Das Vertragsverständnis des Hugo Grotius: Zwischen Gerechtigkeit, Treue und Rechtsübertragung [1 ed.] 9783412524944, 9783412524920

137 53 8MB

German Pages [443] Year 2022

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Das Vertragsverständnis des Hugo Grotius: Zwischen Gerechtigkeit, Treue und Rechtsübertragung [1 ed.]
 9783412524944, 9783412524920

Citation preview

Klaus Kowalski

Das Vertragsverständnis des Hugo Grotius Zwischen Gerechtigkeit, Treue und Rechtsübertragung

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Herausgegeben von Martin Schermaier, Mathias Schmoeckel, Gunter Wesener Band 36

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Klaus Kowalski

Das Vertragsverständnis des Hugo Grotius Zwischen Gerechtigkeit, Treue und Rechtsübertragung

Böhlau Verlag wien köln

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf

Zugl. Diss. Universität Bonn 2021 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, ­Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, ­Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Das Werk ist als Open-Access-Publikation im Sinne der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND International 4.0 (»Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitung«) unter dem DOI https://doi.org/10.7788/9783412524944 abzurufen. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Umschlagabbildung  : Ausschnitt aus De Iure Praedae Commentarius von Hugo Grotius – Universitätsbibliothek Leiden, Bibliotheca Publica Latina 917, fol. 10r. Das vollständige Manuskript wird von der Universitätsbibliothek Leiden unter Creative Commons CC BY Lizenz online zur Verfügung gestellt (http://hdl.handle.net/1887.1/item:274332). Der erste Satz  : Fecit enim Deus Hominem αὐτεξούσιον liberum, suique iuris, ita ut actiones uniuscuiusque et rerum suarum usus ipsius, non alieno arbitrio subiacerent ist zentral für diese Studie. Korrektorat  : Christopher Schütz, Kassel Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Druck und Bindung  : Hubert & Co. BuchPartner, Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52492-0 (Print) ISBN 978-3-412-52494-4 (OpenAccess)

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Für Pauline

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Inhalt

Vorwort.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . I. Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit . . II.  Forschungsgeschichte.. . . . . . . . . . . . . . . . . III. Untersuchungsgegenstand und -methode. . . . . . . IV. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Naturrecht, Vernunftrecht und göttliches Recht. . 2. Völker- und Völkergemeinrecht.. . . . . . . . . . 3. Redliches Verhalten, Treue zum gegebenen Wort, Vertrauenswürdigkeit und Glaubenstreue . . . . . 4. Pflicht, Verbindlichkeit und subjektives Recht. . . 5. Recht und Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

17 17 20 27 34 35 37

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 40

Erstes Kapitel  : Vertragsverständnisse vor Grotius . I. Römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Glossatoren und Postglossatoren . . . . . . . III. Humanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. François de Connan . . . . . . . . . . . . . 2. Mattheus van Wesembeke. . . . . . . . . . IV. Spätscholastik. . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

41 41 42 47 48 55 59

Zweites Kapitel  : Hugo Grotius.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eine Kurzbiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schriften zum Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 66 71

Drittes Kapitel  : Parallelon Rerumpublicarum. . I. De fide et perfidia . . . . . . . . . . . . . . II. De iustitia iniustitiaque . . . . . . . . . . . III. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . .

76 78 91 94

. . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . .

. . . .

8 | 

Inhalt

Viertes Kapitel  : De Iure Praedae Commentarius . . . . . . . . . . . . I. Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit (iustitia compensatrix).. . . . . . . . . . . . . . . II. Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung als weiterer Ursprung vertraglicher Verbindlichkeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Libertas als dominium actionum suarum. . . . . . . . . . . . . . IV. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

96

. . . . 103 . . . . 116 . . . . 130 . . . . 150

Fünftes Kapitel  : Theses LVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.  Das Verhältnis der Theses LVI zu De Iure Praedae.. . . . . . . . . . II. Bindung des Schuldners durch Rechtsverzicht (fides) und iustitia. . III. Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung (fides) und iustitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 153 . . 155 . . 158

Sechstes Kapitel  : Der Brief an Wilhelm Grotius vom 28.02.‌1616 . . . . I. Eine Definition der Stipulation.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.  Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum. . III. Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda . . . . . . . IV. Die Rechtsnatur der Stipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . 165 . . 175 . . . . . .

177 180 186 205 214 219

Siebtes Kapitel  : Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid. . . . . . . . I. Der Versuch der Systematisierung persönlicher Rechte (inschuld, ius in personam sive creditum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflicht im weiteren und engeren Sinne (schuld ruim ghenomen  ; schuld eng ghenomen anders genoemt verbintenisse), Forderungsrechte (inschuld) und einfache Versprechen (belofte).. . . . . . . . . . . . . . III. Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbindlichkeit kraft Ungleichheit (onevenheid) . . . . . . . . . . . . . V.  Das Verhältnis zwischen toezegging und onevenheid . . . . . . . . . . . VI. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222 224

230 242 250 254 260

Achtes Kapitel  : De Iure Belli ac Pacis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum).. . . . . . . . . . . 265 II. Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa.. . . . . . . . . . . . 282

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Inhalt 

| 9

III. Die analytisch-konstruktive Herleitung  : assertio, pollicitatio und promissum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die deklaratorische Aussage und das Recht auf Willensänderung (assertio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verzicht auf das Recht auf Willensänderung (pollicitatio) . . . 3. Exkurs  : Pflicht, Verbindlichkeit und subjektives Recht . . . . . . . a) naturalis obligatio (per abusionem und magis proprie). . . . . . . b) ius proprie aut stricte dictum, facultas und aptitudo . . . . . . . . 4. Der Wille zur Rechtsübertragung (promissum). . . . . . . . . . . . IV. Die Versprechenstreue Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Übereinstimmung weltlicher Autoritäten. . . . . . . . . . . . . . VI. Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda. . . . . . . . . . VII. Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung . . . . . . . . . . . . . VIII. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308 311 318 319 330 341 344 355 359 366 375

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung . . . . . . . I. Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit . II. Grotius’ Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grotius’ Verhältnis zur Spätscholastik. . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

378 378 382 384 385

Quellenverzeichnis. . . I.  Grotius.. . . . . . II. Weitere Quellen. . III. Handschriften. . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

388 388 391 393

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

303

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Quellenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Sachregister.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vorwort

Dieses Buch steht am Ende eines langen Weges. Er begann mit der Beobachtung, dass die Sozialvertragslehren des frühneuzeitlichen Naturrechts zwar übereinstimmend sämtliche Verträge als verbindlich betrachten, ihre Begründungen hierfür aber deutlich divergieren. Ein genaueres Quellenstudium zeigte zudem, dass sich die Begründungsansätze nicht nur zwischen Autoren, sondern auch zwischen verschiedenen Werken derselben Autoren unterscheiden. Was zunächst als vergleichende Untersuchung zu Hugo Grotius, Thomas Hobbes und Samuel von Pufendorf begann, konzentrierte sich daher zunehmend auf Grotius. Erst diese Fokussierung ermöglichte es, die Quellen einerseits mit der gebotenen Akribie zu untersuchen und Grotius’ œuvre andererseits auch in der Breite zu erfassen (wenngleich eine genauere Untersuchung der theologischen Werke gewiss noch weitere Erkenntnisse versprechen würde). Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-­ Universität Bonn als Dissertation angenommen. Sie soll einen Einblick in die Gedankenwelt des Grotius gewähren, sich wiederholende Argumente, Akzentverschiebungen zwischen einzelnen Werken und nicht zuletzt die Grundlagen seiner neu und revolutionär wirkenden Ansichten aufzeigen. Ich war bemüht, die Arbeit auf einen klaren Gedankengang zu beschränken, konnte aber keine Quelle oder Stimme in der Sekundärliteratur übergehen, die mir für eine kritische Würdigung der vertretenen Auffassung bedeutsam erschien. Manche vertiefenden Exkurse sind in Fußnoten verlagert  ; Zusammenfassungen und Quer­ verweise sollen die Orientierung zusätzlich erleichtern. Meinem geschätzten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr.  Martin ­Schermaier, danke ich sehr herzlich für seinen Rat und seine stete wissen­ schaftliche und menschliche Unterstützung bei der Fertigstellung dieser Arbeit. Am Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte in Bonn hat mir Herr Professor Schermaier nicht nur hervorragende Arbeitsbedingungen eingeräumt, sondern auch eine anregende Atmosphäre leidenschaftlichen wissenschaftlichen Diskurses kultiviert. Sehr herzlich danke ich auch Herrn Professor Dr. Wim Decock für seine überaus wertvollen Anregungen und die zügige Erstattung des Zweitgutachtens. Für eine Vielzahl von Denkanstößen und Ratschlägen danke ich ebenso herzlich auch allen (ehemaligen) Kollegen am Institut für Römisches Recht und Ver-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

12 | 

Vorwort

gleichende Rechtsgeschichte und den Teilnehmern der Rheinisch-Westfälischen Graduiertenschule, insbesondere Herrn Dr. Gregor Albers, der mir zudem nach kritischer Durchsicht hilfreiche Anmerkungen zum Manuskript gegeben hat, und Herrn Jörg Schöpper. Danken möchte ich auch der Gerda Henkel Stiftung für ihre großzügige ­Förderung der Anfertigung und Drucklegung der Arbeit sowie den Heraus­ gebern der Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe. Besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie. Meine Eltern haben mich stets liebevoll und mit allen Mitteln unterstützt. Ihr Rückhalt hat mir nicht nur diese Arbeit, sondern auch meine Ausbildung im Allgemeinen erst ermöglicht. Meine Ehefrau Pauline Chadenet hat mich mit unermesslicher Geduld und stetiger Unterstützung das Ziel nie aus den Augen verlieren lassen. Dieses Buch nun endlich in der Welt zu sehen, ist zu großen Teilen ihr Verdienst.

Brüssel, im November 2021

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungen für Grotius’ Werke und antike Quellen werden hier nicht gesondert aufgeführt. Für Grotius’ Werke wird auf das Quellenverzeichnis verwiesen, für antike Quellen auf die Praxis des Thesaurus Linguae Latinae bzw. Der Neue Pauly. a. articulus/-i ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis a. E. am Ende Afd. Afdeeling AGPh Archiv für Geschichte der Philosophie APD Archives de philosophie du droit, Nouvelle Série Annali Palermo Annali del Seminario giuridico della Università di Palermo ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Aufl. Auflage BGB Bürgerliches Gesetzbuch Bd. Band BIDR Bullettino dell’istituto di diritto romano « Vittorio Scialoja » BJHP British Journal for the History of Philosophy BPL Bibliotheca Publica Latina, Universitätsbibliothek Leiden, vgl. Handschriftenverzeichnis BW 1838 Burgerlijk Wetboek von 1838 bzw. beziehungsweise cap. caput/-ita CJLJ Canadian Journal of Law and Jurisprudence CJNS Canadian Journal of Netherlandic Studies CLR Columbia Law Review ders. derselbe dies. dieselbe/-n disp. disputatio/-nes dub. dubitatio/-nes d. h. das heißt

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

14 | 

Abkürzungsverzeichnis

d. Verf. des Verfassers ebd. ebenda EKK Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament ELR The Edinburgh Law Review et al. et alii/-ae EvTh Evangelische Theologie f. folgend/-er/-e/-es FHI Forum Historiae Iuris Fn. Fußnote/-n fol. Folium/-a Hist. Eur. Ideas History of European Ideas Hist. J. The Historical Journal Hervorh. d. Verf. Hervorhebung des Verfassers Hervorh. im Orig. Hervorhebung im Original Hist. Theory History and Theory HKK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB HPhQ History of Philosophy Quarterly HPT History of Political Thought Hrsg. Herausgeber/-in hrsg. v. herausgegeben von HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie IILJ Working Paper Institute for International Law and Justice. New  York University School of Law. International Law and Justice Working Papers. insb. insbesondere JHI Journal of the History of Ideas JHIL Journal of the History of International Law / Revue d’histoire du droit international JHP Journal of the History of Philosophy JPIL Journal of the Philosophy of International Law JSCL Journal of the Society of Comparative Legislation lib. liber LHR Law and History Review LQR The Law Quarterly Review Septuaginta Septuaginta, zit. nach Septuaginta. Id est Vetus Testamen­ tum graece iuxta LXX interpretes, hrsg. v. Alfred Rahlfs und Robert Hanhart, 2. Aufl., Stuttgart 2006.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Abkürzungsverzeichnis 

MIH MLN MNAW

| 15

Modern Intellectual History Modern Language Notes Mededeelingen der Nederlandsche Akademie van Wetenschappen m. w. N. mit weiteren Nachweisen NILR Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht / Netherlands International Law Review Nova Vulgata Nova Vulgata. Bibliorum Sacrorum Editio, zit. nach Nova Vulgata. Bibliorum Sacrorum Editio, Vatikanstadt 1979. NULR Northwestern University Law Review num. numerus/-i PAS Proceedings of the Aristotelian Society, New Series pr. Principium qu. quaestio/-nes resp. responsio RdC Recueil des Cours de l’Académie de Droit International rel. relectio RHD Revue historique de droit français et étranger RIDC Rivista Internazionale di Diritto Commune S. Seite/-n Sc. St. L. Scandinavian Studies in Law seq. sequens Sp. Spalte/-n STh Aquinas, Summa Theologiae, vgl. Quellenverzeichnis TIL Theoretical Inquiries in Law TMD Ter Meulen / Diermanse, Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, Den Haag 1950. TMD II Ter Meulen / Diermanse, Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au XVIIe siècle. Den Haag 1961. tom. tomus TR Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis  / Revue d’Histoire du Droit / The Legal History Review TRE Theologische Realenzyklopädie vgl. vergleiche VI. Liber Sextus Bonifatii VIII, zit. nach Corpus Iuris Canonici editio Lipsiensis Secunda, Bd. 2, Decretalium Collectiones, hrsg. v. Emile Friedberg, Graz 1959. VOC Vereinigde Oostindische Compagnie

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

16 | 

Abkürzungsverzeichnis

Vulgata

Biblia vulgata, zit. nach Biblia sacra. Iuxta Vulgatam versionem, hrsg. v. Robert Weber und Roger Gryson, 5. Aufl., Stuttgart 2007. Yale Law J. The Yale Law Journal ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Heidelberg Journal of International Law zit. zitiert ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfRV Zeitschrift für Europarecht, Int. Privatrecht und Rechtsvergleichung ZNR Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte ZphF Zeitschrift für philosophische Forschung ZRG (GA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Germanistische Abteilung ZRG (KA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Kanonistische Abteilung ZRG (RA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Romanistische Abteilung X. Liber Extra (Decretales Gregorii IX), zit. nach Corpus Iuris Canonici editio Lipsiensis Secunda, Bd. 2  : Decretalium Collectiones, hrsg. v. Emile Friedberg, Graz 1959.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Einführung und Problemstellung

I. Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit [W]arum soll ich mein Versprechen halten  ? Denn daß ich es soll, begreift ein jeder von selbst. Es ist aber schlechterdings unmöglich, von diesem kategorischen Imperativ noch einen Beweis zu führen  ; […].1 (Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten § 19)

Auf den ersten Blick spricht Immanuel Kant der Frage nach dem Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit ihre Berechtigung ab. Dabei lautet seine Frage allerdings, warum man Ve r s p r e c h e n halten soll. Indem er seine Vertragslehre mit dieser rhetorischen Frage einleitet, hat er den Fokus in zwei entscheidenden Punkten verändert  : Nicht der Vertrag, sondern das Versprechen bindet. Nicht die Geltung des Vertrages oder die Forderung des Gläubigers sind von Interesse, sondern die Pflicht des Schuldners. Bei genauerer Betrachtung spricht Kant der Frage nach dem Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit also keineswegs die Berechtigung ab, sondern beantwortet sie durch Verweis auf die moralische Pflicht zur Treue zum gegebenen Wort. Damit steht er zwar in einer langen Tradition, doch die Geltung des Vertrages lässt sich auch anders begründen. Wa r u m sind Verträge – oder Versprechen – verbindlich  ? Erschöpft sich ein Vertragsrecht nicht in der Summe unabhängiger Vertragstypen, sondern kennt darüber hinaus ein abstraktes Konzept des Vertrages, muss diese Frage grundsätzlich für alle Vertragstypen einheitlich beantwortet werden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die unterschiedlichen Institute des Vertragsrechts ein einheitliches System bilden und nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Während diese Frage in den letzten Jahrzehnten im angloamerikanischen Raum wieder zunehmend diskutiert wird,2 findet sie zumindest in Deutsch-

1 Kant, Metaphysik der Sitten, § 19 [S. 273]. 2 Vgl. etwa Atiyah, Promises, Morals, and Law  ; Barnett, CLR 86 (1986)  ; Benson, Justice in Transactions  ; Dagan / Heller, Choice Theory of Contracts  ; Fried, Contract as Promise  ; Gold, NULR 103,1 (2009)  ; Kimel, From Promise to Contract  ; Klass / Letsas / Saprai (Hrsg.), Philosophical Foundations of Contract Law  ; Korobkin, Behavioral Economics  ; Markovits, Yale Law J. 113 (2004)  ; Oman, Dignity of Commerce  ; Posner, Economic Analysis of Law, S. 95–155, 774–776, 891–894, 989–997  ; Smith, Contract Theory  ; sowie die einzelnen Beiträge in TIL 20,2 (2019).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

18 | 

Einführung und Problemstellung

land kaum mehr Beachtung3. Die etwa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts rege geführte Debatte4 endete jedoch nicht, weil sich eine Ansicht auf breiter Front durchgesetzt hatte. Es scheint vielmehr, dass das Aufkommen der nationalen ­Zivilrechtskodifikationen dieser Frage ihre Brisanz genommen hat  : Dass ­Verträge verbindlich sind, folgt schließlich aus Art. 1134 Code Civil 18045, Art. 859, 861 ABGB, Art. 1269 BW 1838 oder §§ 241 Abs. 1, 305 BGB 19006. Bereits für die geltenden Kodifikationen erscheint diese rechtspositivistische Haltung problematisch, weil diese essenzielle Frage jeder Vertragsrechtsdogmatik doch auch Konsequenzen für die Auslegung einzelner Rechtsinstitute entfalten kann. Die Voraussetzungen des Vertragsschlusses und der (einseitigen) Vertrags­ aufhebung, die Möglichkeit des Widerrufs noch nicht angenommener Vertrags­ angebote, die Vertragsauslegung und die Bestimmung des Leistungs- oder Haftungsumfangs können nur als einheitliches System konstruiert werden, soweit sie einen einheitlichen Zweck verfolgen  : die Geltung von Abreden unter bestimmten Voraussetzungen durchzusetzen. Der Geltungsgrund wirkt somit zumindest latent auch in der Ausgestaltung und Abgrenzung der einzelnen Rechtsinstitute des Vertragsrechts durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft fort. Vor dem Hintergrund einer möglichen zukünftigen europäischen Vertragsoder Zivilrechtskodifikation erhält diese Frage noch zusätzliche Bedeutung, weil eine die Verbindlichkeit legitimierende Vertragsdogmatik erst zu konstruieren ist. Dabei haben nicht zuletzt die bisherigen, letztlich erfolglosen Versuche gezeigt, dass eine europäische Rechtsharmonisierung dieses Ausmaßes langfristig nur Erfolg haben kann, wenn unionsrechtliche Gesetzesvorhaben von einer gesamteuropäischen Dogmatik getragen werden.7 Auf dem Gebiet des Vertragsrechts bildet das Dogma der generellen Verbindlichkeit vertraglicher Absprachen – pacta sunt servanda – die vielleicht ele3 So gilt die Verbindlichkeit von Verträgen vielen deutschen Dogmatikern als vertragsrechtliches Axiom, als nicht weiter begründungsbedürftiges Prinzip des Vertragsrechts, vgl. statt vieler Weller, Vertragstreue, S.  26–28, 36, 41 m.  w.  N. Bemerkenswerte Ausnahmen bilden Lomfeld, Gründe des Vertrages, und Rödl, Gerechtigkeit. Insofern erlebt die rechtstheoretische Auseinandersetzung mit dem Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit möglicherweise auch in Deutschland gerade eine Renaissance. 4 Vgl. etwa Ehrenzweig, Vertragsverbindlichkeit  ; F.  Hofmann, Entstehungsgründe  ; Lüdinghausen-Wolff, Versprechen  ; Siegel, Verpflichtungsgrund  ; zusammenfassend auch Ahrens, Rechtsphilosophie, S.  541–545  ; noch im 20.  Jahrhundert zudem Pestalozzi, Verpflichtungsgrund  ; Reinach, Phänomenologie, S. 21–86  ; sowie Bydlinski, Privatautonomie, S. 122–175. 5 Entspricht weitgehend Art. 1103 Code Civil 2016. 6 §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB 2002. 7 Ähnlich schon Zimmermann, LQR 112 (1996), S. 580–583, 605.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit 

| 19

mentarste Gemeinsamkeit der nationalen Rechtsordnungen. Eine europäische Zivilrechtsdogmatik muss daher bei der Begründung dieses Dogmas ansetzen, wenn sie weitere Rechtssätze daraus ableiten will. Denn erst aus der Begründung, ­w a r u m Verträge zu halten sind, lässt sich ermessen, wo etwa die Grenzen vertraglicher Verbindlichkeit liegen und unter welchen Umständen es möglich ist, sich wieder von einem Vertrag zu lösen. Dazu kann die Rechtsgeschichte einen wichtigen Beitrag leisten  : Zunächst kann sie Argumentationsmuster für unterschiedliche Geltungsgründe vertraglicher Verbindlichkeit offenlegen und deren Einfluss auf verschiedene Institute des Vertragsrechts aufzeigen. Erst dadurch wird ein dogmatischer Diskurs auf dem Feld europäischer Rechtsvergleichung und -angleichung möglich.8 Darüber hinaus kann sie das Problembewusstsein für eine eklektische Kombination alternativ gewachsener Systeme schärfen.9 Hierfür verspricht eine nähere Betrachtung des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts besonders ertragreich zu sein. Einerseits entwickelt sich außerhalb des kanonischen Rechts erstmals zu dieser Zeit ein von konkreten Vertrags­typen abstrahiertes Vertragsrechtsverständnis. Die Frage nach der Begründung vertraglicher Geltung lässt sich somit überhaupt erst für diese Zeit abstrakt stellen. Andererseits existieren noch keine voneinander abgeschotteten nationalen Rechtsordnungen. Die zumindest subsidiäre Geltung eines universellen Zivilrechts ist in Kontinentaleuropa zu dieser Zeit vollkommen unstreitig. Als einem der ersten Verfasser eines ausdifferenzierten, vom System der ­römischen Vertragstypen emanzipierten Vertragsrechts und Vater der (nordeuro­ päischen) Naturrechtsschule der Neuzeit kommt Hugo Grotius dabei eine besondere Bedeutung zu. Er gilt heute allgemein als wesentlicher Vertreter, wenn nicht gar Urheber der sogenannten Rechtsübertragungs- oder Veräußerungstheorien zur Begründung vertraglicher Verbindlichkeit (englisch  : transfer theories).10   8 Vgl. auch Schermaier, wesentlicher Irrtum, S.  699  f., 721  f.; Zimmermann, LQR 112 (1996), S. 585–587, 597 f., 600–603.   9 Besonders treffend formuliert dies Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 189 f.: »Die zunehmende Enge der nationalen Rechte und der wachsende Drang nach übergreifendem Vertragsrecht bringen es mit sich, daß die historischen Modelle vermischt und über die Vertragsabschlußform von Antrag und Annahme vereinheitlicht oder einander angeglichen werden. Freilich ist sich die moderne Zivilrechtswissenschaft der unterschiedlichen Herkunft dieser alten Vertragsmodelle kaum mehr bewußt und behandelt die gesetzlich gefestigten Vertragsmodelle so als wären sie gerade mit den Kodifikationen entstanden. Daß dies zu Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten führt, die meist nur oberflächlich bereinigt werden, braucht nicht zu verwundern«. 10 Vgl. nur Benson, Contract, S.  48  ; Decock, Contract Law, S.  210  ; F.  Hofmann, Entstehungsgründe, S. 90  ; Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 189 f.; Smith, Contract Theory, S. 97.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

20 | 

Einführung und Problemstellung

Im Verlauf der Untersuchung wird sich zudem zeigen, dass er daneben auch andere Begründungen anführt und in verschiedenen Werken teilweise deutlich divergierende Vertragslehren konstruiert. Die von Grotius bemühten Begründungen entsprechen im Grundsatz den noch heute herangezogenen11  : der Austauschgerechtigkeit, der Treue zum gegebenen Wort und der Idee der Übertragung eines Rechts an der zukünftigen Handlung.

II. Forschungsgeschichte Die Auseinandersetzung mit Grotius ist zu umfangreich, als dass sie vollständig dargestellt oder auch nur ausgewertet werden könnte. Zumindest die Forschung des 20. und 21. Jahrhunderts soll jedoch in den wesentlichen Linien berücksichtigt werden. Daneben sind gerade auch die frühen Anmerkungen von Bedeutung, teilen sie doch dieselbe Diskursgrundlage wie Grotius, sofern ihre Verfasser nicht sogar unmittelbar zu seinen beabsichtigten Adressaten zählen. Bereits wenige Jahre nach Grotius’ Tod erschienen erste Kommentare zu De Iure Belli ac Pacis, nicht nur von Juristen12, sondern auch von Philosophen13, Theologen14, Historikern15 und Philologen16. Auch Samuel von Pufendorfs De  Iure Naturae et Gentium von 1672 lässt sich durchaus als (umfangreicher) Kommentar zu De  Iure Belli ac Pacis verstehen.17 Dessen Übersetzer Jean ­Barbeyrac veröffentlichte 1724 zudem eine umfassend kommentierte französische Übersetzung von De Iure Belli ac Pacis. 11 Vgl. Fn. 2–4. 12 Hedinger, Sicilimenta Philosophiae Juris (1699) [TMD II, num. 189]  ; Henniges, Observationes Politicae et Morales (1673) [TMD II, num. 124]  ; Kulpis, Collegium Grotianum, super Jure Belli ac Pacis (1682) [TMD II, num. 149]  ; Simon, Grotius erotematicus (1688) [TMD II, num. 161]  ; Struve, Grotius enucleatus (1660) [TMD II, num. 96]  ; Ziegler, Notae et Animadversiones subitariae in Hugonis Grotii de Jure Belli ac Pacis (1666) [TMD II, num. 109]. 13 Hedinger, vgl. Fn. 9  ; Felden, Annota in Hugonem Grotium (1653) [TMD II, num. 81]. 14 Boecler, In Hugonis Grotii Ius Belli et Pacis Commentario (1663) [TMD II, num. 104]  ; Ders., In Juris Belli et Pacis Lib. II. cap. priora VII. Commentario (1664) [TMD II, num. 104]  ; Osiander, Observationes in Libros Tres De Jure Belli et Pacis (1671) [TMD II, num. 122]. 15 Boecler, vgl. Fn. 14  ; Gronovius, Hugonis Grotii. De Iure Belli ac Pacis (1680) [TMD, num. 582]. 16 Boecler, vgl. Fn. 14  ; Scheffer, Grotius enucleatus (1693) [TMD II, num. 177]. 17 Ursprünglich mag es sogar Pufendorfs Absicht gewesen sein, mit De Iure Naturae et Gentium einen Kommentar zu De Iure Belli ac Pacis zu verfassen, zumindest die Elementa Iurisprudentiae Universalis [TMD II, num. 95] waren als solcher konzipiert, vgl. dazu Hochstrasser, Natural Law, S. 44 Fn. 13, S. 52 m. w. N.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Forschungsgeschichte 

| 21

Noch zu Grotius’ Lebzeiten erschien der erste Kommentar zur Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid.18 Diese Schrift war zwar erst sechs Jahre nach De Iure Belli ac Pacis veröffentlicht worden, gewann aber in der Rechtspraxis der Niederlande und der niederländischen Kolonien schnell an Bedeutung. Sowohl De  Iure Belli ac Pacis als auch die Inleidinge bildeten zudem jahr­ hundertelang den Gegenstand universitärer Prüfungen19 und Vorlesungen,20 von denen einige Manuskripte, Mitschriften und daraus hervorgegangene Kommentare erhalten sind.21 Die übrigen Werke, die hier untersucht werden, wurden hingegen zu Grotius’ Lebzeiten nicht veröffentlicht, sodass zeitgenössische Reaktionen ausblieben. Zwar wurde der für das Vertragsverständnis wichtige Brief vom 28.02.‌1616 in den Grotii Epistulae (1687) veröffentlicht, doch ist er wohl in der Vielzahl der enthaltenen Briefe untergegangen. Das Parallelon Rerumpublicarum, De Iure Praedae und die Theses LVI wurden jeweils erst im 19. Jahrhundert als Manuskripte wiederentdeckt. Während die beiden erstgenannten Traktate wenige Jahre später, durch Meerman22 18 Inleydinge Tot de Hollandtsche Regts-geleertheit, Beschreven by Hugo de Groot. […] mitsgaders enige by-voegsels ende aenmerkingen op de selfde, Door Mr. Simon van Groenewegen van der Made (1644) [TMD, num. 765]  ; deutlich später auch de Spreuk et al., Honderd rechtsgeleerde Observatien […] uyt De  Inleidinge tot de Hollandsche Rechtsgel. van wylen Mr. Hugo de Groot (1776)  ; van der Keessel, Theses selectae juris Hollandici et Zelandici, ad supplendam Hugonis Grotii Introductionem ad Jurisprudentiam Hollandicam (1800). 19 Vgl. etwa die 1649 in Straßburg abgelegte Prüfungsarbeit Heilbrunner, Exercitatio de natura virtutis [TMD  II, num.  65], welche Aristoteles gegen die Kritik in Grotius, IBP, prolegomena XLV–XLVII, verteidigt. 20 Vgl. zu Vorlesungen im 17. Jahrhundert im Detail TMD II, num. 193–209  ; zur frühen Rezeptions­ geschichte von De  Iure Belli ac Pacis E.  Müller, TR 77,3/4 (2009), S.  507–538, der bereits für die ersten Jahrzehnte nach Erscheinen der ersten Auflage entsprechende (inoffizielle) Vorlesungen unter anderem in Straßburg, Tübingen, Ingolstadt und insb. Uppsala vermutet  ; ferner auch Aure, War, S. 29–32, 65–166  ; Grunert, Reception, S. 90 f.; Wichert, Lohenstein, S. 56 f.; zur frühen ­Rezeptionsgeschichte der Inleidinge Druwé, Hollandic Jurisprudence, S.  427–429  ; Feenstra, pacta nuda, S. 133 Fn. 48, S. 139–144 m. w. N.; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 173–176. 21 Zu De  Iure Belli ac Pacis etwa Cocceji, Grotius Illustratus seu Commentarii ad Hugonis Grotii De Iure Belli ac Pacis (1744)  ; Heineccius, Praelectiones academicae in Hugo Grotii De jure belli et pacis (1744). Heineccius erwähnt ebd., ad prooemium II–III, noch weitere Kommentare von Wilhelm van der Meulen, Ulrich Obrecht, Johann Tesmarus und Valentinus Velthemius  ; zur Inleidinge etwa Scheltinga, dictata  ; Voet, Observationes ad Hugonis Grotii manudictionem. Vgl. ferner zu den Ausmaßen der Grotius-Literatur im 17.  Jahrhundert auch die entsprechende Bibliographie TMD II  ; sowie Reibstein, ZaöRV 15 (1953), S. 78 Fn. 7. 22 Meerman (Hrsg.), Hugonis Grotii, Batavi, Parallelon Rerumpublicarum liber tertius  : De  moribus ingenioque populorum Atheniensium, Romanorum, Batavorum, Haarlem 1801–1803 [TMD, num. 750].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

22 | 

Einführung und Problemstellung

bzw. Hamaker23 ediert, veröffentlicht wurden, blieben die Theses LVI der Fachwelt bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Borschberg24 gegen Ende des 20. Jahrhunderts unbekannt und warten weiterhin auf eine Veröffentlichung. Im 20. Jahrhundert erschlossen Kelsey25 mit seiner neuen englischen Übersetzung von De Iure Belli ac Pacis sowie Lee26 mit seiner kommentierten englischen Übersetzung der Inleidinge und seiner Monographie zum römisch-niederländischen Recht, aber auch Molhuysen mit dem Anstoß zur Briefwisseling van Hugo Grotius27 und Fockema Andreae28 mit seiner kommentierten Ausgabe der Inleidinge wichtige Quellen für eine breite Öffentlichkeit. Schließlich wurden durch die kritischen Editionen von De Iure Belli ac Pacis durch Molhuysen29, de Kanter-van Hetinga Tromp30 und deren Überarbeitung durch Feenstra und Persenaire31, aber auch durch kritische Editionen anderer (insbesondere theologischer) Werke32 sowie eine Edition der Inleidinge durch Dovring, Fischer und Meijers33, welche erstmals auch Grotius’ handschriftliche Anmerkungen aus dem in der Universitätsbibliothek Lund erhaltenen Exemplar aus seinem Nachlass enthält, neue Forschungsgrundlagen geschaffen. Die darin bereits angelegte Revolution der Quellenarbeit setzt sich im 21. Jahrhundert fort  : durch 23 Hamaker (Hrsg.), (ex auctoris codice descripsit et vulgavit) Hugonis Grotii De jure praedae commentarius, Den Haag 1868 [TMD, num. 684]. 24 Borschberg, ZRG (RA) 109 (1992), S. 452  ; Ders., Working Paper. 25 Kelsey (Hrsg.), De Jure Belli ac Pacis Libri Tres by Hugo Grotius, Bd. 2  : The Translation [TMD, num. 645]. 26 R. W. Lee (Hrsg.), Jurisprudence of Holland [TMD, num. 790]  ; Ders., Introduction. 27 Grotius, BW, I–XVII (1928–2001) [TMD, num. 1212]. 28 Fockema Andreae (Hrsg.), Inleidinge [TMD, num. 784]. 29 Molhuysen (Hrsg.), Hugonis Grotii. De  iure belli ac pacis libri tres, in quibus ius naturae et gentium, item iuris publici praecipua explicantur, cum annotatis auctoris, Leiden 1919 [TMD, num. 615]. 30 De  Kanter-van Hettinga Tromp (Hrsg.), Hugonis Grotii. De  Iure Belli ac Pacis libri tres, in quibus ius naturae et gentium, item iuris publici praecipua explicantur, Leiden 1939 [TMD, num. 617]. 31 Feenstra / Persenaire (Hrsg.), Hugo Grotius. De Iure Belli ac Pacis libri tres in quibus ius naturae et gentium item iuris publici praecipua explicantur, Aalen 1993. 32 Etwa van Dam (Hrsg.), Hugo Grotius. De imperio summarum potestatum circa sacra, Leiden 2001  ; Posthumus Meyjes (Hrsg.), Hugo Grotius. Meletius sive de iis quae inter Christianos conveniunt epistola, Leiden 1988  ; Rabbie (Hrsg.), Hugo Grotius. Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas (1613), Leiden 1995  ; Ders. (Hrsg.), Hugo Grotius. Defensio Fidei Catholicae de Satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem, Assen 1990. 33 Dovring / Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid door Hugo de Groot. Met de te Lund teruggevonden verbeteringen, aanvullingen en opmerkingen van den schrijver en met verwijzingen naar zijn andere geschriften, Leiden 1952 [TMD, num. 785].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Forschungsgeschichte 

| 23

die zunehmende Digitalisierung der Primärquellen,34 aber auch die E ­ dition des für diese Untersuchung bedeutenden Kapitels De  fide et perfidia aus dem ­Parallelon Rerumpublicarum durch Eyffinger35. Die Forschung zu Grotius’ Privatrechtslehre(n) hat vor allem seit der Mitte des 20. Jahrhunderts große Fortschritte gemacht. Im Gegensatz zu den eingangs beschriebenen älteren Kommentaren bemüht sich die moderne, überwiegend rechtshistorische Forschung weniger um eine Bewertung als um eine Einordnung von Grotius’ Gedanken, wenngleich Studien mit dogmatischem oder rechtsphilosophischem Einschlag weiterhin auch eine inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Insbesondere zur Versprechenslehre in De Iure Belli ac Pacis existieren mit den grundlegenden Arbeiten von Behrends,36 Hägerström,37 Olivecrona38 und vor allem Diesselhorst39 umfassende Untersuchungen. Diesselhorst und Behrends gelangen trotz einer nahezu identischen Beurteilung von Grotius’ einzelnen Argumenten zu konträren Schlussfolgerungen, indem sie verschiedene Aussagen unterschiedlich gewichten. Entsprechend wird auf ihre Deutungen im Rahmen der Untersuchung der jeweiligen Textpassagen einzugehen sein. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass sie die unterschiedliche Gewichtung letztlich ihrem Verständnis von Grotius’ »Gesamtkonzept« entnehmen. Diesselhorst führt Grotius’ Versprechenslehre auf den W i l l e n d e s Ve r s p r e c h e n d e n und mittelbar auf eine religiöse Grundlage zurück, welche er durch einen aufschlussreichen Vergleich mit den scholastischen und spätscholastischen Vorgängern zu belegen versucht. Dagegen sieht Behrends in Grotius’ Versprechenslehre eine Neukonstruktion auf Grundlage einer der Stoa entlehnten Betrachtung menschlicher S p r a c h ä u ß e r u n g e n . Zweifellos hatten beide Strömungen großen Einfluss auf Grotius. Diesselhorst und Behrends bleiben jedoch bei diesem Nachweis stehen und erklären das von ihnen favorisierte Verständnis jeweils ohne weitere Begründung zu dem prägenden Grundkonzept des Naturrechtsent-

34 Vgl. insofern die Hinweise im Quellenverzeichnis dieser Arbeit. 35 Eyffinger, Grotiana 36 (2015). 36 Behrends, Treu und Glauben. 37 Hägerström, bindende Kraft. 38 Olivecrona, concept of a right, S. 183–192  ; Ders., Law as Fact, S. 282–290  ; ferner Ders., ARSP 63,1 (1977), S. 89–93. 39 Diesselhorst, Grotius, der zudem in S. 45 f. Fn. 20 und S. 54 Fn. 44 bereits auf Parallelen in der Inleidinge und die regula III in De Iure Praedae verweist  ; diesem folgend auch Hölzel, Grundlagen, S. 121–126  ; Wieacker, contractus und obligatio, S. 228 f., 232 f., 236.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

24 | 

Einführung und Problemstellung

wurfs.40 Ohnehin erscheint es problematisch, die entsprechenden Textpassagen ausgehend von einem Gesamtkonzept zu deuten. Es handelt sich um die zentralen Aussagen der Versprechenslehre, sodass sich ein eventuelles Gesamtkonzept umgekehrt erst aus ihrer Deutung ergeben kann. Anders als Diesselhorst und Behrends legen Hägerström und Olivecrona den Fokus ihrer jeweiligen Untersuchung auf das Verhältnis zwischen Verbindlichkeit einerseits und Berechtigung des Versprechensempfängers andererseits. Hägerström sieht den Geltungsgrund des Versprechens im g e m e i n s a m e n W i l l e n b e i d e r ­P a r t e i e n 41 und mittelbar – ähnlich wie Diesselhorst – im göttlichen W ­ illen. Olivecrona führt die Bindungswirkung des Versprechens hingegen auf die Kombination der s e p a r a t e n W i l l e n b e i d e r P a r t e i e n zurück, bestreitet aber – vehementer als Behrends – jegliche Relevanz des göttlichen Willens. Benson42 und Onuma43 haben zudem das oft vernachlässigte Verhältnis der Versprechenslehre zu den übrigen vertragsrechtlichen Kapiteln in De Iure Belli ac Pacis untersucht. Augé44, Feenstra45 und Nanz46 haben die Versprechenslehre in De Iure Belli ac Pacis mit derjenigen der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid verglichen. Feenstra sind zudem mehrere Detailuntersuchungen zum Eigentumsund Vertragsverständnis in der Inleidinge zu verdanken.47 Daran anknüpfend hat Petronio48 die Versprechens-, vor allem aber die Vertragslehren in De Iure Belli ac Pacis und der Inleidinge verglichen und ihr Verhältnis zu Connan untersucht.

40 So schon für Diesselhorst  : Onuma, Agreement, S. 215 f.; vgl. auch konkret Behrends, Treu und Glauben, S.  969  : »War diese wissenschaftliche, analytisch-konstruktive Neugründung der Versprechenstreue aber geleistet, war eine zusätzliche Absicherung durch eine altchristliche Argumentation sowohl nützlich wie unschädlich und im Übrigen wohl auch aus äußeren und inneren Gründen für Grotius nicht zu übergehen.« und Diesselhorst, Grotius, S. 42  : »Grotius’ weitere Argumente schmücken oder vertiefen die vorhin umrissene Grundposition«. 41 So wohl auch Mayer-Maly, Bedeutung, S. 95, der jedoch darauf hinweist, dass Grotius »alsbald vom consentire des promissor zu seinem Versprechen« spreche. 42 Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 5–27. 43 Onuma, Agreement. 44 Augé, APD 13 (1968). 45 Feenstra, Inschuld. 46 Nanz, Vertragsbegriff, S. 139–149. 47 Etwa Feenstra, dominium  ; Ders., Eigentumsbegriff  ; Ders., L’Influence  ; Ders., pacta nuda. 48 Petronio, Sinallagma, S. 240–247.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Forschungsgeschichte 

| 25

Währenddessen haben Tuck49, Tierney50 sowie insbesondere Haggenmacher51 und Olivecrona52 Grotius’ Verständnis des subjektiven Rechts in De Iure Belli ac Pacis, der Inleidinge und in De Iure Praedae analysiert und damit wichtige Grundlagen für eine Untersuchung des jeweiligen ­Vertragsverständnisses, insbesondere für den Aspekt der Rechtsübertragung, geschaffen. Vor allem Tuck assoziiert die Rechtsübertragung dabei, jedenfalls in De Iure Praedae, vollkommen mit dem Prinzip austauschender und in späteren Werken ausgleichender Gerechtigkeit. Zuletzt hat Olsthoorn den Diskurs zum subjektiven Recht durch eine komplementäre Untersuchung des Verbindlichkeits- bzw. Pflichtbegriffes in De Iure Belli ac Pacis bereichert.53 Dabei unterstreicht er, dass Grotius neben Pflichten mit korrespondierendem subjektiven Recht (d. h. Verbindlichkeiten) und Pflichten ohne entsprechendes Recht auch rein supererogatorische Handlungen kennt. Fikentscher54 hat mit seiner Untersuchung zum Kapitel De fide et perfidia im Parallelon Rerumpublicarum den Ausgangspunkt für spätere werkübergreifende Untersuchungen zu Grotius’ fides-Verständnis durch Behrends55, Besselink56 und in jüngerer Zeit insbesondere Eyffinger57 und Blom58 gesetzt. In erster Linie beschreibt fides demnach die moralische Pflicht zu einer gewissen Beständigkeit des Willens. Für Fikentscher und Behrends folgt diese (in Anlehnung an die christliche Glaubenstreue) aus der Glaubens- und Versprechensfähigkeit des Einzelnen. Demgegenüber leitet Eyffinger die Pflicht aus dem Verbot, anderen zu schaden, ab, während Blom sie vor dem Hintergrund der Willensfreiheit als zur Definition der eigenen Persönlichkeit erforderliche Pflicht gegenüber sich selbst versteht. Behrends, Eyffinger und Blom sehen zudem neben dieser 49 Tuck, Grotiana 4 (1983)  ; Ders., Natural Rights, S. 58–81  ; ferner auch Ders., Philosophy, S. 155– 201, insb. S. 172–178, 188. 50 Tierney, Liberty, S. 215–247  ; Ders., Natural Rights, S. 316–342  ; ferner auch Ders., Dominion  ; Ders., Historical Roots. 51 Haggenmacher, Droits subjectifs  ; Ders., Grotius. 52 Olivecrona, ARSP 63,1 (1977)  ; Ders., concept of a right  ; Ders., Law as Fact, S. 142–146, 275– 296. 53 Olsthoorn, JHP 57,3 (2019)  ; zuvor im Ansatz bereits Schaffner, Jurisprudence 7,3 (2016)  ; Tierney, Liberty, S. 215–247. 54 Fikentscher, De fide et perfidia. 55 Behrends, Treu und Glauben. 56 Besselink, Keeping Faith, S. 6–32, 199. 57 Eyffinger, Grotiana 2 (1981)  ; Ders., Grotiana 36 (2015)  ; Ders., Parallelon. 58 Blom, Grotius on Trust  ; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015)  ; Ders., Meaning of Trust  ; ferner Ders., Religion, S. 97 f.; Ders., Socinianism, S. 129–131, 143.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

26 | 

Einführung und Problemstellung

inneren (oder individualethischen) noch eine äußere (oder sozialethische) Komponente in Grotius’ fides-Verständnis  : Im Verhältnis zu anderen beschreibt fides auch die Vertrauenswürdigkeit der Person oder des Volkes, welche zugleich eine vorrechtliche Bedingung von Verträgen oder noch grundsätzlicher jeder gerechten Gesellschaft darstellt.59 Diese äußere Komponente stellt für Eyffinger und Blom eine Folge der inneren dar, während Behrends sie auf eine begriffliche Vermengung der individualethischen fides und der sozialethischen bona fides zurückführt. Dominierend in den Vordergrund tritt diese äußere Komponente bei Besselink, der als wesentliches Merkmal der fides insbesondere ihre »soziale Struktur« bzw. strukturelle Wechselseitigkeit ausmacht. In jüngerer Vergangenheit hat Straumann60 den Einfluss des römischen Rechts, auf den bereits Scattola hingewiesen hatte,61 aber auch der römischen Philosophie und insbesondere der römischen Rhetorik auf verschiedene Werke Grotius’ herausgearbeitet. Ebenso wie Borschberg bezieht er auch die bisher unveröffentlichten Theses LVI ein, wobei er nicht auf sämtliche Passagen eingeht, die für das Vertragsverständnis relevant sind. Ähnlich wie Tuck scheint auch er den Gedanken einer in einem Vertragsschluss liegenden Übertragung eines subjektiven Rechts weitgehend mit der ausgleichenden Gerechtigkeit zu assoziieren. Diese Forschungslinien –  zum Versprechen oder Vertrag allgemein, zur Austausch­gerechtigkeit, zum subjektiven Recht und zum Gedanken der fides  – sind bisher weitgehend unabhängig voneinander verfolgt worden. Insbesondere das Verhältnis dieser Konzepte in Grotius’ Privatrechtslehre bleibt weiterhin unklar. Dies gilt umso mehr, da sich das Verhältnis dieser Konzepte je nach Werk deutlich zu unterscheiden scheint. Dasselbe gilt auch für den Einfluss anderer Autoren auf Grotius. Häufig wurde in der Sekundärliteratur der Einfluss eines einzelnen Autors –  wie Aristoteles, Cicero, Connan, Ramus, Vázquez, Molina oder Lessius – oder einer Schule – wie der Stoa, der Spätscholastik oder des Humanismus  – herausgearbeitet. Meist wurde jedoch auf eine Gegenüberstellung der Resultate mit anderen Einflüssen ebenso verzichtet62 wie auf eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Werke Grotius’. 59 Ähnlich auch Schröder, Trust, der die Rolle der fides allerdings allein für das Verhältnis zwischen Staaten, nicht aber zwischen Individuen untersucht. 60 Straumann, Grotiana 26–28 (2005–2007)  ; Ders., Grotiana 38 (2017)  ; Ders., Grotius  ; Ders., LHR 27,1 (2009)  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006)  ; Ders., Roman Law  ; diesem folgend auch D. Lee, JHI 72,3 (2011). 61 Scattola, Naturrecht, insb. S. 206–217  ; ferner auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 291. 62 So zu Recht Straumann, Grotius, S. 5–8  ; Wolf, Rechtsdenker, S. 261, wobei Straumann selbst

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Untersuchungsgegenstand und -methode 

| 27

Im Jahr 2019 hat Ramelet einen wichtigen ersten Schritt zu einer Zusammenführung dieser Forschungslinien unternommen, indem sie Grotius’ ­Verständnis vertraglicher Verbindlichkeit werkübergreifend insbesondere unter den Aspekten der Treue zum gegebenen Wort und der Rechtsübertragung untersucht.63 Hieran möchte die vorliegende Untersuchung anknüpfen.

