Hugo Grotius als Wegbereiter des Menschenrechts auf Asyl und des modernen Rechts zum Schutz geflüchteter Personen vor ernsthaftem Schaden [1 ed.] 9783428588985, 9783428188987

Dieses Buch präsentiert Forschungsergebnisse, die vielem widersprechen, was in den vergangenen Jahrzehnten zu Hugo Groti

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Hugo Grotius als Wegbereiter des Menschenrechts auf Asyl und des modernen Rechts zum Schutz geflüchteter Personen vor ernsthaftem Schaden [1 ed.]
 9783428588985, 9783428188987

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 214

Hugo Grotius als Wegbereiter des Menschenrechts auf Asyl und des modernen Rechts zum Schutz geflüchteter Personen vor ernsthaftem Schaden Von

Rainer Keil

Duncker & Humblot · Berlin

RAINER KEIL

Hugo Grotius als Wegbereiter des Menschenrechts auf Asyl und des modernen Rechts zum Schutz geflüchteter Personen vor ernsthaftem Schaden

Schriften zur Rechtsgeschichte Band 214

Hugo Grotius als Wegbereiter des Menschenrechts auf Asyl und des modernen Rechts zum Schutz geflüchteter Personen vor ernsthaftem Schaden Von

Rainer Keil

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-18898-7 (Print) ISBN 978-3-428-58898-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Text ging aus einer früheren, deutlich kürzeren Fassung in englischer Sprache hervor. Deren Veröffentlichung unter dem Titel „The Human Rights to Asylum and Non-Refoulement: Rights of Expulsi and Suppliants in the System of Natural and Volitional Law Formulated by Hugo Grotius“ in dem von Professor Dr. Tetsu Sakurai, Kobe und Professor Dr. Mauro Zamboni, Stockholm herausgegebenen Sammelband „Can Human Rights and National Sovereignty Coexist?“ bei Routledge wird für das Frühjahr 2023 erwartet. Der Band wurde großzüging gefördert von der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) als Core-to-Core-Programm im Rahmen der Förderlinie A. Advanced Research Networks und des Projekts Research on the Public Policies on Migration, Multiculturalisation and Welfare for the Regeneration of Communities in European, Asian and Japanese Societies. Den Herausgebern bin ich für die Aufnahme der früheren Fassung in das Projekt sehr dankbar. Die Abfassung des englischen Texts wurde, wie die anderen Beiträge des Bandes, im Rahmen einer Reihe von Vortragsveranstaltungen in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert. Für die kritischen Anmerkungen und Anregungen, die ich in diesen Diskussionen erhielt, bin ich Herausgebern, Mitautorinnen und -autoren sowie Prof. Dr. Frank Dietrich, Düsseldorf, zu großem Dank verpflichtet. Ich habe den Text für die hier vorgelegte deutsche Veröffentlichung erneut gründlich überarbeitet, zusätzliche Literatur berücksichtigt, die Besprechung mancher Einzelheiten, deren Diskussion den Rahmen des Sammelbandes gesprengt hätte, aufgenommen, Kapitel I. neu hinzugefügt sowie die Diskussion in Kapitel J. und die Zusammenfassung im Schlusskapitel K. etwas ergänzt. Für wichtige Anregungen in einem Gespräch über die Konzipierung dieser Publikation danke ich Prof. Dr. Christian Baldus, Heidelberg, sehr herzlich. Heidelberg, im März 2023

Rainer Keil

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

A. Relevanz: Asyl und Non-Refoulement im aktuellen Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . 13 I.

Asyl im allgemeinen Völkerrecht: Recht von Staaten; Pflicht zu Non-Refoulement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

II.

Asyl im regionalen Völkerrecht: Recht auf Asyl; weitere staatliche Pflichten

17

B. Asyl – in Grotius’ Werk nur ein Gegenstand zwischenstaatlicher Rechtsverhältnisse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Das Recht des Kriegs und des Friedens betrifft nicht allein zwischenstaatliche Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Der Schutz von Menschen als Ratio Legis der Aufnahme von Expulsi . . . . . . . 23 III. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz dient Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Aufnahme von Expulsi und kommerzielle oder koloniale Unternehmungen . . . . . 33 I. II.

Grotius’ Orientierung an kommerziellen und kolonialen Interessen . . . . . . . . . 33 Gründe für eine zurückhaltende Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

III. Eigenständige Bedeutung von Struktur und Begründung des Asylrechts . . . . . 37 D. Expulsi in den Remonstrantie über die Regelungen betreffend Jüdinnen und Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 E. Expulsi in Über das Recht des Kriegs und des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I.

Positive Voraussetzungen der Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

II. Negative Voraussetzungen der Aufnahme (Ausschluss-Gründe) . . . . . . . . . . . . 47 III. Rechtsstellung der Expulsi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 F. Politische Verfolgung, der politische Charakter des Asyls und die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I.

Ausschluss politischer Straftaten vom Auslieferungsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . 50

II. Grotius’ eigene Rechtsstellung: Hinweis auf interpretatorische Engführungen? 51 III. Der politische und der rechtliche Charakter der Asylentscheidung . . . . . . . . . . 54 G. „Recepit nec dedidit“: Elemente eines umfassenden Asylkonzepts in Grotius’ Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Voraussetzungen rechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II.

Rechtsfolgen für die Zeit vor Ankunft und Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

8

Inhaltsverzeichnis III. Rechtsfolgen für die Zeit unmittelbar nach der Ankunft: Asylverfahren und vorläufiger Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Weitere Rechtsfolgen: Status Asylberechtigter und aufgenommener Expulsi

62

H. Hugo Grotius und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I.

Betonung menschenrechtlicher Aspekte des Asyls bei Grotius in der Literatur

64

II. Einwand anachronistisch-ahistorischer Verkennung der Intentionen Grotius’ 65 III. Einwand unkritischer Methode und despotiefreundlicher Argumentation bei Grotius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Zum methodologischen Einwand bloß konventioneller Argumentation . . . . . . 68 V. Sklaverei: Anschauungsmaterial für einen adäquaten Zugang . . . . . . . . . . . . . . 69 VI. Gussform, Strukturelemente und zu entfaltende Keime von Menschenrechten 72 I. Grotius’ Beitrag zum inzwischen erreichten Bestand von Rechten der Refugees/ Réfugié(e)s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Anerkennungsvoraussetzung willkürliche Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . 79 II.

Aufnahmevoraussetzung schwere Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

III. Rechtsstellung: Gebote rechtlicher Gleichstellung mit anderen Fremden . . . . . 82 IV. Rechtsstellung: Gebote rechtlicher Gleichstellung mit Inländern und Inländerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie I.

84

Utilitaristische Polemik gegen Rights Based Arguments und Grotius’ Innoxia Utilitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

II. Recht auf Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Das Recht auf Asyl als unvollkommenes und vollkommenes Recht . . . . . . . . . 91 IV. Diskussion der Irrelevanz von Verfolgungsgründen und zu Haft als Verfolgung 95 V. Sichere Fluchtwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 VI. Rechtsstellung von geflüchteten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 VII. Gründe und Reichweite des Ausschlusses von Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 K. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Einleitung Derzeit ist in einigen internationalen Rechtstexten ein subjektiv-öffentliches Individualrecht auf Asyl kodifiziert, andere sehen allenfalls eine Verpflichtung zu Non-Refoulement – ein Verbot der Ausweisung, Zurückweisung, Abschiebung, Zurückschiebung oder Auslieferung sowie für manche Fallgruppen der Verweigerung des Zugangs an der Grenze1 vor, falls bestimmte Gefahrenlagen vorliegen, oder normieren eine Rechtsstellung als schutzwürdig anerkannter Personen. Im allgemeinen Völkerrecht gilt Asylgewährung nach wie vor eher als Gegenstand von Rechten und Pflichten souveräner Staaten untereinander als von Verpflichtungen gegenüber Individuen. Im Spannungsfeld einer Völkerrechtslehre, die sich anschickte, Rechte und Pflichten unter Trägern hoheitlicher Befugnisse einerseits zu klären, andererseits aber an zentraler Stelle schon Konzepte entwickelte, die modernen Vorstellungen subjektiver Rechte von Individuen recht nahe kommen, bewegte sich bereits das Werk Hugo Grotius’. Nach Marc de Wilde identifiziert eine vorherrschende „standard interpretation“ Hugo Grotius als Gründer des modernen Asylkonzepts.2 Grotius, der selbst, nachdem er verfolgt, verhaftet worden und schließlich, versteckt in einer Bücherkiste, der Gefangenschaft entkommen war,3 im Französischen Königreich Zuflucht nehmen musste, arbeitete Elemente eines Systems rechtlichen Schutzes aus. In seinem Werk lassen sich ein Asylverfahren, die Zulassung von vertriebenen Menschen (Expulsi) zur Einreise und zur Ansiedelung, eine Rechtsstellung zum Schutz zugelassener Individuen mit Rechten und Pflichten sowie der Schutz vor Auslieferung für Menschen finden, die im Staat ihrer Herkunft unter unverdienter Feindseligkeit litten. Im Schrifttum äußerten nicht wenige, die Ausarbeitung, Entwicklung und Gestaltung moderner Rechte auf Asyl und NonRefoulement habe ihren Ursprung in der konzeptionellen Saat, die Grotius aussäte, und in Keimen von Ideen, deren Wachstum und Entfaltung Grotius angeregt habe.4 Gerade dies haben in der jüngeren Vergangenheit manche Autorinnen und Autoren, durchaus unter ziemlich genauer Lektüre von Grotius’ zentralen Texten, in Zweifel gezogen.5 Mit der vorliegenden Schrift beabsichtige ich zu zeigen, dass die Gründe dafür letzlich nicht tragen. Vielmehr gehörte die Vorstellung, hoheitliche Macht könne in deutlich illegitimer und illegaler Weise ausgeübt werden, schon bei 1 Kälin/Caroni/Heim/Lukas, 2011, S. 1367 f., Abschnitte 105 – 109; Frei/Hinterberger/ Hruschka, 2022b, S. 776 Rn. 37. 2 de Wilde, 2018, S. 473. 3 de Wilde, 2017, S. 429. 4 Chetail, 2016, S. 909; Landau, 1999, S. 318 f. 5 Tießler-Marenda, 2002, S. 250; de Wilde, 2018, S. 475 in Bezug auf politisch Verfolgte.

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Einleitung

Grotius gleichsam zur DNA frühmodernen Rechts und auch Völkerrechts, weshalb unter – gewiss vorsichtig und äußerst zurückhaltend formulierten – Voraussetzungen so etwas wie ein Recht auf Widerstand oder – viel weniger zurückhaltend gestaltet – ein solches auf Asyl der Erwähnung und Konzipierung bedurfte. Prüfen und erwägen wir die dagegen angeführten Gründe genau, so sehen wir: Grotius hat Grundlagen des modernen Rechts des Schutzes solcher Personen entworfen, die vor existentieller Gefahr oder unverdienter Feindseligkeit geflohen sind. Vermutlich mit dem Ziel, zwischenstaatliche Spannungen abzubauen, Strafgerechtigkeit und effektive Strafverfolgung durch eine Pflicht zur Auslieferung abzusichern sowie die Willkür aus dem Mittelalter überkommener Asylpraktiken zurückzudrängen, begründete und beschränkte er frühneuzeitliche Schutzkonzepte mit einem damals neuen, auf Vernunftgründe gestützten Verständnis uralter, oft aus der Antike stammender Asyltraditionen und einer behutsamen Neukonzeption, die normative Erwägungen der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellte. Die Beschäftigung mit Grotius ist mit der Überzeugung verbunden, dass die Erhellung der Bedeutung seines Werks auch zum Verständnis aktueller Ansichten zu Asyl und Non-Refoulement und bestenfalls zur kritischen rechtlichen und rechtspolitischen Reflexion beitragen kann. Bei der Untersuchung sollen Argumente systematisch abgearbeitet werden, die in den letzten Jahrzehnten mit dem Ziel angeführt wurden, die angebliche Schwäche der Relevanz des Werks Grotius’ für das moderne Asylrecht in historischer und konzeptioneller Hinsicht zu zeigen. Entgegengesetzt werden ihnen bisher unterbelichtete Zusammenhänge zwischen textlichen Befunden innerhalb des Werks Zum Recht des Krieges und des Friedens, ferner solche mit anderen unveröffentlichten und veröffentlichten Werken Hugo Grotius’, insbesondere mit einem neu ins Englische übersetzten relevanten älteren Text zum Umgang mit Sephardim in Holland und West-Friesland, sowie Erwägungen zu geschichtlichen Hintergründen, Rahmenbedingungen und Interessenlagen. In methodischer Hinsicht sei angemerkt, dass ich allerdings nicht allein historisieren werde. Vielmehr soll nach einer Vergegenwärtigung und Diskussion historischer Zusammenhänge, in denen Grotius sich äußerte, darüber hinausgegangen und vorsichtig vorgestoßen werden zur philosophischen Argumentation und zu rechtlichen Strukturen in Grotius’ Texten sowie zu Fragen ihrer Relevanz. Das kann ich nur als Mensch meiner eigenen Zeit tun. Gewiss liegt die Gefahr einer „Instrumentalisierung“,6 die weitere einer simplifizierenden Betrachtung „durch die ,VorläuferBrille‘“,7 zumindest aber jene der unangemessenen Projektion einer Sichtweise aus dem XXI. Jahrhundert bei der Interpretation von Grotius’ Äußerungen aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhundert auf der Hand. Diese Gefahren sollen durch strenge Orientierung an den Texten und durch dafür hoffentlich hinreichend genaue Kontextualisierung ihrer Entstehung eingehegt werden. Die größere Gefahr sehe ich 6 7

Vgl. Grethlein, 2023 zur ähnlichen Problematik der Betrachtung der Antike. Altwicker/Cheneval, 2015, S. 133.

Einleitung

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darin, wie Stefan Kadelbach in Anspielung auf eine Äußerung von Ernst Gombrich so treffend formulierte,8 dass gleichsam vor lauter Blättern im Katalog die Gemälde im Museum übersehen, sie selbst also nicht eigentlich aufgenommen, sondern insgesamt verpasst oder doch in übertriebener historischer Ängstlichkeit kaum ernstgenommen und überhaupt interpretiert werden könnten. Im Anschluss an Kadelbach9 soll versuchsweise gewagt werden, bei der Interpretation vorsichtig zu abstrahieren, aber den Kontext nicht aus dem Blick zu verlieren. Dabei werde ich Grotius trotz der Geschichte, die uns von ihm trennt, als entfernten Partner im Dialog über ein damals wie heute elementares Problem des Rechts hermeneutisch ernst nehmen. Die historische Ferne und das aus ihr stammende Werk mögen dann vielleicht, ähnlich wie es der Experte für klassische Philologie Jonas Grethlein kürzlich für die Antike vorschlug, gleichsam als „Prisma, in dem uns unsere Gegenwart fremd werden kann“10 und in dem unsere Ansichten und Konzepte in anderem als gewohntem Licht erscheinen, dienen. Dies mag bestenfalls zu einer disharmonisch inspirierten Produktivität führen (dazu erneut unten in Kapitel J.). Ein genauer Blick auf Grotius’ gründliche Diskussion von Materien der Migration, Aufnahme, Zuflucht und des Schutzes vor Auslieferung bestätigt, dass der Jurist bereits klar formulierte Elemente eines Asylkonzeps vorlegte. Auch zeigt die Untersuchung, dass Grotius einzelne zentrale Konzepte entwickelte, die später als Teil des Fundaments einer modernen Theorie der Menschenrechte verwendet werden konnten und können. Wie folgt soll die Bedeutung von Hugo Grotius’ Werk für Verständnis oder Inspiration kritischer Betrachtung des gegenwärtigen internationalen Rechts des Schutzes geflüchteter Menschen gezeigt werden: In Kapitel A. wird zunächst ein knapper Überblick über das aktuelle internationale Asylrecht gegeben. Hiernach werden Argumente kritisch untersucht, die gegen eine subjektiv-rechtliche Position von Individuen bei Grotius angeführt zu werden pflegen. Dabei will ich zunächst in Kapitel B. die Stärke und Schwäche des Einwands erörtern, wonach Grotius angeblich Asyl im Zusammenhang von Verpflichtungen unter Staaten und zwischenstaatlichen Sanktionsmöglichkeiten behandelt habe, gerade nicht, um subjektive Rechte von Individuen zu begründen. In Kapitel C. untersuche ich die Verbindungen zwischen Grotius’ Verwicklung in Bemühungen zur Rechtfertigung von kommerziellen oder kolonialen Unternehmungen einerseits und seiner Argumentation in hier interessierenden Zusammenhängen andererseits. Dabei interessiert, inwiefern solche Verbindungen die Überzeugungskraft seiner Argumentation schwächen, sofern er den Schutz vertriebener Expulsi vor Zurückweisung oder um Schutz vor Auslieferung bittender Supplices im Asyl begründet. In Kapitel D. will ich skizzieren, wie Grotius die Aufnahme von Sephardim, Jüdinnen und Juden, die von der Iberischen Halbinsel oder, sekundär, aus dem seit dem späten XVI. Jahrhundert wieder spanisch 8

Kadelbach, 2017, S. 134; Gombrich, 2016, S. 35. Kadelbach, 2017, S. 134. 10 Grethlein, 2023.

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Einleitung

besetzten Teil der Niederlande (ungefähr dem heutigen Belgien) geflohen waren, in einer Auftragsarbeit begründete. Hiernach will ich in Kapitel E. genauer die Rechtsstellung von Expulsi in seinem Hauptwerk zum Recht des Krieges und des Friedens darstellen. In Kapitel F. soll diskutiert werden, ob Grotius, wie mit beeindruckenden Argumenten behauptet worden ist, politisch Verfolgte vom Schutz ausnahm oder umgekehrt im Rahmen seiner Argumentation politische Verfolgung Schutzwürdigkeit begründen konnte. Auch will ich erörtern, ob die politische Natur der Entscheidung über die Gewährung von Asyl bei Grotius gegen eine rechtliche Perspektive und ein subjektives Recht von Menschen auf Asyl spricht. In Kapitel G. soll gezeigt werden, dass es – entgegen der in der neueren Sekundärliteratur verbreiteten Trennung der Behandlung der Aufnahme Vertriebener von jener des Schutzes vor Auslieferung – legitim ist, der Interpretation die Annahme eines umfassenden Asylkonzepts zu Grunde zu legen, auch wenn Grotius ein solches selbst nicht ausdrücklich ausgearbeitet hat. In Kapitel H. will ich mich mit der Relevanz der Tatsache befassen, dass Grotius in seinem De Jure Belli ac Pacis aus dem Jahr 1625 kein Konzept von Menschenrechten hatte und darüber hinaus Rechtspositionen anerkannte, die nach heute vorherrschender Sicht, die ich nachdrücklich teile, gegen elementare Menschenrechte verstoßen. Ein genauerer Blick auf jeden der Einwände wird zeigen, dass die von den Argumenten nahegelegten Folgerungen den klaren Wortlaut, die Ratio und die fein ausgearbeitete Struktur des Werks von Grotius verfehlen. In Kapitel I. soll kurz skizziert werden, welche inzwischen anerkannten rechtlichen Instrumente des Schutzes von Menschen, die vor existentieller Gefahr geflüchtet sind, bereits bei Grotius angedeutet oder formuliert worden waren. Kapitel J. soll Grotius’ Beitrag mit aktuellen philosophischen Positionen zu rechtspolitischen Fragen konfrontieren, um manche kritischen Reibungen, die sich bei einem solchen hypothetischen wechselseitigen Fremdblick über große zeitliche Distanzen hinweg ergeben, und mögliche befruchtende und erhellende Einsichten zeigen zu können.

A. Relevanz: Asyl und Non-Refoulement im aktuellen Völkerrecht I. Asyl im allgemeinen Völkerrecht: Recht von Staaten; Pflicht zu Non-Refoulement Das Asylrecht hat im derzeitigen allgemeinen Völkerrecht nach wie vor einen insgesamt eher schwachen Stand; einige wichtige Komponenten sind aber in den Jahrzehnten seit dem Ende des II. Weltkriegs deutlich gestärkt worden. Diejenigen, die der vorherrschenden Ansicht anhängen, pflegen zu betonen, jedenfalls ein Recht auf Gewährung von Asyl als subjektives Recht von Individuen (an individual’s right to be granted asylum) habe keine Grundlage im allgemeinen Völkerrecht;11 es bleibe „im globalen Kontext ein Desiderat“.12 Globale völkerrechtliche Verträge sehen es bisher nicht vor.13 Hélène Lambert14 weist allerdings auf neuere Forschungsaktivitäten hin, in deren Rahmen vereinzelt gewagt worden ist, Asyl und seine individualrechtliche Dimension auf der Basis rechtsvergleichender Analysen zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts zu rechnen15 oder einen in Enstehung begriffenen gewohnheitsrechtlichen Schutz geltend zu machen.16 Zumeist wird vertreten, das allgemeine Völkerrecht sehe, als Implikation territorialer Souveränität, lediglich das vom Internationalen Gerichtshof bestätigte Recht von Staaten vor, Menschen, die zu ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet geflohen seien, Asyl gewähren zu dürfen.17 Immerhin seien Staaten aber auf dieser Grundlage frei, auf ihrem jeweiligen Territorium jedem Individuum nach Ermessen Asyl zu gewähren.18 Asylgewährung darf deshalb vom Staat der Staatsangehörigkeit der aufgenommenen Person nicht als Bruch seiner Rechte (Personalhoheit) oder des objektiven Völkerrechts angesehen werden. Nicht nur Kriege zur Durchsetzung einer Auslieferung und Aufhebung der Gewährung von Asyl, von denen berichtet wird,

11

Ray, 2013, S. 1239. Bast, 2013, S. 305. 13 Gil-Bazo/Guild, 2021, S. 872. 14 Lambert, 2021, S. 255. 15 Gil-Bazo, 2015, S. 28. 16 Worster, 2014. 17 Internationaler Gerichtshof, Asylfall, Kolumbien gegen Peru, Urteil vom 20. November 1950, ICJ Reports 1950, S. 266 ff. (274). 18 Hailbronner/Gogolin, 2013, Abschnitt 25. 12

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A. Relevanz: Asyl und Non-Refoulement im aktuellen Völkerrecht

dass sie noch im XVI. Jahrhundert vereinzelt geführt wurden,19 verstießen deshalb gegen internationales Recht, insbesondere gegen das völkergewohnheitsrechtliche und völkervertragsrechtliche Gewaltverbot, wie es zum Beispiel20 in Artikel 2 Absatz 3 und 4 der Charta der Vereinten Nationen normiert ist. Sondern die Aufnahme rechtfertigt auch keine Gegenmaßnahmen (Countermeasures im Sinne der Artikel 49 – 53 der Draft articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts).21 Diese eindeutige Rechtslage hat durch Proteste von Behörden der Volksrepublik China gegen eine Ausweitung der Aufnahme von Bürgerinnen und Bürgern aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hong Kong im Vereinigten Königreich22 nichts an Relevanz und Klarheit eingebüßt. Die Vollversammlung (General Assembly) der Vereinten Nationen hat darüber hinaus klargestellt,23 dass Asylgewährung auch kein im Verhältnis zu anderen 19 Zu Berichten über die württembergische Eroberung der Reichsstadt Reutlingen nach deren Gewährung von Asyl und Weigerung der Auslieferung eines einer Straftat gegen den württembergischen Vogt Beschuldigten sowie zum nachfolgenden Krieg des Schwäbischen Bundes zur Vertreibung württembergischer Truppen aus dem Stadtgebiet aufschlussreich: Reck, 1970, S. 84. 20 Zu den vielen weiteren Rechtsquellen des Gewaltverbots aufschlussreich: Henderson, 2018, S. 17 f. Er weist darin u. a. hin auf die Normierung des Gewaltsverbots in Artikel 301 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (United Nations Convention on the Law of the Sea, United Nations, Treaty Series, Band 1833, S. 3; dt. Übersetzung im Zustimmungsgesetz vom 2. September 1994, BGBl. II, S. 1798); auf Artikel 8bis Absatz 2 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (englische und französische Fassung sowie dt. Übersetzung im Zustimmungsgesetz vom 20. Februar 2013 zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl. II, S. 139) sowie auf Bestimmungen regionalen Völkervertragsrechts. Außerhalb unmittelbar völkerrechtlich verbindlicher Rechtsquellen bedeutend sind daneben Resolutionen der Vollversammlung (General Assembly) der Vereinten Nationen (so Grundsatz 1 der Friendly-Relations-Resolution UNGA Res 2625 [XXV] vom 24. Oktober 1970 und die Definition der Aggression in der Resolution UNGA Res 3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974) sowie Artikel I a Absatz II der KSZESchlussakte von Helsinki aus dem Jahr 1975 (Text abrufbar über den URL: https://www.osce. org/de/mc/39503 [letzter Aufruf 04. 01. 2023]; zur Art ihrer Verbindlichkeit Schweisfurth, 1976). 21 Internationale Quelle: Yearbook of the International Law Commission, 2001, Band II, Teil 2, S. 26. 22 Zu einem Bericht in Nachrichten-Medien über eine Äußerung des Büros des Beauftragten des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten der Volksrepublik China in Hong Kong, wonach eine Liberalisierung der Visumspolitik des Vereinigten Königreichs aus Anlass des Sicherheitsgesetzes für Hong Kong zum Zwecke des „providing shelters for anti-China forces in Hong Kong“ als grobe Einmischung in interne Angelegenheiten Chinas angesehen und auf das Vereinigte Königreich zurückfallen werde, s. Kelly Ho, 2022; ähnlich Gilchrist, 2022; vgl. zur amtlichen chinesischen Position: Government of the Hong Kong Special Administrative Region 2021. 23 UN General Assembly, Declaration on Territorial Asylum, 14 December 1967, A/RES/ 2312(XXII), Internationale Quelle: Resolutions adopted by the General Assembly during its 22nd session. Volume I, 19 September–19 December 1967. – A/6716. – S. 81, abrufbar über https://research.un.org/en/docs/ga/quick/regular/22.

I. Asyl im allgemeinen Völkerrecht

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Staaten unfreundlicher Akt ist,24 also keine zwar legale, aber nachteilhafte, unhöfliche oder Geringschätzung zum Ausdruck bringende Verhaltensweise darstellt, so dass sie auch keinen Anlass für eine Retorsion – einen reaktiven unfreundlichen Akt25 – gibt. Dieser Gedanke wird bis heute, wie wir sehen werden: zu Recht, mit Grotius in Verbindung gebracht.26 In der Tat behandelte bereits Grotius in der Frühzeit der Entstehung des modernen Völkerrechts sowohl asylrechtlichen Schutz vor Auslieferung als auch die Aufnahme von im Herkunftsstaat gefährdeten und von dort vertriebenen Expulsi im Zusammenhang zwischenstaatlicher Rechte und Pflichten sowie zwischenstaatlicher Amicitia. Grotius beschränkte allerdings seinen Blick gerade nicht auf Gesichtspunkte zwischenstaatlicher Rechtsverhältnisse, sondern begründete Pflichten unmittelbar gegenüber den Expulsi und sprach von Rechten derer, die unverdiente Feindseligkeit erlitten und Asyl genössen. Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte postuliert „the right to seek and enjoy in other countries asylum from persecution“27 – was üblicherweise übersetzt wird mit „das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“28 Der Text, kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern am 10. Dezember 1948 als Teil einer Resolution der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen, wird gewöhnlich nicht als unmittelbar rechtsverbindlich betrachtet, sondern eher als Dokument, das zur Bildung von Verpflichtungen im Völkervertragsund Völkergewohnheitsrecht sowie zur Konkretisierung der ihrerseits verbindlichen Charta der Vereinten Nationen beiträgt.29 Auch führte vor Verabschiedung der Resolution die von der Delegation Saudi-Arabiens aus Anlass des Palästina-Konflikts beantragte Streichung der Formulierung „and be granted“ aus dem Entwurfstext dazu, dass das Recht auf Asyl als solches trotz engagierter befürwortender Stellungnahmen damals nicht aufgenommen wurde.30 Trotzdem ist es seit dem II. Weltkrieg zu großen Fortschritten im völkerrechtlichen Schutz von Menschen, die vor existenziell bedrohlicher Lage geflohen sind, gekommen. Obwohl manche Stimmen im Schrifttum dies noch in jüngerer Vergangenheit bestritten haben,31 dürften inzwischen32 wohl die meisten Expertinnen und Experten 24

Hailbronner/Gogolin, 2013, Abschnitt 25. Giegerich, 2020, Abschnitte 1 und 2. 26 Hailbronner/Gogolin, 2013, Abschnitt 25. 27 UN General Assembly, Universal Declaration of Human Rights, 10 December 1948, A/ RES/217(III) A, Internationale Quelle: Official Records of the third session of the General Assembly, Part I. Resolutions, S. 71, abrufbar über https://research.un.org/en/docs/ga/quick/re gular/3. 28 Eine Übersetzung ins Deutsche ist abrufbar über den URL: https://www.un.org/depts/ger man/menschenrechte/aemr.pdf (Abruf: 07. 06. 2022). 29 Hannum, 1998, S. 147 f. 30 Hierzu und zu einer ausführlichen Beschreibung der Positionen und vorgetragenen Argumente aufschlussreich: Morsink, 1993, S. 383 – 391. 31 Hathaway, 2005, S. 36. 25

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A. Relevanz: Asyl und Non-Refoulement im aktuellen Völkerrecht

des Völkerrechts den Grundsatz des Non-Refoulement als Regel des Völkergewohnheitsrechts anerkennen,33 wobei eine wachsende Zahl renommierter Gelehrter ihm – jedenfalls bei Gefahr der Folter oder Misshandlung34 – sogar den Charakter des indisponiblen Ius Cogens zuschreibt.35 Jedenfalls sehen Vorschriften in völkerrechtlichen Verträgen häufig eine staatliche Pflicht oder eine Pflicht von supranationalen Organisationen zum Non-Refoulement – zur Nicht Zurückweisung – vor. Unter ihnen sind Artikel 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 195136 (der so genannten Genfer Flüchtlingskonvention) in Verbindung mit dem New Yorker Protokoll von 196737 für „refugees“ beziehungsweise „réfugiés“ im Sinne dieser Vertragswerke und, für Fälle der Gefahr der Folter, Artikel 3 des Überinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.38 Diese Bestimmungen gelten streng und absolut.39 Sie und solche in anderen völkerrechtlichen Verträgen unterscheiden sich weniger in den Rechtsfolgen als in den tatbestandlichen Voraussetzungen des Schutzes. Ferner hat das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge für den Kreis anerkannter „refugees“/„réfugiés“ im Sinne ihres Artikels 1 A Absatz 2 in Verbindung mit dem New Yorker Protokoll von 1967 durch genaue Bestimmung von Rechten und Pflichten einen Status – eine gesicherte Rechtsstellung – definiert, der seither völkerrechtlich garantiert wird. Wie wir sehen werden, lassen sich für die Forderung mancher dieser Statusrechte bereits bei Grotius Argumente, teilweise auch Ansätze für genauere Ausformulierungen finden.

32 Zum Stand der Diskussion, den wenigen Stimmen im Schrifttum, die dies noch ablehnen und den vielen, die Non-Refoulement inzwischen als Gewohnheitsrecht anerkennen, aufschlussreich Lambert, 2021, S. 244 – 248. 33 Kälin/Caroni/Heim/Lukas, 2011, S. 1345, Abschnitt 31; Frei/Hinterberger/Hruschka, 2022b, S. 765 Rn. 2. 34 Mathew, 2021, S. 904. 35 Allain, 2001, S. 557; Frei/Hinterberger/Hruschka, 2022b, S. 768 Rn. 12; zum Stand der Diskussion s. bei Lambert, 2021, S. 248 f. und Mathew, 2021, S. 904. 36 Convention on the Status of Refugees of 28 July 1951, United Nations, Treaty Series, Band 189, S. 150; amtliche deutsche Übersetzung im Zustimmungsgesetz, BGBl. 1953 II, S. 560. 37 Protocol Relating To The Status Of Refugees. Done at New York 31 January 1967, United Nations, Treaty Series, Band 606, S. 267; deutsche Übersetzung im Zustimmungsgesetz BGBl. II 1969, S. 1293. 38 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment of 10 December 1984, United Nations, Treaty Series, Band 1465, S. 85; deutsche Übersetzung im Zustimmungsgesetz BGBl. 1990 II, S. 246. 39 Kälin, 2020, Rn. 18.

II. Asyl im regionalen Völkerrecht

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II. Asyl im regionalen Völkerrecht: Recht auf Asyl; weitere staatliche Pflichten Mehrere regionale völkerrechtliche Verträge sehen Asyl als Grundrecht vor.40 So bestimmt Artikel 22 Absatz 7 der vor allem in lateinamerikanischen Staaten relevanten41 Amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 22. November 196942: „Every person has the right to seek and be granted asylum in a foreign territory, in accordance with the legislation of the state and international conventions, in the event he is being pursued for political offenses or related common crimes.“ „Im Fall der Verfolgung wegen politischer Straftaten oder damit zusammenhängender gemeiner Verbrechen hat jede Person das Recht, in einem fremden Hoheitsgebiet entsprechend der Gesetzgebung des Staates und gemäß internationaler Abkommen um Asyl nachzusuchen und es gewährt zu bekommen.“43

Absatz 8 enthält ein strenges Verbot des Refoulement für Fälle, in denen eine Person, falls sie abgeschoben (deported) oder zurückgeschickt (returned) würde, gefährdet wäre, in ihrem Recht auf Leben oder Freiheit wegen ihrer vermeintlichen Rasse, Staatsangehörigkeit, Religion, sozialen Stellung oder politischen Meinungen verletzt zu werden. Für afrikanische Staaten44 sieht Artikel 12 Absatz 3 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (Banjul-Charta) vom 27. Juni 198145 ein individuelles „right, when persecuted, to seek and obtain asylum in other countries in accordance with laws of those countries and international conventions“, ein „Recht, bei Verfolgung in anderen Ländern um Asyl zu ersuchen und es gewährt zu bekommen, in Übereinstimmung mit den Gesetzen dieser Länder und den internationalen Konventionen“46 40

Ausführlich zu regionalen Instrumenten des Schutzes geflüchteter Personen Costello/ Foster/McAdam, 2021, S. 279 – 459. 41 Informativ zu diesem und anderen in Lateinamerika relevanten regionalen völkerrechtlichen Verträgen und Schutzinstrumenten de Andrade, 2021. 42 American Convention on Human Rights of 22 November 1969 (Pact of San José, Costa Rica), United Nations, Treaty Series, Bd. 1144, S. 123. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada haben die Konvention bisher nicht ratifiziert, vgl. hierzu und zu Abwehrkämpfen gegen eine evtl. Verbindlichkeit Anker, 2021, S. 298; zur Relevanz der Asylbestimmungen für die Entscheidungspraxis de Andrade, 2021, S. 328 f. 43 Die deutsche Übersetzung des Konventionstextes ist entnommen: Europäische Grundrechte-Zeitschrift 1980, S. 435 – 442. 44 Zum völkervertragsrechtlichen Schutz zwangsweise migrierter Personen in Afrika siehe Sharpe, 2021. 45 African Charter on Human and Peoples’ Rights of 27 June 1981, United Nations, Treaty Series, Band 1520, S. 217. 46 Deutsche Übersetzung von Sabine Thomsen, Heidelberg, zitiert nach dem Abdruck bei Simma/Fastenrath, 2018, S. 673 – 686.

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A. Relevanz: Asyl und Non-Refoulement im aktuellen Völkerrecht

vor, gefolgt von zwei Absätzen, welche die rechtliche Möglichkeit von Ausweisungen begrenzen und materiell näher definierte Kollektivausweisungen verbieten. In Europa47 gibt es zum einen den durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Schutz aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor Refoulement.48 Für die Europäische Union sieht Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – durch Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union mit Rechtsverbindlichkeit und dem Rang unionsrechtlichen Primärrechts ausgestattet – in seiner deutschen Fassung unter der Überschrift „Asylrecht“ ein „Recht auf Asyl“ vor, das „nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie nach Maßgabe des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union … gewährleistet“ wird. Artikel 19 der Charta verbietet – wie schon Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – in Absatz 1 Kollektivausweisungen, ferner in Absatz 2 Abschiebungen, Ausweisungen und Auslieferungen, wenn im Zielstaat für die betroffene Person „das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.“ Unterhalb der völker- und primärrechlichen Ebene wurden im Sekundärrecht49 der Europäischen Union in die Zuständigkeit, das Verfahren, die 47 Aufschlussreich zum Schutz im Bereich von Europarat und Europäischer Union Tsourdi, 2021. 48 Grundlegend zur Relevanz des Artikels 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) für Fragen der Auslieferung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 7. Juli 1989 in der Sache Söring gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 1/1989/161/217, Beschwerde Nr. 14038/88, dt. Übersetzung auszugsweise in EGMR-E 4, 376 sowie EuGRZ 1989 S. 314 – 326 mit Anmerkung Blumenwitz (S. 326 – 328). Zu Abschiebungsschutz aus Artikel 3 EMRK s. EGMR, Urteil vom 20. März 1991 in der Sache Cruz Varas u. a. gegen Schweden, Nr. 46/1990/237/307, Beschwerde Nr. 15576/89, dt. Übersetzung EuGRZ 1991, S. 203 – 216. Kälin, 2020, Rnr. 15 und 16 gibt einen Überblick über die folgende Rechtsprechung zum Schutz vor Abschiebung in Fällen drohender Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie in extremen Ausnahmefällen schwer erkrankter Personen, wenn eine Abschiebung sie dem realen Risiko aussetzte, dass eine solche Person mangels angemessener Behandlung sterben würde oder sich ihr Gesundheitszustand ernsthaft, schnell und irreversibel verschlimmert mit der Folge intensiven Leidens oder signifikanter Verkürzung der Lebenserwartung. 49 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung); Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung); Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung);

II. Asyl im regionalen Völkerrecht

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Aufnahme und materielle Entscheidungskriterien betreffender Hinsicht starke Schutzrechte und verpflichtende Standards geschaffen, was allerdings durch eine unterschiedliche sowie teilweise sehr defizitäre Anwendungspraxis50 und durch die wenig überzeugende Zuweisung der Zuständigkeit eines jeweils bestimmten Mitgliedsstaats überschattet wird. Innerhalb des komplexen Gefüges von Schutzinstrumenten im Nahen und Mittleren Osten51 sieht Artikel 28 der revidierten Arabischen Charta der Menschenrechte vom Mai 2004 in seiner englischen Übersetzung vor: „Everyone has the right to seek political asylum in another country in order to escape persecution. This right may not be invoked by persons facing prosecution for an offence under ordinary law. Political refugees may not be extradited.“52 „Jede und jeder hat das Recht, in einem anderen Land politisches Asyl zu suchen, um politischer Verfolgung zu entkommen. Auf dieses Recht kann sich nicht berufen, wer wegen einer gewöhnlichen Straftat verfolgt wird. Politische Flüchtlinge dürfen nicht ausgeliefert werden.“53

Viele nationale Verfassungen normieren den Schutz des Asylrechts.54 Einige unter ihnen sehen ein subjektives Recht55 vor. Zu ihnen gehören die Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und der Italienischen Republik.56 Andere Verfassungen sind ohne solche Normen formuliert. Der Frage, inwiefern hieraus bereits jetzt oder vielleicht in absehbarer Zeit ein allgemeiner oder regional geltender Grundsatz des Völkerrechts gewonnen werden kann, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden.

