statut über den Internationalen Strafgerichtshof.33 Allerdings greift das Statut als vertragliche Regelung grundsätzlich nur für die Vertragsparteien ein. Das Libyen Gaddafis hat – wie man sich unschwer vorstellen kann – das Römische Statut nicht ratifiziert. Entscheidend ist deshalb Art. 13 lit b) des Statuts, der für diesen Fall die Möglichkeit einer Überweisung durch den Sicherheitsrat vorsieht. Mit anderen Worten: Der Sicherheitsrat kann mit einer auf der Basis von Kapitel VII UN-Charta erlassenen Resolu32 33

Entscheidung Nr. ICC-01/11 vom 27 Juni 2011; im Internet verfügbar unter: http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc1099321.pdf. Art. 58 Römisches Statut über den Internationalen Strafgerichtshof.

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tion den Weg für eine strafrechtliche Verfolgung von Taten öffnen, die allein auf der vertraglichen Grundlage der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs nicht unterliegen würden.34 Genau dies ist mit Resolution 1970 (2011) geschehen. Allerdings hat der Sicherheitsrat keine Aussagen dazu gemacht, welche Taten und welche Täter hierfür in Betracht kommen. Aus der Resolution ergibt sich lediglich eine zeitliche Vorgabe: die Taten müssen nach dem 15. Februar 2011 begangen worden sein. Der Haftbefehl gegen Muammar Gaddafi ist also eine autonome Entscheidung zunächst des Anklägers, der ihn beantragt hat und dann der zuständigen Vorverfahrenskammer, die ihn erlassen hat. Immerhin muss diese davon überzeugt gewesen sein, dass „der begründete Verdacht besteht“, Muammar Gaddafi habe als amtierendes Staatsoberhaupt die ihm zur Last gelegten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Das völkerstrafrechtliche Vorgehen gegen Gaddafi ist nicht der erste Fall dieser Art. Schon 2009 wurde nach dem gleichen Muster ein Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatschef Omar Al-Baschir erlassen.35 Genauso wie im Falle Libyens lag eine Überweisung durch den Sicherheitsrat vor, weil auch der Sudan nicht Vertragspartei des Statuts ist. Diese Entwicklung ist im Hinblick auf den Grundsatz der Immunität bedeutsam. Immerhin handelte es sich sowohl bei Omar al Baschir als auch bei Muammar Gaddafi zum Zeitpunkt des Erlasses um amtierende Staatsoberhäupter. Dass diese strafrechtlich verfolgt werden können, ist nicht selbstverständlich, da das Völkerrecht traditionell eine Verfolgung amtierender Staatsoberhäupter durch einen anderen Staat oder die Staatengemeinschaft verbietet.36 Ausgangspunkt für eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist eine Rechtsgrundlage im Statut des Strafgerichtshofs. Nach Art. 27 enthebt „die amtliche Eigenschaft als Staats- oder Regierungschef, als Mitglied einer Regierung 34 35

36

Vgl. SCHABAS: International Criminal Court, S. 300 f. The Prosecutor v. Omar Hassan Ahmad al Bashir ("Omar al Bashir"), Warrant of Arrest for Omar Hassan Ahmad Al Bashir, No.: ICC-02/05-01/09 vom 4 März 2009; die Entscheidung der Pre-Trial Chamber wurde im Rechtsmittelverfahren korrigiert, weil sie zu Unrecht den Antrag des Anklägers auf Erlass eines Haftbefehls auch wegen des Verdachts des Verbrechens des Völkermords zurück gewiesen hatte (siehe das Judgment on the appeal of the Prosecutor against the "Decision on the Prosecution's Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir", No. ICC-02/05-01/09-OA vom 3 Februar 2010; im Internet verfügbar unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc817795.pdf. In der Folge erging ein zweiter Haftbefehl, der auch den tatbestand des Völkermords einschloss, siehe den Nachweis unten in Fn. 44. WERLE: Völkerstrafrecht, Kap.2, Rn. 604 ff.

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oder eines Parlaments, als gewählter Vertreter oder als Amtsträger einer Regierung eine Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Statut […].“ Allerdings kann diese Regelung nicht unmittelbar zur Anwendung kommen, weil Libyen und der Sudan sich ihr ja gerade nicht unterworfen hatten. Man muss deshalb auch hier auf die Sicherheitsratsresolution zurückgreifen, mit der die Angelegenheit dem internationalen Strafgerichtshof unterbreitet wurde und in der die betreffenden Staaten zur Zusammenarbeit aufgefordert wurden. Aufgrund verschiedener weiterer Beispielsfälle in den letzten Jahren (hingewiesen sei etwa auf den Haftbefehl, den das Jugoslawien-Tribunal gegen den damals noch amtierenden serbischen Staatschef Slobodan Milosevic erließ)37 geht man aber inzwischen vermehrt davon aus, dass amtierende Staatsoberhäupter zwar nach wie vor Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung durch einen anderen Staat genössen, dass dies aber inzwischen auch gewohnheitsrechtlich nicht mehr der Fall sei, wenn es um eine Strafverfolgung durch internationale Strafgerichte geht.38 Der Internationale Strafgerichtshof hat diese Zurückdrängung des Souveränitätsprinzips in verfahrensrechtlicher Hinsicht noch einmal erweitert. Um dies zu erläutern, sind einige Hinweise zum Verfahren über einen Haftbefehl durch den Internationalen Strafgerichtshof erforderlich. Dieses Verfahren ist zweistufig ausgestaltet.39 Auf der ersten Stufe stehen der Antrag durch den Ankläger und der Erlass des Haftbefehls durch die Vorverfahrenskammer. Aus dem Erlass des Haftbefehls alleine ergeben sich aber noch keine konkreten Rechtspflichten zur Festnahme und Überstellung des Gesuchten. Vielmehr ist hierfür im zweiten Schritt ein gesondertes Ersuchen des Gerichtshofs um Zusammenarbeit erforderlich. Die Rechtsgrundlagen für dieses Ersuchen unterscheiden konsequent zwischen Vertragsparteien und Nicht-Vertragsparteien des Statuts. Vertragsparteien sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. Nicht-Vertragsparteien können vom Gerichtshof um Zusammenarbeit ersucht werden; eine Rechtspflicht, dem Ersuchen nachzukommen besteht aber nicht.40 Der Internationale Strafgerichtshof hat nun den mit der Ablehnung der Immunität für amtierende Staatsoberhäupter ohnehin schon erheblichen Einschnitt in das Souveränitätsprinzip in verfah37 38

39 40

http://www.icty.org/sid/7765. WERLE: Völkerstrafrecht Kap.2, Rn 616 f.; PICHON: Internationaler Strafgerichtshof, S. 30; KREICKER: Präsident des Sudan , S. 162; CASSESE: International Criminal Law, S. 311 f. Art. 58 und 59 Römisches Statut über den Internationalen Strafgerichtshof. Art. 87 und Art. 89 Abs. 1 Römisches Statut über den Internationalen Strafgerichtshof.