III. Untersuchungsgegenstand und -methode Diese Arbeit soll werkübergreifend untersuchen, wie und mit welchen Argumen­ tationstopoi und -strukturen Grotius die Geltung vertraglicher ­Verbindlichkeit begründet. Vor diesem Hintergrund sollen zugleich die zuvor skizzierten Forschungs­linien zusammengeführt werden. Den einzelnen Werken ist jeweils ein Kapitel dieser Untersuchung gewidmet (Drittes bis Achtes Kapitel). Zuvor sollen einleitend einige der vor Grotius vorherrschenden Vertragslehren (Erstes Kapitel) sowie seine Biographie und sein Wirken (Zweites Kapitel) skizziert werden. Dies soll einerseits eine historische Kontextualisierung seiner Aussagen mit Rücksicht auf den von ihm vorgefundenen Diskurs und andererseits eine biographische Kontextualisierung der einzelnen Werke ermöglichen. Die Auswahl der dargestellten Vertragslehren richtet sich nicht nur nach ihrer jeweiligen zeitgenössischen Bedeutung, sondern insbesondere danach, auf welche Werke Grotius selbst (nicht nur kurzfristig) unmittelbaren Zugriff hatte. Im Gegensatz zu dem hier verfolgten Ansatz hat sich die bisherige Forschung zum grotianischen Vertragsrecht und den dahinterstehenden Prinzipien meist auf einzelne Werke beschränkt. Zwar werden zunehmend einzelne Werke verglichen, doch fehlt eine umfassende Studie zu sämtlichen relevanten Werken. Dabei wurden regelmäßig die Gemeinsamkeiten zwischen De  Iure Belli ac Pacis und einem oder, in seltenen Fällen, mehreren der früheren Werke betont. Ein Vergleich zwischen den früheren Werken fehlt ebenso wie eine Berücksichtigung des zentralen Briefes vom 28.02.‌1616, der die Frage der Vertragsgeltung unter Berücksichtigung des römischen und des gemeinen Rechts erörtert. Ein allein auf antike Einflüsse fokussiert ist. Eine gewisse Gegenüberstellung findet sich zuletzt aber in den jeweils unterschiedlichen Einflüssen und Rezeptionen gewidmeten einzelnen Beiträgen in Grotiana 41,1 (2020) und der einleitenden Kontextualisierung durch Decock, Grotiana 41,1 (2020). 63 Ramelet, Grotiana 40 (2019).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

28 | 

Einführung und Problemstellung

Vergleich früherer Werke untereinander kann zudem dafür sensibilisieren, dass die in De Iure Belli ac Pacis zusammengeführten Argumente zum Teil in gänzlich anderen Kontexten entwickelt wurden. Grotius’ Werke und insbesondere seine etwa 7.800 Briefe umfassende Korres­ pondenz sind zu umfangreich für eine vollständige Auswertung. Auch für die vorliegende Untersuchung war eine Auswahl zu treffen, wenngleich diese extensiver als in der bisherigen Literatur ausfallen soll. Um den Untersuchungsumfang dennoch sachgerecht zu beschränken, ist zudem eine Konkretisierung der Frage­ stellung geboten  : Es soll nicht das gesamte Vertragsrecht, sondern lediglich die Begründung vertraglicher Primärleistungspflichten untersucht werden. Der Anspruch des Gläubigers auf und die Pflicht des Schuldners zur Erbringung der vertraglich ­vereinbarten Leistung stellen gewissermaßen den Kern des Vertragsrechts, den Anknüpfungspunkt aller weiteren vertragsrechtlichen Fragestellungen dar. Hinzu kommt, dass die Begründung (und Rechtfertigung) von Verbindlichkeit zumindest in Grotius’ Hauptwerk De  Iure Belli ac Pacis eine zentrale Stellung einnimmt, sowohl für die vertragliche Verbindlichkeit als auch für die Verbindlichkeit jeglichen Rechts schlechthin.64 Entsprechend werden die zuvor aufgezeigten Forschungslinien nur insoweit aufgegriffen, als dies Erkenntnisse hinsichtlich des Geltungsgrundes vertrag­ licher Verbindlichkeit erwarten lässt. So ist etwa Grotius’ Konzept des subjektiven Rechts von entscheidender Bedeutung für die Frage der Durchsetzbarkeit vertraglicher Verbindlichkeit. Anders als in der überwiegenden Literatur zu diesem Thema soll das Konzept des subjektiven Rechts allein im vertraglichen Kontext und nicht mit Blick auf das Eigentum oder andere dingliche Rechte untersucht werden. Wenngleich Grotius in mehreren Werken eine Analogie zwischen diesen bildet, ist eine nähere Untersuchung der dinglichen Rechte, ihrer Herleitung und Ausdifferenzierung nicht erforderlich, da diese Analogie stets an ein noch nicht weiter erläutertes, grundsätzliches dominium anknüpft, b e v o r Grotius dieses im weiteren Verlauf des jeweiligen Werkes ausdifferenziert. In gleicher Weise kann eine nähere Untersuchung der fides im Kriegszustand (sowohl gegenüber Verbündeten als auch Feinden) ausbleiben, soweit diese Treuepflichten an die Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht – und nicht an einen einzelnen Vertrag – anknüpfen oder lediglich Besonderheiten für den Kriegszustand regeln.65 64 Vgl. S. 282–285. 65 Die Erkenntnisse zum Parallelon Rerumpublicarum und nicht zuletzt die unterschiedliche Bedeutung der fides im zweiten und dritten Buch von De Iure Belli ac Pacis legen zumindest nahe, dass

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Untersuchungsgegenstand und -methode 

| 29

Diese inhaltliche Fokussierung auf den Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit ermöglicht es, neben den drei umfangreichsten und wohl auch bekanntesten juristischen Werken De  Iure Praedae, der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid und De Iure Belli ac Pacis auch drei weniger bekannte Werke zu betrachten, welche ebenfalls grundlegende – wenn auch nicht abschließende – Erörterungen zu Fragen des Vertragsrechts enthalten  : das Parallelon Rerum­ publicarum, die Theses LVI und den bereits erwähnten Brief vom 28.02.‌1616. Den Ausgangspunkt des mit dieser Untersuchung nachzuverfolgenden Gedanken­ ganges bildet das Frühwerk Parallelon Rerumpublicarum. Dieses von Grotius unmittelbar nach seinem Studium und noch vor Aufnahme seiner Anwalts­tätigkeit verfasste Werk enthält die früheste Auseinandersetzung mit vertrags­theoretischen Fragen. Von den späteren Werken unterscheidet es sich insbesondere durch die ausschließlich moralphilosophische Perspektive  : Den Fokus der Erörterung bilden nicht etwa Ansprüche, Forderungen oder Rechte, sondern vielmehr die Bewertung von Handlungen und des Charakters einzelner Personen und ganzer Völker. Bei den Theses LVI handelt es sich um eine Aneinanderreihung kurzer Thesen, welche jeweils auf den vorangegangenen aufbauen und von abstrakten Über­ legungen zu Rechtspositionen über einzelne privatrechtliche Rechtsverhältnisse bis zum staatsrechtlichen Widerstandsrecht und zum Tyrannenmord führen. Sie sind in einem sehr frühen Bearbeitungsstadium verblieben und ermöglichen daher einzigartige Einblicke in Grotius’ methodisches Vorgehen. Zugleich sind sie inhaltlich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, da sie einerseits einen ­entscheidenden Schritt in der Entwicklung zum subjektiven Recht darstellen und andererseits die Legitimation hoheitlicher Gewalt ausdrücklich aus einem Gesellschaftsvertrag konstruieren. Damit kann Grotius die verbindliche Wirkung sämtlichen positiven Rechts mittelbar aus der verbindlichen Wirkung von Verträgen ableiten. die fides im Kriegszustand ein Aspekt des generellen Arglistverbots darstellen dürfte, welche gerade nicht mit der vertraglichen fides als potenziellem Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit identisch ist. Zwar erörtert Grotius in De Iure Belli ac Pacis in den Kapiteln 19–24 des dritten Buches konkret die Wirksamkeit von Versprechen im Krieg, doch sind dies lediglich Spezialregelungen gegenüber den allgemeinen Regeln im zweiten Buch. Jedenfalls handelt es sich mit Rücksicht auf Grotius’ wiederkehrende Analogie zwischen kriegerischer Selbsthilfe und einem Gerichtsverfahren, vgl. etwa Fn. 393 und Fn. 1182, bei den Ausführungen zum ius in bello (und ius post bellum) einschließlich der fides im Kriegszustand – im Gegensatz zum ius ad bellum einschließlich des Vertragsrechts – nicht um materielles, sondern gewissermaßen um Prozessrecht. Zur fides im Kriegszustand vgl. Neff, Armed Conflict, S. 466 f., 470 f.; Onuma, Agreement, S. 203–205  ; Schröder, Trust  ; Somos, Virtue, S. 94 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

30 | 

Einführung und Problemstellung

Der Brief an seinen Bruder Wilhelm vom 28.02.‌1616 über eine von diesem im Rahmen seines Studiums anzufertigende Übungsarbeit über Verbalobligationen zeigt, wie gezielt Grotius die Auswahl seiner Argumente an den Adressatenkreis (und die politischen Umstände) anpasst, und verrät viel über seine Methode. Zugleich äußert sich Grotius hier umfangreich zu juristischen Fragen, die er in den anderen Werken deutlich kürzer behandelt oder lediglich andeutet. Darüber hinaus sollen vereinzelt auch andere Werke herangezogen werden, insbesondere jene Passagen, die Rückschlüsse auf eines der sechs zuvor genannten Werke ermöglichen. Zu diesen Werken gehören neben weiteren Briefen vor allem theologische Schriften wie Meletius sive de iis quae inter Christianos conveniunt epistola, Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas, De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra und Defensio Fidei Catholicae de Satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem sowie die Bibelkommentare Annotata ad Vetus Testamentum und Annotationes in Novum Testamentum, aber auch das aus dem zwölften Kapitel von De Iure Praedae hervorgegangene Mare Liberum sive de iure quod Batavis competit ad Indicana Commercia sowie die Verteidigungsschrift Defensio capitis quinti Maris Liberi oppugnati a Guilielmo Welwodo und der Kommentar zum Corpus Iuris Civilis  : Florum sparsio ad ius Iustinianeum. Speziell für letzteren mag eine umfassende Auswertung auf den ersten Blick naheliegen, doch wurde davon aus drei Gründen abgesehen  : Einerseits wurde der Text kaum rezipiert, andererseits kommt ein Einfluss auf die übrigen Werke aufgrund des späten Entstehungszeitraumes kaum in Betracht66. Vor allem aber verfolgt Grotius in dem Kommentar zum Corpus Iuris Civilis weniger das Ziel, ein in sich geschlossenes Vertragsrecht zu entwickeln, als vielmehr eine humanistische Untersuchung des historischen römischen Rechts zu verfassen.67 Neben dem Umfang von Grotius’ Schriften liegt eine weitere Herausforderung für diese Untersuchung in den terminologischen und konzeptionellen Unterschieden zwischen den einzelnen Werken.68 Es genügt nicht, die jeweils unmit66 Sämtliche der untersuchten Werke entstanden mindestens 15 Jahre vor der Corpus Iuris Civilis-Kommentierung. Lediglich die überarbeiteten Ausgaben von De  Iure Belli ac Pacis von 1642 und 1646 mögen durch diese beeinflusst sein. Florum sparsio ad ius Iustinianeum wird daher insoweit herangezogen, als daraus möglicherweise Erkenntnisse für das Verständnis von De Iure Belli ac Pacis gewonnen werden können. 67 Ähnlich bereits Ahsmann, Jurist, S.  47  ; Wijffels, Influences, S.  401  ; Winkel, Rights, S.  271. Augé, APD 13 (1968), S. 102, charakterisiert die Corpus Iuris Civilis-Kommentierung vor dem Hintergrund einer Untersuchung zu Grotius’ Vertragsverständnis zutreffend als »un exercice assez sec de glose humaniste«. 68 Vgl. dazu auch S. 34–40.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Untersuchungsgegenstand und -methode 

| 31

telbar einschlägigen Passagen zum Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit zu analysieren. Daneben gilt es auch jenen Konzepten nachzuspüren, die Grotius in anderen Werken in diesem Kontext heranzieht. Hierzu zählen insbesondere iustitia compensatrix, iustitia expletrix, onevenheid, fides, trouw-schuld und die Analogie zwischen dominium und libertas. Auf diese Weise soll ein vollständigeres Bild der einzelnen Vertragslehren und der konkreten Abweichungen zwischen diesen erlangt werden. Schließlich sollen Grotius’ Ausführungen über seine Methode stärker berücksichtigt werden, als dies bisher in der Literatur geschehen ist69. Häufig werden diese unter Verweis auf ihre (vermeintlich) inkonsequente Umsetzung schnell verworfen.70 Es erscheint jedoch übereilt, Grotius’ methodische Ausführungen lediglich deshalb zu ignorieren, weil ihm möglicherweise deren praktische Umsetzung nicht immer gelungen sein mag. Selbst wenn er sich stellenweise sogar bewusst darüber hinwegsetzen sollte, folgt daraus nicht zwingend, dass er ihnen auch im Übrigen keine Bedeutung zumessen würde. Als Anwalt, Spitzenbeamter und Diplomat dürfte es für Grotius eine Selbstverständlichkeit gewesen sein, dass die Überzeugungskraft eines Arguments in der Praxis je nach Kontext und Adressatenkreis unterschiedlich ausfällt. Es ist somit zumindest denkbar, dass e i n z e l n e Argumente nicht von seinen methodischen Erwägungen, sondern der erwarteten Wirkung auf seine Adressaten getragen sind.71

69 Ernst nehmen diese lediglich van Eikema Hommes, NILR 31,1 (1984), insb. S.  104  f.; Hoffmann-Loerzer, ARSP 63,3 (1977), S. 392–396  ; Ders., Grotius, S. 94 f., 103–107, 152  ; van Spyk, Vertragstheorie, S.  82–86  ; Straumann, Grotiana 38 (2017), S.  213  ; Ders., Grotius, S.  28–32, 110–127, 198  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 334–336  ; Ders., Roman Law, S. 51–55, 66– 82, 225  ; Tanaka, Grotius’s Method. Überwiegend gilt das Interesse dabei De  Iure Belli ac Pacis, Hoffmann-Loerzer und Tanaka beachten auch dort allein die Prolegomena. Rückschlüsse auf Grotius’ Vertrags- bzw. Versprechenslehre ziehen nur Straumann und van Spyk. 70 Vgl. etwa Grunert, Normbegründung, S.  67–69  ; H.  Hofmann, Grotius, S.  69 Fn.  64, S.  72  ; Röd, Geometrischer Geist, S. 71  ; Schnepf, ZNR 20 (1998), S. 7  ; Vermeulen, NILR 30,3 (1983), S. 377 f., 382  ; Vermeulen / van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 74 f.; ferner Ottenwälder, Grotius, S.  3  f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  270  ; sowie weitere Beispiele bei Hölzel, Grundlagen, S. 11  ; ferner (für De Iure Belli ac Pacis, nicht aber De Iure Praedae) auch Dufour, Grotiana 1 (1980), S. 43 f. 71 Ähnlich auch Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 153  ; Ders., Secularisation, S. 393  ; Tuck, Grotiana 4 (1983), S. 50. Vgl. auch Grotius, ML, Ad Principes, fol. 5r [S. 16]  : In hac disceptatione ipsis qui inter Hispanos praecipui sunt divini atque humani iuris magistri calculum porrigimus, ipsius denique Hispaniae proprias leges imploramus. Die Frage der Bedeutung des Adressatenkreises werfen zuletzt auch van Ittersum, Stoa, insb. S. 93–96  ; sowie Straumann, Grotiana 38 (2017), S. 227 f., auf.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

32 | 

Einführung und Problemstellung

Dies gilt umso mehr, soweit Grotius eine Position zunächst in Einklang mit seinen methodischen Ausführungen entwickelt und ein vermeintlich inkonsequentes Argument lediglich zur Bestärkung daran anschließt. Wo dies der Fall ist, können Grotius’ methodische Überlegungen entscheidend dazu beitragen, einen eventuellen Widerspruch zwischen den einzelnen Argumenten aufzulösen. Demgegenüber gilt es zu vermeiden, mögliche Widersprüche durch eine unvollständige Wiedergabe des Primärtextes zu übergehen. Die bisherige Literatur beginnt häufig mit einer Bewertung unterschiedlicher Argumente und trifft danach die Auswahl der behandelten Passagen. Dabei ist es nebensächlich, ob ein zur Bewertung herangezogener Maßstab aus einem anderen Werk von Grotius oder aus einem Vergleich mit seinen Gewährsleuten gewonnen wird. Um zu vermeiden, ein externes Konzept an die Quellen heranzutragen und dieses durch eine gewichtete Quellenauswahl bestätigt zu sehen,72 sollen die für den Geltungsgrund möglicherweise relevanten Passagen vollständig wiedergegeben werden. Sofern diese zur besseren Darstellung in einzelne Sinnabschnitte gegliedert werden, sollen diese grundsätzlich73 in ihrer tatsächlichen Reihenfolge und ohne Auslassung untersucht werden.74 Erst anschließend sollen zunächst widersprüchlich erscheinende Passagen unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen in anderen Werken und der methodischen Erläuterungen auf ihre Vereinbarkeit hin untersucht werden. Neben Grotius’ Ausführungen wird im Einzelnen auch auf die von ihm angeführten Quellen einzugehen sein. Dabei soll keine inhaltliche Stellungnahme zu den Quellen oder Konzepten in ihrem Originalkontext erarbeitet, sondern vielmehr ihr Verständnis durch Grotius herausgearbeitet werden, um Rückschlüsse auf jene Ausführungen ziehen zu können, in deren Kontext er diese Belege oder Konzepte bemüht.75 Durch die beschriebene Vorgehensweise soll vermieden werden, stillschweigende oder nicht hinreichend begründete Annahmen der bisherigen Forschung zu übernehmen. Ähnliches beschäftigte 1707 schon den Übersetzer Philipp Bal­ thasar Sinold von Schütz, der sein Vorgehen in der Vorrede der ersten deutsch72 Vgl. zu den Gefahren auch grundsätzlich Skinner, Hist. Theory 8,1 (1969), S. 6–12, 17–19, 27 f. 73 Zu den beiden einzigen Ausnahmen vgl. S. 102 f., 269. 74 Der Ansatz unterscheidet sich diametral von Diesselhorst, Grotius, insb. S. 36 f. Fn. 2, der Grotius’ einzelne Argumente bewusst »entsprechend ihrem sachlichen Range für seine Auffassung« und gerade nicht anhand ihrer originären Reihenfolge untersuchen will. 75 Dies gilt nicht für die einleitende Darstellung früherer Vertragsverständnisse (S. 41–65). Zweck dieses Kapitels ist es nicht primär, Rückschlüsse auf Grotius’ Vertragslehren zu ermöglichen, sondern deren Eigenheiten durch eine historische Kontextualisierung herauszuarbeiten.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Untersuchungsgegenstand und -methode 

| 33

sprachigen Übersetzung von De  Iure Belli ac Pacis folgendermaßen erläuterte  : »Dargegen seynd die Anmerckungen derer vielen Ausleger gänzlich ausgelassen worden […] weil dieselben, meines Erachtens, offtermahls fähiger seynd, die Meynung dieses hochberühmten Mannes zu verdunckeln, als selbige zuerklären«.76 Schütz geht zu weit, wenn er die Sekundärliteratur vollkommen ignoriert, denn diese kann wichtige Hinweise liefern. Vor allem die frühe Sekundärliteratur ist eine wertvolle Hilfe bei der Deutung von Grotius’ Werken, weil sie Einblicke in das zeitgenössische Verständnis der unmittelbaren Adressaten und Teilnehmer desselben bzw. derselben Diskurse gewährt.77 Ähnlich wie die von Grotius bemühten Quellen und sein Umgang mit ihnen, können diese frühen Kommentare zu einem besseren Verständnis der »­ Sprache«78 beitragen, der sich Grotius bedient. Vollkommen zu Recht postuliert Decock  : »Only if we take this dialogue with the legal and theological traditions seriously, can we truly understand the direction his arguments take«79. Allerdings ist hierbei eine gewisse Vorsicht geboten, da sich Grotius an verschiedenen Diskursen (gemeinrechtlicher, humanistischer, philosophischer, politischer und theologischer Art) beteiligt und seine »Sprache« sich je nach Kontext deutlich unterscheiden kann. Entscheidend ist aber, und insofern ist Schütz zuzustimmen, dass die Untersuchung stets vom Primärtext ausgehen muss und die Erkenntnisse der Literatur jeweils einer kritischen Überprüfung bedürfen. Statt eine besondere Weltanschauung, den überragenden Einfluss eines einzelnen Autors oder die Ursprünge moderner Ansichten in Grotius’ Vertragslehren wiederzufinden,80 soll 76 Schütz (Hrsg.), Hugonis Grotii – Drey Bücher vom Rechte des Krieges und des Friedens, S. 47. In Anbetracht des Zeitpunktes der Veröffentlichung bezieht sich diese Kritik wohl auf die in Fn. 12–16 genannten Kommentare, deren Autoren zumindest teilweise noch zum intendierten Adressatenkreis von De Iure Belli ac Pacis gehört haben dürften. 77 Vgl. zu den Schwierigkeiten einer Abgrenzung von »Zeitgenossen« aber Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 398 f. 78 »Sprache« meint hier insbesondere die sprachlichen Besonderheiten einzelner thematisch und unter Umständen auch persönlich begrenzter Diskurse oder Traditionen. Vgl. dazu insbesondere Pocock, MLN 96,5 (1981), S. 963 f., 969 f.; Ders., Texts, S. 27 f.; Ders., concept, insb. S. 20–26, 37  ; ferner auch Dilthey, Lebensäußerungen, S. 219  : »die grammatische und historische Vorarbeit […], welche […] dazu dient, dem Vergangenen, dem räumlich Fernen oder sprachlich Fremden gegenüber den auf das Verstehen eines fixiert Vorliegenden ›Gerichteten‹ in die Lage eines Lesers aus der Zeit und der Umgebung des Autors zu versetzen«. 79 Decock, Grotiana 41,1 (2020), S. 4  ; ähnlich bereits Wehberg, Natur- und Völkerrecht, S. 227, der fordert, Grotius müsse »im Lichte der Veröffentlichungen […] seiner Vorgänger und Nachfolger verstanden werden«. 80 Zu Recht bemerkt Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 127, mit Blick auf einen großen Teil der Sekundärliteratur  : »It seems that Grotius suffers from the curse of

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

34 | 

Einführung und Problemstellung

diese ­Untersuchung den Versuch unternehmen, den Gedankengang des Autors »nachzudenken«81.82

IV. Begriffsklärung Viele der für diese Untersuchung bedeutsamen Begriffe entwickeln sich erst in dem untersuchten Zeitraum. Der jeweils dahinterstehende Gedanke tritt zwar zunehmend klarer hervor, doch hat sich für diesen häufig noch kein einheitlicher Ausdruck etabliert. Es kommt nicht selten vor, dass Grotius – teils in demselben Werk, regelmäßig aber werkübergreifend – unterschiedliche Ausdrücke für denselben Gedanken verwendet. Die zweisprachige Primärliteratur und die vielsprachige und fachübergreifende Sekundärliteratur verstärken diese terminologischen Schwierigkeiten noch. Zweifellos würde es den Quellen am ehesten gerecht, weitgehend auf eine Übersetzung zu verzichten,83 doch wäre dies nicht nur der Lesbarkeit, sondern auch der Verständlichkeit abträglich.84 Jedenfalls werkimmanent soll eine einheitliche Terminologie verwendet werden. Im Einzelfall führt dies dazu, dass derselbe Ausdruck in unterschiedlichen Kapiteln dieser Untersuchung, d.  h. im Kontext unterschiedlicher Werke, mit (graduell) unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird, die dann jeweils näher analysiert werden soll. Demgegenüber existieren auch einzelne Ausdrücke, die von Grotius mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden. Dies lässt sich nicht immer neutral abbilden, sodass diese teils je nach Kontext unterschiedlich übersetzt werden.

being read not in view of the issues he had faced and the goals he wanted to achieve, but taking into account his readers’ own bias«. 81 So bereits Coing, ZRG (RA) 70 (1953), S. 348  ; Seelmann, Vazquez, S. 18  ; ähnlich, konkret zu Grotius, auch Haggenmacher, Grotius, S. 8. 82 Zu der zugrunde liegenden hermeneutischen Erkenntnistheorie vgl. Betti, Auslegungslehre, S.  179–187, 200–216, 305–319, insb. S.  184, 206  f., 306  f.; Dilthey, Lebensäußerungen, S.  214, 216–220  ; Gadamer, Wahrheit und Methode, insb. S.  281–290, 296–305, 316, 331–334  ; ferner aber auch Pocock, MLN 96,5 (1981), S. 959, 974–977  ; Skinner, Hist. Theory 8,1 (1969), insb. S. 48–50. 83 Für anschauliche Beispiele übersetzungsbedingter Missverständnisse vgl. Fn. 1200 sowie im Text bei Fn. 1330. 84 Vgl. insofern zur Notwendigkeit der interpretierenden Darstellung auch Betti, Auslegungslehre, S. 508 f., 512 f., 521  ; Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 387–391, 400–403, 406.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Begriffsklärung 

| 35

Schließlich mögen sich an mancher Stelle zur Klarstellung moderne Begriffe aufdrängen, die Grotius nur im Ansatz bekannt oder vollkommen fremd gewesen sind. Auf die Verwendung derartiger Anachronismen soll weitgehend verzichtet werden. Auch in Anbetracht des interdisziplinären Untersuchungsfeldes werden sie jedoch im Einzelfall –  unter ausdrücklicher Offenlegung des Ana­ chronismus – zur besseren Verständlichkeit herangezogen.85 Wenngleich die Tiefen (und Untiefen) der von Grotius verwendeten Begrifflichkeit hier allenfalls angedeutet werden können, seien im Folgenden einige besonders grundlegende Begriffe und die damit verbundenen Probleme skizziert  : 1. Naturrecht, Vernunftrecht und göttliches Recht Gegenstand dieser Untersuchung ist fast ausschließlich Grotius’ Naturrecht, da er gerade dort seine eigene Vertragslehre konstruiert, während er für das römische und gemeine Recht lediglich die bereits bestehenden Lehren darstellt und erläutert. In den antiken Quellen wird das Naturrecht –  gerade bei den von Grotius meistzitierten Autoren – regelmäßig synonym mit einer natürlichen, d. h. vom konkreten Gemeinwesen unabhängigen idealen Ordnung ethischer oder recht­ licher Normen verstanden.86 Diese wird häufig dem positiven Recht gegenübergestellt, auch wenn sie letzteres beeinflusst habe. In der mittelalterlichen und spätscholastischen Moraltheologie wird das Natur­recht als göttliches, vor dem Gewissen und dem Beichtgericht verbind­ liches Recht verstanden, das zum Wohl des Seelenheils teils auch von der Kirche erzwungen werden kann.87

85 Es soll keinesfalls »durch die unreflektierte Anwendung anachronistischer Begriffe und Institutionenmodelle die Moral [des] Auftrags zum autonomen Verstehen vergangenen Rechts [verraten]« oder »die Historie zur Magd der Dogmatik [degradiert]« werden, so jeweils Wieacker, Hermeneutik, S. 93, sondern in vollem Bewusstsein der damit verbundenen Gefahren lediglich im Einzelfall reflektiert und transparent darauf Bezug genommen werden. Vgl. dazu ferner Betti, Auslegungslehre, S. 625  ; Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 400 f.; Skinner, Hist. Theory 8,1 (1969), S. 7–15. 86 Vgl. Hägerström, bindende Kraft, S. 42 f.; Levy, Natural Law, S. 1–6  ; Pollock, JSCL 2,3 (1900), S. 418–421  ; Scattola, Naturrecht, S. 9–28  ; ferner zu dem facettenreichen Naturrechtsverständnis klassischer und nachklassischer Juristen Levy, Natural Law, S. 6–21  ; Waldstein, ZRG (RA) 111 (1994). 87 Vgl. Decock, Contract Law, S.  83, 143  f.; Pollock, JSCL 2,3 (1900), S.  423–426  ; Scattola, Naturrecht, S. 29–33.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

36 | 

Einführung und Problemstellung

Demgegenüber versteht Grotius unter dem Naturrecht ein u n m i t t e l b a r v e r b i n d l i c h e s R e c h t , welches innerhalb eines Gemeinwesens jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch positives Recht modifiziert werden kann.88 Damit ist es auch innerhalb eines Staates subsidiär anwendbar. Vor allem aber bildet es jenseits etablierter Gemeinwesen eine unmittelbar anwendbare Rechtsordnung. Hinsichtlich der Rechtsquelle(n) des Naturrechts verändert sich Grotius’ Ansicht im Verlauf der untersuchten Werke. Während er zunächst davon ausgeht, dass es durch den göttlichen Willen bestimmt und dem Menschen durch die Offen­barung und den Gebrauch der Vernunft zugänglich sei, gelangt er in mehreren Zwischenschritten schließlich zu einer Trennung zwischen dem unmittelbar aus der Vernunft folgenden, auch für Gott verbindlichen Naturrecht einerseits und dem aus dem göttlichen Willen folgenden Recht andererseits. Außerdem kennt er zunächst die im Grundsatz antike89 Trennung in ein sämtliche Lebewesen betreffendes (primäres) Naturrecht einerseits (ius naturae) und ein nur den Menschen als Vernunftwesen bindendes (sekundäres) Naturrecht – oder Völkergemeinrecht im engeren Sinne – andererseits (ius naturae secundarium seu ius gentium primarium)90, die er jedoch später als bedeutungslos aufgibt. Abzugrenzen ist das Naturrecht – zumindest im Sinne dieser Untersuchung –91 schließlich von der Beschreibung eines (historischen oder hypothetischen) Naturzustandes. Die Frage nach dem Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit lässt sich zwar auch in einem v o r s t a a t l i c h e n , nicht aber in einem v o r r e c h t l i c h e n Zustand92 des universellen Gemeineigentums –  sei es vor dem christlichen Sündenfall oder vor jeglichem Gesellschaftsvertrag – stellen. 88 Vgl. auch Fn.  392  ; sowie zu den Ursprüngen dieser Idee bei Glossatoren und Postglossatoren Scattola, Naturrecht, S. 126–128. 89 Vgl. etwa D.  1,1,1,3–4 (Ulpianus libro primo institutionum)  ; Inst.  1,2  pr.; Cic. rep. 3,19  ; Demosth. 25,65  ; dagegen aber D. 1,3,2 (Marcianus libro primo institutionum)  ; Cic. fin. 3,67  ; Cic. leg. 1,45  ; Sen. benef. 6,7,3  ; dazu Levy, Natural Law, S. 6, 18 f.; Winkel, ius naturale und ius gentium  ; ferner auch Honoré, Ulpian, S. 82  ; Waldstein, ZRG (RA) 111 (1994), S. 37 insb. Fn. 148 m. w. N. 90 Vgl. zu den (ihrerseits an die Postglossatoren anknüpfenden) spätscholastischen Hintergründen dieser vermutlich von Vázquez übernommenen Terminologie Seelmann, Vazquez, S. 106–131  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 30–54  ; ferner auch Reibstein, Anfänge, S. 67–73  ; Scattola, Naturrecht, S. 128 f.; van Spyk, Vertragstheorie, S. 31 f. 91 Vgl. demgegenüber etwa de Araujo, HPhQ 26,4 (2009)  ; Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 79– 83  ; Ders., concept of a right, S. 180 f.; Ders., Law as Fact, S. 278–280, 292–294, zum Eigentumsbegriff im vorrechtlichen Naturzustand bei Grotius. 92 Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 58, 85 f., 108 f., spricht insoweit von der »ersten und zweiten N ­ atur«.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Begriffsklärung 

| 37

2. Völker- und Völkergemeinrecht Insbesondere in den Werken De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis verfolgt Grotius das Ziel, eine unmittelbar verbindliche Rechtsordnung zu etablieren, die auch auf zwischenstaatliche, d.  h. völkerrechtliche Interessenkonflikte anwendbar ist. Dazu bemüht er hauptsächlich das Naturrecht als eine für alle Menschen unabhängig von positivem Recht oder Religion verbindliche Rechtsordnung. Die weit überwiegende Anzahl der Regelungen entnimmt er dem nur für den Menschen als Vernunftwesen verbindlichen Völkergemeinrecht im engeren Sinne (ius naturae secundarium seu ius gentium primarium). Daneben greift er auf das unter allen Völkern verbreitete Gewohnheitsrecht als Völkergemeinrecht im weiteren Sinne (ius gentium secundarium) zurück.93 Während er grundsätzlich für diese Begriffe den Ausdruck ius gentium verwendet, führt die Entdifferenzierung zwischen primärem und sekundärem Naturrecht schließlich dazu, dass er das – mit letzterem identische – Völkergemeinrecht im engeren Sinne später auch schlicht als Naturrecht bezeichnet.94 3. Redliches Verhalten, Treue zum gegebenen Wort, Vertrauenswürdigkeit und Glaubenstreue Von besonderer Bedeutung für diese Untersuchung ist Grotius’ Verständnis der fides. Dieses unterscheidet sich, ebenso wie sein Gerechtigkeitsverständnis, je nach Werk und Kontext. Während er mit Gerechtigkeit (iustitia, iustitia compensatrix, iustitia expletrix) jedoch regelmäßig ein einheitliches Konzept der Austauschgerechtigkeit bezeichnet, sind in dem Begriff der fides traditionell unterschiedliche Bedeutungen angelegt  : (1) ein allgemeines Gebot redlichen (bzw. Verbot arglistigen) Verhaltens, (2)  die Treue zum gegebenen Wort, (3)  die an Vgl. zu diesem vorrechtlichen Urzustand in De  Iure Belli ac Pacis auch Hölzel, Grundlagen, S. 117 f. 93 Vgl. zum spätscholastischen Ursprung der Differenzierung zwischen ius gentium primarium (oder primaevum) und secundarium Fn. 90. Schmoeckel, Reformation, S. 143 f., vermutet eine Übernahme der Trennung zwischen Natur- und Völkerrecht von Suárez. 94 Vgl. zu Abweichungen im Detail Haggenmacher, Grotius, S. 523–525  ; Winkel, Rights, S. 264– 267, sowie zu den Konsequenzen dieser Entdifferenzierung bei Grotius’ Nachfolgern und dem damit einhergehenden Bedeutungswandel des Ausdrucks ius gentium von Völkergemeinrecht zu Völkerrecht auch Aure, War, S. 167–172  ; Hochstrasser, Natural Law, S. 53, 133, 178–183  ; ferner auch Reibstein, ZaöRV 15 (1953), S. 83–89, 97–99.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

38 | 

Einführung und Problemstellung

diese beiden Aspekte anknüpfende Vertrauenswürdigkeit und (4) die (auch als Glaubenstreue bezeichnete) Treue zu den römischen Göttern oder dem christ­ lichen Gott.95 Das allgemeine Gebot redlichen Verhaltens und die daran anknüpfende Vertrauenswürdigkeit außerhalb des vertraglichen Kontexts sind für die folgende Untersuchung zum Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit nur relevant, soweit dies gerade der Abgrenzung und Herausarbeitung der anderen Bedeutungen der fides dient. Schwieriger und bisweilen unmöglich ist hingegen die Unterscheidung zwischen den im weitesten Sinne vertragsrechtlichen Bedeutungen –  der Treue zum gegebenen Wort, der damit verbundenen Vertrauenswürdigkeit (im vertraglichen Kontext) und der Glaubenstreue. Da sich ihr Anwendungsbereich überschneidet, kann die Unterscheidung stets nur das Ergebnis einer Auslegung darstellen und soll daher nicht schon durch eine tendenziöse Übersetzung vorweggenommen werden. Auch ist im Einzelfall denkbar, dass zwar eine Bedeutung überwiegt, eine andere jedoch zumindest mitschwingt. Aus diesem Grund wird nachfolgend größtenteils auf eine Übersetzung von fides verzichtet und die jeweilige Bedeutung im Rahmen der Untersuchung entwickelt. 4. Pflicht, Verbindlichkeit und subjektives Recht96 Eine grundsätzliche Herausforderung dieser Untersuchung liegt in der Ambivalenz des Pflicht- bzw. Verbindlichkeitsbegriffes97  : Grotius verwendet insofern 95 Vgl. im Detail Decock, RIDC 27 (2016), insb. S.  301  ; Gloyna, Treue, in  : HWPh, Bd.  10, Sp. 1473–1477 m. w. N.; Nörr, Fides, S. 4–44  ; Schermaier, bona fides in Roman Contract Law, insb. S. 77–83  ; Ders., debet homo, S. 195–203  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011), insb. S. 459–463, 473  ; zu den drei erstgenannten Aspekten auch Schermaier, bona fides im römischen Vertragsrecht, insb. S. 401, 404, 408–414  ; Schröder, Trust  ; zu dem zweiten und vierten Aspekt auch Andersen, Treue, in  : TRE, Bd. 34, S. 57 f.; zu den drei letztgenannten Aspekten Thier, Das Mittelalter 20 (2015). 96 Vgl. hierzu im Detail zu De Iure Belli ac Pacis auch S. 318–340. 97 Pflicht bzw. Verpflichtung wird im Folgenden für Ge- und Verbotsnormen verwendet, unabhängig davon, ob diesen ein korrespondierender Anspruch einer anderen Person gegen den Pflichtadressaten entspricht. Mit anderen Worten können Pflichten sowohl intrapersonal (officia erga se) als auch interpersonal (officia erga alios) sein. Verbindlichkeit wird im Folgenden für interpersonale Pflichten verwendet, d. h. für Pflichten mit einem korrespondierenden Recht einer anderen Person, sowie ferner auch zur Bezeichnung der bindenden Wirkung einer Abrede. Diese Terminologie entspricht grundsätzlich der von Grotius’ in der Inleidinge verwendeten Unterscheidung zwischen der Pflicht im weiteren Sinne (schuld ruim ghenomen) und der Pflicht im engeren Sinne bzw. Verbindlichkeit (schuld eng ghenomen anders genoemt verbintenisse), vgl. dazu im Detail S. 230–242.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Begriffsklärung 

| 39

einheitlich obligatio bzw. seltener debitum. Im Kern bezeichnet dies zumindest eine Verpflichtung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen (oder zu unterlassen).98 Ob damit zugleich ein korrespondierender Anspruch bzw. ein korrespon­ dierendes subjektives Recht verbunden ist, kann je nach Werk und Kontext unter­schiedlich zu beurteilen sein. Zudem verwendet Grotius obligatio an einigen Stellen zur Beschreibung von supererogatorischen Handlungen. In diesen Fällen besteht gerade keine rechtliche oder moralische Verpflichtung. Die Vornahme bzw. das Unterlassen einer derartigen Handlung ist moralisch positiv zu bewerten, ohne dass eine entsprechende Pflicht bestünde oder ein gegenteiliges Handeln moralisch zu missbilligen wäre. Insofern unterscheidet Grotius ausdrücklich zwischen obligationes im eigentlichen und im uneigentlichen Sinne, d.  h. zwischen Pflichten und supererogatorischen Handlungen. Häufiger findet sich aber die davon zu unterscheidende Differenzierung zwischen obligationes mit und obligationes ohne korrespondierendes Recht eines anderen, d. h. zwischen Verbindlichkeiten und »bloßen« Pflichten.99 Diese Abgrenzungen liegen auf unterschiedlichen Ebenen  : Eine Pflicht ohne korrespondierendes Recht eines Gläubigers ist für den Schuldner dadurch in keiner Weise weniger bindend.100 Zwischen Verbindlichkeiten und Pflichten ohne korrespondierendes Recht differenziert Grotius jedenfalls in vier der sechs untersuchten Werke,101 wenngleich sich die Konstruktion des korrespondierenden Rechts des Gläubigers dabei zwischen den einzelnen Werken unterscheidet. Auch in den Werken, in denen diese Differenzierung grundsätzlich enthalten ist, spricht Grotius an vielen Stellen nur unspezifisch von obligatio, was in seiner Terminologie sowohl eine Verbindlichkeit als auch eine bloße Pflicht bezeichnen kann. Bei dem Versuch, im Wege der Auslegung auch in diesen Fällen Rückschlüsse zur Frage eines korrespondierenden Gläubigerrechts zu ziehen, ist jedoch Vorsicht geboten. Zwar sind diese Fragen für eine juristische Untersuchung 98 Besonders anschaulich ist insofern die Definition der obligatio in den Theses  LVI als »unrecht­ mäßiges Unterlassen«, vgl. im Text bei Fn. 702. 99 Vgl. zu beiden Differenzierungen insb. S.  318–340  ; Olsthoorn, JHP 57,3 (2019)  ; ferner ­Tierney, Liberty, S. 215–247  ; vgl. zu letzterer Differenzierung auch S. 230–242. 100 Die moderne Rechtstheorie steht Pflichten ohne Zwangsrecht kritisch gegenüber, vgl. Schulze, Naturalobligation, S. 11 f. insb. Fn. 5 m. w. N. Für Grotius aber liegen die Pflicht einerseits und deren Durchsetzbarkeit andererseits auf unterschiedlichen Ebenen. 101 In De Iure Praedae ist diese Unterscheidung allenfalls angelegt, im Parallelon Rerumpublicarum fehlt sie vollkommen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

40 | 

Einführung und Problemstellung

von entscheidender Bedeutung, doch muss dasselbe nicht notwendig für Grotius gelten. Es ist durchaus möglich, dass er an einzelnen Stellen oder innerhalb eines ganzen Werkes (wie im Fall des Parallelon Rerumpublicarum) abstrakt über Pflichten schreibt und die Frage ihrer Durchsetzbarkeit bzw. korrespondierender Rechte ausblendet, da ihr im Kontext des Werkes keine Relevanz zukommt. 5. Recht und Moral Wenngleich sich das Verständnis von Recht und Moral zu Grotius’ Zeit im Wandel befindet, entspricht es nicht dem modernen.102 Dennoch wird in der Sekundärliteratur häufig der Versuch unternommen, Grotius’ Pflicht- bzw. Verbindlichkeitsbegriff in diese (anachronistischen) Kategorien zu unterscheiden.103 Dies birgt zumindest dann die Gefahr von Missverständnissen, wenn Grotius selbst von Recht und Moral spricht, zwischen diesen Begriffen aber offensichtlich kein Exklusivitätsverhältnis annimmt.104 Unabhängig davon lässt sich seine noch näher zu untersuchende Dreiteilung in uneigentliche Pflichten, Pflichten ohne korrespondierendes Recht und Verbindlichkeiten105 auch nicht der modernen Zweiteilung in Recht und Moral zuordnen, schon weil die Kategorie der Pflichten ohne korrespondierendes Recht sowohl moralische Pflichten im heutigen Sinne als auch Obliegenheiten und ­Naturalobligationen im modernen juristischen Sinne umfasst.

102 Vgl. Brett, MIH 17,3 (2020), S. 623–632, 643  ; Decock, Contract Law, S. 78–81, 86–88, 197– 199, 387–389 und dort insb. Fn. 1312  ; Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 455–465  ; Somos, Virtue, insb. S. 95–98, 102  ; sowie ferner Darwall, AGPh 94,3 (2012), S. 297–321  ; Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 320 f.; Hartenstein, Grotius, S. 155 f., 159. 103 Vgl. dazu insb. bei Fn. 1061, 1450, sowie vor Fn. 1483  ; ähnlich kritisch wie hier bereits Vermeulen / van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 82 f. 104 Vgl. etwa Grotius, IBP, lib. I cap. I § V, sowie ebd., § IX 1, wo er ein Recht im subjektiven Sinne als qualitas moralis personae und Recht im objektiven Sinne als regula actuum moralium beschreibt. 105 Vgl. dazu im Detail S. 319–330.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Erstes Kapitel  : Vertragsverständnisse vor Grotius

Einleitend soll der vertragsrechtliche Diskurs skizziert werden, der den Hintergrund für Grotius’ Gedanken auf diesem Gebiet darstellt.106 Es würde jedoch zu weit führen, auch auf solche Gebiete jenseits des Vertragsrechts einzugehen, denen Grotius Anleihen für seine Vertragslehren entnommen hat. Insofern dienen die folgenden Ausführungen lediglich dazu, die im Kontext vertragsrechtlicher Überlegungen verbreiteten traditionellen Konzepte und zumindest grundlegend auch den Erwartungshorizont seiner Adressaten darzustellen, nicht aber den ursprünglichen Kontext Grotius’ vertragsrechtlicher Konzepte. Aus diesem Grund fehlen in der folgenden Darstellung – ungeachtet ihres zweifellos großen Einflusses auf Grotius – Autoren wie Suárez, Vázquez oder Vitoria,107 da sie sich nicht näher mit dem Konzept des Vertrages beschäftigt haben.

I. Römisches Recht Bis ins 16.  Jahrhundert galten außerhalb des kanonischen Rechts nur einzelne Vertragstypen mit jeweils unterschiedlicher Begründung als verbindlich. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in der prozessualen Perspektive des römischen Rechts.108 Das prätorische Edikt sah unterschiedliche Klagen für eine Vielzahl von Sachverhalten vor, wozu auch verschiedene Vertragstypen, sogenannte »Nominatkontrakte«, gehörten.109 Besondere Flexibilität erlaubte dabei die Stipulation, 106 Die folgende Darstellung gibt die Entwicklung der europäischen Vertragslehren damit notwendig subjektiv wieder. Die Auswahl und Gewichtung erfolgt anhand der jeweiligen Bedeutung für Grotius und dessen Zeitgenossen. Für grundlegende Darstellungen aus moderner Perspektive vgl. etwa Albers, Versprechen und Vertrag, S. 38–52  ; Kegel, Vertrag, S. 348–385  ; Landau, pacta sunt servanda, S. 457–474  ; Mayer-Maly, Grundlage, S. 119–129  ; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018)  ; Zimmermann, Law of Obligations, S. 537–545  ; sowie zu einzelnen Epochen im Detail Astorri, Contract Law  ; Decock, Contract Law  ; Gordley, Philosophical Origins  ; Nanz, Vertragsbegriff. 107 Für biographische Darstellungen zu diesen Autoren vgl. zuletzt Lagerlund, Suárez  ; Rufino, Vázquez  ; Wagner, Vitoria. 108 Deren Bedeutung für das Verständnis des römischen Rechts betont zuletzt auch Winkel, Rights, S. 260 f. 109 Zimmermann, Law of Obligations, S. 508  ; vgl. im Detail Schmidlin, ZRG (RA) 124 (2007)  ; S. 53–72  ; sowie ferner Kaser, Römisches Privatrecht, Bd. 1, S. 223–229, 483 f., 522–527.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

42 | 

Erstes Kapitel 

ein auf eine förmliche Frage des Gläubigers abgegebenes, einseitiges Leistungsversprechen.110 Die aus einer Stipulation entstandene Verbindlichkeit konnte jedoch abgewehrt werden, wenn eine materielle Grundlage (causa) angenommen war, die nicht wirklich vorlag oder sich zwischenzeitlich erledigt hatte.111 Nicht im Edikt benannte Abreden, sogenannte »Innominatkontrakte«, waren demgegenüber grundsätzlich nicht einklagbar. Der Prätor konnte dem Kläger jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere Klage im Einzelfall gewähren (actio in factum oder actio praescriptis verbis), vor allem wenn der Kläger bei einem gegenseitigen Vertrag seine Leistung bereits erbracht hatte (auch insoweit wurde von causa gesprochen).112 Dem Kläger stand es allerdings frei, alternativ seine bereits erbrachte Leistung zurückzuverlangen (condictio ob rem bzw. condictio causa data, causa non secuta).113 Das Vertragsverständnis römischer Juristen blieb damit weitgehend an den jeweiligen Klagen und den diesen zugrunde liegenden Vertragstypen orientiert. Zwar gab es bereits in klassischer Zeit verschiedene Systematisierungsversuche,114 doch gingen diese nie so weit, konkrete Rechtsfragen anhand eines abstrakten Vertragsbegriffes zu diskutieren. Die in diesem Zusammenhang geprägten Begriffe – conventio, pactum, contractus – bilden Anknüpfungspunkte für spätere Abstraktionen.