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung). 50 Zu Außengrenzen auf dem Festland European Union Agency for Fundamental Rights 2020; zu Mängeln beim Schutz auf See und der Verlagerung von Verantwortung nach außen Farahat/Markard, 2020; zu einem allgemeineren Überblick über migrationspolitische Herausforderungen beim Menschenrechtsschutz Bast/von Harbou/Wessels, 2022. 51 Genauer hierzu Janmyr/Stevens, 2021. 52 Übersetzung des U.N. Hochkommissars für Menschenrechte, abrufbar über den Internetauftritt der Liga der Arabischen Staaten mit dem URL: www.lasportal.org/ar/sectors/dep/Hu manRightsDep/Documents/%D8%A7%D9%86%D8%AC%D9%84%D9%8A%D8%B2% D9%8A.pdf (Abruf: 04. 06. 2022). Eine Übersetzung mit kommentierender Einleitung von Susan M. Akram aus der Zeit vor ihrem Inkrafttreten lässt sich finden im Boston University International Law Journal Bd. 24 (2006), S. 146 – 164. 53 Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. 54 Foster/Klaaren, 2013, S. 416 f. 55 Foster/Klaaren, 2013, S. 416 f. 56 Lambert/Messineo/Tiedemann, 2008.

B. Asyl – in Grotius’ Werk nur ein Gegenstand zwischenstaatlicher Rechtsverhältnisse? Grotius’ Werk De jure belli ac pacis, Paris 1625, behandelte vor allem zwei Aspekte des Schutzes Fremder, die im Herkunftsstaat gefährdet waren, vor Rechtszwang des (potentiellen) Aufenthaltsstaats. Für eine dieser Hinsichten, den Schutz von Personen, die im Herkunftsstaat unter unverdienter Feindseligkeit litten, vor Auslieferung dorthin, verwendete Grotius selbst den Terminus Asylum, oder, genauer, „a§ylorum exempla“.57 Bei der anderen handelt es sich um den Schutz von Expulsi, Personen, die gezwungenermaßen das Land ihrer Herkunft verlassen hatten, in Form von Aufnahme und Erlaubnis ihrer Ansiedelung. Grotius verwendete den Ausdruck Perfugium,58 wenn es ihm um Exsules, verbannte Personen, ging, und Receptum59 speziell für die Aufnahme von Expulsi, anderweitig vertriebenen Personen. Für die Zwecke dieser Arbeit erscheint es mir als legitim, auch solchen Schutz unter „Asyl“ zu subsumieren. Damit folge ich der umfassenden und klaren Definition in Artikel 1 der Resolution, die das Institut de Droit International am 11. September 1950 in Bath verabschiedete. Dort heißt es: „le terme ,asile‘ désigne la protection qu’un Etat accorde sur son territoire ou dans un autre endroit relevant de certains de ses organes à un individu qui est venu la rechercher“60

– der Terminus „Asyl“ bezeichne jenen Schutz, den ein Staat auf seinem Territorium oder an einem anderen, der Hoheit bestimmter Organe des Staates unterstehenden Ort, einem angekommenen schutzsuchenden Individuum gewähre.61 Gewöhnlich bezieht sich der Schutz auf Individuen ohne Staatangehörigkeit des (potentiell) den Schutz bietenden Staats und umfasst Komponenten wie Zulassung zur Einreise, ein Anerkennungsverfahren, Erlaubnis des Aufenthalts, Gewährung einer besonderen Rechtsstellung sowie Schutz vor Auslieferung und Refoulement (Zurückschiebung, Abschiebung, Zurückweisung, Ausweisung, Auslieferung und Ähnlichem). Elke Tießler-Marenda vertrat in ihrem Werk aus dem Jahr 2002 die Ansicht, Grotius sei nicht Begründer des völkerrechtlichen politischen Asyls. Noch weniger könne bei ihm gar von einem Anspruch auf Asyl die Rede sein. Grotius habe bei der 57

Grotius, 1913, lib. II § V, S. 369. Grotius, 1913, lib. III, cap. XX, § XLI, S. 582. 59 Grotius, 1913, lib. II, cap. II, § XVI, S. 120. 60 Institut de Droit International 1950. 61 Leicht abweichende Übersetzung bei Wollenschläger, 1985, S. 374. 58

I. Das Recht des Kriegs und des Friedens

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Aufnahme Fremder allein auf die Interessen der Staaten abgestellt, nicht auf die der betroffenen Individuen.62 Dem ähnlich gelte auch für die Ausnahme Asylberechtiger von der von Grotius grundsätzlich angenommenen zwischenstaatlichen Auslieferungspflicht, dass sie die zwischenstaatlichen Beziehungen des zur Strafe berechtigten Staates und des Asyl gewährenden Staates betreffe, nicht das Individuum als solches. Die Ausnahme betreffe deshalb unverdienterweise Verfolgte und geringfügige Straftaten, für welche die Auslieferungspflicht nicht praktikabel sei, nicht dagegen schwere und gerade nicht politische Straftaten.63 Inwiefern lassen sich solche Feststellungen und Folgerungen auf Grotius’ Werk stützen, inwiefern spricht es umgekehrt gegen sie?

I. Das Recht des Kriegs und des Friedens betrifft nicht allein zwischenstaatliche Rechtsverhältnisse Zunächst bedarf der Untersuchung, ob vielleicht bereits der Rahmen – Grotius’ Recht des Krieges und des Friedens – auf zwischenstaatliche Gesichtspunkte des Rechts begrenzt ist. Auf den ersten Blick scheint hierfür einiges zu sprechen. So diskutierte Grotius beide Hauptdimensionen von Asyl im Rahmen einer Abhandlung zum Recht des Kriegs und des Friedens. Eingangs der Prolegomena dieses Werkes betonte er, wie oft Autoren innerstaatliche Gesetze verschiedener Staaten angesprochen hätten, wohingegen bisher niemand das Recht gegenseitiger Beziehungen von Staaten und derer, die sie regierten, umfassend abgehandelt habe. Es sei im Interesse des ganzen Menschengeschlechts, dass dies geschehe.64 An systematisch zentraler Stelle scheint diese Aussage nahezulegen, seine Abhandlung habe einen zwischenstaatlichen Fokus. Ein genauerer Blick führt indes zu einer anderen, weniger eindeutigen65 Schlussfolgerung. Grotius, dem angeblichen66 Gründer des modernen Völkerrechts, ging es darum, den „schwersten aller Irrtümer kurz zu widerlegen“, wonach Recht und Gerechtigkeit nur im innerstaatlichen Bereich anwendbar seien, nicht mit Bezug

62

Tießler-Marenda, 2002, S. 250. Tießler-Marenda, 2002, S. 249 f. 64 Grotius, 1950, S. 31. 65 Schröder, 2000, S. 52 f. 66 Zur Geschichte und Kritik dieser Einordnung ausführlich Grewe, 1984; kritisch auch Schaffner, S. 103 f.; sowie Paul Hadrossek, Leben und Werk des Franciscus de Victoria, in: de Victoria, 1952, S. XI – XXVII, XXVII. Umgekehrt klar gegen die Verengungen der an letzterem Ort vertretenen Gegenthese, nicht Grotius, sondern de Victoria sei Vater „of anything so generalized and modern as ,International Law‘“: Pagden, Introduction, in: Vitoria, 2010, S. xiii – xxviii, xxviii. Mit Blick auf Grotius erliegt der Versuchung einer solchen Verengung auch der zu de Victoria u. a. so erhellende Artikel Lesaffer, 2002. 63

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B. Asyl – in Grotius’ Werk

auf das Verhältnis unter Staaten und den sie Regierenden.67 Er ging dabei so vor, dass er die Gemeinsamkeiten der philosophischen Wurzeln innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Beziehungen betrachtete und die Fragen, die damit verbunden waren, philosophisch radikalisierte. Für Grotius war Krieg, wie sein Gegenteil, Frieden, eine so fundamentale Struktur sozialer Phänomene, dass sie gerade nicht auf Beziehungen unter Staaten oder politischen Gebilden begrenzt war. Als Grotius Krieg definierte, zitierte er zunächst Cicero – wohl Buch I seines De officiis68 –, von dem Grotius schrieb, er nenne „den Krieg einen gewaltsamen Kampf.“69 Hiernach fuhr er fort und schloss sich einem Gebrauch des Wortes Krieg an, wonach es einen „ Otatus“,70 nämlich den „Zustand von Personen …, die miteinander gewaltsam kämpfen“,71 bezeichne. Er betonte den etymologischen Ursprung des Wortes Bellum (Krieg) in Duellum (Duell), wofür die Entzweiung charakteristisch sei, ähnlich wie für den Frieden die Einigkeit.72 Daher betraf Krieg, Grotius zufolge, „Streitigkeiten zwischen Personen, welche durch kein gemeinsames bürgerliches Recht verbunden sind“.73 Solche Auseinandersetzungen könnten sowohl unter Personen geführt werden, die sich noch nicht zu einem Volk verbunden hätten, als auch unter jenen, „die verschiedenen Völkern angehören, mögen es Privatpersonen sein oder Könige selbst oder die, welche als die Vornehmsten oder als freie Vöker die gleichen Rechte wie Könige besitzen.“74 Treffend folgerte Kadelbach, Subjekte des Jus Gentium seien Staaten, Herrscher sowie Herrscherinnen und private Personen gleichermaßen.75 Der Gegenstand seines Werks kann „nicht auf den modernen Völkerrechtsbegriff reduziert werden“; Grotius geht es gerade „nicht nur um das Recht zwischen den Völkern“,76 nicht allein um die internationalen, zwischenstaatlichen Dimensionen des Rechts. Jedenfalls das Thema 67

Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 2 – 8, S. 31 – 33. Cicero, 1913, S. 37. 69 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. II.1, S. 47. 70 Grotius, 1913, lib. I, cap. 1 § II, S. 1. 71 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. II.1, S. 47. 72 Schätzels Übersetzung ins Deutsche (Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. II.2, S. 47) gibt diese Passage nicht wieder, die im Original (Grotius 1913, lib. I, cap. 1 § II, S. 1) deutlich formuliert wird: „Duellum autem a duobus dictum Oimili Oen Ou quo pacem unitatem dicimus.“ In den bekanntesten englischen Übersetzungen wird sie dagegen übermittelt. Sie lautet in der Übertragung von Francis W. Kelsey (Grotius, 1925a, book I, chapt. I, § II.2, S. 34): „The word duellum, again, bears to duo, ,two‘, a relation in sense similar to that which we have in mind when we call peace ,union‘.“ Bei Tuck ist die Stelle bei etwas anderer Abschnittszählung (Grotius, 2005, Book I, chapt. I, § II.1, S. 135) so formuliert: „Now Duellum was derived from Duo, and thereby implied a Difference between two Persons, in the same Sense as we term Peace Unity (from Unitas) for a contrary Reason“ (Groß- und Kleinschreibung wie bei Tuck). 73 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. I, S. 47. 74 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. I, S. 47. 75 Kadelbach, 2017, S. 141: „[S]ubjects of jus gentium are states, rulers, and private persons alike“. 76 Härter, 2004, S. 242. 68

II. Der Schutz von Menschen als Ratio Legis der Aufnahme von Expulsi

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des Werks schließt eine auch individualrechtliche Perspektive auf Asylfragen nicht schon von vorneherein aus.

II. Der Schutz von Menschen als Ratio Legis der Aufnahme von Expulsi Zweitens bedarf der Untersuchung, ob Grotius das Receptum, die Aufnahme von Expulsi, zwangsweise aus dem Herkunftsstaat emigrierter Personen, lediglich als Gegenstand zwischenstaatlicher Beziehungen behandelte oder auch mit Blick auf einen eventuellen Zweck, individuelle Menschen zu schützen. Mir scheint eine hinreichend genaue Analyse Letzteres zu zeigen. In Buch II Kapitel II Abschnitt XVI seines De Jure Belli ac Pacis schrieb Grotius: „Aber selbst ein dauernder Aufenhalt darf den Fremden, welche, aus ihrer Heimat vertrieben, um Aufnahme bitten [receptum quærunt], nicht abgeschlagen werden [deneganda non e§t], sobald sie sich den bestehenden Staatsgewalten und Einrichtungen für die öffentliche Ruhe unterwerfen.“77

Gründe für ein Verständnis, das die Bedeutung für den zwischenstaatlichen Frieden betont und angeblich gerade nicht ein irgendwie geartetes Freizügigkeitsrecht von Individuen beinhaltet, hat Tießler-Marenda78 entwickelt. Der dominierende Gesichtspunkt sei für Grotius, wie Tießler-Marenda geltend machte, Amicitia, zwischenstaatliche Freundschaft, gewesen. Grotius äußerte in Buch III Kapitel XX Abschnitt XLI: „Die Aufnahme von Untertanen, die aus einem Gebiet in das andere übersiedeln wollen, verletzt die Freundschaft nicht. Dies entspricht nicht nur der natürlichen Freiheit, sondern ist auch nützlich … Dasselbe gilt für einen dem Ausgewiesenen gestatteten Aufenthalt [perfugium ex Oulibus]. Denn gegen Ausgewiesene hat … der ausweisende Staat kein Recht mehr.“79

Ein Staat konnte Personen, die als Exsules verbannt worden waren, aufnehmen. Eine ähnliche Situation ergab sich für als Expulsi vertriebene Menschen.80 Das rechtliche Konzept internationaler Freundschaft als Kriterium für das Recht eines Staates zur Aufnahme Fremder erklärt den großen Bereich der Ausnahmen von dieser Befugnis. Zu diesen gehören größere integrale Bestandteile anderer Staaten:

77

Dt. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155; lat.: Grotius, 1913, lib. II cap. II § XVI, S. 120. 78 Tießler-Marenda, 2002, S. 211 – 218. 79 Dt. Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.1, S. 569; lat.: Grotius, 1913, lib. III cap. XX § XLI, S. 582. 80 Tießler-Marenda, 2002, S. 211.

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B. Asyl – in Grotius’ Werk „Allerdings darf dies nicht auf Städte und große Menschenmassen ausgedehnt werden …, auch nicht auf die, die durch Eid oder sonst zu einem Dienst oder zur Sklaverei verpflichtet sind.“81

Auch jene, die sich einer gerechten Strafe entziehen möchten, dürfen nicht aufgenommen werden.82 Was andere Staaten essentiell verletzen oder die Realisierung einer nach damaligem Verständnis berechtigten Forderung gegen Individuen vereiteln konnte, konnte mit der Amicitia nicht vereinbar sein; andernfalls durften Fremde aufgenommen werden. Eine solche Fokussierung auf Befugnisse und Pflichten von Staaten und ihren Regierungen, nicht Individuen, fügt sich gut zu allgemeineren rechtlichen Tendenzen zu Grotius’ Lebzeiten der frühen Neuzeit.83 Kimminich formulierte hierzu: „Die Grundfassung jener Epoche des Asylrechts ist bekannt: Das Recht, Asyl zu gewähren, wird als subjektives Recht des souveränen Fürsten bzw. souveränen Staates betrachtet. Der einzelne Verfolgte hat kein subjektives Recht auf Asylgewährung.“84 Auch fügt sich all dies gut zur weit verbreiteten Ansicht, wonach in der grotianischen Tradition das Individuum nicht als unabhängiges Rechtssubjekt, das im Stande ist, Verpflichtungen und Rechte zu haben, sondern lediglich als Objekt des Rechts betrachtet werde.85 Diese Ansicht ist indes unvollständig. Wir müssen die rechtliche Perspektive von Individuen, die zur Flucht gezwungen waren, nicht aus der Auslegung ausschließen, wenn wir Grotius lesen. Die Aufnahme von Expulsi, vertriebenen Personen, hatte in Grotius’ Werk auch andere rechtliche Dimensionen als solche bloß solche zwischenstaatlicher Natur. Wenn wir uns vergegenwärtigen, was wir bereits früher sahen, wissen wir, dass für „Grotius das jus gentium aus Regeln für alle Beziehungen außerhalb innerstaatlichen Rechts bestand.“86 Innerstaatliches Recht band nicht im Verhältnis zwischen einem Staat und ausländischen Individuen, die sein Territorium noch nicht betreten hatten. Folglich war diese Beziehung vom Thema des Werks mit erfasst. In Buch II, Kapitel II, Abschnitt XVI sprach Grotius gerade nicht primär über zwischenstaatliche Dimensionen. Vielmehr verwendete er einen Wortlaut, der auf ein Verhältnis zwischen einerseits 81

Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. 83 Härter, 2011, S. 40: „Asyl als Schutz vor Strafverfolgung mittels Immunität, Verwehrung strafrechtlicher Verfolgung und Nichtauslieferung. Als einseitiger Akt des jeweiligen Inhabers des Asylrechts begründete es keinen Rechtsanspruch eines Verfolgten, konnte aber die Interaktion zweier Strafrechtssysteme (z. B. im Rahmen Auslieferungsersuchen) zur Folge haben“. 84 Kimminich, 1978, S. 41. 85 „[I]n the Grotian conception of international law, the individual is not regarded as an independent legal subject, capable of having obligations and rights, but only as a legal object“ (Vermeulen, 1983, S. 380 f.). 86 For „Grotius the jus gentium consisted in the rules covering all relations taking place outside the bonds of municipal law“ (Vincent, 2003, S. 243 f.). 82

II. Der Schutz von Menschen als Ratio Legis der Aufnahme von Expulsi

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der Person, die im möglichen Aufnahmestaat verantwortlich war, und andererseits Personen, die von ihrem ausländischen Herkunftsstaat vertrieben worden waren, hindeutete. Gerade nicht sprach er hier darüber, was einem Staat erlaubt war, ohne die Rechte eines anderen Staates oder die freundschaftlichen Beziehungen unter Staaten zu verletzen, sondern über eine Verpflichtung in einem anderen Verhältnis, nämlich, die Pflicht87 gegenüber Menschen mit Herkunft aus anderen Staaten. „Aber selbst ein dauernder Aufenhalt darf den Fremden, welche, aus ihrer Heimat vertrieben, um Aufnahme bitten [receptum quærunt], nicht abgeschlagen werden [deneganda non e§t] …“88

Vorsichtig bei der Verwendung von Worten, erscheint es fernliegend, Grotius könne dies versehentlich formuliert haben. Viel eher legt umgekehrt die Struktur seines Textes geradezu nahe, dass er Worte wählte, die sich auf einzelne oder Gruppen von Menschen beziehen. Denn die Stelle, an der sich die Äußerung befindet, steht im Kontext der Entfaltung eines zuvor geltend gemachten Vorbehalts anfänglicher Rechte aller Menschen. Es ging dabei um einen Vorbehalt gegenüber allen partikularen territorialen Herrschaftsrechten bei der Entstehung politischer Gebilde und privaten Eigentums bei Beendigung des Naturzustands. Kapitel II des Buches II seines De jure belli ac pacis behandelt Dinge, die ursprünglich allen Menschen gemeinsam gehörten.89 Das Konzept ursprünglich gemeinsamen Besitzes und eines Vorbehalts ist auf zweifache Weise relevant. Zum einen gibt es Grotius zufolge Gegenstände, die von vorneherein nicht in Privateigentum oder in exklusive, einem besonderen Volk eigene Herrschaftsbefugnisse übergehen [in proprium jus abire]90 konnten. Zu ihnen gehörte vor allem das Meer als Ganzes und in seinen wichtigsten Teilen, weil es für alle Völker zum Gebrauch für das Schöpfen von Wasser, zur Schifffahrt oder Fischerei zureichend sei, also der moralische Grund für eine Aufteilung wegfalle, aber auch, weil es nicht aufteilbar sei.91 Zum zweiten scheine für alle Gegenstände, soweit sie unter spezifische Herrschaftsrechte92 fielen,93 etwas vom ursprünglichen Recht wohlwollend zurückbehalten94 worden, ein wohlmeinender Vorbehalt vereinbart,95 „das Privateigentum 87

Reale, 1938, S. 509; Gibney, 2018, S. 3. Dt. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155; lat.: Grotius, 1913, lib. II cap. II § XVI, S. 120. 89 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. II, S. 146 – 148. 90 Grotius, 1913, lib. II cap. II § III, S. 114. 91 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. III, S. 148 f. 92 Schätzel übersetze hier „Privateigentum“, Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.4, S. 150. 93 Grotius, 1913, lib. II cap. II § VI, S. 116: „res omnes in dominos di Otinctæ“. 94 Grotius, 1913, lib. II cap. II § VI, S. 116: „cum benigna quadam receptione primitive juris videantur“. 88

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B. Asyl – in Grotius’ Werk

überhaupt nur mit dieser milden Beibehaltung des ursprünglichen Rechts eingeführt worden zu sein“.96 „Daraus folgt …, daß in der höchsten Not das alte Recht des Gebrauches wieder auflebt, als wären die Güter noch gemeinsam. In allen menschlichen Gesetzen und folglich auch bei dem Gesetz über das Eigentum erscheint jener Notfall ausgenommen.“97

Als zweiten, für die Zwecke der Aufnahmepflicht gegenüber Expulsi nur untergeordnet wichtigen Grund für die Rechtfertigung des Gebrauchs von Gütern, die anderen gehören, führt Grotius in Buch II Kapitel II Abschnitt XI die Innoxia Utilitas an. Ein zweites Recht98 oder, wörtlich,99 „[e]twas anderes ist die unschädliche Benutzung.“100 Sie impliziert, dass es eine moralische und rechtliche Pflicht gibt, das mit anderen zu teilen, was ihnen nützt, ohne diejenigen, die geben, zu belasten.101 Es gewinnt vor allem Bedeutung, wo kein Fall höchster Not vorliegt.102 Ein solcher ist aber in der Regel bei den Expulsi gegeben.103 Grotius behandelte nach alledem die Pflicht zur Aufnahme von zwangsweise emigrierten Expulsi innerhalb jenes Kapitels, in dem er diese Grundsätze – Vorbehalt usprünglicher Gebrauchsrechte in äußerster Not; Innoxia Utilitas – zuerst einführte und später differenziert auf Fallgruppen anwandte. So gehöre zwar ein Fluss einem Volk, in dessen Land er fließe, und könne deshalb mit Dämmen versehen werden, er bleibe aber zugleich, betrachtet als vorbeifließendes Gewässer, allen gemeinsam, so dass jeder daraus trinken und schöpfen könne.104 Auch müssten Flüsse und Ländereien Fremden für den Durchgang zu gerechten Zwecken offengehalten105 und Durchreisenden ein vorübergehender Aufenthalt erlaubt werden.106 Direkt auf diese Ausführungen folgt die bereits angeführte Passage: „Aber selbst ein dauernder Aufenthalt darf den Fremden, welche, aus ihrer Heimat vertrieben, um Aufnahme bitten, nicht abgeschlagen werden …“.107 Diese Verpflichtung – keineswegs bloß erlaubte Handlung, von der ein Staat ohne Weiteres positiv-rechtlich Abweichendes

95 Grotius, 1925b, S. 193: „all things seem to have been distributed to individual owners with a benign reservation of the primitive right.“ 96 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.4, S. 150. 97 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 98 „A second right is that of innocent use“ (Grotius, 1925b, S. 196). 99 Grotius, 1913, lib. II cap. II § XI, S. 117: „Alterum e Ot utilitatis innoxiæ.“ 100 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 101 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 102 Für Grotius überzeugend herausgearbeitet in der breiter angelegten Arbeit zur Innoxia Utilitas als Rechtsprinzip im Zeitalter des Absolutismus Luig, 2002, S. 255. 103 Tießler-Marenda, 2002, S. 193. 104 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XII, S. 152. 105 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. 106 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XV, S. 154 f. 107 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155.

III. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz dient Menschen

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regeln könnte108 – besteht nach alledem gerade nicht gegenüber einem anderen Staat oder Hoheitsträger, sondern es ist eine Pflicht gegenüber den Fremden selbst. Dass sowohl partikulares hoheitliches Imperium wie im eigentlichen Sinne privates Eigentum durch die Divisio Rerum und Occupatio erworben wird,109 legt nahe, dass als verpflichtetes Subjekt auch Träger hoheitlicher öffentlicher Gewalt, also ein Staat oder dessen Behörden in Betracht kommen. Es handelt sich also um eine Pflicht des potentiellen Aufnahmestaats oder der Person, die das Amt der Regierung bekleidet (Rector), gegenüber vertriebenen und geflüchteten Menschen. All dies spricht gegen die Verkürzung der Diskussion der Aufnahme von Expulsi auf die bloß zwischenstaatliche Dimension. Das fügt sich gut zur oben in Abschnitt B. I. entwickelten grundsätzlicheren Erkenntnis, die Raymond John Vincent so treffend auf den Punkt brachte: „Die Vorstellung …, dass ausschließlich Staaten Subjekte des Jus Gentium seien und Individuen lediglich seine Objekte, hätte Grotius für eigenartig gehalten.“110 Wenn wir uns jüngere Entwicklungen des Völkerrechts vergegenwärtigen, in deren Rahmen sich eine Betonung von Rechten und Pflichten auch von Individuen im Internationalen Recht111 abzeichnet, mag die Sicht von Grotius auf den Schutz zwangsweise migrierender Personen weniger fremd erscheinen als zunächst.

III. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz dient Menschen Drittens bedarf der Untersuchung, ob Grotius Asyl im Sinne einer Ausnahme von der grundsätzlich angenommenen zwischenstaatlichen Auslieferungspflicht lediglich mit dem Ziel der Ausbalancierung von Rechtspflichten unter Staaten behandelte. Ich glaube zeigen zu können, dass gründliche Prüfung uns zu dem Ergebnis führen wird, dass es Grotius auch um den Schutz betroffener Individuen ging. Dagegen scheint aber nicht nur bei erstem grobem Hinsehen einiges zu sprechen, so dass wir den Stoff hier sehr genau prüfen und ordnen müssen, um die Hindernisse für einen hinreichend klaren Blick aus dem Weg zu räumen, sie ins rechte Licht zu rücken und alles Relevante herauszuarbeiten. In Abschnitt IV des Kapitels XXI, „Über die Ausdehnung der Strafen auf andere“, postulierte Grotius, es sei die Pflicht eines Staates, auf dessen Gebiet eine andernorts als straffällig verurteilte Person sich aufhält, sie entweder zu bestrafen oder auszuliefern. Die Passage ist in folgende Worte gefasst: „Da jedoch die Staaten es nicht zu gestatten pflegen, daß der andere Staat bewaffnet in ihre Gebiete zur Vollstreckung solcher Strafen einrückt, dies auch bedenklich ist, so folgt, daß 108

Grotius, 1950, Buch I, Kap. 2, Abschn. V.1, S. 62; vgl. Tießler-Marenda, 2002, S. 197. Tießler-Marenda, 2002, S. 188; angedeutet bei Yanagihara, 1993, S. 151; vgl. dort aber zum ursprünglichen Erwerb einer sach- und gebietsunabhängigen Personalhoheit S. 156 – 159. 110 „[T]he idea … that states were exclusively the subjects of international law, and individuals merely its objects, Grotius would have found a peculiar one“ (Vincent, 2003, S. 243). 111 Peters, 2014, insbes. § 17, S. 469 – 485. 109

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B. Asyl – in Grotius’ Werk der Staat, in dem der Verbrecher sich aufhält, nach erlangter Kenntnis112 entweder ihn selbst auf Verlangen angemessen strafen oder ihn dem verletzten Staat zur Entscheidung überlassen muß.“113

Es ist dieser Zusammenhang, in dem Grotius im folgenden Abschnitt V seine Sichtweise zum Asyl ansprach: „Dem stehen auch die sogenannten Rechte der Schutzflehenden und die Privilegien der Asyle nicht entgegen. Denn diese kommen nur denen zugute, welche mit Unrecht verfolgt werden, nicht aber denen, welche sich gegen die menschliche Gesellschaft oder einzelne vergangen haben.“114

Grotius ordnete sein Kapitel 21 über die Ausdehnung der Strafen auf andere und das vorangehende Kapitel 20 über Strafen in Buch II seiner Abhandlung ein, das, wie er im ersten Satz des Kapitels I klarstellte, Gründe behandelte, die den Krieg rechtfertigten.115 Nichtauslieferung trotz Pflicht erscheint als ein solcher Grund,116 legitimes Asyl als rechtfertigende Ausnahme hiervon. All dies scheint eine Ansicht zu stärken, die zwischenstaatliche Aspekte des Asyls betont. Hinzu kommt Weiteres. Grotius scheint nämlich nur die Interessen des Herkunftsstaats und des Aufenthaltsstaats berücksicht zu haben, wo er die Reichweite der Pflicht zur Auslieferung auf solche Straftaten beschränkte, „die den Staat betreffen [quæ §tatum publicum tangunt] oder von besonders schwerer Natur sind. Bezüglich geringerer Vergehen besteht die Übung, daß man sie gegenseitig nicht beachtet, wenn nicht durch Verträge etwas anderes vereinbart ist.“117 Den gleichen Eindruck – allein staatliche und zwischenstaatliche Interessen seien für die Prägung der relevanten Rechtsverhältnisse von Bedeutung – könnte man erhalten, wenn man versucht, sich aus Grotius’ Vorstellung einen Reim zu machen, wonach in Ausnahmefällen selbst See- und Straßenräuber, wenn sie besonders gefährlich sind, zu Asylen zugelassen werden118 können: Nur Interessen der öffentlichen Sicherheit erlauben es, dies zu rechtfertigen. De Wilde drückte kürzlich eine derzeit wohl vorherrschende Ansicht über Grotius’ Vorstellungen von Asyl wie folgt aus:

112

Hier steht im lateinischen Text: „qui culpæ est compertus“ (Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § IV, S. 368), so dass Kelsey wohl zu Recht übersetzt hat: „he who has been found guilty“ (Grotius, 1925b, S. 527). 113 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. IV, S. 368 f. 114 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. V, S. 370. 115 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 1, Abschn. I.1, S. 135. 116 Price, 2009, S. 35. 117 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. V.5, S. 373; lat.: Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 371. 118 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. V.5, S. 373.

III. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz dient Menschen

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„Es ist wichtig zu beachten, dass Grotius … sich in De iure belli auf das Recht von Staaten, Asylsuchende aufzunehmen, nicht auf das Recht Asylsuchender, aufgenommen zu werden, bezieht.“119

Jene Ansicht, die Asyl schwächt und alles, was einer eigenständigen rechtlichen Position von Individuen nahe kommen könnte, fast zum völligen Verschwinden bringt, erscheint noch stärker, wenn man die gängigen deutschen Übersetzungen des ersten Satzes der Passage zum Asyl liest. Wo es im lateinischen Original heißt: „Neque ob Otant illa adeo prædicata Oupplicum jura & a Oylorum exempla“,120 übertragen dies die zumeist zitierten Übersetzungen wie folgt ins Deutsche: „Dem stehen auch die sogenannten Rechte der Schutzflehenden und die Privilegien der Asyle nicht entgegen“.121 Diese Wortwahl vermindert Rechte, so dass aus ihnen „die sogenannten Rechte“ werden. In der französischen Übersetzung von Pradier-Fodéré, bekannt als besonders vertrauenswürdig,122 werden dagegen die „prædicata §upplicum jura“ mit „[l]es droits tant vantés des suppliants“123 wiedergegeben. Dies bedeutet in etwa „die so hoch gelobten Rechte der Schutz Suchenden“ (mein Versuch einer Übersetzung aus dem Französischen). Dem ähnlich, interpretierte Richard Tuck die Stelle auf Englisch als „the so much revered rights of suppliants or refugees“.124 Liest man die ausgiebigen Zitate antiker und biblischer Quellen über Asyle, die in Grotius’ Text folgen und berücksichtigt man die respektvolle Art und Weise, in der er ihre Bedeutung ehrt und in seiner Interpretation zur Geltung bringt, so erscheint der eher distanzierte, vielleicht gar abwertende Ausdruck „die sogenannten“ kaum als angemessen. Eher scheinen die „droits tant vantés“, die „much revered rights“ oder Kelseys „much discussed rights of suppliants“125 damit übereinzustimmen. Darüberhinaus wies Grotius, indem er kurz beschrieb, wer in den Genuss asylrechtlichen Auslieferungsschutzes kommen sollte, deutlich auf die zu Grunde liegende Rechtfertigung solchen Schutzes hin. Rechte auf Schutz „illis pro Ount qui immerito odio laborant“126 – sind für jene, die unter unverdienter Feindseligkeit leiden. Genau wie die Aufnahme von Expulsi schützen sie nicht vor genuin strafrechtlicher Verfolgung. Sie sind übrigens auch nicht begrenzt auf jene, die ungerechterweise verfolgt werden – wie eine ältere Übersetzung dieser Passage ins Französische und die gewöhnlich zitierten Übersetzungen ins Deutsche es nahe 119

„It is important to note that Grotius …, in De iure belli, refers to the right of states to admit asylum-seekers, not the right of asylum-seekers to be admitted“ (de Wilde, 2018, S. 492). 120 Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 369. 121 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. V, S. 370; wortgleich schon Grotius, 1869, S. 116. 122 Alland, in: Grotius, 2012a, S. 1. 123 Grotius, 2012a, S. 516. 124 Grotius, 2005, S. 1067. 125 Grotius, 1925b, book II, chap. XXI, § V, S. 530. 126 Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 369.

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B. Asyl – in Grotius’ Werk

legen.127 Sondern: „Hæc enim illis pro Ount qui immerito odio laborant“, Asylrechte sollen, darüber hinausgehend, auch andere schützen, die unter irgendeiner Art unverdienter Feindseligkeit leiden.128 Neuere Übersetzungen in moderne Sprachen geben dies auch deutlich wieder.129 Das schließt natürlich alle ein, die ohne Rechtfertigung durch im geltenden Strafrecht verankerte Gründe verfolgt werden, aber eben auch andere, für die von Menschen Gefahr ausgeht. Dies alles verändert die Perpektive. Gewiss zitierte Grotius zustimmend Dion Chrysostomos, der es zu den Übeln, die aus der Uneinigkeit der Staaten hervorgingen, rechnete, dass jenen, die Rechte eines Staates verletzt hätten, gestattet sei, in einen anderen zu fliehen.130 Und gewiss behandelte Grotius legitimes Asyl im Rahmen des zwischenstaatlichen Zusammenhangs der Auslieferung: als Ausnahme, die nicht dem Grundsatz der von Grotius angenommenen allgemeinen Pflicht, verurteilte ausländische Straftäterinnen und Straftäter auszuliefern oder zu bestrafen, widersprach, weil sie auf bestimmte Fallgruppen beschränkt war. Aber diese Ausnahme hatte ihrerseits eine Rechtfertigung, welche außerhalb dieser Beziehung lag. Diese Rechtfertigung hatte mit der Frage zu tun, ob eine Person mit einem Übel konfrontiert war, das absichtlich von anderen Menschen verursacht wurde (Odium, Feindseligkeit), und ob diese Lage, im Gegensatz zu strafrechtlicher Verfolgung, immeritus, unverdient war. Zum zentralen Gesichtspunkt der Betrachtung wurden daher, wo Grotius Asyl rechtfertigte, die Schutz suchenden Supplices, genauer: die Rechte Schutz Suchender, „§upplicum jura“. Sowohl die Frage, ob ihr jeweiliges Leiden qualifiziert war als Leiden unter Feindseligkeit, als auch die weitere, ob ihr vorangegangenes zurechenbares Verhalten oder nicht zurechenbares Schicksal dieser Feindseligkeit zu Grunde lag, sollte entscheidend bestimmen, ob sie für ein Asyl qualifiziert waren, das sie schützen konnte. Die „§upplicum jura“ waren in der Tat Rechte der um Schutz bittenden Supplices, und zwar solche, die intrinsisch gerechtfertigt waren und deren Funktionsweise auf andere Weise nicht verständlich werden konnte. Dass diese Rechte bereits zuvor prædicata, vielleicht gelobt, jedenfalls aber erwähnt und diskutiert worden waren, bedeutet nicht, dass es sich um lediglich so genannte Rechte handelte; eher zeigt es, dass der Wert dieses Schutzes bereits zuvor von anderen geahnt und wahrgenommen worden war. So dürfte Grotius’ frühneuzeitliches Bestreben, die überkommene, eher willkürliche herrschaftliche Asylpraxis einzuhegen, um Auslieferung zu ermöglichen, auf diese Weise zwischenstaatliche Konflikte zu minimieren131 und die Strafverfolgung weniger oft leerlaufen zu lassen, zu einem Rechtfertigungsdruck auf die Einrichtung des Asyls geführt haben sowie dazu, dass Asylgewährung neu begründet und an das Gerech127

Grotius, 1724, S. 643; Grotius, 1869, S. 116; Grotius, 1950, S. 370. Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 369. 129 Grotius, 1925b, book II, chap. XXI, § V, S. 530: „those who suffer from undeserved enmity“; ähnlich auf Französisch Grotius, 2012a, 516: „Ils ne servent, en effet, qu’à ceux qui sont les victimes d’une haine imméritée.“ 130 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. IV, S. 370. 131 Price, 2009, S. 35. 128

III. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz dient Menschen

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tigkeitskriterium geknüpft wurde, ob einzelne Menschen unter unverdienter Feindseligkeit litten.132 Diese Argumentation fügt sich gut zu einem zentral platzierten Textbefund. Als Grotius sich zu Beginn seiner Abhandlung daran machte, in Buch I „sein System subjektiver Rechte vorzubereiten“,133 hatte er Jus,134 gesetzliches Recht, definiert. Im Anschluss an Ulpian135 schrieb er dort, Jus sei stets mit Gerechtigkeit verbunden, „jus hic nihil aliud quam quod ju Otum e Ot Oignificat“,136 Recht bedeute „hier nur das Gerechte“.137 Zusätzlich und spezifischer definierte er Jus als „Qualitas moralis per Oonæ“,138 nämlich als „moralische Eigenschaft, kraft der eine Person etwas mit Recht haben oder tun kann“.139 Wie Stephen Neff zutreffend formuliert hat, bedeuten solche Rechte „entitlements vis-à-vis some other person, with respect to some identifiable transaction or relationship“,140 berechtigende Ansprüche gegenüber einer anderen Person, bezogen auf ein identifizierbares Geschäft oder Verhältnis. Es wäre überraschend, hätte Grotius später den Terminus Jus unbedacht verwendet, seine eigene Definition ignoriert und nicht darauf geachtet, wem er mit dem gewählten Wortlaut Rechte zuschrieb: Grotius verwendete nicht nur just jenen Ausdruck Jus, den er mit der Konnotation der Eigenschaft einer Person verbunden hatte. Vielmehr bettete er ihn zusätzlich ein in die Formulierung „§upplicum jura“, der Schutz Suchenden Rechte, wo er andere Formulierungen hätte wählen können, etwa eine eher objektivrechtliche Formulierung – Jus Asyli (Recht des Asyls)141 oder Ähnliches – oder eine solche, die als Subjekt des Asylrechts die staatlich gefasste Bürgerschaft (Civitas) oder eine Person, die das Amt der Regierung innehat (Rector), einsetzt. Trotz solcher Möglichkeiten entschied sich Grotius dagegen für eine Formulierung, die auf Rechte Schutz Suchender hindeutet. Stephen Neff hat betont, 132 Kimminich, 1978, S. 45 f.: „Unter dem Einfluß der Lehre Jean Bodins führten die Naturrechtler einen neuen Gedanken in die Diskussion ein: die Verpflichtung aller Staaten, Verbrechen zu unterdrücken und zu bekämpfen; das Asyl sollte nicht länger dazu dienen, dem Verbrecher Straflosigkeit zu gewähren. Dieser Gedanke, der zunächst die Institution des Asyls überhaupt auszulöschen schien, trug dazu bei, das Asyl für den politischen Flüchtling zu reservieren. Dies bedeutete einen grundlegenden Wandel der Auffassungen … Nun endlich wird auch das Asyl wieder dem Bereich der willkürlichen Politik entzogen und dem Bereich des Rechts zugeteilt.“ Ähnlich und etwas ausführlicher zuvor Reale, 1938, S. 508 f. 133 Kadelbach, 2017, S. 142 (Übersetzung des Verfassers). 134 Aufschlussreich zu Bedeutungen von „Jus“ bei Grotius und ihren Beziehungen zueinander: Tanaka, 1993b, S. 32 – 38. 135 Dig. 1.1.1, zit. nach Behrends, 1995, S. 91. 136 Grotius, 1913, lib. I, cap. I, § III, S. 2. 137 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. III.1, S. 47. 138 Grotius, 1913, lib. I, cap. I, § IV, S. 2. 139 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, S. 48. 140 Neff, 2012, S. xxvii. 141 Zur objektiv-rechtlichen Bedeutung „The law relating to the granting of asylum or political refugee status“ als einer mehrerer möglicher Interpretationen von Ius asyli vgl. Artikel „Ius asyli“ in Fellmeth/Horwitz, 2011.