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rensrechtlicher Hinsicht noch einmal ergänzt und erweitert. Er hat nämlich im Anschluss an den Erlass der Haftbefehle sowohl im Falle Gaddafis wie im Falle al Baschirs Libyen und den Sudan um Festnahme und Überstellung ihrer zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Staatsoberhäupter ersucht.41 Das wirkt zunächst einmal naiv, da man sicherlich nicht erwarten konnte, dass diesen Ersuchen Folge geleistet würde. Beim zweiten Hinsehen ist es aber durchaus konsequent, denn wenn nicht schon der Erlass des Haftbefehls selbst, sondern erst ein Ersuchen um Zusammenarbeit die Verpflichtung zur Festnahme und Überstellung auslöst, dann muss dieses Ersuchen eben gestellt werden. Das Ersuchen um Zusammenarbeit ist so gesehen nicht naiver als der Erlass des Haftbefehls selbst. Und dass der Erlass vielleicht doch nicht so naiv war, wie es auf den ersten Blick erscheint, hat die Situation in Libyen vor der Ergreifung und dem Tod von Muammar Gaddafi gezeigt. Die neuen Machthaber waren mit diesem Haftbefehl konfrontiert und sein Erlass schränkte im Übrigen den Kreis möglicher Fluchtziele für Muammar Gaddafi stark ein. Was das Ersuchen um Zusammenarbeit mit den libyschen und sudanesischen Stellen angeht, so ist bemerkenswert, dass der Internationale Strafgerichtshof ungeachtet der fehlenden Ratifikation des Statuts durch beide Staaten davon ausgeht, dass diese zur Zusammenarbeit und damit zur Festnahme und Überstellung rechtlich verpflichtet seien. Der Gerichtshof leitet dies aus den im Wortlaut identischen Passagen in den Sicherheitsratsresolutionen ab, die den Überweisungsbeschluss beinhalten. In beiden Resolutionen werden Libyen und der Sudan zur umfassenden Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof ausgefordert.42 Der Internationale Strafgerichtshof leitet in der Entscheidung über den Erlass des Haftbefehls hieraus eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit ab, die derjenigen der Vertragsparteien gleichkommt. Im Falle von Omar al Bashir wird das sogar mit einer Vorschrift begründet (Art. 87 Abs. 7 Römisches Statut), die sich eigentlich auf Vertragsparteien bezieht.43 Die gerade beschriebene Entwicklung im Bereich des Völkerstrafrechts bei der Verfolgung amtierender Staatsoberhäupter durch den

41

42 43

Siehe den Supplementary Request to the Republic of the Sudan for the Arrest and Surrender of Omar Hassan Ahmad al Bashir, No.: ICC-02/05-01/09 vom 21 Juli 2010; im Internet verfügbar unter: http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/doc911445.pdf; sowie den Request to the Libyan Arab Jamahiriya for the arrest and surrender of Muammar Mohammed Abu Minyar Gaddafi, Saif Al-Islam Gaddafi and Abdullah Al-Senussi, No.: ICC-01/11-01/11 vom 4 Juli 2011; im Internet verfügbar unter: http://www.icc-cpi.int/iccdocs/doc/-doc1102510.pdf. SC Res. 1593 (2005) und SC Res. 1970 (2011). Siehe nochmals den Nachweis in Fn. 41, dort S. 5.

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internationalen Strafgerichtshof fügt sich nahtlos in das Konzept der Responsibility to Protect ein. Konzeptionell gilt auch hier, dass kein Gegensatz zwischen dem Menschenrechtsschutz durch strafrechtliche Verfolgung von Amtsträgern einerseits und dem Souveränitätsprinzip andererseits besteht. In diesen Fällen gibt es jedenfalls gegenüber einer Verfolgung durch internationale Strafgerichte keine funktionelle Immunität aufgrund des ausgeübten Amtes. Auch und gerade die Spitze der Regierung muss in solchen Fällen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. IV. Die militärischen Maßnahmen auf der Basis von Resolution 1973 (2011) Wenden wir uns nun den militärischen Maßnahmen zu. Hier lässt sich eine Reihe von Anfragen an das Konzept der Responsibility to Protect formulieren. Vor dem Hintergrund der gerade betrachteten parallelen völkerstrafrechtlichen Entwicklung im Sudan und in Libyen stellt sich etwa die Frage, warum ein militärisches Eingreifen nur in Libyen, nicht aber im Sudan erfolgte. An der Schwere der vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen kann es nicht liegen, denn die Liste der Vorwürfe, die der Haftbefehl gegen Al Baschir enthält, ist länger als diejenige Gaddafis. Sogar der besonders schwerwiegende Tatbestand des Völkermords wird genannt.44 1. Pflicht zum Eingreifen? Damit ist das Problem der Auswahl der Situationen angesprochen, in denen unter Hinweis auf die Responsibility to Protect eingegriffen wird. Gibt es vielleicht eine Rechtspflicht, in bestimmten Fällen einzugreifen?45 Hier sprechen sowohl die Rechtgrundlagen in Kapitel VII UN-Charta als auch die für die Responsibility to Protect gewählte Terminologie für große Zurückhaltung. Es heißt eben „responsibility“ – „Verantwortung“ und nicht „obligation“ – „Verpflichtung“ zum Schutz.46 Auch für sonstige Maßnahmen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII ist ein großes Ermessen anerkannt.47 Der Wortlaut der Vorschriften spricht jeweils davon, dass der Sicherheitsrat Maßnahmen ergreifen „kann“. Eine Pflicht würde im Übrigen je nach Situation 44

45 46 47

Siehe The Prosecutor v. Omar Hassan Ahmad al Bashir ("Omar al Bashir"), Second Warrant of Arrest for Omar Hassan Ahmad Al Bashir, No.: ICC-02/05-01/09 vom 12 Juli 2010, 7; zur prozessualen Vorgeschichte siehe die Hinweise in Fn. 35. Ausführlich VERLAGE: Responsibility to Protect, S. 185-224. Vgl. die Nachweise ibid. 212-213. Vgl. dazu die ausführliche Analyse bei DE WET: Chapter VII Powers of UN Security Council, S. 133-368.