II. Glossatoren und Postglossatoren Um eine Systematisierung dieses fragmentierten Vertragsrechts bemühten sich mit der Wiederentdeckung des Corpus Iuris Civilis erstmals die Glossatoren und nach ihnen die Postglossatoren oder Kommentatoren. Grotius fasst beide Traditionen in seiner Darstellung der Quellen zum römischen Recht zusammen.115 110 Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht, Bd. 1, S. 538–543  ; Zimmermann, Law of Obligations, S. 68–91. Grotius widmet sich der Stipulation im Detail in dem Brief vom 28.02.‌1616, vgl. dazu S. 177–221. 111 D. 44,4,2,3 (Ulpianus libro septuagensimo sexto ad edictum). 112 D. 2,14,7,2 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; D. 2,14,7,4–5 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; vgl. dazu Kaser, Römisches Privatrecht, Bd. 1, S. 477  ; Zimmermann, Law of Obligations, S. 532–537  ; im Detail auch Schmidlin, ZRG (RA) 124 (2007), S. 78–93. 113 D. 19,5,5,1 (Paulus libro quinto quaestionum)  ; vgl. dazu Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 212 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 843 f., 858. 114 D. 2,14,1 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; D. 2,14,7 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; D.  44,7,1,1–15 (Gaius libro secundo aureorum)  ; D.  44,7,2 (Gaius libro tertio institutionum)  ; D. 50,16,19 (Ulpianus libro undecimo ad edictum)  ; Inst. 3,13,2  ; sowie – Grotius natürlich noch unbekannt – Gai. Inst. 3,89  ; vgl. dazu auch Albers, Versprechen und Vertrag, S. 38–41. 115 Grotius, IBP, prolegomena LIII  : Iuris Romani scientiam profitentium tria sunt genera. Primum

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Glossatoren und Postglossatoren 

| 43

Allerdings verweist er in seinen Werken kaum auf Glossatoren,116 während die Postglossatoren zu den meistzitierten nachklassischen Autoren zählen117. Dies mag auch daran liegen, dass er jedenfalls bis 1621 keine Ausgabe der Glosse besaß118. Werke der Postglossatoren (insbesondere Bartolus, Baldus, Jason de Mayno und Paulus de Castro)119 besaß er hingegen sowohl vor seiner Verhaftung als auch später.120 Die Glossatoren suchten mittels einer von einzelnen Vertragstypen abstrahierten Lehre sowohl die Verbindlichkeit der einzelnen im Edikt vorgesehenen Vertragstypen als auch die Unverbindlichkeit formloser Abreden zu erklären.121 Anknüpfend an die Unverbindlichkeit formloser, d. h. nicht einklagbarer eorum est quorum opera in Pandecte, Codicibus Theodosiano et Iustinianeo, et in Novellis constitutionibus apparent. Secundum eos habet qui Irnerio successerunt, Accursium, Bartolum et tot alia nomina, quos penes diu fori regnum fuit. Tertium eos complectitur, qui humaniores literas cum legum studio coniunxerunt […] [Hervorh. d. Verf.]. 116 Feenstra, sources, S. 74. 117 In De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis zitiert er, von klassischen Quellen abgesehen, lediglich Covarruvias (jeweils 34 bzw. 52 Verweise), Vázquez (jeweils 72 bzw. 30 Verweise) und Vitoria (jeweils 68 bzw. 56 Verweise) in ähnlichem Umfang wie Bartolus (jeweils 56 bzw. 30 Verweise) und Baldus (jeweils 50 bzw. 30 Verweise). In De Iure Belli ac Pacis zitiert er zudem auch Lessius (34 Verweise), Molina (21 Verweise) und de  Soto (30 Verweise) in ähnlichem Umfang, die in De  Iure Praedae jeweils unerwähnt bleiben. Vgl. für eine detaillierte Auswertung der Zitate in diesen Werken Feenstra, sources, S. 74–78  ; Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), S. 265, sowie für die meistzitierten antiken Quellen in De Iure Belli ac Pacis H. Hofmann, Grotius, S. 69 Fn. 64. Noch größere Bedeutung kommt Bartolus und Baldus in Grotius’ (anwaltlichen) Rechtsgutachten zu  ; vgl. dazu Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 412–414, 431. 118 Vgl. die Auflistung der Bibliothek von Grotius im Jahr 1618 bei Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943). Zwar geht die moderne Forschung davon aus, dass diese Auflistung nicht vollständig gewesen ist, vgl. Fn. 213, doch gibt es in Anbetracht der kaum vorhandenen Verweise auf Glossatoren keinen Anhaltspunkt in diesem konkreten Fall von einer Unrichtigkeit auszugehen. In der Haft bis 1621 dürfte sich daran kaum etwas geändert haben. Auch nach seiner Flucht im Jahr 1621 dürfte er jedenfalls zu Beginn nicht die Mittel zum Erwerb einer Glosse gehabt haben, vgl. Nellen, Grotius, S. 315, 368. 119 Für biographische Darstellungen zu diesen Autoren vgl. Condorelli, Bartolo; Kirshner, Baldo; Lange / Kriechbaum, Kommentatoren, S. 682–733, 749–795, 813–825, 881–892; L ­ epsius, di Castro. 120 Vgl. – mit Ausnahme von Baldus – die Auflistung der Bibliothek von Grotius im Jahr 1618 bei Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), num. 92, 97, 100. Im Februar 1632 bat Grotius, der sich zu dieser Zeit vorübergehend in Amsterdam aufhielt, seinen Bruder Wilhelm ihm seine Werke (libri mei) zum römischen und holländischen Recht, mit Ausnahme der »großen Bände« wie dem Corpus Iuris und der vier genannten Autoren, nachzusenden, vgl. Grotius, BW, V, S. 23 (num. 1743), und dazu Feenstra, sources, S. 75. 121 Vgl. im Detail zur Vestiturtheorie der Glossatoren Birocchi, causa, S. 48–54  ; Dilcher, ZRG

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

44 | 

Erstes Kapitel 

­Abreden122 und die Untergliederung der Nominatkontrakte in Real-, Verbal-, Litteral- und Konsensualverträge123, entwickelten sie ein System verschiedener vestimenta, deren Hinzutreten zu einer formlosen Abrede zu deren Verbindlichkeit führe. Als ein derartiges vestimentum galt zunächst die Zugehörigkeit zu einer der vier Gruppen der Nominatkontrakte,124 also etwa das Vorliegen eines Darlehens oder einer Stipulation. Daneben konnte aber auch in der als causa bezeichneten Erbringung der eigenen Leistung in einem gegenseitigen Vertrag ein vestimentum für die Gegenleistung liegen.125 Weitere vestimenta konnten schließlich in einem anderen, seinerseits verbindlichen Vertrag und dem staatlichen Recht liegen, soweit dieses ein Klagerecht gewährte.126 Für den Sonderfall der Stipulation setzte sich die Auffassung durch, dass ihre ebenfalls als causa bezeichnete materielle Grundlage – teilweise verstanden als vorangegangenes Geschäft (negotium antecedens) oder bereits bestehende Verpflichtung (obligatio antecedens)  –127 bei Vertragsschluss angegeben werden musste.128 Wenn sie nicht ausdrücklich erklärt wurde oder die Parteien irrtümlich von dem Bestehen einer tatsächlich nicht vorliegenden Grundlage ausgingen, wurde dem Schuldner eine Einrede gewährt.129 Während sich dies den römischen Quellen (wohl) nur in Einzelfällen entnehmen lässt,130 setzte sich bei den Glossatoren zugleich die Ansicht durch, dass aus formlosen Abreden (pacta nuda), d. h. solchen ohne vestimentum, zumindest eine natür(RA) 77 (1960), S. 273–280  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 31–34, 41 f., 44 f.; Schermaier, causa, S. 108–112  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 41–44  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 216– 222, 228. 122 Vgl. D. 2,14,7 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; D. 2,14,45 (Hermogenianus libro secundo iuris epitomarum)  ; D.  19,5,8 (Papinianus libro vicesimo septimo quaestionum)  ; D.  19,5,15 ­(Ulpianus libro quadragensimo secundo ad Sabinum). 123 Inst. 3,13,2  ; Gai. Inst. 3,89. 124 Vgl. Gl. quinimmo ad D. 2,14,7,5. 125 Vgl. Gl. causa ad D. 2,14,7,4  : [causa] id est datio, vel factum, ex quo vestiatur contractus innominatus do ut des […]  ; sowie Gl. igitur ad D. 2,14,7,4  : caute incipit facere transitum ad contractus nominatos  : ac si diceret  ; si in contractibus innominatis non valet conventio sine causa, id est, sine vestimento […]. 126 Vgl. Gl. quinimmo ad D. 2,14,7,5. 127 Vgl. Schermaier, causa, S. 112, 124–127  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 214–216, 223 f., 239. 128 Vgl. im Detail zum Verständnis der causa stipulationis bei den Glossatoren Barton, TR 34,1 (1966), S. 45–53  ; Schermaier, causa, S. 122–127  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 214–216, 221–229  ; ferner auch Birocchi, causa, S. 67–76. 129 Vgl. Gl. sine causa ad D. 44,4,2,3. 130 Etwa D. 45,1,126,2 (Paulus libro tertio quaestionum)  ; D. 46,1,16,3–4 (Iulianus libro quinquagensimo tertio digestorum).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Glossatoren und Postglossatoren 

| 45

liche Verbindlichkeit (naturalis obligatio) entstehe131. Diese konnte eingeschränkt rechtliche Wirkung entfalten, jedoch nicht gerichtlich durchgesetzt werden.132 In der Kanonistik setzte sich hingegen die Auffassung durch, dass sämtliche Abreden –  einschließlich der pacta nuda  – verbindlich seien, wenngleich der sachliche und persönliche Anwendungsbereich dieses Gebots Schwierigkeiten bereitete.133 Gregor IX. führte dies in seinen Dekretalen unter dem pointierten Titel pacta quantumcumque nuda servanda sunt auf einen Beschluss der Synode von Karthago von 348 zurück.134 Soweit eine Partei die Abrede jedoch brach ­(fidem frangere), war auch die andere Partei nicht länger gebunden.135 Von den italienischen Postglossatoren wird die Vestiturtheorie der Glossatoren – anders als von den (für Grotius weit weniger relevanten) französischen Postglossatoren (Ultramontani)  – in wesentlichen Zügen übernommen136.137 Dabei hinterfragen sie jedoch zugleich, ob es überhaupt noch praktische Anwendungsfälle für pacta nuda gebe138. Als einen (bereits von den Glossatoren erwähnten) 131 Gl.  consensum ad D.  2,14,1,3  ; Gl.  tolluntur ad D.  2,14,17,1  ; Gl.  iusto pacto ad D.  46,3,95,4  ; Gl. is natura ad D. 50,17,84,1  ; Gl. solemnem ordinem ad C. 2,3,14  ; vgl. ferner Gordley, Philosophical Origins, S. 41  ; Seuffert, Obligatorische Verträge, S. 41–44. 132 Vgl. konkret zu Accursius Gordley, Philosophical Origins, S. 41 f.; sowie grundsätzlich zur einredebegründenden Wirkung der naturalis obligatio im römischen Recht Kaser, Römisches Privatrecht, Bd. 1, S. 480 f.; Schulze, Naturalobligation, S. 63, 72–74  ; ferner Levy, Natural Law, S. 15 f. 133 Vgl. Albers, ZRG (RA) 135 (2018), S. 337 f.; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, S. 399 f.; Decock, Contract Law, S. 122–130  ; Dilcher, ZRG (RA) 77 (1960), S. 281–286  ; Landau, pacta sunt servanda  ; Lange / Kriechbaum, Kommentatoren, S.  901  f.; Lesaffer, JHIL 2 (2000), S.  182–184  ; Nanz, Vertragsbegriff, S.  51–56  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S.  45–52  ; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018, S. 309–311  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 244–246. 134 X. 1,35,1 [Sp. 203–204]  ; vgl. dazu auch Decock, Contract Law, S. 122 f.; Landau, Pacta sunt servanda, S. 457 f., 465 f.; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 240 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 542 f. 135 Vgl. Thier, Das Mittelalter 20 (2015), S. 339–342. 136 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D.  2,14,7,5 insb. num.  1–2, 12–16  ; vgl. für spätere Postglossatoren Dilcher, ZRG (RA) 77 (1960), S. 295 m. w. N.; Schermaier, causa, S. 141–144. 137 Vgl. zu den Postglossatoren im Detail Dilcher, ZRG (RA) 77 (1960), S.  292–295  ; Gordley, Philosophical Origins, S.  40–57  ; N.  Horn, Aequitas, S.  182–189  ; Nanz, Vertragsbegriff, S.  34– 36  ; Schermaier, causa, S.  114–144  ; ferner auch Decock, Contract Law, S.  109  f.; Lange /  Kriechbaum, Kommentatoren, S.  900  f.; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S.  311–313  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 229, 236 f., 252  ; sowie Birocchi, causa, S. 63–67, der eine Bedeutungsverlagerung von vestimenta zu einer Vielzahl einzelner Ausnahmen zu der Unverbindlichkeit der pacta nuda betont. 138 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,5 num. 20–21  ; dazu auch Seuffert, obligatorische Verträge, S. 58 f.; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 229 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

46 | 

Erstes Kapitel 

Anwendungsfall nennt Bartolus das nicht in der Form einer Stipulation abgegebene Leistungsversprechen (sola promissio sine interrogatione oder pollicitatio).139 Einem Wandel unterliegt dabei vor allem das Kriterium der causa. Im Gegensatz zu den Glossatoren und den Ultramontani sehen die italienischen Postglossatoren darin nicht länger die Erbringung der eigenen Leistung in einem gegenseitigen Vertrag, sondern zunehmend den mit dem Vertrag oder der Erbringung der eigenen Leistung beabsichtigten Zweck.140 Einerseits versuchen sie die gemeinrechtliche Vestiturtheorie und die kanonische Verbindlichkeit der pacta nuda dadurch miteinander in Einklang zu bringen, dass sie dem kanonischen Recht ein spezielles vestimentum in Gestalt der causa (extrinseca) –  als vernünftigem und billigenswertem Grund für den Vertragsschluss – zugestehen.141 Andererseits scheinen sie aber auch für das gemeine Recht davon auszugehen, dass jeder (verbindlichen) Abrede eine derartige causa zugrunde liegt, der sie (zumindest stellenweise) auch rechtliche Bedeutung zumessen.142 Auch im Rahmen der Stipulation wird das Erfordernis, wonach die causa ausdrücklich erklärt werden müsse, zunehmend nicht mehr auf eine materielle Grundlage, sondern ebenfalls auf den verfolgten Zweck bezogen. Besondere Bedeutung gewinnt dabei die Frage, ob mangels ausdrücklicher Erklärung nicht grundsätzlich von einer Schenkung auszugehen sei.143 Ebenfalls übernommen werden schließlich die Ansicht, dass aus pacta nuda – nicht aber aus bloßen Angeboten –144 zumindest eine naturalis obligatio 139 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D.  2,14,7,4 (igitur) num.  1  ; Baldus, Super Quarto et Quinto Codicis, ad C. 5,11 num. 1. 140 Schermaier, causa, S. 114 f., 117 f., 136–139  ; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 311 f.; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 231, 247–253. Differenzierend aber Dilcher, ZRG (RA) 77 (1960), S. 294 Fn. 11, S. 300 f., der darin eine auf das kanonische Recht beschränkte Entwicklung sieht, die gerade nicht auf das gemeine Recht übertragen worden sei. 141 Albers, ZRG (RA) 135 (2018), S. 338  ; N. Horn, Aequitas, S. 187–189  ; Lesaffer, JHIL 2 (2000), S. 184 f.; Schermaier, causa, S. 136–141  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 249–253  ; ferner Coing, Europäisches Privatrecht, Bd.  1, S.  402  ; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S.  312  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 63 f. 142 Vgl. etwa zum Kontext der sich erst aus einem anderen Vertrag ergebenden Wirksamkeit (cohaerentia contractus) Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), 236 f. 143 Diese vor allem von Bartolus vertretene Ansicht konnte sich zwar nicht durchsetzen, provozierte bei späteren Autoren jedoch ausführliche Stellungnahmen. Vgl. dazu Nanz, Vertragsbegriff, S. 35, 40  ; Schermaier, causa, S. 130–134  ; Söllner, ZRG (RA) 77 (1960), S. 230–235. 144 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,27,2 num. 16–17  ; Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus, ad D 2,14,27,2 (Quod in specie) num. 16  ; vgl. dazu Chiodi, Grotiana 41,1 (2020), S. 42.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 47

entstehe,145 und das –  nunmehr auch auf die kanonische fidem-frangere-Regel gestützte – Reuerecht desjenigen, der bei einem Innominatkontrakt seine eigene Leistung bereits erbracht hat146. Letzteres schließt Baldus jedoch für den Fall aus, dass der zuerst Leistende die Abrede zusätzlich beeidet hat.147

III. Humanismus Die Autoren der im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert neu aufgekommenen humanistischen Auseinandersetzung mit dem römischen Recht benennt Grotius in den prolegomena zu De Iure Belli ac Pacis (gemeinsam mit den Spätscholastikern) als dritte Gruppe juristischer Quellen neben den antiken Texten und den Glossatoren und Postglossatoren.148 Ihnen wirft er vor, sich kaum mit Fragen des Völkerrechts auseinandergesetzt zu haben. Allerdings zitiert er diese Autoren nicht nur im völkerrechtlichen, sondern auch im privatrechtlichen Kontext vergleichsweise selten, wenngleich er Ausgaben ihrer Werke besaß149 und sie insbesondere seinem Bruder für dessen juristische Abschlussarbeit an der Universität Leiden empfahl150. Ihre Vertragslehren weisen dabei teils deutlich größere Gemeinsamkeiten mit Grotius’ eigenen auf als etwa die der Glossatoren und Postglossatoren. Insbesondere die Unverbindlichkeit formloser Abreden (pacta nuda) wurde zunehmend mit neuen Argumenten diskutiert.151 Insofern kann eine vergleichsweise detail145 Baldus, Super Quarto et Quinto Codicis, ad C. 5,11,1 num. 2  ; vgl. zu weiteren Nachweisen auch Gordley, Philosophical Origins, S. 42–44  ; N. Horn, Aequitas, S. 186 f.; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 53, 61, 67. 146 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd.  1, S.  404, 443  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 61, 63. 147 Vgl. dazu Seuffert, obligatorische Verträge, S. 61. 148 Grotius, IBP, prolegomena LIII, vgl. Fn. 115  ; ebd., prolegomena LV. 149 So besaß Grotius Ausgaben von Franciscus Connanus, Commentariorum Iuris Civilis  ; Jacobus Cuiacius, Werk(e) unbekannt  ; Hugo Donellus, Commentaria ad tit. Cod. de Pactis et Transactionibus  ; Antonius Faber, De erroribus pragmaticorum et interpretum  ; Franciscus Hotomanus, de Legibus Populi Romani  ; Mattheus Wesenbecius, in Pandectas iuris civilis  ; Uldaricus Zasius, Werk(e) unbekannt  ; vgl. (in dieser Reihenfolge) Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), num. 70, 60, 246, 76, 242, 316, 22. 150 In dem im Detail zu untersuchenden Brief vom 28.02.‌1616, Grotius, BW, I, S.  499–503 (num.  450), setzt sich Grotius mehrfach mit Connan auseinander  ; im darauffolgenden Brief, Grotius, BW, I, S. 506–508 (num. 452), weist er Wilhelm ausdrücklich auf eine obskure Formulierung des Cujas hin. 151 Vgl. Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 29–81, S. 66 f.; Nanz, Vertragsbegriff, S. 65–80.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

48 | 

Erstes Kapitel 

lierte Darstellung die Grundlage für eine spätere Kontextualisierung konkreter, von Grotius verwendeter Argumente schaffen. Um diese Einleitung nicht zu überfrachten, sollen nachfolgend mit Connan und Wesenbeck lediglich zwei zu diesem Zweck besonders fruchtbare Vertragslehren wiedergegeben werden.152 Beide Autoren nehmen zur Frage der Verbindlichkeit formloser Abreden diametrale Positionen ein  : Nach Connan entstehe aus ihnen nicht einmal eine naturalis obligatio, nach Wesenbeck hingegen sogar eine civilis obligatio. 1. François de Connan Wie schon die Glossatoren und Postglossatoren zuvor, bemüht sich auch François de Connan (Franciscus Connanus) in seinem 1553 postum veröffentlichten Werk Commentariorum Iuris Civilis darum, die Vertragstypen des römischen Rechts durch eine einheitliche Vertragslehre zu beschreiben.153 Seine Vertragslehre entfaltet einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Grotius’ eigene, wenn auch weniger auf ihren Inhalt als auf ihre Darstellung. Zwar zitiert Grotius Connan vergleichsweise selten,154 doch lobt er ihn mehrfach nachdrücklich155 und setzt sich an zwei entscheidenden Stellen ausdrücklich mit Connans Vertragsverständnis auseinander. Wie sehr sich Grotius’ Argumentation an Connan orientiert, ist jedoch nicht unmittelbar ersichtlich. Daher erscheint eine kurze Darstellung der wesentlichen Thesen und insbesondere der Argumente Connans auch für das Verständnis von Grotius’ eigener Vertragslehre hilfreich.156 152 Vgl. zu anderen Humanisten Nanz, Vertragsbegriff, S.  69–80  ; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 315–317, 325–327  ; sowie konkret zu Doneau, Pacius de Beriga und Vultejus Birocchi, causa, S. 137–201. 153 Vgl. ausführlich zu Connan und seiner Vertragslehre  : Bergfeld, Connanus  ; Birocchi, causa, S. 95–136  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 65–69  ; Petronio, Sinallagma, S. 228–236  ; ­S chmoe­ckel, Connan, S.  963–989   ; überblicksartig auch Diesselhorst, Grotius, S.  31–34  ; Hartung, Genea­logie, S.  284  f.; Kaltenborn, Vorgänger, S.  127–132  ; Onuma, Agreement, S.  185–187  ; ­S chmoeckel, Reformation, S. 264 f. 154 De Iure Praedae enthält lediglich drei (vgl. Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 42r  ; ebd., cap. XII, fol. 97v  ; ebd., cap. XII, fol. 102v) und auch De Iure Belli ac Pacis lediglich vier Verweise auf Connan (vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. VIII § VIII  ; ebd., § XIX  ; ebd., cap. XI § I  ; ebd., cap. XVI § XXIX), wobei letzterer erst in der Ausgabe von 1642 ergänzt wurde. Vgl. demgegenüber Fn. 117 zur Anzahl der Verweise auf die mit Abstand meistzitierten (nachklassischen) Autoren in beiden Werken. 155 So bezeichnet er ihn etwa in Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 42r [S. 95], zusammen mit Fernando Vázquez, den er erst nachträglich ergänzt, und Peter Faber als »viri undequaque doctissimi« und in Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 1, als »vir eruditionis minime vulgaris«. 156 Ähnlich bereits Petronio, Sinallagma, S. 240.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 49

Wenngleich Connan auch im mos italicus ausgebildet war,157 veranschaulicht seine Vorgehensweise die neuen methodischen Ansätze der humanistischen Juristen  :158 Die wesentlichen Prinzipien entnimmt er nicht mehr ausschließlich dem Corpus Iuris Civilis oder dessen Gegenüberstellung mit dem kanonischen Recht, sondern zugleich Autoren wie Aristoteles oder Cicero. Dies hindert ihn jedoch nicht daran, einzelne Argumente von den Glossatoren und Postglossatoren zu übernehmen.159 Das wesentliche Prinzip des Vertragsrechts, den Geltungsgrund (fast) aller römischen Vertragstypen (und auch des Deliktsrechts), sieht er anknüpfend an Aristoteles’ Gerechtigkeitslehre im Synallagma,160 d. h., wie er anhand eines wörtlichen Zitats von D. 50,16,19 erläutert, der Ausgleichbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung bzw. abstrakt zwischen Handlung und Vergeltung161. Das Element, aus dem sich die Verbindlichkeit der Abreden ergibt, liege stets in der synallagmatischen Leistungsbeziehung, die durch die Erbringung der Gegenleistung beson157 Bergfeld, Connanus, S. 4, 6 f. Fn. 31  ; Petronio, Sinallagma, S. 228. 158 So schon Diesselhorst, Grotius, S. 31 Fn. 1  ; vgl. im Detail auch Hübner, Humanismus, S. 45– 47, 54. 159 Nanz, Vertragsbegriff, S. 67. 160 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 4 [S. 474]  : Est enim hoc ius proprium omnium actionum nostrarum, quibus inter nos ad aliquem usum necessitatemque communicamus  : quae Aristoteles συναλλάγματα appellat […] Ex quo perspicuum est, uno eum συναλλάγματων nomine conventiones omnes & contractus, omnia etiam delicta comprehendisse  : quas, ut dixi, Gaius actiones appellat in illa sua divisione  : ut generalem verbi Graeci significationem aequè generali verbo Latino redderet. Vgl. dazu auch Bergfeld, Connanus, S. 168  ; Birocchi, causa, S. 125  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 67  ; Schmoeckel, Connan, S. 972 f. 161 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 4 [S. 474]  : Et ut refert Ulp. in l. 19. De verbo. signific. [D. 50,16,19 (Ulpianus libro undecimo ad edictum)] Labeo libro primo praetoris urbani diffinivit, quod quaedam agantur, quaedam gerantur, quaedam contrahantur  : & Actum quidem verbum generale esse, sive re, sive verbis, quod agatur, ut in stipulatione, vel numeratione  : Contractum autem, ultro citroque obligationem, quem Graeci συναλλάγμα vocant, veluti emptionem, venditionem, locationem, conductionem, societatem. Gestum, rem significare sine verbis factam. Ideoque Verba, contraxerunt, gesserunt, non pertinent ad testandi ius. Nam neque testamenta fiunt sine verbis aut nuncupatis, aut scriptis  : neque in eis est mutua obligatio. συναλλάγμα enim idem est quod commuto  : quod postea omnibus omnium, generum commerciis est communicatum, quae olim sola permutatione exercebantur. sed inde ad pacta, conventiones & delicta productum est, quod in iis etiam aliquid dandum est & reddendum. […] Propriè tamen συναλλάγμα mutuorum commerciorum est, cum aliquid ultro citroque faciendum est, sic ut pacta, donationes, & delicta, quòd in his non est ista vicissitudo obligationis, ne συναλλάγματα quidem dicentur  : at neque contractus, qui Graeco verbo respondet  : cum alter ab altero scilicet ad se trahit quod sibi necessarium est & commodum. Vgl. dazu im Detail Bergfeld, Connanus, S. 171 f.; Birocchi, causa, S. 124–126  ; Schmoeckel, Connan, S. 972 f.; ferner auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 67  ; Schmoeckel, Reformation, S. 264.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

50 | 

Erstes Kapitel 

ders zutage trete.162 In den Fällen der Nominatkontrakte, welche Geschäfte von überragender Bedeutung für das menschliche Zusammenleben darstellen, werde diese Leistungserbringung bereits durch die bloße vertragliche Einigung fingiert.163 Insoweit ist Connans Verständnis der Vestiturtheorie der Glossatoren nicht unähnlich, die zur Verbindlichkeit der Innominatkontrakte die Erbringung der eigenen Leistung verlangen. Indem Connan in den Fällen der Nominatkontrakte von einer Fiktion der Erbringung der eigenen Leistung ausgeht, kann er sämtliche Vertrags­ typen durch ein einheitliches Prinzip anstelle verschiedener vestimenta erklären.164 Für das römische Vertragsrecht folgt Connan mit der Betonung des Synallagma grundsätzlich seinem Lehrer Alciat.165 Anders als dieser166 überträgt 162 Bergfeld, Connanus, S. 94, 168 f.; Birocchi, causa, S. 126, 128  ; Petronio, Sinallagma, S. 230, 232–235  ; ferner auch Hartung, Genealogie, S. 284. Vgl. auch Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 5 [S. 474 f.]  : Itaque licet quidam contractus obligationem inducant, etsi traditio rei non intervenerit, ut emptio, locatio, societas, tamen non aliud spectat ipsa obligatio, que ut praestatione eius quod promissum est, impleatur contractus  : usque adeò, ut quae iure civili per se non pariunt obligationem conventiones, si contrectatio rei aliqua ex parte intercedat, hinc nascatur obligatio, ut scribit Ulp. l. Iurisgen. [D. 2,14,7 pr.–2 (Ulpianus libro quarto ad edictum)] Pactiones aut quaecunque non habebant συνάλλαγμα, quia si non implerentur. 163 Bergfeld, Connanus, S. 169, 172 f.; Birocchi, causa, S. 128. Petronio, Sinallagma, S. 232– 234. Vgl. auch Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. II num. 2 [S. 482]  : Sic pactum & conventio perficiuntur quidem consensu, contractus autem rei traditione aut vera, aut quae iuris authoritate pro vera habetur [Hervorh. d. Verf.]  ; ebd. num. 3 [S. 483]  : Quod ut demonstrem clarius, percurram breviter omnia contractuum genera, & in unoquoque eorum ostendam, eam quae in ipsis est obligationem non aliunde nasci, quam ex eo quod συναλλάγμα diximus. Ecce enim emptio non est, neque  ; vero locatio, quum inter nos convenit, ut fundus meus tibi esset emptus aut locatus, nisi dictum sit, & conventum precium. Tum enim aestimatio rei, emptionem perficit aut locationem, & quodammodo pro traditione rei habetur, ut iam hoc unum supersit, precium ut detur & solvatur suo tempore. 164 Ähnlich schon Schmoeckel, Reformation, S. 265, dessen Vergleichspunkt jedoch das römische Aktionensystem und nicht die mittelalterliche Vestiturtheorie bildet. 165 Petronio, Sinallagma, S. 227, 230 f., 235 f.; Schmoeckel, Connan, S. 971 f.; Ders., Reforma­ tion, S.  265  ; ferner Ders., ZRG (KA) 104 (2018), S.  340  f. Daneben widmete sich mit Budé auch ein weiterer Lehrer Connans dem Synallagma, vgl. Petronio, Sinallagma, S.  224–229  ; ­S chmoeckel, Connan, S.  972  ; Ders., Reformation, S.  265  ; Ders., ZRG (KA) 104 (2018), S.  315–317, jedoch stellte dieser keinen Zusammenhang zwischen dem aristotelischen Synal­ lagma und dem römischen Recht her. Schließlich weisen Bergfeld, Connanus, S.  95, und Diesselhorst, Grotius, S. 34, zu Recht darauf hin, dass schon für die mittelalterlichen Vertragslehren (insbesondere soweit sie in eine generelle Restitutionslehre eingefügt sind) der Gedanke der Ausgleichgerechtigkeit von zentraler Bedeutung ist, doch handelt es sich dabei stets um die Ausgleichgerechtigkeit in ihrer scholastischen Ausprägung. 166 Vgl. Nanz, Vertragsbegriff, S. 66  ; Petronio, Sinallagma, S. 236  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 108 f., 112.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 51

Connan das Erfordernis eines Synallagma jedoch auch in die Sphäre des Naturrechts. Demnach entstehe aus einem pactum nudum nicht nur keine Verbindlichkeit nach römischem und gemeinem Recht, sondern nicht einmal nach dem Natur- und Völkergemeinrecht167, wenngleich die Erfüllung eines pactum nudum ehrbar (honestum) sei.168 Damit wendet sich Connan gegen die seit den Glossatoren unstreitige Auffassung169, wonach sämtliche Abreden, einschließlich der pacta nuda, zumindest eine naturalis obligatio begründen.170 167 Vgl. zu Connans Verständnis von ius naturae und ius gentium, das sich von Grotius’ noch näher zu untersuchenden und je nach Werk divergierenden Verständnis unterscheidet, insb. Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. I cap. VI num. 4 [S. 27], sowie im Detail Bergfeld, Connanus, S. 82–97  ; Brett, Hist. J. 45,1 (2002), S. 34–36, 39 f., 44  ; Birocchi, causa, S. 114 f., 117–122  ; Diesselhorst, Grotius, S. 31 f., Ders., ZRG (RA) 86 (1969), S. 541 f.; Kaltenborn, Vorgänger, S. 129–131  ; Onuma, Agreement, S. 185–187, S. 188 Fn. 50  ; Scattola, Naturrecht, S. 193 f. Für diese Untersuchung ist Connans Verständnis jedoch nicht weiter relevant, da Grotius in den Auseinandersetzungen mit Connans Position unreflektiert sein eigenes Verständnis von ius naturae und ius gentium zugrunde legt. 168 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 5 [S. 475]  : Nec unquam aliter constitutum fuisse arbitror etiam primo illo iure naturae, quod gentium appellamus  : quo iure, non verborum sed factorum ponderibus aequitas examinabatur. Aequum est, fateor, neminem fallere inanibus promissis  ; ebd., num. 6 [S. 475]  : Ut existimem, eorum demum pactorum fuisse aliquam iure naturali non obligationem quidem, sed honestatem, quae ijs de rebus essent, quas etiam non promissas aequum erat praestare. nam commodare alter alteri lege naturae astringimur  : quae tamen obligatio non a promissione verborum oritur, sed ab ipsa natura & longe lateque abest ab ea quam naturalem obligationem in iure appellamus. Vgl. dazu auch Bergfeld, Connanus, S. 169 f.; Birocchi, causa, S. 126 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 33  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 68. 169 Spätestens seit Accursius war allgemein anerkannt, dass auch pacta nuda, welche mangels vestimentum oder causa zu keiner civilis obligatio führen, sehr wohl eine naturalis obligatio begründen, vgl. Fn. 131, 145  ; sowie Nanz, Vertragsbegriff, S. 42 f., 65 f., und Seuffert, obligatorische Verträge, S. 44, 53, 67 m. w. N. Vgl. ferner auch Dilcher, ZRG (RA) 77 (1960), S. 273  ; sowie schon Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I num. 1  : Omnes agnoscunt, iure naturae inter pacta et contractus quoad effectus nullam esse differentiam. Solus Franc. Connanus, qui Commentarios iuris civilis satis doctos scripsit, lib. I. cap. 6. et lib. V. cap. I. in alia omnia it, statuitque, nec iure naturae pactum vel promissionem nudam producere obligationem  ; sowie Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium, lib. III cap. V § IX  : Et sane fidem verbis datam esse servandam, ac posse aliquem solis verbis sibi conciliare necessitatem aliquid praestandi, si vel maxime nondum aliqua res intercesserit, apud omnes hactenus sapientes in confesso fuit [jeweils Hervorh. d. Verf.]. Zu pauschal ist daher die Aussage von Hartung, Genealogie, S. 283, Alciat sei einer der ersten gewesen, die »den Begriff der »obligatio naturalis« in die Debatte ein[führen]«, wenngleich der Begriff im 16. Jahrhundert sicherlich weiter in den Vordergrund tritt. Allerdings ist Petronio, Sinallagma, S. 237 f., der Hinweis zu verdanken, dass in etwa zeitgleich mit Connan auch der Douaren-Schüler Louis Le Caron das Entstehen einer naturalis obligatio aus einem pactum nudum ablehnte. 170 So auch Birocchi, causa, S.  127. Dies übersieht Onuma, Agreement, S.  185, der in Connan lediglich einen typischen Vertreter der gemeinrechtlichen causa-Lehre sieht.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

52 | 

Erstes Kapitel 

Dass eine naturalis obligatio erst mit Erbringung der eigenen Leistung entstehe (und selbst dann lediglich auf das Interesse gerichtet sei), begründet Connan zunächst mit D.  50,17,84,1, wonach eine Leistung nach Völkergemeinrecht (ius gentium) nur geschuldet sei, soweit auf ihre Erbringung vertraut wurde. Vertrauen in diesem Sinne liege jedoch nur vor, erläutert Connan, wenn derjenige bei Ausbleiben der Leistung schlechter stehe, als er ohne das Leistungsversprechen stünde, was lediglich dann der Fall sei, wenn er seinerseits bereits vorgeleistet habe.171 In der Folge setzt er sich mit den traditionellen Argumenten für das Entstehen einer naturalis obligatio aus einem pactum nudum auseinander  : Den Grund für das Entstehen einer Einrede aus einem pactum nudum, aber auch für den Ausschluss einer Kondiktion der eigenen Leistung sieht er letztlich nicht im Vorliegen einer naturalis obligatio, sondern in einem zugrunde liegenden Synallagma, da beides den Erhalt der Leistung voraussetze.172 Dass eine Forderung aus einem pactum nudum aber durch Bürgschaft besichert werden kann, hält er schlicht für unzulässig, sodass sich auch daraus nicht auf eine naturalis obligatio schließen lasse.173 171 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 6 [S. 475]  : Et hic crediderim te natura debere non quod promisisti, sed quod mea interest. Sicque intelligendum quod respondit Paul. l. Cum amplius. de regul. iuris [D. 50, 1‌ 7,‌84,1 (Paulus libro tertio quaestionum)]  : Is natura debet, quem iuregentium dare oportet, cuius fidem secuti sumus. Tum enim vere dicimur fidem secuti alicuius, cum ab eo persuasi tantam fidem eius promissis habuimus, ut perniciosum id nobis futurum sit, nisi ea faciat. At re integra nihil video cur revocare non possit. Nam & in contractib. innominatis fuit re integra, & antequam σϋνάλλαγμα intervenisset, poenitentiae locus  : cur non etiam in nudis pactis. Sic ergo sane existimo, et ante contractum σϋνάλλαγμα nihil obligationis, ne naturalis quidem fuisse. 172 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 6 [S. 475 f.]  : Sed nostri sic argumentantur, pacta nuda conciliant sibi exceptionem  : quod non possent facere, nisi haberent aliquid obligationis saltem naturalis. At istud quale sit, mox dicam  : nunc satis sit hoc admonuisse, parere ea exceptionem cum insunt contractibus, & pars quaedam eorum censentur esse  : aut vero cum traditione confirmantur  : ut causa omnis eorum actionis aut exceptionis & obligationis sit συνάλλαγμα quod habent, aut cui haerent. Item dicunt, nudo pacto promissum si detur, non repeti. ergo antequam daretur, erat debitum  : alioqui condiceretur tanquam indebitum. Sed non recte concludunt. Nam & qui scienter solvit indebitum, non repetit  : ideoque nec qui nudo pacto promissum. deinde cum illud ipsum tradit, ipsa traditio confirmat nudum pactum, sic ut non sit condictioni locus. Vgl. auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 69, Schmoeckel, Connan, S. 974. 173 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib.  V cap.  I num.  6 [S.  476]  : Praeterea naturali obligationi potest accedere fideiussor, at Paul. de fideius. l. Si quis pro eo, [D. 46,1,56,2 (Paulus libro quinto decimo quaestionum)] ait  : Si nummos alienos quasi tuos mutuo dederis sine stipulatione, nec fideiussorem teneri, Pomponius ait. Quid ergo si consumptis nummis nascatur condictio  ? fide­ iussorem puto obligatum fore. In omnem enim causam acceptus videtur, quae ex ea numeratione

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 53

Allerdings erklärt Connan einseitig verpflichtende Abreden nicht ausnahmslos für unwirksam. Das staatliche Recht könne diesen zum öffentlichen Wohl verbindliche Wirkung verleihen, wie es das römische Recht etwa mit der Stipulation getan habe.174 Schließlich sichert Connan seine Vertragslehre auch dadurch ab, dass er ­mehrere traditionelle Argumente für die Unverbindlichkeit formloser Abreden übernimmt und in sein Verständnis des Synallagma als Geltungsgrund verbindlicher Verträge einfügt  : So begründet er die Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden zunächst mit dem Schutz vor unbilligen Vermögensschäden, da derartige Abreden häufig nur zum Schein oder aus Leichtsinn getroffen würden.175 Außerdem lasse die rechtliche Unverbindlichkeit Raum für tugendhaftes Verhalten, da äußerer Zwang das Streben nach Standhaftigkeit und damit die Basis einer moralischen Bewertung entfallen ließe.176 Schließlich führt er ein Zitat Ciceros an, wonach Versprechen nicht gehalten werden müssen, wenn sie dem Versprechenden mehr schaden als dem Versprechensempfänger nutzen.177 nasci poterit. Cur nummorum consumptione oriatur obligatio, dicemus suo loco. Nunc hoc constet, si dando nummos alienos mutuo credens esse meos, pacto nudo conventum sit eos reddi, ne naturalem quidem obligationem inesse, cum fideiussor accedere non possit. Vgl. auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 69. 174 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 7 [S. 476]  : Quia tamen officiorum mutationibus, utilitatumque communicatione stat haec quae hominum est inter se consociatio, cum nemo sit tam rebus omnibus abundans ut non alterius adiumenta saepe desideret et requirat, bono publico inventum est genus unum conventionis, quod eum teneret, qui fecisset  : ut rerum suarum certi esse possent, quibus factum esset nec dubia spe semper penderent. Id autem est stipulatio. Vgl. dazu auch Bergfeld, Connanus, S. 171  ; sowie ferner Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. I cap. VI num. 12–13 [S. 12–14], und dazu Diesselhorst, Grotius, S. 33. 175 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 5 [S. 475]  : cum huiusmodi pactiones ab ostentatione potius, quam a voluntate proficiscerentur plerunque, aut ut non simulate, sed bona fide fierent, leviter tamen et parum considerate iactarentur, magnum fortunis omnium videbatur imminere periculum  ; vgl. dazu Nanz, Vertragsbegriff, S. 67  ; sowie ferner Bergfeld, Connanus, S. 170  ; Hartung, Genealogie, S. 284. 176 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib.  V cap.  I num.  5 [S.  475]  : sane perquam justum fuit, aliquid honestati cujusque & liberalitati relinquere non omnia ad necessitatem obligationis revocare & exigere. Augetur enim probatis in nobis et constantiae studium, cum relinquitur ubi virtutes istae elucere possunt  : quod fieri vix posset, si promissa omnia omnes facere cogerentur. quod enim discrimen esset inter ingenuos & versutos, inter constantes & leves, bonos & callidos  ? Vgl. dazu Nanz, Vertragsbegriff, S. 67  ; Petronio, Sinallagma, S. 232. Ferner Hartung, Genealogie, S. 285, sowie Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. I cap. VI num. 12 [S. 32 f.], und dazu Bergfeld, Connanus, S. 95. 177 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 5 [S. 475]  : Nec promissa igitur ser­

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

54 | 

Erstes Kapitel 

Die uneingeschränkte Verbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden würde zudem zu unzähligen Rechtsstreitigkeiten führen.178 Während das römische Recht aus diesem Grund lediglich im Fall der Stipulation die Klagbarkeit einseitig verpflichtender Abreden erlaubt habe,179 hätten frühere Völker überhaupt nur gegenseitige Abreden gekannt180. Für das positive Recht bleibt Connans Vertragsverständnis somit abgesehen von Sicherungsabreden folgenlos, doch einer rein naturrechtlichen Vertragsrechtslehre, wie Grotius sie zu entwerfen versucht, entzieht er weitgehend die Grundlage. Es überrascht daher wenig, dass sich nicht nur Grotius, sondern auch spätere Naturrechtler wie Heineccius181 oder von Pufendorf182, aber auch Juristen wie Wesenbeck, die eine gemeinrechtliche Verbindlichkeit der pacta nuda gerade aus der naturrechtlichen Verbindlichkeit herleiten wollen,183 immer wieder ausführlich mit Connans Position auseinandersetzen.