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B. Asyl – in Grotius’ Werk

Grotius’ Konzeption der Rechte im Werk Zum Recht des Kriegs und des Friedens sei überwiegend jene der engen Art,142 also der moralischen Qualität einer Person. Zumindest enthielten Grotius’ „§upplicum jura“, wohl gegen noch vorherrschende Tendenzen seiner Zeit, den rationalen Keim eines Rechts im Sinne von Georg Jellineks subjektivem Recht143 oder des französischen Droit subjectif,144 mithin eines berechtigenden Anspruchs.

142

Neff, 2012, S. xxvii. Jellinek, 2011, S. 54 f. 144 Haggenmacher, 1997, S. 73 und 112; Mautner, 2013, S. 120.

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C. Aufnahme von Expulsi und kommerzielle oder koloniale Unternehmungen Eine weitere Weise, das Individuum in Grotius’ System zu schwächen, besteht darin, die Aufnahme unfreiwillig migrierender Expulsi in den größeren historischen Kontext einer Argumentation zur Rechtfertigung kommerzieller oder kolonialer Aktivitäten einzuordnen. Dies, so könnte man meinen, führt zu einer Ansicht, welche die Zulassung von zwangsweise emigrierten Expulsi zur Ansiedelung lediglich als Ausfluss oder moralische Verzierung einer Argumentation erscheinen lässt, die eigentlich dazu diene, Interessen an internationalem Handel oder an Kolonisation aggressiv zu vertreten. Dies würde, wenn es überzeugte, nahelegen, dass die Aufnahme vertriebener Fremder eher als zufälliges Accidens zu betrachten wäre denn als Hinweis auf ein wesentliches und echtes Interesse an der Rechtsstellung von Personen, die zwangsweise ihre frühere Heimat verlassen hatten, um ihre Haut – Leib, Leben oder persönliche Freiheit – zu retten. Für diese Sichtweise scheint viel zu sprechen. Sie als abwegig oder von vorneherein unplausibel widerlegen zu wollen, dürfte kaum Aussicht auf Erfolg haben. Wohl dagegen lässt sich zum einen zeigen, dass die Betrachtung von Hugo Grotius’ vielschichtigem und reichhaltigem Werk damit gar zu sehr auf ein einziges Motiv verengt wird, obwohl unterschiedliche tatsächliche Interessen seine Abfassung angeregt haben dürften, zum anderen, dass eine solche einengende Interpretation der normativen Argumentation, die Grotius wählte und uns nun vorliegt, nicht gerecht wird.

I. Grotius’ Orientierung an kommerziellen und kolonialen Interessen Viele Autorinnen und Autoren haben gezeigt, wie eng Grotius’ Argumentation sowohl allgemein als auch, spezifischer, auf Migration bezogen, mit kommerziellen und kolonialen Unternehmungen seiner Zeit verbunden war.145 Ehe Grotius 1625 sein De jure belli ac pacis veröffentlichte, hatte er sich für die Verteidigung der Kaperung des portugiesischen Schiffs Sta. Catarina durch seinen Vetter, Jacob van Heemskerck, eingesetzt, zu der es am 25. Februar 1603 im Malaiischen Archipel, den damals so bezeichneten Ostindischen Inseln, wohl nahe dem heutigen Singapur gekommen war,146 sowie für die Rechtfertigung des Verkaufs der sehr wertvollen 145 van Ittersum, 2006; Cairns, 2008; Cavallar, 2008, S. 192 – 198; Wilson, 2008; Tuck, 2011, S. 106 f. 146 Borschberg, 1999, S. 226; van Ittersum, 2003, S. 511.

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C. Aufnahme von Expulsi und kommerzielle oder koloniale Unternehmungen

Prise.147 Dies bewerkstelligte er in seinem Mare Liberum aus dem Jahr 1609, indem er gegenüber der portugiesischen Blockade ein Recht auf Freiheit des Handels und der Schifffahrt auf der See geltend machte.148 Grotius’ Behauptung, wonach das Recht, Krieg zu führen, nicht allein auf Staaten beschränkt war, diente hier dem Zweck der Rechtfertigung der Kaperung durch Kapitän van Heemskerck und ähnlichen Akten privater Handelsgesellschaften, insbesondere der sich entwickelnden niederländischen Vereinigten Ostindien-Kompanie.149 Später, nachdem die Niederlande selbst begonnen hatten, Siedlungen zu gründen – 1619 auf den damals so genannten Ostindischen Inseln, dann, in den 20er Jahren des XVII. Jahrhunderts auf Manhattan (Neu Amsterdam, später Neu Haarlem) und in den sonstigen Neu Niederlanden –, begannen sie zunehmend weitere Kolonien zu gründen, so etwa Niederländisch-Guayana in den Guyanas und die Kolonie Neu-Holland im heutigen Gebiet Brasiliens.150 Hatte de Victoria das Recht verneint, gegen nicht christliche Völker Krieg zu führen, um sie für Verletzungen gegen naturrechtliche Gesetze, wie etwa Akte des Kannibalismus, Inzest oder der Sodomie, zu bestrafen151 – allein Schutz vor Tyrannei erkannte de Victoria als Rechtfertigungsgrund an152 –, kannte Grotius auch Strafe als Rechtfertigung für Krieg. So äußerte er in Buch II Kapitel 20 Abschnitt XL seines De Jure Belli ac Pacis, legitime Regierungen könnten mit Recht „Strafen nicht nur wegen des gegen sie und ihre Untertanen begangenen Unrechts fordern, sondern auch wegen Taten, die zwar eigentlich nicht sie selber treffen, aber in einzelnen Personen das Natur- und Völkerrecht in roher Weise verletzen.“153

Richard Tuck betonte in seiner Analyse Folgendes: „Die Idee, dass fremde Herrscher Tyrannen, Kannibalen, Seeräuber, diejenigen, die Siedlerinnen und Siedler töten und die ihre Eltern inhuman behandeln, bestrafen dürfen, rechtfertigte säuberlich einen Großteil europäischen Vorgehens gegen indigene Völker um die Welt. Sie lag beunruhigend nahe an den Argumenten der Zeit vor de Vitoria, welche die Spanier in Amerika benutzt hatten … Der zentrale Grund, aus dem Grotius seine Argumentation in diese Richtung entwickelt hatte, war, glaube ich, dass die Niederländer damit begonnen hatten, den Charakter ihrer Aktivitäten in der nicht europäischen Welt seit früheren Werken Grotius’ zu ändern, insbesondere begonnen hatten, Gebiete zu annektieren.“154

Wenn wir Grotius’ Äußerungen mit Bezug auf Migration betrachten, so scheint es, als könnten wir sie in diesen Zusammenhang einordnen. Zwar argumentierte Grotius 147

Armitage, Introduction, in: Grotius, 2004, xii – xiii. Grotius, 1919, z. B. 13. Kap., S. 85 – 89; Grotius, 2004, S. 57 – 60. 149 Tuck, 2011, S. 85. 150 Tuck, 2011, S. 104. 151 de Victoria, 1952, Relectio de Indis, Sectio 2, Fünfter Rechtstitel, These Nr. 16, S. 85; Vitoria, 2010, Question 2, Article 5, § 40, S. 273. 152 de Victoria, 1952, Relectio de Indis, Sectio 3, Fünfter Rechtstitel, These Nr. 15, S. 111; Vitoria, 2010, Question 3, Article 5, § 15, S. 287 f. 153 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. XL.1, S. 354. 154 Tuck, 2011, S. 103 (Übersetzung des Verfassers). 148

I. Grotius’ Orientierung an kommerziellen und kolonialen Interessen

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wie schon zuvor, so auch in Buch II, Kapitel 2 erneut, dass die See niemandes Eigentum werden könne,155 was einem privilegierten Zugang einer bestimmten Kolonialmacht gegenüber anderen Handel Treibenden oder Reisenden entgegen steht. Aber er fuhr fort, indem er geltend machte, es müssten Länder und Flüsse „allen zum Durchgange für gerechte Zwecke offen stehen“.156 Als Beispiele für gerechte Zwecke nannte Grotius zum Beispiel Handel.157 Grotius stellte ferner fest: „Befinden sich innerhalb eines Gebietes verlassene und wüste Ländereien, so müssen sie den Ankömmlingen auf ihr Ersuchen überlassen werden. Ja, sie dürfen von ihnen in Besitz genommen werden, weil das, was niemand bebaut, auch nicht als im Besitz befindlich gelten kann, soweit die nur die oberherrliche Gewalt dem alten Volke unversehrt bleibt.“158

Indem Grotius geltend machte, unkultiviertes Land gelte nicht als Besitz, „präsentiert Grotius eine embryonische Form des auf Kultivierung von Land abstellenden Arguments, das Locke und Vattel später polularisierten“159 und das von Denis Diderot und Immanuel Kant wegen seiner aggresiven Implikationen stark angegriffen wurde.160 Tuck interpretierte all dies wie folgt: Es gebe bei Grotius „ein allgemeines natürliches Recht, leeres Land zu besitzen, aber man muss sich den örtlichen politischen Hoheitsträgern beugen, unterstellt, sie sind bereit, einen siedeln zu lassen. Sind sie das nicht, dann ist die Lage anders, da dann die örtlichen Hoheitsträger einen Grundsatz des Naturrechts verletzt haben und mit Krieg gegen sie bestraft werden können.“161

Deshalb sei „der Kern der Argumentation von Grotius, dass Hoheitsrechte sich nicht dafür eigneten, als Rechtfertigungsgrund für die Verhinderung freien Durchgangs oder der In-Besitz-Nahme leeren Lands eingesetzt zu werden: Da beide Aktivitäten vollständig legitim seien, könnten keine örtlichen Hoheitsträger Rechte über Menschen auf ihrem Hoheitsgebiet haben, die sich auch darauf ersreckten, zu verhindern, dass sie sich so verhalten. … Diese Sicht auf Kolonisation … fügte sich genau zu den tatsächlichen niederländischen Praktiken in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts: Wie der berühmte Ankauf der Insel Manhattan im Jahr 1626 illustriert, waren die Niederländer im allgemeinen ziemlich darauf bedacht sicherzustellen, dass diejenigen, die sie für örtliche Hoheitsträger hielten, mit der Entfernung von Land aus ihrer Hoheitsgewalt einverstanden waren.“162

155

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. III.1, S. 148. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. III.1, S. 148. 157 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. 158 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVII, S. 155. 159 Cavallar, 2008, S. 197, Übersetzung des Verfassers. 160 Zurbuchen, 2015, S. 195; Kant, 1969b, S. 353. 161 Tuck, 2011, S. 106, Übersetzung des Verfassers. 162 Tuck, 2011, S. 107, Übersetzung des Verfassers. 156

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C. Aufnahme von Expulsi und kommerzielle oder koloniale Unternehmungen

Die Passage in Grotius’ Recht zum Krieg und zum Frieden über die Aufnahme von vertriebenen und zwangsweise emigrierten Fremden zum Daueraufenthalt steht im Zusammenhang mit jenen anderen Textstellen Buch II, Kapitel 2, auf die sich Tuck bezieht.

II. Gründe für eine zurückhaltende Interpretation Ein näherer Blick legt etwas Zurückhaltung und eine Mäßigung bei Schlussfolgerungen nahe. Grotius hatte nicht nur im März 1609 – also vor dem Beginn der eigentlich kolonialen Bestrebungen der Niederlande – bestritten, dass die Spanier und Portugiesen einen gerechten Grund für einen Krieg gegen indigene Bevölkerungen etwa in Java, Ceylon163 oder andere entlegene Gegenden gehabt hätten. Denn diese Bevölkerungen hätten Offenheit für Handel gezeigt.164 Das führte dazu, dass er die spanische Kolonialpolitik als rechtswidrig ablehnte.165 Zwar war eine solche Kritik ganz im niederländischen Interesse, das mit Interessen der damals noch übermächtigen iberischen Kolonialmächte konkurrierte. Es liegt aber nicht fern, dass dieses Argument oft auch gegen gewaltsame Landnahme in Nordamerika und Möglichkeiten, die sich den Vereinigten Provinzen dort bieten konnten, hätte angeführt werden können. Jedenfalls legte es auch Niederländern eher Zurückhaltung und friedliche Vereinbarung als Eroberung nahe. Ähnliches gilt für die Ablehnung der Möglichkeit einer Exklusivität von Rechten, zwischen Völkern Handel zu treiben,166 oder für die Argumentation für die Offenheit der Meere und gegen exklusive Rechte von Kolonialmächten zu ihrer Nutzung für den Handel. Aber auch später, in De jure belli ac pacis, warnte Grotius, nachdem er das Recht der Kriegführung als Strafe für Verletzungen von Gesetzen des Naturrechts bekräftigt hatte, vor den Gefahren, die mit der zu Grunde liegenden Argumentation verbunden seien. In Buch II, Kapitel 20, Abschnitt XLI, erkannte Grotius die Möglichkeit an, dass diese Argumentation als Vorwand genutzt werden könne, um Gier als Motivation zu verbergen, um anderer Menschen Eigentum an sich zu reißen, sowie die Gefahr, das Naturrecht mit den eigenen nationalen Gewohnheiten zu verwechseln.167 In Abschnitt XLIII führte Grotius epistemische Schwierigkeiten an.168 Schließlich fasste er zusammen: „Kriege, die unternommen werden, um eine Bestrafung herbeizuführen, sind der Ungerechtigkeit verdächtig, es sei denn, daß die Verbrechen 163 Vgl. zu Sri Lanka in Grotius’ De Jure Praedae (1604) und Mare Liberum in diesem und weiteren Zusammenhängen de Silva, 1990. 164 Zurbuchen, 2015, S. 182; Grotius, 1919, 2. Kap, S. 28 und 4. Kap., S. 33 f.; Grotius, 2004, S. 13 und 18. 165 Tießler-Marenda, 2002, S. 204. 166 Grotius, 1919, 8. – 12. Kap., S. 74 – 84; Grotius, 2004, S. 49 – 56. 167 Grotius, 1950, Buch II, 20. Kap., Abschn. XLI, S. 355 f. 168 Grotius, 1950, Buch II, 20. Kap., Abschn. XLIII, S. 356.

III. Eigenständige Bedeutung von Struktur u. Begründung des Asylrechts

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ganz grob und ganz offenbar sind oder daß eine andere ähnliche Ursache hinzukommt.“169 Nach alledem lässt sich über Grotius’ Überlegungen jedenfalls sagen: „Eine schlichte Legitimationstheorie imperialer Gewaltanwendung bilden sie nicht.“170 Trotzdem sollte Emer der Vattel später Grotius vorwerfen, Vorwände für die Enthemmung von Habgier und Auschreitungen von Schwärmerei und Fanatismus zu liefern, die seine Mahnung zur Vorsicht letztlich nicht einhegen könne.171

III. Eigenständige Bedeutung von Struktur und Begründung des Asylrechts Wie wir bisher haben sehen können, scheint Grotius’ Argumentation zu Migrationsfragen sich gut zu einer solchen zu fügen, die – allenfalls leicht modifiziert – aggressiv verfolgte kommerzielle und koloniale Interessen unterstützte. Verliert seine Argumentation zur Aufnahme Vertriebener und anderen Asylfragen so ihren gesamten Wert für uns, die wir Jahrunderte später leben und guten Grund haben, die Menschen verachtende, abscheuliche Gewalt des Kolonialismus kritisch und mit Ablehnung zu betrachten? Ich glaube zeigen zu können, dass das – auch bei entschiedener Ablehnung jeder juristischen Verschleierung kolonialer Gewalt – nicht zutrifft. Ein erster Hinweis auf wesentliche Gründe hierfür dürfte sich bei der Betrachtung folgender Fragen erschließen: War es, vielleicht abgesehen von der Hinzufügung eines zierenden Elements, das von allgemeinen Absichten ablenken konnte, überhaupt irgendwie hilfreich, den Umgang mit Expulsi in Grotius’ Abhandlung zu diskutieren, wenn die Ausführungen zu Migration lediglich dazu dienen sollten, die Verfolgung kommerzieller und kolonialer Interessen zu rechtfertigen? Gewiss lagen das Potential für Missbrauch der allgemeinen migrationsrechtlichen Argumentation für die Unterstützung von Handels- und Kolonialinteressen, wie gezeigt, auf der Hand, aber war dieses Missbrauchspotential auch gerade mit einer spezifischen Pflicht gegenüber Expulsi, die sich in bitterer Not befanden, verbunden? Waren die Pflicht, vertriebene Fremde dauerhaft siedeln zu lassen, und die ihr zu Grunde liegende Begründung überhaupt mit kommerziellen oder expansionistischen Implikationen verbunden? Und selbst falls ja: Ist es nicht legitim, wie de Wilde172 zutreffend formulierte, einen Blick darauf zu werfen, inwiefern Grotius’ Lehre in anderen Zusammenhängen als Argument dienen könnte, das Fremden eher helfe als sie zu enteignen? Ist es nicht genau das, was „Third World eyes“,173 Augen und Stimmen aus Entwicklungsländern, derzeit betonen würden? Migrationsfreiheit scheint, klug gestaltet, nicht zwingend kolonialen Bestrebungen dienen zu müssen. 169

Grotius, 1950, Buch II, 20. Kap., Abschn. XLIII, S. 356. Mahlmann, 2015, S. 207. 171 Zurbuchen, 2015, S. 189 f.; de Vattel, 1916, liv. II, chap. I, § 7, S. 263; dt. de Vattel, 1959, Buch II, Kap. I, § 7, S. 187 f. 172 de Wilde, 2018, S. 481. 173 Juss, 2004, S. 305. 170

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C. Aufnahme von Expulsi und kommerzielle oder koloniale Unternehmungen

Insbesondere scheint sie derzeit nicht mehr so etwas wie einem Kolonialismus zu dienen. Imperiale, hegemoniale oder sonst auf Vorherrschaft ausgerichtete Bestrebungen haben inzwischen überwiegend andere Gestalt angenommen als jene der Ansiedelung von Menschen. Eher als andere Länder mit Siedlungen zu kolonisieren, „sind die Länder der nördlichen Halbkugel … an vorderster Front dabei gewesen, wenn es [in den letzten Jahren, R. K.] um die Entwicklung restriktiver Politiken ging“.174 Politische, wirtschaftliche und klimatische Änderungen stellen neue Bedrohungen für die besonders Verletzlichen dar und damit neue, in heutiger Perspektive für Menschenrechte relevante Fragen, besonders wenn gefährdete Personen nicht migrieren können. Das legt eine Perspektive nahe, die für manche Zusammenhänge „Freizügigkeit als Komponente von Menschenrechten sieht.“175

174 175

Juss, 2004, S. 302, Übersetzung des Verfassers. Juss, 2004, S. 302, Übersetzung des Verfassers.

D. Expulsi in den Remonstrantie über die Regelungen betreffend Jüdinnen und Juden Was wir in Abschnitt C. III. sahen, lässt zumindest Zweifel zurück, ob wir Grotius’ Gedanken zur Aufnahme der Expulsi und zum Schutz von Personen, die unverdiente Feindseligkeit zu erwarten hatten, vor Auslieferung auschließlich aus dem historischen Zusammenhang mit Handel und Kolonialismus verstehen können. Es mag deshalb helfen, die Überlegungen über diesen einen historischen Kontext und seine Legitimationszusammenhänge hinaus auszudehnen. Um dies tun zu können, soll zunächst untersucht werden, welche weiteren Interessen Grotius erwogen haben könnte. Auch werden wir versuchen, seine formulierte Argumentation ernstzunehmen, um unsere Erwägungen zu entwickeln – gewiss ohne Naivität mit Blick auf reale oder mögliche Implikationen für andere Kontexte. Wenn wir das tun, wird deutlich, dass die Reduktion der Argumentation Grotius’ auf die Legitimation kommerzieller und kolonialer Interessen der komplexen Arbeit Grotius’ nicht gerecht wird. Beim Versuch, die Reichweite unserer Untersuchung von Grotius’ Werk auszudehnen, stoßen wir auf seine frühere Arbeit an der Bestimmung der Rechtsstellung von Jüdinnen und Juden in den Niederlanden. Im Jahr 1615 war Grotius „von den Staaten Hollands und West-Frieslands beauftragt worden, für sepharische Jüdinnen und Juden, die aus Spanien und Portugal vertrieben worden waren und in den niederländischen Provinzen Zuflucht genommen hatten, rechtliche Regelungen zu entwerfen“.176 Grotius tat dies in seinem Text Remonstration betreffend die Ordnung, die Juden in den Ländern Holland und West-Friesland auferlegt werden soll.177 Grotius hatte darin unter anderem die Frage zu beantworten, „ob Jüdinnen und Juden zu diesem Land zugelassen werden sollen“.178 Zwar trifft es wohl zu, dass diese Frage primär oder zumindest auch im Interesse der Elite des Handels an der Intensivierung des Austauschs mit Übersee und an der Ansiedlung portugiesischer 176

de Wilde, 2018, S. 474, Übersetzung des Verfassers. Übersetzung des Verfassers. Der Text hieß im frühneuniederländischen Original Remonstrantie nopende de ordre dije in de landen van Hollandt ende Westvriesland dijent gestelt op de Joden (Grotius, 2019, S. 59). Diesen Titel hat de Wilde, 2017, S. 392 wie folgt auf Englisch wiedergegeben: Remonstrance concerning the order to be imposed upon the Jews in the lands of Holland and West-Vriesland. In der neuen Ausgabe aus dem Jahr 2019 wird er wie folgt ins Englische übersetzt: A Remonstrantie on the Regulations to Be Instituted in Holland and West Friesland regarding the Jews (Grotius, 2019, S. 199). 178 Übers. des Verfassers aus dem Englischen. Bei Grotius, 2019, S. 199 heißt die Frage: „whether the Jews ought to be admitted to this country“, im Original: „offmen de Joden hijer in t’landt behoort te tolereren“ (Grotius, 2019, S. 61). 177

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D. Expulsi in den Remonstrantie über Regelungen betreffend Jüdinnen u. Juden

Händler gestellt wurde.179 Damit wird gewiss ein Teil der Motive und Anlässe einer Entwicklung deutlich, die später zur Beauftragung Grotius’ mit der Erstellung seines Textes führte. Aber diese Annahme erklärt Grotius’ Argumentation nicht umfassend. Ausdrücklich distanzierte sich Grotius von Ansiedelungspolitiken, die auf bloß partikularen und „privaten Gewinn und Handelsgeschäfte“180 ausgerichtet seien. Manches scheint dafür zu sprechen, dass Grotius’ Beauftragung konkret veranlasst worden war durch die Entdeckung der als gefährlicher Skandal empfundenen Konversion mehrerer Mennoniten, christlicher Täufer, zum Judaismus im vorangegangenen Jahr 1614.181 Das eigentliche Hauptziel der gemeinsamen Beauftragung durch die niederländischen Generalstaaten, nicht durch einzelne Städte oder Provinzen,182 und des Entwurfs von Grotius dürfte aber wahrscheinlich die Ausrichtung gegen einen kompetitiven „,race to the bottom‘ bezüglich der Ansiedelungsbedingungen für Jüdinnen und Juden“183 gewesen sein. Gemeint war damit wohl das Ziel, auf übergeordneter Ebene der Vereinigten Provinzen etwas zu regeln, was bisher unter dem Wettstreit litt, den es zwischen aufnahme- und nicht aufnahmebereiten Gemeinden gab, vor allem aber wohl unter jenen Städten, die sich jeweils eine Charta zu den Aufnahme- und Lebensbedingungen jüdischer Immigrierter gegeben hatten. Das hatten etwa die Städte Alkmaar im Jahr 1604, Haarlem im Jahr 1605 und Rotterdam 1610 getan, von denen jede allein auf ihren eigenen, partikularen, aufblühenden wirtschaftlichen Wohlstand Bedacht nahm.184 Grotius’ Entwurf richtete sich zudem nicht185 allein an iberische Jüdinnen und Juden oder, wie manche der städtischen Regelungen,186 allein an solche „der portugiesischen Nation“187 oder deren Händler, sondern an Jüdinnen und Juden allgemein, einschließlich der Aschkenasim und jener, deren Zuträglichkeit zum eigenen Handel nicht sofort ins Auge sprang. Grotius ging die Frage im Rahmen einer Untersuchung an, die am Gemeinwohl188 orientiert sein sollte – den Interessen aller Staaten Hollands und Westfrieslands sowie jenen jüdischer Personen, nicht allein partikularer oder privater kommerzieller Bestrebungen. 179

Kromhout, 2019, S. 56. Übers. des Verfassers aus dem Englischen „private profit and commerce“ (Grotius, 2019, S. 199); Grotius hatte formuliert: „particuliere winste ende neringe“ (Grotius, 2019, S. 59). 181 de Wilde, 2017, S. 404. 182 de Wilde, 2017, S. 405. 183 de Wilde, 2017, S. 404, Übersetzung des Verfassers. 184 de Wilde, 2017, S. 400 – 404; Kromhout, 2019, S. 50 – 53. 185 de Wilde, 2017, S. 405. 186 de Wilde, 2017, S. 405 zu den Chartae von Alkmaar, Haarlem and Rotterdam; Kromhout bestätigt dies nicht für Alkmaar (Kromhout, 2019, S. 50), aber für die anderen beiden städtischen Satzungen (Kromhout, 2019, S. 50 zu Haarlem [nur eine Untergruppe portugiesischstämmiger Jüdinnen und Juden], zu Rotterdam S. 53). 187 de Wilde, 2017, S. 405, Übersetzung des Verfassers. 188 Grotius, 2019, S. 199: „the general interest“; im Original: „’t gemeene beste“ (Grotius, 2019, S. 59). 180

D. Expulsi in den Remonstrantie über Regelungen betreffend Jüdinnen u. Juden

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Um dieses Ziel in seinem Text zu erreichen, führte Grotius zunächst viele vermeintlich189 schlechte Erfahrungen an, die Christen und Christinnen angeblich mit Jüdinnen und Juden gemacht hatten, und zitierte antijüdische Vorurteile, die angeblich gegen die Zulassung und den Empfang sprächen.190 Hiernach führte er Gründe für eine Zulassung an. Diese hielt Grotius für stärker als jene, die er gegen die Aufnahme angeführt hatte. Dabei beschrieb Grotius zunächst den tatsächlichen Hintergrund der Situation, in der sich die Frage nach der Unterstützung der Aufnahme erst stellte, wie folgt: „[I]t is mentioned in some sources, that due to the avarice of the princes …, Jews have lost their lives or possessions due to the fanaticism of the populace without any form of justice, and that the princes afterwards found ways of concealing this“191 – in einigen Quellen werde erwähnt, dass Jüdinnen und Juden wegen der Habgier der Fürsten ihre Leben oder wegen des Fanatismus’ der Bevölkerung ihre Besitztümer ohne jede Form gerichtlicher Beurteilung verloren hätten und dass die Fürsten danach Wege gefunden hätten, dies zu verbergen.

Was bedeutete und worauf bezog sich diese Aussage? In ihrem gemeinsamen Alhambra-Edikt der Vertreibung vom 31. März 1492 hatten Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon angeordnet, dass alle Jüdinnen und Juden entweder die beiden Königreiche bis Ende Juli jenes Jahres zu verlassen hätten oder die Todesstrafe und die Konfiszierung all ihrer Besitztümer auf sich zögen.192 Im Jahr 1496 folgte König Manuel I. von Portugal und wies aus seinem Königreich ebenfalls Jüdinnen und Juden aus.193 Jene, die sich taufen ließen und blieben, standen vor der Aussicht außerordentlich grausamer und oft tödlicher Folgen der Inquisition gegen ehemalige Jüdinnen und Juden, die zum römischen Katholizismus konvertiert waren und nun verdächtigt wurden, insgeheim die jüdische Religion zu praktizieren.194 Im Jahr 1536 wurde auch die portugiesische Inquisition eingerichtet. Im Jahr 1579 wurde die Utrechter Union, welche die Freiheit des Gewissens anerkannte, gegründet. 1585 kam es zur spanischen Eroberung Antwerpens, eines vormals wichtigen Zufluchtorts für Sephardim. In deren Gefolge begannen Menschen mit portugiesischen Wurzeln, sich in Holland und West-Friesland anzusiedeln.195

189

Zu Belegen für private Äußerungen Grotius, die sich von manchen der behaupteten Tatsachen, insbesondere von der Ritualmord-Legende, distanzierten, und zur Auseinandersetzung um die Funktion der Aufzählung all der antijüdischen Stereotype bei Grotius vgl. de Wilde, 2017, S. 408 f. 190 Grotius, 2019, S. 200 f. 191 Grotius, 2019, S. 203. 192 Isabella of Castile and Ferdinand II of Aragon 1995, S. 26 f. 193 Soyer, 2008, S. 35. 194 Goldstein, 2006, S. 104 – 107. 195 de Wilde, 2017, 397 f.

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Was die normative Frage betrifft, ob Zulassung und Aufnahme gewährt werden solle, antwortete Grotius hier,196 wie andernorts,197 sowohl auf theologischem198 als auch auf naturrechtlichem Fundament. Damit bewegte sich Grotius bereits 1615, vielleicht schon damals distanziert anknüpfend199 an spanisch-neoscholastische Vorbilder,200 auf ähnlichem argumentativem Fundament wie später in seinem Hauptwerk von 1625, in dem er den berühmten Satz201 formulierte: „Diese hier dargelegten Bestimmungen würden auch Platz greifen, selbst wenn man annähme, was freilich ohne die größte Sünde nicht geschehen könnte, daß es keinen Gott gäbe [etiamsi daremus … non e OOe deum] oder daß er sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht bekümmere.“202

In naturrechtlicher Hinsicht nahm er eine natürliche Verwandtschaft an, der, gemäß seiner Lesart des römischen Rechts, juristische Relevanz zukam: „Nach den Juristen hat die Natur eine Art von Verwandtschaft unter allen Menschen eingerichtet.“203 Damit dürfte Grotius auf einen Satz in den Digesten angespielt haben,204 für dessen deutsche Wiedergabe vorgeschlagen wurde: „Und da die Natur unter uns 196

Grotius, 2019, S. 203. Nach Grotius entspringt das „Recht … dem freien Willen Gottes. … Aber selbst das … Naturrecht, …, muß, obgleich es aus dem inneren Wesen des Menschen kommt, doch in Wahrheit Gott zugeschrieben werden, weil er gewollt hat, daß dieses menschliche Wesen besteht.“ (Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 12, S. 33). Allgemeiner zu Grotius’ theologischer Annahme, dass Gott Gesetzgeber sei, die Natur und mit ihr das Naturrecht geschaffen habe, Stumpf, 2006, S. 30 – 36; innerhalb der Rechtstheologie genauer zur Unterscheidung und zum Verhältnis zwischen dem gewillkürten göttlichen Recht (Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. XIII, S. 53) und dem Naturrecht als Recht der Schöpfung Stumpf, 2006, S. 79 – 82. 198 Zu einem Versuch, Grotius selbst mit seinem „etiamsi daremus“ theologisch ernst zu nehmen und zu der dann von ihm ausgehenden Anregung einer modernen, nicht-religiösen Theologie, die eine paradoxe, besondere, mündige „letzte Redlichkeit“ in der Wahrnehmung der Säkularität und radikalen Gottesverlassenheit (Mk. 15, 34) der eigenen Existenz „vor Gott“ sieht, s. im Brief vom 16. 07. 1944 bei Bonhoeffer, 2016, S. 192. Genauer hierzu Krötke, 2014, S. 344 f.; zur hierauf aufbauenden theologischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „Gottesgleichgültigkeit“ Krötke, 2014, S. 500. 199 Im Hauptwerk dann: Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 37, S. 38 f. Zur Ambivalenz Tanaka, 1993a, S. 23 f.; Negro, 1998, S. 4 f. 200 Ausführlich hierzu, zum Verständnis, Missverständnissen und zu nach-grotianischen Varianten der Formel Ludwig, 2000, S. 10 – 15. 201 Der Satz lautet im lateinischen Original: „Et hæc quidem quæ jam diximus, locum aliquem haberent etiam Oi daremus, quod Oine Oummo Ocelere dari nequit, non e OOe Deum, aut non curari ab eo negotia humana“, Grotius, 1913, Prolegomena, S. 5. 202 Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 11, S. 33. Der Satz lautet im lateinischen Original: „Et hæc quidem quæ jam diximus, locum aliquem haberent etiam Oi daremus, quod Oine Oummo Ocelere dari nequit, non e OOe Deum, aut non curari ab eo negotia humana“, Grotius, 1913, Prolegomena, S. 5. 203 Grotius, 2019, S. 202, Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. 204 Es soll sich um eine Passage in Dig. 1.1.3 handeln (van Heertum, Fußnote 3, in: Grotius, 2019, S. 202). Sie lautet: „… et cum inter nos cognationem quandam natura constituit, consequens est hominem homini insidiari nefas esse“ (Behrends, 1995, S. 92). 197

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so etwas wie eine Verwandtschaft begründet hat, folgt daraus, daß es frevelhaft ist, wenn ein Mensch dem anderen nach dem Leben trachtet.“205 Grotius ging etwas weiter und folgerte: „Aus dieser natürlichen Verwandtschaft, welche allen Menschen gemein ist, entspringt Hospitalität, welche nicht nur von der Schrift empfohlen wird, sondern auch von den heidnischen Autoren, und welche den Empfang und die gute Behandlung Fremder einschließt. Die Nationen, die Fremde abwiesen, werden überall als ,Barbaren‘ und ,unnatürliche Menschen‘ gescholten.“206

Mit Blick auf die gedankliche Grundlage dafür, dass Grotius forderte, man solle vertriebene Fremde zur Ansiedelung zulassen und aufnehmen, betonte kürzlich de Wilde: „Grotius legt nahe, dass die portugiesischen Jüdinnen und Juden ohne vorangegangene Straftat und in Verletzung des Naturrechts von ihren Gemeinden vertrieben wurden. Folglich hätten die Staaten von Holland und West-Friesland die Pflicht, die Jüdinnen und Juden in ihren Ländern aufzunehmen. Grotius erkennt so die natürliche Pflicht, Fremden Hospitalität anzubieten, als rechtliche Grundlage des Rechts auf Asyl [right to asylum] an, welches er auf geflüchtete Menschen anwendet, die aus religiösen Gründen kollektiv aus ihren Gemeinden vertrieben wurden.“207

De Wilde verglich Grotius’ Argumentation mit der Passage zu Beginn der Sectio 3 in de Victorias Vorlesung De Indis. Darin hatte der spanische Dominikaner und Professor im vorangegangenen XVI. Jahrhundert die Verweigerung von Einreise, Niederlassung oder Handel als harmlos eingeschätzter Spanier durch bereits ansässige indigene Menschen als ungerechtfertigten kriegerischen Akt betrachtet.208 De Victoria sah deshalb in der Verweigerung der Durchreise – nach Ausschöpfung friedlicher Mittel209 zur Durchsetzung ihrer angenommenen Rechte – einen Rechtstitel für die gewaltsame Unterwerfung der indigenen Bevölkerung.210 Wer beide Passagen liest, sieht, wie frappierend die von de Wilde gezeigte Parallele in der Tat ist. Es gibt jedoch entscheidende Unterschiede. Einer unter ihnen zeigt sich darin, dass, nach Grotius’ Ansicht positiv gesetztes Recht örtlicher Hoheitsträger, also auch der amerikanischen Indigenen, jedenfalls solche naturrechtlichen Freiheiten aufheben kann, deren Gewährung das Naturrecht nicht ge- oder verbietet, sondern

205

Übersetzung bei Behrends, 1995, S. 92. Grotius, 2019, S. 202, Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. 207 de Wilde, 2017, S. 413, Übersetzung des Verfassers. 208 de Victoria, 1952, Relectio de Indis, Sectio 3, Erster Rechtstitel, Thesen Nr.n 1 und 2, S. 92 – 97; Vitoria, 2010, Question 3, Article 1, §§ 2 und 3, S. 278 – 280. 209 de Victoria, 1952, Relectio de Indis, Sectio 3, Erster Rechtstitel, 5. These, S. 98 – 101; Vitoria, 2010, Question 3, §§ 6 und 7, S. 281 – 283. 210 de Victoria, 1952, Relectio de Indis, Sectio 3, Erster Satz, S. 92 f.; Vitoria, 2010, Question 3, S. 277. 206

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lediglich erlaubt: Sie dürfen positiv-gesetzlich verboten werden.211 Dazu zählte Grotius manche der Freiheiten, die er bei der natürlichen Migrationsrechtslage formulierte.212 Insofern als das zutrifft, erscheint es unmöglich oder doch zweifelhaft, dass sich ein Kolonialkrieg ohne Weiteres auf die migrationsrechtlichen Äußerungen Grotius’ stützen ließe.213 Von viel größerer Bedeutung ist der entscheidende Unterschied zwischen der Lage spanischer Gruppen von Siedlerinnen, Siedlern oder Händlern in Amerika und Jüdinnen und Juden in Holland, die von der Iberischen Halbinsel und dem spanisch beherrschten Teil der Niederlande vertrieben worden waren: Jüdinnen und Juden hatten, ohne Verschulden, ihre Heimat für immer verloren. Sie waren „homeless“,214 obdach- und heimatlos, und mussten irgendwo leben können. Dies erschien Grotius so evident, dass er es wagen konnte, unmittelbar theologisch mit dem Willen Gottes zu argumentieren: „Es ist offensichtlich, dass Gott wünscht, dass sie irgendwo leben. Warum, dann nicht hier, ebensogut wie irgendwo sonst, wenn wir sehen, dass das Argument, das andernorts passt, ebenso hier vorgetragen werden kann?“215

Zutreffend hat de Wilde den Umgang mit dem natürlichen Recht der Hospitalität als innovative Entdeckung Grotius’ erklärt: „Indem er das Recht der Hospitalität auf andere Zusammenhänge projizierte, verlieh Grotius ihm eine neue Bedeutung, sein Potential für eine Reinterpretation in neuer Weise erkundend. Folglich kam Grotius, anders als de Victoria, dazu, in ihm rechtliche Gründe zu sehen, um Fremden eine Zuflucht anzubieten, die aus religiösen Gründen von ihren Gemeinden vertrieben worden waren.“216

De Wilde hat damit Grotius’ ideengeschichtliche Bedeutung für das moderne Recht der Aufnahme von Menschen, die aus seiner Zwangslage heraus geflohen sind, verdeutlicht. Grotius’ Erwägungen zur Aufnahme von Sephardim mögen nach alledem durch kommerzielle Interessen veranlasst worden sein; es waren weder nur solche Belange, die Bedeutung erlangten, noch lassen sich aus ihnen heraus Grotius’ Überlegungen insgesamt angemessen verstehen. Seine Begründung versteht nur, wer wahrnimmt, dass Grotius auch die betroffenen Menschen selbst mit in den Blick nahm.