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möglicherweise entweder die Kräfte der Staatengemeinschaft überfordern oder zu noch größeren Schwierigkeiten führen. Der Sicherheitsrat ist nun einmal im Kern ein politisches Gremium, das nach politischen Kriterien und damit auch nach den Interessen der in ihm vertretenen Mitglieder entscheidet. Hier mit Rechtspflichten operieren zu wollen, hieße die Augen vor der Realität zu verschließen. Die Responsibility to Protect ist aber in diesem Bereich nicht völlig wirkungslos, denn sie erhöht die Begründungslast für das Nichteinschreiten und damit auch die politischen Kosten für diejenigen, die sich im Einzelfall gegen ein Eingreifen aussprechen. Man kann an den Berichten über die Bemühungen um eine Verschärfung des Vorgehens gegenüber Syrien sehen, dass es grundsätzlich auch für Russland und China politisch schwieriger wird, an ihrer bisherigen Haltung festzuhalten; auch wenn das Vorgehen der NATO in Libyen ihnen freilich neue Argumente für diese Haltung geliefert haben mag.48 Anders als unter der klassischen Souveränitätsdoktrin reicht es aber heute nicht mehr aus, allein auf die inneren Angelegenheiten und das Nichteinmischungsgebot zu verweisen. Die Responsibility to Protect ermöglicht öffentlichen politischen Druck, mit dem eine Einmischungsverantwortung eingefordert wird. Das mag im Einzelfall immer noch zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, weil keine wirkliche Gleichbehandlung grundsätzlich durchaus ähnlicher Situationen erreicht werden kann. Es ist aber immer noch deutlich mehr als der status quo vor der Entwicklung der Responsibility to Protect. 2. Die „humanitäre Schutzglocke“ als Lösung? In den letzten Monaten ist insbesondere in den Stellungnahmen Chinas und Russlands deutlich geworden, dass beide Staaten erhebliche Zweifel daran haben, dass die von der NATO durchgeführten Maßnahmen noch vom Mandat aus Resolution 1973 (2011) gedeckt sind. Was aber ist nun der genaue Umfang des Libyen-Mandats? Enthielt die Resolution eine Ermächtigung zum Regimewechsel? Sieht man sich den Wortlaut und die Stellungnahmen der Sicherheitsratsmitglieder anlässlich der Verabschiedung der Resolution an, so ist von einem Regimewechsel nicht oder allenfalls andeutungsweise die Rede. Aus der Präambel beider Resolution ergibt sich ein klarer Fokus auf dem Schutz der zivilen Bevölkerung. Als Gründe für das Eingreifen des Sicherheitsrats werden genannt „gross and systematic violation of human rights“, „repression of peaceful demonstrators“, „hostility and violence against the civilian population made from the highest level of the Libyan government“. Außerdem wird die Möglich48

Dazu sogleich unter 2.

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keit gesehen, dass nach internationalem Recht strafbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit stattfinden. Diese Sorge hat zugleich zur Überweisung der Situation an den Internationalen Strafgerichtshof geführt.49 Die humanitäre Zielsetzung kommt außerdem in praktisch allen Stellungnahmen zum Ausdruck, die von den Mitgliedern im Sicherheitsrat anlässlich der Verabschiedung der Resolutionen abgegeben wurden.50 Sie lässt sich des Weiteren an den Einzelbegründungen für die Aufnahme bestimmter Personen oder Einrichtungen in die Liste ablesen. So heißt es etwa mit Bezug auf den Staatschef Oberst Gaddafi: „Responsibility for ordering repression of demonstrations, human rights abuses.“51 Ganz vereinzelt wird in den Stellungnahmen auch die Frage der Legitimität der libyschen Regierung angesprochen. Kolumbien etwa spricht davon, dass Libyen „must find ways to respond effectively to legitimate aspirations of its people in the search for a more just and equitable society, in which its citizens can freely exercise their fundamental rights and freedoms.”52 Immerhin aber wird schon für die Wirtschaftssanktionen ausdrücklich von UN-Generalsekretär Ban Kimoon vom Ziel eines Regimewechsels gesprochen. Er sagte im Anschluss an die Verabschiedung von Resolution 1970 (2011) im Sicherheitsrat, dass “the sanctions that the Council has imposed are a necessary step to speed the transition to a new system of governance 53 that will have the consent and participation of the people.” Im Ergebnis kann kaum ein Zweifel bestehen, dass es in Resolution 1973 (2011) um den Schutz der Zivilbevölkerung gehen sollte. Die Hinweise auf einen Regimewechsel finden keinen Anhaltspunkt im Wortlaut und erscheinen zu vage, als dass man daraus ein entsprechendes Mandat in den Resolutionen ableiten könnte. Dieser Fokus auf den Schutz der Zivilbevölkerung ist erkennbar ein Kompromiss, zwischen einerseits Bestrebungen, einen Regimewechsel herbeizuführen, und andererseits der Haltung vor allem Chinas und Russlands, in der die traditionelle Nichteinmischung nach wie vor 49 50

51 52 53

Zf. 4 ff. von Resolution 1970 (2011). UN Doc. S/PV.6491 vom 26. Februar 2011 (zu Resolution 1970), S. 2 (Vereinigtes Königreich), S. 3 (Südafrika), S. 3 (Nigeria), S. 3 (Vereinigte Staaten von Amerika), S. 4 (Libanon), S. 4 (Russland), S. 5 Kolumbien), S. 5 (Portugal), S. 5 (Frankreich), S. 6 (Deutschland), S. 6 (Bosnien und Herzegowina), S. 6 (Brasilien); S/PV.6498 vom 17. März 2011 (zu Resolution 1973), S. 2 (Frankreich), S. 3 (Libanon), S. 4 (Vereinigtes Königreich), S. 4 (Deutschland), S. 5 (Vereinigte Staaten), S. 6 (Brasilien), S. 7 (Kolumbien), S. 8 (Portugal), S. 9 (Nigeria), S. 9 (Südafrika). Resolution 1970 (2011), Annex I, Nr. 11 und Annex II, Nr. 4. UN Doc. S/PV.6491 vom 26. Februar 2011, S. 5. Ibid., 8.