178

179

180

181 182 183

vanda sunt ea quae sint ijs quibus promiseris, inutilia  : nec si plus tibi noceant, quam illi prosint cui promiseris  : ut docet Tull. lib. primo Officiorum [Cic. off. 1,32]. Vgl. dazu Bergfeld, Connanus, S. 170. Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 7 [S. 476]  : Valde enim dissentio ab ijs quae hactenus uno ore omnes tradiderunt, quod olim iure gen. passim obligarentur homines quibus libet promissis, etiam leviter & nulla de causa effutitis, infinitae lites & controversiae orirentur  ; vgl. dazu Nanz, Vertragsbegriff, S. 68  ; Petronio, Sinallagma, S. 231 Fn. 73. Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 7 [S. 476]  : idcirco iure civili constitutum fuisse, ut ne de huiusmodi conventis appellaretur quisquam, nisi stipulatio verborum intervenisset. sic enim occurrendum fuisse hominem tam levitati, tum vanitati  ; vgl. dazu Nanz, Vertragsbegriff, S. 68  ; Petronio, Sinallagma, S. 231 Fn. 73. Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 7 [S. 476]  : etiam primos illos homines harum promissionum nullam curam habuisse, sed in cujusque eas voluntate reliquisse, satisque putasse, ut quis eas exsolvere cogeretur, in quibus contractum fuerat συναλλάγμα  : ut sunt omnes contractus qui versantur in communi commercio, ut emptio, locatio, mandatum et depositum, et similes, qui habent reciprocam obligationem. Vgl. dazu Bergfeld, Connanus, S. 169  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 68  ; Petronio, Sinallagma, S. 232. Ferner auch Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. I cap. VI num. 12 [S. 32 f.], und dazu Bergfeld, Connanus, S. 93 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 33. Heineccius, Elementa Iuris Naturae ac Gentium, lib. I § CCCXC  ; Ders., Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I, § IV num. 2.3, vgl. dazu jeweils Bergfeld, Heineccius, S. 112 f. Pufendorf, De  Iure Naturae et Gentium, lib.  III cap.  V §§  IX–X, vgl. dazu auch Kowalski, causa, S. 192–198. Vgl. dazu S. 56–58.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 55

2. Mattheus van Wesembeke Auch Wesenbeck (Matthaeus Wesenbecius)184 bemüht sich um eine allgemeine Vertragslehre auf Grundlage des römischen und gemeinen Rechts. Großen Einfluss auf spätere Autoren entfaltet sein Hauptwerk, welches zunächst 1566 als Paratitla in pandectas iuris civilis und 1575 gemeinsam mit seinem Codex-Kommentar als Commentarii in pandectas iuris civilis et codicis iustinianei (olim Paratitla dicti) erscheint185.186 Ein Schüler Wesenbecks, Everardus Bronchorst, lehrte zudem unter unmittelbarer Verwendung der Paratitla von 1587 bis 1620 an der Universität Leiden,187 d. h. sowohl während Grotius’ Studienzeit188 als auch während der Studienzeit seines Bruders Wilhelm. Obwohl Grotius in seinen Werken fast189 nie darauf verweist, besaß er zum Zeitpunkt seiner Verhaftung ein Exemplar von Wesenbecks Paratitla oder ­Commentarii, welches zu den wenigen Büchern zählt, die er sich während seiner Inhaftierung auf Schloss Loevestein von seiner Frau bringen ließ.190 Letzteres stellt wohl ein Indiz für Grotius’ Wertschätzung der Paratitla dar, wenngleich 184 Für eine biographische Darstellung zu Wesenbeck vgl. zuletzt Lück, Wesenbeck. 185 Vgl. Feenstra, pacta nuda, S. 124 f., insb. auch Fn. 4 f., der darauf hinweist, dass es sich bei der bereits 1563 erschienenen Ausgabe um eine nicht durch Wesenbeck autorisierte, unvollständige Ausgabe handelt und erst die viel ausführlichere Ausgabe von 1566 durch Wesenbeck selbst besorgt wurde. Vor diesem Hintergrund liegt in der von Nanz, Vertragsbegriff, S.  86–94, vorgenommenen Differenzierung zwischen den Paratitla und den Commentarii eigentlich eine Unterscheidung zwischen der Raubedition und der autorisierten Version, da Nanz für die Paratitla gerade jene Ausgabe von 1563 heranzieht. 186 Vgl. ausführlich zu Wesenbeck und seiner Vertragslehre  : Decock, Contract Law, S.  155–157, Feenstra, pacta nuda, S. 124–128  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 85–94  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 106–108. 187 Ahsmann, Collegium, S. 244–246  ; Feenstra, pacta nuda, S. 128 f. 188 Allerdings existieren für Grotius selbst, anders als für seinen Bruder Wilhelm, keine Hinweise darauf, dass er in Leiden juristische Vorlesungen besucht hat, vgl. im Text bei Fn. 252–255. 189 De Iure Belli ac Pacis enthält lediglich einen (erst in der Auflage von 1642 ergänzten) Verweis, De  Iure Praedae hingegen keinen einzigen. Beide Werke enthalten jedoch (mehrere) Verweise auf den von Wesenbeck fertiggestellten Institutionenkommentar Schneidewins. Auch in seiner umfangreichen Briefkorrespondenz erwähnt Grotius die Paratitla lediglich in drei Briefen, vgl. Grotius, BW, I, S. 390 (num. 405)  ; Ders., BW, II, S. 196 (num. 741)  ; Ders., BW, XVII, S. 117 (num.  384a). Ein weiteres Mal finden sie in einem an Grotius adressierten Brief von Adriaen Hogerbeets Erwähnung, vgl. Grotius, BW, XVII, S. 189 (num. 699a). 190 Vgl. Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), S. 62 f.: »Volgen de boecken die de huysvrouwe van de voors. de Groot … sijn laten volgen, om … opt Huys te Louvesteijn te mogen gebruycken  : […] 316. Matthaei Wesenbecij in Pandectas iuris civilis«  ; van Ittersum, Confiscated Manuscripts, S. 371.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

56 | 

Erstes Kapitel 

dies in gewissem Widerspruch zu der auffälligen Abwesenheit entsprechender Verweise steht. Die Paratitla dürften ihm als eines der wenigen Referenzwerke während der Arbeit an der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid ­gedient haben. Methodisch steht Wesenbeck zwischen Humanismus und Usus modernus,191 da er einerseits ausführlich antike Quellen heranzieht, andererseits aber mindestens genauso an dem geltenden gemeinen Recht seiner Zeit wie am klassischen römischen Recht interessiert ist. In diesem Zusammenhang postuliert Wesenbeck für das gemeine Recht die Verbindlichkeit sämtlicher Abreden, einschließlich der pacta nuda. Dies stützt er maßgeblich darauf, dass auch nach dem Naturrecht sämtliche Abreden verbindlich seien. Entsprechend wendet er sich zunächst mit sieben Argumenten gegen die wenige Jahre zuvor veröffentlichte Ansicht Connans  :192 Zunächst sei nicht einzusehen, warum Abreden nach dem Natur- und Völkergemeinrecht keine Wirkung entfalten sollten, obwohl diese als conventiones iuris gentium bezeichnet würden.193 Ulpian erkläre in D. 2,14,1 pr. zudem, dass die Befolgung sämtlicher Abreden mit der fides humana übereinstimme, was letztlich mit dem Naturund Völkergemeinrecht identisch sei.194 In D. 46,3,5,2 erkläre er, aus einer Abrede werde n a t u r a l i t e r geschuldet (ex pacto naturaliter debebantur), womit nach D. 50,17,84,1 ebenfalls das Völkergemeinrecht gemeint sei.195 Außerdem bestünden Abreden aus Konsens und Übereinkunft, woraus nach Völkerge191 Nanz, Vertragslehre, S. 87  ; Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 117. 192 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 138 f.]  : Ex pacto, iure naturali seu gentium, nasci obligationem naturalem, quae illo iure sit efficax, in l. I. l. iurisgentium, 7. §. I. hoc tit. l. legem. 20. l. in bonae fidei. 13. C. eo. Quam regulam Connanus lib. 5. Comment. & alij, multis licet argumentis impugnent  : tamen iudicio veram esse, & rationi consentaneam [Hervorh. im Orig.]. 193 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Nam primo, cur hae conventiones appellantur iuris gentium, si eo iure non sunt efficaces  ? d. l. 7. & passim. tot. hoc tit. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 88  ; ferner Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 328 f. 194 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Deinde Ulpian. in l. I. hoc tit. ait, Congruum esse humanae fidei, hoc est, Iuri gentium seu Iuri naturae (quod ipsum humanum Livio vocatur) pacta servare. Si igitur humano iure pacta servanda sunt  : certe eodem iure efficacia fuerunt, tam ad agendum, quam ad excipiendum. Haec enim vis est verbi Servare, cum ius servari quid iubet, ut pluribus declarat Panor. num. 2.4. & 5. in c. I. de pactis [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 88 f. 195 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Tertio, I. C. l. in ius. 5. §. imperator. de solutio. diserte ait, ex pacto Naturaliter deberi  : hoc est, Iure gentium, l. cum amplius, 84. de reg. iur. & c. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 89.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Humanismus 

| 57

meinrecht eine obligatio und konsequenterweise auch eine Klage entstehe.196 Da das auf eine Abrede Geleistete nicht zurückgefordert werden könne, müsse es eine zugrunde liegende naturalis obligatio geben.197 Des Weiteren betone Paulus, dass aus einem pactum nudum z w i s c h e n R ö m e r n keine Klage entstehe, was im Umkehrschluss bedeute, dass dies nach Völkergemeinrecht sehr wohl geschehe.198 Schließlich könne eine naturalis obligatio auch durch pactum nudum aufgehoben werden, sodass diese entsprechend D.  50,17,35199 im Umkehrschluss auch auf diese Weise entstehen können müsse (actus con­ trarius-Gedanke200).201 Nachdem Wesenbeck die naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher Abreden gegen Connan verteidigt hat, wendet er sich den verschiedenen Vertragstypen des römischen Rechts zu, bevor er zum gemeinen Recht übergeht. Demnach würden viele Feinheiten des römischen Rechts nicht länger angewandt, wozu auch die Unverbindlichkeit der pacta nuda zähle.202 196 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Quarto, pacta consensu & conventione constant, ex qua iure gentium obligatio existit  : l. I. in fin. hoc tit. l. I. in fin. de contrahen. empt. l. si non sortem. 26. §. libertus. l. frater a fratre, de condict. indeb. & per consequens, etiam illo iure actio seu petitio, Panorm. in c. dilecti. de iudic. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 89. 197 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Quinto ex pacto quod solvitur  ; repeti non potest, l. cum proponas, 21. C. de pact. l. debitor. 59. §. fin. ad Trebellian. l. inter. 26. §. filia de pact. dotalibus. ideo necessum est, hoc naturaliter deberi. Nam ubi naturalis non subest obligatio, ibi datur eius quod solutum est, repetitio, l. quod pupillus, 41. d. l. si non sortem, §. indebitum de condict. indeb. d. l. cum proponas, in fin. C. eod. hoc tit. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S.  89. Dieses Argument hatte Connan allerdings bereits entkräftet, vgl. Fn. 172. 198 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Sexto, Paulus ait, lib. 2. tit. 14. inter cives Romanos ex nudo pacto actionem non nasci  : indicat igitur, Iure gentium & inter eos qui iure Roman. non utantur, nihil causae esse, cur hinc agi nequeat [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 89. 199 D. 50,17,35 (Ulpianus libro quadragensimo octavo ad Sabinum)  : Nihil tam naturale est quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est. ideo verborum obligatio verbis tollitur  : nudi consensus obligatio contrario consensu dissolvitur. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 89. 200 Vgl. etwa auch D. 46,3,80 (Pomponius libro quarto ad Quintum Mucium), worauf Wesenbeck jedoch nicht Bezug nimmt. 201 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 139]  : Ultimo, Pacta nuda conventione tollunt obligationem naturalem, quae consensu constat  : l. Stichum, 95. §. naturalis, de solutio. l. qui exception. 40. §. ultim. iuncta l. si non sortem, 26. § libertus, de condict. indeb. glos. mag. & Dd. in l. I. de cond. ind. quare ut eandem inducant, necesse est. Nam eodem modo unumquodque tollitur, quo inducitur, & e contrario, l. nihil, 30. de reg. iur. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 89. 202 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 150]  : Quamquam autem hac de re, plura subtiliter

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

58 | 

Erstes Kapitel 

Dies gelte jedoch nicht nur für das kanonische Recht, sondern vielmehr für sämtliche Gerichte, die nach Billigkeit oder Autorität entscheiden (in omni foro ubi ex aequo et bono et ex suprema potestate iudicatur), wie etwa von Fürsten, Schiedsrichtern oder Kaufleuten.203 Auch das gemeine Recht erkenne die Klagbarkeit »nach allgemeiner Meinung« an.204 Dass diese Behauptung Wesenbecks den dafür angeführten Autoren nicht gerecht wird,205 ist für diese Untersuchung nebensächlich. Entscheidender ist, dass er die gemeinrechtliche Klagbarkeit der pacta nuda aus ihrer naturrechtlichen Verbindlichkeit herleitet,206 die er zuvor gegen Connan verteidigt hat. Diese sei vor dem Gewissen bindend, ein Verstoß dagegen eine Sünde, in der Terminologie der Kanonisten eine Todsünde. Dies belegt er unter Verweis auf Rom. 1,31, wonach es eine mit dem Tod zu bestrafende Verfehlung darstelle, Abreden nicht zu erfüllen.207 disputari possunt, tamen modus aliquis adhibendus est  : maxime cum hae iuris veteris subtilitates, hodie non sint in usu. Vgl. dazu auch Feenstra, pacta nuda, S. 125–127  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 90  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 107. 203 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 150]  : Nam primum iure Pontificio, ex quolibet pacto oritur actio, c.  I. & 3. ubi Can. ext. eod. Deinde hodie idem obtinet in omni foro, ubi ex aequo & bono, & ex suprema potestate iudicatur  : ut sunt Curiae summorum Principum, Arbitratorum, Mercatorum, & similium, Bart. & Dd. in l. 7. §. quinimo, per illum text. hoc tit. & in l. si fideiussor. 29. §. quaedam, mandati. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Feenstra, pacta nuda, S. 125–127  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 90  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 107. 204 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 150]  : Etsi vero longa est disputatio, an in reliquis Curijs in quib. secundum ius civile pronunciatur, ius Pontificium obtinere debeat  : tamen communis opinio est, & ita usus observat, ut indistincte ex pactis Nudis serio & deliberate initis, etiam in foro Civili hodie detur actio, Bald. & Salic. in l. petens. 21. C eod. & idem Bald. in l. legitim. 6. in princ. hoc tit. & Ias. qui dicit esse communem, in d. l. 7. §. sed. cum nulla, num. 4. Quod verum puto, & sequendum. Nam eiusmodi pacta cum obligent naturaliter, & ex bono & aequo, l. I. in princ. hoc tit. l. I. de const. pecun. [Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Feenstra, pacta nuda, S. 125–127  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 90 f.; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 107  ; sowie ferner Behrends, Treu und Glauben, S. 993. 205 Vgl. dazu insbesondere Nanz, Vertragsbegriff, S.  90  f.; Feenstra, pacta nuda, S.  126  f.; ­S chmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 315. 206 So schon Seuffert, obligatorische Verträge, S. 107. 207 Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 9 [S. 150 f.]  : sequitur eum, qui pacta non servat, contra naturam, conscientiam, atque adeo contra officium boni viri facere, ac peccare, ut volunt Canonistae, mortaliter, gloss. in cap.  I. de pactis. Et certe Divus Paulus ad Rom. I. 13. [Rom. 1,31  !] ἀσυνθέτες, hoc est, eos qui pacta non servant, in illis numerat, qui capitaliter delinquunt. Est autem definitum inter Doctores ut quotiescunque agitur de cavendo peccato, deque causa conscientiae, toties etiam in foro civili ius Pontificium debeat observari, c. 1. & 2. ubi Dd. de oper. non. nunc. Castr. in Auth. qui semel num. 3. & 4. Cod. de probat. cum simil. [Korrektur d. Verf.; Hervorh. im Orig.]. Vgl. dazu auch Decock, Contract Law, S. 156 f.; Feenstra, pacta nuda, S. 125–127  ;

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Spätscholastik 

| 59

Erst Decock und Jansen haben diese Begründung und die darin liegende Parallele zu spätscholastischen Autoren in den Fokus gerückt,208 nachdem sich die frühere Literatur auf die wenige Sätze zuvor (fälschlich) postulierte communis opinio konzentrierte. Überzeugend betont Jansen, dass religiöse Argumente unbeschadet der vielfältigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Gegenreformatoren und Protestanten für letztere nicht in allen Fällen inakzeptabel waren, insbesondere wenn sie auf eine konfessionsübergreifend als Autorität anerkannte theologische Grundlage – wie etwa den Römerbrief – gestützt wurden.209 Wesenbeck deshalb gleich zum Erben der Moraltheologie zu erklären,210 ginge aber möglicherweise zu weit. Zwar stützt sich Wesenbeck neben dem Römerbrief auch ausdrücklich auf ungenannte Kanonisten und schränkt in typisch moraltheologischer Terminologie ein, Abreden seien (nur) verbindlich, soweit sie serio & deliberate eingegangen wurden, doch wurde letztere Einschränkung erst in der Ausgabe von 1575 ergänzt211. Zudem findet sich dieses Begriffspaar in ähnlichem Kontext auch bei den zeitgenössischen Legisten Rittershausen und Vultejus.212 Für diese Untersuchung kann ein möglicher moraltheologischer Einfluss letztlich dahinstehen. Entscheidend ist, dass auch in Zeiten theologischer Grundsatzkonflikte ein Kern allgemein anerkannter theologischer Argumente verblieb, derer sich auch Juristen wie Wesenbeck bedienten.

IV. Spätscholastik Den bisher dargestellten Autoren ist (mit Ausnahme der Glossatoren und Baldus) gemein, dass Grotius zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 1618 jeweils nachweislich ein Exemplar der für ihr Vertragsverständnis relevanten Werke besaß. Für die im Folgenden dargestellten spätscholastischen Autoren ist dies nicht belegt.213 Eine Hartung, Genealogie, S. 285  ; Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 65 f.; Nanz, Vertragsbegriff, S. 91  ; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 107. 208 Vgl. Decock, Contract Law, S. 156 f.; Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 65 f. 209 Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 65 f., 68–70. 210 So Hartung, Genealogie, S.  285  ; diesem folgend Albers, Versprechen und Vertrag, S.  44 Fn. 72  ; Ders., ZRG (RA) 135 (2018), S. 338 f.; zustimmend auch Decock, Contract Law, S. 156. 211 Astorri, Contract Law, S. 117 Fn. 17  ; Feenstra, pacta nuda, S. 126 Fn. 12, S. 128 Fn. 23. 212 Vgl. Seuffert, obligatorische Verträge, S. 117 f., 124 f.; ferner zur Verwendung durch spätere Juristen ebd., S. 132, 137 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 553 Fn. 43. 213 Vgl. Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943). Allerdings ist in der Sekundärliteratur allgemein anerkannt, dass die nach der Verhaftung erstellte Inventur seiner Bibliothek unvollständig gewesen sein muss. Zudem vermuten van Ittersum, Confiscated Ma-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

60 | 

Erstes Kapitel 

Ausnahme bildet Domingo de Soto214, dessen De Iustitia et Iure sich Grotius sogar als eines von wenigen zeitgenössischen Werken von seiner Frau in die Haft auf Schloss Loevestein bringen ließ.215 Dennoch scheint Grotius auch auf die Werke der anderen spätscholastischen Autoren Zugriff gehabt zu haben, wie die zahlreichen Ausführungen216 und Zitate in den untersuchten Werken und nicht zuletzt Briefe an Gerardus Vossius217 und seinen Bruder Wilhelm218 zeigen. In De Iure Belli ac Pacis zählt Grotius die Autoren der Spätscholastik gemeinsam mit den Humanisten zur dritten Gruppe juristischer Quellen.219 Zudem gehören sie zu den von ihm am häufigsten zitierten (nachklassischen) Autoren.220 Das Naturrecht steht bei ihnen im Vergleich zu den bisher dargestellten Autoren deutlich stärker im Fokus und wird regelmäßig als dritte Rechtsordnung neben dem gemeinen und dem kanonischen Recht behandelt. Insbesondere die

nuscripts, S. 369–371, 374 f., und Rabbie, Grotius’ library, S. 124 f., dass sein Bruder Wilhelm Grotius oder sein Vater Jan Grotius zwischen Grotius’ Verhaftung im August 1618 und der Inventur im März 1620 besonders wichtige oder kompromittierende Bücher entfernt haben könnten. Zudem weist Rabbie, ebd., S. 119 f., darauf hin, dass Grotius’ Frau im Juni 1619 wohl eine Gelegenheit dazu hatte, einige Bücher aus der Bibliothek zu entfernen, als sie ihm die in der Auflistung separat aufgeführten Werke in die Haft auf Schloss Loevestein bringen durfte. 214 Für eine biographische Darstellung zu de Soto vgl. zuletzt Hill, de Soto. 215 Vgl. Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), S. 62  : »Volgen de boecken die de huysvrouwe van de voors. de Groot … sijn laten volgen, om … opt Huys te Louvesteijn te mogen gebruycken  : […] 308. Dominico de Soto, de Justitia et Jure«  ; van Ittersum, Confiscated Manuscripts, S. 371. 216 Insb. Grotius, IPC, cap.  XII, fol.  110v [S.  236]  : Verum omnem hanc quaestionem diligentissime tractavit Vasquius, decus illud Hispaniae, cuius nec in explorando iure subtilitatem, nec in docendo libertatem umquam desideres [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. auch Fn. 155. 217 Grotius, BW, I, S. 611 (num. 567)  : Ego lectione istius libelli incitor ut eos legam qui hoc argumentum cum cura tractarunt, quos inter minime spernendus est Lessius quem legi diligenter  ; ut et Valentiam et Cumelem. Video saepe citari Suarezium tum de Praedestinatione tum de Auxiliis liberi Arbitrii. Si habes tu aut alius quis amicorum velim uti in dies paucos. Dominicanorum vix legi quenquam [Hervorh. d. Verf.]. 218 Etwa Grotius, BW, I, S. 424–426, S. 425 (num. 432)  : Auctores mihi praeter eos, quos lectos tibi video, vix succurrunt, extra pragmaticos quosdam qui rem involvunt magis quam explicant. Corollaria facile ex Claro colliges, qualia haec nobis nuper in mentem veniebant. […] 5. Testamentum non habens solemnitates requisitas an aliquem obliget in conscientia. […] Quintam tractat Sotus etiam, et ut puto Vasquius. 219 Grotius, IBP, prolegomena LIII, vgl. Fn. 115  ; ebd., prolegomena LV. Vgl. zu den Schwierigkeiten dieser Gruppierung aber zuletzt Wijffels, Influences, S. 394 f. Die Autoren der Hochscholastik, welche in Fragen der Moral nur selten falsch lägen, zählt er nicht zu den juristischen, sondern zu den theologischen Quellen, vgl. Grotius, IBP, prolegomena LII. 220 Vgl. Fn. 117.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Spätscholastik 

| 61

naturrechtlichen Vertragslehren221 von Luis de Molina (Ludovicus Molina) und Lenaert Leys (Leonardus Lessius)222 weisen dabei große Parallelen zu Grotius’ Lehre(n) auf.223 Während frühere Vertreter der spanischen Spätscholastik ein abstraktes Vertragsverständnis allenfalls im Rahmen ihrer Restitutionslehren andeuten,224 entwickeln Molina und Lessius eigenständige und systematisierte Vertragslehren225. Diese beginnen mit von konkreten Vertragstypen abstrahierten, allgemeinen Erörterungen,226 bevor sie – begonnen mit dem freigiebigen Versprechen – die Eigenheiten einzelner Verträge diskutieren227. Ihre einleitenden Auseinandersetzungen mit der ambivalenten Bedeutung der Begriffe contractus und promissio sind aufschlussreich für das Verständnis terminologischer Unterschiede einzelner Autoren (einschließlich Grotius).228 In einem engeren – und wie Molina im Anschluss an de Soto ergänzt  : dem eigentlichen – Sinne bezeichne contractus jede Übereinkunft, aus der für b e i d e Parteien Verbindlichkeiten entstehen.229 Dies stützen Lessius, Molina und de Soto jeweils maßgeblich 221 Daneben stellen diese Autoren auch die vestimenta-Lehre des gemeinen Rechts und die causa-­ Lehre des kanonischen Rechts (in der ihr von Baldus gegebenen Form) dar. Allerdings deuten sie letztere als praktische Umsetzung der naturrechtlichen Voraussetzungen und Molina erklärt darüber hinaus, es wäre (zum Schutz des Seelenheils) wünschenswert, dass die vestimenta-Lehre aufgegeben werde  ; dazu Kowalski, causa, S. 164–182 m. w. N. 222 Für eine biographische Darstellung zu diesen Autoren vgl. zuletzt van Houdt, Lessius  ; MacGregor, Molina. 223 Vgl. dazu im Detail Decock, Contract Law, S.  18, 62, 170–178, 208–212, 494–496, 598–601, 643 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 4–9, 20–30, 44–47, 52 f., 68 f., 72, 144. Gordley, Philosophical Origins, S. 71–110  ; relativierend aber Straumann, Grotius, S. 175 Fn. 354. Für ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eng Grotius stellenweise in dem Kapitel De Promissis in De Iure Belli ac Pacis (auch ohne diesen zu zitieren) mit Lessius gearbeitet zu haben scheint, vgl. ferner auch Feenstra, L’Influence, S. 382–386. 224 Vgl. zum Verhältnis von Restitutionslehre und Vertragsrecht in der Spätscholastik Jansen, Restitution, S. 53–55. 225 Diese finden sich jeweils unter dem Titel De Contractibus im zweiten Buch in Molina, De Iustitia et Iure, welches die disputationes 252–575 umfasst, bzw. im dritten Teil des zweiten Buches in Lessius, De Iustitia et Iure, welches die Kapitel 17–28 umfasst. 226 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 252–261. 227 Lessius, De  Iustitia et Iure, lib.  II cap.  XVIII–XXVIII  ; Molina, De  Iustitia et Iure, lib.  II disp. 262–575. 228 Vgl. dazu auch Gordley, Philosophical Origins, S. 71–73. 229 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 1–2 [S. 195]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib.  II disp.  252 num.  4 [Sp.  2]. Vgl. dazu auch Birocchi, causa, S.  257  ; Böttcher, Mental­ reservation, S. 164  ; Decock, Contract Law, S. 176  ; Diesselhorst, Grotius, S. 5. Ähnlich auch de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VI qu. II a. I, vgl. Fn. 1223.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

62 | 

Erstes Kapitel 

auf die (auch von Connan als Ausgangspunkt verwendete) Definition in D. 50,16,19. Daneben werde contractus in einem weiteren – und im Ergebnis von Lessius bevorzugten – Sinne auch für Übereinkünfte verwendet, aus denen nur für e i n e Partei Verbindlichkeiten entstehen.230 Molina kennt noch eine dritte (und seiner Meinung nach am wenigsten zutreffende) Bedeutung von contractus, die synonym zu pactum auch jene Übereinkünfte einschließe, aus ­denen für k e i n e Partei Verbindlichkeiten entstehen – wie etwa im Fall der sofort vollzogenen Schenkung.231 Eine promissio – oder pollicitatio – liege vor, solange mangels Annahme durch die andere Partei (acceptatio) noch keine Übereinkunft und damit noch kein pactum bzw. kein contractus zustande gekommen ist.232 Daneben könne promissio aber auch ein freigiebiges Versprechen bezeichnen.233 Aus jeder frei von Willensmängeln (zwischen geschäftsfähigen Personen) ­geschlossenen Abrede (pactum bzw. contractus) entstehe jedenfalls eine naturalis obligatio.234 Das Naturrecht kenne weder eine Unterscheidung zwischen Nominat- und Innominatkontrakten noch zwischen pacta vestita und pacta ­nuda.235 Lessius qualifiziert dies jedoch dahingehend, dass das staatliche Recht 230 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 4 [S. 195 f.]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib.  II disp.  252 num.  6 [Sp.  3]. Vgl. dazu auch Birocchi, causa, S.  257  ; Böttcher, Mental­ reservation, S. 164  ; Decock, Contract Law, S. 174–176  ; Diesselhorst, Grotius, S. 5 f. Ähnlich auch de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VI qu. II a. I, vgl. Fn. 1223. Lessius bricht insofern mit der mittelalterlichen Tradition, indem er im weiteren Verlauf seines Werkes nicht pactum, sondern vielmehr contractus in diesem weiten Sinne als Oberbegriff seiner Vertragslehre verwendet, vgl. auch Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 5 [S. 196]  : Nos nomine contractus utimur hic ample, ut idem sit quod pactum, & comprehendat contractus gratuitos, qui sunt veluti semicontractus. 231 Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 252 num. 7 [Sp. 4]. Vgl. dazu Birocchi, causa, S. 257 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 5. 232 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 5 [S. 196]  ; ebd., cap. XVIII dub. I num. 1 [S. 216]  ; ebd., dub. II num. 16 [S. 217 f.]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 252 num. 3 [Sp. 1 f.]  ; ebd., disp. 255 num. 2 [Sp. 13]  ; ebd., disp. 263 num. 1 [Sp. 40 f.]. Vgl. dazu Decock, TR 77,3/4 (2009), S. 442  ; Gordley, Philosophical Origins, S. 72. 233 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. I num. 1 [S. 216]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 262 num. 1 [Sp. 36 f.]. 234 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19 [S. 197]  : Omnis contractus, etiam nudus, sponte libereque factus, si contrahentes sint habiles, parit obligationem naturalem, seu in foro conscientiae, ita ut parte invita non possis rescindere  ; nisi Iure positivo sit irritus, vel detur irritandi potestas  ; ferner auch ebd., dub. III num. 14 [S. 196 f.]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 257 num. 1–2 [Sp. 18 f.]. Vgl. dazu auch Decock, Contract Law, S. 152  ; Ders., marché du mérite, S. 44 f.; Ders., TR 77,3/4 (2009), S. 446  ; Diesselhorst, Grotius, S. 7 f.; Kowalski, causa, S. 160 f. 235 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19 [S. 197]  ; Molina, De Iustitia et

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Spätscholastik 

| 63

einer Abrede im Einzelfall auch die naturrechtliche Wirksamkeit entziehen könne – was etwa bei Verträgen Unmündiger (impuberes), dem Veräußerungsverbot hinsichtlich zur Mitgift gehörender Grundstücke (fundi dotalis) oder Verträgen über einen Pflichtteilsverzicht (contractus parentis cum filio vel filia, ut pro certa summa cedat legitima portione) geschehen sei.236 Die Unverbindlichkeit der pacta nuda nach römischem Recht begründen beide Autoren zudem damit, dass andernfalls eine Überlastung der Gerichte drohe.237 Da naturrechtlich jede Abrede verbindlich sei, könne es folglich auch kein Reuerecht des zuerst Leistenden geben – die condictio causa data, causa non ­secuta des gemeinen Rechts sei mit dem Naturrecht unvereinbar.238 Unterschiedlich beurteilen Molina und Lessius die Frage, ob bereits ein einseitiges, noch nicht angenommenes Versprechen (promissio oder pollicitatio) eine naturalis obligatio begründe239 oder zusätzlich die Annahme durch den Adressaten erforderlich sei240.241 Iure, lib. II disp. 257 num. 1 [Sp. 18 f.]. Vgl. dazu auch Birocchi, causa, S. 260  ; Diesselhorst, Grotius, S. 7. 236 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19–20 [S. 197]. Vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 406 f.; Ders., TR 77,3/4 (2009), S. 446  ; der Gedanke findet sich (mit anderen Beispielen) ähnlich schon bei Vitoria, vgl. Decock, Contract Law, S. 361 f. 237 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 21 [S. 197 f.]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 255 num. 7 [Sp. 15]  ; ebd., disp. 257 num. 1 [Sp. 18]  ; ebd., disp. 258 num. 9 [Sp.  25]  ; vgl. auch Diesselhorst, Grotius, S.  8  ; sowie zu Lessius und Covarruvias Decock, Contract Law, S. 118 f., 268, 412 f. 238 So Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 21–22 [S. 197 f.]. Molina, De Iustitia et Iure, lib.  II disp.  257 num.  1 [Sp.  18  f.], erklärt schlicht, niemand könne zur Rückgabe des aufgrund eines pactum nudum Erhaltenen gezwungen werden. Vgl. dazu Kowalski, causa, S. 168 f., 171. 239 Molina, De  Iustitia et Iure, lib.  II disp.  263 num.  11–12 [Sp.  45  f.]  ; ebd., disp.  266 num.  10 [Sp. 64]  ; ferner auch ebd., disp. 255 num. 2 [Sp. 13]. Vgl. dazu Birocchi, causa, S. 263–267  ; ­Decock, Contract Law, S. 188–190  ; Diesselhorst, Grotius, S. 23, 109 f.; Gordley, Philosophical Origins, S. 80  ; ferner auch Chiodi, Grotiana 41,1 (2020), S. 57. Molina schränkt allerdings unmittelbar danach ein, dass Versprechen in Austauschverträgen regelmäßig unter der Bedingung des Versprechens der Gegenleistung abgegeben werden, vgl. Molina, De  Iustitia et Iure, lib. II disp. 263 num. 13 [Sp. 48]. 240 So Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. VI num. 34, 37, 39–40 [S. 219 f.]  ; Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, pars. II § IV num. 25 [S. 317], der den Eid, ebd., num. 27 [S. 317], jedoch anders beurteilt  ; tendenziell auch de Soto, De Iustitia et Iure, lib. III qu. V a. III [Bd. 2, S. 246]. Vgl. dazu Chiodi, Grotiana 41,1 (2020), S. 55–57  ; Decock, Contract Law, S. 188, 190–191  ; Diesselhorst, Grotius, S. 24 f., 109–111  ; Gordley, Philosophical Origins, S. 80. 241 Vgl. zu dieser Frage (auch bei anderen Autoren) im Detail Chiodi, Grotiana 41,1 (2020)  ; ferner Decock, marché du mérite, S. 52 f.; sowie zu Panormitanus und Covarruvias Ders., Contract Law, S. 187 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

64 | 

Erstes Kapitel 

Im Rahmen ihrer Ausführungen zum freigiebigen Versprechen greifen beide Autoren – ähnlich wie auch de Soto in seinen Erörterungen zum Gelübde – die Differenzierung Thomas von Aquins zwischen Überlegung (deliberatio), Vorhaben (propositum) und Versprechen (promissio) auf.242 Insoweit besteht zunächst Einigkeit darin, dass im Ergebnis weder deliberatio noch propositum (oder ihre jeweilige Kundgabe) zu einer Bindung führen.243 Darüber hinaus wenden sich Lessius, Molina und de  Soto gegen die in diesem Kontext entwickelte Auffassung Cajetans, wonach die Nichterfüllung einer promissio lediglich eine einfache Sünde und keine Todsünde darstelle, da die entsprechende Verpflichtung aus den Nebentugenden (ex honestate morali) der Wahrhaftigkeit (veritas) und Treue (fides), nicht aber aus der Gerechtigkeit selbst (ex iustitia) folge.244 Während für de Soto jedes Versprechen eine Verpflichtung aus der Gerechtigkeit begründet, differenzieren Molina und Lessius anhand des Willens des Versprechenden und Lessius zudem anhand der (wirtschaftlichen) Bedeutung und weiterer Umstände, wie etwa der Freigiebig- bzw. Gegenseitigkeit des Versprechens.245 Schließlich wird für das freigiebige Versprechen minutiös diskutiert, ob die Bindungswirkung eine Kundgabe des Versprechens voraussetze. Im Ergebnis lässt Molina bei freigiebigen Versprechen für das Entstehen einer Bindung – wie zuvor schon Vitoria – bereits die innere Entscheidung ausreichen, während Lessius 242 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. I num. 2–3, 5 [S. 216]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 262 num. 1–2 [Sp. 36 f.]. Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 1 resp. [Bd. 9, S. 234]. Ähnlich auch de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. II a. I Quaestio in primo argumento praetacta [Bd. 4, S. 630], ferner auch (zum Eid) ebd., lib. VIII qu. I a. I Blasphemiae [Bd. 4, S. 712]. Vgl. im Detail Decock, Contract Law, S. 178–182  ; Diesselhorst, Grotius, S. 16–22  ; Kowalski, causa, S. 160–164. 243 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. I num. 5 [S. 216]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 262 num. 1 [Sp. 36 f.]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. II a. I Quaestio in primo argumento praetacta [Bd.  4, S.  630]. Vgl. dazu Decock, Contract Law, S.  179–182  ; Diesselhorst, Grotius, S. 21 f. 244 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. VIII num. 52 [S. 223 f.]  ; ebd., num. 55 [S. 225]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 262 num. 3, 5 [Sp. 37]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. II a. I Promissio simplex genere suo obligat sub mortali [Bd. 4, S. 630]. Vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 180 f., 197–201  ; Diesselhorst, Grotius, S. 8, 10 f., 26 f.; Gordley, Philosophical Origins, S. 73 f.; sowie zu Molina auch Kowalski, causa, S. 160–163. 245 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. IV dub. I num. 2 [S. 29]  ; ebd., cap. XVIII dub. I num. 6 [S.  216]  ; ebd., dub.  VIII num.  53–56 [S.  224  f.]  ; Molina, De  Iustitia et Iure, lib.  II disp.  262 num. 2–3 [Sp. 37]  ; ebd., num. 11 [Sp. 39]. Vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 178, 200–202  ; Diesselhorst, Grotius, S. 26–30  ; Gordley, Philosophical Origins, S. 74  ; ferner auch Hartung, Genealogie, S. 287.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Spätscholastik 

| 65

und im Ergebnis wohl auch de Soto zusätzlich die Kundgabe dieser Entscheidung verlangen.246 Dass Molina freigiebiges Versprechen und Schenkung gemeinsam diskutiert, erlaubt ihm unter anderem eine Berufung auf Inst. 2,1,40 – und damit auf den Willen des E i g e n t ü m e r s .247

246 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. V num. 28–33 [S. 219]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 266 num. 8–21 [Sp. 63–66]  ; Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 88 a. 1 num. 5 [Bd. 4, S. 328 f.]  ; ferner de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. II a. I Difficultas altera und R ­ atio dubitandi [Bd.  4, S.  631]. Vgl. zu allen im Detail Decock, Contract Law, S.  182–187, 614  f.; Ders., marché du mérite, S. 51 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 22–25, 27  ; ferner auch Böttcher, Mentalreservation, S.  151  f., 166–168, 173  ; Gordley, Philosophical Origins, S.  79  ; Lesaffer, JHIL 2 (2000), S. 189. 247 Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 266 num. 9 [Sp. 64]  ; zu der Bedeutung dieser Anomalie vgl. im Text bei Fn. 604–609.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Zweites Kapitel  : Hugo Grotius I. Eine Kurzbiographie Hugo Grotius gilt traditionell sowohl als Vater des modernen Völkerrechts als auch des neuzeitlichen Naturrechts, auch wenn die Forschung des 19.  und 20.  Jahrhunderts gezeigt hat, dass er sich diese Titel mit einigen Vorgängern und Zeitgenossen teilen muss.248 Ebenso kann man ihn als einen der Väter des ­modernen Vertragsrechts bezeichnen.249 Er wurde am 10.04.1583 in Delft geboren und begann im Alter von 11 Jahren ein Studium an der Universität Leiden.250 Wenngleich der Inhalt seines S­ tudiums unter Grotius’ Biographen umstritten ist,251 existieren – mit Ausnahme seiner nur mittelbar überlieferten Promotionsurkunde252 und vereinzelter Andeutun248 Kaltenborn, Vorgänger, S. 97–100, 124–246, insb. S. 98, 201, 203, 205 f., 228 f.; Reibstein, Anfänge, S. 9–18, 177–179  ; Scattola, Naturrecht, S. 107–204  ; Scott, Spanish Origin, S. 3 f., 141, 160 f., 195 f., 287 f.; Welzel, Gerechtigkeit, S. 123 f., Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 270, 274  ; vgl. als Überblick auch Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 15–21  ; zuletzt jedoch besonders kritisch van Ittersum, Founding Father. 249 Diesselhorst, Grotius, S.  1  f., nennt ihn »eine[n] Stammvater des allgemeinen Teils unseres Privatrechtsgesetzbuches«. Feenstra, RdC 182 (1983), S. 465, bezeichnet ihn im Kontext seiner Eigentums- und Vertragslehren als »l’un des fondateurs non seulement du droit naturel ou du droit international public, mais en même temps du droit privé européen«  ; ähnlich auch Aure, FHI 2008, Rn. 10  ; Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 107, 124  ; Krause, Naturrechtler, S. 147  ; Luig, Natürliches Privatrecht, S. 108 f.; Otte, Vitoria, S. 140  ; dagegen aber Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 Fn. 90, wenngleich er ebd., S. 139, erklärt, Grotius sei »der Durchbruch zu wesentlichen Elementen des modernen Vertragsbegriffes zu verdanken«. 250 Im Folgenden sollen nur die für das Verständnis seines Vertragsrechts essenziellen Ereignisse summarisch dargestellt werden. Umfangreichere Biographien finden sich insbesondere bei Brandt, de Groot  ; Nellen, Grotius  ; Ders., Life and Intellectual Development  ; ferner bei van Eysinga, Grotius  ; Feenstra, Grotius (de Groot), S. 257–260  ; Haelschner, Grotius, S. 767– 784  ; H.  Hofmann, Grotius, S.  52–77  ; Knight, Grotius  ; Oosterhuis, Grotius  ; Vreeland, Grotius  ; Wolf, Rechtsdenker, S. 253–310. 251 So vermutet etwa Nellen, Grotius, S. 33 f., ein juristisches Studium, da ein Studium an der Philosophischen Fakultät durch mehrere Quellen belegt ist, vgl. Fn. 254, ein solches häufig der Vorbereitung auf ein Studium der Theologie, Rechte oder Medizin diente und die beiden anderen Fächer noch unwahrscheinlicher seien. Van Oven, Inleiding, S. 271 Fn. 1, erklärt, Grotius sei jedenfalls »juristisch vollständig ausgebildet, als er die Universität verliess«, wenngleich es unsicher sei, ob Grotius Vorlesungen besucht habe. Dagegen aber Knight, Grotius, S. 27 f., 38  ; Tuck, Philosophy, S. 156  ; Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 425, 436 f. 252 Abgedruckt bei Brandt, de Groot, S. 11 f.: »Dewyl we derhalven den geleerden Herr Hugo Grotius van Delft, Baccalaurus in de Burgerlyke Rechten (na dat hy ons van de hooggeleerde, overwakkre

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine Kurzbiographie 

| 67

gen in Briefen253  – keine Hinweise darauf, dass er sich dort mit juristischen Inhalten befasst hätte.254 Auch im Rahmen seiner Promotion in Orléans dürfte Grotius kaum Zeit gehabt haben, sich mit juristischen Themen zu befassen.255 en loffelyk-befaemde Herren de ordinaire Professoren van beide Rechten in de gemelde Universiteit is opgeoffert) naeuw geexaminieert en ook hebben doen examineren door andre Leeraers, die hem nae het doorstaen van een scherpe proef eenstemmelyk bequaem gekeurt en waerdig hebben geoordeelt om den Titel van genoegzame wetenschap der straxgenoemde Rechten te verkrygen  : en wy zelfs om zyn eerlyken wandel, vroom leven, letterkunde en beroemden naem (die hier en door andre plaetsen wydt verspreist is, en welken hy door zyn pryswaerdige naerstigheit zich heeft verworven) door het getuigenis van velen die hem kennen ten vollen verzekert zyn, en dat hy van zyn eerste jeugt af aen door het renperk der letterscholen dravende zoo ver heeft gevordert […]« [Hervorh.  d. Verf.]. Allerdings erscheint diese Urkunde in Anbetracht der Umstände der Promotion, vgl. Fn. 255, und der sonstigen Quellen zu seinem Studium in Leiden, vgl. Fn. 254, nur eingeschränkt belastbar, zumal der überlieferte Text wohl selbst bereits eine Übersetzung sein dürfte und sich in anderen Quellen keine Hinweise auf die Promotionsurkunde finden  ; so auch Nellen, Grotius, S. 50. 253 Vgl. dazu Nellen, Life and Intellectual Development, S. 21  ; Rabbie, Grotius, S. 46. 254 Die erhaltenen Übungsarbeiten (disputationes exercitii gratia, vgl. Fn.  773) Logicarum disputationum quarta, De postpraedicamentis und Physicarum disputationum septima, De infinito, loco et vacuo behandeln philosophische Themen und wurden vor der Philosophischen Fakultät abgelegt, vgl. TMD, num. 405, Remarques 1, 4  ; TMD, num. 406, Remarque 1. Immatrikuliert wurde Grotius am 03.08.1594 für ein Studium der Literatur, vgl. Rieu, Album Studiosorum, Notarum Explicatio und Nomina Studiosorum, Sp. 40. Auch für seinen Bruder Wilhelm findet sich dort kein Eintrag eines juristischen Studiums, welches dieser nachweislich an das dort aufgelistete philosophische Studium anschloss, vgl. Fn. 769 f. Allerdings finden sich für Grotius, anders als für seinen Bruder, auch keine sonstigen Hinweise auf ein juristisches Studium in Leiden, vgl. Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 425. 255 Grotius dürfte überhaupt erst am Tag seiner Promotion, dem 05.05.1598, in Orléans eingetroffen sein, sofern er nach dem Scheitern der diplomatischen Mission Oldenbarnevelts in Nantes am 26.04.1598, vgl. dazu Fn. 260, zumindest bis Orléans in dessen Gefolge reiste, vgl. Nellen, Grotius, S.  49  ; Ders., Life and Intellectual Development, S.  21. Zwar begleitete er diesen anschließend nicht nach England, sodass eine separate Reise nach Orléans zumindest denkbar wäre, doch hätte Grotius auch in diesem Fall nur wenige Tage vor der Promotion in Orléans eintreffen können. Gänzlich unverständlich ist, wie Tuck, Natural Rights, S.  58, zu der Annahme gelangt, Grotius habe in Orléans von 1597 bis 1599 studiert. Van Eysinga, Grotius, S. 12, spricht zwar von einer wissenschaftlichen Prüfung, die der Verleihung der Doktorwürde vorausgegangen sei, führt jedoch keine Belege dafür an. Vermutlich stützt er sich lediglich auf die Promotionsurkunde, vgl. Fn.  252. Dort ist zwar von einer Prüfung die Rede, doch muss diese nicht zwingend wissenschaftlicher Art gewesen sein. Im Anschluss heißt es, dass der Titel nicht zuletzt om zyn eerlyken wandel, vroom leven, letterkunde en beroemden naem verliehen wurde. Zudem weisen Knight, Grotius, S. 37 f., sowie Nellen, Grotius, S. 49, auf die niedrigen Standards und hohen Gebühren zu dieser Zeit in Orléans hin. Vor diesem Hintergrund dürfte Ahsmann, Jurist, S. 37  ; Feenstra, RdC 182 (1983), S. 456, beizupflichten sein, dass sich Grotius’ Promotion am ehesten mit einem modernen Doktortitel honoris causa vergleichen lässt  ;

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

68 | 

Zweites Kapitel

Dennoch arbeitete er ab 1600 als Anwalt in Den Haag.256 Als Kind einer wohlhabenden, in politischen und akademischen Kreisen gut vernetzten Familie257 machte er schnell Karriere und wurde unter dem politischen Führer der Staaten von Holland258, Johan van Oldenbarnevelt,259 in die politischen und religiösen Konflikte seiner Zeit involviert  :260 Die im Folgenden zu untersuchenden Werke Parallelon Rerumpublicarum und De  Iure Praedae, inklusive des berühmten Auszugs Mare Liberum, entstanden etwa im unmittelbaren Kontext des seit 1568 andauernden spanisch-niederländischen Unabhängigkeitskrieges.261 Auch in die inneren Konflikte der Niederlande war Grotius

ähnlich auch D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 372  ; Tuck, Philosophy, S. 156  ; Wolf, Rechtsdenker, S. 265. 256 Am 13. und 15.12.1599 legte er den Anwaltseid vor dem Gericht und dem Hohen Rat von Holland und Zeeland ab, vgl. Nellen, Grotius, S. 73  ; Ders., Life and Intellectual Development, S. 21  ; Rabbie, Grotius, S. 45–47  ; Vreeland, Grotius, S. 26  ; ferner im Detail zu dem Gericht und dem Hohen Rat von Holland und Zeeland Lokin, Eenheid  ; Sirks, Supreme Court. 257 Vgl. im Detail Eyffinger, Dutch Period, S. 7–11, 16  ; Nellen, Grotius, S. 14–24, 34 f., 41, 44  ; ferner auch Ders., Life and Intellectual Development, S. 20 f.; van Ittersum, Stoa, S. 65 f.; Wolf, Rechtsdenker, S. 263. 258 Die »Staaten von Holland«, ursprünglich die Vertretung der Stände am Hof des Grafen von Holland, fungierten nach Gründung der vereinigten Niederlande als Regierung der Provinz Holland. Aufgrund des enormen wirtschaftlichen und politischen Einflusses der Provinz Holland kontrollierten die Staaten von Holland, zumindest unter van Oldenbarnevelt, faktisch auch die gemeinsame Vertretung aller Provinzen (die »vereinigten Generalstaaten«). 259 Vgl. Motley, Barnevelt  ; P. L. Müller, Oldenbarnevelt, S. 241–261. 260 So begleitete Grotius Oldenbarnevelt etwa nach Abschluss seines Studiums von Ende März bis Ende April 1598 an den französischen Hof, um einen Waffenstillstand zwischen Frankreich und Spanien zu verhindern  ; vgl. Fikentscher, De fide et perfidia, S. 17  ; Nellen, Grotius, S. 45–49  ; Vreeland, Grotius, S.  20–25  ; Wellschmied, TR 20,4 (1952), S.  425. Im Auftrag Oldenbarnevelts sollte Grotius schließlich 1613 eine geplante Reise nach England auch dazu nutzen, den englischen König zu einer Parteinahme im absehbaren niederländischen Religionsstreit zwischen Remonstranten und Contraremonstranten zu bewegen  ; vgl. im Detail Rabbie, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 28–39 m. w. N.; Ders., Grotius, S. 52–55  ; ferner auch Dunthorne, Grotiana 34 (2013), S. 108–111  ; Eyffinger, Dutch Period, S. 19 f.; Fikentscher, De fide et perfidia, S. 19  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 5 f.; Wolf, Rechtsdenker, S.  271  f. Eine Darstellung der für Grotius’ Lebenslauf relevanten politischen Ereignisse findet sich auch bei  : Reintanz, Grotius, S. 7–23  ; eine Darstellung der politischen, ökonomischen und akademischen Hintergründe zu dieser Zeit bei van Spyk, Vertragstheorie, S. 10–18  ; C. Wilson, Grotius, S. 1–8  ; Zimmermann, Römisch-holländisches Recht, S. 14–25. 261 Zu Recht weist Fikentscher, De fide et perfidia, S. 30 f., auf die Gemeinsamkeit beider Werke hin, eine Rechtfertigung des Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien bzw. eines kriegerisch geführten Freihandels darzustellen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine Kurzbiographie 

| 69

vor allem unter Oldenbarnevelt262, aber auch als Fürsprecher und Anhänger des Remonstrantenführers Arminius263 unmittelbar involviert. Grotius’ Verhaftung 1618 und seine Verurteilung zu lebenslanger Haft auf Schloss Loevestein im Jahr 1619 waren nicht nur die Konsequenz einer politischen Auseinandersetzung zwischen den Staaten von Holland und dem Prinzen von Oranien, sondern zugleich auch einer religiösen Auseinandersetzung zwischen Remonstranten und Contraremonstranten.264 Das Urteil umfasst mehrere Vorwürfe, einschließlich der Erschütterung der religiösen und politischen ­Zustände und der Gefährdung der Union der niederländischen Staaten.265 In den Jahren vor seiner Verhaftung setzte sich Grotius in Werken wie den Theses XI, Theses LVI, dem Tractatus de iure magistratuum oder De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra auch mit den theoretischen Grundlagen dieser Konflikte –  wie der Legitimation staatlicher Gewalt, staatlicher Befugnisse in Glaubensfragen oder Widerstandsrechten der Bürger gegen den Staat – auseinander. Zugleich beschäftigte er sich sowohl in seiner Lektüre266 als auch in Werken wie Meletius sive de iis quae inter christianos conveniunt epistola, Ordinum 262 Vgl. van Eysinga, Grotius, S. 49–68  ; Nellen, Life and Intellectual Development, S. 25–27  ; van Nifterik, Grotiana 32 (2011), S. 1–19, S. 4, 7–15  ; Rabbie, Grotius, S. 49–51, 58–61  ; Waszink, University, S. 154–158. 263 So setzte sich Grotius etwa nachdrücklich für Arminius’ Berufung als Professor an der Theologischen Fakultät in Leiden ein und verfasste nach dessen Tod ungeachtet der politischen Brisanz einen entsprechenden Nachruf, vgl. Boisen, Predestination, S.  225  f.; Knight, Grotius, S.  55  ; Nellen, Grotius, S. 84, 127–133 m. w. N.; Vreeland, Grotius, S. 70 f., 74–76  ; Wolf, Rechtsdenker, S. 270. Zur zunehmenden politischen Bedeutung des Schismas zwischen Remonstranten und Contraremonstranten auch Motley, Barnevelt, Bd. 1, S. 333–355  ; Nijman, Imago Dei, S. 89 f., 92. Zu Arminius inhaltlichem Einfluss auf Grotius’ Naturrechtsverständnis vgl. Schmoeckel, Reformation, S. 58–60, 66, 299. 264 Eine ausführliche Beschreibung der zur Verhaftung führenden politischen und religiösen Unruhen sowie des Prozesses findet sich bei Knight, Grotius, S. 151–164  ; Motley, Barneveld, Bd. 2, S. 278–422  ; Vreeland, Grotius, S. 78–120. Vgl. zu Grotius’ Sicht des Prozesses auch Grotius, Apologeticus [TMD, num. 872–884]  ; dazu van Nifterik, Grotiana 32 (2011), S. 1–19, S. 4, 12– 18. 265 Vgl. im Detail Damen, Maiestas, S. 58–63  ; Nellen, Grotius, S. 281, 283 f., 288  ; ferner Haelschner, Grotius, S. 775  ; zu einseitig  : Schmoeckel, Reformation, S. 56. 266 So bat Grotius etwa in einem Brief an Gerardus Vossius vom 27.03.1618 um Zugang zu Suárez’ Schriften De Praedestinatione und De Auxilio Dei Efficaci ad actus Liberi Arbitrii Necessario, vgl. Grotius, BW, I, S. 611 (num. 567)  : Video saepe citari Suarezium tum de Praedestinatione tum de Auxiliis liberi Arbitrii. Si habes tu aut alius quis amicorum velim uti in dies paucos. Vgl. ferner zu der Bedeutung der spätscholastischen Stellungnahmen zu Prädestination und Willensfreiheit für den Prädestinationsstreit innerhalb der niederländischen reformierten Kirche van Gelderen, Arminian trouble, S. 22  ; Ders., Hot Protestants, S. 135 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

70 | 

Zweites Kapitel

Hollandiae ac Westfrisiae pietas oder Defensio fidei catholicae de satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem mit den zugrunde liegenden theologischen Streitfragen.267 Mit Ausnahme der Theses  LVI können diese Schriften in der vorliegenden Untersuchung nur berücksichtigt werden, soweit Grotius sich dort zur Verbindlichkeit von Verträgen oder Versprechen äußert. Daneben sind sie aber auch ein Beleg dafür, dass Grotius sich der theologischen und politischen Brisanz jener Argumentationstopoi bewusst gewesen sein dürfte, die mit der Willensfreiheit des Menschen zusammenhängen. So äußert er sich in den früheren Schriften etwa mehrfach zu Fragen der W i l l e n s f r e i h e i t und der P r ä d e s t i n a t i o n , meidet diese Themen aber augenscheinlich in den später entstandenen Werken, obwohl er sich insbesondere in De Satisfactione im Übrigen ausführlich mit der ihm nach den früheren Schriften entgegengeschlagenen Kritik auseinandersetzt.268 In der Haft auf Schloss Loevestein, dem damaligen Staatsgefängnis der Niederlande, entstand die Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid. Nach einer spektakulären Flucht aus dem Gefängnis,269 bei der er seine (zuvor beschlagnahmte) Bibliothek zurücklassen musste, und einer Odyssee über Antwerpen fand Grotius schließlich Aufnahme am französischen Königshof. Dort verfasste er binnen weniger Jahre sein Hauptwerk De Iure Belli ac Pacis und widmete es dem französischen König Ludwig XIII. Nach einer letztlich erfolglosen Rückkehr in die Niederlande (1631–1632) trat er nach einem Aufenthalt in Hamburg schließlich 1634 als Botschafter am fran267 Vgl. zu diesen und weiteren in der Periode innerer politischer und religiöser Konflikte entstandenen theologischen Schriften insb. Mühlegger, Grotius  ; sowie die einleitenden Ausführungen von Posthumus Meyjes bzw. Rabbie in den kritischen Editionen der genannten Werke  ; ferner Becker, Kriegsrecht, S. 234–240  ; Blom, Religion, S. 84–93  ; van Gelderen, Arminian ­trouble, S. 32 f.; Ders., Hot Protestants, S. 144–146, 150  ; Nellen, Life and Intellectual Development, S. 23–25  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 5 f.; sowie konkret zu De Satisfactione Blom, Socinianism. 268 Etwa Grotius, Meletius, cap. I §§ 9–11  ; ebd., cap. III § 29  ; Ders., OP, §§ 34–63  ; ebd., §§ 89–94  ; vgl. zu diesen und anderen theologischen Stellungnahmen Grotius’ zur Willensfreiheit Boisen, Predestination, S. 222 f., 227–234  ; Mühlegger, Grotius, S. 93–96, 107 f., 119 f., 163–207, 287, 299 f., 303 f., 323–328, 350  ; Nijman, Imago Dei, S. 94–96  ; Stumpf, Theology, S. 33–35  ; ferner auch van Eysinga, Grotius, S. 58–60  ; Rabbie, Grotius, S. 50, 55 f. Die späteren Werke De Imperio und De Satisfactione kennzeichnet hingegen ein auffälliges Schweigen zu diesen Themen, vgl. dazu Blom, Socinianism, S. 122, 124 f., 131  ; Boisen, Predestination, S. 229  ; van Dam (Hrsg.), ISP, S. 8  ; Mühlegger, Grotius, S. 263 f., 362  ; Rabbie (Hrsg.), SC, S. 10 f., 13 f., 18. 269 Vgl. im Detail  : Nellen, Exile, S. 29–35  ; Ders., Grotius, S. 302–305, 311 f.; besonders ausschmückend auch  : van Eysinga, Grotius, S. 40 f., 78 f.; Fikentscher, De fide et perfidia, S. 20  ; Vreeland, Grotius, S. 131–149.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schriften zum Vertragsrecht 

| 71

zösischen Hof in den Dienst Schwedens.270 In der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges wurde Grotius zu (ergebnislosen) Beratungen nach Stockholm bestellt.271 Bei seiner Rückkehr aus Stockholm verstarb er am 28.08.1645 an den Folgen eines Schiffsunglücks in Rostock.