211

Grotius, 1950, Buch I, Kap. 2, Abschn. V.1, S. 62. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXIII, S. 157. 213 Thießler-Marenda, 2002, S. 247. 214 Meijer, 1955, S. 104. 215 Grotius, 2019, S. 203, Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. 216 de Wilde, 2018, S. 480, Übersetzung des Verfassers. 212

E. Expulsi in Über das Recht des Kriegs und des Friedens In seinem späteren Werk Über das Recht des Krieges und des Friedens führte Grotius keine spezielle Begründung gerade für die Aufnahme vertriebener Fremder an, sieht man einmal davon ab, dass er antike und frühchristliche Quellen als Basis seiner deutlichen Position zitierte. Es liegt indes nahe, dass er einige Grundannahmen aus anderen Teilen seines großen Werks hier reflektierte und in den Rechtsfolgen für Expulsi besonders deutlich veranschaulichte. Der so oft erwähnte menschliche „gesellige Trieb zu einer ruhigen und nach dem Maß seiner Einsicht geordneten Gemeinschaft mit seinesgleichen“217 lag für Grotius an der Wurzel der Bildung einer rechtlich verbundenen bürgerlichen Gesellschaft. Nicht weniger wichtig war ihm die Erfahrung, dass einzelne Menschen „zu schwach waren, um sich gegen Gewalt zu schützen.“218 Es sind „höchste Not“219 und „menschliche Schwäche“,220 was menschengemachte, letztlich dem Willen derer, die sich einst zum Staat zusammentaten, entstammende221 Gesetze (im Gegensatz zu den unmittelbar im Naturrecht wurzelnden) rechtfertigte, modifizierte und in der Reichweite ihrer Geltung beschränkte, ebenso deshalb die Reichweite des rechtfertigbaren Gebrauchs von Hoheitsbefugnissen, wie Grotius in Buch I Kapitel 4 Abschnitt VII verdeutlichte. Diese menschliche Schwäche finden wir wieder, wo Grotius in Buch II Kapitel 2 den wohlwollenden Vorbehalt222 gegenüber der Begründung partikularer Herrschaftsbefugnisse und privaten Eigentums festhielt. Fragen wir uns, wo für Grotius die Grenzen menschengemachten Rechts lagen, so ist von Bedeutung, dass sein Ursprung im Willen derer lag, die sich zum Staat verbanden oder verbinden.223 Wir müssen uns deshalb fragen, wie weit dieser Wille zur Vereinigung, zur Anerkennung von Autorität und zur Übertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse gegangen sein konnte.224 Dieser Wille konnte für Grotius – außerhalb des für die gesellschaftliche Existenz selbst absolut Notwendi217

Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 6, S. 32. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.3, S. 121; ähnlich Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 16, S. 34. 219 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120. 220 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120. 221 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120. 222 S. o. Fußnoten 94, 95 und 96. 223 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120. 224 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120. 218

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E. Expulsi in Über das Recht des Kriegs und des Friedens

gen225 – nicht das umfassen, worauf wir nicht verzichten können, um selbst zu existieren. „Daraus folgt … daß in der höchsten Not das alte Recht des Gebrauches wieder auflebt, als wären die Güter noch gemeinsam. In allen menschlichen Gesetzen und folglich auch beim Gesetz über das Eigentum erscheint jener Notfall ausgenommen.“226 Fremde Menschen, die aus ihren Häusern und ihrem Herkunftsland vertrieben worden waren – die Todesstrafe zu erwarten hatten, wenn sie nach der gesetzten Ausreisefrist gefasst würden und gemäß ihrer Überzeugung lebten – und die eine Zuflucht suchten, befanden sich in einer solchen Lage. Ihre Existenz hing von der Aufnahme und Zulassung zur dauerhaften Ansiedelung und Wohnung ab. Die Ratio Legis von Pflichten gegenüber Expulsi lag im Schutz vor Gefahren menschlicher Verletzlichkeit innerhalb eines Systems von Rechten und Pflichten. Nach diesem etwas differenzierteren Bild der Argumentation, die Grotius’ Position zu Grunde liegt, sehen wir drei Charakteristika, welche die Konturen – positiven tatbestandlichen Voraussetzungen, negativen tatbestandlichen Voraussetzungen (Ausschluss-Gründe) und Rechtsfolgen für die Rechtsstellung – des Schutzes vertriebener Personen in Grotius’ De Jure Belli Ac Pacis prägen.

I. Positive Voraussetzungen der Aufnahme Positive Voraussetzung des Schutzes ist, dass die fragliche Person zu den Expulsi, vertriebenen Menschen, gehört. Der Begriff der Expulsi deckt zunächst Personen ab, die aus religiösen Gründen verfolgt wurden, wenn wir de Wilde227 darin folgen, dass Grotius sein Verständnis auf seine früheren Erwägungen in seiner Remonstrantie stützte. Personen, denen mitgeteilt wurde, dass sie das Land zu verlassen hätten, wenn sie die Absicht hätten, ihre Religion weiterhin zu praktizieren, und andernfalls existenzielle Gefahren (im Beispiel: Todesstrafe) zu gewärtigen hätten, prägten nach dieser nahe liegenden Vermutung den Begriff der Expulsi. Bei der Interpretation sollte ferner berücksichtigt werden, dass Grotius in § 30 der Prolegomena von sich selbst schrieb, das Vaterland habe ihn „in unwürdiger Weise von sich gestoßen.228 Dies bezieht sich auf Grotius’ Verhaftung im Jahr 1618 in einem Hochverratsverfahren,229 seine Verurteilung, zuerst wohl wegen Störung der Religion und des Staates, später auch wegen eines angeblichen Crimen Laesae Majes225 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. VII.2, S. 120 zur Befugnis zu befehlen, seinen Posten in lebensgefährlicher Position nicht zu verlassen. 226 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 227 de Wilde, 2018, S. 474. 228 Grotius, 1950, Vorrede, Abschn. 30, S. 37. 229 Antognazza, Introduction, in: Grotius, 2012b (hrsg. Antognazza), S. xii.

II. Negative Voraussetzungen der Aufnahme (Ausschluss-Gründe)

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tatis230 zu lebenslanger Haft 1619 und seine Flucht ins Exil in Paris 1621. Seine Verhaftung war Folge eines politischen Machtkampfes,231 der aus einer religiösen Auseinandersetzung zwischen den protestantischen Strömungen des Arminianismus und eines orthodoxen Kalvinismus hervorgegangen war und zu einem Staatsstreich führte.232 Die theologischen Ansichten von Prinz Moritz waren für die Vorgänge von nachrangiger Bedeutung gegenüber seinen Ansichten zu politischen und Machtstrukturen.233 Das legt nahe, dass in Grotius’ Sicht Gründe für Verfolgung, die in höchstem Maße politischer Natur waren, in Betracht kommen konnten, um einen Akt als ungerecht und als solchen zu qualifizieren, der ihn zwang, das Land zu verlassen (also als Vertreibung, Expulsio) sowie als Grundlage für die Qualifikation für die Zulassung zur Ansiedelung und Wohnsitznahme. Elke Tießler-Marenda argumentierte, Expulsi seien Personen oder Personengruppen, „welche, in Folge von Kriegen oder durch vergleichbaren Zwang gegen ihren Willen aus ihrer Heimat vertrieben wurden“.234 Tießler-Marenda stützt sich hierfür entscheidend darauf, dass Grotius sich zur Erläuterung der Pflicht, sich bestehenden Hoheitsgewalten zu unterwerfen, auf die Sage von Aeneas bezieht,235 der mit den Trojanern durch Krieg vertrieben worden sei.236 Innerhalb des Systems von Grotius lässt sich die Interpretation, auch vor Krieg geflohene Personen seien erfasst, ergänzend rechtfertigen. Sie lässt sich stützen auf die der Pflicht zur Aufnahme – oder jedenfalls Nicht-Zurückweisung – zu Grunde liegenden Begründung: höchste Not als Grund für den milden Vorbehalt237 bei der Bildung privaten Eigentums und territorialer Herrschaftsbefugnisse auf der Seite der Verpflichteten und dringende Notwendigkeit auf der Seite der betroffenen Personen.238

II. Negative Voraussetzungen der Aufnahme (Ausschluss-Gründe) Es gibt ferner negative tatbestandliche Voraussetzungen: solche, deren Erfüllung eine Pflicht zur Aufnahme ausschließt. Wie wir sahen, widersprach es der Amicitia, der internationalen Freundschaft, Fremde zur Ansiedelung zuzulassen, die einer

230

Palladini, 2015, S. 46. Brugh, 2016, S. 3. 232 Onuma, 2022. 233 Reeves, 1925, S. 53. 234 Tießler-Marenda, 2002, S. 205. 235 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155. 236 Tießler-Marenda, 2002, S. 185 f. 237 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.1 und VI.4, S. 155. 238 Tießler-Marenda, 2002, S. 193 f. 231

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E. Expulsi in Über das Recht des Kriegs und des Friedens

rechtlichen Dienstpflicht unterworfen waren. Zu diesen gehörten jene, die „sich nur der gerechten Strafe entziehen“.239 Im Falle verbannter Personen schnitt der Akt der Verbannung die rechtlichen Verbindungen zwischen ihnen und ihren früheren Regierungen ab.240 Deshalb verhalte sich die Regierung mit der Aufnahme verbannter Personen nicht in einer unfreundlichen Weise.241 In Fällen ohne individuelle Verbannung, etwa solchen der Expulsi, lagen ähnliche Gründe für die Unterbrechung rechtlicher Verbindungen zur bisher eigenen Regierung vor.242 Erneut können wir mit de Wilde das Buch Vom Recht des Krieges und des Friedens auf der Basis der Entdeckungen lesen, die sich in der Remonstrantie ergaben. Jüdinnen und Juden wurden „without any form of justice“,243 ohne tragfähige individuelle Gründe der Gerechtigkeit, die in einem Verfahren geprüft und festgestellt worden wären,244 des Landes verwiesen. Die Verfolgung in Aragon, Kastilien und Portugal schnitt, durch ihre radikale Ungerechtigkeit, die rechtlichen Verbindungen dieser Königreiche mit jenen, die fliehen mussten, ab. Der Mangel jeglichen hinreichenden Schutzes und die existenziellen Gefahren von Kriegen oder ähnlich willkürlicher, schicksalhafter Gewalt, legen nahe, Menschen, die aus solchen Gründen fliehen mussten, ähnlich zu betrachten.

III. Rechtsstellung der Expulsi Wenn sie die positiven Voraussetzungen erfüllt hatten und keine Ausschlussgründe vorlagen, setzte sich die Rechtsstellung vertriebener Personen aus mehreren Elementen zusammen. Bereits vor Zutritt zum Gebiet des Aufnahmestaats gab es eine Verpflichtung derer, die über partikulare Rechte an Territorien verfügten, ihnen die Passage zu gewähren. Ländereien, Flüsse und jeglicher Teil der See mussten für den Durchzug von Menschen, die gezwungen waren, ihr Herkunftsland zu verlassen, offen gehalten werden.245 „Aber selbst ein dauernder Aufenthalt darf den Fremden, welche, aus ihrer Heimat vertrieben, um Aufnahme bitten, nicht abgeschlagen werden, sobald sie sich den bestehenden Staatsgewalten und Einrichtungen für die öffentliche Ruhe unterwerfen.“246 Einmal aufgenommen, dürften Fremde nicht einmal in einer Hungersnot ausgewiesen werden, „sondern das gemeinsame Unglück ist auch gemeinsam zu 239

Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 5, Abschn. XXV, S. 188. 241 Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. 242 Tießler-Marenda, 2002, S. 211. 243 Grotius, 2019, S. 203. 244 Grotius, 2019, S. 2013. 245 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. 246 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI., S. 155. 240

III. Rechtsstellung der Expulsi

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ertragen“, wie Grotius unter Bezugnahme auf Ambrosius postulierte.247 Von seltenen Ausnahmen abgesehen, sollten Expulsi die Freiheit genießen, Menschen aus der Aufnahmegesellschaft heiraten zu können,248 ebenso das grundsätzliche Recht, Gegenstände zu gerechtem Preis zu erwerben249 sowie, nicht von solchen Rechten ausgeschlossen zu werden, die Fremde im allgemeinen im Aufnahmeland genossen.250

247

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIX., S. 156. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXI., S. 156 f. 249 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIX., S. 156. 250 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXII., S. 157.

248

F. Politische Verfolgung, der politische Charakter des Asyls und die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl Wie bereits an früherer Stelle erwähnt, war das, was Grotius als Asyl („a§ylorum exempla“) und Rechte der um Schutz bittenden Supplices bezeichnete, eine Ausnahme zur von ihm – auch ohne Existenz von Auslieferungsverträgen – allgemein angenommenen staatlichen Pflicht, andernorts verurteilte Straftäter entweder zu bestrafen oder auszuliefern. Wie verhielt sich Asyl zu politischer Verfolgung?

I. Ausschluss politischer Straftaten vom Auslieferungsschutz? Hugo Grotius wurde in der Vergangenheit mit der Entwicklung der Einrichtung modernen Asyls als Schutz vor politischer Verfolgung in Verbindung gebracht. So behauptete im Jahr 1938 Égidio Reale, im XVII. Jahrhundert sei als neues Charakteristikum des Asyls der Schutz vor politischer Verfolgung gefordert worden. Hierbei habe Hugo Grotius eine prominente Rolle gespielt.251 Etwas zurückhaltender formulierte im Jahr 1978 auch Kimminich einen solchen Zusammenhang.252 Diese Ansicht wird seit 2002 unter genauerer Lektüre von Hugo Grotius’ De jure belli ac pacis libri tres bestritten. Insbesondere macht Elke Tießler-Marenda253 geltend, in Grotius’ System sei es nur bei kleineren Vergehen und nur bei nicht politischen Delikten rechtmäßig, von stellvertretender Strafverfolgung oder Ausliefung abzusehen. Tießler-Marenda254 bezieht sich hierbei insbesondere auf Kapitel 21 Abschnitt V.5 des Zweiten Buchs,255 wo Grotius äußerte: „Übrigens wird das Recht auf Auslieferung der Flüchtlinge zur Bestrafung in diesem Jahrhundert, wie auch schon früher, von den meisten Ländern nur bei Verbrechen geltend gemacht, die den Staat betreffen oder von besonders schwerer Natur sind.“

Tießler-Marenda macht geltend, es sei bei schweren Straftaten und politischen Delikten „immer auszuliefern oder zu bestrafen, auch bei eingeschränkter Auslieferungspflicht.“256 Vor allem für zwei Fallgruppen sollte es Grotius zufolge eine 251

Reale, 1938, S. 509. Kimminich, 1978, S. 45 f., genauer bereits oben Fn. 132. 253 Tießler-Marenda, 2002, S. 234 f. 254 Tießler-Marenda, 2002, S. 234 f. 255 Grotius, 1950, S. 373. 256 Tießler-Marenda, 2002, S. 235. 252

II. Grotius’ eigene Rechtsstellung

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Pflicht geben, entweder zu bestrafen oder auszuliefern,257 nämlich zum einen bei Straftaten, „die in gewisser Weise die gesamte menschliche Gesellschaft angehen“,258 zum anderen bei Straftaten, „durch die ein anderer Staat oder … dessen Herrscher verletzt worden ist.“259 Tießler-Marenda folgerte, hierauf gestützt: „Demnach sind gerade die Taten immer als auslieferungswüdig zu sehen, bei denen nach heutigem Verständnis politisches Asyl gewährt würde.“260 Diese Position fügt sich zu einer Sichtweise, von der uns berichtet wird, dass sie in der frühen Neuzeit vorgeherrscht habe und aus dem römischen Rechtsdenken261 stamme, nämlich zur Ansicht, wonach, wie Otto Kimminich es formulierte, „der politische Verbrecher wegen seiner Gefährlichkeit von den Segnungen des Asylechts ausgeschlossen werden“ müsse.262 Dies scheint nahezulegen, dass Grotius’ System des Rechts politische Verfolgung immer als legitimen Grund für asylrechtlichen Schutz ausschließe. Dies lässt es auf den ersten Blick als geradezu absurd erscheinen, Grotius könne einen besonders wichtigen Beitrag zur Vorbereitung des späteren Menschenrechtsdiskurses über das Recht auf Asyl geleistet haben.

II. Grotius’ eigene Rechtsstellung: Hinweis auf interpretatorische Engführungen? Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es fragwürdig ist, ob eine solche Folgerung sich mit anderen Äußerungen Grotius’ in Übereinstimmung bringen lässt. Dass Grotius entgegen dem bei Tießler-Marenda („immer“)263 erweckten Eindruck jedenfalls nicht alles, was heute als politische Verfolgung in Betracht kommt, von legitimen Asylgründen ausschloss, deutete er bereits im Text einer Anmerkung an. In dieser führte Grotius unter den besprochenen „a§ylorum exempla“, den Beispielen für und Präzedenzfällen von Asylen, das historische Vorbild Pippins des Mittleren und Herrschers von Austrasien an, der im Jahr 688 die erbetene Auslieferung solcher Personen verweigert habe, die aus Neustrien geflohen seien, um der dortigen Tyrannei zu entkommen.264 Ein äußerst typischer Fall von Asylgewährung 257

Grotius, 1950, S. 368 f. Grotius, 1950, S. 368. 259 Grotius, 1950, S. 368. 260 Tießler-Marenda, 2002, S. 235. 261 Kimminich, 1978, S. 41. 262 Kimminich, 1978, S. 41. 263 Tießler-Marenda, 2002, S. 235. 264 Diese in der englischsprachigen Sekundärliteratur (Price, 2009, S. 37) zu Recht hervorgehobene Anmerkung lässt sich in der deutschen Übersetzung von Schätzel (Grotius, 1950) allem Anschein nach nicht finden: nicht im Fließtext auf S. 371, noch dort in einer Fußnote, noch auch in der langen Liste der Anmerkungen auf S. 616 f. Im lateinischen Original (Grotius, 1913) ist sie bei den Annotata ad caput XXI, dort im Unterabschnitt zu § 5 auf S. 380 abgedruckt. Dort lautet die relevante Formulierung: „Recepit nec dedidit Pipinus ex 258

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F. Die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl

wegen zu erwartender politischer Verfolgung wird damit als Präzedenzfall präsentiert. Aber auch mit speziellerem Blick auf politische Straftaten stellen sich erste Zweifel bereits bei genauer Lektüre des Textes ein. Die Formulierung des oben angeführten Zitats enthält einen Hinweis darauf, dass Grotius gerade nicht asylrechtlich argumentierte, sondern aus Anlass seiner Diskussion des Asylrechts etwas dem Asylrecht Fremdes hinzufügte, um das Umfeld des Themas zu erläutern. Der oben zitierte Satz in Buch II Kapitel 21 Abschnitt V.5 beginnt nämlich mit dem Wort „Cæterum“, „Übrigens“,265 als füge er etwas hinzu, was nicht eigentlich zum Argument gehöre. Dass also „[ü]brigens … das Recht auf Auslieferung der Flüchtlinge zur Bestrafung … von den meisten Ländern nur bei Verbrechen geltend gemacht [wird, R. K.], die den Staat betreffen oder von besonders schwerer Natur sind“,266 musste gerade nicht bedeuten, dass der Aufenthaltsstaat in solchen Fällen ausnahmslos nie zur Asylgewährung berechtigt wäre. Es dürfte eher bedeutet haben, dass solche Fälle, im Unterschied zu anderen, als so wichtig galten, dass in ihnen aus Sicht des verfolgenden Staats der Aufwand eines Auslieferungsgesuchs in der Regel als lohnend angesehen wurde. Allerdings ist im 21. Kapitel des Zweiten Buchs in Abschnitt III.2 formuliert, bei „Vergehen, durch die ein anderer Staat oder besonders dessen Herrscher verletzt worden ist,“ hätten „diese ihres Ansehens und ihrer Sicherheit wegen das Recht, die Bestrafung … zu verlangen, und der Staat, in dem der Verbrecher sich aufhält, sowie dessen Herrscher dürfen diesem Recht nicht entgegentreten.“267 Insofern lösten bestimmte Delikte bei Grotius jene zwischenstaatlichen Rechtspflichten – stellvertretende Bestrafung oder Auslieferungspflicht – aus, die für Straftaten, die einen bestimmten ausländischen Staat oder die Menschheit insgesamt verletzten, vorgesehen waren. Indes durfte die Auslieferung nur dann nicht verweigert werden, wenn eine solche Straftat bei zutreffender Beurteilung begangen worden war und das Recht konkret begründet war – nicht immer schon ohne Weiteres, wenn ein die Auslieferung begehrender Staat dies geltend machte. Die Passage befindet sich denn auch dort, wo Grotius die grundsätzliche Straf- oder Auslieferungspflicht begründete (21. Kapitel Abschnitt III), nicht an der Stelle in Abschnitt V, an der es darum geht, wie sich die Asyle und Rechte der Schutz Begehrenden als Ausnahmen hiervon im Fall unrechtmäßiger Verfolgung hierzu verhalten.

Neu Otria ob tyrannidem ad Oe confugientes. E Ot id apud Fredegarium in rebus Pipini ad annum DCLXXXVIII.“ In Kelseys englischer Übersetzung hat ihr erster Satz diesen Wortlaut: „… Pepin received and refused to surrender those who fled to him from Neustria to escape the tyranny; this is according to Fredegarius’ chronicle of Pepin, for the year 688“ (Grotius, 1925b, S. 531). Auch die von A. Alland und S. Goyard-Fabre herausgegebene französische Ausgabe enthält die Anmerkung (Grotius, 2012a, S. 517, Fn. 1). 265 Lat. Grotius, 1913, S. 371; dt. Grotius, 1950, S. 373. 266 Grotius, 1950, S. 373. 267 Grotius, 1950, S. 368.

II. Grotius’ eigene Rechtsstellung

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Verstärkt werden solche Zweifel an der Ansicht, nach Grotius begründe politische Verfolgung nie eine Asylberechtigung, wenn wir Grotius’ eigene Rechtsposition in Betracht ziehen. Eine Argumentation, die nach Verurteilung wegen politischer Straftaten asylrechtlichen Schutz stets ausschlösse, drohte eine Pflicht des Königs von Frankreich zu begründen, Grotius selbst auf einen eventuellen Antrag der Vereinigten Provinzen an sein Heimatland auszuliefern, aus dem er geflohen war. Wir sahen bereits in Kapitel E. I., dass ein Gericht Grotius wegen Störung der Religion und des Staates, später auch wegen eines angeblichen Crimen Laesae Majestatis zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Ein Crimen Laesae Majestatis war eine Straftat, die, hätte Grotius sie begangen, den Statum Publicum berührt hätte – den Zustand einer Civitas, der Bürgerschaft als öffentlich und rechtlich geordnetes Gefüge: als Staat. Ferner kommt das Konzept des Hochverrats oder Crimen Maiestatis genau jenen Straftaten nahe, die Grotius anscheinend aus asylrechtlichem Schutz ausschloss, weil sie eine andere Civitas, eines anderen Staates Bürgerschaft, oder ihren Rector,268 Herrscher, so verletzten, dass dem besondere Bedeutung für Fragen der Würde oder Sicherheit zukommt. Das römische Crimen Maiestatis umfasste ursprünglich Handlungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet waren,269 später, als Crimen Laesae Maiestatis, war es noch unbestimmter270 und bezog sich auch auf die Person und Familie des Herrschers.271 Es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, dass Grotius für die Pflicht, ihn auszuliefern, argumentierte. Wichtig ist deshalb der Schlüssel zum Problem, wie genau dies innerhalb seines Gedankensystems vermieden werden kann. Bei der Suche fällt auf, dass Grotius das Urteil gegen Oldenbarnevelt und ihn selbst als durch und durch ungerecht und seine Verturteilung als unverdient ansah. Grotius brachte ersteres in einem unveröffentlichten Entwurf einer Einleitung zu seiner Disquisitio, Pelagiana sint ea dogmata quae nunc sub eo nomine traducuntur von 1621/1622 klar zum Ausdruck. In ihrer Inhaltsanalyse liefern Edwin Rabbie und Henk Nellen eine kurze Zusammenfassung dessen, wie Grotius selbst die Ereignisse beschrieb und bewertete, die sich um Oldenbarnevelt, Hogerbeets, ihn selbst und andere ehemalige Magistrate im Verlauf eines Staatsstreichs zutrugen, sowie des folgenden gerichtlichen Verfahrens zwischen Sommer 1618 und Frühjahr 1619: „Zuerst hatten … die alten Magistrate aus ihren Ämtern entfernt zu werden; einige unter ihnen wurden verhaftet. … Neue Magistrate wurden vom Prinzen ernannt. … Die Gerichtsverfahren gegen die Gefangenen waren ungerecht und rechtswidrig. … Die Gefangenen wurden wegen fälschlich vorgeworfenen Hochverrats verurteilt. … Sie hatten keine

268

Grotius, 1913, S. 368. Avenarius, 2010, Spalte 1140. 270 Zum Crimen Laesae Maiestatis als „Prototyp der Unbestimmtheit“ s. Kirchheimer, 2020, S. 54. 271 Avenarius, 2010, Spalte 1144. 269

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F. Die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl faire Möglichkeit, sich zu verteidigen. … Ihnen wurde ein Crimen Laesae Maiestatis vorgeworfen, aber die Richter wagten es nicht einmal, das Urteil zu unterzeichnen.“272

In seinem Buch Über das Recht des Kriegs und des Friedens kommentierte Grotius das Urteil gegen ihn, dessen Vollstreckung und die folgende Flucht, indem er äußerte, das Vaterland habe ihn „in unwürdiger Weise [indigne] von sich gestoßen“.273 Unwürdig war der Vorgang, wenn die Verurteilung unverdient war. Teilweise wurde „indigne“ auch mit „undeservedly“,274 also „unverdienterweise“ übersetzt. So legte Grotius nahe, dass sein eigener Fall als einer der Fälle jener identifiziert wird, „qui immerito odio laborant“,275 die im Herkunftsland unter unverdienter Feindseligkeit leiden und damit die Voraussetzungen für Asyl als Auslieferungsschutz erfüllen.276 Dies dürfte darauf hinweisen, dass Grotius es als einen Asylgrund ansah, wenn Behörden des Herkunftsstaates in den Augen derer, die im Aufnahmeland über den Asylfall zu entscheiden hatten, Naturrecht oder inländisches Strafrecht – auch politisches Strafrecht! – in unangemessener und ungerechter Weise anwandten. Unverdiente Feindseligkeit, Voraussetzung asylrechtlichen Auslieferungsschutzes, konnte demnach Formen politischer Verfolgung einschließen.

III. Der politische und der rechtliche Charakter der Asylentscheidung Dies führt zur Frage, ob der politische Charakter der Entscheidung über Asylgewährung mit der Vorstellung harmonisiert werden kann, es handele sich bei Asylfragen um solche genuin rechtlicher Natur, die zudem am Recht des Herkunftsstaates zu messen seien. Die auf den ersten Blick fremd erscheinende Vorstellung, dass für die Qualifikation einer Verfolgung als asylrechtlich relevant ausgerechnet strafrechtliche Bestimmungen des Herkunftsstaates von Bedeutung sein können, kennen wir bei näherem Hinsehen auch aus dem geltenden Recht. Schuldangemessene und im üblichen Rahmen befindliche Verfolgung bloß „kriminellen Unrechts, also von Straftaten, die sich gegen Rechtsgüter anderer Bürger richten“, schließt das Bundesverfassungsgericht aus dem Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Asyl272

Übersetzung des Verfassers. Die Passage lautet im englischen Original: „First … the old magistrates had to be removed from office; some of them were arrested. … New magistrates were appointed by the prince. … The prisoners’ trials were unjust and illegal. … The prisoners were convicted on false charges of treason. … They had no fair chance to defend themselves. … They were accused of lese-majesty, but their judges did not even dare to sign the verdict“ (Grotius, 1987, S. 64). 273 Lat. Grotius, 1913, Prolegomena, § 30, dt. Grotius, 1950, S. 37, 274 Price, 2009, S. 37. 275 Grotius, 1913, S. 369. 276 Price, 2009, S. 37.

III. Der politische und der rechtliche Charakter der Asylentscheidung

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grundrechts aus.277 In der Literatur wird in solchen Fällen auch angenommen, dass Verfolgungsgründe nach dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 nicht vorliegen,278 es sei denn, ihr Vorliegen wird durch unverhältnismäßig (nicht schuldangemessen) harte Bestrafung, unfaire Gerichtsverfahren oder eine illegitime, menschenrechtswidrige Strafnorm indiziert.279 Man könnte meinen, Grotius habe die Asylentscheidung gerade nicht als politische angesehen: „Ist die Handlung, deren die Flüchtlinge beschuldigt werden, nach dem Naturrecht und Völkerrecht nicht verboten, so muß der Fall nach dem besonderen Recht des Staates entschieden werden, aus dem sie kommen.“280

Die Entscheidung sollte also an normative Kriterien geltenden Rechts gebunden sein. Die Tatsachen, dass die politische Führung oder Behörden des möglichen Aufnahmestaats über die Aufnahme solcher Menschen zu entscheiden hatten, die bisher fremder Personalhoheit unterstanden hatten, und dass dabei als Vorfrage die Beurteilung eines ausländischen Urteils und dessen bevorstehende Vollstreckung – Hoheitsakte – als verdient oder unverdient in Betracht kommen konnte, scheinen aber Asylgewährung zu einer „auffallend politischen“281 Problematik internationaler Beziehungen zu machen. Man könnte meinen, dies widerspreche oder stehe doch in einer Spannung282 zu Grotius’ streng rechtlicher Herangehensweise und der Bindung an das Recht des Herkunftsstaats; vielleicht sei sie gar naiv und blende Zentrales aus. Vorab sei festgehalten: Die Bindung an das innerstaatliche Strafrecht des Herkunftsstaats führte nicht dazu, dass die Möglichkeit asylrechtlichen Schutzes (auch vor Strafverfolgung) vollständig in sich zusammenfallen musste. Grotius’ ausführliche Behandlung des Themas war nicht eitel und bedeutungslos. Der entscheidende hermeneutische Gesichtspunkt war und ist, dass Organe des potentiellen Aufnahmestaats die rechtliche Befugnis und Pflicht haben sollten, das innerstaatliche Recht des Herkunftsstaates unabhängig von der Auslegung in jenem Staat selbst zu interpretieren.283 Nur so konnten Grotius’ Ausführungen ernstlich sinnvoll werden. Für den rechtlichen Charakter der Entscheidung ist ausschlaggebend: Behörden des Aufnahmestaates sollten die zu fällende Entscheidung nicht, wie eigentlich politi277

BVerfGE 81, 142, 150. Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 433 – 435. 279 Frei/Hinterberger/Hruschka, 2022a, S. 98 Rn. 103. 280 Grotius, 1950, S. 374. 281 „[S]trikingly political“ (Price, 2009, S. 37); hieraus vom Verf. übersetzt. 282 Ausführlich, differenziert und aufschlussreich zu derzeit – mit Blick auf Menschenrechte und Migration – relevanten Aspekten des Problems: Farahat, 2022. 283 Vgl. nur: „Die Einwohner von Chalkis wollten den Nauplios den Argivern nicht ausliefern, weil er sich von dem Vorwurf, den ihm die Argiver machten, genügend gereinigt hatte“ (Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. V.1, S. 371). 278

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F. Die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl

sche Organe, unter allen denkbaren Gesichtspunkten des Gemeinwohls, nicht etwa unter solchen politischer Opportunität, der Organisation von Macht oder Pflege guter Beziehungen zu anderen Staaten, sondern allein anhand geltenden Rechts entscheiden und diese Entscheidung durch ein eigens geschütztes Asylverfahren vorbereiten.284 Die Asylentscheidung sollte, wie Otto Kimminich den großen frühneuzeitlichen Wandel auf den Punkt brachte, „dem Bereich der willkürlichen Politik entzogen und dem Bereich des Rechts zugeteilt“285 werden. Sie diente auch bei Grotius schon als Vorkehrung gegen politische Justiz eines anderen Staates,286 Schutzinstrument gegenüber dem Missbrauch der Justiz als Mittel zur Verfolgung eigentlich politischer Zwecke der Festigung oder Verschiebung von Macht287 wie allgemein gegenüber unverdienter Feindseligkeit andernorts. Nicht aber sollte sie ihrerseits unter anderen als Gesichtspunkten des Rechts und der Gerechtigkeit gefällt werden. Das Problem, dass eine rechtlich gebundene Entscheidung über die Gewährung von Asyl bei politischen Delikten zu zwischenstaatlichen Konflikten führen konnte, blieb erhalten. Es sollte dadurch eingehegt werden, dass begangene politische, den öffentlichen Frieden im Herkunftsstaat gefährdende Delikte, wie andere Straftaten dortigen innerstaatlichen Rechts, ein Recht auf Asylgewährung gerade nicht begründeten. Relevant blieb das so minimierte Problem insofern, als die Beurteilung letztlich unabhängig von jener der Behörden des Herkunftsstaats allein im potentiellen Aufnahmestaat zu erfolgen hatte. Die Befugnis zur Entscheidung anhand des innerstaatlichen Rechts des Herkunftsstaates konnte zweierlei bedeuten. Zum einen implizierte sie, dass die Behörden des Zufluchtsstaates feststellen mussten, ob die Tatsachen der im Herkunftsstaat vorgeworfenen Straftat wahr seien.288 Zweitens – dies ist wichtiger – konnte es zusätzlich bedeuten, dass sie über umstrittene normative Fragen der Strafgerechtigkeit zu entscheiden hatten, zu denen gehörte, ob der Herkunftsstaat vielleicht zur Strafe nicht befugt war und die Grenzen rechtmäßiger Befugnis überschritten hatte.289 Hatte jemand eine politische Straftat wie Hochverrat oder ein Crimen Laesae Maiestatis begangen, so konnte Asyl nicht gewährt werden. Da aber die Beurteilung im Herkunftsstaat ungerecht und das dortige Urteil und seine Vollstreckung unverdient sein konnten, waren die Behörden im Zufluchtsstaat dafür 284 Im etwas anderen Zusammenhang verfassungsgerichtlicher Entscheidung über politische Akte betont Dieter Grimm, dass „ein Arenenwechsel stattfindet, wenn ein politischer Akt vor einem Verfassungsgericht angegriffen wird. Es wechseln die Akteure, die Kriterien und das Verfahren“ (Grimm, 2021, S. 92). Demgegenüber hatte Grotius für unseren Zusammenhang der Asylentscheidung die Akteure noch nicht im Blick, wohl dagegen die spezifisch juristischen Kriterien und das besondere Verfahren „der Untersuchung“ (Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. VI.1, S. 373). 285 Kimminich, 1978, S. 46. 286 S. zum Asylrecht als Vorkehrung gegen politische Justiz Kirchheimer, 2020, S. 511. 287 Ausführlich zu Begriff und Funktionsweisen politischer Justiz Kirchheimer, 2020, insbes. S. 80 – 185. 288 Price, 2009, S. 36. 289 Price, 2009, S. 37.