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sehr präsent ist. Diese kommt etwa in folgender Stellungnahme zum Ausdruck: “The international community must respect the sovereignty, independence, unity and territorial integrity of Libya. The internal affairs and fate of Libya must be left up to the Libyan people to decide. We are not in favour of any arbitrary interpretation of the Council’s resolutions or of any actions going beyond those mandated by the Council.”54 Hinter dem Kompromiss, ausschließlich ein Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung zu erlassen, scheint die Vorstellung zu stehen, man könne während der bewaffneten Auseinandersetzungen eine Art humanitärer Schutzglocke über die Zivilbevölkerung halten und diese so vor den Auswirkungen des Bürgerkriegs schützen. In dieser Vorstellung beschränkt sich der Intervenient auf die Errichtung der Schutzglocke, außerhalb tobt der bewaffnete Kampf um die Macht im Staat, innerhalb lebt die Zivilbevölkerung weitgehend unbehelligt. Diese Beschreibung ist sicherlich etwas überspitzt, aber sie ist nicht falsch. Ein solches Konzept erweist sich aber, wie die Entwicklung in Libyen zeigt, als praktisch kaum durchzuhalten. Zum einen ist oft nicht eindeutig festzustellen, wer zur Zivilbevölkerung zu rechnen ist und wer nicht. Und zum anderen wird der Intervenient in eine sehr problematische Rolle gedrängt, wenn er möglicherweise gegen alle Konfliktparteien operieren muss, um die Schutzglocke aufrecht zu erhalten. Man muss deshalb vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Libyen sehr ernsthaft und ganz grundsätzlich die Frage stellen, ob eine Intervention möglich ist, ohne in irgendeiner Form für eine der um die Macht kämpfenden Gruppen Partei zu ergreifen. Anders gewendet: Die ausschließlich dem Menschenrechtsschutz dienende Intervention, wie sie in Resolution 1973 (2011) offenbar beabsichtigt war, dürfte wohl Illusion bleiben. Die NATO hat hieraus die Konsequenz gezogen, für die Rebellen Partei ergriffen und sie unter sehr extensiver Auslegung des Mandats bei den Bemühungen um einen Regimewechsel militärisch unterstützt. Bevölkerungsschutz wird zum Regimesturz. Das wird allerdings dann problematisch, wenn die Gruppierung, für deren Unterstützung man sich entschieden hat, ihrerseits in den Verdacht gerät, elementare Rechte der Zivilbevölkerung zu verletzen. Hierdurch wird der mit der Responsibility to Protect erhobene

54

S/PV.6528, 10.

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Schutzanspruch in Zweifel gezogen und möglicherweise das Eingreifen insgesamt diskreditiert. 3. Konsequenzen für die Responsibility to Protect Die Haltung der NATO-Staaten hat die durch den Kompromiss in Resolution 1973 (2011) überdeckten Gräben im Sicherheitsrat wieder aufbrechen lassen. Die Debatten um eine Syrien-Resolution im Spätsommer 2011 haben das mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Der nicht auf Kapitel VII gestützte Resolutionsentwurf enthielt einen Hinweis auf die Schutzverantwortung Syriens für seine eigene Bevölkerung.55 Insofern entsprach er ganz dem Vorbild der beiden LibyenResolutionen. Anders als bei Libyen waren aber konkrete Sanktionen nicht in Aussicht genommen. Gleichwohl haben Russland und China – unter ausdrücklicher Kritik am Vorgehen der NATO in Libyen – das traditionelle Souveränitätsverständnis als einem Nichteinmischungsgebot wieder besonders betont.56 Südafrika sprach sogar von einer „hidden agenda of regime change“.57 Am Ende konnten die Verteidiger des Entwurfs, zu denen diesmal auch Deutschland gehörte, mit ihren Bemühungen um eine Sicherheitsratsresolution gegen das Regime von Staatschef Assad zwar in Form der notwendigen Mehrheit von neun Stimmen einen diplomatischen Achtungserfolg für die Schutzverantwortung verbuchen.58 Sie stehen aber, was das praktische Ergebnis angeht, aufgrund des Vetos von China und Russland letztlich mit leeren Händen da. Was bedeutet das nun für die Responsibility to Protect? In der ZEIT von Anfang September 2011 vertritt der Hamburger Straf- und Völkerrechtler Reinhard Merkel die Auffassung, auf die Responsibility to Protect sei durch das Vorgehen der NATO in Libyen ein „finsterer Schatten des Verdachts gefallen“. Ihre Unbestimmtheit empfehle die Responsibility to Protect als Maskerade für jeden Zweck. Nachdem die NATO sich den Titel für den Regimewechsel in Libyen „erschlichen“ habe, stelle sich die Frage, was anderen Mächten einfallen werde, um erst die Schutzpflicht und dann die Waffen zu mobilisieren. Auch Russland habe sich für seine Intervention in Abchasien auf eine Schutzpflicht berufen.59

55 56 57 58 59

UN Doc S/2011/612 vom 4. Oktober 2011. UN Doc. S/PV.6627 vom 4. Oktober 2011, 3 f. (Russland); 5 (China). Ibid. 10 f. (Südafrika). Siehe die entsprechende Pressemitteilung des Sicherheitsrats, SC/10403 vom 4. Oktober 2011. MERKEL, Reinhard: Der illegitime Triumph. Warum die Nato-Intervention in Libyen Grundlagen des Völkerrechts beschädigt, Die ZEIT Nr. 37 vom 8.9.2011.