II. Schriften zum Vertragsrecht Die genannten Abhandlungen bilden nur einen kleinen – aber für das Verständnis seiner Vertragslehren entscheidenden – Auszug aus Grotius’ Werken. De Iure Belli ac Pacis (1625)272 enthält dabei nicht nur die ausführlichste und systematischste Darstellung, sondern entstand zeitlich als letztes der für das Vertragsrecht relevanten Werke und wurde als einziges sowohl von Beginn an zur Veröffentlichung bestimmt als auch tatsächlich zu Lebzeiten veröffentlicht. Zudem erreichte De Iure Belli ac Pacis unter seinen Werken – trotz der baldigen Indizierung durch die römische Inquisition  –273 mit Abstand die größte Rezeption274 270 Vgl. im Detail Nellen, Grotius, S. 443–716  ; Ders., Life and Intellectual Development, S. 30–37. 271 Zu den Hintergründen vgl. Fikentscher, De fide et perfidia, S. 64–66  ; Nellen, Grotius, S. 661– 683, 716–718  ; Reventlow, Bibelauslegung, S. 215 f. Dabei lässt Nellens umfassende Auswertung des Briefwechsels in den Jahren ab 1637 die These Fikentschers zumindest zweifelhaft erscheinen, der zufolge Grotius’ zunehmend befremdlich anmutende Ausübung seiner Pflichten als Botschafter im Vorfeld der Einberufung nach Stockholm auf moralische Bedenken gegen die Spätphase des Dreißigjährigen Krieges zurückzuführen sei. 272 Überarbeitete Versionen erschienen 1631, 1632, 1642 und (postum) 1646, wobei insbesondere die Ausgaben von 1631 und 1642 umfangreiche Ergänzungen enthalten. 273 Am 04.02.1627 wurde De  Iure Belli ac Pacis gemeinsam mit einem Gedichtband und seinem Kommentar zum Prozess gegen Oldenbarnevelt und ihn selbst, vgl. hierzu auch Fn.  264, von Papst Urban VIII. in den Index Librorum Prohibitorum aufgenommen. Im Gegensatz zu diesen wurde De Iure Belli ac Pacis zwar nur »vorbehaltlich einer Überarbeitung« der kritisierten Stellen (donec corrigatur) verboten, doch erfolgte diese nie, vgl. im Detail TMD II, S. 184–192  ; Hilgers, Index, S. 109, 187  ; Reusch, Index, Bd. 2,1, S. 103  ; ferner auch Heineccius, Praelectiones, vor ad Prooemium I. Um eine Teilnahme des Vatikans an den Verhandlungen zum Haager Landkriegsrecht zu ermöglichen, gab Papst Leo XIII. De Iure Belli ac Pacis schließlich im Jahr 1900 frei, vgl. de Bujanda, Index, Bd. 11, S. 409  ; H. Hofmann, Grotius, S. 54  ; Schmoeckel, Reformation, S. 145. E. Müller, TR 77,3/4 (2009), S. 508, sieht die Verbreitung von De Iure Belli ac Pacis durch die Indizierung sogar gefördert. 274 Zur frühen Rezeptionsgeschichte, einschließlich mehrerer Zitate in den Sitzungsprotokollen des Westfälischen Friedens, E. Müller, TR 77,3/4 (2009)  ; zur Rezeption in der frühen Aufklärung in Deutschland Aure, War  ; Hochstrasser, Natural Law  ; Grunert, Reception  ; zur Publikationsgeschichte bis 1950 TMD, num. 565–679  ; im Vergleich dazu TMD, num. 541–564, zu Mare Liberum und TMD, num.  757–790, zur Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid. Neue

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

72 | 

Zweites Kapitel

und trug maßgeblich zu Grotius’ Ruf als Vater des Völkerrechts und der Naturrechtsschule bei. Augé275, van Oven276 und vor allem Nanz277 und Haggenmacher278 ist es zu verdanken, die Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid für Untersuchungen zu Grotius’ Vertragsverständnis hervorgehoben zu haben. Diese verfasste Grotius zwischen 1619 und 1621 als ein Lehrbuch (für seine Söhne).279 1631 wurde die Inleidinge – entgegen der ursprünglichen Intention – auf Anraten seines Bruders Wilhelm veröffentlicht,280 nachdem zuvor bereits fehlerhafte Abschriften zirkulierten281. Im Gegensatz zu den übrigen untersuchten Schriften enthält die Inleidinge keine Zitate oder Verweise auf andere (zeitgenössische oder klassische) Autoren. Entsprechend dem Konzept eines umfassenden Lehrbuchs zum geltenden Recht behandelt Grotius neben dem römischen Recht und dem davon abweichenden niederländischen Recht auch das Naturrecht. In diesem Zuge entwirft er erstmals eine systematische Darstellung seines Naturrechtsverständnisses. In Anbetracht des kurzen Zeitraums, in dem Grotius De  Iure Belli ac Pacis verfasste, und der Tatsache, dass die Inleidinge nicht zur Publikation bestimmt war, verwundert es nicht, dass sich viele Gedanken aus der Inleidinge in De Iure Belli ac Pacis wiederfinden.282 Dies gilt insbesondere für die für das VertragsErkenntnisse zur Rezeption von De Iure Belli ac Pacis verspricht das Heisenberg Project  : Grotius Census Bibliography, vgl. dazu Somos, Grotiana 40 (2019). 275 Augé, APD 13 (1968). 276 van Oven, Inleiding. 277 Nanz, Vertragsbegriff, S. 139–149. 278 Haggenmacher, Droits subjectifs. 279 Nellen, Grotius, S.  297, 364, 429  ; R.  W.  Lee (Hrsg.), Jurisprudence of Holland, Bd.  1, S.  vii  ; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 163  ; Winkel, Rights, S. 270  ; vgl. auch den teilweise in Fn. 979 wiedergegebenen Brief an seine Kinder. 280 Zu Unrecht datieren Augé, APD 13 (1968), S.  102  ; van Oven, Inleiding, S.  272, die Publikation auf 1629. Zwar schloss Grotius das Manuskript im Januar 1629 ab, vgl. Grotius, BW, IV, S.  6–8 (num. 1364), der Druck verzögerte sich jedoch, da er auf inhaltliche Kritik befreundeter Juristen und (vergebens) auf ein offizielles Druckprivileg in den Niederlanden wartete  ; vgl. Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 411  ; Nellen, Grotius, S. 429–431  ; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 167–173. 281 Vgl. Grotius, BW, III, S. 124 f. (num. 1143)  : De institutionibus Iuris Batavici, quod mones, frater, gratias habeo. Partes descriptas credo  ; de integro plane credibile mihi non fit  ; Ders., BW, III, S. 239 (num. 1222)  : Forte ex usu sit edi admonitiunculam, ne quis fragmenta illa pro meis accipiat, parari editionem integram  ; und dazu Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 165–167. 282 Tuck, Natural Rights, S.  71  f.; detailliert zur allgemeinen Vertragslehre in den Kapiteln Van Verbintenisse und De Promissis  : Dovring / Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge, S. 194 Fn. 1, S. 195 Fn. 1, S. 196 Fn. 1, S. 197 Fn. 5  ; einschränkend aber Diesselhorst, Grotius, S. 45 f. Fn. 20, S. 54 Fn. 44, der nur die »Grundauffassung, nicht dagegen seine Einzellehren« in der Inleidinge wiedererkennt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schriften zum Vertragsrecht 

| 73

recht relevanten Kapitel Van Verbintenisse der Inleidinge bzw. De Promissis und De Contractibus in De Iure Belli ac Pacis.283 Von ähnlicher Bedeutung erweist sich zudem ein Brief284, den Grotius am 28.02.‌1616 an seinen Bruder Wilhelm richtete. Letzterer hatte Grotius zuvor in einem nicht überlieferten Brief um eine Stellungnahme zu mehreren Thesen gebeten, die er am 23.03.‌1616 im Rahmen seines Rechtsstudiums in einer Disputation verteidigte.285 Ähnlich wie das erwähnte Kapitel in der Inleidinge, weist auch Grotius’ Antwortbrief vom 28.02.‌1616 bemerkenswerte Parallelen zu den ersten vier Paragraphen des Kapitels De Promissis in De Iure Belli ac Pacis auf. Anders als in der Inleidinge findet sich dort noch keine systematische Darstellung des Vertragsrechts, wohl aber eine fokussierte Verteidigung der Verbindlichkeit einseitig verpflichtender, formloser Versprechen. Interessant ist vor allem, dass sich von den Gedanken aus der Versprechenslehre in De Iure Belli ac Pacis gerade diejenigen im Brief vom 28.02.‌1616 finden, welche in der Inleidinge fehlen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die vertragsrechtlichen Kapitel in De Iure Belli ac Pacis wie eine Synthese aus der Inleidinge und dem Brief vom 28.02.‌1616. In der bisherigen Forschung wurde der Brief dabei noch nicht näher untersucht, obwohl er sowohl in den Grotii Epistolae von 1687286 als auch in Band I der Briefwisseling von 1928 enthalten ist. Bereits 1724 referierte Barbeyrac eine längere Passage aus dem Brief zum besseren Verständnis einer entsprechenden Aussage in De  Iure Belli ac Pacis.287 Die Parallelen zwischen dem dortigen Kapitel De Promissis und dem Brief betonten 1982 bzw. 1988 auch Ahsmann und Besselink.288 Dovring, Fischer und Meijers wiesen 1952 auf die themati283 Es ist auffällig, dass Grotius in handschriftlichen Anmerkungen zur Inleidinge aus dem Jahr 1639 im Kapitel Van Verbintenisse – im Gegensatz zu anderen Kapiteln – gerade nicht auf die Parallelen zu De  Iure Belli ac Pacis hinweist. Vgl. zu diesen handschriftlichen Anmerkungen Dovring /  Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge, insb. S. xx. 284 Grotius, BW, I, S. 499–503 (num. 450). 285 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 390  ; vgl. im Detail S. 177–221. 286 Hugonis Grotii Epistolae Quotquot reperiri poterunt. In quibus praeter hactenus Editas, plurimae Theologici, Iuridici, Philologici, Historici, & Politici argumenti occurrunt, Amsterdam 1687 [TMD, num. 1210], S. 756–758. 287 Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § IV Fn. 6 [Bd. 1, S. 402 f.]. 288 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 393 Fn. 176–179, deren Interesse jedoch in erster Linie Wilhelm Grotius’ Thesen gilt, welche die Grundlage des Briefes bilden, sodass sie die Parallelen zu De Iure Belli ac Pacis nicht weiterverfolgt. Besselink, Keeping Faith, S. 16, 22–24, 44, 87, 115, 156, 158, zieht den Brief mehrfach im Kontext anderer Werke heran. Daneben finden sich kurze Verweise auf den Brief auch bei van Dam (Hrsg.), ISP, S. 693 f.; Haggenmacher, Grotius, S. 515, 591, 593, und Schotte, Aequitas, S. 64 f., 71.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

74 | 

Zweites Kapitel

sche Nähe zwischen dem Brief und dem Kapitel Van Verbintenisse der Inleidinge hin,289 ohne die erwähnte Beziehung zwischen dem Brief, der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis zu bemerken. Den Vertragslehren liegen dieselben Annahmen zugrunde, wenngleich sie in unterschiedlicher Klarheit hervortreten  : (1) Es existieren zumindest zwei unterschiedliche Arten von Pflichten  : Jene ohne und jene mit einem korrespondierenden Recht des Gläubigers. (2) Derartige Rechte, zu denen insbesondere auch die Entscheidungsfreiheit (libertas) des Schuldners gehört, lassen sich eigentumsgleich übertragen und begründen die korrespondierende Verbindlichkeit durch den Übertragungsakt vom Schuldner an den Gläubiger. (3) Daneben kennt Grotius sowohl eine generelle Treuepflicht (fides, fidelitas oder trouw-schuld) als auch Verbindlichkeiten aufgrund erbrachter Leistungen (aus iustitia compensatrix oder zur Behebung von onevenheid bzw. inaequalitas), deren Verhältnis zum Gedanken der Rechtsübertragung sich jedoch je nach Werk deutlich unterscheidet. Die diesen Annahmen zugrunde liegenden Gedankengänge finden sich in ­unterschiedlicher Gewichtung bereits in früheren Werken  : Schon in De  Iure Praedae begründet Grotius die vertragliche Verbindlichkeit einerseits aus der Gerechtigkeit (iustitia compensatrix) und andererseits aus der Treuepflicht (fides). Im Kontext der Herleitung aus der iustitia compensatrix bemüht Grotius erstmals die Idee der Vergleichbarkeit von libertas und dominium, welche einen wesentlichen Baustein für sein späteres Verständnis der Übertragung von Rechten und des Entstehens von Verbindlichkeiten darstellt. Die Bedeutung von De Iure Praedae für Grotius’ Vertragsverständnis wurde von Augé290 und van Spyk291 noch pauschal verworfen. Indessen haben Haggenmacher292 und Tuck293 die Relevanz für das Verständnis vertraglicher Verpflichtung als Rechtsübertragung zutreffend herausgearbeitet. In ähnlicher, wenn auch deutlich komprimierterer Weise und, wie Straumann294 zu Recht betont, mit größerem Fokus auf die Berechtigung des Gläubi289 Dovring / Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge, S. 194 Fn. 1. 290 Augé, APD 13 (1968), S. 101 f. 291 van Spyk, Vertragstheorie, S. 25 f., verweist darauf, dass das (gewünschte) Ergebnis in De Iure Praedae als Rechtsgutachten vorgegeben war. Im Gegensatz zu späteren Schriften habe die theoretische Fundierung an zweiter Stelle gestanden, eine Heranziehung sei daher für deren Beurteilung »äusserst problematisch und nur wenig aufschlussreich«. Diese Schlussfolgerung überzeugt schon deshalb nicht, da Grotius viele der in De Iure Praedae entwickelten Argumente in späteren Werken wieder aufgreift. 292 Haggenmacher, Droits subjectifs  ; sowie ferner Ders., Grotius. 293 Tuck, Grotiana 4 (1983)  ; Ders., Natural Rights, S. 66–72  ; Ders., Philosophy, S. 169–179. 294 Straumann, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 345, 350 f., 360  ; Ders., Grotius, S. 58–66, 73 f.;

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schriften zum Vertragsrecht 

| 75

gers, differenziert Grotius in dem kurzen Thesenpapier der Theses LVI zwischen Pflichten ex ratione iustitiae und solchen ex ratione fidei. Ersteren entspricht stets ein Recht des Gläubigers, letzteren nur unter bestimmten Umständen. In dem völkerrechtlichen Frühwerk Parallelon Rerumpublicarum, und dort insbesondere im Kapitel De  fide et perfidia, konstruiert Grotius eine generelle Treuepflicht. Dieser kommt dort (zumindest ausdrücklich) größeres Gewicht zu, als dies in den späteren Vertragslehren der Fall ist. Das Verständnis des Verpflichtungsaktes als Übertragung eines (Forderungs-) ‌Rechts beschreibt die Funktionsweise eines Vertrages (oder genauer eines Versprechens) in Grotius’ Rechtslehren und hat in dieser Form auch Niederschlag in späteren Vertragslehren gefunden, etwa bei Hobbes,295 Pothier,296 Kant297 oder Savigny298. Es sagt jedoch nichts darüber aus, wie oder warum es zu einer Rechtsübertragung kommt.299 Die Gedanken der Austauschgerechtigkeit und ­einer ­generellen Treuepflicht könnten dies erklären. Die Frage des Geltungsgrundes soll im Folgenden für die drei genannten Vertragslehren – in dem Brief vom 28.02.‌1616, in der Inleidinge tot de H ­ ollandsche rechts-geleerdheid und schließlich in De Iure Belli ac Pacis – näher untersucht werden. Zuvor sollen die für diese Vertragslehren relevanten Passagen aus den früheren Werken Parallelon Rerumpublicarum, De Iure Praedae und den ­Theses LVI betrachtet werden.

Ders., LHR 27,1 (2009), S. 65, 70 f.; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 344 f.; Ders., Roman Law, S. 160–169, 181, 222 f. 295 Hobbes, De  Cive, cap.  II §§  IV–V, IX [S.  100–102]  ; Ders., Leviathan, cap.  XIV. Vgl. zu Grotius’ (in der Literatur umstrittenen) Einfluss auf Hobbes auch Harvey, BJHP 14,1 (2006)  ; Tuck, Grotiana 4 (1983)  ; Zagorin, HPT 21,1 (2000). Unstreitig befanden sich im Bestand der weitgehend von Hobbes verwalteten Bibliothek des englischen Adelshauses Devonshire in Hartwick (zumindest in den späten 1620er oder frühen 1630er Jahren) je ein Exemplar von Grotius’ De Antiquitate, Apologeticus und De Iure Belli ac Pacis, vgl. Talaska, Hartwick, S. 86 f. num. 782, 792, 804. 296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 4, 22–23, 44, 55, 73, 108–109, 112  ; vgl. generell zu Grotius’ Einfluss auf Pothier auch Augé, APD 13 (1968), S. 101 m. w. N.; Feenstra, RdC 182 (1983), S. 463. 297 Kant, Metaphysik der Sitten, §§ 18–19 [S. 271–273]  ; vgl. dazu auch Dedek, CJLJ 25,2 (2012), insb. S. 345 f.; F. Hofmann, Entstehungsgründe, S. 92, 94  ; ferner auch Augé, APD 13 (1968), S. 114. 298 Vgl. dazu etwa Behrends, Treu und Glauben, S. 961, 965 f.; Olivecrona, Law as Fact, S. 147 f.; Wieacker, contractus und obligatio, S. 229. 299 Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 330  ; F. Hofmann, Entstehungsgründe, S. 91 f., 98 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Drittes Kapitel  : Parallelon Rerumpublicarum Sowohl die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte als auch der ursprüngliche Umfang dieses schwer zu datierenden300 Frühwerkes sind bisher nicht vollständig rekonstruiert. Das ist für eine Auseinandersetzung mit den vertragsrechtlichen Äußerungen Grotius’ in diesem Werk keineswegs irrelevant. Deshalb soll auf mögliche Probleme und die daraus folgende Unschärfe möglicher Schlüsse aus dem Parallelon Rerumpublicarum für spätere Vertragslehren hingewiesen werden. Grotius begann, wohl nach Abschluss seiner Frankreichreise301 im Gefolge Oldenbarnevelts,302 im Alter von 17 oder 18 Jahren mit der Arbeit an einem mehrbändigen303 Werk unter dem Titel Parallelon Rerumpublicarum304. Bereits 1605 erklärte er jedoch in mehreren Briefen seine Unzufriedenheit mit dem Werk305 und veröffentlichte es –  zumindest in dieser Form  – nie. Vielmehr ist 300 In der neueren Forschung besteht Einigkeit, dass zumindest das sechste Kapitel – De fide et perfidia – vor März 1602 abgeschlossen war  ; vgl. Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 85, 104  ; Fikentscher, De fide et perfidia, S. 27–29  ; Tuck, Natural Rights, S. 59  ; für eine Übersicht abweichender Datierungen vgl. Fikentscher, De fide et perfidia, S. 23–26. Molhuysen (Hrsg.), BW, I, S. 29 Fn. 2, schließt aus der Erwähnung des Werkes in einem Brief vom 4.09.‌1602 an Petrus Bertius, dass das gesamte Werk zu diesem Zeitpunkt weitgehend fertiggestellt gewesen sein müsse. Zu dieser Einschätzung gelangt auf Basis einer stilistischen Analyse auch Eyffinger, Grotiana 2 (1981), S. 118, 121  ; Ders., Parallelon, S. 92. Ebenfalls von einer Fertigstellung im Jahr 1602 gehen aus  : Ahsmann, Jurist, S. 37 f.; Blom, Grotius on Trust, S. 77  ; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 594  ; Decock, Grotiana 41,1 (2020), S. 3  ; Nellen, Grotius, S. 73  ; dagegen aber Janssen, Grotiana 38 (2017), S. 150, 170. 301 Vgl. Fn. 260 und Fn. 781. 302 Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 83. 303 Lediglich das dritte Buch, vgl. Fn. 308, ist überliefert. Eyffinger, Grotiana 2 (1981), S. 117, sowie Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 83, vermutet jedoch, dass ursprünglich noch weitere Bücher existiert haben könnten. Vgl. zu den anderen Büchern auch Fn. 306. 304 Die erste Erwähnung des Werkes findet sich 1601 – noch als Comparatio nostratis Reipublicae cum aliis – in dem Nachwort zu Grotius, Adamus Exul, S. 54–55 [S. 295, 297]  : Alia etiam varii argumenti partim perfecta, partim affecta istis stimulis accensus publico non invidebo. […] Ad Civilem scientiam spectant, nostratis Reipublicae cum aliis olim nobilibus successuumque inter se comparatio  ; et alia, ut spero, ad historiam eorum quae in mea patria meo aevo, aut circiter illud accidere. Erstmals als Parallelon Rerumpublicarum wird das Werk in einem Brief an Petrus Bertius vom 4.09.1602, Grotius, BW, I, S. 29–30 (num. 36), erwähnt  ; vgl. auch Fn. 300. 305 In zwei Briefen an Georg Michael Lingelsheim äußert Grotius seine Bedenken. Am 25.01.1604 schreibt Grotius, BW, I, S. 41 (num. 49)  : De Parallelis etiam differemus. Deutlicher wird er in einem Brief vom 7.03.1605, Grotius, BW, I, S. 53 (num. 62)  : Sed tamen, ut dixi, properabo, vel ut tu habeas aliquid quo Parallela nostra non desideres, quae sane auctori suo displicere coeperunt. Zu Unrecht beziehen Fikentscher, De fide et perfidia, S. 25 Fn. 32, S. 73 Fn. 108, und

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Drittes Kapitel  

| 77

anzunehmen, dass die ersten beiden Bücher als Vorlage für spätere eigenständige Werke dienten.306 Das dritte Buch –  De  moribus ingenioque populorum Atheniensium Romanorum Batavorum  –307 ist als Manuskript überliefert und wurde 1801 erstmals veröffentlicht308. Darin untersucht Grotius die Sitten und die Tugendhaftigkeit der Niederlande und – entgegen dem Titel – auch Spaniens und vergleicht diese mit dem antiken Athen und Rom. Vor dem Hintergrund des Unabhängigkeitskampfes der Niederlande gegen Spanien bemüht sich Grotius sowohl abstrakt als auch anhand einer Vielzahl von Beispielen darum, die moralische Überlegenheit der Niederlande aufzuzeigen. Zu Recht wurde die einseitige Darstellung durch den jugendlichen Patrioten Grotius kritisiert.309 ihm folgend Eyffinger, Grotiana 2 (1981), S. 119, einen Brief vom 24.01.1643, Grotius, BW, XIV, S. 44 (num. 6051), ebenfalls auf das Parallelon Rerumpublicarum. Die dort vorgebrachte, deutlich konkretere Selbstkritik, Quae autem ex Antiquitate reipublicae Batavicae obiiciuntur, ea nolo tueri omnia. Excessi enim modum studio in eam rempublicam in qua versabar, et multa talia aetas in nobis decoquit, bezieht sich auf Grotius’ 1610 veröffentlichtes Werk De Antiquitate Reipublicae Batavae. Dieses mag zwar weitgehend mit dem ersten oder zweiten Buch des Parallelon Rerumpublicarum identisch sein, vgl. Fn. 306, doch lässt sich die Kritik nicht auf das gesamte Parallelon Rerumpublicarum und insbesondere nicht auf das hier untersuchte dritte Buch, De  moribus ingenioque populorum Atheniensium Romanorum Batavorum, übertragen. Fikentscher scheint den Brief selbst nicht gelesen zu haben und sich lediglich auf eine insoweit zweideutige Paraphrase bei Fruin, Unpublished Work, S. 46 f., zu stützen. Letzterer spricht dort, wo er die oben wiedergegebene Aussage aus dem Brief paraphrasiert, allerdings bereits über De  Antiquitate Reipublicae Batavicae und nicht mehr über das Parallelon Rerumpublicarum, wie aus dem Bezug auf die Veröffentlichung und die im gleichen Jahr durch Grotius selbst angefertigte Übersetzung ins Niederländische ersichtlich wird. Zwar bemerkt auch Fikentscher, dass beide Aussagen auf das Parallelon Rerumpublicarum nicht zutreffen, geht jedoch von einem Fehler Fruins aus. 306 So diente möglicherweise das erste Buch als Vorlage für das 1610 veröffentlichte De Antiquitate Reipublicae Batavae, vgl. Eyffinger, Dutch Period, S.  15  ; Fikentscher, De  fide et perfidia, S. 24 f., und das zweite Buch als Vorlage für die erst 1657 erschienenen Annales et Historiae de rebus Belgicis, vgl. Fikentscher, ebd. Demgegenüber wähnen Fruin, Unpublished Work, S. 46  ; Meerman (Hrsg.), Parallelon Rerumpublicarum, S. XXIX [sic  !, aber an Position XXXIX]  ; TMD, num. 750, Remarque 2, das zweite Buch als Vorlage für De Antiquitate Reipublicae Batavae  ; dagegen Eyffinger, Parallelon, S. 89. Schließlich vermuten Ders., Grotiana 2 (1981), S. 117  ; Ders., Grotiana 36 (2015), S. 85  ; van Eysinga, Grotius, S. 23, auch Kapitel 11 in De Iure Praedae könnte auf einem verlorenen Teil des Parallelon Rerumpublicarum beruhen. 307 Vgl. zum Titel Fikentscher, De fide et perfidia, S. 40 und dort insb. Fn. 55. 308 Meerman, Hugonis Grotii, Batavi, Parallelon Rerumpublicarum liber tertius  : De moribus ingenioque populorum Atheniensium, Romanorum, Batavorum, Haarlem 1801–1803. Im Folgenden beziehen sich sämtliche Seitenangaben, soweit nicht anders angegeben, auf den ersten Band dieser Ausgabe von 1801. 309 Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 83 f.; van Eysinga, Grotius, S. 27 f.; Fikentscher, De fide

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

78 | 

Drittes Kapitel 

Dabei verfolgt Grotius weniger das Ziel, die Rechtmäßigkeit des niederländischen Unabhängigkeitskampfes mit juristischen Argumenten zu unterlegen, als vielmehr die Verwerflichkeit Spaniens aufzuzeigen.310 Zu diesem Zweck greift er allerdings auch auf normative Konzepte zurück, sodass sich Grotius’ erste Aussagen zur Verbindlichkeit von Verträgen im Kontext von Bündnis- und Kapitula­ tionsvereinbarungen in diesem Werk finden. In der bisherigen Forschung wurde vor allem das sechste Kapitel, De fide et perfidia, beachtet.311 Unabhängig davon, ob diesem Kapitel eine zentrale Stellung im dritten Buch des Parallelon Rerumpublicarum zukommt,312 ist es für diese Untersuchung von besonderer Bedeutung  : Dort finden sich die meisten Aussagen über die Verbindlichkeit von Verträgen. Daneben soll im Lichte der in späteren Vertragslehren bedeutenden Gerechtigkeitslehre anschließend auch auf das siebte Kapitel, De iustitia iniustitiaque, eingegangen werden.

I. De fide et perfidia Unter den im dritten Buch des Parallelon Rerumpublicarum behandelten Tugenden kommt der Treue (fides) – neben der Tapferkeit (fortitudo) – eine herausragende Stellung zu.313 Zugleich bekundet Grotius, kein anderes Volk könne sich in diesen Tugenden mit seinen Landsleuten messen.314 et perfidia, S. 38, 73 f. Vgl. zu Fikentschers Aussagen über Grotius’ diesbezügliche Selbstkritik allerdings Fn. 305. 310 So auch De Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 468–470, S. 472, der darin allerdings letztlich doch eine Rechtfertigung sieht, da er Grotius’ fides-Konzept als naturrechtlichen Rechtfertigungsgrund für Kriege versteht. 311 Behrends, Treu und Glauben, S. 967–969  ; Blom, Grotius on Trust  ; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015)  ; Ders., Meaning of Trust  ; Eyffinger, Grotiana 36 (2015)  ; Ders., Grotiana 36 (2015, S. 106–171  ; Fikentscher, De fide et perfidia  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011). 312 So wohl zu Recht Fikentscher, De  fide et perfidia, S.  8, 40  f.; van Eysinga, Grotius, S.  24  ; dagegen Eyffinger, Grotiana 2 (1981), S. 117. 313 Grotius, PR, cap. VII, S. 102  : Quicquid ad Fortitudinem pertinet et Fidem, satis hactenus per omni aetatis exempla expressum arbitror. Haec autem duo praecipua fuerant capita, dequibus nos acturos polliciti sumus  ; vgl. dazu S. 91–94. 314 Grotius, PR, cap. IV, S. 40  : Duo sunt quae nemo non in Batavis miretur praecipua  : Fortitudinem et Fidem  ; ebd., cap. VI, num. 1 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 106]  : Venio ad fidem, alteram gentis nostrae gloriam, […]  ; ebd., num. 7 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 112]  : Eam rem fas mihi sit paulo accuratius exponere, vel ea maxime de causa, quod in omni belli nostri civilis historia facile sit observatu stetisse a nostris partibus fidem atque aequitatem et simplicitatem priscam, quam Tullius fortitudini semper voluit accedere, penes hostes fuisse con­

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 79

Die Treue (fides) und ihr Gegenstück, die Treulosigkeit (perfidia), behandelt Grotius im sechsten Kapitel  : De  fide et perfidia. Zwar enthält dieses Kapitel keine juristische Auseinandersetzung mit vertragsrechtlichen Fragen, doch bedarf es besonderer Betrachtung  : Einerseits gilt es, terminologische Missverständnisse der neueren Literatur auszuräumen,315 andererseits zeigt sich hier eine weitgehende Verschmelzung von fides und vertraglicher Verbindlichkeit. Insbesondere vor dem Hintergrund der von Fikentscher316 begründeten und von Behrends,317 Besselink,318 Blom319 und Ramelet320 weiterentwickelten These, fides stelle für Grotius w e r k ü b e r g r e i f e n d den Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit, des Völkerrechts, ja sogar des gesamten Naturrechts dar, scheint es geboten zu sein, Grotius’ früheste Auseinandersetzung mit dem Konzept der fides näher zu untersuchen. Dem Begriff fides kommen in der Geschichte teilweise sehr unterschiedliche Bedeutungen zu.321 Für den belesenen Humanisten Grotius war dies sicherlich auch in jungen Jahren bereits selbstverständlicher als für die heutige Literatur zu Grotius. Nörr und de Wilde unterstreichen insofern, Grotius habe das im Mittelalter wenig beachtete (primär in literarischen Quellen überlieferte) römische Konzept der fides publica wiederentdeckt.322 Zumindest zeigt sich bereits an seinen Zitaten, dass er sich reflektiert auf fides aus verschiedenen Kontexten bezieht.

traria omnia. Vgl. zum dem Parallelon Rerumpublicarum zugrunde liegenden Patriotismus auch Fn. 309. 315 Gegen diese Missverständnisse, insbesondere die Gleichsetzung von fides und bona fides, hat sich zuletzt bereits Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 595 Fn. 24, S. 599 Fn. 40–42  ; ferner Ders., Meaning of Trust, S. 46, gewendet  ; diesem folgend auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 126  ; zuvor tendenziell schon de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 468. 316 Fikentscher, De fide et perfidia, S. 8, 10 f., 38–40, 46, 58–64. 317 Behrends, Treu und Glauben, S. 967–969, 1003–1005. 318 Besselink, Keeping Faith, S. 6–32, 199. 319 Blom, Grotius on Trust, S. 77–98  ; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 593–604  ; Ders., M ­ eaning of Trust, S. 41–57  ; ferner Ders., Religion, S. 97 f.; Ders., Socinianism, S. 129–131, 143  ; der diese Position in De Iure Belli ac Pacis allerdings (spätestens mit der überarbeiteten Ausgabe von 1631) weitgehend durch das Konzept des appetitus societatis ersetzt sieht. 320 Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 124–135, 140 f. 321 Vgl. dazu S. 37 f. m. w. N. 322 Nörr, Fides, S. 45–47  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 455, 457, 467 f., 484  ; im Ergebnis ähnlich zuvor bereits Besselink, Keeping Faith, S. 7 f., 10, 30  ; zu Recht betonen aber Straumann, Grotius, S. 76 Fn. 266  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 83 Fn. 131  ; Ders., Roman Law, S. 190 Fn. 94  ; und diesem folgend Blom, Meaning of Trust, S. 42 Fn. 8, dass Grotius’ fides-Begriff neben literarischen Quellen auch wesentlich auf dem römisch-rechtlichen Konzept der bona fides beruht.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

80 | 

Drittes Kapitel 

Eine erste Annäherung an Grotius’ fides-Verständnis kann möglicherweise ein Umkehrschluss aus der Abgrenzung zwischen perfidia und dolus malus darstellen  : Nihil autem abest a fide longius quam dolus malus, qui non tunc intelligitur cum pacta conventa non servantur (ea enim perfidia gravius vocabulum desiderat), sed cum ea calliditate, fallacia, machinatione aggredimur quempiam, quam iure non timuisse videatur.323

Nichts aber ist weiter entfernt von der Treue (fides) als die Arglist (dolus malus), die nicht nur dann angenommen wird, wenn geschlossene Verträge nicht eingehalten werden (denn diese Treulosigkeit (perfidia) verlangt eine schwerwiegendere Bezeichnung), sondern [auch], wenn man jemanden durch Verschlagenheit, Täuschung und List angreift, welche dieser mit Recht nicht hat fürchten müssen.

Anknüpfend an diese Passage wird die Treulosigkeit (perfidia) in der Literatur teilweise als Oberbegriff für arglistiges Verhalten (dolus malus) und Vertragsbrüche (pacta conventa non servantur) angesehen, wobei Grotius allerdings den Vertragsbruch sogleich wieder aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen habe (ea enim perfidia gravius vocabulum desiderat).324 Insofern wäre der Titel des Kapitels – De fide et perfidia (und nicht etwa De fide et dolo malo) – zumindest ungünstig gewählt. Indessen hat Grotius den Vertragsbruch auch inhaltlich keineswegs außer Acht gelassen. Vielmehr betrifft ein Großteil der in dem Kapitel beschriebenen Sachverhalte Vertragsbrüche verschiedener Art.325 Schließlich spricht auch der unmittelbare Kontext dieser Passage gegen das in der Literatur vertretene Verständnis  : Grotius erklärt, der Vertragsbruch stelle gegenüber der bloßen Arglist (dolus malus) noch eine Steigerung dar und bedürfe daher einer »schwerwiegenderen Bezeichnung« (gravius vocabulum desiderat)326. Zu diesem Zweck etabliert er die Treulosigkeit (perfidia) gerade als Bezeichnung für den Vertragsbruch bzw. genauer die Nichterfüllung von Abreden (pacta) in 323 Grotius, PR, cap. VI, num. 11 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 114]. 324 Fikentscher, De fide et perfidia, S. 11, 42, 50, 97, 148  ; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 125  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 468, insb. Fn. 61  ; tendenziell dagegen aber Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S.  594  ; Ders., Meaning of Trust, S.  40  f., der perfidia (zu Recht) gerade mit dem Bruch von Verträgen bzw. Versprechen verbindet. 325 Wie de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 468, zu einer gegenteiligen Einschätzung gelangt, ist angesichts der im Folgenden zu untersuchenden Passagen nicht nachvollziehbar. 326 Behrends, Treu und Glauben, S. 968, übersetzt gravius vocabulum hingegen als »ernsteres Wort« und sieht darin einen Bezug auf die »spezifisch christliche Tugend des Worthaltens«. Mangels jeglicher Anhaltspunkte für diesen Bezug erscheint diese Deutung fraglich, zumal Grotius an späterer Stelle die Vertragstreue der Osmanen betont, vgl. im Text bei Fn. 350.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 81

Abgrenzung zur bloßen Arglist (dolus malus) und nicht etwa als Oberbegriff der beiden Kategorien.327 In dieser doppelten Gegenüberstellung, zwischen fides und perfidia einerseits und fides und dolus malus andererseits, liegt vielleicht der Grund für spätere Missverständnisse. Grotius schafft hier Raum für z w e i v e r s c h i e d e n e fides-­ B e g r i f f e , welche nicht frei von Überschneidungen sind.328 Dabei lassen sie sich am einfachsten unter Angabe ihres jeweiligen Gegenteils benennen  : Fides im ersteren Sinne, als Gegenteil der Nichteinhaltung von Abreden (perfidia), ist nichts anderes als Vertragstreue, die Erfüllung getroffener Abreden.329 Fides im letzteren Sinne, als Gegenteil arglistigen Verhaltens (dolus malus), meint ein allgemeines Gebot redlichen Verhaltens. Im vertraglichen Kontext bezieht es sich konkret auf die Art und Weise der Vertragserfüllung und entspricht dem, was Juristen als bona fides bezeichnen330.331 Die Einhaltung der Abrede ist damit stets auch implizite Voraussetzung von (bona) fides als Gegenteil zu dolus malus,332 aber anders als bei fides als Gegenteil zur perfidia nicht der Kern der Bedeutung. Etwas später kommt Grotius erneut auf die Einhaltung von Abreden zu sprechen, also fides im ersteren Sinne –  als Gegenteil der perfidia. Dabei betont er unter Bezug auf ein klassisches Beispiel tugendhaften Verhaltens zugleich den Stellenwert der fides gegenüber anderen Tugenden und die uneingeschränkte Anwendbarkeit der fides gegenüber Feinden –  einen zentralen Punkt seiner ­zukünftigen Völkerrechtslehre333  : 327 In späteren Werken verwendet Grotius diese Terminologie nur selten. So findet sich der Ausdruck perfidia etwa in De  Iure Praedae nur in dem konkreten Rechtsgutachten (Kapitel  11–15) und dient dort zur Beschreibung der Portugiesen (in Abgrenzung zu den Spaniern). Insofern scheint Grotius sämtliche von ihnen begangene Gräuel darunter zu fassen, wozu allerdings ausdrücklich auch die Nichteinhaltung von Abreden gehört, vgl. Grotius, IPC, cap. XII, fol. 121v–122r [S. 256]. In De Iure Belli ac Pacis verwendet er den Ausdruck zur Beschreibung der Nichteinhaltung von Abreden (fedus violare), vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XV § XV. 328 Vgl. zu der im Grundsatz ähnlichen und ebenfalls mit Antonymen arbeitenden Differenzierung der bona fides bei Covarruvias Decock, Contract Law, S. 290–292. 329 Ähnlich auch Behrends, Treu und Glauben, S. 967 f.; Fikentscher, De fide et perfidia, S. 11  ; Nörr, Fides, S. 46. 330 Vgl. dazu Schermaier, bona fides in Roman Contract Law, S. 77–83. 331 Grundsätzlich ähnlich auch Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 105. 332 An einer Stelle zählt Grotius Abreden (pacta), Kapitulationsbedingungen (deditionum leges) und Friedensberatungen (Pacis consilia) ausdrücklich zur fides bellica, also der Treue gegenüber Feinden als Gegenteil arglistigen Verhaltens, vgl. Fn. 346. Im Anschluss thematisiert er ausdrücklich auch die Verbindlichkeit dieser Verträge und nicht lediglich die Art und Weise ihrer Umsetzung, vgl. Fn. 360. 333 Vgl. insb. Grotius, IBP, lib. III cap. XIX  ; aber auch Grotius, IPC, cap. VIII, insb. fol. 48v [S. 108]

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

82 | 

Drittes Kapitel 

Iam vero ad servandas pactiones quod attinet, potestne exemplum nobilius esse M. Attilio Regulo  ? Quanquam in illo non fidem modo, quae tamen suo merito clara atque illustris est, sed multo iustius constantiam admiremur. Potuit enim salva fide censere remittendos esse captivos. Et sine dubio valuisset authoritas aut etiam miseratio. At ille dissuasit, cum perspectam satis haberet hostis crudelitatem et exquisitissima illa supplicia iamdudum animo praesentiret. Adeo nec utilitas patriae fidei privatim datae praevaluit, nec fides utilitati publicae, nec utrique tormentorum metus.334

Was aber nun die einzuhaltenden Abreden betrifft, kann es ein edleres Beispiel geben als das des Marcus Atilius Regulus  ? Obwohl wir bei ihm nicht allein die Treue (fides), welche freilich aus eigenem Verdienst rühmenswert und angesehen ist, sondern mit weit größerer Berechtigung seine Standhaftigkeit (constantia) bewundern. Denn er konnte mit gewahrter Treue (fides) beantragen, dass die Kriegsgefangenen zurückgeschickt werden mussten. Und ohne Zweifel hätten sein Ansehen oder sogar das Mitgefühl Einfluss gehabt. Jedoch riet er davon ab, obwohl er selbst die Grausamkeit des Feindes ausreichend durchschaute und er jene ärgsten Qualen schon längst im Geiste voraussah. Vielmehr hatte weder der Nutzen für das Vaterland Bedeutung gegenüber seiner persönlich gegebenen Treue noch die Treue gegenüber dem öffentlichen Nutzen noch die Furcht vor Folter gegenüber diesen beiden.

Grotius hält es augenscheinlich für überflüssig, den zugrunde liegenden Sachverhalt zu schildern. Dieser sei zum besseren Verständnis kurz dargestellt  : Der Konsul Marcus Atilius Regulus war nach Überlieferung Ciceros335, die Grotius hier als unmittelbare Vorlage dient,336 ein römischer Heerführer im Ersten Punischen Krieg. Nach mehreren siegreichen Schlachten geriet er in karthagische Gefangenschaft. Anschließend wurde er von diesen nach Rom gesandt, um einen Gefangenenaustausch zu vermitteln. Vor seinem Aufbruch hatte er allerdings einen Eid ablegen müssen, im Falle seines Scheiterns in die Kriegsgefangenschaft zurückzukehren. In Rom trug er dem Senat zunächst das Angebot der Karthager vor, um sich anschließend erfolgreich dafür einzusetzen, es abzulehnen. Daraufhin kehrte Marcus Atilius Regulus gemäß seinem Eid nach Karthago zurück und wurde dort zu Tode gefoltert. (entspricht inhaltlich im Wesentlichen der im Text bei Fn. 343 wiedergegebenen Passage, vgl. zur Erläuterung auch Fn. 347)  ; sowie ebd., fol. 51r [S. 115 f.]. 334 Grotius, PR, cap. VI, num. 15 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 120]. 335 Cic. off. 1,39  ; ebd., 3,99–115  ; vgl. dazu auch Blom, Grotius on Trust, S.  81  f.; Riedl, Atilius Regulus, S. 331–334  ; Nörr, Fides, S. 7  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 462 f. 336 Im weiteren Verlauf zitiert Grotius wörtlich die Ausführungen Ciceros zur heimtückischen Auslegung als Form des Meineides in  : Cic. off. 3,113, vgl. im Text bei Fn. 363–366  : […] quod vere Cicero distringere periurium esse dixit, […]. Zu den verschiedenen überlieferten Formulierungen und dem entsprechenden Zitat in De Iure Belli ac Pacis, vgl. Fn. 363.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 83

Unabhängig von ihrem historischen Wahrheitsgehalt, wurde diese Erzählung seit Cicero als nachahmenswertes Beispiel tugendhaften Verhaltens angeführt  :337 Der Konsul habe einerseits sein persönliches Interesse an dem Gefangenen­ austausch hinter den Nutzen für die Republik zurückgestellt und andererseits den Eid trotz des diametral entgegenstehenden persönlichen und öffentlichen Interesses durch seine anschließende Rückkehr nach Karthago gehalten.338 Grotius folgt hier der Einschätzung Ciceros, der zufolge an dem Verhalten des Atilius Regulus vor allem sein Einsatz gegen das Zustandekommen des Gefangenenaustausches zu bewundern sei. Für Grotius ist dieses Verhalten insbesondere deshalb rühmenswert, weil er auch ohne Verstoß gegen die fides anders hätte handeln können. Cicero will für die Erfüllung des Eides nicht Atilius Regulus, sondern dessen Zeit loben, in der dies noch selbstverständlich gewesen sei. Sowohl Cicero als auch Grotius sprechen der fides damit also keinesfalls ihre Bedeutung ab, sondern lediglich die besondere moralische Qualität einer fides-gemäßen Handlung  : Fides (als Gegenteil der perfidia) ist so fundamental, dass ihre Befolgung erwartet wird und keines besonderen Lobes bedarf. Solches erfährt Atilius Regulus allein für seine Parteinahme gegen eine Annahme des für ihn persönlich vorteilhaften karthagischen Angebotes, denn dazu war er, anders als zu dessen Überbringung und der anschließenden Rückkehr in Kriegsgefangenschaft, nicht verpflichtet. Der Vergleich mit der Darstellung in de officiis lenkt das Interesse darauf, was Grotius unausgesprochen lässt  : Während Cicero betont, dass es sich um einen Eid und damit die stärkste Ausprägung der fides handele,339 fehlt diese Einschränkung bei Grotius (entsprechend der scholastischen Lehre, der zufolge die Regeln über einen Eid auch für einfache Versprechen gelten müssen340). Vielmehr leitet er die Schilderung des Beispiels ausdrücklich mit einem Verweis auf den allgemeinen Grundsatz pacta sunt servanda ein (ad servandas pactiones quod attinet). Anders als in späteren Werken differenziert Grotius im Parallelon Rerum­ publicarum nicht zwischen durchsetzbaren und nicht-durchsetzbaren Regeln des Naturrechts341. Dies wäre in Anbetracht der Zielsetzung, die Verwerflichkeit der Spanier anzuprangern und die Tugendhaftigkeit der Niederländer herauszustellen, auch überflüssig. Dennoch findet sich in der Gewichtung der fides als 337 Vgl. zur Reichweite der Erzählung und ihrer Bedeutung als beispielhafte Morallehre  : Riedl, ­Atilius Regulus, S. 336–350. 338 Cic. off. 3,101  ; ebd., 3,110–111. 339 Cic. off. 3,104  ; ebd., 3,111 (Nullum enim vinculum ad astringendam fidem iure iurando maiores artius esse voluerunt). 340 Vgl. dazu etwa Decock, Contract Law, S. 93 Fn. 342, S. 124, 126, 129 m. w. N. 341 Vgl. dazu noch im Detail S. 319–330.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

84 | 

Drittes Kapitel 

fundamentale, schlichtweg als Mindestmaß erwartete und daher nicht besonders lobenswerte Charaktereigenschaft und ihrer Ausdehnung auf sämtliche Abreden (ad servandas pactiones) ein Vorläufer dazu, diese möglicherweise in späteren Vertragslehren als eine rechtliche und nicht bloß ethische (insbesondere nicht super­erogatorische) Vorschrift des Naturrechts zu qualifizieren. Ob die fides diese Rolle in den späteren Vertragslehren allerdings tatsächlich einnimmt, wird noch zu untersuchen sein.342 Die Bedeutung der fides, insbesondere bezogen auf Abreden, zeigt sich auch an anderen Stellen des sechsten Kapitels  : Cautum satis videri poterat, cum communi gentium iuri etiam pacti fides accederet, nisi nihil tam sanctum esset quod non Hispanorum violaret audacia.343

Dieses Sicherungsversprechen [dass sich an den Personen und dem Vermögen der Belagerten nicht vergangen werde]344 konnte ausreichend erscheinen, da zum allgemeinen Völkergemeinrecht (communi gentium iuri) noch die Vertragstreue (pacti fides) hinzukam, wenn nur etwas so unantastbares existierte, dass es durch die Dreistigkeit der Spanier nicht verletzt würde.