III. Der politische und der rechtliche Charakter der Asylentscheidung

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verantwortlich zu bestimmen, ob Asylsuchende etwas getan hatten, was zutreffender Weise zu einer solchen Verurteilung geführt hatte. All dies impliziert, dass die Überschreitung hoheitlicher Befugnisse und ungerechte Entscheidungen der Herrschenden innerhalb des Systems von Grotius’ Werk überhaupt denkbar waren. Grotius arbeitete dies im Zusammenhang des Asylrechts nicht aus. Er lieferte uns aber in anderen Kontexten Beispiele für ungesetzliche Kriminalisierung. Unter diesen waren nach Grotius Strafen für „rein innerliche Handlungen“,290 solche für „Handlungen …, die nach der menschlichen Natur unvermeidlich sind,“291 oder für „Verfehlungen …, die sich weder unmittelbar noch mittelbar auf die menschliche Gemeinschaft oder auf einen anderen einzelnen Menschen beziehen.“292 Unter den ungerechtfertigten Strafen befänden sich ferner solche, die Völkern oder Menschen auferlegt werden, „weil sie die christliche Religion nicht annehmen wollen“,293 Strafen dafür, dass Menschen umgekehrt das Christentum predigen oder praktizieren,294 oder „Todesstrafen gegen die …, die Christi Gesetz für wahr halten und nur über Einzelnes irren oder zweifeln, was … zweideutig ist“.295 Price bemerkte die „Familienähnlichkeit“296 solcher Fälle ungerechter Herrschaft oder Zwangsausübung mit Situationen, in denen stärkere Sanktionen auf Regierungen angewandt werden dürften, die ihre Bürgerinnen und Bürger grausam behandelten.297 Grotius kannte die Möglichkeit, dass das hoheitlich „durch … Unrecht gedrückte Volk“298 seine Möglichkeiten erwägen musste. Er erkannte das Widerstandsrecht gegen den Versuch eines Königs an, sein Königreich zu veräußern oder sich einem anderen Herrscher zu unterwerfen.299 Auch gehe die verbindliche „Herrschaft verloren, wenn der König in feindseliger Absicht das ganze Volk in das Verderben führt.“300 Wie van Nifterik herausstellt, werden „die Grenzen legaler Herrschaftsbefugnisse teilweise durch das Naturrecht …, teilweise durch die Grenzen und Reichweite der besonderen Societas und teilweise durch den Vertrag bestimmt, der der Übertragung der Befugnis zu regieren von der Societas auf den Herrscher zu Grunde liegt.“301 290

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. XVIII, S. 342. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. XIX.1, S. 343. 292 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. XX.1, S. 343. 293 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. XLVIII.1, S. 362. 294 Grotius, 1913, lib. II, cap. XX § XLIX, S. 345; engl. Grotius, 1925b, book II, chap. 20, § XLIX, S. 517; die dt. Übersetzung Grotius, 1950, S. 363 ist hier etwas unklar. 295 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 20, Abschn. L.1, S. 363. 296 Übersetzung des Verfassers aus Price, 2009, S. 37: „family resemblance“. 297 Price, 2009, S. 37. 298 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. III, S. 115. 299 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. X, S. 126. 300 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 4, Abschn. XI, S. 126. 301 van Nifterik, 2018, S. 85, Übersetzung des Verfassers. 291

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F. Die Rechte auf ein Asylverfahren sowie auf Asyl

Nach alledem existiert in Grotius’ System das Konzept der Überschreitung rechtlicher Herrschaftsbefugnisse und von Rechtsfolgen solcher Überschreitungen. Unverdientermaßen feindselige Strafverfolgung war denkbar. Die nicht zu leugnenden Spannungen zwischen dem politischen Charakter der Entscheidung über Asylgewährung und ihrer rechtlichen Natur führen nicht zu einem unauflöslichen Widerspruch. Vielmehr weisen sie auf eine Grundstruktur der Entscheidung von Rechtsprechungsorganen wie, viel radikaler, überhaupt aller adäquaten Aktivitäten des Urteilsvermögens hin: darauf, dass allem Urteilen ein Bezug auf die eigene Polis innewohnt. In ihrer 13. Vorlesungsstunde zum Urteilen formulierte Hannah Arendt dazu: „Wenn man urteilt, urteilt man als Mitglied einer Gemeinschaft.“302

302

Arendt, 2003, S. 72; dt. Arendt, 1998, S. 97.

G. „Recepit nec dedidit“: Elemente eines umfassenden Asylkonzepts in Grotius’ Werk Es erscheint mir als legitim, dem Werk Hugo Grotius’ ein umfassendes Asylkonzept zu unterstellen. Die systematisch strenge Trennung einerseits der Behandlung von zwangsweise migrierten Expulsi und andererseits jenen, die Schutz vor Auslieferung suchen, wie sie Autorinnen und Autoren jüngerer Sekundärliteratur postuliert haben,303 scheint mir in Grotius’ Werk keine solide Grundlage zu haben. Gewiss behandelte Grotius die beiden Dimensionen mit unterschiedlicher Terminologie sowie in unterschiedlichen Teilen seines Hauptwerks und gewiss hat er ein umfassendes Asylkonzept gerade nicht ausgearbeitet. Er diskutierte Probleme jeweils an jenem Ort, wo sie für sein Werk Zum Recht des Kriegs und des Friedens relevant waren. Immerhin deutete Grotius aber die Möglichkeit der Unterstellung eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen seiner Behandlung der Personen, die vertrieben worden, zwangsweise migriert und aufzunehmen waren, und jener, die Auslieferungsschutz begehrten, kurz anhand eines der vielen angeführten Präzedenzfälle für Asyle an. Er formulierte: Pippin „nahm … auf und weigerte sich … auszuliefern“.304 Eng verklammerte er so in einem Satz die Aufnahme Vertriebener und asylrechtlichen Auslieferungsschutz. Vor allem aber formulierte Grotius die zu erfüllenden tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen für staatliche Pflichten, die gegenüber Expulsi bestanden und die gegenüber asylrechtlichen Auslieferungsschutz Begehrenden galten, sehr ähnlich. Die Annahme eines beiden gemeinsam zu Grunde liegenden Konzepts erscheint mir deshalb nicht als illegitime Projektion des modernen Lesers, sondern sie scheint sich mir eher allen nahezulegen, die sich Grotius’ Werk hermeneutisch annähern.

I. Voraussetzungen rechtlichen Schutzes Als wir die tatbestandlichen Voraussetzungen für Schutz untersuchten, sahen wir (in Kapitel B. III.), dass für die Verhinderung einer Auslieferung nach Grotius zweierlei erforderlich war: erstens, kürzliches oder zu erwartendes Erleiden von 303

de Wilde, 2018, S. 475; Tießler-Marenda, 2002, S. 205. Übersetzung des Verfassers; vgl. zum Zitat, zur lat. Fundstelle und englischen und französischen Übersetzung oben Fn. 264. 304

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G. „Recepit nec dedidit“

Feindseligkeit im Zielstaat der Auslieferung; zweitens, dass diese Lage unverdient und nicht Folge eines berechtigten Strafanspruchs war. Diejenigen, denen die Befugnis zur Entscheidung zukam, hatten das Naturrecht, das Völkerrecht oder das innerstaatliche Recht des die Auslieferung begehrenden Staates anzuwenden,305 um zu beurteilen und zu bestimmen, ob sie Asyl gewähren sollten, weil unverdienterweise Feindseligkeit erfahren oder zu erwarten sei. Bring306 merkte an, es sei überraschend, dass Grotius internationale Straftaten überhaupt berücksichtigt habe. Er hebt hervor, dass seine Diskussion derselben als Gründe für Auslieferung einen modernen und fortschrittlichen Zug seiner ansonsten oft konservativen Lehre zeige. Dieser Gedanke lag der Kodifizierung des Rechts internationaler Strafverfolgung für schwerste Verbrechen zu Grunde, welche die internationale Gemeinschaft als Ganze betreffen, wie sie in den Artikeln 5 – 9 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998307 normiert sind. Auch liegt er den Ausnahmen vom Schutz des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 in seinem Artikel 1 F. zu Grunde, die unter anderem auf Menschen anzuwenden sind, in Bezug auf die die aus schwer wiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Dem ähnlich sahen wir (oben in Kapitel E.), dass eine Person, um Aufnahme als Expulsus zu finden, ebenfalls zweierlei nachzuweisen hatte. Erstens bedurfte es einer Art Nötigungsakt oder Zwangslage als Grund für das Verlassen des Territoriums des Herkunftsstaates. Zweitens durfte die betroffene Person nicht im Herkunftsstaat eine gerechterweise einforderbare Rechtsverpflichtung zu erfüllen haben, wie etwa, eine Strafe zu verbüßen nach einer gerechten gerichtlichen Verurteilung wegen einer Straftat. Da der für die Aufnahme erforderliche Nötigungsakt in Verfolgung – einschließlich ungerechter strafrechtlicher Verfolgung, wie wir bei Grotius’ Bewertung seines eigenen Falls sahen (s. o. Kapitel E. I.) – bestehen konnte, war die Lage, für die Auslieferungsschutz vorgesehen war, als Unterfall im Konzept enthalten, das für die Aufnahme von Expulsi entwickelt worden war.

II. Rechtsfolgen für die Zeit vor Ankunft und Aufnahme Was Rechtsfolgen, mithin die Reichweite des Schutzes und die Rechtsstellung von Menschen, die Schutz vor Auslieferung suchen, einerseits, Expulsi andererseits betrifft, lässt sich Folgendes feststellen. Für die Zeit vor der Ankunft am Ziel der Flucht forderte das Asylkonzept Grotius’ sichere Fluchtwege. Grotius’ Formulierung im 2. Buch Kapitel 2 Abschnitt XIII.1 deckte sowohl Individuen ab, die versuchten, sich unverdienter Feindseligkeit – 305

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. VI.2, S. 374. Bring, 2006, S. 140. 307 Internationale Quelle: United Nations, Treaty Series, Bd. 2187, S. 3.

306

II. Rechtsfolgen für die Zeit vor Ankunft und Aufnahme

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einschließlich Verfolgung – zu entziehen und die auf Schutz vor Auslieferung hofften, als auch solche, die aus anderen Gründen gezwungen waren, ihr Herkunftsland zu verlassen: „Daher müssen die Länder, Flüsse und die im Eigentum befindlichen Meeresteile allen zum Durchgange für gerechte Zwecke offenstehen; z. B. wenn jemand, aus seinem Lande verjagt, in die Fremde gehen will“.308

Grotius platzierte diese Forderung und alles, was für die Zeit nach der Ankunft relevant ist, im Rahmen eines Systems von Rechten. Es sind der Terminus Jus und dessen Charakteristikum als Recht einer Person, was Grotius als Grundlage der Rechtsstellung verwendete, die jene schützen sollte, die asylrechtlichen Schutz vor Auslieferung als „§upplicum jura“, suchten. Wie wir bereits in Kapitel B. III. sahen, hätte Grotius bei anderem Verständnis eine andere Wortwahl nahegelegen. So hätte Grotius auf eine Formulierung zurückgreifen können, die stärker als die gewählte objektiv-rechtlich konnotiert ist oder ein anderes Subjekt des Rechts einsetzen können. Eine subjektiv-rechtliche Bedeutung und ein eher großes Gewicht dieses Rechts legt zudem die Tatsache nahe, dass Grotius bereits zwischen Fähigkeit [Facultas] als einer vollkommenen moralischen Eigenschaft309 und Geeignetheit [Aptitudo] als bloß unvollkommener moralischer Eigenschaft310 unterschied. Ersterem Terminus entsprach in der Metaphysik jener des Actus, der Wirklichkeit, letztere der Potentia, der Möglichkeit.311 Allein eine vollkommene Eigenschaft wollte Grotius als das „Seinige“ [Sui]312 und als „Recht im eigentlichen oder strengen Sinne“ [jus proprie aut Otricte],313 bezeichnet wissen. Bei Grotius selbst finden wir, anders als im Zusammenhang asylrechtlichen Schutzes vor Auslieferung, für den Schutz von Expulsi durch Aufnahme das Wort Jus nicht in Verbindung den vertriebenen Menschen als Subjekten des Rechts. Was wir aber finden, ist eine Rechtspflicht des potentiellen Aufnahmestaats, nämlich eine Verpflichtung, einen Antrag auf Aufnahme (Receptum) und Zulassung zur Ansiedelung nicht abzulehnen, wenn bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Pflicht, die anlässlich eines qualifizierten Antrags ohne Weiteres entsteht, entspricht nahezu dem, was ein Recht konstituiert. In struktureller Hinsicht funktioniert sie wie ein Recht.

308 309

S. 48. 310

S. 48. 311

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. Grotius, 1913, lib. I, cap. I § IV, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, Grotius, 1913, lib. I, cap. I § IV, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV,

Stumpf, 2006, S. 20. Grotius, 1913, lib. I, cap. I § V, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. V, S. 48. 313 Grotius, 1913, lib. I, cap. I § V, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. V, S. 48. 312

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G. „Recepit nec dedidit“

III. Rechtsfolgen für die Zeit unmittelbar nach der Ankunft: Asylverfahren und vorläufiger Status Mit Blick auf Asylsuchende sah Grotius’ Werk vor, dass es die Verpflichtung von Behörden des fraglichen Asylstaats sei, ein Asylverfahren durchzuführen und währenddessen Schutzsuchende zu schützen.314 Soweit ersichtlich, hat Grotius kein vergleichbares Verfahren zur Entscheidung über die Ansiedelung von Expulsi vorgesehen. Da Grotius jedoch im Zusammenhang der Behandlung der Frage der Ansiedelung von Siedlerinnen und Siedlern – unter ihnen Expulsi – ausdrücklich auf die vorherige Diskussion des Asyls Bezug nahm,315 haben wir Grund zur Annahme, dass Behörden immer, wenn die Diskussion der Auslieferung aufkommen sollte, ein Asylverfahren durchzuführen haben sollten. Für alle anderen Fallgruppen war es anscheinend im Rahmen der Rechtsbeziehung zu anderen Staaten erlaubt und im Verhältnis den zwangsweise aus ihrem Herkunftsstaat emigrierten Personen Pflicht, Expulsi auch ohne besonderes Verfahren zur Ansiedelung zuzulassen.

IV. Weitere Rechtsfolgen: Status Asylberechtigter und aufgenommener Expulsi Nach einer positiven Entscheidung im Asylverfahren verboten die Rechte der Schutzsuchenden deren Auslieferung. Wie es sich mit ihrem Aufenthaltsrecht verhalte, führte Grotius nicht aus. De Wilde äußerte die Ansicht, wonach Asyl einen nur „vorübergehendes Refugium bis eine mildere Strafe oder ein angemessenes Verfahren ausgehandelt worden ist“,316 beinhalte. Darin bestehe einer der Unterschiede zwischen Asyl als provisorischem Schutz vor Auslieferung und der Rechtsstellung von Expulsi, da Behörden Individuen hier die dauerhafte Ansiedelung und einen damit verbundenen Status gewährten. Diese Unterscheidung überzeugt nicht so recht. Gern sei zugestanden, dass in der Grotius bekannten Geschichte Asyle häufig als Provisorien vorgesehen waren und dass Grotius auf ältere Beispiele oder Fälle von Asylgewährung Bezug nahm, wenngleich nicht ausdrücklich für diesen Zusammenhang. Indes sehe ich nicht, dass sich im Rahmen des textlichen Befunds von Grotius’ Werk diese Schlussfolgerung aufdrängte oder auch nur rechtfertigen ließe. Vielmehr scheint es sich mir im Gegenteil so zu verhalten, dass sein Gedankensystem diesem Verständnis unzugänglich ist. Wenn denn, wie Grotius meinte, dem Anspruch und der Pflicht, eine Strafe aufzuerlegen, Gültigkeit zukam, solange Straftäter am Leben waren,317 so liegt vielmehr nahe, dass auch der Schutz vor einer fälschlich in Anspruch genommenen Befugnis zur Strafverfolgung (unverdienten Feindseligkeit) bis auf Weiteres und möglicherweise ohne zeitliche Befristung zu gewähren sei. 314

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. VI, S. 373. Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. 316 de Wilde, 2018, S. 475, Übersetzung des Verfassers. 317 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. VIII, S. 374 f. 315

IV. Weitere Rechtsfolgen

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Diese Interpretation von Grotius’ Schweigen zur Frage der Dauer asylrechtlichen Auslieferungsschutzes und Aufenthaltsrechts scheint mir überzeugender. Ein Unterschied zur aufenthaltsrechtlichen Behandlung der Expulsi ist deshalb gerade nicht ersichtlich. Die Rechtsstellung der Expulsi lässt sich ferner dadurch charakterisieren, dass sie sich der bereits bestehenden Regierung und den geltenden Gesetzen des Landes, wie sie für die Verhinderung von Unfrieden notwendig seien, zu unterwerfen hatten.318 Unter den vielen Rechten der Siedlerinnen und Siedler war eines von besonderer Bedeutung. Grotius formulierte eine Regel grundsätzlicher Nicht-Diskriminierung. „Das gemeine Recht zu Handlungen, welches auf Voraussetzung beruht, betrifft die Fälle, wo ein Volk Fremden überhaupt etwas gestattet; wird ein Volk ausgenommen, so geschieht diesem damit Unrecht. Wird z. B. den Fremden gestattet, überall zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen, Perlen zu suchen, durch Testament zu erwerben, zu verkaufen und Ehen zu schließen, … so darf dies nicht ausnahmsweise einem Volke versagt werden.“319

Grotius schrieb nicht viel über die Rechtsstellung der Supplices, die erfolgreich um asylrechtlichen Auslieferungsschutz gebeten hatten. Dass kein Bedarf, diesen Status überhaupt zu erwähnen, bestand, erscheint als sinnvoll, sobald man mit der Unterstellung arbeitet, dass vom asylrechtlichen Auslieferungsschutz begünstigte Personen nicht ein eigenständig zu betrachtendes Aluid gegenüber den Expulsi, sondern im Gegenteil eine Untergruppe der größeren der zwangsweise migrierten Menschen bildeten, denen Receptum gewährt worden war. Sie waren Personen, denen Asyl im Sinne der Definition des Institut de Droit International (s. o. Kapitel B.) gewährt wurde. Die Annahme eines umfassenden, Grotius’ Werk zu Grunde liegenden Asylkonzepts erscheint nach alledem als fruchtbar und legitim. Es erscheint überzeugend, dieses Konzept und seine Elemente als eine konzeptionelle Gussform eines Rechts auf Asyl anzusehen.

318 Dt. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155; lat.: Grotius, 1913, lib. II cap. II § XVI, S. 120. 319 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXII, S. 157.

H. Hugo Grotius und Menschenrechte Nicht ganz klar erscheint nach alledem jedoch, wie legitim es wäre, diesen Keim eines Rechts auf Asyl auch als Keim eines grundrechtlich zu schützenden Menschenrechts auf Asyl anzusehen.

I. Betonung menschenrechtlicher Aspekte des Asyls bei Grotius in der Literatur Jacob Meijer brachte Grotius’ Entwurf einer Regelung für die Aufnahme vertriebener Jüdinnen und Juden mit „natürlichen Menschenrechten“320 in Verbindung. Ihm waren sie der Grund, aus dem eine Gesellschaft immigrierenden Jüdinnen und Juden einen „place“, einen Ort, wo sie Leben könnten, anbieten sollten.321 In seinem Werk International Law and Asylum as a Human Right machte Manuel R. GarcíaMora geltend, Grotius habe die „enge innere Verbindung zwischen Asyl und den Menschenrechten“322 zum Ausdruck gebracht. In Peter Landaus Sicht geht Grotius „von einem natürlichen Recht des Flüchtlings auf Aufnahme aus“.323 Im Jahr 2017 machte Jochen Bung geltend: „Für Grotius ist es selbstverständlich, dass es ein natürliches Recht, ein Menschenrecht auf Migration gibt.“324 Unter Bezugnahme auf Buch II Kapitel 2 Abschnitt XIII.4 von Grotius’ Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens325 erläuterte er die Relevanz wie folgt: „Wie kein anderer hat Grotius die Angst vor der Migration thematisiert und ihr das Recht abgesprochen, sich zu einem maßgeblichen Motiv bei der Bewertung des globalen Phänomens der Migration zu machen. Nirgendwo habe ich einen Satz gelesen, der diesen Punkt in solcher Deutlichkeit und Schärfe hervorhebt: ,[D]ie Furcht vor der großen Zahl der Durchziehenden ist kein Grund zur Weigerung. Denn mein Recht wird durch Deine Furcht nicht aufgehoben‘.“326

320

Meijer, 1955, 104, Übersetzung des Verfassers aus: „natural human rights“. Meijer, 1955, 104. 322 Übersetzung des Verfassers. García-Mora, 1956, S. 27 sprach von der „the intimate connection between the asylum and the rights of man“. 323 Landau, 1999, S. 318. 324 Bung, 2017, S. 144. 325 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.4, S. 153. 326 Bung, 2017, S. 144. 321

III. Einwand unkritischer Methode und despotiefreundlicher Argumentation

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Das Recht, das Land seiner Herkunft zu verlassen, sollte so „ergänzt und gestärkt [werden, R. K.] durch ein Recht, in einem fremden Land bleiben zu dürfen“.327 Wäre in Grotius’ normativem Gefüge zumindest die Feststellung gerechtfertigt, dass es so etwas wie einen Keim – ein Fundament und eine Begründung – eines Menschenrechts auf Asyl oder eines Rechts auf dauerhaften Aufenthalt und Wohnsitz von Menschen gibt, die erzwungenermaßen ihre frühere Heimat verlassen hatten? Was dazu im bisher Erörterten noch fehlt, ist, dass es sich zu dem fügt, wie Grotius’ Werk sich insgesamt zur Idee von Menschenrechten verhält.

II. Einwand anachronistisch-ahistorischer Verkennung der Intentionen Grotius’ Ein erster, etwas oberflächlicher, allein auf historische, insbesondere geistesgeschichtliche Zusammenhänge eingeengter Blick auf die Sache scheint nahezulegen, solche Behauptungen seien ahistorisch, anachronistisch und eine inadequate Projektion der Leserin oder des Lesers unserer Zeit, die sich nicht auf das stützen lasse, was Grotius tatsächlich geschrieben habe.328 James Griffin betonte, es habe die Verwendung des Ausdrucks Menschenrechte erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts begonnen, etwa mit der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789, weite Verbreitung habe der Terminus aber erst in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erfahren.329 Es überrascht deshalb nicht, dass Grotius nicht „ausdrücklich eine Kategorie der Menschenrechte von jenen der Staaten oder Bürgerinnen und Bürger sowie Fürsten unterschied“.330 Mit Blick auf die Remonstrantie machte de Wilde kürzlich geltend, „Meijers Vorstellung, dass Grotius’ Entwurf Zeugnis abgibt vom aufkommenden Diskurs über unverletzliche ,natürliche‘ Menschenrechte führt in die Irre, da Grotius überhaupt nicht auf unverletzliche natürliche Rechte Bezug nimmt.“331

III. Einwand unkritischer Methode und despotiefreundlicher Argumentation bei Grotius Einige Folgerungen, welche Grotius aus seinem System zog, scheinen den Eindruck zu bekräftigen, der durch solche historischen Erwägungen entsteht. Nicht allein verwendete Grotius das Konzept „Menschenrechte“ nicht; sondern schlimmer: 327 „This right to leave one’s own country is supplemented and reinforced by a right to remain in a foreign country“ (Chetail, 2016, S. 908), im Fließtext Übersetzung des Verfassers. 328 Lauterpacht, 1946, S. 43 – 46. 329 Griffin, 2010, S. 9. 330 Vincent, 2003, S. 242 (Übersetzung des Verfassers). 331 de Wilde, 2017, S. 395 (Übersetzung des Verfassers).

66

H. Hugo Grotius und Menschenrechte

Er beschrieb solche gesetzlichen Figuren wie jene des Servitus, der Sklaverei oder der Leibeigenschaft,332 als das in allen grausamen Einzelheiten geschilderte rechtliche Schicksal Kriegsgefangener,333 als Folge entweder freiwilliger Unterwerfung334 oder der Verurteilung wegen bestimmter, begangener Straftaten.335 Wir betrachten heute all diese Vorstellungen als offensichtliche Verletzung eines elementaren Grund- und Menschenrechts, das Staaten nicht einmal in Notfällen beschränken dürfen, wie sich zum Beispiel aus Artikel 4 Absatz 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966336 ergibt. Scheint nicht Jean-Jacques Rousseaus Feststellung überzeugend, dass Grotius’ unerträgliche Position zu Leibeigenschaft und Sklaverei die Folge methodischer Vorgehensweisen war, nach welchen Grotius eher mit Anführung und Zitierung angenommener Autoritäten337 oder Tatsachen über Rechtspraktiken338 als mit Vernunftgründen und der „Natur der Dinge“339 argumentierte? Hatte nicht bereits vor Rousseau Gottfried Wilhelm Leibniz, wie Ernst Cassirer herausstellt, betont, dass „die Rechtswissenschaft zu denjenigen Disziplinen gehöre, die nicht von Erfahrungen …, nicht von Tatsachen … abhängen. Denn was Recht und Gerechtigkeit an sich seien: dies könne nicht der Erfahrung entnommen werden“?340 Hinzu kommt, dass Grotius anscheinend „einen extrem negativen Standpunkt zum Recht auf Widerstand“341 einnahm. Er diskutierte es in einer Sprache, die „zögerlich, komplex und voller Qualifikationen“342 war und ließ es, bei aller Komplexität, eher schwach erscheinen.343 Hatte Rousseau nicht Recht, wenn er Grotius als „Fürsprecher der Despotie“344 einordnete? Fügte sich dieses Urteil nicht gut zu Immanuel Kants allgemeinerer Einordnung von Grotius unter „lauter leidige 332

2002. 333

Ausführlich zur Frage der Bedeutung von „Servitus“ bei Grotius van Nifterik, 2001/

Grotius, 1950, Buch III, Kap. 7, Abschn. I – V, S. 480 – 482. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 5, Abschn. XXVII, S. 189. 335 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 5, Abschn. XXXII, S. 191. 336 International Covenant on Civil and Political Rights, United Nations, Treaty Series, Band 999, S. 171 und Band 1057, S. 407; in englischer und französischer Sprache sowie amtl. dt. Übersetzung abgedruckt mit dem Zustimmungsgesetz vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, S. 1533. 337 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. IV, S. 48; dt. Rousseau, 2008, S. 22. 338 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. II, S. 42 schreibt von Grotius: „Sa plus constante manière der raisonner est d’établir toujours le droit par le fait.“ Dt. Rousseau, 2008, S. 14: „Grotius … argumentiert meist dahingehend, daß allein, weil etwas bestehe, es deswegen auch schon rechtens sei.“ 339 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. IV, S. 48; dt. Rousseau, 2008, S. 22. 340 Cassirer, 2007, S. 248. 341 Tanaka, 1993c, S. 143 (Übersetzung des Verfassers). 342 Remec, 1960, S. 219 (Übersetzung des Verfassers). 343 Genauer und gründlich reflektiert: Walther, 2005, S. 63. 344 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. V, S. 49; dt. Rousseau, 2008, S. 25. 334

III. Einwand unkritischer Methode und despotiefreundlicher Argumentation

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Tröster“345 im Buch Hiob346? War Grotius nicht ganz wie sie und nahmen nicht auch bei ihm die „leeren Worte kein Ende“,347 wie es von Hiobs Freunden berichtet worden war, die ihm letztlich nicht halfen? Handelte Grotius nicht ganz wie sie, als er, in bester Absicht und auf solider Basis von Überlieferung und Reflexion,348 aber vergeblich349 argumentierte, indem er Krieg durch die Bindung an Rechtfertigungsgründe wenn nicht abzuschaffen,350 so jedenfalls einzuhegen versuchte,351 aber in Wirklichkeit Vorwände für Gewalt lieferte, statt institutioneller Struktu345

Kant, 1969a, S. 355. Hiob 16, 2. 347 Hiob 16, 3. 348 Barth, 1966, S. 98 – 101. 349 Angesichts der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen des 17. Jahrhunderts verwundert nicht, dass die angebliche Vergeblichkeit normativ-juristischer Bemühungen zur Einhegung des Krieges bereits in den Jahrzehnten nach Grotius’ Arbeit angenommen und postuliert wurde. Von evangelisch-christlicher Seite her beschäftigte die Frage: „läßt sich der Frieden der Welt überhaupt organisieren oder läßt er sich erreichen nur durch die Förderung friedlicher Gesinnung in den Herzen der Menschen?“ (Drobnig, 1951, S. 23) Johann Amos Comenius. Dieser formulierte im Jahr 1667 – etwas mehr als vier Jahrzehnte nach Grotius’ Publikation und etwa zwei Jahrzehnte nach deren letzter von Grotius selbst überwachter Auflage – aus Anlass der Friedensverhandlungen in Breda zur Beendigung des Zweiten Englisch-niederländischen Seekriegs (genauer Dieterich/Hecker, 2004, S. 19 f.) seine Kritik an der Vergeblichkeit mancher Versuche, Krieg und Gewalt rechtlich einzuhegen, vgl. Comenius, Angelus Pacis, in: derselbe 1993, S. 12 – 77, Abschnitt 6, S. 18 – 21. Aus einer anderen, nämlich einer radikal rechtspositivistisch-realistischen Sichtweise heraus lieferte zehn Jahre später Baruch de Spinoza Gründe für eine Kritik an einer normativen Völkerrechtsordnung ohne Institutionen. Dies tat er in seinem posthum 1677 veröffentlichten Tractatus Politicus. Dort betonte Spinoza, im natürlichen Kriegszustand unter Staaten könnten internationale Verträge keine Verbindlichkeit haben (Altwicker, 2014, S. 70). Damit richtete Spinoza sich gegen Hugo Grotius’ normative Herangehensweise an internationale Beziehungen (Altwicker, 2014, S. 70). Manfred Walther erläuterte, bei Spinoza sei für die Stabilität positiver Rechtsordnungen entscheidend, dass „sie keine Idealgestalt vernünftiger Subjektivität unterstellt“. Vielmehr gehe es darum, dass sie Institutionen habe, die bewirkten, dass „Menschen, mögen sie von Vernunft oder Leidenschaften zum Handeln bestimmt sein, dennoch vernunftförmig handeln, so dass also z. B. auch derjenige, der nur an seinem eigenen Wohlergehen interessiert, nur auf Steigerung seiner Aktionsmacht aus ist, dennoch handelt, als ob er auch das Wohl anderer im Auge hätte“ (Walther, 2015, S. 53). Spinoza machte dies konkreter für das Zusammenwirken holländischer Städte relevant (ebda, S. 57 f.). 350 Grundsätzlich zum Friedensgedanken in der Naturrechtslehre des Hugo Grotius: Drobnig, 1951. Er führt dort auf S. 25 f. Äußerungen an, die nahelegen, dass es Grotius nicht um die Abschaffung, sondern um die humanisierende Einhegung des Problems des Krieges ging. 351 Tadashi, 1993a, S. 25 äußert, Grotius habe Blutvergießen verabscheut. Er verweist dafür u. a. auf die Vorrede. In ihr ist Grotius, 1950, Vorrede Abschn. 28, S. 37 deutlich auf Einhegung des Krieges durch Bindung an Rechtfertigungsgründe ausgerichtet. Ferner verweist Tadashi, a. a. O. auf Grotius, 1950, Buch II, Kap. 22 – 24, wo Grotius die Vermeidung des Krieges nicht nur in Fällen seiner Ungerechtigkeit oder Zweifelhaftigkeit, sondern auch im Falle des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes anmahne (deutlich insbesondere Grotius, 1950, Buch II, Kap. 24, S. 393 – 403). 346

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H. Hugo Grotius und Menschenrechte

ren,352 die Gewalt international wie im Inland und zuhause hätten effektiv begrenzen können?

IV. Zum methodologischen Einwand bloß konventioneller Argumentation Ein genauerer Blick wird dazu führen, dass wir das starke, aber relative Recht der gegen Grotius’ Werk erhobenen Einwände sofort einräumen; wir werden aber darüber hinaus Gesichtspunkte sehen, die zeigen, dass Grotius trotz ihrer für die Diskussion von Menschenrechten, Asyl und Migration relevant bleibt. Es ist bezeichnend, dass ein am radikalen und klaren Blick Kants geschulter Gelehrter wie Ernst Cassirer in Hugo Grotius jemanden sah, der für die Entwicklung der Idee des Rechts und unveräußerlicher Rechte353 in besonderer Weise bedeutend war als jemand, der „die Brücke schlägt“.354 Grotius habe „überall die unmittelbare Anknüpfung an die antiken Theorien“ gesucht, nicht nur als Politiker, Jurist und gelehrter Humanist gewirkt, sondern als selbständiger Denker.355 Zur Kritik an Grotius’ Methode lässt sich Folgendes feststellen: Zu prüfen, ob seine Begriffe mit vor ihm geäußertem Gedankengut und vorgefundener Entscheidungspraxis harmonisiert werden konnten, mag ein Akt der Vorsicht in gefährlichen Zeiten gewesen sein. Es mag auch eine Art und Weise gewesen sein, die Wirklichkeit des Rechts in zwischenstaatlichen Beziehungen zu beweisen, wie Kadelbach meinte.356 Grotius’ Methode mag ferner Ausdruck dafür gewesen sein, dass er sich der Tatsache bewusst war, dass es in normativen Zusammenhängen letztlich nur einen Weg gibt, um zu prüfen, ob unser Gedanke lediglich persönlich, privat, irrelevant und vielleicht wahnsinnig ist – oder umgekehrt auf so etwas wie eine gültige „universelle Vernunft“357 gestützt. Es ist diese Frage: Handelt es sich um eine Position, die andere anspricht und übereinstimmt mit einer Art Sensus Communis358 ? Ältere Quellen mochten Hinweise auf die mögliche Beantwortung dieser Frage liefern. In § 40 seiner Prolegomena äußerte Grotius: „[W]enn viele aus verschie352 Ansatzweise hatte Grotius auch institutionelle Lösungen schon im Blick, als er für den Fall zweifelhafter Kriegsgründe unter den drei Möglichkeiten zu verhindern, dass Streitigkeiten in Krieg übergehen, neben dem Gespräch und dem Los auch die vertragliche Einrichtung eines Schiedsgerichts vorsah (Grotius, 1950, Buch II, Kap. 23, Abschn. VIII.4, S. 393). Wie aber Drobnig, 1951, S. 25 genauer gezeigt hat, ist dem „Gedanken der Schiedsgerichtsbarkeit … in dem völkerrechtlichen System des Grotius eine sehr geringe Bedeutung beizumessen.“ 353 Cassirer, 2007, S. 245. 354 Cassirer, 2007, S. 247. 355 Zitate und Betonung der Selbständigkeit Cassirer, 2007, S. 247. 356 Kadelbach, 2017, 149: Way „of proving the reality of the relations between states“. 357 Aure, 2015, S. 81 f. (Übersetzung des Verfassers). 358 Arendt, 2003, 12th session, S. 71; dt. Arendt, 1998, 12. Stunde, S. 95.

V. Sklaverei: Anschauungsmaterial für einen adäquaten Zugang

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denen Zeiten und allen Orten dasselbe als gewiß behaupten, dies auf einen allgemeingültigen Grund hinweist, der in unseren Erörterungen kein anderer sein kann als die richtige Schlußfolgerung, wie sie sich aus der Natur der Sache ergibt, oder die allgemeine Übereinstimmung.“359 Grotius befand sich insofern noch in Übereinstimmung mit der scholastischen Tradition.360 Allerdings hob Ernst Cassirer Folgendes hervor: Leibniz habe später betont, was Recht und Gerechtigkeit an sich seien, könne nicht der Erfahrung entnommen werden. Dies sei doch ganz eigentlich „nur die klare und bestimmte Folgerung aus einem Grundgedanken von Hugo Grotius“, wonach dies „eine ewige und notwendige Wahrheit in sich [schließt, R. K.], … die auch dann unangetastet bliebe, wenn die ganze empirische Welt zugrunde ginge.“361 Insofern als die von Grotius zitierten Quellen seine Annahmen über Forderungen des Naturrechts gegen Kritik immunisieren sollten,362 erscheint dies nicht mehr überzeugend, wenn es das je gewesen sein sollte. Grotius wusste selbst, dass den zitierten Geschichtsschreibern, Dichtern, Philosophen und Rednern „nicht … unbedingt zu vertrauen ist“.363 Auch zeigte er, dass ihm dies bewusst war, als er frühere Autoren kritisch diskutierte,364 darunter zum Beispiel Karneades in § 16 bis § 18 seiner Prolegomena,365 und ihnen stark unterschiedliche Wertschätzung beimaß.366 Alte Quellen können nichts beweisen; sie mögen uns sogar zu etwas führen, was uns überhaupt nicht überzeugt (wie Rousseau mit Blick auf Sklaverei überzeugend zeigte), aber sie erlauben es uns grundsätzlich, so etwas wie eine vorläufige und widerlegliche Vermutung zu begründen, dass wir Recht haben. Natürlich können sie uns nicht entlasten von dem Bedarf an einer ausgewogenen und kritischen Argumentation hinsichtlich der Frage, ob Konzepte früherer Denkerinnen und Denker uns angesichts aktueller Erfahrung und Reflexion noch immer überzeugen. In diesem Sinn waren Grotius’ Gedanken nicht so gewagt, schöpferisch, gründlich, kritisch und überzeugend wie jene einiger späterer Autorinnen und Autoren.