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Das ist, mit Verlaub, eine Polemik, die weder der Situation in Libyen, noch der Responsibility to Protect gerecht wird. Die Besonderheiten in Libyen gegenüber den von Merkel genannten Beispielen liegen eigentlich auf der Hand: Anders als in Abchasien gibt es ein, wenn auch im Umfang umstrittenes Mandat des Sicherheitsrats. Anders als in Abchasien geht es in Libyen nicht um unilaterales Handeln durch einen einzelnen Staat, sondern um kollektives Handeln durch eine Regionalorganisation, die zunächst einmal auch intern eine Mehrheit für ihr Vorgehen finden musste. Anders als in Abchasien gibt es in Libyen einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs, dem immerhin die Entscheidung der zuständigen Vorverfahrenskammer zugrunde liegt, dass der begründete Verdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Staatsspitze besteht. V. Schlussbemerkung Mit diesen Aussagen soll keineswegs einem beliebigen Interventionismus das Wort geredet werden. Die Erfahrungen in Libyen offenbaren vielmehr ein operationelles Problem. Es scheint im Sicherheitsrat zwar eine Mehrheit für den – notfalls auch militärischen – Menschenrechtsschutz zu geben, aber keine dafür, in der Konsequenz gegebenenfalls auch einen Regimewechsel herbeizuführen. Wenn sich aber das eine vom anderen nicht trennen lässt – und dafür spricht nach den Erfahrungen in Libyen manches – dann bedarf es schon vorab strategischer Überlegungen, wohin die Intervention jenseits der Verhinderung von schweren Menschenrechtsverletzungen führen soll. Mit welchen Gruppierungen lässt man sich auf eine gemeinsame Sache ein? Wie kann man sicherstellen, dass eine von diesen Gruppierungen möglicherweise gebildete neue Regierung die Menschenrechte stärker achtet als das alte Regime? Wie lassen sich nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen stabile Strukturen aufbauen? Die äußerst restriktive Haltung Chinas und Russlands in den Debatten über eine Syrien-Resolution stimmt skeptisch, dass sich über diese sehr grundsätzlichen Fragen ohne weiteres Einigkeit im Sicherheitsrat erzielen lässt. Es steht deshalb zu vermuten, dass es so schnell keine weitere praktische Umsetzung der Responsibility to Protect durch den Sicherheitsrat geben wird. Ohne Mandat des Sicherheitsrats fehlt es aber an der notwendigen Rechtsgrundlage für ein Eingreifen. Für die Gegner eines Eingreifens zum Schutz der Menschenrechte müsste das eigentlich eine gute Nachricht sein. Reinhard Merkel verweist am Ende seines Beitrags auf „vielen Tausend ausgelöschten

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Menschenleben“, die Folge des militärischen Eingreifens seien.60 Aber auch Nichteingreifen erzeugt Mitverantwortung. Man müsste den von Merkel beklagten Toten deshalb eigentlich die in Folge des Ausbleibens einer Intervention ausgelöschten Menschenleben gegenüberstellen. Aber Menschenleben lassen sich nun einmal nicht gegeneinander verrechnen. Darin liegt – unabhängig davon, ob man von humanitärer Intervention oder Responsibility to Protect spricht – ein unauflösbares Dilemma jeden militärischen Eingreifens zum Schutz der Menschenrechte.

60

Ibid.

A Conversation with Senator Roméo Dallaire Eva Friedrich & Konstantin Hauß After participating in the Congress on the topic of Humanitarian Intervention, Mr Dallaire gave students of the University of Münster the opportunity of learning from his experiences since he was appointed force commander of UNAMIR. 21 students from the Faculty of Medicine, the Faculty of Political Science and the Law Faculty discussed with him the following questions.1 1. What can the military do in a situation like Rwanda 1993/1994, after the propaganda stage was over and the killing had already started? How could you have stopped it with military means? “There are different phases in the use of security in a UN mission.” The first possibility is a chapter VI mission, meaning one authorized by the United Nations Security Council in accordance with chapter VI United Nations Charter. UNAMIR2 [United Nations Assistance Mission for Rwanda] as a chapter VI mission meant “we are there only to observe and to be essentially a referee because both sides want us to be there, to be a referee, and assist them if there is any friction or if one side is not following the peace agreement. The principle presence of the military there [in the aftermath of a civil war] is for the security of UN installations and a presence of military capability to establish some order. But the bulk of the efforts are unarmed UNMOs, meaning [United Nations] military observers.” The second possibility is a chapter VII mission, authorizing the use of force. The operational concept for the armed reaction depends on the actual situation: In Rwanda as “... by then it [the killing] was spreading throughout the country and I had five deployments in major cities. 1 2

Zusammengefasst und strukturiert im Sinne einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring; BORTZ, DÖRING: Forschungsmethoden, S. 331. Established by the United Nations Security Council in Resolution 872 (1993).

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What I would do was I would set up secure points, that is to say, on the top of hills or missions. I would secure them and I would attack all the barriers that the militias were setting up.” This concept was proved to be effective3 for a situation like Rwanda where “there was a [militia] checkpoint every 50 meters”. “Essentially what I was going after was simply overwhelming force, to stop them [the militia] from killing and making it more dangerous for a militia man to try to kill people, rather than to in fact rejoin the army and fight. I would do nothing with the army, the army and the rebels could fight as much as they wanted to. My aim was to stop the killing behind the lines. If I did stop the killing behind the lines, then the reason for the fighting would stop and we could negotiate a ceasefire.” On the other hand, “in Kurdistan the Americans and the international community set up a no-fly zone and also set up a secure area.” This was the more effective method as “in the case of the Kurds, they were all already in that area”. In a chapter VII mission the UN personal is allowed to intervene in the conflict “but under the official chapter VI I am not allowed to do that, I am only allowed to report it [the inconsistency with the peace agreement] to both sides so that they come to an agreement.” What were the deficiencies in Rwanda? In the face of the preparation when I went in, in August 1993, under chapter VI, I estimated that I needed about 4500 troops. I needed three battalions because I had the military zone in the north to handle that required a military presence to patrol and I had the Kigali weapon secure area around the capital, which needed a presence. And a whole bunch of observers and UNCIVPOL [United Nations Civilian Police] who would work with the civilian police and so on.” “I only got 2600, only one and a half battalions, so right from the start our ability to observe and report was limited, which made it impossible to apply the chapter VI. Nobody wanted to go to Rwanda, it being lowest priority. ” The soldiers forming a peacekeeping mission come from different UN member states. As the UN do not have their own troops to enforce their resolutions, this leads to the problem of ineffectiveness, if no member state wants to contribute soldiers to a mission authorized by the UN Security Council, or if only certain countries volunteer. “In a UN mission the last people you want are 3

"Preventing Genocide - How the Early Use of Force Might Have Succeeded in Rwanda", Carnegie Corporation of New York, 1998, available online: http://carnegie.org/fileadmin/Media/Publications/PDF/Preventing%20Genoc ide.pdf.