Primär geht es Grotius im Parallelon Rerumpublicarum um die völkerrechtliche Treue im Krieg (fides in bello345 oder fides bellica346), also ehrbares, d.  h. nicht arglistiges Verhalten gegenüber Feinden. Um in den aufgezeigten Kategorien zu sprechen  : fides als Gegenteil des dolus malus. Immer wieder kommt er jedoch auf Kapitulations-, Waffenstillstands-, Friedens- oder Bündnisverträge als zusätzliches bestärkendes Element zu sprechen. Für diese Vertragstreue prägt Grotius hier den Begriff der pacti fides – möglicherweise unabhängig davon, ob es lediglich um die Verbindlichkeit der Abrede (fides als Gegenteil der perfidia) oder die 342 Vgl. zu De Iure Praedae S. 116–130  ; zu den Theses LVI S. 165–174  ; zu dem Brief vom 28.02.‌1616 S. 186–205  ; zu der Inleidinge S. 230–242  ; zu De Iure Belli ac Pacis S. 263–377 passim, sowie insb. S. 311–318, 366–375. 343 Grotius, PR, cap. VI, num. 54 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 152]. 344 Im Satz zuvor heißt es  : Comitis Brouckii domus vi oppugnata et dedita tandem ea lege, ne quid in obsessorum corpora sive fortunas committeretur, vgl. Grotius, PR, cap. VI, num. 54 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 152]. 345 Grotius, PR, cap. VI, num. 3 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 108]  : Nam summa Quiritum fides in bello privatisque commerciis, […] in laudis proverbium abiit, […]  ; ebd., num. 10 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 114]  : nefas tamen in naturae atque gentium iura peccari, quae requirunt et in suscipiendo bello iustitiam et in gerendo fidem. 346 Grotius, PR, cap. VI, num. 58 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 156]  : Superest ut fidem bellicam consideremus et id quod inter hostes residuum manet communionis humanae. Versantur autem ista maxime circa captivos, circa pacta et deditionum leges et circa pacis consilia.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 85

Art und Weise ihrer Umsetzung (fides als Gegenteil des dolus malus) geht. Aus dem Kontext347 geht jedoch hervor, dass die Verbindlichkeit von Abreden (fides als Gegenteil der perfidia) hier zumindest im Vordergrund steht. Obwohl Grotius den Begriff pacti fides an anderen Stellen nicht wieder aufgreift,348 verdeutlicht die Präzisierung an dieser Stelle, dass fides – zumindest im Parallelon Rerumpublicarum  – einen weiten Anwendungsbereich aufweist und der vertragliche Kontext lediglich einen Aspekt der fides darstellt. Allerdings suggeriert diese Stelle zugleich, dass der pacti fides noch einmal größere Bedeutung oder verlässlichere Bindungswirkung zukommt als der allgemeinen völkerrechtlichen fides. Andernfalls wäre die angesprochene vertragliche Absicherung nicht nur gegenüber den verdorbenen Spaniern, sondern stets überflüssig. Im Anschluss listet Grotius zunächst weitere Untaten der spanischen T ­ ruppen auf, die im Wesentlichen stets darin bestehen, entgegen ausdrücklicher Ver­ sicherung Gewalt gegen kapitulierende Gegner angewandt zu haben. Schließlich prangert er exemplarisch ihren Befehlshaber Francisco de Mendoza349 an  : Quid eo facinore turpius, cui patrocinium ex commodo quaeritur  ! Quamobrem, cum ille contra pacta nihil aliud adferret, quam ex usu esse principis sui et ita fieri expedire ad salutem religionis et imperii Belgici, sacerdos unus eorum, quos Emmericensis civitas ad Mendozam allegaverat respondit indignabundus  : hoc foedifragis patere effugium, eam nec Turcis perfidiam.350

Was ist verwerflicher als ein solches Verbrechen, für das versucht wird, eine Entschuldigung aus einem Vorteil heraus zu erlangen  ! Als jener [Mendoza] bezogen auf die Nichteinhaltung von Abreden nichts weiter vorbrachte, als dass es zum Nutzen seines Fürsten und daher zum Wohl der Religion und Herrschaft über Belgien geschehe, antwortete entrüstet ein Priester aus den Reihen derjenigen, welche die Bürgerschaft von Emmerich zu Mendoza entsendet hatte  : Dies stehe allen Vertragsbrüchigen als Ausflucht offen, und selbst bei den Osmanen gäbe es keine solche Treulosigkeit (perfidia).

347 Dem von spanischen Truppen belagerten Grafen von Brouck wurde in den Kapitulationsbedingungen zugesichert, dass sich niemand an den Belagerten und ihrem Vermögen vergehen werde. Anschließend wurden er und seine Soldaten ermordet, seine Frau entführt und alles Silber entwendet. Vgl. demgegenüber die Kapitulationsbedingungen bei der Belagerung von Snaaskerke, im Text bei Fn. 366, wo der Vorwurf der arglistigen Formulierung (dolus malus) im Vordergrund steht. 348 Im etwa zehn Jahre später entstandenen Werk Meletius spricht Grotius von fides pactorum, vgl. Fn. 511. Auch dort versteht er darunter wohl (zumindest in erster Linie) die Vertragstreue als Gegenteil der Nichterfüllung, wie der Bezug auf Cic. off. 3,107, nahelegt. 349 Vgl. zur Person des Francisco de Mendoza und dessen Bedeutung im Parallelon Rerumpublicarum als Verkörperung aller spanischen Untugenden  : Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 96. 350 Grotius, PR, cap. VI, num. 55–56 [Hervorh. im Orig.; zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 154].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

86 | 

Drittes Kapitel 

Grotius bezieht sich hier auf die zuvor geschilderten Vertragsbrüche der spanischen Truppen (eo facinore), welche durch die vorgebrachte Rechtfertigung noch verwerflicher seien. Hier stellt Grotius den spanischen Befehlshaber implizit als Gegenteil des zuvor als strahlendes Beispiel tugendhaften Verhaltens beschriebenen römischen Konsuls Marcus Atilius Regulus dar. Dort betonte Grotius, wenn auch nicht so deutlich wie Cicero,351 dass der persönliche (und auch der öffentliche) Nutzen in Fragen ehrbaren Verhaltens stets irrelevant sei.352 Inhaltlich betrifft es exakt dieselbe Frage wie das antike Beispiel  : Müssen Abreden auch dann eingehalten werden, wenn der persönliche Nutzen oder der Nutzen für das Vaterland dagegen sprechen  ?353 Während der Konsul Marcus Atilius Regulus dafür gelobt wurde, den für das Vaterland nachteiligen Eid durch seine Rückkehr in die Kriegsgefangenschaft zu erfüllen (Adeo nec utilitas Patriae Fidei privatim datae praevaluit), bezeichnet Grotius die Rechtfertigung des gegenteiligen Verhaltens durch Mendoza als das Verwerflichste (Quid […] turpius, […]  !). Auch das Zitat des Priesters dient der Verurteilung dieser opportunistischen Argumentation. Zugleich drückt Grotius durch den Verweis auf die Osmanen (als externe Bedrohung des christlichen Abendlandes) aber auch aus, dass die Erfüllung von Abreden keine Frage des Glaubens sei, pacti fides also nicht – oder zumindest nicht ausschließlich – aus der pietas folge.354 Der unmittelbare Bezug liegt in dem Vorbringen Mendozas, die spanische, also katholische Herrschaft über die Niederlande diene dem Wohl der Religion (ad salutem Religionis). Dahinter verbergen sich die im Kontext der Religionskriege zunehmend diskutierten Fragen, inwieweit man gegenüber Häretikern an Verträge gebunden sei und umgekehrt auf deren Vertragstreue vertrauen könne.355 Grotius sieht darin, wie 351 Cic. off. 3,101  ; ebd., 3,105  ; und vor allem ebd., 3,110  : Est enim nihil utile, quod idem non honestum, nec, quia utile, honestum, sed, quia honestum, utile. 352 Grotius, PR, cap. VI, num. 15 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 120]  : Adeo nec utilitas patriae fidei privatim datae praevaluit, nec fides utilitati publicae, nec utrique tormentorum metus. Vgl. dazu auch im Text bei Fn. 334. 353 Diese Frage bildet auch den Gegenstand der berühmten Auseinandersetzung mit Karneades in Grotius, IBP, prolegomena V–VII  ; ebd., prolegomena XVI–XVII, vgl. dazu besonders anschaulich Straumann, Sociability, S. 158 f., 162–171, und des »Fool’s Argument« in Hobbes, Levia­ than, cap. XV, Justice not Contrary to Reason [S. 222–225]. 354 In De Iure Belli ac Pacis erklärt Grotius, derartiges Verhalten habe ihn zum Verfassen des Werkes veranlasst, vgl. Grotius, IBP, prolegomena XXVIII  : […] Videbam per Christianum orbem vel barbaris gentibus pudendam bellandi licentiam  : levibus aut nullis de causis ad arma procurri, quibus semel sumtis nullam iam divini, nullam humani iuris reverentiam […]. 355 Vgl. im Detail Decock, RIDC 27 (2016)  ; sowie zu spätantiken Quellen ferner Behrends, Treu und Glauben, S. 968 Fn. 35 m. w. N.; Böttcher, Mentalreservation, S. 103. Vgl. auch Grotius,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 87

er sogleich erklärt, eine essenzielle Gefahr für die Gemeinschaft der Menschen.356 Zuvor hat er sich bereits mit Bezug auf die katholischen Bischöfe in den Niederlanden zur Beziehung von pietas und fides geäußert. Dort hält er es für einen besonders lobenswerten Charakterzug der Niederländer, dass diese gegenüber Häretikern die fides achten.357 Der Verweis auf Muslime geht darüber hinaus.358 Einerseits widerlegt Grotius auf diese Weise die These der Unverbindlichkeit gegenüber Häretikern durch eine Art argumentum a maiore ad minus. Andererseits trennt er dadurch das abstrakte Problem der Beziehung zwischen Vertragsund Glaubenstreue geschickt von den damit verbundenen (kirchen-)‌politischen ­Erwägungen. Die fundamentale Bedeutung und bedingungslose Geltung der fides betont Grotius auch an weiteren Stellen  : Quod enim, per Deum immortalem, scelus excogitari potest maius aut turpius quam quae amicis sancte promiseris ea violare. Praesertim hic, ubi ne illa quidem sententia allegari potuit quam ego iudico natam dissolvendae omni humanae societati, haereticis non esse servandam fidem  ?359

Denn welches Verbrechen kann, beim unsterb­ lichen Gott, als größer und schändlicher erdacht werden, als das zu verletzen, was du Freunden unantastbar versprochen hast  ? Zumal hier, wo man sich nicht einmal auf jene Ansicht berufen kann, die ich für geeignet halte, die gesamte menschliche Gesellschaft auseinanderzureißen, dass gegenüber Häretikern die fides nicht gehalten werden müsse.

IBP, lib. II cap. XV §§ VIII–X  ; sowie zu der verwandten (und durch den Bezug auf die Osmanen auch hier tangierten) Frage der Verbindlichkeit von Verträgen mit Ungläubigen Astorri, Contract and Treaties, S. 528 f.; Condorelli, Grotiana 41,1 (2020). Zu Grotius’ Ausführungen in De  Iure Praedae vgl. van Ittersum, Profit and Principle, S.  49–52  ; ferner Tuck, Political Thought, S. 92–94. 356 Vgl. im Text bei Fn. 359. 357 Grotius, PR, cap. VI, num. 41–42 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 142]  : […] Praesertim vero pudenda est antistitum perfidia, et praetexta ambitioni Sacra. Nescio quomodo cum Christianae pietatis initiis natum sit ubique quod eam perverteret […]  ; ebd., num. 45 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S.  144]  : Sed ad pietatem quidem quod attinet, dabitur infra dicendi locus [nämlich in cap. XXVI  : De religione et pietate]  : fidem vero illi ne in perfidos quidem exuerunt. 358 Das Recht und die Praktiken der Muslime – und Juden – dienen Grotius (vor allem in De Iure Belli ac Pacis) regelmäßig als Korrelat zum römischen Recht und den Normen und Praktiken der christlichen Staaten  ; vgl. exemplarisch etwa die Ausführungen zur Sklaverei in Grotius, IBP, lib. III cap. IX §§ VIII–IX. Christen, Juden und Muslime teilen grundsätzlich dasselbe Natur- und Völkergemeinrecht, wenngleich sich das willentlich gesetzte, göttliche und staatliche Recht jeweils unterscheidet. 359 Grotius, PR, cap. VI, num. 56 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 154].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

88 | 

Drittes Kapitel 

[…] quanquam illa certe caedes non modo communi bellorum iuri erat contraria, sed pactis etiam quae pugnam antecesserant. Hoc vero longe gravissimum est facinus, adversus ea venire, de quibus fides data atque habita est. Hic ego si referendum existimarem quoties violata foedera et pactiones, quibus nihil sanctius esse deberet humano generi  ; […]360

[…] obwohl jener Mord gewiss nicht nur entgegen dem allgemeinen Kriegsrecht (communi bellorum iuri) erfolgte, sondern auch entgegen den Abreden, die dem Kampf vorausgegangen waren. Aber das ist bei Weitem das schwerste Verbrechen, gegen das zu verstoßen, worüber fides gegeben und auch erhalten worden ist. Wenn ich meinen würde, dass an dieser Stelle berichtet werden muss, wie oft Bündnisse und Abreden verletzt worden sind, wo doch für das menschliche Geschlecht nichts unantastbarer sein müsste als diese  ; […]

Versprechen, Bündnisse und Abreden beschreibt Grotius nicht nur mehrfach als unantastbar, sondern erklärt, nichts anderes dürfe für die Menschen unantastbarer sein.361 Umgekehrt sei der Vertragsbruch der größte und verwerflichste Frevel (Quod enim […] scelus excogitari potest maius aut turpius) bzw. das schwerwiegendste Verbrechen (longe gravissimum facinus). Wie schon in dem Beispiel des römischen Konsuls Marcus Atilius Regulus, tritt auch hierin die fundamentale Bedeutung der (pacti) fides zutage. Zugleich kontrastiert Grotius diese normative mit der faktischen Feststellung, dass Bündnisse und Abreden immer wieder verletzt würden. Entgegen der terminologischen Weite des fides-Begriffs zeigt sich hier, wie schon in den Beispielen von Atilius Regulus und Mendoza sowie in der Kapitelüberschrift (De  fide et perfidia), Grotius’ Fokus auf die pacti fides bzw. fides als Gegenteil der perfidia  : Fides kann einerseits auch Treueverhältnisse jenseits von Vertragsbeziehungen beschreiben und sich andererseits primär auf die Art und Weise der Erfüllung beziehen. Der wichtigste Teilaspekt, auf den Grotius im sechsten Kapitel immer wieder zurückkommt und den er in seiner Bedeutung über die anderen Aspekte stellt, ist jedoch fides als Treue zum gegebenen Wort und damit die Verbindlichkeit von Abreden.362 Gegen Ende des Kapitels kommt Grotius, ohne dies ausdrücklich so zu benennen, noch einmal auf die Arglist (dolus malus) als Gegenteil der fides zurück. Auch an dieser Stelle geht es allerdings nicht um jedwede Form arglistigen Verhaltens, sondern um die arglistige Rechtfertigung der Nichterfüllung von Ab360 Grotius, PR, cap. VI, num. 61–62 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 158]. 361 Vgl. auch Grotius, PR, cap. VI, num. 54 [zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 152]  : […] pacti fides accederet, nisi nihil tam sanctum esset, […], vgl. im Text bei Fn. 343. 362 So auch Nörr, Fides, S. 46  ; dagegen de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 468.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De fide et perfidia 

| 89

reden. Wiederum in Anlehnung an Cicero widmet sich Grotius der betrügerischen Auslegung des Vertragsinhaltes, die praktisch der Nichterfüllung (perfidia) gleichkomme  : Ex eo enim tempore adversus principes, oppidanos, milites nunquam desiit hostis aut fidem callida verborum interpretatione eludere – quod vere Cicero distringere periurium esse dixit,363 non dissolvere (observandum enim esse id quod mens deferentis concepisset fieri oportere)364, aut palam etiam, ubi affulgeret utilitas lingua iurata mentem iniuratam habere.365 Quid enim clarius esse potuit quam quod militibus non ita dudum in Snaeskerckano propugnaculo promissum fuit sospites omnes et salvos ad suos remissum iri  ? Quid vero profuit  ? Mactati scilicet omnes ad unum paene, contra tam manifestas deditionis leges.366

Denn seit dieser Zeit hat der Feind gegenüber Fürsten, Stadtbewohnern und Soldaten niemals aufgehört, entweder der Treue (fides) mit verschlagener Auslegung der Worte zu entgehen, was Cicero zutreffend als Ausweitung des Meineides und nicht als dessen Auflösung bezeichnete (es muss nämlich das befolgt werden, was der Geist des Antragenden verstanden hatte, das geschehen solle), oder sogar, wo der Nutzen in Aussicht stand, öffentlich mit der Zunge, nicht aber mit dem Verstand vereidigt zu sein. Denn was konnte eindeutiger sein, als das, was den Soldaten vor nicht allzu langer Zeit an der Schutzmauer von Snaaskerke versprochen worden ist, dass sie alle unverletzt und wohlbehalten zu ihren Angehörigen zurückkehren könnten  ? Was aber hat es genützt  ? Es sind nämlich alle, fast bis auf den Letzten, entgegen der so eindeutigen Kapitulationsbedingungen niedergemetzelt worden.

363 Cic. off. 3,113. Der ursprüngliche Wortlaut dieses Satzes ist in der Cicero-Forschung nicht unumstritten (distringere oder astringere  ; periurium oder ius iurandum), vgl. Dyck, Commentary, S. 641 f. m. w. N., doch entspricht Grotius’ Zitat zumindest der verbreitetsten Überlieferung. Zudem mag sich die paradox erscheinende Aussage unter Heranziehung der von Grotius anschließend in Bezug genommenen Aussagen in Cic. off. 3,107–108, erklären, vgl. Fn. 364 f. Auffällig ist allerdings, dass Grotius das Zitat in De Iure Belli ac Pacis im Kapitel De Iureiurando paraphrasiert, ab der zweiten Auflage (1631) im Kapitel De Interpretatione wörtlich zitiert und dort jeweils astrin­gere verwendet  : Nullum vinculum, inquit Cicero Off. I, ad adstringendam fidem maiores nostri iureiurando arctius esse voluerunt, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XIII § I 1  ; sowie Eiusmodi fraudibus recte dixit Cicero adstringi, non dissolvi periurium  ; vgl. ebd. cap. XVI § II. 364 Der Wortlaut scheint stark von Cic. off. 3,107 inspiriert zu sein  : Quod enim ita iuratum est, ut mens conciperet fieri oportere, id servandum est  ; quod aliter, id si non fecerit, nullum est periurium. 365 Auch diese Formulierung dürfte der entsprechenden Passage bei Cic. off. 3,108 entnommen sein  : Non enim falsum iurare periurare est, sed quod ›ex animi tui sententia‹ iuraris, sicut verbis concipitur more nostro, id non facere periurium est. Scite enim Euripides  : Iuravi lingua, mentem iniuratam gero. 366 Grotius, PR, cap. VI, num. 62–63 [Hervorh. im Orig.; zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 160].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

90 | 

Drittes Kapitel 

Vordergründig betont Grotius auch hier wieder die Treulosigkeit der Spanier. Aus dem konkreten Beispiel der Kapitulation Snaaskerkes wird nicht unmittelbar ersichtlich, was diesen Fall nach Grotius’ Ansicht von den zuvor behandelten Fällen spanischer perfidia367 unterscheidet. Zuvor wirft er ihnen jedoch vor, durch eine »verschlagene Auslegung« (callida verborum interpretatione) der fides entgehen zu wollen. Verdeutlicht wird der Vorwurf durch den Bezug auf Cicero, der an der zitierten Stelle von einem ähnlichen Fall wie dem des Marcus Atilius Regulus berichtet. Dieser Kriegsgefangene sei allerdings kurz nach seinem Aufbruch nach Rom noch einmal unter einem Vorwand ins karthagische Lager zurückgekehrt und habe seinen Eid damit als erfüllt betrachtet, sodass er anschließend in Rom zu verweilen gedachte.368 Dies kommentiert Cicero mit der von Grotius zustimmend zitierten Aussage, dass ein derartiges Vorgehen den Meineid nicht etwa entfallen lasse, sondern ihn noch vergrößere. Grotius erklärt dies damit, dass es auf das Verständnis des A n t r a g e n d e n (mens deferentis) –  hier also der Bewohner Snaaskerkes bzw. der Karthager  – und nicht auf das tatsächlich Erklärte ankomme (observandum enim esse id, quod mens deferentis concepisset fieri oportere). Ein ähnliches Verhalten wirft Grotius den spanischen Belagerern von Snaaskerke vor, obwohl diese keinen Eid (ius iurandum) geschworen, sondern Kapitulationsbedingungen (deditio leges) vereinbart hatten. Grotius sieht sich insofern jedoch nicht veranlasst, Ciceros Qualifikation als Meineid (periurium) anzupassen oder zu erläutern. Ebenso wie er zuvor das Positivbeispiel des Atilius Regulus auf sämtliche Abreden übertragen hat (ad servandas pactiones), qualifiziert Grotius umgekehrt auch alle arglistigen Scheinerklärungen als Meineid (per­iurium) –  nicht aber als nachträglichen Wortbruch bzw. Nichterfüllung (perfidia). Die verwerfliche Handlung liegt demnach bereits in dem arglistigen Versprechen selbst, auf die spätere Nichterfüllung scheint es nicht mehr anzukommen.369

367 Vgl. insbesondere zur weitgehend ähnlich verlaufenen Belagerung von Brouck im Text bei Fn. 343 sowie zur Erläuterung Fn. 347. In beiden Fällen kapitulieren die Belagerten unter Verheißung eines umfassenden Schutzes vor Übergriffen, bevor sie anschließend von den spanischen Truppen erschlagen und ihre Städte geplündert werden. 368 Cic. off. 1,40  ; ebd., 3,113  ; vgl. dazu auch Böttcher, Mentalreservation, S. 51  ; Luig, Auslegung, S. 135. 369 Zur Differenzierung zwischen der Frage der Zulässigkeit einer Mentalreservation bei Versprechensabgabe einerseits und den Folgen für die Verbindlichkeit des Versprechens andererseits auch Böttcher, Mentalreservation, S. 193–196, der von Grotius’ Werken jedoch nur De Iure Belli ac Pacis untersucht.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De iustitia iniustitiaque 

| 91

Für Grotius genügt es an dieser Stelle, das Verhalten der Spanier als verwerflich zu qualifizieren. Gemäß der Natur des Parallelon Rerumpublicarum sind die konkreten Rechtsfolgen einer arglistigen Scheinerklärung für Grotius irrelevant. Es genügt aufzuzeigen, dass die Spanier gegen die fides verstoßen haben – sei es durch dolus malus oder durch perfidia. Juristisch sind die möglichen Rechtsfolgen hingegen von großem Interesse. So mag es nicht verwundern, dass Grotius diesen Aspekt in seinen späteren Vertragslehren weiter ausdifferenzieren wird370. Abschließend bleibt festzuhalten, dass fides im dritten Buch des Parallelon Rerum­publicarum von überragender Bedeutung ist (pacti fides accederet, nisi nihil tam sanctum esset  ; foedera & pactiones, quibus nihil sanctius esse deberet Humano generi). Eine Begründung, im weiteren Sinne also die Angabe eines ­Geltungsgrundes, hält Grotius allerdings nicht für nötig. Dabei wird der Begriff fides häufig als Synonym für die Verbindlichkeit von Abreden verwandt. Entscheidend ist aber allein die subjektive Vorstellung, der Bindungswille. Fehlt dieser (lingua iurata mentem iniuratam habere), kommt ­allenfalls ein Meineid in Betracht, nicht aber fides im Sinne vertraglicher Verbindlichkeit.

II. De iustitia iniustitiaque Im Anschluss an das Kapitel über fides und perfidia wendet sich Grotius im siebten Kapitel der Gerechtigkeit (iustitia) und Ungerechtigkeit (iniustitia) zu. Dieses Kapitel ist, wie auch die folgenden, deutlich kürzer als das sechste Kapitel. Während hierin diverse Verträge (deditio leges  ; foedera  ; pacta etc.) erwähnt wurden, findet sich im siebten Kapitel allein der Ausdruck contractus – und auch dieser nur ein einziges Mal. In Anbetracht der Bedeutung der iustitia in Grotius’ späteren Vertragslehren erscheint eine Auseinandersetzung dennoch geboten. Zudem wird sich zeigen, dass der Kontext der Erwähnung der contractus gerade in Bezug auf die zuvor erörterte pacti fides von Interesse ist  : Quicquid ad Fortitudinem pertinet et Fidem, satis hactenus per omnis aetatis exempla expressum arbitror.

Alles, was sich auf Tapferkeit (fortitudo) und Treue (fides) bezieht, scheint mir bis hier ausreichend durch Beispiele aus allen Zeitaltern ausgedrückt.

370 Vgl. insbesondere Grotius, IBP, lib. II cap. IV § III  ; ebd., cap. XIII §§ II–III  ; ebd., § XIII 2  ; ebd., cap. XVI § I 1  ; sowie dazu S. 366–375  ; ferner auch Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r–v [S. 18 f.]  ; sowie dazu S. 121–124.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

92 | 

Drittes Kapitel 

Haec autem duo praecipua fuerant capita, dequibus nos acturos polliciti sumus. Restat ut caeteras virtutes, in summam reductas, compendio percurramus […] Omne quod honestum est, id quatuor partium ex aliqua oriri Cicero tradidit, post Panaetium, ut arbitror  : aut enim id in perspicientia veri solertiaque versari  ; aut enim in hominum societate tuenda, tribuendoque suum cuique, et rerum contractarum fide  ; aut in animi excelsi atque invicti magnitudine et robore  ; aut in omnium quae fiunt quaeque dicuntur ordine et modo, in quo inest modestia et temperantia. Eam itaque partem, quae hic tertia descripta est, supra perfecimus  ; eius, quae hic ordine secunda est, parum restat  : nam Fidei, de qua locuti sumus hactenus, vocabulum aliquanto angustius est, quam ut ad omne officium, quod ex iustitia nascitur, possit extendi.371

In zwei Kapiteln [nämlich Kapitel 4 und 6] wurde das Wichtigste behandelt, das wir abzuhandeln versprochen haben. Es verbleibt noch, dass wir die übrigen, auf das Höchste zurückgeführten Tugenden in einer Zusammenfassung durcheilen […] Dass alles, was ehrenhaft (honestum) ist, aus einem der vier Teile entsteht, ist von Cicero überliefert, wie ich glaube in Anlehnung an Panaitios  : Entweder findet es sich nämlich (1) in der Erkenntnis und Einsicht in das Wahre oder (2) in dem Schutz der Gesellschaft der Menschen, der Notwendigkeit, jedem das Seinige zu gewähren, und der Treue in vertraglichen Angelegenheiten (rerum contractarum fides) oder (3) in der Größe und Kraft des erhabenen und unbesiegbaren Geistes oder (4) in der Ordnung und dem Maß all dessen, was getan und gesagt wird, worin Bescheidenheit und Zurückhaltung liegen. Deshalb haben wir diesen Teil, welcher hier als dritter beschrieben ist, zuvor ausgearbeitet  ; von dem, was hier als zweiter Punkt in der Aufzählung steht, bleibt zu wenig übrig  : Denn der Begriff der Treue (fides), über die wir bis jetzt gesprochen haben, ist bedeutend enger zu fassen, als dass er zu aller Pflicht, die aus der Gerechtigkeit entsteht, ausgedehnt werden kann.

Unmittelbar zu Beginn des siebten Kapitels, De  iustitia iniustitiaque, betont ­Grotius die exponierte Stellung der Tapferkeit (fortitudo) und der Treue (fides) gegenüber den übrigen Tugenden (Haec autem duo praecipua fuerant capita, dequibus nos acturos polliciti sumus). Auch wenn man praecipua nicht auf die jeweils behandelte Tugend beziehen wollte,372 sondern auf die in diesem Kontext jeweils relevanten Fragen, ändert dies nichts an der dadurch ausgedrückten Gewichtung der Tugenden untereinander. Gerade im Kontrast zwischen diesem Satz, in dem Grotius demnach lediglich erklären würde, über fortitudo u n d ­fides alles Wichtige behandelt zu haben, und der folgenden Erklärung, alles ­Weitere nur skizzieren zu wollen (compendio percurramus), würde sich ebenfalls die 371 Grotius, PR, cap. VII, S. 102. 372 Dafür spricht allerdings die Parallelstelle in der Einleitung des vierten Kapitels, De Fortitudine et Magnanimitate, vgl. Fn. 314. Dort bezieht sich praecipua eindeutig auf die Tapferkeit (fortitudo) und Treue (fides) in Abgrenzung zu den übrigen Tugenden.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

De iustitia iniustitiaque 

| 93

­exponierte Stellung der zuvor erörterten fortitudo und fides ausdrücken. I­ nsofern kann d ­ ahinstehen, ob Grotius dies ausdrücklich oder implizit erklärt, im Ergebnis beginnt er das Kapitel über die Gerechtigkeit (iustitia) mit der ­Relativierung ihrer Bedeutung. Anschließend zitiert Grotius Ciceros Herleitung der Gerechtigkeit aus dem Ehrenhaften373 (Omne quod honestum est […] in hominum societate tuenda, ­tribuendoque suum cuique, et rerum contractarum fide). Zwar benennt Grotius diesen zweiten Aspekt des Ehrenhaften hier noch nicht als Gerechtigkeit und zitiert auch im Anschluss nicht die bei Cicero folgende Auflösung dieser Formel374, doch dürfte dies eher daran liegen, dass er diese Definition der Gerechtigkeit als Allgemeinwissen375 voraussetzt. Die von Grotius zitierte Gerechtigkeitsdefinition aus de officiis weist einen Zusatz auf, der in Ciceros anderen Werken376 fehlt  : Die Treue in vertraglichen Angelegenheiten (rerum contractarum fides). Dies meint wohl nichts anderes als das, was Grotius zuvor selbst als pacti fides bezeichnet hat. Die andere Bezeichnung an dieser Stelle erklärt sich dadurch, dass es sich um ein wörtliches Zitat Ciceros handelt. Contractus ist ein Begriff, den Grotius ansonsten weder im sechsten noch im siebten Kapitel verwendet. Zugleich ist die Treue in vertraglichen Angelegenheiten (rerum contractarum fides) als Bestandteil der Gerechtigkeitsdefinition überhaupt die einzige Stelle im siebten Kapitel, in der von Abreden jedweder Art die Rede ist. Grotius erörtert sämtliche Fragen mit Bezug auf Abreden abschließend im sechsten Kapitel. Die Einhaltung von Abreden ist zwar laut der einleitenden Definition ein wesent­ licher Bestandteil der iustitia, doch erschöpft sich die Beziehung wohl in der vermittelnden fides. Aus dem ersten Teil der Umschreibung der Gerechtigkeit (tribuendoque suum cuique) leitet Grotius im Parallelon Rerumpublicarum keine Konsequenzen für Verträge her. Zu Recht weist Blom377 darauf hin, dass Grotius Gerechtigkeit hier in Anlehnung an Cicero letztlich mit der Summe aller Tugenden gleichsetzt. Die aristotelische Unterscheidung von iustitia distributiva und iustitia commutativa 373 Cic. off. 1,15. 374 Cic. off. 1,20  : […] ratio, qua societas hominum […] continetur  ; cuius partes duae  : iustitia […] et […] beneficentia. 375 Vgl. auch D.  1,1,10  pr.–1 (Ulpianus libro primo regularum)  : Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec  : honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere. 376 Cic. fin. 5,67  : […] iustitia in suo cuique tribuendo  ; Cic. nat. deor. 3,38  : […] iustitia, quae suum cuique distribuit, […]. 377 Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 595.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

94 | 

Drittes Kapitel 

und die damit verbundene Untersuchung von Austauschgeschäften unter dem Aspekt der ausgleichenden Gerechtigkeit fehlt vollständig.378 Ein derartiges Vertragsverständnis, wonach Verträge erst durch die einseitige Leistungserbringung verbindlich wären, würde auch nicht mit den von Grotius zuvor behandelten Vertragstypen harmonieren. Während der spanische Wortbruch im Falle der Kapitulations-, Waffenstillstands- und Friedensverträge sich auch auf diese Weise als verwerflich konstruieren ließe, stieße man zumindest bei Bündnisverträgen (foedera) auf das Problem, dass diese mangels vorheriger Gegenleistung regelmäßig unverbindlich wären, da die andere Partei ihrerseits (in Friedenszeiten) noch gar keinen bewaffneten Beistand leisten konnte. Knapp 25 Jahre später wird diese Feststellung in De  Iure Belli ac Pacis Grotius’ erstes Argument gegen die von Connan vertretene aristotelische Vertragslehre darstellen.379 Im Parallelon Rerumpublicarum hingegen klammert er Fragen vertraglicher Verbindlichkeit durch die Zweiteilung in die bereits behandelte rerum contractarum fides einerseits und Gerechtigkeit im engeren Sinne (tribuendoque suum cuique) andererseits schlicht aus letzterer aus.

III. Schlussbetrachtung Das Parallelon Rerumpublicarum ist weder der Zielsetzung nach noch inhaltlich ein juristisches Werk. Auch zur vertraglichen Verbindlichkeit finden sich keine juristischen Argumente oder Quellen, obwohl Grotius das Werk in den Jahren unmittelbar nach Erhalt des juristischen Doktorgrades und parallel zur Aufnahme seiner Anwaltstätigkeit verfasste. Dass sämtliche Abreden verbindlich sind, steht für Grotius im Parallelon Rerum­publicarum außer Frage. Anders als in späteren Werken wirft er etwa das Problem einer möglicherweise erforderlichen causa gar nicht erst auf. Auch bemüht er sich in keiner Weise um eine Begründung der Verbindlichkeit von Abreden. Vielmehr betont er wiederholt deren fundamentale Bedeutung  : Die Ein-

378 Die iustitia commutativa greift Grotius auch in späteren Werken immer wieder an. Dies hindert ihn jedoch nicht daran, dort unter anderen Begriffen (iustitia compensatrix  ; iustitia  ; iustitia expletrix) inhaltlich weitgehend deckungsgleiche Konzepte zu verwenden  ; vgl. S. 103–116, 158–174, 318–330. 379 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 3  ; vgl. dazu im Text bei Fn. 1285–1291.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 95

haltung von Abreden sei unantastbar (sanctus), ein Verstoß dagegen sei das bei Weitem schwerste Verbrechen (longe gravissimum facinus). Die religiöse Konnotation der fides sollte trotz der stellenweise religiösen Terminologie (sanctus  ; per Deum immortalem scelus  ; haereticis non esse servandam fidem) nicht überschätzt werden.380 Einerseits finden sich die Begriffe sanctus und sanctitas auch in de officiis – woran sich Grotius hier teilweise eng anlehnt – mehrfach zur Beschreibung ethisch richtigen Handelns, andererseits durchbricht Grotius jede Verbindung der Versprechens- und Glaubenstreue an einer Stelle bewusst durch einen Vergleich mit den (ungläubigen, aber im Vergleich zu den Spaniern dennoch weniger untreuen) Osmanen381. Dabei bildet die vertragliche Verbindlichkeit (einmalig sehr treffend als pacti fides bezeichnet) allerdings nur einen Teilaspekt der fides. Daneben kann fides auch ehrbares, d. h. nicht arglistiges Verhalten bezeichnen, sowohl im vertraglichen als auch im staatlichen oder völkerrechtlichen Kontext. Wenn Grotius von fides spricht, kann dies folglich eine Umschreibung vertraglicher Verbindlichkeit darstellen, doch verwendet er den Begriff auch mit anderer Konnotation. Demgegenüber weist der Begriff iustitia im Parallelon Rerumpublicarum nur insoweit einen Bezug zur vertraglichen Verbindlichkeit auf, als Grotius ihn im Sinne einer iustitia generalis, als Summe sämtlicher (zwischenmenschlicher) ­Tugenden, verwendet, welche die zuvor behandelte fides miteinschließt. D ­ arüber hinaus ergeben sich aus der iustitia als suum cuique tribuere keine weiteren ­Erkenntnisse für Fragen des Vertragsrechts. Insbesondere fehlt eine Betrachtung vertraglicher Verbindlichkeit unter dem Gesichtspunkt der iustitia commutativa.

380 Zu Recht kritisiert Blom, Meaning of Trust, S. 56, daher Fikentscher, De fide et perfidia, S. 38, wenn letzterer erklärt, fides »als Treue« und fides »als Glaube« ließen sich nicht trennen, Recht und Glaube seien »nur zwei Seiten der gleichen Sache«. Vgl. auch Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 105, der schlicht darauf hinweist, dass fides nicht mit Glaubenstreue zu verwechseln sei. 381 Vgl. im Text bei Fn. 350.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Viertes Kapitel  : De Iure Praedae Commentarius

Auch Grotius’ erste umfangreiche Arbeit zum Natur- und Völkerrecht, De Iure Praedae Commentarius –  oder De  Indis  –382, wurde zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht. Ein in Grotius’ Handschrift verfasstes Manuskript blieb jedoch erhalten und wurde von der Universität Leiden 1864, nach dem Tod des letzten Nachfahren von Grotius’ ältestem Sohn, auf einer Versteigerung erworben.383 Anschließend diente es als Vorlage einer vier Jahre später erschienenen Veröffentlichung384. Bereits ein Jahr nach dem Erwerb durch die Universität Leiden betonte Vissering die weitgehenden Parallelen zu De Iure Belli ac Pacis.385 Bis zu diesem Zeitpunkt ging die Literatur davon aus, De Iure Belli ac Pacis sei vollständig in den Jahren zwischen 1623 und 1625, ohne Rückgriff auf Vorarbeiten und mit begrenztem Zugang zur zeitgenössischen Literatur, entstanden.386 Etwa ein Jahrhundert später haben vor allem Tuck und Haggenmacher auf die Bedeutung von De Iure Praedae für Grotius’ Verständnis des subjektiven Rechts hingewiesen387 – und damit zumindest indirekt auch für den Anspruch aus einem Vertrag. Obwohl De  Iure Praedae noch keine ausdifferenzierte Vertragslehre enthält,388 scheint eine nähere Untersuchung des Werkes aus diesen Gründen unerlässlich. Dies gilt umso mehr, da sich das Verständnis vertraglicher Verbindlichkeit in weiten Teilen wie ein Gegenentwurf zu dem Verständnis im Parallelon Rerumpublicarum liest. 382 Vgl. zu den unterschiedlichen Bezeichnungen Fn. 401. 383 Universitätsbibliothek Leiden, BPL 917, nachfolgend zitiert als IPC. Im Folgenden beziehen sich sämtliche Folia-Angaben auf diese Handschrift. Nachträgliche Überarbeitungen des Textes werden dabei wiedergegeben, wobei Ergänzungen durch Winkelklammern gekennzeichnet werden. Durch […] kenntlich gemachte Auslassungen entsprechen jeweils einzelnen, nicht zu entziffernden und nachträglich gestrichenen Worten. Übersetzungen entsprechen der endgültigen Fassung. 384 Hamaker (Hrsg.), (ex auctoris codice descripsit et vulgavit) Hugonis Grotii De  jure praedae commentarius, Den Haag 1868. Im Folgenden beziehen sich sämtliche Seitenangaben in eckigen Klammern auf diese Ausgabe. Diese dienen jedoch nur als Referenz, der wiedergegebene Wortlaut und Zeichensetzung entsprechen der Handschrift. 385 Fruin, Unpublished Work, insb. S. 4 f. 386 So noch Kaltenborn, Vorgänger, S. 100 f.; diesem zuletzt folgend van Spyk, Vertragstheorie, S. 23. 387 Haggenmacher, Droits subjectifs  ; Ders., Grotius, S.  60–62, 176–185  ; Tuck, Natural Rights, S. 59–66. 388 Dies dürfte wohl der Grund für Augé, APD 13 (1968), S. 101 f., gewesen sein, De Iure Praedae jeglichen Nutzen für eine Untersuchung des Vertragsrechts abzusprechen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Viertes Kapitel   

| 97

Ein Grund dafür dürfte zugleich einen zentralen Unterschied zwischen Grotius’ Naturrechtsverständnis und dem seiner Vorgänger und Zeitgenossen darstellen  : Das Naturrecht stellt für ihn eine u n m i t t e l b a r (in foro exteriori) anwendbare Rechtsordnung dar. Anders als im Parallelon Rerumpublicarum dienen die Ausführungen nicht länger der moralischen Bewertung eines Menschen (oder Volkes) und seiner Handlungen. Ebenso wenig erschöpft sich die Bedeutung des Naturrechts in der Legitimation des positiven Rechts.389 Vielmehr regelt es überall dort, wo positives Recht nicht anwendbar oder nicht durchsetzbar ist,390 unmittelbar die Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten.391 Mangels hoheitlicher Instanz kennt es dabei normalerweise keinen Prozess und folglich auch keine Klage.392 Dennoch ist es nicht weniger gläubiger- oder klägerbezogen als das positive Recht. Die Stellung der Klage nimmt vielmehr die kriegerische Selbsthilfe (bellum publicum  ; bellum privatum)393 des 389 So zu Recht auch Straumann, Grotius, S. 39 f., der darin einen wesentlichen Unterschied zu Hobbes erkennen will. Ob diese Einschätzung allerdings Hobbes’ Naturrechtsverständnis gerecht wird, ist in der Hobbes-Forschung umstritten, vgl. statt vieler die Darstellung bei Eggers, ­Hobbes, S. 198–236 m. w. N., und darf zumindest bezweifelt werden. 390 Andernfalls gilt die lex  IX  : NE QUIS CIVIS ADVERSUS CIVEM IUS SUUM NISI IUDICIO ­EXSEQUERETUR ⟨ EXSEQUATUR ⟩, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 12r [S. 24]  ; bzw. die lex XII  : NE RESPUBLICA NEU CIVIS IN ALTERAM REMPUBLICAM ALTERIUSVE CIVEM IUS SUUM NISI IUDICIO EXSEQUERETUR ⟨ EXSEQUATUR ⟩, vgl. ebd., fol. 12v [S. 27]. [Jeweils Hervorh. im Orig.] Vgl. für bella privata ebd., cap.  VIII, fol.  37r–v [S.  86]  : Facit autem [leges nona et duo­decima] hoc iuxta legis decimaetertiae normam necessitas iuxta ⟨ secundum ⟩ leges ­digniores  : quae tum esse intelligitur cum ad consequendum ius nostrum iudicia deficiunt. Quatenus enim ista d ­ eficiunt eatenus vis, hoc est privata secundum naturam exsecutio, iusta est [Ergänzung d. Verf.]. 391 So auch Haggenmacher, Grotius, S. 225 f.; Ertz, Vertrag und Gesetze, S. 45 f. Dies scheint Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 53, zu übersehen, wenn er erklärt, die protestantischen Naturrechtsautoren »konnten und wollten nicht mehr beanspruchen, unmittelbar anwendbare Normen zu formulieren. […] Für Grotius und seine Nachfolger konnte das Naturrecht deshalb nicht länger mehr sein als ein Ausdruck der Vernunft des Rechts«. Nicht erst im 18. Jahrhundert wurde eine unmittelbare Geltung »im Naturzustand« angenommen, vielmehr war dies gerade für die frühen Naturrechtler wie Grotius oder Hobbes essenziell. Die folgende Beobachtung Jansens, das Naturrecht diene vielmehr der Reflexion der Grundwertungen des (positiven) Rechts, trifft auch für Grotius zumindest für die Inleidinge zu, vgl. etwa S. 224–230. 392 So treffend auch Straumann, Grotiana 38 (2017), S.  223  : »For Grotius, the state of nature is ­characterized by the absence of judicial organs, not lawlessness«  ; ähnlich Ders., Grotius, S. 67  ; Ders., Roman Law, S.  147, 171  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S.  119  : »l’ordre juridique préexiste chez Grotius à l’État, qui ne fait que le rendre plus effectif par le truchement du droit civil ou du droit des gens«. 393 Vgl. dazu auch die (wohl lediglich zur Vereinfachung des Gedankenganges und nicht aus inhaltlichen Gründen) nachträglich gestrichene Erklärung in Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v  : Bellum