V. Sklaverei: Anschauungsmaterial für einen adäquaten Zugang Was das verstörende Beispiel der Sklaverei betrifft, war es gerade noch nicht Grotius, der klar und kritisch Stellung bezog. Erst spätere Autorinnen und Autoren 359

Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 40, S. 39 f. Vermeulen, 1983, S. 378. 361 Cassirer, 2007, S. 248 unter Bezugnahme auf Leibniz, 1893a, S. 22. 362 Vermeulen, 1983, S. 377. 363 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 40, S. 39. 364 Tanaka, 1993a, S. 20 – 24. 365 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitte 16 – 18, S. 34 f. 366 Tanaka, 1993a, S. 23 f. 360

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H. Hugo Grotius und Menschenrechte

unterzogen sie gründlicher kritischer Prüfung und verurteilten sie am Ende, teilweise unter ausdrücklicher Distanzierung von Grotius. George Fox, der Gründer der Religious Society of Friends, deren Anhängerinnen und Anhänger später als Quäker bekannt wurden, rief ein viertel Jahrhundert nach Grotius’ Tod – beeindruckt von offensichtlich schädlichen Wirkungen der Sklaverei auf versklavte Menschen, Sklavenhalterinnen und Sklavenhalter – letztere zu einem christlichen und humanen Umgang mit ersteren und zur Freilassung nach einiger Zeit treuer Dienste auf.367 Nachdem sein Glaubensgenosse William Edmundson 1676 die allgemein praktizierte Sklaverei als Sünde bezeichnet hatte,368 kritisierten christliche Quäker 1688 in Germantown, Pennsylvania369 und verstärkt im 18. Jahrhundert370 die Einrichtung der Sklaverei.371 Anhängerinnen und Anhänger der Quäker-Bewegung orientierten sich an dem als Quelle des Guten und als Erlöser nicht nur mancher Auserwählter, sondern aller geglaubten Gott, an Liebe und der egalitären Vorstellung, allen Menschen sei ein inneres Licht der Einsicht gemein,372 das sie zudem zur Arbeit am Wohl anderer dränge. Gottfried Wilhelm Leibniz, Frühaufklärer und deutscher Zeitgenosse früher amerikanischer Quäker, stellte in seinem posthum veröffentlichten Werk auf anderer gedanklicher Grundlage klar, dass Eigentum an Menschen nie akzeptabel sein konnte, noch irgendeine rechtliche Beziehung der Beherrschung von Menschen durch Menschen ohne Schutz durch ein stärkeres Recht gegen Missbrauch.373 Trotz aller Umstände des Klimas, die manchen die Sklaverei nahezulegen schienen,374 trotz aller despotischen politischen Lagen, in denen Sklaverei angesichts der allgemeinen Unfreiheit angeblich kaum als Unrecht empfunden werde,375 hielt Montesquieu in Buch 15 seines Hauptwerks aus dem Jahr 1748 Sklaverei für „ihrem Wesen nach nicht gut und weder dem Herrn noch dem Sklaven nützlich“.376 Den Ruf nach Sklaverei hielt er für eine Stimme des Luxus und der Lustbegier, nicht für den „Ruf der Liebe zu einem allgemeinen Glück.“377 1755 attackierte de Jacourt im fünften Band der Encyclopédie die Sklaverei von einer anderen Seite her. Er betonte, Sklaverei sei die Einrichtung eines Rechts durch Gewalt, die einen Menschen so sehr als Eigentum eines anderen bestimme, dass

367

Carroll, 1997, S. 17; Drake, 1950, S. 6 f. Drake, 1950, S. 9. 369 Johnson, 1988; Drake, 1950, S. 11. 370 Jennings, 1977. 371 Hunting, 1978, S. 410. 372 Jennings, 1977, S. 29, zu Motiven abolitionistischer Äußerungen von Quäkern im 18. Jahrhundert. 373 Leibniz, 1898b, 67 – 68, dt. Leibniz, 2017, S. 72. Dazu genauer Armgardt, 2020, S. 155 – 158. 374 Montesquieu, 1955, Liv. XV, Chap. VII, S. 222; dt. Montesquieu, 1992, S. 336. 375 Montesquieu, 1955, Liv. XV, Chap. VI, S. 221 f.; dt. Montesquieu, 1992, S. 335 f. 376 Montesquieu, 1955, Liv. XV, Chap. I, S. 215; dt. Montesquieu, 1992, S. 329. 377 Montesquieu, 1955, Liv. XV, Chap. IX, S. 224; dt. Montesquieu, 1992, S. 338. 368

V. Sklaverei: Anschauungsmaterial für einen adäquaten Zugang

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letzterer absoluter Meister seines Lebens, seiner Güter und seiner Freiheit sei.378 Der Versuch, jemanden zu versklaven, widerspreche der natürlichen Freiheit und ermächtige zur Verteidigung mit allen möglichen Mitteln, es sei denn, sie wäre durch verbrecherische Handlungen veranlasst.379 Eine Lage, in der keine Spur der natürlichen Gleichheit aller Menschen übrig bleibe, widerspreche der Menschlichkeit.380 Niemand könne etwas ohne Gegenleistung verkaufen, da ein Kauf einen Preis voraussetze. Deshalb könne niemand alle eigenen Güter und die eigene Freiheit verkaufen: sich vertraglich in die Sklaverei begeben.381 Kurz später griff im Jahr 1762 Jean-Jacques Rousseau, gegen Grotius, Sklaverei scharf an, indem er ihr seinen Begriff der Rechte entgegensetzte.382 Darauf wird gleich zurückzukommen sein. Andere Philosophes, wie etwa Voltaire,383 äußerten sich ähnlich scharf gegenüber der Sklaverei. Und doch half es bei all dem, dass Grotius den Weg dafür bereitet hatte. Wie van Nifterik herausgestellt hat,384 distanzierte Grotius sich von Aristoteles’ Politik,385 wenn er postulierte, „Sklaven gibt es … von Natur, d. h. abgesehen von menschlichen Handlungen, nach dem ursprünglichen Naturzustand nicht; deshalb kann man in diesem Sinne den Rechtslehrern beitreten, welche sagen, daß die Sklaverei gegen die Natur sei“.386

Quäkern erschienen Sklavenhandel und Sklaverei nicht nur als mit dem Geist christlichen Lebens inkonsistent,387 sondern auch als unnatürlich.388 Es war dieses Argument, was Montesquieu allem Anschein nach aufgriff, radikalisierte und dessen – bei Grotius verborgen und latent gebliebene – Relevanz er deutlich herausarbeitete und ansprach, als er formulierte, dass „die Sklaverei gegen die Natur verstößt“389 sowie sich dabei auf die Gleichheit aller Menschen von Geburt aus berief. Ähnlich argumentierte 1755 de Jaucourt, wie wir bereits sahen.

378

de Jaucourt, 1755, S. 934. de Jaucourt, 1755, S. 936 f.; dt. de Jaucourt, 1984, S. 426 f. 380 de Jaucourt, 1755, S. 937; dt. de Jaucourt, 1984, S. 428. 381 de Jaucourt, 1755, S. 937; dt. de Jaucourt, 1984, S. 429. 382 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. III, S. 44 f. und Chap. IV, S. 45; dt. Rousseau, 2008, S. 16 f. und S. 18. 383 Hunting, 1978, S. 410. 384 van Nifterik, 2001/2002, S. 235. 385 Aristoteles, 1981, Sp. 1254a. 386 Grotius, 1950, Buch III, Kap. 7, Abschn. I.1, S. 480. 387 Vgl. Drake, 1950, S. 5. 388 Im gedruckten Brief des Jahrestreffens der Quäker von 1758 heißt es zum Sklavenhandel, er sei ein „most unnatural traffic, whereby great numbers of mankind, free by nature are subjected to inextricable bondage …“. Das Zitat lässt sich finden bei Jennings, 1977, S. 29. 389 Montesquieu, 1955, Liv. XV, Chap. VII, S. 222; dt. Montesquieu, 1992, S. 336. 379

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H. Hugo Grotius und Menschenrechte

Stützte Grotius Sklaverei nicht auf das Naturrecht, sondern auf das positive Recht und menschlichen Willen, so konnte Jean-Jacques Rousseau eben dieses grotianische Argument schärfer ausarbeiten, um es dann in der so geformten Gestalt gegen Grotius’ Begründung der Sklaverei zu richten. Der Mensch werde frei geboren.390 Folglich legten Bedingungen der Möglichkeit von Geltung von Gesetzen nahe, dass sie auf einem allen gemeinsamen, allgemeinen Willen beruhten.391 Dagegen stehe Gewalt am Ursprung der Sklaverei.392 Da Stärke kein Recht erzeuge,393 bleibe „als Grundlage für rechtmäßige Autorität unter Menschen nur eine Möglichkeit: Vereinbarungen.“394 Ein Vertrag, in dem ein Mensch auf seine Freiheit völlig verzichte, sei aber unvereinbar mit der Natur des Menschen, in sich widersprüchlich und nichtig.395 Mit seiner Distanzierung von der Vorstellung natürlicher Sklaverei und mit der Platzierung des Willens im Zentrum der Begründung positiven Rechts war nach alledem der Samen, der gedankliche Anfang und der Kern des begründenden Arguments, oder der Keim, die auf Wachstum und Entfaltung angewiesene Grundstruktur eines Menschenrechts auf Schutz gegen Sklaverei bei Hugo Grotius bereits sichtbar. Seine Relevanz für die Vermeidung und Verurteilung der Sklaverei sowie der mit ihr stets verbundenen Verletzungen wurde ihm verweigert. Als bloße Anlage zeitigte der Gedanke noch nicht die entscheidenden Konsequenzen.

VI. Gussform, Strukturelemente und zu entfaltende Keime von Menschenrechten Sieht man die Lehre in Grotius’ Werk, wie es in der jüngeren Forschung häufiger geschieht, eher als „Theorie der Rechte denn als … Theorie der internationalen Gesellschaft“,396 so ist sie allgemeiner „befrachtet … mit Potentialitäten“.397 Bring fand in ihm einen „impliziten Pfad der Menschenrechte“,398 etwas, was auf Entfaltung drängt, darauf, ausdrücklich formuliert, konkretisiert, zur Geltung gebracht und gesichert zu werden. Eher als bereits konkrete Menschenrechte, die gegen Veräußerung oder gegen Verletzung oder Bedrohung durch überlegene Mächte ge-

390

Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. 1, S. 41; dt. Rousseau, 2008, S. 12. Rousseau, 1966, Liv. II., Chap. II, S. 64; dt. Rousseau, 2008, S. 46. 392 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. II, S. 43; dt. Rousseau, 2008, S. 15. 393 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. III, S. 44 f. und Chap. IV, S. 45; dt. Rousseau, 2008, S. 16 f. und S. 18. 394 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. IV, S. 45; dt. Rousseau, 2008, S. 18. 395 Rousseau, 1966, Liv. I., Chap. IV, S. 46; dt. Rousseau, 2008, S. 20. 396 Kadelbach, 2017, S. 152 (Übersetzung des Verfassers). 397 Haggenmacher, 2014, S. 1100 (Übersetzung des Verfassers). 398 Bring, 2006, S. 137 (Übersetzung des Verfassers). 391

VI. Gussform, Strukturelemente und zu entfaltende Keime von Menschenrechten

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sichert gewesen wären, bot Grotius „un moule conceptuel“,399 „die Gußform“400 von Menschenrechten. Es sind eher die Ratio Legis und manche der strukturellen Eigenschaften, die ihr entsprachen, als ein ausgearbeitetes System, was es erlaubt, hier eine der Wurzeln moderner Grund- und Menschenrechte zu sehen.401 Dies trifft nicht nur auf die Ideengeschichte zu, wo Grotius zur Inspiration der dänisch-norwegischen, deutschen, englischen, französischen, schottischen und schwedischen Aufklärung beitrug,402 mit seinem Naturrecht den Boden für die Formulierung von Menschenrechten bereitete403 und zur Zeit derer, die Grund- und Menschenrechte erstmals politisch und juristisch relevant machten, zur vertrauten Lektüre gehörte.404 Für ein systematisches Verständnis interessanter ist, dass einige der Gedanken Grotius’ aus guten Gründen Elemente des konzeptionellen Fundaments von Menschenrechten geworden sind. James Nickel listete die folgenden Elemente als Eigenschaften auf, die üblicherweise mit dem Konzept der Menschenrechte in Verbindung gebracht werden: „(1) Menschenrechte sind Rechte. … Die meisten, wenn nicht alle Menschenrechte sind Anspruchsrechte, die ihren Addressaten oder Verpflichteten Pflichten oder Verantwortlichkeiten auferlegen. (2) Menschenrechte sind Rechte in der Mehrzahl. (3) Menschenrechte sind universell. … (4) Menschenrechte haben hohe Priorität“.405 Diese Charakteristika spielen eine wichtige Rolle in Grotius’ Denkweise, obwohl sie nicht immer verbunden sind. 399

Haggenmacher, 1985, S. 126. Roth/Vogt, 2012, S. 23. 401 Haggenmacher, 2014, S. 1100. 402 Aure, 2015, S. 95. 403 Lauren, 2013, S. 181 f. 404 Die Bedeutung von Klassikern wie Grotius, Pufendorf und de Vattel in der amerikanischen juristischen Ausbildung des 18. Jahrhunderts und für konkrete Formulierungen der Unabhängigkeitserklärung betonte Dickinson, 1952, S. 35; ähnlich später für das frühe amerikanische Völkerrechtsverständnis Sylvester, 1999, S. 67 und 79. Während der Debatte um die Zustimmung zur Bundesverfassung der Vereinigten Staaten von Amerika bezog sich Brutus im Essay Nr. XI im New York Journal vom 31. Januar 1788 (Bailyn, 1993, S. 129 – 135, 132) ausdrücklich auf Hugo Grotius. Auch im Rahmen der Diskussion um die Gestaltung der und Kompetenz zur Billigung des Zustimmungsgesetzes zur Bundesverfassung in Rhode Island wurde ausdrücklich auf Pufendorf und Grotius Bezug genommen (Bailyn, 1993, S. 274). Thomas Jefferson bezog sich 1793 auf Hugo Grotius (Opinion on the French Treaties, 28. April 1793, in: Jefferson, 1984, S. 422 – 434, 428). Das oberste Bundesgericht United States Supreme Court zitierte Hugo Grotius in den ersten Jahren zwischen 1789 und 1820 16mal, de Vattel, der seinerseits stark auf Grotius aufgebaut hatte, 92-mal (Dickinson, 1932, S. 259, Fn. 132). Zur Frage, welche Rolle Grotius in intellektuellen Debatten im Vorfeld der Formulierung der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte spielte, zu Grotius’ Vorstellungen als Ingrediens des „Esprit“ der Erklärung und zur Abwehr illiberaler Konnotationen naturrechtlicher grotianischer Vorstellungen in ihr vgl. Rials, L’esprit de la Déclaration, in: ders., 1988, S. 321 – 404, 323 und 377. 405 Nickel, 2019 (Übersetzung des Verfassers). 400

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H. Hugo Grotius und Menschenrechte

Was das erste Strukturmerkmal betrifft, so assoziierte Grotius Jus, gesetzliches Recht, wie wir sahen, mit der Eigenschaft der Gerechtigkeit sowie mit der Vorstellung als „moralische Eigenschaft“ einer Person.406 Grotius konstruierte „seine Naturrechtslehre auf der Basis subjektiver Rechte“.407 Zwar waren Elemente seines Konzepts einer subjektiv-rechtlichen Qualität von Rechten bereits implizit im antiken griechischen Recht408 und römischen Recht vorhanden. Studien spanischer Neothomisten409 und die präzisere und ausdrückliche Entdeckung materieller Rechtspositionen inspirierten Grotius.410 Aber Grotius selbst platzierte das Konzept des subjektiven Rechts als Konzept des Jus im Zentrum und Kern seiner Naturrechtslehre,411 indem er die Definition von Jus412 im ersten Kapitel des Buches 1 zu Beginn seiner Abhandlung verortete. Rechte sind „claim rights“, Ansprüche begründende Rechte, in Nickels Terminologie. Dieses wichtige Charakteristikum von Menschenrechten lässt sich also in Grotius’ System finden. Rechte können bei Grotius solche von Staaten, Herrschenden oder von Menschen sein – oft handelt es sich um universelle Rechte von Individuen als Menschen. Grotius platzierte die Rechte menschlicher Individuen an zentraler Stelle. Wie Lauterpacht formulierte, ist „das Individuum die letzte Einheit alles internationalen und inländischen Rechts“.413 Andere Autoren der Sekundärliteratur414 betonten zu Recht folgendes wesentliche Charakteristikum des Werks von Grotius: Für ihn war Civitas, der rechtliche Zustand oder die Gestalt der Bürgerschaft als Staat, „eine vollständige Verbindung freier Menschen, die sich des Rechtsschutzes und des Nutzens wegen zusammengetan haben.“415 Wie in späteren Formulierungen von Menschenrechten, wie etwa in Artikel 2 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. 08. 1789, standen schon hier freie Menschen im Mittelpunkt des Gefüges und seiner Konstruktion. Vermeulen formulierte Folgendes: „Dieses Naturrecht ist in der sozialen und rationalen Natur des Menschen begründet … und hat deshalb das Individuuum als seinen Usprung und sein letztes Ziel. Auf konsistente Weise angewandt, bedeutet dies, dass im Völkerrecht [the law of nations] das Individum unabhängiges Rechtssubjekt ist. … Grotius zog diese Schlussfolgerung nicht, die ihn zu einer modernen Menschenrechtstheorie geführt hätte.“416

406

Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, S. 48. Altwicker/Cheneval, 2015, S. 139. 408 Mahlmann, 2021, S. 374. 409 Aure 2015, S. 76; Mautner, 2013, S. 116. 410 Auer, 2008, S. 589 f. 411 Aure, 2015, S. 76. 412 Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, S. 48. 413 Lauterpacht, 1946, S. 27 (Übersetzung des Verfassers.) 414 Aure, 2015, S. 75; Remec, 1960, S. 70 f. sowie S. 203. 415 Dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. XIV.1, S. 53, lat.: Grotius, 1913, S. 6. 416 Vermeulen, 1983, S. 381 (Übersetzung des Verfassers). 407

VI. Gussform, Strukturelemente und zu entfaltende Keime von Menschenrechten

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Ferner handelt es bei diesen Rechten um solche in der Mehrzahl und um universelle Rechte. Als er privates Eigentum und partikulare territoriale Hoheitsrechte als im Willen begründete Rechte diskutierte, sah Grotius einen wohlwollenden Vorbehalt der „Beibehaltung des ursprünglichen Rechts“417 vor. Er fasste soche Vorbehalte, die für zwangsweise migrierte Expulsi relevant waren, als Reste ursprünglicher Rechte auf, die allen Menschen gemeinsam zustanden, folglich als universelle Rechte, an dem Gebrauch von Gütern teilzuhaben. Grotius entfaltete sie als mehrere konkrete Rechte.418 Schließlich waren diese Rechte – oder doch einige von ihnen – nicht als einfache und triviale Positionen konzipiert. Sondern sie sollten relevant sein und wieder aufleben im Fall „der höchsten Not“.419 Sie waren ihm von solch hoher Priorität, dass Personen in großer Not eine stärkere Rechtsposition haben konnten als andere Berechtigte und dass dies Pflichten des gewillkürten Rechts wie etwa jene, Eigentumsrechte zu achten, modifizieren konnten. All dies war konsistent, da Grotius in Abschnitt 16 seiner Prolegomena annahm, dass die Verbindlichkeit gewillkürten Rechts auf gegenseitiger Übereinkunft basierte, die ihrerseits „ihre Kraft aus dem natürlichen Recht ableitet“,420 nämlich, wie er in den Abschnitten 8 and 15 der Vorrede421 feststellte, aus der Verbindlichkeit des Grundsatzes Pacta sunt servanda. Grotius ordnete so das Naturrecht systematisch über dem menschengemachten Recht ein. Dem ähnlich diskutierte Grotius ausführlich Ausnahmen zum rechtlichen Widerstandsverbot „in der schwersten und offenbarsten Gefahr“422 oder „in Notfällen“.423 Er verlieh „selbst einzelnen Individuen das Recht zum Widerstand gegen den Herrschende für Fälle extremer Not“.424 Die Struktur dieser Vorbehalte wies eine gewisse Ähnlichkeit mit der Unveräußerlichkeit auf, die bestimmten Menschenrechten oft zugeschrieben wird.425 Grotius selbst kannte zwar – für familienrechtliche Zusammenhänge426 – auch bereits das Konzept der Univeräußerlichkeit von Rechten selbst,427 wandte es aber noch nicht auf politische Bürgerrechte oder Menschenrechte an, wie wir es aus späterer Zeit kennen. Nach alledem hat Grotius gewiss kein Rechtssystem hinterlassen, das er, auch mit Blick auf wesentliche Elemente, so ausgearbeitet hätte, dass es uns fast vierhundert Jahre nach seiner Veröffentlichung noch überzeugte. Wir finden in seinem Werk aber einige wichtige Bausteine eines 417

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.4, S. 150. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI – XXIV, S. 149 – 157. 419 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 420 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 16, S. 34. 421 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 8, S. 33 und Abschnitt 15, S. 34. 422 Grotius, 1950, Buch I, Kap. IV, Abschn. VII.1, S. 120. 423 Grotius, 1950, Buch I, Kap. IV, Abschn. VII.1, S. 120. 424 Remec, 1960, S. 219 (Übersetzung des Verfassers). 425 Blom, 2014. 426 Grotius, 1950, Buch III, Kap. 7, Abschn. VI, S. 481. 427 van Nifterik, 2018, S. 80. 418

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H. Hugo Grotius und Menschenrechte

Fundaments einer Theorie der Menschenrechte sowie einige Strukturen, die sich später als geeignet für die Formulierung und Gestaltung von Menschenrechten herausstellen sollten. Das Recht auf Asyl der Supplices und die Pflicht zur Aufnahme von zwangsweise Migrierten Expulsi befinden sich nach der Art ihrer Begründung unter ihnen.

I. Grotius’ Beitrag zum inzwischen erreichten Bestand von Rechten der Refugees/Réfugié(e)s Es führt kein direkter Weg von Grotius zum aktuellen internationalen Schutz zwangsweise migrierter Menschen. Abwegig wäre es, Inhalte des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 oder des es ergänzenden New Yorker Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 – jeweils Ergebnis intensiver Verhandlungen in den ersten Jahren und Jahrzehnten der Zeit nach dem II. Weltkrieg – verstehen zu wollen ohne Erfahrungen der Zwischenkriegszeit, ohne Menschen, die vor faschistischen, nationalsozialistischen, falangistischen, stalinistischen und ihnen ähnlichen Systemen der Gewaltherrschaft hatten fliehen müssen, oder ohne Ergebnisse rechtspolitischer Bemühungen um einen angemessenen Umgang mit so entstandenen Problemen.428 428

Einen aufschlussreichen und kompakten Überblick über die jüngere Vorgeschichte derzeit relevanter völkerrechtlicher Instrumente zum Schutz von Menschen, die vor Gefahren schwerwegender Menschenrechtsverletzungen geflohenen sind, gibt Goodwin-Gill, 2021. Wichtig waren zunächst größere Bewegungen zwangsweise migrierter, rechtlich oder tatsächlich staatenlos gewordener Menschen nach dem Ersten Weltkrieg (Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 9; Goodwin-Gill, 2021, S. 25). Zu ihnen kam es zum Beispiel infolge der Massaker von 1915/1916 an der armenischen Bevölkerung in Gebieten des Osmanischen Reiches (Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 13), der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen nach der Machtergreifung der Bolschewiki in Sowjetrussland 1917 (Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 12) oder dem griechisch-türkischen Krieg zwischen 1919 und 1922 (Jaeger, 2001, S. 727). Die Einführung neuer Befugnisse zur Ausweisung und Abschiebung von Fremden oder zum Entzug der Staatsangehörigkeit bei eingebürgerten Staatsangehörigen (Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 10) verschärfte Probleme für Betroffene. Neue Fluchtbewegungen generierten in den dreißiger Jahren des XX. Jahrhunderts die zunehmende Härte von Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Gewaltherrschaftssystems und der spanische Bürgerkrieg (Skran, 2011, Rn. 2), aber auch der italienische Faschismus und sowjetische Repressionsmechanismen unter Stalin. Als Einrichtungen, die jenen der späteren Vereinten Nationen vorangingen, aus der Zeit des Völkerbunds relevant waren das Internationale Nansen Büro für Flüchtlinge, der Hochkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland, der Hochkommissar für Flüchtlinge des Völkerbunds und das Intergouvernementale Kommittee für Flüchtlinge (Jaeger, 2001, S. 729). Bedeutend für die unmittelbare Vorgeschichte des Genfer Abkommens und des New Yorker Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge waren zur Zeit des Völkerbunds insbesondere intensive Bemühungen um Ausweis- und Reisepapiere für geflohene Personen (refugees). Sie artikulierten sich u. a. in: – Arrangement with regard to the Issue of Certificates of Identity to Russian Refugees, unterzeichnet in Genf am 5. Juli 1922, League of Nations, Treaty Series, Bd. XXX, 1922, Nr. 355, S. 238 – 242; – Arrangement relating to the Issue of Identity Certificates to Russian and Armenian Refugees, supplementing and amending the previous Arrangements dated July 5, 1922, and

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I. Grotius’ Beitrag zum Bestand von Rechten der Refugees/Réfugié(e)s

Auch können Instrumente zur Gewährleistung subsidiären Schutzes ohne jüngere Erfahrungen nicht angemessen verstanden werden. Anlass der folgenden Erwägungen ist der in den Jahren seit 2002429 entstandene Eindruck, es sei angemessen, die historische Distanz und Fremdheit des grotianischen Werks gegenüber dem aktuellen völkerrechtlichen und teilweise verfassungsrechtlichen Schutz geflohener Menschen zu betonen. Einer überstarken Historisierung und Distanzierung soll hier dadurch entgegengetreten werden, dass einige konkrete rechtliche Strukturen, die bereits Grotius nannte, mit ähnlichen des aktuell geltenden Rechts verglichen und in eine Beziehung gesetzt werden. Damit ist keine historische Beweisführung – Schöpferinnen und Schöpfer aktuell relevanter May 31, 1924. Unterzeichnet in Genf am 12. Mai 1926, League of Nations, Treaty Series, Bd. LXXXIX, 1929, Nr. 2004, S. 48 – 52. – Resolution Ziff. 2 im Arrangement relating to the Issue of Identity Certificates to Russian and Armenian Refugees, supplementing and amending the previous Arrangements dated July 5, 1922, and May 31, 1924, unterzeichnet in Genf am 12. Mai 1926, League of Nations, Treaty Series, Bd. LXXXIX, 1929, Nr. 2004, S. 48 – 52. Bedeutung kam ferner Versuchen zu, den Begriff „refugee“ zu definieren (Resolution Ziff. 2 im Arrangement relating to the Issue of Identity Certificates to Russian and Armenian Refugees, supplementing and amending the previous Arrangements dated July 5, 1922, and May 31, 1924. Unterzeichnet in Genf am 12. Mai 1926, League of Nations, Treaty Series, Bd. LXXXIX, 1929, Nr. 2004, S. 48 – 52). Aus der prägenden Vorgeschichte geltenden Rechts wichtig waren darüber hinaus Bestrebungen, auf eine deutlichere Bestimmung der Rechtsstellung geflüchteter Personen hinzuwirken (Arrangement of 30 June 1928 relating to the Legal Status of Russian and Armenian Refugees, League of Nations Treaty Series, Bd. LXXXIX, Nr. 2005, S. 53). Ebenso bedeutend waren Versuche des Völkerbunds, das Recht des Schutzes geflüchteter Personen rechtsförmig in völkerrechtlichen Verträgen verbindlich zu kodifizieren, die ab 1933 unternommen wurden. Dies geschah in der Convention of 28 October, 1933 relating to the International Status of Refugees, League of Nations, Treaty Series Vol. CLIX No. 3663 sowie in der Convention concerning the Status of Refugees coming from Germany, Geneva, February 10th, 1938, League of Nations Treaty Series, Vol. CXCII, No. 4461, S. 59. Dabei wurde erstmals versucht, „Refoulement“ genauer zu definieren und klar zu verbieten. In den ersten Sätzen ihres Artikels 3 sah die Konvention aus dem Jahr 1933 vor: „Each of the Contracting Parties undertakes not to remove or keep from its territory by application of police measures, such as expulsions or non-admittance at the frontier (refoulement), refugees who have been authroised to reside there regularly, unless the said measures are dictated by reasons of national security or public order. It undertakes in any case not to refuse entry to refugees at the frontiers of their countries of origin.“ So wurde ein wichtiger Schritt zu einem auf Rechten basierenden System des Schutzes unternommen (Goodwin-Gill, 2021, S. 37). Aus den Jahren nach dem Zusammenbruch des Schutzsystems während des II. Weltkriegs und der ersten Zeit der Vereinten Nationen dürfte Bedeutung für die prägende unmittelbare Vorgeschichte des Genfer Abkommens von 1951 vor allem der Resolution der Vollversammlung A/RES/8(I) zu „Question of Refugees“ – Anerkennung der Dringlichkeit und internationalen Dimension und erneut des Schutzes vor zwangsweiser Rückführung – zukommen. Gleiches gilt für die Verfassung der International Refugee Organization (IRO) (UNGA, Res. 62 (1) Refugees and displaced persons, vom 15. Dezember 1946). 429 Insbesondere seit Erscheinen der Dissertation von Tießler-Marenda, 2002.

I. Anerkennungsvoraussetzung willkürliche Rechtsverletzung

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Rechtstexte hätten auf Grotius zurückgegriffen und sein Gedankengut kodifiziert – intendiert. Auch sollen nicht naiv hunderte Jahre an historischen Entwicklungen ignoriert und ausgeblendet werden. Wohl aber dürften die im Folgenden zu zeigenden, sich aufdrängenden strukturellen Parallelen nahelegen, dass die Kodifikation verfassungs- und völkerrechtlicher Schutzinstrumente nach dem II. Weltkrieg nicht nur aus Anlass spezifischer, vermeintlich völlig einmaliger Erfahrungen des XX. Jahrhunderts vorgenommen wurde und dass eine Einordnung ihres Entstehungszusammenhangs als „exzeptionelle Lage“,430 welche die Begründung der Schutznormen abwertet, doch als unangemessen erscheint. Vielmehr dürften sie auch eine Antwort auf elementare Probleme des Rechts und der Rechtspolitik sein, mit denen die Menschheit sich schon länger hatte beschäftigen müssen. Der Blick auf Grotius’ Werk legt nahe, dass die Kodifikationen jedenfalls in der Sache auch die reife Frucht von Überlegungen waren, die in ähnlicher Weise bereits seit Jahrhunderten veranlasst, angestellt und weiter entwickelt worden waren, deren Dringlichkeit sowie konkretere Erfordernisse dann die unmittelbare Vorgeschichte der Kodifizierung besonders drastisch vor Augen führen sollte.

I. Anerkennungsvoraussetzung willkürliche Rechtsverletzung Kannte Grotius’ Werk für die Aufnahme zwangsweise emigrierter Expulsi kein Erfordernis willkürlicher Rechtsverletzung als begriffliches Element der Vertreibung – hier genügte, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich schon Vertreibung (erzwungene Migration) –, so knüpfte er asylrechtlichen Schutz vor Auslieferung daran, dass um Schutz bittende Supplices im Herkunftsstaat unverdientermaßen Feindseligkeit erleiden, also ihnen dergleichen widerfahren oder zu erwarten sei. Asylrechtlicher Auslieferungsschutz wurde mit der Voraussetzung unverdienter Feindseligkeit von einem vorsichtig formulierten Kriterium der Gerechtigkeit abhängig gemacht. Wohl in Abgrenzung gegen frühere, aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit bekannte Asylpraxen, sollte die Asylentscheidung vernünftigen Gerechtigkeitserwägungen genügen, indem sie ihrerseits auf die Ungerechtigkeit von feindseligen Akten – zum Beispiel Verfolgung – im Herkunftsstaat abstellte (s. o. Kapitel B. III.). Dem ähnlich setzt Artikel 1 A Absatz 2 des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines anerkannten Verfolgungsgrundes voraus. Als Gründe zählt das Abkommen auf: (vermeintliche) Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer be430 So einst Quaritsch, 1985, S. 15 zum bundesdeutschen Individualgrundrecht auf Asyl. Ähnlich nach wie vor die Betonung und prominente Platzierung der Aussage bei Gärditz, 2022, Rn. 4 und 5, für das Asylgrundrecht habe der Parlamentarische Rat nicht auf ein Vorbild zurückgreifen können; auch habe sich in asylpolitischer Hinsicht angeblich der in Entstehung begriffene Verfassungsstaat 1949 geopolitisch in einer anderen Welt befunden als die Bundesrepublik Deutschland nach der deutsch-deutschen Vereinigung.

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I. Grotius’ Beitrag zum Bestand von Rechten der Refugees/Réfugié(e)s

stimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer „opinion“, was eigentlich „Meinung“ bedeutet, aber zumeist zu eng mit „Überzeugung“431 ins Deutsche übersetzt wird. James C. Hathaway und Jason Pobjoy haben genauer gezeigt, dass in den Common-Law-Staaten die Annahme verbreitet ist, den Verfolgungsgründen liege die Vorstellung eines Anti-Diskriminierungsgrundsatzes432 zu Grunde. Andernorts hatte Hathaway bereits zuvor überzeugend geschrieben, die Normierung von Verfolgungsgründen sei eine Antwort auf die Frage, wie sich die Interessen von Staaten versöhnen ließen mit Interessen von Menschen, deren elementare Menschenrechte ernsthaft verletzt würden und für die sie zugänglich seien.433 Ferner beantworte das Anerkennungserfordernis von Verfolgungsgründen die Frage, wie Staaten fair mit unfreiwilliger Migration umgehen könnten. Das sei nur möglich durch Ablehnung von Willkür und „respect for the core norm of non-discrimination“, Achtung der Norm der Nicht-Diskriminierung, die ganz im Kern der menschenrechtlich begründeten Antwort liege.434 Das überzeugt. Umgekehrt kann deshalb eine Ansicht, wonach angeblich weder der Schutz des Artikels 16a Grundgesetz „noch das korrespondierende internationale und europäische Flüchtlingsrecht … auf einem migrationsethischen Gerechtigkeitskonzept“435 gründen sollen, nicht ernstlich überzeugen. Unabhängig von der Frage, ob mit den ausdrücklich formulierten Verfolgungsgründen eine überzeugende, insbesondere umfassende Form für angestrebte Fairness oder Gerechtigkeit und die Abweisung von Willkür gefunden wurde – was gewiss nicht zutrifft –, wird man jedenfalls, wie schon in Grotius’ unverdienter Feindseligkeit, auch hier einen ernstlichen Versuch in dieser Richtung zu sehen haben, will man nicht hermeneutischen Grundsätzen zuwiderhandeln, die Regelungen als zufällig und gänzlich unverständlich hinstellen sowie den Vertragsstaaten Willkür unterstellen. Gründe für Verfolgung fungieren als Ausdruck der Ansicht, Nicht-Zurückweisung sei jedenfalls geboten in Fällen einer besonders evident willkürlichen, ungerechten oder grundlosen Verfolgung im Herkunftsstaat.

431 Amtliche Übersetzung im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Zustimmungsgesetz, BGBl. 1953 Bd. II, S. 559. 432 Hathaway/Pobjoy, 2012, S. 375 f. 433 Hathaway, 2007, S. 98 f. 434 Hathaway, 2007, S. 99. Die Passage, der das Zitat entnommen ist, lautet: „[T]he mechanism for responding to involuntary migration needs to be structured in a way that respects the duty of governments to act fairly. Refugee law meets this test by defining those to whom protection is due on the basis of agreed human rights standards, in particular, respect for the core norm of non-discrimination. Refugee law therefore rejects arbitrariness and holds states accountable to honour a decision to flee motivated by the very values said to be fundamental and inherent in all persons. It is a principled means by which to pursue the practical end of migration control.“ 435 Gärditz, 2022, Rn. 68.

II. Aufnahmevoraussetzung schwere Rechtsverletzung

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II. Aufnahmevoraussetzung schwere Rechtsverletzung Die Pflicht zur Aufnahme von Expulsi setzte bei Grotius im Wesentlichen Vertreibung – zwangsweise erfolgte Emigration – voraus. Er äußerte sich, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich dazu, in welcher Form der Zwang aufgetreten war. In Betracht kamen – wie bei iberischen Sephardim – der befristete Befehl, das Land zu verlassen und die Ankündigung des Vermögenseinzugs sowie der Todesstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung; ferner Gefahren für das Leben am Herkunftsort, die von kriegerischen Auseinandersetzungen ausgehen, oder willkürliche Haft, zu der es bereits gekommen war oder die drohte.436 Der Schutz vor Auslieferung sollte nach Grotius’ Ansicht bei unverdienter Feindseligkeit gewährt werden.437 Artikel 1 A Absatz 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge setzt dagegen mit Blick auf den Schweregrad der fluchtverursachenden Ereignisse für eine Anerkennung eine begründete Furcht „of being persecuted“ beziehungsweise „d’être persécutée“ voraus. Andreas Zimmermann und Claudia Mahler haben für diesen Zusammenhang herausgearbeitet, dass die Etymologie des Terminus „persecution“ letztlich auf das Lateinische „persequi“ zurückgehe, was soviel wie „in feindlicher Absicht verfolgen“ bedeute438 oder bedeuten kann. Auch wenn man davon ausgeht, dass nicht eine subjektive Absicht, sondern die objektive Zielrichtung maßgeblich ist, drängt sich hier – anders als bei der üblichen, streng deskriptiven Übersetzung ins Deutsche mit „Verfolgung“439 – die Nähe zu Grotius’ Anerkennungsgrund einer (unverdienten) Feindseligkeit geradezu auf. Maßgeblich ist nach derzeit vorherrschender Ansicht für das Vorliegen von Verfolgung die Schwere der Verletzung eines Menschenrechts, nicht unmittelbar, welches Menschenrecht verletzt ist.440 Bei der Verletzung mancher Rechte ist es jedoch leichter, die Schwere der Verletzung zu substantiieren.441 Das betrifft insbesondere die Rechte auf Leben, Schutz der Unverletzlichkeit der persönlichen Integrität vor Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie auf persönliche Freiheit und Sicherheit, insbesondere auf Schutz vor willkürlicher Verhaftung.442

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S. o. Kapitel E. I. Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 369. 438 Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 220: „The term ,persecution‘ derives from the Latin ,persequi‘, which means ,to follow with hostile intent‘.“ 439 Amtliche Übersetzung im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Zustimmungsgesetz, BGBl. 1953 Bd. II, S. 559. 440 Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 250. 441 Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 250. 442 Zimmermann/Mahler, 2011, Rn. 252. 437

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Soweit in der Europäischen Union – auch ohne Verfolgungsgründe – drohender ernstlicher Schaden443 bestimmte individuelle Rechte auf und staatliche Pflichten zum Schutz begründet,444 liegt dies nicht sehr fern vom Schutz der Expulsi bei Grotius, der lediglich die Vertreibung – zwangsweise erfolgte Migration – zur Voraussetzung hatte. Hier wie dort können den Schutzpflichten in seltenen Ausnahmefällen Ausschlussgründe entgegenstehen. Diese waren bei Grotius – Rechtspflichten im Herkunftsstaat445 – allerdings noch viel weiter gefasst als im derzeitigen Recht (schwerwiegende Gründe für Annahme eines Verbrechens gegen den Frieden, Kriegsverbrechens, Verbrechens gegen die Menschlichkeit, einer schweren Straftat, ferner Handlungen, die zentralen Zielen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit des Aufenthaltsstaats).446

III. Rechtsstellung: Gebote rechtlicher Gleichstellung mit anderen Fremden Wie die Artikel 12 – 34 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, so sah bereits Grotius einen mit Rechten und Pflichten verbundenden Status aufgenommener Expulsi vor. Grundsätzlich waren für einen längeren Aufenthalt aufgenommene Fremde – zum Beispiel andernorts vertriebene Expulsi – nach Grotius’ Rechtsansicht ebenso zu behandeln wie andere, früher zur Ansiedelung zugelassene Fremde. Insbesondere durften sie nicht von Rechten ausgeschlossen werden, die Fremde im allgemeinen im Aufnahmeland genossen.447 Grundsätzlich sollten Expulsi das Recht genießen, angebotene Gegenstände zu einem billigen Preis zu erwerben, wenn der rechtmäßige Besitzer ihrer nicht bedürfe und nicht ausnahmsweise ein Verkaufsverbot gerechtfertigt sei.448 Dem ähnlich enthält Artikel 3 der Genfer Flüchtlingskonvention das Verbot unterschiedlicher Behandlung aufgenommener Menschen aus Gründen vermeintlicher Rasse, Religion oder des Herkunftslandes. Ihr Artikel 13 sieht mit Blick auf Erwerb beweglichen und unbeweglichen Eigentums, Miet-, Pacht- oder ähnliche Verträge 443

Artikel 15 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung). 444 Artikel 18 – 38 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. 12. 2011. 445 S. o. Kap. E. II. und Grotius, 1950, Buch III, Kap. 20, Abschn. XLI.2, S. 569. 446 Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU; vgl. aber zur völkerrechtlichen Lage unten Kapitel J. VII. 447 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXII, S. 157. 448 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIX, S. 156.