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those who live around the country or belong to the old colonial power. But that is all we got.” “In the pre-war period we saw the tensions building, as there were small massacres as well as riots and the radio station was starting to put out propaganda. A request in February to increase my force was denied. Already, I did not have enough forces to apply chapter VI and the situation that was degrading. There was another force out there (apart from the two that were talking) that was trying to undermine the mission and undermine the peace agreement. That third force was made up of extremist Hutus who were arming, training a militia and so on. If we could not stop them from doing it, that third party would grow and create problems. I was refused reinforcements and I was also refused permission to do the disarming and to stop the training.” “ The killings that marked the beginning of the genocide started in Kigali and the north-west, which is the heart land of the hard line Hutu movement. Within the first 48 hours I submitted a request to increase my force to 5000 armed troops, I already had 2600, buy only about 1800 were armed. I needed better arms, I needed ammunition and I needed three battalions. Within less than 2 days after my request, that was denied. Nobody wanted to reinforce.” “If I had been given the authority, I could have reinforced my mission; I could have gotten a mandate of Chapter VII and then we could have stopped the killings and the actions by the militias in Kigali and in Ruhengeri in the North. And then we could have potentially stopped the spreading of that [the genocide], because we would have been an overwhelming force and that is what you want.” “The problem however was that the political stagnation was creating enormous frictions and tensions. The SRSG [Special Representative of the Secretary General], who is the mission head, was a politician from Cameroon. He was sending separate reports on the political side, essentially saying that I was an alarmist and that I was overstating the situation. As I was giving my military assessment to the military adviser and DPKO [Department of Peacekeeping Operations], he was giving his political assessment to the Secretary General. I did not have experience in Africa; he was from Cameroon, and an old friend of BoutrosGhali (the Secretary General). So the impression was that this Canadian General, who has no experience in Africa, is overreacting. The Secretary General accepted his assessment.”

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Furthermore “there were no secure means of getting it [gathered intelligence] to NY. There were no secure faxes, no secure phones and we were tapped by both sides.” On the contrary to providing reinforcements, “they pulled out all but 450 of my troops.” “The contributing countries had sent their troops to do peacekeeping not battle, they did not want any involvement in a chapter VII mission; the Bangladeshis, most of the African (except Ghana) and East Asian Countries wanted their troops out.” “I did continue to argue for reinforcement. Six weeks later I was given authority, on 17th of May, for 5000 troops, but they did not arrive until a month after the genocide was over. On top of it, the troops were not from developed countries, they were from Ethiopia and they had absolutely no capabilities.” “During that time frame, four African countries were prepared to send me battalions, but they had no equipment, no strategic lift to get to Rwanda, and no logistics. Although countries were discussing helping to arm and to move them, in the end the Americans, the British, and the French refused to give them the equipment. They said, ‘if we arm these battalions they will take the equipment back home and that would destabilize their own countries, because with that equipment they would stage a coup d’état.’ We treated them like children.” Beside the fact that the mission was understaffed and poorly equipped, the assessment from the personnel on the ground was undermined: “The Americans are the ones who fought against my concept [of securing the area] because they wanted me to use the concept they used with the Kurds. The reason why I refused that concept, and why we had to engage in an argument that further delayed things, was that if the Tutsis had tried to make it, let us say to a secure zone set up in the south, they would have been slaughtered before they got there, because there was a checkpoint every 50 meters.” 2. What would be your advice to a person in your situation in order to get a quicker and more effective, more robust mandate? What could you have done differently? “Do things differently. We call those ‘After Action’ or lessons learned from the mission.”

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“First thing: I would have argued more vehemently for my mandate to change from Chapter VI to Chapter VII by February. I should have been more forceful and even have gone back to NY.” “Second thing is during the genocide: When the international community decided to pull my troops out, I could have gone to NY again, but stopped in Paris, London, and Washington beforehand, and brought my personal experiences to them directly and then to NY.” “Apart from that, with no capability in the field, I would not have changed much. And I will state that I would have continued to pay out of my own pocket to subversively gather intelligence from the Franco Africans, which was illegal. I also would have still refused to leave contrary to the orders of the SG. I refused to leave because although it was a legal order, it was an immoral order. We had about 30,000 Rwandans from both sides under our protection and control.” 3. Has the system improved? “The UN is in need of major reforms.” “Following the results of Srebrenica and Rwanda, in 1999, Ambassador Brahimi pushed massive reform , which resulted in major changes to peacekeeping. But the changes were all tactical, not strategic. It did not change the senior personal methodology of selection, which was favouritism.” “In September 2005 Kofi Annan was to present 101 reforms to the General Assembly. Part of the reform agenda was directed at the Security Council, looking at the internal processes of the UN, training, selection, and so on. In the end only 3 were approved. One was R2P and the two had to do with the Human Rights Commission in Geneva. The others did not make it to the General Assembly, because a couple of months before, even though his country had supported Kofi Annan to become SRSG in order to articulate these reforms, the Ambassador to the US, John Balton, stood up in the Security Council working room and stated that the Americans were not supporting any other of the other recommendations.” “These are massive reforms. They never made it, except the three. What is disconcerting, what is in fact maddening is that not one country has taken up the charge to try to bring the reforms back in. We currently have a Secretary General who is a stabilizing force, which is frankly what the institution needed. He projects a sense of confidence that he is in control of the system and its processes. But what is uncertain is how he sees his role in the advancement of reforms. Re-

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forms can only happen in two circumstances: either the member states push for them or he does. As I just said, the member states, including my own, are not pushing for reform.” 4. Why do the media report so differently about crises? “The media in the 90s, and we are seeing a bit of it now, were not proactive. They are traditionally reactive. If you are reactive it means you are in the middle of the mass. They have been rarely proactive in educating and preparing and influencing, particularly if there is no selfinterest.” “The international community of media was non-existent in Rwanda before the genocide. They did absolutely nothing to help us prevent the situation from becoming catastrophic, which they could have. It was not interesting enough; it did not have enough exposure; Rwanda was of no priority to anyone. They felt they could not spend money on that problem. It was, when you look back on it, complex: it was not tribal killing. What it was: it was fundamentally power sharing. It was people wanting to hold onto power. They were ready to slaughter 1.2 Million people of the other group in order to stay in power. Because the media had no background, they went for the easy solution: Well, it is tribalism.” “That was the discourse supported by the politicians and the analysts who were influencing the political leaders of western countries. ” “This atmosphere was reinforced by the fact that in the previous October – Rwanda started in April – there had been a coup d’état in Burundi. Burundi has exactly the same ethnic breakdown as Rwanda. The coup d’état was done by the Tutsi, who controlled the army, who were the minority, against a Hutu democratically elected President. You can imagine what friction that caused where I was, even though we were trying to do exactly the same: establish a democratic process. The coup d’état there resulted in thousands of bodies in the rivers within days, and I ended up with 300,000 Burundi refugees in the South of Rwanda. The media was there. They did their thing and the killing went underground. The killing stopped and the media left. So they just thought that Rwanda would be the same. It surprised them when the killing did not end. It kept on going, and going, and going, and the media got more and more and more involved.” “In Kosovo the media was there throughout the Yugoslavian campaign. Why? There were massive numbers of European and North American troops involved. There was extensive political involvement by these countries, so the politicians went to visit. All that attracted