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

98 | 

Viertes Kapitel  

Gläubigers ein, deren Rechtmäßigkeit sich nach »materiellem« Naturrecht bestimmt.394 Anders als die übrigen untersuchten Werke stellt De Iure Praedae dabei zumindest zu Beginn eine Auftragsarbeit dar. Im Februar 1603 hatte ein Schiff der Vereinigden Oostindischen Compagnie (VOC) das portugiesische Handelsschiff Santa Catharina in der Straße von Singapur gekapert. Als junger, aber gut vernetzter395 Anwalt erhielt Grotius den Auftrag, eine Streitschrift zur Rechtfertigung dieser Kaperung zu verfassen. Die Eigentums- und Verwertungsrechte waren zu diesem Zeitpunkt bereits durch ein – niederländisches – Urteil vom 24.09.1604 geklärt.396 Durch Grotius’ Verteidigungsschrift wollte man sich international (sowie gegenüber den eigenen Anteilseignern oder den Generalstaaten)397 zusätzlich absichern igitur omne seu publicum seu privatum (nam hac quidem in parte ista nihil differunt, cum sola distinguantur auctoritate) quatuor causarum ex aliqua oriri necesse est. 394 Vgl. etwa Grotius, IPC, cap. V, fol. 26v [S. 59]  : OMNE ergo BELLUM IUSTUM EST QUOD OMNES CAUSAS IUSTAS HABET. Causae itaque examinandae sunt. Et in prima parte viden­ dum qui iuste bellum gerant  : In secunda quibus de causis et in quos. In tertia quomodo, seu quatenus. In quarta quorsum quoque animo [Hervorh. im Orig.]  ; und ferner ebd., cap. II, fol. 14r [S. 30]  : Sed ut actionum ⟨ actiones ut ⟩ ab animis initium est ⟨ incipiunt ⟩, ita […] ⟨ desinunt ⟩ in corporibus. haec dicatur exsecutio. […] Armata in armatum exsecutio, bellum dicitur  : iustum quidem iuris, iniustum autem iniuriae  : Publicum quod ex voluntate reipublicae fit, quibus verbis etiam magistratus, puta Principis, voluntas comprehenditur. ⟨  […]  ⟩ Privatum, quod aliter. id ­autem alii non tam bellum quam rixam dicere maluerunt ⟨ potest autem et hoc esse tam civile, quam externum ⟩  ; sowie diverse Vergleiche zwischen iudicium, actio, lis und bellum in Grotius, IPC, cap. VII. 395 Vgl. dazu auch van Eysinga, Grotius, S. 16  ; Rabbie, Grotius, S. 46 f.; Vreeland, Grotius, S. 42, die jeweils eine Gutachtertätigkeit im selben Jahr für den Prinzen von Oranien in einem Rechtsstreit mit dem Bischof von Münster erwähnen. 396 Vgl. für eine ausführliche Darstellung des zugrunde liegenden Falles, des Urteils und der spezifischen Rechtfertigung in De Iure Praedae  : van Ittersum (Hrsg.), Prize and Booty, S. xiii-xvi  ; Dies., Profit and Principle, S. 1–52. 397 Die ältere Literatur sieht in De  Iure Praedae vor allem den Versuch, moralische Bedenken der pazifistisch eingestellten mennonitischen Anteilseigner der Vereinigden Oostindischen Compagnie auszuräumen und diese von der Rechtmäßigkeit des aggressiven Auftretens zu überzeugen, vgl. Ahsmann, Jurist, S. 38  ; van Eysinga, Grotius, S. 25  ; Fruin, Unpublished Work, S. 32–40  ; Haggenmacher, Grotius, S. 54  ; Ders., Droits subjectifs, S. 78  ; Knight, Grotius, S. 82  ; zuletzt noch Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S.  4, 131. In Anbetracht der vernachlässigbar geringen mennonitischen Beteiligung bezweifeln dies van Ittersum, Profit and Principle, S. 110–122, 167–177, und ihr folgend Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 31 Fn. 32. Stattdessen vermuten van Ittersum, Profit and Principle, S. 177–188, sowie Waszink, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 237–240, den beabsichtigten Adressaten in den Generalstaaten der Niederlande, die davon überzeugt werden sollten, die VOC für ihre gewissermaßen dem spanisch-­ niederländischen Unabhängigkeitskrieg dienenden Aufwendungen zu entschädigen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Viertes Kapitel   

| 99

– gerade auch vor dem Hintergrund des niederländischen Unabhängigkeitskrieges gegen die spanische Krone, der auch Portugal unterstand.398 Obwohl die Verteidigungsschrift nach dem Willen des Auftraggebers möglichst schnell fertiggestellt werden sollte,399 entschied sich Grotius dazu, die eigentliche Rechtfertigung (Kapitel 11–15) durch eine abstrakte Untersuchung zum Naturrecht und zum Recht des Krieges (Kapitel 1–10) theoretisch zu untermauern.400 Dazu entwickelt Grotius in den abstrakten Kapiteln eine Naturrechtslehre, aus der sich letztlich ein »Recht auf Beute« (ius praedae) der VOC an dem portugiesischen Handelsschiff ergibt. Anders als im Parallelon Rerumpublicarum stehen in De Iure Praedae nicht länger das Verhalten des Schuldners, sondern vielmehr eventuelle Ansprüche des Gläubigers im Vordergrund. Noch unter dem Titel De Indis401 hatte Grotius das Manuskript spätestens im November 1606 fertiggestellt.402 Doch zögerte er, möglicherweise auch im Kon398 van Ittersum (Hrsg.), Prize and Booty, S. xv  ; Dies., Profit and Principle, S. 105–188  ; Knight, Grotius, S. 81–83  ; Nellen, Grotius, S. 91–93  ; Ders., Life and Intellectual Development, S. 22  ; Tuck, Grotiana 4 (1983), S. 49  ; Ders., Political Thought, S. 79–81  ; Vreeland, Grotius, S. 46 f. 399 Grootenhuys, BW, I, S.  44 (num.  53)  : […] convenientia Apologiae tuae, quam feliciter a te inceptam iam brevi perficiendam tua diligentia confidimus. 400 van Ittersum (Hrsg.), Prize and Booty, S. xvii f.; Dies., Profit and Principle, S. 27  ; Dies., Stoa, S.  69  f., sowie Straumann, Grotius, S.  29–31  ; Ders., Roman Law, S.  52  f., sehen darin eine Nachahmung der forensischen Rhetorik Ciceros (und Quintilians). 401 Teilweise wird in der Literatur daher dieser Titel bevorzugt, vgl. etwa Hinshelwood, Grotiana 38 (2017)  ; Reventlow, Bibelauslegung, S. 212  ; Tuck, Philosophy, S. 154–201  ; Ders., Grotiana 4 (1983), S. 44, 49  ; E. Wilson, JPIL 1 (2006). De Iure Praedae [Commentarius] ist jedoch nicht ohne Grund von Hamaker als Titel der ersten Veröffentlichung gewählt worden, vgl. Fn. 384. Grotius selbst beendet das erste Kapitel mit dem anscheinend nachträglich ergänzten Hinweis »SEQUUNTUR DIDASCALICA ⟨ DOGMATICA ⟩ DE DE IURE PRAEDAE«, vgl. Fn. 579. Die doppelte Verwendung der Präposition de wird in der Literatur meist übersehen. In der Edition von Hamaker ist sie nicht übernommen worden [S. 7] und auch Fruin, Unpublished Work, S. 45  ; van Ittersum, Stoa, S. 70, sprechen insofern von [d]ogmatica de jure praedae. Die Doppelung könnte schlicht auf den dazwischen liegenden Zeilenumbruch zurückzuführen sein, doch verfährt Grotius sonst allenfalls bei Seitenumbrüchen auf diese Weise. Wahrscheinlicher ist, dass er »De Iure Praedae« an dieser Stelle bereits als feststehenden Begriff versteht, den die folgende (Lehre bzw.) Dogmatik betreffe. Es erscheint daher fraglich, ob die Bezeichnung als De Indis den Vorstellungen des Autors eher gerecht würde  ; so aber Tuck, Philosophy, S. 170. Die Bezeichnung als De Iure Praedae unterstreicht das Gewicht der abstrakten Kapitel 1–10 gegenüber den konkret auf den Fall der gekaperten Santa Catharina bezogenen Kapitel 11–15, vgl. auch Fn. 404. 402 Vgl. den Brief vom 1.11.1606 an Georg Michael Lingelsheim, Grotius, BW, I, S. 72 (num. 86)  : […] De rebus Indicis opusculum perfectum est […]. Es steht jedoch fest, dass Grotius noch Jahre danach Veränderungen am Manuskript vornahm. Vgl. auch van Ittersum, Grotiana 26–28 (2005–2007)  ; sowie Dies., Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009)  ; ferner Dies., Stoa, S.  63  f., 82  f., die jeweils auf Basis einer umfassenden Untersuchung der Materialeigenschaften des erhaltenen

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

100 | 

Viertes Kapitel  

text der fortschreitenden spanisch-niederländischen Verhandlungen über einen Waffenstillstand,403 ob er das gesamte Werk oder lediglich die abstrakte Untersuchung veröffentlichen solle.404 Schließlich veröffentlichte Grotius 1609 zunächst anonym405 eine überarbeitete Fassung des Kapitels 12 unter dem Titel Mare Liberum sive De iure Batavis competit ad Indicana commercia406 – und dies auch nur auf Veranlassung der VOC407. Für diese Untersuchung ist vor allem das Kapitel 2 von Interesse, in dem Grotius 13 naturrechtliche leges und 9 naturrechtliche regulae formuliert. Seine Terminologie ist dabei zumindest ungewöhnlich  :408 Während die leges inhaltlich konkrete Ge- und Verbote enthalten, erklären die regulae abstrakt jegliche Willensäußerun­Manuskripts zu der Einschätzung gelangt, dass Grotius De Iure Praedae zwischen 1604 und 1606 verfasste und zwischen Januar 1607 und September 1610 mehrfach überarbeitete. 403 So van Ittersum (Hrsg.), Prize and Booty, S. xx  ; Winkel, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 62. Demgegenüber sind Ahsmann, Jurist, S.  39  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S.  80  f.; van Spyk, Vertragstheorie, S. 20 f.; Tuck, Philosophy, S. 170, der Ansicht, die Veröffentlichung des überarbeiteten zwölften Kapitels als Mare Liberum habe gerade einer Einflussnahme auf diese Verhandlungen gedient, doch sei das Werk zu spät erschienen, um diesen Zweck noch zu erreichen. Zwar mögen die Verhandlungen die VOC dazu veranlasst haben, Grotius mit Brief vom 4.11.1608, vgl. Grotius, BW, I, S. 128 f. (num. 146), um die Veröffentlichung zu bitten. Indessen scheint Grotius die Publikation des im Februar 1609 fertiggestellten Manuskripts auf Veranlassung Oldenbarnevelts bewusst bis nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands verzögert zu haben, vgl. Grotius, BW, I, S. 141 (num. 161)  ; dazu auch van Ittersum, Grotiana 26–28 (2005–2007), S.  256  f. Dass Grotius die Verhandlungen jedenfalls im Detail verfolgte, zeigen seine diesbezüglichen Notizen in BPL 922, fol. 308r–313r, ediert veröffentlicht von van Eysinga, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 18,10 (1955), S. 235–252. 404 Vgl. Grotius, BW, I, S. 72 (num. 86)  : […] De rebus Indicis opusculum perfectum est  : sed nescio, an ita ut scriptum est prodire debeat, an ea duntaxat, quae ad universum ius belli et praedae pertinent  ; multi quidem veterum et recentum id argumentum tractarunt […]. 405 Ab 1618 erscheint das Werk mit wenigen Ausnahmen unter seinem Namen, vgl. TMD, num. 541– 564. Das ändert jedoch nichts daran, dass es, nachdem es bereits am 30.01.1610 von Papst Paul V. in den Index Librorum Prohibitorum aufgenommen wurde, dort auch weiterhin ohne Nennung des Autors geführt wurde, vgl. Reusch, Index, Bd. 2,1, S. 102. 406 Der Titel Mare liberum sive De iure quod Batavis competit ad Indicana commercia dissertatio ist bereits in dem Manuskript von De Iure Praedae enthalten, vgl. Grotius, IPC, cap. XII, fol. 95v, 96r. 407 van Ittersum, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 254 f.; Dies. (Hrsg.), Prize and Booty, S. xx f. 408 In der klassischen Rhetorik und dem römischen Recht bezeichnet regula ein abstraktes Prinzip bzw. die kurze Zusammenfassung einer abstrahierten rechtlichen Würdigung  ; vgl. Blom, Socinianism, S. 130 Fn. 18  ; sowie insb. die Definition in D. 50,‌17,1 (Paulus libro sexto decimo ad Plautium). Gleiches gilt für das kanonische Recht  ; vgl. X. 5,41 (De regulis iuris)  ; VI. 13 (De regulis iuris). Diesem Verständnis kommt in De Iure Praedae Grotius’ Gebrauch von lex nahe, während er regula mit gänzlich anderer Bedeutung verwendet.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Viertes Kapitel   

| 101

gen unterschiedlicher Personen zu Rechtsnormen mit unterschiedlichem Adressatenkreis.409 Das Verhältnis zwischen leges und regulae bildet den Gegenstand der lex XIII, welche selbst wohl einer genaueren Untersuchung ­bedürfte.410 Daneben müssen auch die Kapitel 7 und 8 berücksichtigt werden, welche die kriegerische Durchsetzung insbesondere der leges zum Gegenstand haben und somit gewissermaßen das naturrechtliche »Prozessrecht« beinhalten. Zwar enthält De  Iure Praedae keine ausdifferenzierte Vertragslehre, doch ­erwähnt Grotius die Verbindlichkeit von Verträgen jeweils im Kontext der lex VI und der regula  III  : Einerseits bilden vertragliche Verbindlichkeiten (obligationes ex contractu) einen Anwendungsfall der – die Grundlage der scholastischen Restitutionslehre bildenden – kompensierenden Gerechtigkeit (iustitia compensatrix). Andererseits liege der Ursprung der Abreden (pactorum origo) zugleich auch in der willentlichen Selbstgesetzgebung des Einzelnen (regula  III oder ­regula fidei). Mit der lex VI und der regula III führt Grotius die Verbindlichkeit von Verträgen in einer Klarheit und Einfachheit auf diese beiden Prinzipien zurück, die in seinen späteren Vertragslehren nicht mehr gegeben ist. Zugleich folgt aus dem Aufbau des Kapitels 2 der normative Charakter beider Prinzipien, welcher in den späteren Vertragslehren nicht – oder zumindest nicht annähernd in dieser Deutlichkeit – postuliert wird. Diese zweifache Herleitung der vertraglichen Verbindlichkeit klingt in De Iure Praedae lediglich an, ohne weiter vertieft zu werden. Dementsprechend finden sich hier auch noch keine Anhaltspunkte für die Probleme, die sich für Grotius in den späteren Werken aus dem Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Selbstgesetzgebung ergeben.411 Allerdings finden sich bereits in De Iure Praedae wesentliche Instrumente der späteren Argumentation, deren Relevanz für die 409 Dufour, Grotiana 1 (1980), S.  41  ; van Eikema Hommes, NILR 31,1 (1984), S.  103  ; ­Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 167, 173, sehen in den regulae jeweils einzelne Rechtsquellen. Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 79, und Winkel, ­Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 77, vergleichen die Unterscheidung in leges und regulae mit materiell-rechtlichen und formellen Gesetzen. Man könnte den Vergleich insoweit konkretisieren, dass die regulae (mit Ausnahme der regula IX, vgl. dazu Fn. 478) eine Art Gesetzgebungsvorschriften darstellen. 410 So versteht Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 33, die regulae als deduktives, hierarchisches Moment, welche das sich nicht mehr selbst stabilisierende System der leges komplementieren müssten. Gerade das im Folgenden untersuchte Verhältnis zwischen lex VI und regula III zeigt jedoch, dass die regula die lex nicht nur durch eine Verankerung in einer deduktiven Normenhierarchie formal absichert, sondern inhaltlich über diese hinausgeht. 411 Vgl. für die Inleidinge S. 254–260 sowie für De Iure Belli ac Pacis S. 265–282, insb. Fn. 1250.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

102 | 

Viertes Kapitel  

Verbindlichkeit von Verträgen hier noch deutlicher zur Geltung kommt  : libertas, dominium, ius, facultas und fides. Hier soll nicht unterstellt werden, dass Grotius diese Konzepte unverändert in spätere Werke übernommen hätte. Vielmehr wird der Verständniswandel hinsichtlich einiger dieser Begriffe im Rahmen der späteren Werke näher zu untersuchen sein. Dennoch stellt De Iure Praedae einen wichtigen Ausgangspunkt zu deren Verständnis dar und beweist zugleich, dass sich Grotius der zeitgenössischen Bedeutung der von ihm verwendeten Begriffe durchaus bewusst war  : Zwar zitiert Grotius auch in späteren Werken scholastische und spätscholastische Autoren, doch zeichnen sich gerade die dortigen Ausführungen zur vertraglichen Verbindlichkeit durch eine auffällige Abwesenheit zeitgenössischer Zitate aus. Demgegenüber weisen die entsprechenden Passagen in De Iure Praedae eine Vielzahl hoch- und spätscholastischer Zitate auf, obwohl Grotius zu diesem Zeitpunkt nach eigener Aussage nur eine begrenzte Kenntnis der spätscholastischen Werke hatte412. Schließlich unterscheiden sich die Ausführungen in De  Iure Praedae auch dadurch von den späteren Vertragslehren, dass Grotius hier weniger strikt zwischen den beiden »Ursprüngen« vertraglicher Verbindlichkeit trennt. Zwar ist die (vertragliche)413 Restitutionslehre als lex VI (Benefacta repensanda) logisch von der Selbstgesetzgebung als regula III (Quod se quisque velle significaverit id in eum ius est) unterschieden. Die Ausführungen zur Entscheidungsfreiheit (liberum arbitrium) und der daraus folgenden libertas bilden jedoch einen fließenden Übergang zwischen den beiden Regelungen. Entgegen der grundsätzlichen methodischen Überlegungen414 erscheint es hier ausnahmsweise geboten, die Ausführungen zur Entscheidungsfreiheit in Abweichung von der Reihenfolge des Primärtextes nicht zwischen den beiden natur412 Im Brief an Gerardus Vossius vom 27.03.1618, Grotius, BW, I, S. 611 (num. 567), schreibt er  : Video saepe citari Suarezium tum de Praedestinatione tum de Auxiliis liberi Arbitrii. Si habes tu aut alius quis amicorum velim uti in dies paucos. Dominicanorum vix legi quenquam [Hervorh. d. Verf.]. Dieses Zitat versucht zuletzt Borschberg, Vitoria, S. 5–13, mit der hohen Anzahl an Verweisen auf dominikanische Schriften zu vereinbaren. Demnach zitierte Grotius zwar ausgiebig aus diesen, hatte sie jedoch zumindest bis 1618 nicht im Detail gelesen. Nach langjähriger Beschäftigung mit Vitorias Einfluss auf Grotius resümiert er insofern mit Blick auf den zitierten Brief an Vossius, ebd., S. 12 f.: »It took me a working lifetime to recognize just how true this simple but haunting statement from 1617 [sic  !] really is«. Demgegenüber will Feenstra, sources, S. 79, die Aussage, dass Grotius die Dominikaner bisher kaum gelesen habe, wohl zu Recht allein auf das Thema Prädestination beziehen. 413 In Abgrenzung zur Restitutionslehre in deliktischen Angelegenheiten, welche den Gegenstand der lex V Malefacta corrigenda bildet, vgl. dazu im Text bei Fn. 431–450. 414 Vgl. S. 32.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 103

rechtlichen Geboten zu untersuchen, sondern diese zunächst gegenüberzustellen und erst auf dieser Grundlage die für beide Gebote gleichermaßen bedeutsamen Ausführungen zur Entscheidungsfreiheit zu analysieren. In der bisherigen Literatur wurde diese regelmäßig nur als Ausklang zu den Erläuterungen zur lex VI oder als Einleitung zur regula III aufgefasst. Dabei ist die Eigenständigkeit dieser Passage – wie der weitere Gang dieser Untersuchung zeigen wird – auch für ­Grotius’ werkübergreifendes Vertragsverständnis von wesentlicher Bedeutung.

I. Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit (iustitia compensatrix) In De Iure Praedae konstruiert Grotius sein Gerechtigkeitsverständnis gänzlich anders als wenige Jahre zuvor im Parallelon Rerumpublicarum415. Es fehlt die von Cicero entlehnte Zweiteilung in Gerechtigkeit im engeren Sinne (suum cuique tribuere) und Treue in vertraglichen Angelegenheiten (rerum contractarum fides). Stattdessen leitet Grotius die noch undifferenzierte Gerechtigkeit zunächst aus der sozialen Veranlagung des Menschen her  : Hac velut fiducia inita est Hominum societas  : ⟨ ad quam homo ex instituto Creatoris magis quam caetera animantia ferebatur. ⟩a) Hinc ⟨ τὰ ξυμβόλαια, hoc est ⟩ mutuae actiones passionesque natae sunt, et boni suique ⟨ malique ⟩, sui et alieni mistura. Hinc illud ut Homo Homini Deus, Homo Homini lupus diceretur. […]416 Quare iustitia illa opus

Aus diesem Vertrauen (fiducia)417 ist gleichsam die Gesellschaft der Menschen entstanden, ⟨ zu welcher der Mensch nach dem Plan des ­Schöpfers mehr als die übrigen Lebewesen bestimmt wurde ⟩a)  : Daraus wurden ⟨ τὰ ξυμβόλαια, das heißt ⟩ die gegenseitigen Handlungen und Neigungen und die Vermischung des eigenen und fremden Vorteils und Übels geboren. Daraus folgt, dass der Mensch des Menschen Gott oder der Mensch des Menschen Wolf genannt wird.

415 Vgl. im Text bei Fn. 371. 416 An dieser Stelle hat Grotius eine längere Passage gestrichen und auf den nachträglich ergänzten fol.  8r–9v neu formuliert, vgl. Grotius, IPC, cap.  II, fol.  7r–v  ; ebd., fol.  10r. Die Streichung ist ausgelassen, lediglich der neu formulierte Text wird wiedergegeben. Die Streichung und Neuformulierung endet unmittelbar vor der im Text bei Fn. 459 wiedergegebenen Passage, die insofern wieder den ursprünglichen Text fortsetzt. 417 Gemeint ist das Vertrauen auf den Schutz des unmittelbar zuvor aus der lex  IV hergeleiteten und hierdurch abgesicherten abstrakten Prinzips des Eigentums (dominiorum distinctio, celeberrimumque illud Meum et Tuum)  ; vgl. auch Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 597.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

104 | 

Viertes Kapitel  

⟨ desideratur ⟩ quae proprie ἀρετὴ κοινωνικήb) virtus socialis dicitur. […]418 Bonum autem quod iustitia haec socialis respicit aequalitatem ἰσονομίαν  : malum, inaequalitatem πλεονεξίαν ⟨ appellamus ⟩.419 a) Arist. 1. de Rep. c. 2. b) Arist. de Rep. lib. 3 c. 13.

Deswegen wird jene Gerechtigkeit ersehnt, die im eigentlichen Sinne ἀρετὴ κοινωνικήb), soziale Tugend, genannt wird. Den Vorteil aber, den diese soziale Gerechtigkeit berücksichtigt, nennen wir Gleichheit (aequalitas), ἰσονομία, das Übel Ungleichheit (inaequalitas), πλεονεξία. a) Aristot. pol. 1,2 [1253a7–9]. b) Aristot. pol. 3,13 [1283a38].

Aus der sozialen Interaktion der Menschen, welche bereits in der göttlichen Schöpfung angelegt sei,420 folgt (in moderner juristischer Terminologie formuliert) die gegenseitige Möglichkeit der Einflussnahme auf die Rechtsgüter des anderen – zu dessen Vorteil, aber auch zu dessen Nachteil. Daraus entstehe das Bedürfnis nach der Gerechtigkeit als Tugend, die den Vorteil gleichmäßig verteilt und den Nachteil ausgleicht. Ähnlich wie Aristoteles421 untersucht Grotius im Anschluss daran verschiedene Arten der Gleichheit (aequalitas), namentlich eine proportionale und eine numerische. Beiden Arten der aequalitas ist jeweils eine spezielle Form der ­Gerechtigkeit gewidmet  : Die zuteilende (iustitia assignatrix) bzw. die kompensierende Gerechtigkeit (iustitia compensatrix).

418 An dieser Stelle hat Grotius folgenden Text nachträglich wieder gestrichen  : Huius opus est duplex servare et sanare  : hoc est et benefacta defendere ne quid mali inde eveniat  : et malefacta ad bonum dirigere  : in utroque Deum ipsum auctorem suum imitatur. Benefacta apparet ea dici quibus Homo homini prodest  : malefacta quibus nocet, vgl. Grotius, IPC, cap.  II, fol.  8r. Es ist anzunehmen, dass ein Zusammenhang mit dem nachträglichen Einschub in der im Text bei Fn. 422 wiedergegebenen Passage besteht  ; sei es, dass es sich dabei zunächst um eine separate Ergänzung handelte, die diese Passage jedoch redundant werden ließ und erst später zu der Streichung führte, sei es, dass es sich um einen unmittelbaren Ersatz handelte. 419 Grotius, IPC, cap. II, fol. 7r und 8r [S. 14]. 420 Das völkerrechtliche Äquivalent dieses Gedankens dient Grotius im zwölften Kapitel bzw. dem daraus hervorgegangenen Mare Liberum, als Anfangspunkt der Herleitung der Freiheit der Meere. Als Nachweis dieser gottgegebenen sozialen Veranlagung der Menschen führt er dort die ungleiche geographische Verteilung der Ressourcen an. Diese könne Gott einzig zu dem Zweck veranlasst haben, durch gegenseitigen Mangel und Überschuss (den Handel und damit) Freundschaften zu fördern, vgl. Grotius, IPC, cap. XII, fol. 96v [S. 205]  ; Grotius, ML, cap. I, S. 1–2 [S. 24, 26]. Ohne völkerrechtlichen Bezug auch Grotius, IBP, prolegomena XVI  : […] voluit enim naturae auctor nos singulos et infirmos esse et multarum rerum ad vitam recte ducendam egentes, quo magis ad colendam societatem raperemur […]. 421 Aristot. eth. Nic. 5,6–7 [1131a–1132b].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 105

Im Rahmen der letzteren behandelt er die vertragliche Verbindlichkeit (obli­ gatio ex contractu), einschließlich konkreter Vertragstypen des römischen Rechts. Dabei fällt auf, dass seine Systematik und Terminologie im Vergleich zum ­Parallelon Rerumpublicarum nicht nur deutlich aristotelischer, sondern auch ­juristischer geworden sind  : ⟨ Altera autem Iustitia, quam nunc compensatricem placet dicere, non in communibus in propriis cuiusque versatur  : ideoque partes omnes nulla habita ⟨ facta ⟩ earum ad Totum relatione aequales habet, ideoque partes ad Totum non refert  : hoc est res et actiones nullo ⟨ seposito ⟩ personarum respectu examinat. […] Opus eius duplex circa bonum quidem, servare  : circa malum autem, sanare. ⟩ Nam ⟨ Et ⟩ leges constituunt ⟨ igitur ⟩ duae  : Una MALEFACTA CORRIGENDA  : altera BENEFACTA REPENSANDA, Graece ἀντευποιητέον.422

⟨ Aber die andere Form der Gerechtigkeit, welche nun kompensierende Gerechtigkeit (iustitia compensatrix) genannt wird, liegt nicht im Öffentlichen, sondern im Privaten eines jeden, und deshalb bezieht sie die Teile nicht auf das Ganze  : Das heißt, sie prüft die Angelegenheiten und Handlungen [nicht] in Ansehung der Personen. Ihre Aufgabe ist zweierlei, gewiss hinsichtlich des Guten zu bewahren, aber hinsichtlich des Schlechten wiedergutzumachen. ⟩ Und daher ergeben sich zwei Gesetze  : das eine, dass Übeltaten korrigiert werden müssen (lex V), das andere, dass Wohltaten vergolten werden müssen (lex VI), auf Griechisch  : ἀντευποιητέον (Eine Wohltat muss vergolten werden).

In Abgrenzung zur unmittelbar zuvor erörterten (hier jedoch nicht einzeln wiedergegebenen) zuteilenden Gerechtigkeit (iustitia attributrix), welche sich auf das Ganze bezieht,423 bezieht sich die kompensierende Gerechtigkeit (iustitia compensatrix) gerade nicht auf die Gesellschaft als Ganzes (in communibus), sondern auf die einzelnen zwischenmenschlichen Beziehungen (in propriis cuiusque). Zur zuteilenden Gerechtigkeit hat Grotius kurz zuvor nachträglich ergänzt, dass sich diese mit proportionaler Gleichheit und nicht mit numerischer befasse. Die dortige Differenzierung, Numerus tantum partes inter se componit  : proportio partes ad Totum refert,424 hilft beim Verständnis der Feststellung, die kompensierende Gerechtigkeit beziehe sich auf die Teile und nicht auf das Ganze (ideoque partes ad Totum non refert)  : Anders als die zuteilende Gerechtigkeit strebt 422 Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 15] [Hervorh. im Orig.]. Die durch […] kenntlich gemachte Auslassung entspricht einem einzelnen, nicht zu entziffernden Wort, das Grotius wohl noch während des ursprünglichen Verfassens dieses Einschubs strich. 423 Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 14]  : ⟨ Itaque hi quibus alicuius Totius procuratio convenit, Iustitia utuntur proportionali, quae et assignatrix dici potest ⟩. 424 Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 14].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

106 | 

Viertes Kapitel  

die kompensierende Gerechtigkeit einen numerischen – und keinen proportionalen  – Ausgleich an.425 Die kompensierende Gerechtigkeit verlangt demnach, dass die volle Bereicherung herausgegeben oder der volle Schaden ersetzt werden muss, nicht aber dass die relative Veränderung des Schuldnervermögens zu einer entsprechenden Veränderung des Gläubigervermögens verpflichtet. Inhaltlich entsprechen diese Ausführungen der aristotelisch-thomistischen Unterscheidung426 zwischen der auf das Gemeinwesen bezogenen iustitia distributiva, welcher eine geometrische Proportion zugrunde liegt, und der auf Austauschbeziehungen bezogenen iustitia commutativa, welche auf einer arithmetischen Proportion beruht.427 Allerdings fällt auf, dass Grotius hierfür nicht nur andere Begriffe verwendet,428 sondern auch keine Quelle für seine Gerechtigkeitslehre angibt, wenngleich er für Details mehrfach auf Aristoteles verweist429. Zudem ist Grotius – in deutlichem Gegensatz zu Aristoteles – ausschließlich an der ausgleichenden oder kompensierenden Gerechtigkeit interessiert, was seinem Ziel geschuldet sein dürfte, eine Rechtslehre mit durchsetzbaren Ansprüchen zu entwickeln.430 Diese kompensierende Gerechtigkeit unterteilt Grotius nun in zwei leges  : Die lex V, Übeltaten zu korrigieren (Malefacta corrigenda), und die lex VI, Wohltaten zu vergelten (Benefacta repensanda).431 Den Wortlaut dieser beiden leges hat Grotius nachträglich überarbeitet und die reflexive Beziehung zwischen der angeordneten Folge und der vorhergehenden Handlung stärker herausgestellt. Zunächst verlangten die beiden leges, dem Übeltäter ein Übel zuzufügen (malefacienti malefaciendum) bzw. dem Wohltäter

425 So auch Straumann, Grotius, S. 35. 426 Aquinas, STh Ia qu. 21 a. 1 resp. [Bd. 4, S. 258]  ; ebd., IIa–IIae qu. 61 a. 1 resp. [Bd. 9, S. 34]  ; ebd., a. 2 resp. [Bd. 9, S. 35 f.]  ; ebd., ad 2 [Bd. 9, S. 36]  ; Aristot. eth. Nic. 5,5–8 [1130b–1133b]. 427 Tuck, Natural Rights, S. 59 f.; Straumann, Grotius, S. 34 f. 428 Vgl. dazu im Text bei Fn. 442. 429 Vgl. im Text bei Fn. 441. 430 So auch Straumann, Grotius, S. 35 f.; Ders., Roman Law, S. 120 f., der aber den Beispielcharakter des nachträglich ergänzten Satzes ⟨ Hac pater familias domesticis suis pro diversa aetatum ac conditionum ratione dimensum, pensumque assignat ⟩, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 14], übersieht und zu Unrecht daraus folgert, Grotius hätte den Anwendungsbereich der zuteilenden Gerechtigkeit ausschließlich auf den häuslichen Bereich beschränkt. 431 Auch dies entspricht weitgehend der Aufteilung in freiwillige und unfreiwillige Austauschbeziehungen bei Aristoteles, auf die Grotius im Folgenden noch Bezug nimmt, vgl. insoweit im Text bei Fn. 441. In beiden Fällen seien Gewinn und Verlust auszugleichen, vgl. Aristot. eth. Nic. 5,7 [1132b11–20].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 107

eine Wohltat zuzufügen (benefacienti benefaciendum).432 Die ursprünglichen Formulierungen betreffen einerseits nicht die Handlung, sondern den Handelnden. Andererseits gebieten sie – entgegen der Deutung von van Ittersum433 – jeweils eine unspezifische Bestrafung bzw. Belohnung, während die endgültigen Formulierungen, corrigenda und repensanda, auch den Umfang mit Bezug auf das zu vergeltende Übel bzw. die zu vergeltende Wohltat als gleichwertig festlegen.434 Die leges V und VI unterscheiden sich methodisch von den vier zuvor erörterten leges  : Quae est ⟨ Namque haec ⟩ partium inter se relatio velut mixta est ex relatione reciproca quae primi ordinis leges constituit, et foras prominente quae secundi  : Haec enim ⟨ ipsa vero ⟩ mutua et alterna est  :435

Und diese Beziehung der Teile untereinander setzt sich ähnlich zusammen wie aus der reziproken Beziehung, welche die Gesetze der ersten Ordnung (lex I und lex II) festgelegt hat, und aus der nach außen hervortretenden Beziehung, welche die Gesetze der zweiten Ordnung (lex III–IV) festgelegt hat  : Aber sie selbst ist gegen- und wechselseitig  :

Grotius erörtert die leges stets in Paaren. Entsprechend bezeichnen die leges primi ordinis die lex I und lex II, die leges secundi ordinis die lex III und lex IV. Die ersten beiden leges436 begünstigen lediglich den Adressaten selbst, indem sie ihn zu gewissen (vorteilhaften) Handlungen berechtigen. Demgegenüber begünstigen die zweiten beiden leges437 einen Dritten,438 indem sie dem Adressaten gewisse 432 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 7r–v. Auch hat Grotius den Wortlaut nicht überall konsequent angepasst, vgl. etwa ebd., cap. X, fol. 68r [S. 153]  : iure naturae debetur quo benefacientibus benefacere vicissim tenemur mit der Randnotiz v[ide] c[aput] 2 l[ex] 6 sowie ferner Fn. 476. 433 van Ittersum, Stoa, S. 86. 434 Vgl. auch die eindeutige Formulierung des Umfangs der Pflicht im endgültigen Text (im Text bei Fn. 441)  : Per hanc et qui plus habet alterius benefacto id ipsum benefactori minus habenti reddit, et qui minus habet alterius malefacto id ipsum a malefactore plus habente recipit [Hervorh. d. Verf.]. 435 Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 15]. 436 Grotius, IPC, cap. II, fol. 6r [S. 10]  : Prior VITAM TUENDAM ⟨ TUERI ⟩ ET DECLINANDA QUA ⟨ DECLINARE ⟩ NOCITURA ⟨ LICEAT ⟩. Altera  : ADIUNGENDA ⟨ ADIUNGERE ⟩ SIBI QUAE AD VIVENDUM SUNT NECESSARIA ⟨ UTILIA EAQUE RETINERE LICEAT ⟩ [Hervorh. im Orig.]. 437 Grotius, IPC, cap. II, fol. 7r [S. 13 f.]  : Una NE QUIS ALTERUM LAEDAT  : altera NE QUIS OCCUPET ALTERI OCCUPATA [Hervorh. im Orig.]. 438 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 6v–7r [S. 12 f.], zur Überleitung von der regula II zu den leges III und IV  : Hinc illa iustitia vera ⟨ proprie dicta ⟩ incipit, quam Aristoteles aliique ⟨ circa ⟩ bonum alienum versari tradiderunt  : ⟨ Cicero et Apuleius foras spectare dicunt ⟩ [⟨ … ⟩] Ex regula igitur prima et secunda leges duae procedunt de bono alieno, quae prioribus de bono suo respondent, easque iusto limite circumscribunt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

108 | 

Viertes Kapitel  

drittschädigende Handlungen verbieten. Die kompensierende Gerechtigkeit schließlich kann in Gestalt der lex V und lex VI sowohl zu Gunsten des Adressaten als auch zu Gunsten des Dritten wirken.439 Anders als die ersten vier leges bezieht sich die kompensierende Gerechtigkeit nicht auf eine Handlung als solche, sondern stets auf den K o n t e x t dieser Handlung. Zudem statuiert sie nicht lediglich Ge- oder Verbote, sondern ordnet unter bestimmten Voraussetzungen A u s g l e i c h s p f l i c h t e n an. Die kompensierende Gerechtigkeit betrifft den Adressaten sowie den Dritten daher wechselseitig. Den relevanten Kontext bilden dabei stets die durch die Handlung ausgelösten Veränderungen der Vermögenspositionen der Parteien, wie Grotius sogleich ausführt  : unde nascitur talio, τὸ ἀντιπεπονθός, Restitutio Scholasticis, opus Iustitiae commutatricis ⟨ compensatricis ⟩. Per hanc et qui plus habet alterius benefacto, id ipsum benefactori minus habenti reddit, et qui minus habet alterius malefacto id ipsum a malefactore plus habente recipit. Unde sequitur obligationum genera esse duo, Philosophisa) ἑκούσιον καὶ ἀκούσιον, ⟨ voluntariam, et nec voluntariam ⟩ Iurisprudentibusb) ex contractu et delicto. Utrovis modo qui plus habet debitor, qui minus creditor dicitur, tantumdemque alteri superest quantum alteri deest   :c) quod si440 illi demtum huic

Daraus folgt die Vergeltung, τὸ ἀντιπεπονθός, die restitutio der Scholastik, die Aufgabe der kompensierenden Gerechtigkeit (iustitia compensatrix). Durch diese gibt einerseits derjenige, der durch die Wohltat eines anderen mehr hat, dieses selbst dem Wohltäter, der weniger hat, zurück, andererseits erhält derjenige, der durch die Übeltat eines anderen weniger hat, dieses selbst von dem Übeltäter, welcher mehr hat, zurück. Daraus folgt, dass zwei Gattungen der Verbindlichkeit (obligatio) existieren, bei den Philosophena) ἑκούσιον (freiwillige) und ἀκούσιον (unfreiwillige) bzw. die willentliche (voluntariam) und nicht willentliche (nec voluntariam), und bei den Rechtsgelehrtenb) aus Vertrag (ex contractu) und aus Delikt (ex delicto). In beiden Kategorien wird derjenige, der mehr hat, Schuldner (debitor) genannt, derjenige, der weniger hat, Gläubiger (creditor), und ebenso verbleibt dem einen das, was dem anderen fehlt:c) Wenn das, was dem Schuldner (illi) weggenommen wurde, dem Gläubiger (huic) hinzugefügt wird, dann ist

439 Oder wie Grotius an anderer Stelle formuliert  : Die leges V und VI können sowohl berechtigen als auch belasten, vgl. Grotius, IPC, cap. VII, fol. 31v [S. 73]  : Sicut ius esse diximus quod legi primae et secundae, item quod quintae et sextae convenit, ita iniuria est, id quod cum lege secunda [tertia  !] aut quarta, item cum quinta et sexta convenit ⟨ pugnat ⟩. Nam leges primi et secundi ordinis simplices sunt. Tertii autem ordinis compositae  : ideo bis sumuntur [Korrektur d. Verf.; so schon van Ittersum (Hrsg.), Prize and Booty, S. 111 Fn. 5]. 440 Es scheint, als habe Grotius hier zunächst eine Ergänzung vornehmen wollen, von dieser jedoch

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 109

­additur, iustitiae […] ea vera iustitia est. Haec postulat rem reddi tam in furto quam in deposito ⟨ commodato ⟩, utque ex emto pretium, ex locato mercedem pendi, ita damnum datum exsolvi, pro iniuria satisfieri.441

dies wahre Gerechtigkeit. Diese fordert, dass die Sache bei einem Diebstahl ebenso zurückgegeben wird wie bei einer Leihe und dass der Preis aus dem Kaufvertrag und das Gehalt aus dem Dienstvertrag gezahlt werden, dass der zugefügte Schaden behoben wird und dass für das Unrecht Ausgleich geschaffen wird.

a) Arist. de Mor. lib. 5 c. 5. b) l. 1 ff. de Oblig. d) Arist. d. l. 5 c. 6 et 7 et seq.

a) Aristot. eth. Nic. 5,5 [1131a2–3]. b) D. 44,7,1 pr. (Gaius libro secundo aureorum)  ; ferner auch D. 44,7,32 (Hermogenianus libro secundo iuris epitomarum). c) Aristot. eth. Nic. 5,6–7 [1131a9–1132b20].

Zunächst erläutert Grotius die verbindliche Wirkung von Austauschbeziehungen im Kontext der ausgleichenden Gerechtigkeit. Grotius prägt hierfür den Begriff der iustitia compensatrix, wohl um besser auszudrücken, dass diese nicht auf willentlich eingegangene (voluntariam) bzw. vertragliche (ex contractu) Beziehungen beschränkt ist442. Dass er dabei den von Thomas von Aquin geprägten Ausdruck iustitia commutativa unmittelbar vor Augen hatte, zeigt eindrucksvoll der (nachträglich zu compensatricis korrigierte) Schreibfehler iustitia commutatricis. Auch ausdrücklich verweist er auf die inhaltliche Übereinstimmung zum scholastischen Begriff der Restitution (im weiteren Sinne)443  : Et leges igitur duae  : una, Malefacta corrigenda  : altera, Benefacta repensanda  : Graece ἀντευποιητέον. […] unde nascitur talio, τὸ ἀντιπεπονθός, Restitutio Scholasticis, opus iustitiae compensatricis. In der Tat finden sich etwa bei Lessius ganz ähnliche Ausführungen zum Verhältnis zwischen vertraglichen Erfüllungsansprüchen, deliktischen Ansprüchen und Restitution (im engeren Sinne), die alle Teil der iustitia commutativa seien.444 Hier wie dort werden neben (deliktischen und vertrag­ wieder abgesehen  : An dieser Stelle findet sich ein typisches Ergänzungszeichen, es fehlt jedoch an einer entsprechenden Ergänzung. 441 Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r–v [S. 15] [Hervorh. im Orig.]. Die durch […] kenntlich gemachte Auslassung entspricht einem einzelnen, nicht zu entziffernden Wort, das Grotius nachträglich gestrichen hat. 442 Vgl. insoweit zu Grotius’ Kritik an der iustitia commutativa in De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1528. Ähnlich auch die Kritik von Harke, Vorenthaltung, S. 11 f., 35, der stattdessen von iustitia correctiva sprechen will. 443 Vgl. zur spätscholastischen Restitutionslehre Jansen, Restitution, S.  28–35, 53–55, und deren Rezeption durch Grotius ebd., S.  176–184, wobei er lediglich in Fn.  219, 221, 224 auf De  Iure Praedae eingeht. Ohne Bezug zu De Iure Praedae auch Ders., ZRG (GA) 132 (2015), S. 62–65. 444 Lessius, Iustitia et Iure, lib. II cap. VII dub. IV num. 15–16  : […] Et quia dum res ablata redditur,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

110 | 

Viertes Kapitel  

lichen) Rückgabeansprüchen (rem reddi tam in furto quam in commodato) auch sonstige deliktische Schadensersatzansprüche (damnum datum exsolvi, pro in­ iuria satisfieri) sowie vertragliche Erfüllungsansprüche (ex emto pretium, ex locato mercedem pendi) grundsätzlich den gleichen Regeln unterworfen.445 Erst auf einer zweiten Stufe wird zwischen willentlich und unabsichtlich einge­ gangenen Verbindlichkeiten unterschieden, d.  h. zwischen vertraglichen und deliktischen Verbindlichkeiten (Benefacta repensanda bzw. compensanda und Malefacta ­corrigenda). Insoweit entspricht das Vertragsverständnis in De  Iure Praedae –  in auffallendem Gegensatz zum Parallelon Rerumpublicarum  – einer klassisch aristotelisch-thomistischen Lehre der ausgleichenden Gerechtigkeit  :446 Eine vertragliche Verbindlichkeit ist demnach nichts anderes als die aus der iustitia commutativa (bzw. compensatrix) folgende Pflicht zum Ausgleich der durch die Erbringung der Gegenleistung entstandenen Vermögensverschiebung.447 Diese Feststellung ist auch deshalb bemerkenswert, da Grotius die insoweit identische Vertragslehre Connans in späteren Werken448 vehement angreift.449 in priorem statum reponitur, ideo significat redditionem rei ablatae, sive iure, sive iniuria ablata sit  ; quod aliter latinis dicitur, Redhibitio, & redhibere. sic depositum & commodatum dicitur restitui, & etiam mutuum  ; quia saltem secundum speciem est idem. Emptor vero pretium numerans non dicitur restituere, sed solvere  : & qui damnum intulit, compensat, non restituit. Apud Theologos tamen, hoc nomen accipitur generalibus  ; […] Hoc modo qui damnum intulit, dicitur facere restitutionem, dum illud compensat, & aequivalens rependit. posset etiam hoc modo emptor solvens pretium, dici facere restitutionem, quia reddit rem in aequivalenti  ; quamvis non ita usitate. Hinc patet restitutionem esse opus externum Iustitiae commutativae, quia huius virtutis est constituere aequalitatem inter datum & acceptum, inter damnum & compensationem  ; quod sit restitutione [Hervorh. im Orig.]. Auffällig ist jedoch, dass Lessius compensare gerade ausschließlich für den deliktischen Bereich verwendet, während Grotius nicht nur allgemein von iustitia compensatrix, sondern auch konkret im vertraglichen Kontext von dem Gebot benefacta compensanda spricht. 445 Eine ähnliche Gliederung findet sich bereits bei Aquinas, STh IIa–IIae qu. 62 [Bd. 9, S. 41–61], der allerdings im Kontext der Restitution nicht generell auf vertragliche Ansprüche eingeht, wohl aber auf einzelne Vertragstypen. Vgl. zur auffälligen Abwesenheit des Kaufvertrages in diesem Kontext Harke, Vorenthaltung, S. 37 f. 446 So auch Tuck, Natural Rights, S.  59  f.; Straumann, Grotius, S.  35–38  ; Ders., Roman Law, S. 120–124. 447 Dieser Ausgleichscharakter zeigt sich gerade auch in der Überarbeitung der Formulierung der lex VI von Benefacienti benefaciendum zu Benefacta repensanda bzw. compensanda, vgl. Fn. 432  ; aber auch in der Bezeichnung sämtlicher Ansprüche aus Vertrag (dem »dritten Kriegsgrund«  : ob debitum ex contractu, vgl. Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 67]) als condictiones scilicet ex contractu, vgl. ebd., fol. 30r [S. 70]. 448 Vgl. zum Brief vom 28.02.‌1616 S. 186–205  ; sowie zu De Iure Belli ac Pacis S. 282–302, 359–366. 449 Auch in De Iure Praedae bleibt Grotius allerdings nicht an diesem Punkt stehen, vgl. S. 116–130.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 111

Grotius’ allgemeine Ausführungen zur kompensierenden Gerechtigkeit enden an dieser Stelle. Jedoch wendet er sich im Anschluss im Detail den beiden leges, Malefacta corrigenda450 und Benefacta repensanda bzw. compensanda, zu  : Lex autem altera de benefactis compensandis non minus manifestam habet aequitatem. Xenophon  : τί δέ τοὺς εὖ ποιοῦντας, ἀντευεργετεῖν οὐ πανταχοῦ νόμιμόν ἐστι  ; νόμιμον ἔφη.a) Quid his qui bene de nobis meriti sunt bene vicissim facere, nonne ius ubique terrarum est  ? Est sane, inquit. Et jurisconsultib) πρὸς ἀντίδωρα ad remunerandum naturalem esse volunt obligatio­ nem  : et natura iniquum esse ut locupletetur quisquam aliena iactura, et suum alicui beneficium damnosum sit. Seneca  : Aequissima vox est et Ius Gentium prae se ferens, Redde quod debesc).451

Das andere Gesetz aber, über den Ausgleich der Wohltaten, zeichnet sich durch nicht weniger deutliche Billigkeit aus. Xenophon hat gefragt  : τί δέ τοὺς εὖ ποιοῦντας, ἀντευεργετεῖν οὐ πανταχοῦ νόμιμόν ἐστι  ; νόμιμον ἔφη.a) Ist es etwa nicht das weltweit geltende Recht, denjenigen wiederum Gutes zu tun, welche sich um uns auf besondere Weise verdient gemacht haben  ? Dies sei vernünftig, hat er gesagt. Und die Rechtsgelehrtenb) sagen mit Bezug auf Gegengeschenke (ἀντίδωρa) oder auf das Vergelten einer empfangenen Wohltat, dass es eine natürliche Verbindlichkeit (naturalis obligatio) gebe und es von Natur aus unbillig sei, dass sich irgendjemand durch eine fremde Einbuße bereichert und seine Wohltat für den anderen schädlich wäre. Seneca [schreibt]  : »Gib zurück, was du schuldest« ist das billigste Gebot und macht das Völkergemeinrecht (ius gentium) für sich geltendc).

a) Lib. 4 Comm. b) L. Sed etsi lege § consuluit ff. de pet. haer. c) Lib. 3. de Benef. c. 14.

a) Xen. mem. 4,4,24. b) D. 5,3,25,11 (Ulpianus libro quinto decimo ad edictum). c) Sen. benef. 3,14,3.