IV. Rechtsstellung: Gebote rechtlicher Gleichstellung mit Inländern und Inländerinnen 83

über Gegenstände vor, dass die Behandlung von Refugees im Sinne des Artikels 1 jedenfalls nicht ungünstiger sein darf als jene von Ausländern allgemein. Artikel 15 normiert für bestimmte Vereinigungen und Berufsverbände die Gewährung der günstigsten „Behandlung wie den Staatsangehörigen eines fremden Landes unter den gleichen Umständen“, ähnlich Artikel 17 Absatz 1 für die Ausübung nicht selbständiger Arbeit. Artikel 18 schreibt für selbständige Tätigkeiten, Artikel 19 für freie Berufe eine „möglichst günstige und jedenfalls nicht weniger günstige Behandlung …, als sie Ausländern im allgemeinen unter den gleichen Umständen gewährt wird“, vor.

IV. Rechtsstellung: Gebote rechtlicher Gleichstellung mit Inländern und Inländerinnen Für manche Zusammenhänge war schon Hugo Grotius der Rechtsansicht, aufgenommene Fremde müssten mit Inländerinnen und Inländern gleichbehandelt werden. So äußerte er, Fremde dürften nicht einmal in einer Hungersnot ausgewiesen werden, „sondern das gemeinsame Unglück ist auch gemeinsam zu ertragen“.449 Auch sollten Expulsi grundsätzlich die Freiheit genießen, Menschen aus der Aufnahmegesellschaft heiraten zu können.450 Artikel 20 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sieht, dem ähnlich, für den Fall, dass wegen einer Mangel-Situation ein Rationierungssystem existiert, vor, dass Refugees/Réfugié(e)s im Sinne des Artikels 1 wie Staatsangehörige behandelt werden. Gleiches gilt bei der öffentlichen Fürsorge (Artikel 23), bestimmten Aspekten des Bildungswesens (Artikel 22), des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts (Artikel 24) oder des Personalstatuts (Artikel 12) und des Zugangs zu Gerichten (Artikel 16 Absatz 2). Die vorgesehene Erteilung von Personalausweisen und Reiseausweisen (Artikel 27 und 28 der Konvention) nähert den Status ebenfalls jenem von Staatsangehörigen an. Grotius’ Vorstellung, Expulsi dürfe ein dauernder Aufenthalt nicht verwehrt und selbst in einer Hungersnot dürften sie nicht ausgewiesen werden, liegt nahe am objektiv-unbedingt formulierten Verbot des Refoulement in Artikel 33 Absatz 1 der Genfer Konvention. Insgesamt erscheint die strukturelle Ähnlichkeit der Vorstellungen Hugo Grotius’ aus dem Jahr 1625 zur Aufnahme Vertriebener und zum Schutz Asylberechtigkter vor Auslieferung mit jenen des geltenden Rechts – trotz wenig überraschender Unterschiede in vielen Hinsichten – bemerkenswert.

449 450

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIX, S. 156. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XXI, S. 156 f.

J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie Wie verhalten sich migrationsrechtspolitische Positionen und Argumente in Hugo Grotius’ Texten zu derzeitigen Diskussionen? Historische Texte aus einer anderen Zeit, deren Menschen vor anderen konkreten Herausforderungen standen und vor anderem geistesgeschichtlichem Hintergrund nach Antworten suchten, unbesehen mit gegenwärtigen Fragestellungen und gegenwärtigen Lösungsansätzen zu konfrontieren, scheint naiv und droht unfruchtbar zu sein, birgt ferner die Gefahr von Missverständnissen, Verdrängung historischer und situationsbedingter Unterschiede und Verkürzungen. Dass wir bei Grotius Anregungen finden zur Beantwortung so wichtiger Fragen wie jenen nach dem angemessenen rechtlichen oder rechtspolitischen Umgang mit Flucht wegen Katastrophen, die der aktuelle Klimawandel verursacht,451 oder zu derzeit diskutierten Fragen im Umfeld von Flucht, geschlechtlicher Orientierung und Gender-Identität, erscheint deshalb eher unwahrscheinlich. Umgekehrt wäre es aber, trotz all des Fremden, was unsere jüngere Perspektive von geschichtlichen Ereignissen und geistiger Reflexion aus vergangener Zeit trennt, kaum angemessen, die Möglichkeit des Gemeinsamen menschlicher Erfahrungen aus den Augen zu verlieren. Ein angemessener Umgang mit historischen Gegenständen, auch solchen der Geistesgeschichte, setzt das Wissen darum voraus, dass das, was die geschichtliche Welt trägt, nicht allein vergangene Tatsachen sind, „vielmehr ist ihre Basis die innere Geschichtlichkeit, die der Erfahrung selbst eignet.“452 Immerhin ist es Bedingung der Möglichkeit gehaltvoller historischer Erkenntnis und Einsicht, dass „ich selbst ein geschichtliches Wesen bin“.453 Es gibt so etwas wie den Aspekt einer gewissen „Gleichartigkeit von Subjekt und Objekt, die die historische Erkenntnis ermöglicht.“454 Wenn Grotius’ frühneuzeitliches Denken und die kritische Diskussion unserer Zeit einander deshalb nicht völlig fremd sind, wenn wir Grotius auch nicht einfach nur als Vorläufer455 einordnen, ablegen und abheften, sondern die Produktivität einer Auseinandersetzung mit seinen Erwägungen prüfen wollen, so ist bedeutend, welche Art von Fruchtbarkeit wir von einem solchen Versuch erwarten dürfen. Hier denke ich: Zu erwägen, was Grotius ausarbeitete und was er noch nicht sah, mag zu jener Art der Reflexion inspirieren, die

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Einen Überblick über die Diskussion gibt McAdam, 2021. Gadamer, 2010, S. 225. 453 Dilthey im Anschluss an Vico, zitiert nach Gadamer, 2010, S. 226. 454 Gadamer, 2010, S. 226. 455 Altwicker/Cheneval, 2015, S. 133. 452

I. Utilitaristische Polemik

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Karoline Reinhardt in ihrer Arbeit zu Immanuel Kant456 so treffend als produktive Disharmonie zwischen seinen Ansichten und den heute vertretenden Perspektiven bezeichnete. Als vorgestellter entfernter Partner im Gespräch über ein elementares Problem rechtlich zu ordnenden menschlichen Zusammenlebens mag Grotius mitunter helfen, problematische Aspekte gegenwärtiger Sichtweisen oder Regelungen klarer zu sehen, ganz ohne die Eigenheiten seiner Texte und ihrer Entstehungszusammenhänge sowie das zur Seite zu schieben, was uns Heutige umgekehrt an seinen frühneuzeitlichen Gedanken nicht zu überzeugen vermag oder uns fremd bleibt.

I. Utilitaristische Polemik gegen Rights Based Arguments und Grotius’ Innoxia Utilitas Eine gegenwärtig wirkmächtige Sichtweise brachten Peter und Renata Singer 1988 zum Ausdruck, als sie von einem utilitaristischen Standpunkt aus Angriffe auf etwas formuliertern, was sie als „rights based arguments“457 bezeichneten: auf Ansätze, die sich der Ethik der Politik des Umgangs mit geflüchteten Menschen auf der Basis der Vorstellung von Rechten annähern. Unabhängig davon, ob es um eventuelle Rechte von Staaten geht, geflohene Menschen aufzunehmen oder ihre Aufnahme abzulehnen, oder ob Rechte der betroffenen Individuen selbst zur Diskussion stünden, sahen die Singers in einer politisch-ethischen Argumentation mit Rechten lediglich den unfruchtbaren Versuch, ethischen Intuitionen einer Autorin oder eines Autors Gewicht hinzuzufügen. Ihre Ablehnung moralischer Begründung von Rechten als eitlen und vergeblichen Versuch erscheint wie ein später Nachhall von Jeremy Benthams Verurteilung der Vorstellung natürlicher Rechte in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte als hohlen „Unsinn auf Stelzen“.458 In einer Jahrzehnte jüngeren Veröffentlichung, die aus Anlass der Flucht einer großen Zahl von Personen nach Mitteleuropa im Jahr 2015 und der Aufnahme vieler von ihnen erfolgte, hob Peter Singer hervor, es könne effektiver sein, geflüchteten Menschen in ärmeren Ländern zu helfen als sie aufzunehmen. Er assoziierte dort Ungerechtigkeit mit Non-Refoulement, das jene, die reisen könnten, privilegiere, die Hilfe dagegen nicht den am dringendsten Bedürftigen zukommen lasse, und verlangte, die Konvention und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zu revidieren.459 Peter Singers Rat zu folgen und das Recht auf Nicht-Zurückweisung in Zweifel zu ziehen oder gar abzuschaffen, bedeutete indes, auch das Wenige an Rechtssicherheit und Verlässlichkeit von Erwartungen zu zerstören, das Menschen haben, die aus 456

Reinhardt, 2019, S. 194. Peter Singer/Renata Singer, 1988, S. 121. 458 Bentham, 1843, S. 501: „Natural rights is simple nonsense … – nonsense upon stilts“; dt. Bentham, 2013, S. 147. 459 Singer, 2017, 251. 457

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

einer Zwangslage heraus geflüchtet sind. Es implizierte, einseitig die Rechtsbefugnisse nationaler Souveräne, über Migrationsangelegenheiten zu entscheiden, gegenüber der Position der Betroffenen zu stärken. Damit verbunden wäre mit Blick auf Organkompetenzen die Wirkung, dass die Befugnis, über Schutz zu entscheiden, von Gerichten zu politischen Entscheidungsträgern verschoben würde, die in der Regel gezwungen sind, auch auf andere als streng sachbezogene Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen. Unterminiert würden so auch Anreize politischer Entscheidungsträgerinnen und -träger, sich überhaupt mit Problemen geflüchteter Menschen oder Ursachen von Flucht aus Herkunftsstaaten oder aus der perspektivlosen Situation in Erstaufnahmestaaten auseinanderzusetzen, wenn das Kernrecht des NonRefoulement in Zweifel gezogen würde. In deutlichem Gegensatz zu modernen utilitaristischen Herangehensweisen wie jenen von Peter und Renata Singer lieferte Hugo Grotius, wie wir sahen, frühneuzeitliche Formulierungen von Gründen für eine Orientierung an Rechten, die im Kern dem Anliegen nahestehen dürften, das moderne und aktuell vorgetragene460 auf Rechten beruhende Ansätze verfolgen. Grotius machte ursprüngliche Rechte geltend, die der Aufteilung von territorialen Eigentums- und Hoheitsrechten vorauslägen, die deshalb als Vorbehalt hoheitlicher Exklusionsrechte fungierten und auf die sich Menschen berufen könnten, die aus einer existenziellen Not heraus fliehen. Das liegt nahe an Vorstellungen einer territorialen Gerechtigkeit unter Menschen, wie sie, veranlasst durch Fluchtbewegungen im Jahr 2015, erneut aufgegriffen und vorgetragen wurden.461 Sie erscheinen nach wie vor als stark und als relevant gegenüber einseitigen Sichtweisen wie jenen Peter Singers. Die normative Legitimität staatlicher Befugnisse hängt auch davon ab, dass die Rechte potentieller oder aktueller Migrantinnen und Migranten berücksichtigt werden. Der Konsens über die Aufteilung der territorialen Welt unter Menschen und politischen Gebilden setzt voraus, dass kein Individuum rechtlos gestellt wird. Grotius kannte trotzdem auch Gesichtspunkte der Nützlichkeit, wie sie Peter und Renata Singer ansprechen. Er begründete ihre verpflichtende Wirkung allerdings anders, zog vorsichtigere Schlüsse, platzierte sie nicht so zentral wie Vertreterinnen und Vertreter des modernen Utilitarismus es tun, brachte sie nicht gegen das Recht in Stellung und machte die Legitimität von Recht oder rechtspolitischen Orientierungen nicht allein von ihnen abhängig. Peter Singer begründet seinen Präferenz-Utilitarismus mit der Universalisierung: der Ausdehnung des primär auf meine Bedürfnisse, Wünsche und Interessen gerichteten Blicks auch auf Präferenzen und Interessen aller anderen, so dass die per saldo besten Konsequenzen für alle Betroffenen zum wesentlichen Gesichtspunkt der Ethik werden.462 Wie immer wieder hervorgehoben wurde, kann es bei der Saldie460 Bast, 2011, S. 102; Ladwig, 2020; Thym, 2020, S. 594 f.; Bast/von Harbou/Wessels, 2022, S. 16 – 19. 461 Hoesch, 2016, S. 16. 462 Singer, 2011, S. 11 – 13; dt. Singer, 2013, S. 39 – 41.

I. Utilitaristische Polemik

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rung angesichts der Zufälligkeit konkreter Umstände463 im Ergebnis dazu kommen, dass Einzelne464 und ihre Rechte – auch fundamentale Menschenrechte, etwa darauf, nicht versklavt zu werden –, als weniger gewichtig ganz untergehen.465 Im Gegensatz dazu466 ordnete Hugo Grotius Nützlichkeitserwägungen in das Gefüge von Recht und Gerechtigkeit ein. Ausdrücklich hielt Grotius es für einen Fehler, Recht nur vom Nutzen her zu „sehen, der aus ihm fließt.“467 „Indessen ist … das Recht nicht bloß des Nutzens wegen vorhanden.“468 Grotius begründete die Innoxia Utilitas als – neben dem für die Aufnahme vertriebener Expulsi bedeutsameren Notrecht – weitere von mehreren Folgerungen aus dem ursprünglichen Gemeineigentum.469 Nützlichkeit war ihm der Gerechtigkeit und dem Recht nicht vorgeordnet, sondern in beide integriert. Relevant wurde sie ihm zufolge als Pflicht, Eigenes mit anderen zu teilen, wenn diese ein berechtigtes Interesse470 haben und es ohne signifikanten eigenen Schaden geschehen kann.471 Meinte Hugo Grotius noch, so erzwingbare Rechtspflichten begründen zu können – etwa jene, den schadlosen Durchzug durch Ländereien zu gestatten –,472 dürften wir mangels hinreichender Bestimmtheit heute für angesprochene Fallgruppen zumeist nicht mehr von einer Rechtspflicht, sondern eher von einer ethischen Pflicht ausgehen, wenngleich Immanuel Kant bereits herausgestellt hat, dass ihre Erfüllung nicht eigentlich als wohltätig-verdienstlich angesehen warden darf.473 Wollen wir die oben erörterten unerträglichen Folgerungen des Utilitarismus ebenso wie Probleme der Unbestimmtheit einer mit Rechtszwang durchsetzbaren Pflicht vermeiden, so dürfte Otfried Höffe zuzustimmen sein: Gerechtigkeit und der ethische Gesichtspunkt der Nützlichkeit stehen nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis. Sie sind in systematischer Hinsicht „einander … nebengeordnet.“474 Grotius’ Forderung: dem „anderen von dem mitteilen, was ihm von Nutzen ist und 463

Rawls, 1971, S. 158 f.; dt. Rawls, 2010, S. 183. Höffe, 1995, S. 175. 465 Deutlich: Hruschka, 2001, S. 262. 466 Zur Nützlichkeit im Rahmen des Rechtsdenkens und der Methodologie von Grotius Tanaka, 1993a, S. 29. 467 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 21, S. 35. 468 Grotius, 1950, Vorrede, Abschnitt 22, S. 35. 469 Luig, 2002, S. 255. 470 Grotius, 1913, lib. II cap. II § XIII, S. 117: „ad cau Oas ju Otas“; dt. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152: „für gerechte Zwecke“. 471 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XI, S. 151. 472 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. 473 Kant, 1969b, Tugendlehre, S. 453: „Wohlthun ist für den, der reich (mit Mitteln zur Glückseligkeit Anderer überflüssig, d. i. über sein eigenes Bedürfniß, versehen) ist, von dem Wohlthäter fast nicht einmal für seine verdienstliche Pflicht zu halten“. 474 Höffe, 1995, S. 177. 464

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

den Geber nicht beschwert“,475 rückt damit jedenfalls für erfasste Fälle ernsthafter Not anderer in die Nähe dessen, was in jüngerer Zeit als Mutual Aid,476 Prinzip der gegenseitigen Hilfe,477 oder allgemeine Pflicht zur Hilfe in schwerer Not diskutiert worden ist.478 Wie bei Grotius, so geht es auch hier um eine Pflicht, soweit zumutbar,479 zumindest aber bei niedrigen Kosten480 zu helfen, wenngleich nicht immer nur eine Art effektiver Hilfe in Betracht kommt.481 Dieses Argument ist, wenn wir uns über die zeitliche Ferne hinweg von Grotius inspirieren lassen wollen, nicht, wie bei Peter Singer, bei der politisch-ethischen Begründung oder vermeintlichen Schwächung von Asyl oder Non-Refoulement relevant – beide haben bei Grotius ihren Grund in ursprünglichen Gebrauchsrechten, die in äußerster Not und bei großer Evidenz der betroffenen Rechtsverhältnisse wieder aufleben, als gehörten Güter noch allen gemeinsam,482 so dass nicht auf Innoxia Utilitas zurückgegriffen werden muss. Sondern der weiter gefasste Grundsatz des Schadlosen Nutzens legt nahe, dass es, auch außerhalb evidenter Fälle einer Pflicht zu Nicht-Zurückweisung, eine ethisch begründete Pflicht geben kann, bei Not,483 wo zumutbar, Güter zu teilen, vielleicht zum Beispiel humanitärer Not abzuhelfen und politisch zur Verhinderung von Fluchtursachen beizutragen. Nützlichkeit dient hier nicht der Einengung oder Delegitimierung rechtlicher Bindung an das Schädigungsverbot in seinen Ausgestaltungen als Pflicht, nicht selbst durch Zurückweisung Vertriebenen oder durch Auslieferung ernstlich Gefährdeten Schaden zuzufügen, sondern der Weitung politisch relevanter Gesichtspunkte, so dass auch andere als genuin rechtspolitische Aspekte einbezogen werden. Solche Nützlichkeitserwägungen sind im Umfeld rechtspolitischer Argumentation und bei der Realisierung auf internationale Zusammenarbeit gerichteter verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen wichtig, wenn internationale Kooperation und Lastenteilung zur Abwendung von Fluchtursachen, von Perspektivlosigkeit auf Seiten geflohener Menschen in Aufnahmeunterkünften oder zur Verhinderung von Erpressbarkeit, Spannungen und Überforderungssituationen unter Aufnahmegesellschaften mit ihren Staaten beiträgt und so die tatsächlichen Bedingungen der Möglichkeit rechtsstaatlicher Umgangsweisen fördert. Wie bei Singer kann also die Möglichkeit relevant werden, dass Hilfe andernorts, vielleicht nahe der Fluchtursache, mitunter besonders effektiv verhindert, dass es zur Notwendigkeit der Flucht, des Weiterzugs und der Frage der Aufnahme andernorts kommt, sowie die Not derer, die nicht reisen 475

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XI, S. 151. Walzer, 1983, S. 49; Gibney, 2009, S. 232. 477 Walzer, 2006, S. 67 f. 478 Hoesch, 2016, S. 19 – 21; Betts/Collier, 2017, S. 140. 479 Betts/Collier, 2017, S. 142 f. 480 Gibney, 2009, S. 230. 481 Betts/Collier, 2017, S. 143. 482 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.2, S. 150. 483 Zur Vermutung, der später entstandene Utilitarismus habe ideengeschichtlich Wurzeln in der Notstandslehre des 17. Jahrhunderts, vgl. Hruschka, 2001, S. 261. 476

I. Utilitaristische Polemik

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können, lindert – aber anders als bei Singer ist Nützlichkeit kein Argument gegen das strenge rechtliche Verbot des Refoulement solcher Menschen, die durch Zurückweisung an der Grenze, Ausweisung, Abschiebung, Zurückschiebung oder Auslieferung existenzieller Gefahr ausgeliefert wären. Keine Nützlichkeitsbilanz hebt die evidente Pflicht zur Verhinderung von uns zurechenbaren Menschenrechtsverletzungen auf, zu denen es im Falle des verbotenen Refoulement kommen kann. Damit lässt sich ein bei Hugo Grotius angelegter, von de Vattel genauer ausgearbeiteter,484 vor allem aber später von Immanuel Kant besonders deutlich485 betonter, auf Rechten beruhender Ansatz leicht mit jüngeren Herangehensweisen an Fragen des Umgangs mit Flucht und Asyl verbinden. Das gilt zum Beispiel für solche Herangehensweisen, die eine hohe Wertschätzung für die Errungenschaften486 und den Erhalt487 flüchtlingsrechtlicher Schutzinstrumente wie das Abkommen und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge mit einem radikalen und kritischen, aber überwiegend unjuristischen Blick auf die Abgründe der Dysfunktionalität488 einiger Elemente des derzeitigen flüchtlingsrechtlichen und -politischen Regimes verbinden. Zu ihnen gehört etwa der Ansatz von Alexander Betts und Paul Collier. Er geht davon aus, dass der Umgang mit dem Flüchtlingsproblem derzeit stärker von Politik als vom Recht geprägt werden könne,489 ferner davon, dass eine sehr starke Fokussierung auf die Konvention, einhergehend mit einer starken Verengung des politischen Blicks auf darin geregelte Probleme, zur Fehlallokation von Mitteln führe,490 und interessiert sich für das institutionelle Design, das an Schnittstellen von Politik-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft angesiedelt oder anzusiedeln ist.491 So kritisieren die Autoren eine Verbindung schädlicher Anreize, zu denen gehört, dass Länder des globalen Südens einerseits unter internationalen Druck gesetzt werden, zwangsweise emigrierte Menschen aufzunehmen, gleichzeitig aber innenpolitische Anreize die Neigung befördern, geringstmöglichen Schutz und möglichst geringe materille Hilfe zu gewähren, während Staaten der nördlichen Halbkugel Anreize haben, sich vor ihrer Verantwortung zu drücken. Sie betonen deshalb, dass die Aufnahme geflüchteter Personen als globales öffentliches Gut zu behandeln und Möglichkeiten kollektiven Handelns gesucht werden müssten.492 Trotzdem lässt sich ihr weiter ge484

S. u. Kap. J. III. m. w. N. Kant, 1969a, S. 357 f.; Keil, 2020, S. 178; Keil, 2017, S. 75 f. Zur mit dem Weltbürgerrecht und Migrationsfragen angesprochenen Kernproblemtik einer gerade auf das Recht bezogenen praktischen Philosophie s. Reinhardt, 2019, S. 187 – 193. 486 Betts/Collier, 2017, S. 57. 487 Betts/Collier, 2017, S. 89. 488 Betts/Collier, 2017, S. 57 und 95. 489 Betts/Collier, 2017, S. 268. 490 Betts/Collier, 2017, S. 67. 491 Betts/Collier, 2017, S. 269. 492 Betts/Collier, 2017, S. 74. 485

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

hender Ansatz gut mit dem engeren eines auf Rechten beruhenden Herangehens, wie es Grotius nahelegte, verbinden. Wenn etwa Non Refoulement für sich genommen nicht die Bedürftigsten begünstigt, von denen die meisten oft nicht reisen können, sondern jene, die es schaffen, auf oder an die Grenze des verpflichteten Staats zu kommen, so spricht das nicht gegen den strengen Schutz vor Zurückweisung bei schwerer Gefährung, sondern für die Einordnung des Prinzips der Nicht-Zurückweisung in ein institutionelles Gefüge, welches das Problem vermindert, Fehlanreizen den Boden entzieht und eine gezielte Aufnahme außerhalb von Non Refoulement am Kriterium der Bedürftigkeit493 misst. Soweit innerhalb des DublinSystems der Zuteilung von Verbandszuständigkeiten für die Bearbeitung von Anträgen geflohener Menschen auf internationalen Schutz die nachweisliche Unterschiedlichkeit von Asylstandards, gemessen zum Beispiel an Anerkennungsraten bezogen auf bestimmte Herkunftsstaaten, als dysfunktional scharf angegriffen494 und das Problem des schwächsten Glieds – das Schengen-Gebiet ist mangels Binnenkontrollen insgesamt so offen wie die Länder mit den offensten Außengrenzen – formuliert wird,495 spricht dies für politischen Handlungsbedarf, der gerade einer systematischen und rechtlichen Form bedarf. Wenn die beiden Autoren ein System der Lastenteilung und der Nutzung des Potentials unterschiedlicher Fähigkeiten der beteiligten Staaten fordern,496 so zeigt das, dass ein auf Rechten beruhendes Herangehen zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung eines befriedigenden Umgangs mit Fragen der Migration zwangsweise migrierter Menschen ist. Die scharfe Kritik von Alexander Betts und Paul Collier greift damit auf dem Feld des Migrationsrechts ein Thema auf, das bereits Immanuel Kant auf dem anderen Feld des Rechts der Friedenssicherung gegen Grotius497 ins Feld geführt hatte: Rechte allein konnten den Frieden noch nicht fördern, sie konnten sogar umgekehrt Vorwände für bewaffnete Auseinandersetzungen liefern,498 aber wenn sie verbunden werden mit einem institutionellen Gefüge loser, aber effektiver Zusammenarbeit, bergen sie in sich Möglichkeiten, ein friedliches internationales Zusammenleben wirkmächtig zu fördern.499 Dem ähnlich, spricht die scharfe Kritik von Betts und Collier nicht gegen einen auf Rechten beruhenden Ansatz, sondern für seine Einbettung in ein umfassenderes Gefüge lastenteiliger Kooperation ohne dysfunktionale Anreize.

493

Betts/Collier, 2017, S. 164. Betts/Collier, 2017, S. 95. 495 Betts/Collier, 2017, S. 95. 496 Betts/Collier, 2017, S. 144. 497 Kant, 1969a, S. 355. 498 Kant, 1969a, S. 355. 499 Kant, 1969b, S. 351. 494

III. Das Recht auf Asyl als unvollkommenes und vollkommenes Recht

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II. Recht auf Asyl Über die Unterstützung bereits existenter Einrichtungen hinaus regen Grotius’ Argumente dazu an, zu verlangen oder zu schaffen, was noch fehlt. Wie zu Beginn angeführt wurde, sieht das allgemeine Völkerrecht nach vorherrschender Ansicht kein Recht, Asyl zu suchen oder gewährt zu bekommen, vor. Die Kodifikation des Rechts auf Asyl scheiterte in der International Law Commission im Jahr 1977.500 Betrachtete man Grotius’ ausgearbeiteten Text von vor fast vierhundert Jahren und blickt man dann auf die gegenwärtige Rechtslage, so fällt der Mangel an angemessenen Schutzgarantien jenseits derer auf, die bereits im Abkommen und im Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie in regionalen Instrumenten des Schutzes von Grund- und Menschenrechten vorgesehen sind. Das universelle Individualgrundrecht auf Asyl bleibt „ein Desiderat“.501

III. Das Recht auf Asyl als unvollkommenes und vollkommenes Recht Wie wir oben in Kapitel G. sahen, unterschied Grotius innerhalb des Rechts als moralischer Eigenschaft zwischen Fähigkeit [Facultas] als einer vollkommenen moralischen Eigenschaft502 und bloßer Geeignetheit [Aptitudo] als unvollkommener moralischer Eigenschaft.503 Dass er beim asylrechtlichen Auslieferungsschutz von „ Oupplicum jura“504 sprach und ihm allein im Fall der Vollkommenheit der Eigenschaft etwas als das „Seinige“ [Sui]505 und als „Recht im eigentlichen oder strengen Sinne“ [jus proprie aut §tricte]506 galt, legt nahe, dass er hier vollkommene Rechte meinte. Aber auch bei der Pflicht, das Gesuch zwangsweise Migrierender (Expulsi) auf Aufnahme nicht abzuweisen,507 geht es, wie wir in Kapitel G. sahen, um ein strenges Gebot, dem der Sache nach ein Recht korrespondiert. Hugo Grotius teilte theologisch die christliche Vorstellung von Nächstenliebe insbesondere gegenüber Notleidenden.508 Aber bei den Begründung von Pflichten gegenüber Expulsi oder sonst bei extremer Not stand ausdrücklich nicht eine ethisch begründete Liebes- und 500

Goodwin-Gill, 2012, S. 7. Bast, 2013, S. 305. 502 Grotius, 1913, lib. I, cap. I § IV, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, S. 48. 503 Grotius, 1913, lib. I, cap. I § IV, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. IV, S. 48. 504 Grotius, 1913, lib. II cap. XXI § V, S. 369. 505 Grotius, 1913, lib. I, cap. I § V, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. V, S. 48. 506 Grotius, 1913, lib. I, cap. I § V, S. 2; dt. Grotius, 1950, Buch I, Kap. 1, Abschn. V, S. 48. 507 Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XVI, S. 155. 508 Grotius, 2012b, Book IV, Sect. XII, S. 186; angedeutet zuvor in Book II, Sect. XII, p. 119. 501

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

Hilfsleistung – nicht eine positive Leistungspflicht – im Vordergrund, die für rechtliche Zusammenhänge oft Probleme der Unbestimmtheit und Konkretisierungsbedürftigkeit mit sich bringen könnte. Sondern zentral war für die Argumentation der spezifisch rechtsmoralische Vorbehalt, unter dem die Aufteilung der Welt stehe,509 wonach das vor der Entstehung partikularer eigentumsrechtlicher oder territorialhoheitlicher Herrschafts- und Exklusionsrechte bestehende ursprüngliche Recht in äußerster Not wieder auflebe. Dem entsprach die negative Formulierung, wonach nicht ausgeliefert beziehungsweise die Bitte um Aufnahme zwangsweise Migrierter nicht mit Zurückweisung erwidert werden dürfe. Die nicht allgemeinethische, sondern spezifischere Orientierung am (gerechten) Recht legt nahe, dass Grotius letztlich nicht so sehr ein Hilfsgebot, sondern Schutz durch ein Verbot schädigender Auslieferung oder Zurückweisung vor Augen stand, wie es auch in der aktuellen Diskussion zur Begründung der moralischen Forderung scharf konturierter konkreter Rechte und Pflichten eine Rolle spielt.510 Das Problem der Entgrenzung von Verantwortung stellte sich deshalb Grotius nicht so stark wie manchen jüngeren Ansätzen: Es ging um Verantwortung für das Geschehen unmittelbar an den Außengrenzen oder innerhalb des Hoheitsgebietes der Civitas. Auch wenn teilweise Zweifel formuliert wurden, ob sie nicht in die Ideengeschichte zu verabschieden sei,511 wurden in den vergangenen Jahrzehnten Varianten der grotianischen Unterscheidung zwischen unvollkommenen und vollkommenen Pflichten und korrespondierenden Rechten immer wieder in der allgemeinen Moralphilosophie512 sowie in der Rechtsphilosophie513 aufgegriffen und fruchtbar gemacht. Insbesondere hat Jaakko Kuosmanen in einem Artikel,514 der in der seitherigen Debatte oft Beachtung gefunden hat,515 genauer die Bedeutung der Vervollkommnung unvollkommener Pflichten für die Institutionalisierung eines universellen Rechts auf Asyl herausgearbeitet. Rechten korrespondierten Pflichten; Unvollkommenheit von Pflichten beziehe sich auf deren Unbestimmtheit hinsichtlich der angesprochenen Zeit, des Orts, der geforderten Handlung oder der verpflichteten Person.516 Ein moralisches Recht auf Asyl als Anspruch lasse sich an sich nicht oder nicht immer so begründen, dass es gegen einen bestimmten verpflichteten Staat gerichtet sei. Es handele sich, so Kuosmanen im Unterschied zu Grotius, um ein Recht auf Hilfeleistung, das ohne zur Hilfe verpflichtetes Rechtssubjekt nicht eigentlich als Recht konzipierbar sei.517 Dieses Argument war in Deutschland im 509

Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. VI.4, S. 150. Tiedemann, 2018, S. 311 – 323; kritisch: Ladwig, 2020, S. 232. 511 Schulze, 2017. 512 Rainbolt, 2000. 513 Hope, 2014. 514 Kuosmanen, 2013. 515 Tiedemann, 2018, S. 331; Mantel, 2019, S. 106; Ladwig, 2020, S. 234. 516 Kuosmanen, 2013, S. 37. 517 Kuosmanen, 2013, S. 24. 510

III. Das Recht auf Asyl als unvollkommenes und vollkommenes Recht

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Zusammenhang mit der Asyldebatte der frühen neunziger Jahre vorgetragen worden – hier als Argument gegen das Grundrecht auf Asyl.518 Kuosmanen zeigt dagegen, „weshalb die Tatsache, dass ein universelles Recht auf Asyl in seiner generischen Form gegen die internationale Gemeinschaft als Ganze gerichtet ist, sich nicht als für seine Existenz schädlich erweist.“519 Wichtig ist dabei vor allem, dass er mehrere Wege darstellt, auf denen die – mangels Evidenz des verpflichteten Subjekts bestehende – Unvollkommenheit der moralischen Pflicht, Asyl zu gewähren rechtspolitisch durch Modelle zwischenstaatlicher Zusammenarbeit und Lastenteilung zur Vervollkommnung geführt werden können. Unter ihnen sieht er – als Kompensationsmodell520 – die Möglichkeit, dass manche Staaten geflüchtete Menschen aufnehmen und andere sie für die besonderen Lasten kompensieren, das Modell physischer Lastenteilung,521 das Möglichkeiten der Verteilung unterzubringender Menschen auf mitwirkende Staaten beleuchtet, sowie ein Kombinationsmodell.522 Für den Fall der Annahme der Existenz eines moralischen Rechts auf Asyl sieht er die Modelle als Dimensionen eines solchen an.523 Ähnlich hatte bereits im XVIII. Jahrhundert Emer de Vattel argumentiert, dessen naturrechtliche Argumentation noch näher an der Grotius’ lag. Teile von de Vattels Argumentation lassen sich noch gut an aktuelle Debatten anschließen. Eingehend diskutierte er in seinem Hauptwerk Droit des gens, ou principes de la loi naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des nations et des souverains aus dem Jahr 1758 Gesichtspunkte und rechtliche Folgen eines Rechts auf Aufnahme von Menschen, die zwangsweise ihren Herkunftsstaat hatten verlassen müssen oder von dort vertrieben worden waren.524 De Vattel fasste es als an sich notwendiges und vollkommenes Recht dieser Menschen auf,525 beschrieb es aber auch als unvollkommenes Recht im Verhältnis zum Staat eines bestimmten Landes.526 An späterer Stelle entwickelte de Vattel die Möglichkeit, dass aus einem unvollkommenen Recht auf Aufnahme ein vollkommenes und selbständig durchsetzbares Recht – selbst gegen ein bestimmtes Land – auf Ansiedelung erwachsen könne. „Wenn es ihr [der Nation, R. K.] nicht genehm ist, ihnen den ständigen Wohnsitz zu gewähren, kann sie sie fortschicken. Da sie den Ausweg haben, anderswo eine Niederlassung 518

Brugger, 1993, S. 121. Kuosmanen, 2013, S. 25, Übersetzung des Verfassers. 520 Kuosmanen, 2013, S. 38, Übersetzung des Verfassers aus „compensatory scheme“. 521 Kuosmanen, 2013, S. 40, Übersetzung des Verfassers aus „physical burden-sharing scheme“. 522 Kuosmanen, 2013, S. 42, „tradable quota scheme“. 523 Kuosmanen, 2013, S. 43. 524 Ausführlich zu de Vattels Asylkonzept Keil, 2021. 525 de Vattel, 1916, liv. I, chap. XIX, § 230, S. 210: „… ce droit e Ot néce OOaire & parfait dans Oa généralité“; dt. de Vattel, 1959, Buch I Kap. XIX, § 230, S. 151. 526 de Vattel, 1916, liv. I, chap. XIX, § 230, S. 210: „… il n’e Ot qu’imparfait à l’égard de chaque pays en particulier“; dt. de Vattel, 1959, Buch I Kap. XIX, § 230, S. 151. 519

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie zu suchen, können sie sich nicht auf das Notstandsrecht berufen und gegen den Willen des Landesherren bleiben. Aber schließlich müssen diese Flüchtlinge eine Zuflucht finden. Wenn daher die ganze Welt sie ihnen verweigert, können sie sich mit Recht im erstbesten Land festsetzen, wo sie genügend Land finden, ohne die Bewohner zu berauben. … Dieses Recht ist … ein Rest der ursprünglichen allumfassenden Gemeinschaft.“527

In der Logik dieser Argumentation ist folgender Gedanke angelegt: Weigern sich Staaten, das in der Beziehung zwischen geflüchteter Person und bestimmtem Aufnahmestaat unvollkommene Recht durch internationale Kooperation – Lastenteilung und Konkretisierung – oder durch Aufnahme zu konkretisieren und vervollkommnen, so kann es dazu kommen, dass die betroffene Person ermächtigt und befugt ist, es ihrerseits einseitig zu vervollkommnen. Anders als 1993 bei Brugger528 geht also das Fehlen der schon abstrakt klaren Konstruierbarkeit einer Beziehung zwischen dem evidenten Schutzbedürfnis einerseits und einem bestimmten unter mehreren in Betracht kommenden Aufnahmestaaten andererseits nicht stets zu Lasten Schutzbedürftiger und des Asylrechts auf Aufnahme. Staaten haben vielmehr bei de Vattel guten Grund zur gemeinsamen Konkretisierung der Zuständigkeiten, da andernfalls nach seiner Ansicht, wie es auch 2012 und 2016 wieder vertreten wurde, gilt: Solange ein Staat existenziell bedrohte geflohene Menschen aufnehmen kann, ist er dazu verpflichtet;529 Lastenteilungsgesichtspunkte sind dagegen nicht im Verhältnis zu Geflüchteten ohne Bleibe, sondern im Verhältnis unter den Staaten relevant.530 Politische Arbeit an Fragen der Konkretisierung und Lastenteilung schafft allerdings auch angesichts existenzieller Gefährdung geflüchteter Menschen sowie des Problems großer Zahl politisch Handlungsspielräume und erweitert Möglichkeiten politisch selbstbestimmter Entscheidung. Die grotianische Unterscheidung zwischen unvollkommenen und vollkommenen Pflichten und korrespondierenden Rechten sowie der ebenfalls bei Grotius angelegte, auf Rechten beruhende Ansatz wurden bei Emer de Vattel klug weiterentwickelt. So erlaubt er es, die normative Herangehensweise zu öffnen für einen klaren Blick auch auf mitunter extreme tatsächliche Gegebenheiten – auf Seiten einer bestimmten Aufnahmegesellschaft: begrenzte Aufnahmefähigkeit; auf Seiten zwangsweise Migrierender: Tatsache, dass kein Staat sie aufnimmt. Die daran geknüpften Rechtsfolgen sind so konzipiert, dass eine kluge Politik Handlungsspielräume gewinnt, wenn sie die normativen Gesichtspunkte berücksichtigt, die Evidenz solcher Extremsituationen vermeidet und Not durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit effektiv entgegenwirkt.