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media attention. And in Kosovo it was closer to home. It was not the number of casualties. But it was white people going at white people. And that touched a nerve.” “The second problem with the media is, that with the massive capability they have, they seem not to be able to handle two major catastrophes at the same time.” My impression is that the news gets shorter and we get all those headlines but not a good political analysis. “How do you feed a monster that needs information every 15 minutes? The way you feed it is with the minimum capacity, so that people can understand. What they are doing, especially the electronic media, they are [oversimplifying] the problems. The coverage is becoming increasingly superficial and sensational, shocking images without depth.” “However it is not all negative. The old electronic media, TV and so on, are generally inept in getting profound results, providing good information, and handling more than one [problem]. Written media is somewhat better, in that it provides more in-depth data. But what is coming out stronger now is electronic media. The internet gives us a whole new dimension. And because digial media is less vulnerable to the problem of space, it is able to directly connect people to what is happening across the globe.” “The solution in the field is to find ways to attract the media to your mission. Secondly, you look out for journalists inventing stories” and those supporting the crisis. “You have got to be on your toes.” “The media is not the enemy. The media is the most powerful weapon you can have. They can provide you with enormous intelligence. You do not lie to them. You open up as much as you can to them. You establish a link that facilitates a relationship of trust. In my headquarters the journalists could go everywhere. And if there was something that was sensitive, I would tell them in advance that it was under embargo. Not one of them went against that.” 5. How did your mission in Rwanda affect your view on the international system? “On the professional side, it moved me into trying to figure out why we are so inept in this new era.” “We spent the years since WWII preparing for classic wars with armies fighting armies, figuring out how to defeat each other under a nuclear umbrella.

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What we were doing was essentially chapert VI peacekeeping it was very simple relatively speaking. Nations fought each other and then they decided to make peace. To do so they needed a referee, one without a red card.” “In the 90s, we all of a sudden found ourselves in the mid sot failing states, imploding nations, intrastate conflict, and civil wars. We stumbled into a whole new era. We have everything in-between [wars and chapter VI peacekeeping] and we have no clue how to do it. We are in wars where we are not sure who the ‘good guy’ is and who the ‘bad guy’ is. I was not dealing with waring parties in a traditional sense, it was Rwandans are killing Rwandans. How do you stop that? How do you protect the innocent people? How do you assist them in conflict resolution? And even more complex: How do you affect conflict prevention? What we are doing now is crisis management. We are hoping to learn lessons. We are doing on-the-job training.” “I started to realise, coming out of the army, that we did not have what is called a doctrine. What I was looking at, was a new conceptual basis to conflict resolution, because you need a concept to write a doctrine. We do not have the concepts of conflict resolution. Classic war started after Westphalia. We had 350 or 300 years of experience of classic war; we have only had 20 years in this new era of conflict and conflict resolution.” Could you please specify your idea of the conceptual basis? Do we have to change the rules or take a step-by-step approach? We jsut invented the concept of R2P concept, in 10 years we will have a new concept? The United Nations Charter is concrete, but does not give articles for these new challenges, especially this new war-fare. “I believe the Charter is still valid and solid. What I believe is we do not have a lexicon of words of this era, first of all.” “In the cold war we had a lexicon. All countries, even the Russians, knew about the definitions of “attack”, “defend”, “withdraw”, “bypass”. So I went to Rwanda in the beginning of the 90s (we stumbled through Yugoslavia and Cambodia) with a mission-statement saying: “Establish an atmosphere of security!” What the hell does “establish” mean? Does it mean I defend a country against a third party while I demobilize both armies inside the country? Does it mean I stand back and watch how they do things? How far do I push the “security” aspect? How far do I push my soldiers to “establish”? And then: What is an “atmosphere

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of security”? Is it a police state? Does it necessitate the confiscation of all weapons? So we started to use a whole bunch of words, which have no background or definition, with the hope that the people in the field would interpret them.” “First thing is, you build the lexicon and the second thing is you build multi-disciplined leaders: A general who only knows how to fight is useless. A general must know how to fight, but you also need to understand what the problem is. You have to figure out what really causes frictions and how you to solve these frictions before you have to use force. As an example: I was responsible for writing the reform of the Canadian Officer Corps 1999.We discovered that our soldiers needed anthropology, sociology, and philosophy. They needed these soft skills, so that could be open to other cultures and so on. You have got to apprehend more in depth the other disciplines that are going to be in play.” “[Thirdly], we do not know how all the different players are going to act. The different disciplines: In the field, you have diplomats, defence or security personnel, development organizations, NGOs, and nation builders. They are all out there. In the field you must bring security at the same time as you try to build the institutions of government. You are trying to bring in rule of law, gender equality, and human rights. It is all going on at the same time. If that is going on concurrently, how do these different disciplines work together, is the way they do things right? There is an enormous renaissance running across those major borderlines. And the results of major debates are: “How far you cross it?” How much does military do development work or humanitarian work? Should they or not?” “The new method, and my research on this is creating enormous frictions, is integration.” Do you think this whole “integration-game” is a new vision of yours which must come, or do you think we are already on the way to transformation? “I think the salvation of this time frame is that we are discussing it. It is significant that we have conferences like this one in Münster, which discuss concepts such as sovereignty, the use of force, intervention, R2P etc. What we are doing is we are bringing military, academics, NGOs, politicians and journalists together to discuss it.

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But there is one thing, dead sure, that I find people rarely objecting to: We need a whole new generation of leaders, of multi-disciplineleaders. People need to not only identify what a rank is, but actually comprehend military operations and their limitations. The question on how that operates: They have to be innovative!” “It is not a pessimistic time. It is an extraordinarily optimistic time, because more and more people are realizing that we need a new way of doing things. It would be pessimistic if everybody felt that we could do nothing about it and that it was simply time to give up. That would be horrific for all humanity. What is saving us from going down that road are the NGOs and human rights proponents. They are the ones pushing for government accountability.” 6. What is your opinion about the criticism of the ICTR? The ICTR was basically established on the same chapters VII and resolutions that would have permitted a military intervention in Rwanda. A lot of people are saying that the ICTR is a way to relieve the international communities’ conscience after not having intervened in Rwanda. What do you think? “That criticism is a criticism of a cynic. And cynics are people that should be voiceless. That assessment is highly irresponsible. The international community will never wash its hands of Rwanda – ever! The creation of the ICTR was a logical consequence of what had happened in Rwanda, it was necessary to introduce an international instrument to combat impunity after what had happened. They had their successes throughout the process.” “The crime of humanity is in the subtext of my book: “The failure of humanity in Rwanda.” The failure in Rwanda is not the exclusive inheretence of Rwandans, killing themselves the way they did. It also belongs to the other 193 countries, who abandoned the Rwandans. They abandoned Rwanda by abandoning the UN. Not only did the intetrnational community refuse to provide the resources to implement a more robust mandate in Rwanda, they refused to provide the UN with the impetus for a new mandate in the first place!. Yes, we made mistakes in the field, the Secretary General made mistakes, but the real mistakes, the real guilty parties are the individual sovereign states that refused to provide the resources that we needed to stop the genocide. They are the real culprits.” “In regards to the tribunals, the tribunals to me were absolutely essential. The Rwandan tribunal being set up in Arusha is low on the priority scale and suffering massively from insufficient resources, poor management, and a lot of people who wanting to rip the thing off. Corruption happens throughout the system, all the way up to the

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judges. You even have prisoners negotiating with their defense lawyers for a share of their per diem money. If the arrangement is not profitable enough, the prisoners change lawyers. Once, when I went to testify, one of the judges had fallen off his horse while horse riding and hit his head, so the trial was delayed. At one point, you had a strike by the defense-lawyers. It went on like that day in and day out. The delays were not a product of the tribunal in itself; it was the mise-en-place that took a lot of time.” “And then the investigating: We had not prosecuted a charge of crimes against humanity or genocide since Nuremberg. There was a lot of new ground to cover, a lot of information on how to investigate this stuff. A lot of time was spent on the gatherering of witnesses and other aspects of the investigation.. For one thing, the paperwork of the Rwandan government was nowhere near that of the German government in WWII. Very little was written down, almost nothing, and what was left had been shredded. It was very complex.” “I do not think that 17 years is too long. I have no problem with that, as long as it is done. To be honest, I am sorry that the tribunals are being closed down., I think they could still continue, without having to move all that stuff to the International Criminal Court in the Hague. We should keep it going for a while.” In Rwanda, there are also national courts and Gacaca-courts, two systems working on the same case but on a different level. What is your opinion about that? “At the end of the war in Rwanda the Minister of Justice was working from a hotel room. The Minister of Foreign Affairs came to borrow food, plates, and cooking materials from my headquarters, because they had nothing. They were starting from scratch. You end up with over 100,000 prisoners in a country that does not have a judicial system, because the judges and lawyers have been killed. So how do you start from scratch? We needed absolutely to get the really bad guys, we needed also to get the bad guys sitting in France, which has not been resolved and is still a major failure. For the lesser criminals – now imagine lesser: when I say lesser, I am talking about someone who had raped 4 women and killed 15 people – the Gacaca system, I think this was reasonable.t was bringing people [to account]. Those who committed rape were held by the government. But everything below rape, even murder was considered to be handled by Gacaca. Gacaca is seen as a community [institution]: A person is brought in front of the community, the elders says what he did, they look on what sort of punishment they want to give him and carry on from there.

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[However,] there are still significant reconciliation problems along with all the legal problems.” 7. What are the legal criteria that have to be met to intervene in a country where mass atrocities happen? “This is [to be found in] the fundamental report on the “responsibility to protect”,4 which hasan accompanying volume containing all the research material used in the report. It is in the responsibility to protect that the answer lies, in criteria for intervention. Intervention in itself is always problematic, this is what dogged humanitarian intervention: how do you square the concept of humanitarianism with military intervention? What is the reason for the intervention? Are you intervening because of a humanitarian scenario? Are you intervening because there is proof of mass atrocities? Of a state that is not providing its fundamentals of responsibilities to its people by protecting their human rights and by protecting their individual capacities to thrive in their nation? A government that is targeting specifically either a group or the population at large as a target for destruction? Those types of situations do not call for debate on the application of R2P, they call for R2P. The parameters are still under development, but the core of it can be found in the 2001 report. As far as the sovereignty issue is concerned, it is a question of evolution. The concept of sovereignty has moved from a unipolar conception, prior to Westphalia, to a multistate system, and it is now developing to encompass the people within the state. The legal grounding is already there, in treaty and customary law, what we have to ask is whether the state is behaving according to criteria that have been established internationally and which they have acquiesced, or not? When there is proof that they have not, for example, when there are massive abuses of human rights, then we have a responsibility to protect those people. Now, how you do that is quite an elaborated process. If you look at Libya we started off the right way: We started off with diplomatic pressure, economic pressure, isolation and a lot of political pressure. But when it was evident that Gaddafi was in fact going to destroy a part of his population, an overall destruction of his population and they were at risk, then we had the responsibility to react to protect those people in that state. That gave us the authority – only available in extreme situations– to use force.” 4

Available online: http://www.responsibilitytoprotect.org/index.php/publications.

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“But the responsibility to protect says “to react”, but it also says “to prevent”. During the Kenyan election Kenya was going down a genocidal road. Four genocidal radio stations weer started up. Before things got too far out of hand, Kofi Anan led a team and was able to prevent Kenya from going genocidal. So that is the responsibility to prevent and a responsibility to react.” “And then there is the responsibility to rebuild. It is one thing to stand there just to protect these innocent people, but what comes next? The next phase is to be part of the process of reconciliation, of reconstitution and so on.” “My problem now is: Darfur meets all the criteria here and we are not there. Where are the northern countries? 2.5 Milion people are under siege in camps. They are left for dead, to be raped or killed. They have been there for eight years. Why do we not react there? The overriding factor, in my opinion, is that governments cannot handle casualties in states like Sudan where there is absolutely no value for them.”

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