527

de Vattel, 1916, liv. II, chap. IX, § 125, S. 345 f.; dt. de Vattel, 1959, Buch II Kap. IX, § 125, S. 241. 528 Brugger, 1993, S. 121. 529 Kuosmanen, 2012; Hösch, 2016, S. 18. 530 Hösch, 2016, S. 26; zur Pflicht der Staaten, Zuständigkeiten festzulegen, vgl. Anderheiden, 2018, S. 54.

IV. Diskussion der Irrelevanz von Verfolgungsgründen

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IV. Diskussion der Irrelevanz von Verfolgungsgründen und zu Haft als Verfolgung Paul Tiedemann hob vor wenigen Jahren hervor, moralisch relevant für Schutzwürdigkeit geflüchteter Menschen vor einer mit Rechtszwang durchgesetzten Rückkehr sei nicht, ob eine Gefahr aus bestimmten Verfolgungsgründen erfolge, anthropogen sei und als Verfolgung qualifiziert werden könne, sondern lediglich, ob Verletzungen von grundlegenden menschenrechtlich geschützten Gütern drohten.531 Ähnliches vertreten andere Autorinnen und Autoren.532 Tiedemann machte sodann geltend, irrelevant seien für das spezifische moralische Schutzbedürfnis geflüchteter Personen solche Gesichtspunkte wie Diskriminierung533 – nicht gerechtfertigte benachteiligende Ungleichbehandlung von Menschen – oder „Unverhältnismäßigkeit“ (Fehlen von Schuldangemessenheit) von Strafen.534 Er geht so weit, geltend zu machen, selbst wenn wegen einer vermeintlichen Rasse, Religion, Nationalität, Mitgliedschaft in einer besonderen sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung eine Freiheitsstrafe („Haftstrafe“) drohe, wäre es nicht konsequent, hiervor geflohene Menschen im Empfangsstaat zu schützen, wenn dieser selbst Freiheitsstrafen und Haft vorsehe.535 Grotius hatte dagegen, wie oben gezeigt wurde, im Anschluss an Ulpian536 eine innere Verbindung zwischen dem, was er als Jus (Recht) und Justitia (Gerechtigkeit) bezeichnete, gesehen. Seine Sichtweise wirft ein Licht darauf, dass der Gesichtspunkt der Ungerechtigkeit eines ohnehin gravierenden schmerzlichen Eingriffs ein Teil dessen sein kann, was seine Bedeutung, Akzeptabilität und sein Ausmaß bestimmt. So kann ein Mangel an Gerechtigkeit entscheidend dafür sein, ob ein ohnehin gravierender Eingriff, wie repressive Straf- oder präventive Polizeihaft, sich zu einer inakzeptablen Verletzung verwandelt. Dies legt nahe, dass Staaten geflüchtete Menschen vor willkürlicher Behandlung schützen sollten, die, als Form der Verfolgung, gravierend Menschenrechte verletzt, selbst wenn die Bedrohung oder Verletzung nicht das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit oder Integrität betrifft. Neben dem, was das geltende Recht als subsidiären Schutz537 vor ernsthaftem

531

Tiedemann, 2018, S. 316. So u. v. a. Shacknove, 1985, S. 284; Carens, 2015, S. 201; Keil, 2017, S. 95; Betts/Collier, 2017, S. 69; Kirste, 2018, S. 140; Reinhardt, 2019, S. 224 f.; Ladwig, 2020, S. 227. 533 Tiedemann, 2018, S. 317. 534 Tiedemann, 2018, S. 317. 535 Tiedemann, 2018, S. 317. 536 Dig. 1.1.1, zit. nach Behrends, 1995, S. 91. 537 Artikel 18 – 37 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) (Anerkennungsrichtlinie). 532

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J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

Schaden538 vorsieht, hat deshalb spezifischer Schutz geflüchteter Refugees/Réfugié(e)s im Sinne des Abkommens und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nach wie vor seine Bedeutung.

V. Sichere Fluchtwege Die Lektüre von Grotius’ Schrift Zum Recht des Krieges und des Friedens zeigt,539 dass ihm bereits vor hunderten von Jahren die Notwendigkeit von Wegen, die eine sichere, geordnete und reguläre Migration sicherstellen, evident und eine ausführliche Erwähnung wert war. Längst bekannt waren Varianten des Problems schon zu Grotius’ Zeit. Bereits in der Tora beziehungsweise dem Alten Testament war die Bedeutung gut angelegter, sichererer Fluchtwege angesprochen worden.540 Selbst in asylrechtlichen Streitigkeiten der frühen Neuzeit scheint es vereinzelt eine Rolle gespielt zu haben.541 Zwar deutet sich an, dass inzwischen die Dringlichkeit des Problems – etwa in Abschnitt I Unterabschnitten 4 und 9 – 11 der Resolution der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 19. September 2016542 – eine gewisse Anerkennung gefunden hat. Ein auch nur einigermaßen befriedigender Umgang mit der Problematik ist derzeit aber nicht ersichtlich. Dies betrifft unterschiedliche Problemfelder. Neben extraterritorialer Migrationskontrolle543 durch Mechanismen wie Visa-Erfordernisse und die Haftung von Beförderungsunternehmen gehören zu ihnen berichtete Zurückschiebungen geflüchteter Menschen ohne Möglichkeit eines Verfahrens zur Überprüfung ihrer Schutzbedürftigkeit (so genannte Push-Backs) an Außengrenzen der Europäischen Union.544 Dass es zu ihnen kommt, wird etwa berichtet von den Außengrenzen zwischen der Hellenischen Republik und der Türkischen Republik an Land und zur

538

Artikel 15 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU. S. o. Kapitel G. II. und Grotius, 1950, Buch II, Kap. 2, Abschn. XIII.1, S. 152. 540 Devarim/Reden/Deuteronomium 19, 3. 541 In einem Rechtsstreit zwischen der Reichsstadt Isny und der auf ihrem Stadtgebiet befindlichen Benediktinerabtei um die Absicht des Abts Philipp von Stein, eine Mauer um das Kloster herum zu errichten, soll die Befugnis des Klosters, Asyl zu gewähren, eine zentrale Rolle gespielt haben. Seitens der Stadt Isny soll geltend gemacht worden sein, würde eine Mauer gebaut, wäre das klösterliche Asylrecht hinfällig. Lediglich ein Zaun soll von den zur Entscheidung berufenen kaiserlichen Kommissaren 1516 erlaubt worden sein, und auch er nur, wenn eine Tür für Asylbegehrende offenbliebe, berichtet Baumann, 1884, S. 419. 542 United Nations General Assembly. New York Declaration for Refugees and Migrants. Resolution A/RES/71/1 of 19 September 2016, https://www.un.org/en/development/desa/popu lation/migration/generalassembly/docs/globalcompact/A_RES_71_1.pdf. 543 Zu einer übersichtlichen Darstellung s. bei Gammeltoft-Hansen/Tan, 2021. 544 Bast/von Harbou/Wessels, 2022, S. 36 f., S. 47 – 49. 539

V. Sichere Fluchtwege

97

See,545 an Außengrenzen der Republik Bulgarien, der Republik Polen, Rumäniens, der Slowakischen Republik, Ungarns oder des Königreichs Spanien.546 Auch berichtete Mängel bei der Zugänglichkeit von Grenzübertrittsstellen an den Grenzen spanischer Exklaven in Nordafrika547 zum Königreich Marokko gehören hierher. Schwierigkeiten der Bildung humanitärer Korridore und Fluchtrouten aus Gebieten mit Kampfhandlungen in der Ukraine verdeutlichen das Problem ebenso. Mitunter verschärfen juristische Details die Problematik. Das betrifft etwa die Zugänglichkeit von Häfen für Schiffe, die in Seenot geratene Menschen gerettet haben. Die Pflicht zur Kooperation aus dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1982548 führt nicht stets und ohne Weiteres zu einer individualisierten Pflicht eines bestimmten Staates, seine Häfen für den Ausstieg Geretteter oder zum Entladen zu öffnen.549 Erst eine Interpretation im Lichte ihrer Ratio Legis sowie Zusammenschau mit Verpflichtungen aus anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen kann im Einzelfall zu einer Reduktion des Ermessens auf Null und einer eindeutigen Pflicht zum Öffnen von Häfen führen.550 Ferner ist auf privaten Schiffen mitunter die Effektivität staatlich ausgeübter Hoheitsgewalt zweifelhaft. Deshalb ist hier nicht immer ganz klar, wie der völkerrechtlich gegenüber Staaten garantierte Schutz von Grund- und Menschenrechten oder der Konvention und des Protokolls über die Rechtsstellung von Flüchtlingen auch gegenüber Besatzungen privater Schiffe wirkmächtig zur Geltung gebracht werden kann. Das gilt vor allem, wenn die zuständige Leitstelle Maritime Rescue Coordination Center die Besatzung eines Schiffs instruiert, die Geretteten zu einer für sie unsicheren Ausstiegsstelle zu fahren und dort aussteigen zu lassen.551 In solchen Fällen scheint es mitunter an klaren und effektiv sanktionierten Verpflichtungen der Besatzungen privater Schiffe nach innerstaatlichem Recht des Flaggenstaats zu fehlen, dafür zu sorgen, dass aus Seenot gerettete Personen nicht in ein Land zurückgeführt werden, in dem ihnen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit, Ausbeutung sexueller oder anderer Art oder sklavereiähnliche Verhältnisse drohen.

545

Luyten, 2022, S. 7; Council of Europe, Committee of Ministers, 2020; Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste 2020, S. 4; European Union Agency for Fundamental Rights 2020, S. 20. 546 European Union Agency for Fundamental Rights 2020, S. 18. 547 Es wird berichtet, marokkanische Sicherheitskräfte hielten Menschen im Rahmen von Grenzkontrollen davon ab, zu Grenzübertrittstellen zu gelangen, de Gasperis, 2022, S. 22 f. 548 United Nations Convention on the Law of the Sea, United Nations, Treaty Series, Band 1833, S. 3; dt. Übersetzung im Zustimmungsgesetz vom 2. September 1994, BGBl. II, S. 1798. 549 Bast/von Harbou/Wessels, 2022, S. 49. 550 Bast/von Harbou/Wessels, 2022, S. 49. 551 Farahat/Markard, 2020, S. 36 – 40.

98

J. Grotius und aktuelle Debatten in politischer Philosophie und Rechtsphilosophie

VI. Rechtsstellung von geflüchteten Personen Viele geflüchtete und zwangsweise migrierte Menschen haben, insbesondere in Entwicklungsländern, seit Jahren, mitunter über ein Jahrzehnt, keine geklärte Rechtsstellung.552 Das Fehlen eines Status verursacht immense Schwierigkeiten für Perspektiven der Bildung von Kindern und Jugendlichen, der Erwerbstätigkeit Erwachsener sowie der selbstbestimmten Entwicklung von Betroffenen auch in anderen Hinsichten. Es fällt auf, wie deutlich bereits Grotius die Notwendigkeit adressierte, dass schon Asylbegehrenden während des Anerkennungsverfahrens,553 insbesondere aber aufgenommenen Vertriebenen (s. o. Kapitel E. III. und G. IV.) eine gesicherte Rechtsstellung mit Rechten und Pflichten gewährt wird. Wer sich, wie Grotius es tat, sowohl für die Rechtsstellung von Individuen als auch für zwischenstaatliche Zusammenhänge interessiert, wird bemerkenswert finden, dass dies sowohl zwangsweise migrierte Individuen als auch Staaten mit Befugnissen ausstattet. Was 1625 als offensichtlich erschien, ist nach wie vor weit davon entfernt, trivial zu sein. Dies zeigen die Mängel bei der Umsetzung bestehender rechtlicher Standards, wie derzeitige, für physische und psychische Gesundheit schädliche Bedingungen in Aufnahme- und Identifizierungszentren (Reception and Identification Centres) auf Inseln in der Ägäis554 sowie ernsthafte Probleme mit Push-Backs.555

VII. Gründe und Reichweite des Ausschlusses von Schutz Wie wir in Kapitel G. sahen, legte Grotius das Fundament für Ausschlussbestimmungen wie Artikel 1 F des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge oder Artikel 12 Absatz 2 und 3 sowie 17 Absatz 1 und 2 der EU-Anerkennungsrichtlinie.556 Auch gehört er zu denen, die die Basis legten für die Verfolgung solcher internationaler Straftaten wie das Verbrechen der Aggression, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord. Er verdeutlichte damit den Zusammenhang zwischen Asyl und internationalem Frieden sowie zwischen Straftaten, welche die Menschheit und die internationale Gemeinschaft betreffen, einerseits und der Bedeutung ihrer normativen Relevanz für die Rechtsstellung solcher Straftäter: Straflosigkeit erschiene als ungerecht und kaum erträglich. Hiergegen machte Paul Tiedemann557 geltend, unabhängig von eventuell begangenen Straftaten oder anderen Umständen solle jede Person Schutz genießen 552

Parekh, 2020, S. 110. Grotius, 1950, Buch II, Kap. 21, Abschn. VI, S. 373. 554 International Rescue Committee 2020. 555 Siehe bereits oben Kapitel J. V., Council of Europe, Committee of Ministers, 2020 und wiederholte Berichte des European Council on Refugees and Exiles, etwa vom 16. September 2022. 556 Richtlinie 2011/95/EU. 557 Tiedemann, 2018, S. 316. 553

VII. Gründe und Reichweite des Ausschlusses von Schutz

99

vor Verletzungen fundamentaler, ihre Personalität betreffender Menschenrechtsgüter. Versucht man der Problematik aus beiden Perspektiven gerecht zu werden, so erscheint es in solchen Fällen als geboten, mit Personen, die einer internationalen Straftat beschuldigt oder wegen einer solchen verurteilt worden sind, anders umzugehen. Nahe liegt, sie, wie Tiedemann es – in Übereinstimmung mit internationalen Schutzgarantien geltenden Völkerrechts558 – fordert, nicht auszuliefern oder abzuschieben, wenn dies zu Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe oder zur Todesstrafe führte. Nahe liegt ferner, solche Fälle in jenem Staat nach rechtsstaatlichen Regeln zu verhandeln, dort über sie zu entscheiden und gegebenenfalls die Strafe menschenrechtskonform zu vollstrecken, wo sich Beschuldigte oder Verurteilte aufhalten, oder sie einem eventuell zuständigen internationalen Ad-hoc-Strafgerichtshof oder dem ständigen Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, sofern dieser zuständig ist.

558

Hruschka, 2022a, S. 36 Rn. 20. Einschlägig sind insbesondere Artikel 6 und 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte; Artikel 3 des Überinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Artikel 2 und 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Artikel 4 und 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

K. Schluss Dieses Büchlein präsentiert zunächst Argumente und Ergebnisse, die manchem widersprechen, was in der Literatur der vergangenen Jahrzehnte und Jahre zu Hugo Grotius’ Beitrag zum modernen Asylrecht vertreten wurde. Im Gegensatz zu solchen Behauptungen führt die hier vorgeschlagene und genauer vorgestellte Lesart von Grotius’ Hauptwerk dazu, dass ein Konzept des Asylrechts vorgestellt wird, das den Keim individueller Rechte enthält (Kapitel B.). Grotius’ Argumentation zu Asyl und zur Aufnahme von Expulsi, vertriebenen, unfreiwillig und aus einer Zwangslage heraus migrierenden Personen, hängt nicht von Gründen ab, die vorgetragen wurden, um koloniale Unternehmungen und deren gewaltsame Durchsetzung zu rechtfertigen (Kapitel C. – E.). In mehreren seiner Schriften argumentierte Grotius für die Rechtspflicht, Expulsi zu schützen (Kapitel D. und E.). Auch hat sich zeigen lassen, dass bei Grotius, entgegen anderen Ansichten in der Sekundärliteratur, Asyl vor ungerechtfertigter politischer Verfolgung schützen kann (Kapitel F.). Darüber, ob eine politische Straftat, etwa ein Crimen Laesae Majestatis, begangen wurde, die den Statum Publicum betrifft und deren Verfolgung als echte Straftat kein Asyl begründen würde, sollten nämlich Behörden der Civitas des Aufnahmestaates eigenständig in einem Asylverfahren befinden. Mit dieser Lesart lässt sich vermeiden, dass der politisch verfolgte Hugo Grotius Argumente für seine eigene Auslieferung vortrug. Grotius formulierte die Elemente eines umfassenden Asyl-Konzepts. Zu ihnen gehörten die Verhinderung von Schaden infolge einer Auslieferung in Fällen unverdienter Feindseligkeit und Schutz vor existenziellen Bedrohungen im Herkunftsstaat durch Zulassung zur Ansiedelung und Einräumung einer gesicherten Rechtsstellung (Kapitel G.). Dieses umfassende Asylkonzept arbeitete er in seinem Werk zum Recht des Kriegs und des Friedens nicht aus – er hatte keinen Anlass dazu. Eine Äußerung Grotius’, die in der maßgeblichen deutschen Übersetzung anscheinend fehlt, sich allerdings sowohl im lateinischen Original als auch in Übersetzungen in andere Sprachen finden lässt, weist aber darauf hin, dass er Schutz durch Aufnahme und durch Auslieferungsverbot in einem Zusammenhang sah. Die in der Sekundärliteratur oft vertretende systematische Trennung der Behandlung von Auslieferungsschutz und Aufnahme Vertriebener erscheint deshalb als eher gekünstelt denn erkenntnisfördernd. Grotius lieferte ferner Bausteine für einen Teil des Fundaments einer Theorie der Menschenrechte, die erst lange nach ihm, teilweise unter deutlicher Distanzierung von anderen Elementen seiner Lehre, entwickelt wurde (Kapitel H.). Der modernen Leserin und dem Leser unserer Zeit legt die zu Grunde liegende Argumentation nahe, eine Verbindung zwischen einerseits Elementen eines umfassenden asylrechtlichen Konzepts und andererseits den fragmentarischen Vorläufern einer Theorie der Menschenrechte zu suchen, die in Richtung auf ein

K. Schluss

101

Grundrecht auf Non-Refoulement und Asyl drängt. In deutlicher Spannung zur verbreiteten ideengeschichtlichen Distanzierung der vergangenen Jahre von Grotius mit Blick auf seinen Beitrag zum Asylrecht steht der Befund des Kapitels I. Er zeigt, wie nahe viele der Elemente des Status von Expulsi, aber auch der Menschen, die asylrechtlichen Auslieferungsschutz suchten, bei Grotius manchen zentralen Regelungen standen, die sich jetzt im Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge finden lassen. Bei allen, teils gravierenden und ins Auge springenden Schwächen der frühneuzeitlichen Argumentation Grotius’ führt die Beschäftigung mit ihr und ihren Stärken ferner dazu, dass umgekehrt manche gegenwärtigen Positionen als fremd erscheinen. So inspiriert sie dazu, das Fehlen eines Grundrechts auf Asyl im allgemeinen Völkerrecht sowie manche der Argumentationsweisen, die in der jüngeren politisch- und rechtsphilosophischen Diskussion vorgetragen wurden, kritisch zu hinterfragen. Insbesondere zur Frage, wie ein auf Rechten beruhender Ansatz und das Ziel der Gewinnung politischer Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sich fruchtbar verbinden lassen, regen eine Beschäftigung mit dem grotianischen Konzept des Nutzens als unschädlicher Nutzen (Innoxia Utilitas) sowie mit Varianten der grotianischen Unterscheidung zwischen vollkommenem und unvollkommenem Recht an. In der politischen und Rechtsphilosophie wurde in den vergangenen Jahren zu Recht betont, dass Verletzlichkeit als maßgeblicher Gesichtspunkt für Schutz zu gelten hat. Verfolgungsgründe verloren dadurch in der politischen und rechtsphilosophischen Diskussion ihre zuvor zentrale Stellung. Die Lektüre von Texten Hugo Grotius’ und ihres strengen Gerechtigkeitsbezugs weist auf die Kehrseite einer Verengung hin, die hiermit ungewollt einhergehen könnte. Sie regt zur Beschäftigung mit der Frage an, ob Verfolgungsgründe wie vermeintliche Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Meinung als Verdeutlichungen evidenter Willkür für einige Fallgruppen – insbesondere bei drohender Haft – auch rechtsphilosophisch relevant bleiben können (Kapitel J.).

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Personenverzeichnis Altwicker, Tilmann 10, 67, 74, 84 Anderheiden, Michael 94 Arendt, Hannah 58, 68 Aristoteles 71 Auer, Marietta 74 Aure, Andreas Harald 68, 73, 74

Dickinson, Edwin D. 73 Dieterich, Veit-Jakobus 67 Drake, Thomas E. 70, 71 Drobnig, Ulrich 67, 68

Barth, Karl 67 Bast, Jürgen 13, 19, 86, 91, 96, 97 Baumann, Franz Ludwig 96 Behrends, Okko 31, 42, 43, 95 Bentham, Jeremy 85 Betts, Alexander 88 – 90, 95 Blom, Andrew 75 Bonhoeffer, Dietrich 42 Bring, Ove 60, 72 Brugger, Winfried 93, 94 Brugh, Patrick 47 Bung, Jochen 64

Farahat, Anuscheh 19, 55, 97 Ferdinand II. von Aragon 41 Foster, Michelle 17, 19 Fox, George 70 Frei, Nula 9, 16, 55

Cairns, John 33 Carens, Joseph H. 95 Caroni, Martina 9, 16 Carroll, Kenneth L. 70 Cassirer, Ernst 66, 68, 69 Cavallar, Georg 33, 35 Cheneval, Francis 10, 74, 84 Chetail, Vincent 9, 65 Cicero, Marcus Tullius 22 Collier, Paul 88 – 90, 95 Comenius, Johann Amos 67 Costello, Cathryn 17 De Andrade, Fischel 17 De Jaucourt, Louis 71 De Silva, Prabath 36 De Vattel, Emer 37, 73, 89, 93, 94 De Victoria, Franciscus (Vitoria, Francisco) 21, 34, 43, 44 De Wilde, Marc 9, 28, 29, 37, 39 – 41, 43, 44, 46, 59, 62, 65

Edmundson, William

70

Gadamer, Hans-Georg 84 García-Mora, Manuel R. 64 Gärditz, Klaus Ferdinand 79, 80 Gibney, Matthew J. 25, 88 Giegerich, Thomas 15 Gil-Bazo, María-Teresa 13 Gogolin, Jana 13, 15 Goldstein, Rebecca 41 Gombrich, Ernst 10, 11 Goodwin-Gill, Guy S. 77, 78, 91 Grethlein, Jonas 11 Grewe, Wilhelm G. 21 Griffin, James 65 Grimm, Dieter 56 Haggenmacher, Peter 32, 72, 73 Hailbronner, Kai 13, 15 Harbou, Frederik von 19, 86, 96, 97 Härter, Karl 22, 24 Hathaway, James C. 15, 80 Hecker, Hans 67 Heim, Lukas 9, 16 Hinterberger, Kevin Fredy 9, 16, 55 Hoesch, Matthias 86, 88 Höffe, Otfried 87 Hruschka, Constantin 9, 16, 55, 99 Hruschka, Joachim 87 f. Hunting, Claudine 70, 71

118

Personenverzeichnis

Isabella I. von Kastilien

41

Jaeger, Gilbert 77 Jefferson, Thomas 73 Jellinek, Georg 32 Juss, Satvinder 37

Parekh, Serena 98 Peters, Anne 27 Pobjoy, Jason 80 Price, Matthew E. 28, 30, 51, 54 – 57 Quaritsch, Helmut

79

Kadelbach, Stefan 11, 22, 31, 68, 72 Kälin, Walter 9, 16, 18 Kant, Immanuel 35, 66 – 68, 85, 87, 89, 90 Kimminich, Otto 24, 31, 50, 51, 56 Kirchheimer, Otto 53, 56 Kirste, Stephan 95 Klaaren, Jonathan 19 Kromhout, David 40 Krötke, Wolf 42 Kuosmanen, Jaakko 92 – 94

Rainbolt, George 92 Rawls, John 87 Ray, Shalini Bhargava 13 Reale, Égidio 25, 31, 50 Reck, Ralf 14 Reinhardt, Caroline 85, 89, 95 Remec, Peter Pavel 66, 74, 75 Rials, Stéphane 73 Roth, Klaus 73 Rousseau, Jean-Jacques 66, 69, 71, 72

Ladwig, Bernd 92, 95 Lambert, Hélène 13, 16, 19 Landau, Peter 9, 64 Lauren, Paul Gordon 73 Lauterpacht, Hersch 65, 74 Leibniz, Gottfried Wilhelm 66, 69, 70 Lesaffer, Randall C. H. 21 Locke, John 35 Ludwig, Bernd 42 Luig, Klaus 26, 87

Schaffner, Tobias 21 Schröder, Jan 21 Schulze, Götz 92 Shacknove, Andrew E. 95 Singer, Paul 85, 86, 88, 89 Singer, Renata 85, 86 Skran, Claudena M. 77 Soyer, François 41 Spinoza, Baruch 67 Stumpf, Christoph A. 42, 61 Sylvester, Douglas J. 73

Mahler, Claudia 55, 77, 81 Mahlmann, Matthias 37, 74 Mantel, Susanne 92 Manuel I. von Portugal 41 Markard, Nora 19, 97 Mathew, Penelope 16 Mautner, Thomas 32, 74 McAdam, Jane 17, 84 Meijer, Jacob 44, 64, 65 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat 70, 71 Morsink, Johannes 15 Neff, Stephen 31, 32 Negro, Paola 42 Nickel, James 73, 74 Onuma, Yasuaki

47

Tanaka, Tadashi 31, 42, 66, 69, 87 Thym, Daniel 88 Tiedemann, Paul 19, 92, 95, 98, 99 Tießler-Marenda, Elke 9, 20, 21, 23, 26, 27, 36, 47, 48, 50, 51, 59, 78 Tuck, Richard 22, 29, 33 – 36 Ulpian (Domitius Ulpianus)

31, 95

Van Ittersum, Martine Julia 33 Van Nifterik, Gustaaf 57, 66, 71, 75 Vermeulen, Bernardus Petrus 24, 69, 74 Vincent, Raymond John 24, 27, 65 Vogt, Tilman 73 Walther, Manfred 66, 67 Walzer, Michael 88 Wilson, Eric 33

Personenverzeichnis Wollenschläger, Michael 20 Worster, William Thomas 13 Yanagihara, Masaharu

27

Zimmermann, Andreas 55, 77, 81 Zurbuchen, Simone 35 – 37

119

Stichwortverzeichnis Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 16, 18, 55, 60, 77 – 79, 81 – 83, 89, 91, 96, 98, 101 Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (Banjul-Charta) 17 Aggression 14, 98 Alhambra-Edikt 41 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 15 Amerikanische Menschenrechtskonvention 17 Amicitia 15, 23, 24, 47 anfängliche Rechte aller Menschen 25 Anlage 72 Arabische Charta der Menschenrechte 19 Aschkenasim 40 Asyl – bei Grotius als Auslieferungsschutz 20 – Definition des Institut de Droit International 20, 63 – Implikation territorialer Souveränität 13 f. – Neukonzeption 10, 30 f. Asylkonzept 9, 12, 59 – 63, 93, 100 Asylorum Exempla 20, 29, 50, 51 Auslieferung 9, 10 – 15, 18, 20 f., 24, 27 – 30, 39, 50 – 52, 54, 59 – 63, 79, 81, 83, 88, 89, 91, 92, 100 – Kriege zur Durchsetzung einer angenommenen Pflicht zur ~ 13 f., 27 f. – Pflicht zur ~ 10, 21, 27, 28, 30, 50, 52, 53 – Schutz vor ~ 9 – 12, 15, 18, 20, 27 – 32, 50 – 58, 59 – 63, 79, 81, 83, 91 f., 99 Ausnahme 18, 21, 23, 27, 28, 30, 49, 50, 60, 75, 79, 82 Ausschlussgründe 47 f., 50, 82, 98 f. Charta der Grundrechte der Europäischen Union 18, 99 Charta der Vereinten Nationen 14, 15

Civitas 31, 53, 74, 92, 100 Countermeasures 14 Crimen laesae maiestatis 46 f., 53 f., 56 Despotie, despotisch 66, 70 Digesten 31, 42, 95 Disharmonie, produktive 11, 85 Diskriminierung, Nicht-Diskriminierung 63, 80, 95 Dysfunktionalität 89, 90 Encyclopédie 70 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 18, 99 Expulsi 9, 11, 12, 15, 20, 23 – 27, 33 – 36, 39 – 49, 59 – 63, 75, 76, 81 f., 87, 91, 100 f. Feindseligkeit, unverdiente 9, 10, 15, 20, 29 – 31, 39, 54, 56, 58, 60, 62, 79 – 81, 100 Fluchtwege 26, 60 f., 96 f. Freundschaft, freundschaftlich 23, 25, 47 Frieden 21 f., 67, 90 Fürsprecher der Despotie 66 Gegenmaßnahmen 14 Gemälde 11 Gemeineigentum 87 gerecht, Gerechtigkeit 10, 21, 24, 26, 31, 35, 48 f., 60 f., 74, 79 f., 86 f., 92, 95, 99 Gewalt, gewaltsam 22, 27, 35, 36 f., 43, 45, 48, 67 f., 70 – 72, 77, 100 Gewaltverbot 14 Gleichstellung 82 f. Gussform 63, 73 Hilfe, Hilfeleistung 85, 88, 89, 92 Historisierung, historisieren 10, 78 Hospitalität 43, 44

Stichwortverzeichnis

121

humanitäre Intervention – der Ungerechtigkeit verdächtig, wenn Verbrechen nicht grob und evident sind 36 – Krieg zum Schutz vor Tyrannei 34 – Scheinrechtfertigung für Vorgehen gegen indigene Völker, kolonialer Bestrebungen 34 – Strafe wegen Taten, die in einzelnen Personen das Natur- und Völkerrecht in roher Weise verletzen 34

natürliche Gleichheit aller Menschen 71 Naturrecht, Naturrechtler, naturrechtlich 31, 34 – 36, 42 – 45, 54 f., 57, 60, 67, 69, 72 – 75, 93 Nicht-Diskriminierung 63, 80 Non-Refoulement 9, 10, 13, 16 – 18, 20, 78, 83, 85 f., 88 – 90, 101 Not, höchste Not, Hungersnot 26, 37, 45 – 48, 75, 83, 86, 88, 91 f., 94 Nutzen, Nützlichkeit 74, 86 – 88, 101

Individualrecht 9, 13, 23, 24, 27, 79, 91 Individuum, Individuen 9, 11, 13, 20, 21, 24, 27, 33, 60, 62, 74, 75, 85, 86, 98 Innoxia Utilitas 26, 85, 87, 88, 101 Institutionen, institutionell, Institutionalisierung 31, 67, 68, 89, 90, 92 Instrumentalisierung 10 Internationale Straftaten 60 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 66, 99 Ius Cogens 16 Ius Gentium, Jus Gentium 22, 24, 27

öffentliches Gut

Juden, Jüdinnen 11, 39 – 44, 48, 64 Jus (Ius) 25, 31, 61, 74, 91, 95 koloniale Unternehmungen 11, 33 – 38 kommerzielle Unternehmungen 11, 33 – 38 Krieg 13, 14, 21 f., 28, 32, 34 – 36, 44, 47, 48, 67, 68, 81 kriegerischer Akt 43 Kriegsgefangene 66 Kriegsverbrechen 60, 82, 98 Lastenteilung 88, 90, 93, 94 Leibeigenschaft 66 leidige Tröster 66 f. Mare Liberum 34 Meer, Meere 25, 36, 61 Menschenrecht, Menschenrechte 11, 12, 15, 19, 38, 51, 55, 64 – 76, 80, 81, 87, 89, 91, 95, 97, 99, 100 Methode 65 – 69 Mutual Aid 88

89

Pacta sunt servanda 75 Partner im Dialog 11, 85 Perfugium 20, 23 persecution 15, 19, 81 persequi 81 politische Straftaten 17, 21, 50 – 54, 56, 100 politische Verfolgung 12, 19, 50 – 54 Privateigentum 25 f., 27, 35, 36, 45 f., 47, 61, 70, 75, 82, 86, 92 produktive Disharmonie 11, 85 Projektion 10, 59, 65 Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 16, 18, 77, 85, 89, 91, 96, 97 Qualitas moralis Per Oonæ, moralische Eigenschaft 31, 32, 61, 74, 91 Receptum 20, 23, 25, 61, 63 Recht – Asyl gewähren zu dürfen 13 f. – Asyl zu genießen 15 – Asyl zu suchen 15, 17, 19, 91 – auf Asyl, auf Asylgewährung 9 f., 12, 15, 17, 18, 20, 43, 50, 51, 56, 63, 76, 79, 91 – 93, 101 – auf Widerstand 10, 57, 66, 75 – objektives 13, 31 – subjektives 9, 11 – 13, 19, 24, 31, 32, 61, 74 – unvollkommenes 61, 91 – 94, 101 – vollkommenes 61, 91 – 94, 101 Rechte der Schutzflehenden 28, 29

122

Stichwortverzeichnis

Rechtsstellung 9, 12, 16, 18, 20, 33, 39, 46, 48, 51, 55, 60, 62 f., 77 f., 81 – 83, 85, 89, 91, 96, 97 f., 98, 100 Rechtszwang 20, 87, 95 Refoulement 9, 10, 16 – 18, 20, 78, 83, 85, 86, 88 – 90, 101 rights based arguments 85 Schädigungsverbot 88 Schutz vor Auslieferung 9, 11, 12, 15, 18, 20, 24, 27, 29, 39, 50 f., 54, 59 – 63, 79, 81, 83, 89, 91 f., 100 f. Sensus Communis 68 Sephardim 10, 41, 44, 81 Servitus 66 sichere Fluchtwege 60, 96 Sklaverei 24, 66, 69 – 72 Status 16, 18, 22, 62, 63, 82, 95, 98, 101 Strafe, Strafen 16, 18, 21, 24, 27 f., 30, 34, 36, 41, 46, 48, 50 f., 53, 56 f., 60, 62, 81, 95, 99 Strafe als Rechtfertigung für Krieg 34, 36 Strafgerechtigkeit, gerechte Strafe 10, 24, 56 f. Strafrecht – inländisches 54 f. – politisches 54 Straftat, Straftaten – internationale 60, 99 – politische 17, 21, 50, 52, 53 – schwere 21, 28, 50, 52, 60, 82 Strafverfolgung 10, 24, 30, 50, 55, 58, 60, 62 Subjekte – des Jus Gentium 22, 27 – des völkerrechtlichen Asylrechts 31 subjektives Recht 9, 11 – 13, 19, 24, 31, 32, 61, 74 Supplices 11, 30, 50, 63, 76, 79 Supplicum jura 29, 30, 32, 61

territoriale Gerechtigkeit 86 theologisch 42, 44, 47, 91 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 16, 99 unfreundlicher Akt, unfreundliche Weise 15, 48 unverdiente Feindseligkeit 9, 10, 15, 20, 29 – 31, 39, 54, 56, 58, 60, 62, 79, 80, 81, 100 Utrechter Union 41 Verbrechen der Aggression 98 Verbrechen gegen den Frieden 60, 82 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 60, 82, 98 Verfolgung 12, 15, 17, 19, 24, 29 f., 47, 48, 50 – 52, 54, 56, 60, 61, 77, 79 – 81, 95, 98, 100 Verfolgungsgründe 55, 80, 82, 95, 101 Völkergewohnheitsrecht 13 – 16 Völkermord 98 Völkerrecht – allgemeines ~ 9, 13 – 16 – regionales ~ 17 – 19 Völkerrechtsbegriff 22 Völkerrechtslehre 9 Vorbehalt 25, 26, 45, 47, 75, 86, 92 Widerstand, Widerstandsrecht 10, 57, 66, 75 Wille, Willen 42, 44, 45, 47, 72, 75, 94 zwischenstaatlich 10, 11, 15, 20 – 24, 27, 30, 52, 56, 68, 93, 94, 98