Grotius belegt die lex VI, Wohltaten zu vergelten, nicht etwa inhaltlich, sondern unter Berufung auf Xenophon, Seneca und Ulpian. Eine systematische Herleitung hatte er bereits im Rahmen der allgemeinen Erörterungen zur kompensierenden Gerechtigkeit erbracht.452 Diese Begründung durch Autoritäten verwen-

450 Die Ausführungen zur lex V, Malefacta corrigenda, werden hier mangels ihrer Relevanz für vertragliche Sachverhalte ausgespart. Sowohl die vorhergehenden allgemeinen Ausführungen zur iustitia compensatrix als auch die nachfolgende Erörterung der lex VI, Benefacta repensanda bzw. compensanda, werden vollständig wiedergegeben. 451 Grotius, IPC, cap. II, fol. 9r–v [S. 17 f.] [Hervorh. im Orig.]. 452 Vgl. im Text bei Fn. 422, 441.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

112 | 

Viertes Kapitel  

det Grotius auch an anderer Stelle,453 in De Iure Belli ac Pacis wird er sie zudem mit einem methodischen Überbau ausstatten454. Mit Xenophon und Seneca führt Grotius zwei Philosophen – einen aus Athen und einen aus Rom, einen keiner konkreten Schule zugehörigen Schüler von Sokrates und einen Stoiker –455 dafür an, dass die lex VI, Wohltaten zu vergelten, zum Völkergemeinrecht (ius ubique terrarum  ; ius gentium) gehöre. Zusätzlich beruft er sich auf die Ausführungen Ulpians in D. 5,3,25,11, wonach durch ein Geschenk eine naturalis obligatio, eine »naturrechtliche Verbindlichkeit«,456 auf eine Gegenleistung entstehe. Dass Seneca dort eigentlich gerade gegen einen Anspruch auf eine Gegenleistung457 und Ulpian gegen eine vermögensrechtliche Beachtlichkeit dieser Verbindlichkeit argumentieren, unterschlägt Grotius. Für seine Zwecke ist entscheidend, dass die Erstattung von Geschenken zum Völkergemeinrecht gehöre bzw. dass ein Geschenk einen Vermögensabfluss darstelle, dem nach Ulpian erst durch eine angenommene Gegenleistung ein Vermögenszufluss gegenüberstehe. Dies aber stellt nach Grotius’ Verständnis den Kern des Gebotes Benefacta repensanda dar. Nachdem er die Geltung der naturrechtlichen Verbindlichkeit auf Erbringung der Gegenleistung nun zweifach458 legitimiert hat, wendet sich Grotius der

453 Etwa die Begründung der regula III, vgl. im Text bei Fn. 485. Zu den allgemeinen methodischen Überlegungen in De Iure Praedae vgl. Fn. 499. 454 Vgl. S. 305–307, 355–359. 455 Dass dies für Grotius keinesfalls bedeutungslos ist, zeigt etwa die nachträglich hinzugefügte explizite Auflistung der Zustimmung zu den leges  I und II durch die einzelnen philosophischen Schulen (Stoa, Kepos, Peripatos und Akademie), vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 6r [S. 10 f.]. Vgl. zur Quellenauswahl auch im Text bei Fn. 492–499. 456 Ob diese Übersetzung dem römischen Verständnis und dem Ulpians im Besonderen entspricht, kann dahinstehen. Grotius stellt das Zitat bewusst in den Kontext der lex VI, Benefacta repensanda, welche als Folge der regulae I und II zum Natur- oder zumindest zum primären Völkergemeinrecht gehört, vgl. Fn. 484, 575 sowie Fn. 522. Es soll gerade belegen, dass die kompensierende Gerechtigkeit eine n a t u r r e c h t l i c h e Verbindlichkeit entstehen lässt. Vgl. im Detail zu Ausführungen zum Begriff der naturalis obligatio in De Iure Belli ac Pacis S. 319–330. 457 In Sen. benef. 3,14–15, wendet sich Seneca g e g e n eine rechtliche Beachtlichkeit dieser Erstattungspflicht, bevor er im Anschluss dasselbe auch für die fides vertritt, vgl. dazu auch Schermaier, Debet homo, S. 197 f., und damit gerade die Position einnimmt, für die Grotius im Brief vom 28.02.‌1616 Platon und Theophrast anführt  ; vgl. S. 201–203. 458 In Übereinstimmung mit seinen methodischen Vorsätzen, vgl. Fn. 499, zunächst ex intima philosophia, d. h. aus den vorhergehenden Ausführungen deduziert, vgl. im Text bei Fn. 422, 441, dann unter Berufung auf viri sapientes (Xenophon und Seneca) und nationes laudatissimae (die römischen iurisconsulti), vgl. im Text bei Fn. 451.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 113

Bestim­mung des Umfangs dieser Verbindlichkeit auf Erbringung der Gegen­ leistung zu  : Sed cum bonorum commutatio ut diximus sit voluntaria, mensura huius crediti est creditoris voluntas. Bonum enim aliud simpliciter dicitur, aliud quod alicui bonum est  : et ut rectissime Aristoteles exponit  : ὅσα περὶ ἕκαστον νοῦς ἀποδίδωσιν ἑκάστῳ τοῦτό ἐστιν ἑκάστῳ ἀγαθόν,a) quod de re unaquaque mens unicuique dictaverit id unicuique bonum est.459

Aber weil der Austausch von Gütern, wie wir gesagt haben, willentlich erfolgt, bemisst sich die Forderung (creditum) nach dem Willen des Gläubigers. Denn das Gute wird einmal als absolut bezeichnet, ein anderes Mal ist es das, was für irgendjemanden das Gute ist, und wie Aristoteles sehr richtig darlegt  : ὅσα περὶ ἕκαστον νοῦς ἀποδίδωσιν ἑκάστῳ τοῦτό ἐστιν ἑκάστῳ ἀγαθόνa). Was jeder einzelne Verstand in dieser Angelegenheit für sich festgelegt hat, das ist für diesen Einzelnen das Gute.

a) Arist. Rhet. 1. c. 3 ⟨ Et 3 de Morib. c. 6. ⟩ Adde Apul. de Phil. Plat.

a) Aristot. rhet. 1,6,2 [1362a25–26]  ; ⟨ Aristot. eth. Nic. 3,6 [1113a17–18]  ; ⟩ ferner Apul. Plat. 2,7 [229].

Da Grotius diese naturalis obligatio, um den Ulpian entlehnten Begriff zu verwenden, zuvor als Kompensation der in der Erbringung der Gegenleistung liegenden Vermögensverschiebung konstruiert, läge es nahe, dass sich ihr Umfang nach dem Wert der erbrachten Gegenleistung bestimmt. Dies entspräche der klassisch aristotelisch-thomistischen Gerechtigkeitslehre. Davon weicht Grotius jedoch ab, indem er die Gegenleistung nicht anhand objektiver Kriterien, sondern anhand des Willens des creditor bewertet (mensura […] crediti est creditoris voluntas), d. h. des Gläubigers der ausstehenden Leistung, der seine Leistung im Austauschverhältnis bereits erbracht hat460. Bereits spätscholastische Autoren ziehen zur Wert- bzw. Preisbestimmung der Leistungen zunehmend den Willen oder die Vorstellungen der Parteien heran.461 Demgegenüber stellt Grotius dem Wortlaut nach einseitig auf den Gläubiger ab. Dieses auf den ersten Blick unbillig anmutende Ergebnis löst Blom überzeugend auf  : Durch Erbringung der eigenen Leistung gibt der Gläubiger eine Bewertung vor, die der Schuldner durch Annahme dieser Leistung akzeptiert.462 Der Wille des Gläubigers ist demnach nur vermeintlich einseitig, da der Schuldner dieser Bewertung konkludent zustimmt. Nach dieser Lesart erklärt Grotius somit mit der 459 460 461 462

Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18] [Hervorh. im Orig.]. Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r–v [S. 15]  : qui minus [habet] creditor dicitur. Decock, Contract Law, S. 523 f.; Otte, Vitoria, S. 84 f. Blom, Grotius on Trust, S. 94.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

114 | 

Viertes Kapitel  

Bemerkung mensura […] crediti est creditoris voluntas, dass die Leistungen anhand der Vereinbarung (und nicht anhand externer Faktoren) zu bewerten seien.463 Daneben wäre auch denkbar, dass mensura crediti hier nicht den Umfang bzw. die Höhe der Forderung, sondern vielmehr das Maß zur näheren Bestimmung ihres Inhalts meint. Zuvor spricht Grotius – mit einer Ausnahme –464 davon, dass die Vermögensverschiebung s e l b s t zurückfließen müsse.465 Nach dieser Lesart korrigiert bzw. konkretisiert der Hinweis auf den Willen als mensura dies für freiwillige Austauschbeziehungen  : Die Ausgleichsforderung kann zwar grundsätzlich auch auf Rückgabe der erbrachten Leistung gerichtet sein (rem reddi […] in commodato)466, ebenso aber auf eine versprochene Gegenleistung (ex empto pretium, ex locato mercedem pendi)467. Ausschlaggebend ist der Wille des creditor, d. h. desjenigen, der seine Leistung im Austauschverhältnis bereits erbracht hat468. Dies folgt daraus, dass das zu leistende bonum sowohl absolut, d. h. objektiv, als auch subjektiv bestimmt werden könne und – so wird implizit vorausgesetzt – im Rahmen willentlicher Austauschbeziehungen auf letztere Bestimmung abgestellt werden müsse. Insofern lässt sich die Passage auch als Stellungnahme zu dem Problem der condictio causa data, causa non secuta bei Innominatkontrakten deuten. Nach römischem Recht hat der zuerst Leistende die Wahl, entweder die Gegenleistung zu fordern oder seine bereits erbrachte Leistung zu kondizieren.469 Dieses »Reue­ recht« wurde jedoch zunehmend als unbillig angesehen.470 Sieht man in dieser Passage lediglich die Begründung, warum der Gläubiger seine bereits erbrachte Leistung nicht zurückfordern kann, erklärt sich auch, 463 Tendenziell in diesem Sinne auch Grotius, IPC, cap. III, fol. 16v [36]  : Leges vero quinta et sexta istis verbis continentur  : Mensuram et mensuram  : pondus et pondus odit Dominus. Qua vos mensura mensi aliis fueritis, eadem vobis remetietur. 464 Haec postulat […] utque ex empto pretio, ex locato mercedem pendi, vgl. im Text bei Fn. 441. 465 Per hanc et qui plus habet alterius benefacto, id ipsum benefactori minus habenti reddit, et qui minus habet alterius malefacto, id ipsum a malefactore plus habente recipit, vgl. im Text bei Fn. 441  ; Redde quod debes, vgl. im Text bei Fn.  451  ; sowie später acceptum reddere, vgl. im Text bei Fn. 533. [Hervorh. d. Verf.]. 466 Vgl. im Text bei Fn. 441. 467 Ebd. 468 Vgl. Fn. 460. 469 Vgl. im Text bei Fn. 112 f. 470 Schon Baldus versagt die Kondiktion jedenfalls auch im gemeinen Recht, wenn die Leistung aufgrund eines Eides erfolgt, vgl. im Text bei Fn. 147  ; sowie zu weiteren Einschränkungen bei Zasius Seuffert, obligatorische Verträge, S. 98, 101. Molina verschweigt die (Möglichkeit der) Kondiktion in diesem Kontext schlicht, während Lessius sie für mit dem Naturrecht unvereinbar erklärt, vgl. dazu im Text bei Fn. 238.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertragliche Verbindlichkeit als Folge kompensierender Gerechtigkeit 

| 115

­ arum Grotius zumindest dem Wortlaut nach lediglich auf den creditor und w nicht den debitor oder beide Parteien abstellt  : Durch die abredegemäße Leistung verzichtet der Gläubiger auf sämtliche Rechte an der erbrachten Leistung, sofern sich – wie etwa bei Leihe, Miete oder Verwahrung – aus seinem Willen nichts anderes ergibt. Nach dieser Lesart erschöpft sich der Aussagegehalt dieser Passage darin, was n i c h t bonum im Sinne des creditor (seine bereits erbrachte Leistung) und damit Gegenstand des creditum (deren Rückforderung) ist. Nicht völlig auszuschließen ist schließlich eine dritte Deutung der Aussage mensura […] crediti est creditoris voluntas, wonach creditor hier nicht den Gläubiger der Leistung, sondern vielmehr den Gläubiger der bereits erbrachten Leistung meint, also den S c h u l d n e r der ausstehenden Leistung. Dafür spräche, dass diese Passage unverändert aus der ersten Fassung des Manuskripts stammt,471 während die Definitionen von creditor und debitor mehrfach überarbeitet wurden. In der Ursprungsfassung lautete die Definition  : Utrovis modo qui plus habet creditor, qui minus debitor dici potest. Debet autem id quod creditori superest debitori adiici, qui cum ante tantundem abfuerit, ita continget aequalitas.472 Sofern es sich hier nicht um eine Verwechslung handelt, sondern Grotius die Vertragsparteien bewusst mit Bezug auf die bereits erbrachte Leistung definierte, läge es nahe, dass er den Begriff creditor auch in der vorliegenden Passage, die aus derselben Textstufe stammt, entsprechend dieser ursprünglichen Definition verwendete und diese Passage lediglich im Zuge der Überarbeitung übersah. Den Umfang der Forderung nach dem Willen des Schuldners zu bestimmen, wäre auch unproblematisch mit dem auf fides basierenden Vertragsverständnis im Parallelon Rerumpublicarum und den folgenden Aussagen zu libertas und ­dominium vereinbar. In Anbetracht der mehrfachen473 Überarbeitung des Textes erscheint es allerdings unwahrscheinlich, dass Grotius an dieser Stelle die Korrektur von creditor zu debitor übersehen hat. Wahrscheinlicher ist es, dass in der Ursprungsfassung 471 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10v. 472 Grotius, IPC, cap. II, fol. 7v. 473 Grotius, IPC, cap. II, fol. 7v  : Utrovis modo qui plus habet creditor ⟨ debitor ⟩, qui minus debitor ⟨ creditor ⟩ dici potest. Debet autem id quod creditori ⟨ debitori ⟩ superest debitori ⟨ creditori ⟩ adiici, qui ⟨ cui ⟩ cum ante tantundem abfuerit, ita continget aequalitas  ; ebd., fol. 8r–v [S. 15]  : Utrovis modo qui plus habet debitor, qui minus creditor dicitur, tantumdemque alteri superest quantum alteri deest  : quod si illi demtum huic additur, iustitiae […] ea vera iustitia est. Zudem endet die Neufassung eines längeren Textabschnittes unmittelbar vor der hier betrachteten Passage. Es scheint daher wahrscheinlich, dass sich Grotius im Rahmen der zweiten Überarbeitung mit diesem Satz auseinandergesetzt und eine Neuformulierung nicht für nötig befunden hat.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

116 | 

Viertes Kapitel  

die Definition auf einer später korrigierten Verwechslung beruhte, nicht aber die weitere Verwendung der Begriffe creditor und debitor in den folgenden Abschnitten. Keine dieser Lesarten kann letztlich vollkommen zufriedenstellen. Versteht man die Passage lediglich als Ausschluss eines Reuerechts, bleibt unklar, woraus sich der Anspruch auf die Gegenleistung ergibt. Bezieht man sie hingegen auf die (Höhe der) Gegenleistung, muss man mit Blom gedanklich die nicht ausdrücklich erwähnte Zustimmung des Schuldners zur Bewertung des Gläubigers ergänzen, sofern man nicht eine unwahrscheinliche Verwechslung der Begriffe creditor und debitor vermuten wollte. Das unklare Verhältnis zwischen dieser Passage, den ihr vorhergehenden Ausführungen zur kompensierenden Gerechtigkeit und den ihr unmittelbar folgenden Ausführungen zu libertas und dominium wird an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen werden.474 Zuvor soll jedoch, auch um beide klarer voneinander abzugrenzen, der zweite Ursprung der Abreden (pactorum origo) betrachtet werden  : die regula III bzw. regula fidei.

II. Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung als weiterer Ursprung vertraglicher Verbindlichkeit Neben der geschilderten Herleitung vertraglicher Verbindlichkeit aus der kompensierenden Gerechtigkeit (iustitia compensatrix, in Gestalt der lex  VI  : Benefacta repensanda475 bzw. compensanda476), kennt Grotius noch einen weiteren »Ursprung« vertraglicher Verbindlichkeit (pactorum origo), die regula fidei  : Quod se quisque velle significaverit id in eum ius est. Hierin liegt zugleich der wesentliche Unterschied zur Vertragslehre Connans, welche Grotius später mehrfach, während der Entwicklung seiner eigenen umfassenden Vertragslehren, namentlich angreift.477 Diese regula fidei bildet die dritte der neun regulae, welche sich –  mit Ausnahme der letzten –478 dadurch auszeichnen, dass stets durch die Kundgabe des 474 Vgl. im Text vor Fn. 615 sowie S. 150 f. 475 Vgl. im Text bei Fn. 422. 476 Vgl. im Text bei Fn. 451, aber auch Grotius, IPC, cap. II, fol. 14r [S. 30]  : hic cum cesset illa quam dixi lex de iudiciis ad sextam veniendum est quae vult benefacientibus bene fieri, sive damnum lucro compensari. 477 Vgl. zum Brief vom 28.02.‌1616 S. 186–205  ; zu De Iure Belli ac Pacis S. 282–302, 359–366. 478 Auch Grotius war sich der Sonderstellung der letzten regula offensichtlich bewusst. Im Manuskript

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 117

Willens Recht gesetzt wird (velle significaverit id ius est).479 Was Gott bzw. der Konsens aller Menschen nach den regulae  I und II für alle Menschen vermögen,480 kann der einzelne Mensch nach der regula III für sich selbst (in eum) bewirken. Darin eine besondere Ausprägung des Gedankens der Gotteskindschaft des Menschen zu sehen, dürfte in Anbetracht der weiteren Übereinstimmung mit den regulae  IV–VIII481 eher fernliegen. Die Gemeinsamkeit der regulae  I– VIII besteht lediglich in der willentlichen Rechtsetzung durch unterschiedliche Personen mit jeweils entsprechendem Adressatenkreis.482 Der religiöse Bezug der regula I erklärt sich dadurch, dass Grotius das Naturrecht in De Iure Praedae (anders als später in De Iure Belli ac Pacis)483 noch mit dem von Gott gesetzten Recht identifiziert484. bezeichnet er sie ursprünglich als lex, ändert die Bezeichnung jedoch im Zuge einer Überarbeitung zu regula  ; vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 13r. Der Grund dafür bleibt unklar, doch betont die ursprüngliche Bezeichnung als lex nur die Gemeinsamkeit der übrigen regulae. Vgl. dazu auch Winkel, Grotiana 26–28 (2005–2007), S.  70 Fn.  28  ; sowie Haggenmacher, Grotius, S.  633 Fn. 1, der zu Recht darauf hinweist, dass Grotius auf den fol. 44v, 47v bereits im nicht modifizierten Ursprungstext von der regula IX spricht. 479 So schon Haggenmacher, Grotius, S. 312, 364  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 167. 480 QUOD DEUS SE VELLE SIGNIFICARIT ID IUS EST, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 5r–v [S. 7 f.]  ; QUOD CONSENSUS HOMINUM VELLE CUNCTOS SIGNIFICAVERIT ID IUS EST, vgl. ebd., fol. 6v [S. 12] [Jeweils Hervorh. im Orig.]. 481 QUIDQUID RESPUBLICA SE VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES UNIVERSOS IUS EST, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 11v [S. 23]  ; QUIDQUID RESPUBLICA SE VELLE SIGNIFICAVIT ID INTER CIVES SINGULOS IUS EST, vgl. ebd., fol. 11v [S. 24]  ; QUOD SE MAGISTRATUS VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES UNIVERSOS IUS EST, vgl. ebd., fol. 12v [S. 26]  ; QUOD SE MAGISTRATUS VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES SINGULOS IUS EST, vgl. ebd., fol. 12v [S. 26]  ; QUICQUID OMNES RESPUBLICAE SIGNIFICASSENT ⟨ SIGNIFICARUNT ⟩ SE VELLE ID IN OMNES IUS ESSE ⟨ EST ⟩, vgl. ebd., fol. 12v [S. 26] [Jeweils Hervorh. im Orig.]. 482 So auch Haggenmacher, Grotius, S. 312, 497, der die regula I jedoch wörtlich nimmt und alle anderen willentlichen Rechtssetzungen im Wege der weiteren regulae ultimativ auf den göttlichen Willen zurückführt, wenngleich er auf den qualitativen Unterschied zwischen dem vernünftigen und unveränderlichen Willen Gottes und dem Willen eines Bürgers oder Magistrats hinweist (S. 498 f.). Demgegenüber will Blom auch im Rahmen der regula III anstelle des tatsächlichen auf den vernünftigen Willen abstellen, vgl. dazu S. 125–127. 483 Vgl. dazu im Text bei Fn. 1596, 1599–1602. 484 Grotius, IPC, cap. II, fol. 5v [S. 8]  : Dei voluntas non oraculis tantum et extraordinariis significationibus, sed vel maxime ex creantis intentione apparet. ⟨ Inde enim ius naturae est. ⟩ Neben der nachträglichen Ergänzung findet sich die Randnotiz IUS NATURAE [Hervorh. im Orig.]. Knight, Grotius, S. 86, sieht dies nicht zuletzt strategischen Überlegungen geschuldet, welche Argumente geeignet sind, um eine große Gruppe an Laien und Juristen zu überzeugen. Solche Überlegungen sind Grotius nicht fremd, vgl. Fn. 592 und im Text bei Fn. 868, allerdings dürfte

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

118 | 

Viertes Kapitel  

Das Besondere an der regula  III kennzeichnet dabei der maximal ausgeweitete Kreis der Rechtsetzenden  : Jede Willenskundgabe setzt für diese Person Recht – auch und gerade im vertraglichen Kontext  : Hinc illa Fidei regula, QUOD SE QUISQUE VELLE SIGNIFICAVERIT ID IN EUM IUS EST.a) cum qua congruit ⟨ consentit ⟩ dictum vetus, volenti non fieri iniuriamb) ⟨ Et quod traditum est, aequitati naturali et fidei humanae nihil tam congruum esse, quam id ea quae inter quosque placuerunt servaric). Et Ciceronisd)  : Fidem esse Iustitiae Fundamentum. ⟩485

Daraus folgt die Regel der Treue (fides)  : Was ein jeder geäußert hat, dass er es wolle, das ist in Bezug auf ihn Recht.a) Mit dieser Regel stimmt die alte Aussage überein, dass dem Wollenden kein Unrecht geschehe,b) ⟨ und es ist überliefert, dass nichts der natürlichen Billigkeit und der menschlichen Treue (fides humana) so sehr entspricht, wie die Regeln einzuhalten, auf die man sich geeinigt hatte.c) Und von Cicerod) wird überliefert, dass die »Treue die Grundlage der Gerechtigkeit ist« ⟩.

a) Plato de Legibus 11 Psalm. 12. b) Arist. 5 de Morib. c. 11 in fine. l. In diem ff. de Aqua et aqua publ. c) l. 1. in pr. ff. de Pactis. §§. per traditionem vers. Nihil. Inst. de Rer. divis. ⟨ l. 1. ff. de Const. Pec. ⟩ d) De Off. 1.

a) Plat. leg. 11 [920d]  ; Ps. 12 (11). b) Aristot. eth. Nic. 5,11 [1136b13–14]  ; D. 39,3,9,2 (Paulus libro quadragensimo nono ad edictum). c) D. 2,14,1 pr. (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; ⟨ D. 13,5,1 pr. (Ulpianus libro vicensimo septimo ad edictum)  ; ⟩ Inst. 2,1,40. d) Cic. off. 1,23.

Mit der regula fidei bringt Grotius auf eine prägnante Formel, was er im Parallelon Rerumpublicarum stets umschrieben und durch Beispiele illustriert hat  : Was ein jeder geäußert hat, dass er es wolle, das ist in Bezug auf ihn Recht. Anders als im Parallelon Rerumpublicarum bemüht sich Grotius hier –  wie zuvor bereits im Rahmen der lex VI, Benefacta repensanda –486 sogleich darum, die regula fidei durch antike Belege abzusichern. Zunächst weist Grotius auf die Übereinstimmung mit dem hier Aristoteles und Paulus zugeschriebenen487 Sprichwort volenti non fit iniuria hin. Wenngleich er hier primär die Autorität der beiden antiken Autoren bemüht, knüpft Grotius durch den Bezug zwischen fides und dem Ausschluss einer Schädigung (iniuria) zugleich an die lex III, Ne quis dieses voluntaristische Naturrechtsverständnis zu diesem Zeitpunkt noch seiner eigenen Überzeugung entsprochen haben. 485 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18] [Hervorh. im Orig.]. 486 Vgl. S. 111 f. 487 In Grotius, IPC, cap. VII, fol. 30v [S. 71], kommt er noch einmal darauf zu sprechen und ­zitiert zusätzlich Aristot. rhet.  1,13 [1373b29–31] und anstelle des Paulusfragmentes D.  47,10,1,5 ­(Ulpianus libro quinquagensimo sexto ad edictum)  ; vgl. Fn. 494.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 119

alterum laedat,488 an und zeigt implizit deren uneingeschränkte Vereinbarkeit mit der regula fidei. Anschließend führt Grotius die – auch auf Inst. 2,1,40 gestützte –489 Aussage Ulpians, die Erfüllung des Vereinbarten (quam ea quae inter quosque placuerunt servari) bilde den Kern der natürlichen Billigkeit (aequitas naturalis) und der menschlichen Treue (fides humana), sowie die Aussage Ciceros, die Treue bilde die Grundlage der Gerechtigkeit (iustitia), als Belege der regula fidei an. In den ersten beiden Kapiteln von De  Iure Praedae erwähnt Grotius aequitas und vor allem iustitia490 mehrfach als Tugenden, die bei der Befolgung des Naturrechts nützlich seien.491 Ohne dass den Begriffen eine konkrete Position im System der leges und regulae zukäme, setzt Grotius die regula fidei durch die Auswahl dieser Zitate und die darin erwähnten Begriffe aequitas und iustitia mittelbar in einen (wenn auch diffusen) Zusammenhang zum Naturrecht an sich. Wichtiger dürfte auch hier jedoch die Autorität der antiken Autoren sein  : Als Nachweise für die regula fidei führt Grotius Aristoteles, Paulus, Ulpian und Cicero an, zwei Juristen und zwei Philosophen, einer der griechische Gründer der Peripatos, der andere ein zwischen Stoa und skeptischer Akademie stehender Römer. Ob Grotius sich in De Iure Praedae bereits bewusst um eine möglichst breite Abbildung der humanistischen Quellen bemüht,492 wie er es später in den prolegomena zu De Iure Belli ac Pacis ausdrücklich verlangt,493 kann dahinstehen. Jedenfalls unbewusst scheint ihm daran gelegen gewesen zu sein, die etablierten naturrechtlichen 488 Grotius, IPC, cap. II, fol. 7r [S. 13]. 489 Vgl. dazu noch im Text bei Fn. 607. 490 In diesem Kontext spricht Grotius von einer allgemeinen, personenbezogenen iustitia, vergleichbar mit der aristotelischen iustitia universalis bzw. Grotius’ eigenem Gerechtigkeitsverständnis im Parallelon Rerumpublicarum. Diese ist nicht mit der auf S. 103–116 untersuchten, von Grotius erst später im Rahmen einer konkreten, drittbezogenen iustitia entwickelten kompensierenden Gerechtigkeit (iustitia compensatrix) zu verwechseln. 491 Vgl. zur iustitia etwa das in Plut. de stoic. rep. 9 [1035c] übermittelte Chrysippos-Zitat im unmittelbaren Anschluss an die regula  I und die Definition des Naturrechts als Schluss auf den göttlichen Willen aus der Schöpfung, Grotius, IPC, cap.  II, fol.  5v [S.  8  f.]  : ⟨  Et quem modo dicebam Chrysippus  : οὐ γάρ ἐστιν εὑρει̑ν τη̑ς δικαιοσύνης ἄλλην ἀρχὴν οὐδὲ ἄλλην γἑνεσιν, ἢ τὴν ἐκ του̑ Διὸς καὶ τὴν ἐκ τη̑ς κοινη̑ς φύσεως. Non potest aliud reperiri iustitiae principium, origove alia quam a Deo et a communi natura. ⟩ [Hervorh. im Orig.] Sowie kurz darauf den leges I–IV vorgreifend, ebd., fol. 5ar [S. 9]  : Recte autem Socrates cum apud Xenophontem tum apud Platonem, atque etiam Diogenes iustitiam virtutem statuunt, quae nos utiles facit cum aliis tum nobis ipsis. Vgl. zur aequitas etwa das Seneca-Zitat im Rahmen der lex VI, vgl. die Text bei Fn. 451. 492 Dafür spricht etwa die explizite Auflistung der Zustimmung zu den leges I und II durch die einzelnen philosophischen Schulen, vgl. Fn. 455. 493 Grotius, IBP, prolegomena XL und XLVI.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

120 | 

Viertes Kapitel  

Normen stets durch möglichst unterschiedliche Quellen zu belegen.494 Insofern ist es zwar nicht unzutreffend, dass Grotius »Alles und Jeden [benutzt], um einen Beleg für seine Argumentation zu bekommen«495, doch geht diese Feststellung am Kern der Sache vorbei. Zu Recht betont Blom, dass Grotius weniger an einzelnen Autoritäten als vielmehr an der Herausbildung eines consensus omnium (im Sinne des overlapping consensus Rawls’) interessiert ist,496 d.  h. eines unabhängig von widerstreitenden religiösen, politischen oder dogmatischen Ansichten oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule tragbaren Minimalkonsenses497. Die später geforderte »humanistische« Methode498 scheint somit, wenn auch möglicherweise noch unreflektiert, bereits in De Iure Praedae angelegt zu sein.499 494 So verweist er für das alte Sprichwort volenti non fit iniuria hier neben Aristoteles ausschließlich auf Paulus (D. 39,3,9,2), nicht aber das entsprechende Ulpian-Fragment (D. 47,10,1,5), welches dem Sprichwort sprachlich noch näherkommt. An späterer Stelle zitiert er in ähnlichem Kontext neben derselben Stelle bei Aristoteles anstelle des Paulusfragmentes jedoch das Ulpian-Fragment  ; vgl. Grotius, IPC, cap. VII, fol. 30v [S. 71]. Es liegt daher nahe, dass Grotius im Kontext der regula fidei lediglich deshalb auf einen Verweis auf D. 47,10,1,5 verzichtet, da er sich nicht übermäßig auf die Autorität eines einzelnen Autors stützen möchte und er Ulpian bereits im folgenden Satz für einen weiteren Gedanken in Anspruch nimmt (D. 2,14,1 pr. und D. 13,5,1 pr.). Ähnliche Auffälligkeiten bei der Auswahl von und dem Umgang mit Bibelzitaten in De Iure Praedae hat bereits Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 151–190, insb. S. 175–182  ; Ders., Secularisation, S. 391–437, insb. S. 416–426, nachgewiesen. Vgl. zu Grotius’ grundsätzlicher Sensibilität für die unterschiedlichen philosophischen Schulen zudem Fn. 455. 495 So (ohne Bezug zu der hier untersuchten Passage) Nitschke, Eigentumsfrage, S. 24  ; vgl. auch Kirchmann (Hrsg.), Recht des Krieges und Friedens, Bd. 1, S. 60 Fn. 21, der grundsätzlich die Vermengung verschiedener Völker und Zeiten durch Grotius kritisiert. 496 Blom, Grotius on Trust, S. 83 f.; vgl. ferner (ohne Bezug auf Rawls) auch Boisen, Predestination, S. 228  ; van Gelderen, Arminian Trouble, S. 32  ; Ders., Freedom of Will, S. 50 ; Ders., Hot Protestants, S. 143 f.; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 119  ; van Ittersum, Stoa, S. 62 f.; sowie konkret zu Meletius Blom, Religion, S. 85. 497 Vgl. Rawls, Political Liberalism, S. 144 f. 498 Vgl. dazu S. 355–359. 499 Vgl. auch Grotius, IPC, cap. I, fol. 5r [S. 6 f.]  : Veram igitur nobis viam ⟨ munierunt ⟩ veteres illi Jurisconsulti, quorum nomina reveremur, qui saepissime artem civilem ad ipsos naturae fontes revocant. ⟨ Quod et apud Tullium est  : dicit enim non a praetoris edicto ut tunc plerique ⟨ faciebant  ⟩ neque a XII tabulis, ut superiores, sed penitus ex intima philosophia hauriendam iuris disciplinam. ⟩ In hoc igitur prima esse debet cura  : nec parum tamen ad confirmandam fidem valet, si quod iam nobis naturali ratione persuasum est, sacra auctoritate comprobetur, aut idem videamus sapientibus quondam viris et laudatissimis nationibus placuisse [Hervorh. d. Verf.]. Zugleich kommt hierin, wie Haggenmacher, Grotius, S.  58  f., und tendenziell Blom, Religion, S. 83  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 136, zu Recht betonen, ein Rangverhältnis zum Ausdruck  : Gegenüber dem dominierenden Beweis ex intima philosophia kommt dem Autoritätsbeweis lediglich eine bestätigende Funktion zu.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 121

An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der zuvor wiedergegebene Auszug zur regula fidei unmittelbar an die erst im Folgenden untersuchte Erörterung der libertas500 anschließt, welche hier entgegen der ansonsten verfolgten Methode nicht an der ihr im Primärtext zukommenden Stelle untersucht wird. Insoweit entspricht der Aufbau der Argumentation im Rahmen der regula fidei der bereits bei der lex VI beobachteten Reihenfolge  :501 Zunächst leitet Grotius die entsprechende Norm systematisch her,502 anschließend belegt er sie durch Verweis auf Vertreter unterschiedlicher juristischer und philosophischer Schulen. Vielleicht noch relevanter als die in De Iure Praedae hinzugefügte Begründung der fides ist eine weitere – inhaltliche – Veränderung gegenüber dem Parallelon Rerumpublicarum  : Bereits im Wortlaut der regula fidei, Quod se quisque velle significaverit id in eum ius est, betont Grotius, in Übereinstimmung mit den übrigen regulae  I–VIII,503 die Bedeutung der Willensäußerung gegenüber dem tatsächlichen Willen  : Recht ist nicht, was gewollt ist, sondern was als gewollt geäußert wird (velle significaverit id ius est). Im Rahmen der fides ist dies weniger selbstverständlich als hinsichtlich der übrigen regulae. Nur bei der regula III ist der Rechtsetzende mit dem Adressaten der Bindung identisch. Er kennt den zugrunde liegenden Willen daher anders als im Anwendungsbereich der anderen regulae und kann sich auch ohne Äußerung normgemäß verhalten. Dies ist gerade ein Grund dafür, dass in der Spätscholastik freigiebige Versprechen teilweise auch ohne Äußerung für verbindlich gehalten wurden.504 Im Parallelon Rerumpublicarum postuliert Grotius ausdrücklich, für die fides sei das Verständnis des Antragenden entscheidend, d. h. des Versprechensempfängers, der dieses allerdings vorformuliert hatte (observandum enim esse id, quod mens deferentis concepisset fieri oportere)505. Die regula fidei betrifft jedoch Fälle 500 Vgl. im Text bei Fn. 619 und dazu generell S. 130–150. 501 Vgl. Fn. 458. 502 Diese systematische Herleitung der regula fidei liegt, wie sich zeigen wird, in den Ausführungen zu libertas und dominium sowie deren Begründung im liberum arbitrium, vgl. dazu generell S. 130–150. 503 So auch Haggenmacher, Grotius, S. 364, der aus der Feststellung dieser Gemeinsamkeit (»La huitième regula obéit à la même construction que toutes les autres […] et comporte les mêmes ­verbes significare et velle […]«) jedoch keine Konsequenz zieht und ansonsten ausschließlich auf den Willen abstellt  ; ferner Tierney, Liberty, S. 223  : »All the rules from which Grotius derived his laws were presented as expressions of will«. 504 Vgl. dazu im Text bei Fn. 246. 505 Vgl. im Text bei Fn. 366.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

122 | 

Viertes Kapitel  

einer abstrakten Selbstbindung. Die Willensäußerung wird einzig von dem Erklärenden formuliert und nicht etwa von einem Dritten an diesen herangetragen. Im Gegensatz zu der im Parallelon Rerumpublicarum beschriebenen Situation soll es nunmehr auf den geäußerten – und nicht etwa den tatsächlichen – Willen (des einzigen Beteiligten) ankommen. Dass dies nicht nur der parallelen Darstellung zu den übrigen regulae geschuldet, sondern eine bewusste Anpassung ist, zeigen die folgenden Überlegungen zu Art und Weise der möglichen Willens­ äußerung (significatio voluntatis)  : Voluntatis autem significatio, alia tacita, alia expressa est. Tacita ex signo qualicunque. Expressa ex eo signo, quod singulariter homini Deus eum in usum dedit, sermone scilicet  :a) quod sanctum adeo et inviolabile habetur, ad communicanda bona et hominum inter se voluntates, instrumentum, ut omnium consensu nullum gravius habeatur opprobrium menda­ ciob).506

Aber die Äußerung des Willens ist entweder stillschweigend oder ausdrücklich. Die stillschweigende Äußerung erfolgt durch ein wie auch immer beschaffenes Zeichen. Die ausdrückliche Äußerung erfolgt durch das Zeichen, das Gott einzig den Menschen zu diesem Zweck gegeben hat, nämlich durch die Sprache  :a) Dieses [Zeichen, d. h. die Sprache] wird für ein derart unantastbares und unverletzliches Instrument zur Mitteilung der Wohltaten und des Willens der Menschen untereinander gehalten, dass in Übereinstimmung aller kein Vorwurf für gewichtiger gehalten wird als die Lügeb).

a) Arist. de Rep. 1. c. 2. l. Labeo. §§. 2. ff. de Sup. leg. l. Non figura de ff. de obl. et act. Tho. 2.2. q. 109. art. 3. b) Rom. 1.31.

a) Aristot. pol. 1,2 [1253a14–18]  ; D. 33,10,7 pr. (Celsus libro nono decimo digestorum)  ; D. 44,7,38 (Paulus libro tertio ad edictum)  ; Aquinas, STh IIa–IIae qu. 109 a. 3. b) Rom. 1,31.

Das Mittel für ausdrückliche Willensäußerungen, die Sprache, habe Gott den Menschen als »unantastbares Instrument« zum Zweck der gegenseitigen Mitteilung des Willens gegeben. Ungeachtet dieser religiösen Formulierung erscheint es nicht überzeugend, wenn Nijman hierin die Rückführung der Vertragsbindung auf den Gedanken der Gotteskindschaft des Menschen (in arminianischer Ausprägung) sieht.507 Der Gedanke findet sich vielmehr in ähnlicher Form bereits im Parallelon Rerumpublicarum, welches nahezu ausschließlich auf den Werken Ciceros aufbaut. Ähnlich wie dort folgert Grotius auch hier aus dieser Unantastbarkeit, dass ein entsprechender Verstoß das schlimmstmögliche Verbrechen darstellen bzw. 506 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r–v [S. 18 f.]. 507 Nijman, Imago Dei, S. 99 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 123

dass darin der gewichtigste Vorwurf liegen würde. Ein Vergleich zeigt die bereits im Wortlaut der regula fidei anklingende Bedeutungsverlagerung zur Äußerung des Willens auch im Detail  : Im Parallelon Rerumpublicarum ist es die Vertragsbindung (pacti fides508) oder die Abrede (sancte promiseris  ;509 foedera & pactiones510) selbst, aus deren Unantastbarkeit die Verwerflichkeit der Nicht­ erfüllung (perfidia) folgt. In De Iure Praedae folgt die Verwerflichkeit der Lüge (mendacium) hingegen aus der Unantastbarkeit der Sprache als I n s t r u m e n t z u r Ä u ß e r u n g d e s W i l l e n s .511 Die Beurteilung als Lüge (mendacium) sagt jedoch letztlich ebenso wenig über die damit verbundenen (Rechts-)‌Folgen wie die Qualifikation als Meineid (per­ iurium) im Parallelon Rerumpublicarum. Bedeutet dies nun, dass auch eine Lüge, solange sie objektiv den Eindruck einer Willensäußerung hervorruft, gerade aufgrund der Unantastbarkeit der Sprache gemäß der regula fidei Recht setzt (… velle significaverit id in eum ius est), also verbindlich ist  ? Oder soll die Qualifikation als Lüge dies ausschließen  ? Immerhin erinnert dieser Gedankengang sehr an die entsprechende Argumentation von Thomas von Aquin, der für die Pflicht zur Umsetzung der Äußerung explizit den tatsächlichen Willen verlangt und die Äußerung andernfalls zur (bloßen) Lüge erklärt512.513 Anders formuliert  : Verkehrt Grotius hier sein – allerdings an den Adressaten anknüpfendes – rein subjektives fides-Verständnis des Parallelon Rerumpublicarum in das Gegenteil, sodass selbst die rein objektive Willensäußerung ohne tatsächlich vorliegenden, entsprechenden Willen fides verlangen würde  ? Oder dient der Verweis auf die Lüge dazu, die in der Betonung der significatio voluntatis liegende Abkehr vom rein subjektiven Verständnis 508 Vgl. im Text bei Fn. 343. 509 Vgl. im Text bei Fn. 359. 510 Vgl. im Text bei Fn. 360. 511 Ähnlich auch in – dem parallel zu oder kurz nach der der Vorbereitung von Mare Liberum dienenden Überarbeitung von De Iure Praedae entstandenen – Grotius, Meletius, cap. IV §§ 83– 84  : Verbis quoque sua lex, a vero non deflectere. […] Datus est autem sermo homini a Deo, quo arctior inter homines societas esset, si ipsa etiam mentis concepta alter alteri communicarent. Et semel missa licentia in immensum abit tollitque illud utilissimum rebus humanis, ut homo homini credat. Affine huic praecepto stare promissis. […] Tum vero pactorum fides non homines, sed Deum respicit, qui adeo amat veritatem, ut velit et dici cogitata et dicta fieri. Omnibus igitur hominibus fides servanda est pactorum omnium […] [Hervorh. d. Verf.] Vgl. dazu auch Nijman, Imago Dei, S. 99 f. Fn. 93 f.; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 128 f.; Stumpf, Theology, S. 92. 512 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 110 a. 3 ad 5 [Bd. 9, S. 425]  ; vgl. dazu auch Böttcher, Mentalreservation, S. 137 f., 140  ; Kowalski, causa, S. 174 Fn. 90  ; ferner auch Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 ad 3 [Bd. 9, S. 175]. 513 So auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 127 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

124 | 

Viertes Kapitel  

wieder zu relativieren  ? Im letzteren Fall wäre das objektive Element der significatio zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dafür, fides zu verlangen, da der Scheinerklärung (wie im Parallelon Rerumpublicarum) bereits ausreichend durch die Schmähung als Lüge Rechnung getragen wäre. Schließlich könnte sich der Hinweis auf die Lüge auch darin erschöpfen, als Nachweis für die Unantastbarkeit der Sprache zu dienen, aus der Grotius dann  –  ohne unmittelbaren Bezug zur Lüge  – die Verbindlichkeit der Willensäußerung (significatio voluntatis) herleitet. In diesem Fall würde sich Grotius hier jedenfalls unmittelbar gar nicht zu der Frage äußern, ob die bloße Erklärung ohne tatsächlich vorliegenden Willen zum Entstehen einer Pflicht bzw. dem Erfordernis der fides genüge. Dies würde allerdings nichts daran ändern, dass bereits die Formulierung der regula fidei (… velle significaverit id in eum ius est) selbst zu dieser Vermutung Anlass gibt. Doch spiegelt diese Formulierung lediglich den Wortlaut der übrigen regulae I–VIII wider,514 in deren Anwendungsbereich sich die Frage des Auseinanderfallens des tatsächlichen und des erklärten Willens lediglich für die regulae VI und VII stellen dürfte, da sich der tatsächliche Wille in den anderen Fällen (Gott, Menschheit, Staat, Staatengemeinschaft) nicht feststellen lässt. Interessant ist in diesem Kontext auch der Verweis auf Rom. 1,31. Einerseits handelt es sich dabei in De  Iure Praedae um den e i n z i g e n Bibelverweis im vertragsrechtlichen Kontext, dessen Autorität zudem konfessionsübergreifend unstreitig gewesen sein dürfte,515 andererseits ist dort nicht nur von einer Lüge, sondern konkreter von einem Vertragsbruch die Rede. Bereits für Wesenbeck ist dieser Vers der zentrale theologische Beleg für die naturrechtliche Verbind­ lichkeit sämtlicher Abreden.516 Auch Grotius betont den vertraglichen K ­ ontext dieses Verses in seinem deutlich später verfassten Kommentar zum Neuen Testament.517 Dennoch fehlt es in De  Iure Praedae an einem wörtlichen Zitat, ­geschweige denn einer ausdrücklichen Schlussfolgerung. Eindeutig festzuhalten ist an dieser Stelle lediglich, dass die Äußerung des Willens (significatio voluntatis) anders als noch im Parallelon Rerumpublicarum ausdrücklich eine notwendige Voraussetzung der fides darstellt. Ob diese allein jedoch ausreichend, der tatsächliche Wille also entbehrlich ist und damit auch die (arglistige oder irrtümliche) Scheinerklärung eine Verpflichtung begründet, 514 Vgl. Haggenmacher, Grotius, S. 312, 364, 497  ; Winkel, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 71. 515 Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 65 f., 68–70  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 209. 516 Vgl. Fn. 207. 517 Grotius, ANT, ad Rom. 1,31 [Bd. 6, S. 37]  : Non de intellectus, sed de voluntatis vitiis hic agitur  : et quidem maximis  ; inter quae est perfidia, tum in federibus publicis, tum in contractibus privatis.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 125

kann hier nicht endgültig beantwortet werden. Im Rahmen der Untersuchung der systematischen Herleitung der regula fidei aus der Entscheidungsfreiheit ­(liberum arbitrium) wird erneut auf diese Frage zurückzukommen sein.518 Ein weiterer Unterschied zwischen dem fides-Verständnis in De Iure ­Praedae und demjenigen im Parallelon Rerumpublicarum liegt in der Einstufung als ­regula  : Im Parallelon Rerumpublicarum ist fides zumindest ein – wenn auch fundamentales – e t h i s c h e s Gebot, dessen Missachtung einen gewichtigen Beweis für die Verwerflichkeit der Spanier darstellt. Ob fides darüber hinaus auch ein r e c h t l i c h e s Gebot darstellt, d. h. ob Dritte sich auf die fides berufen – oder sie sogar erzwingen –519 können, ist für die Zwecke des Parallelon Rerumpublicarum unerheblich. Demgegenüber bildet fides in De Iure Praedae den Gegenstand einer regula, vergleichbar mit den übrigen regulae, welche jeweils die Gültigkeit des Naturrechts aus dem Willen Gottes und dem Konsens der Menschen oder das positive Recht aus dem Willen des Staates oder der Magistrate herleiten. Sofern sich nicht aus anderen Gründen eine unterschiedliche Bewertung der einzelnen regulae ergibt, muss aus dieser Stellung in De Iure Praedae eindeutig der recht­ liche Charakter der fides folgen. Allerdings hat Blom auf einen interessanten Unterschied zwischen den ­regulae  I–III einerseits und den regulae  IV–VIII andererseits hingewiesen, der in der bisherigen Literatur nicht beachtet wurde  : Erstere formuliert Grotius im Konjunktiv (significarit  ; significaverit), letztere im Indikativ (significavit, significarunt),520 wobei die regula  VIII zunächst ebenfalls im Konjunktiv formuliert war und erst nachträglich abgeändert wurde521. Damit kommt der regula III eine seltsame Stellung zwischen den ebenfalls im Konjunktiv formulierten, das Naturrecht bildenden522 regulae I–II einerseits und den im Indikativ formulierten, ebenfalls das positive Recht betreffenden regulae IV–VIII andererseits zu. 518 Vgl. S. 130–150, insb. im Text bei Fn. 616 bis einschließlich des auf Fn. 617 folgenden Absatzes. 519 In der Literatur wird die Frage des moralischen oder rechtlichen Charakters der fides teilweise mit der Frage gleichgesetzt, ob dem Gläubiger ein Recht zur Durchsetzung der Verpflichtung zukommt. Zwar ist jede durch einen Dritten durchsetzbare Pflicht rechtlicher Natur, aber nicht jede rechtliche Verpflichtung ist durch Dritte durchsetzbar. Vgl. zur fides als Rechtspflicht in De Iure Praedae S. 125–127  ; zur Durchsetzbarkeit der fides durch Dritte in De Iure Praedae S. 146–150  ; sowie zur Problematik der Unterscheidung zwischen ethischen und rechtlichen Ge- und Ver­ boten im Kontext des Naturrechts S. 38–40, 318–340. 520 Blom, Meaning of Trust, S. 54  ; vgl. auch den Wortlaut der übrigen regulae in den Fn. 480 f. 521 Grotius, IPC, cap. II, fol. 12v [S. 26]  : QUICQUID OMNES RESPUBLICAE SIGNIFICASSENT ⟨ SIGNIFICARUNT ⟩ SE VELLE ID IN OMNES IUS ESSE ⟨ EST ⟩. 522 Vgl. Fn. 484, 575  ; sowie Grotius, IPC, cap. VII, fol. 32v [S. 75]  : [leges] sex primarum alicui, quae sunt Naturae et Gentium leges, ex regula scilicet prima et secunda [oriantur], […].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

126 | 

Viertes Kapitel  

Dem will Blom zunächst entnehmen, dass im Rahmen der regula  III nicht auf den tatsächlich geäußerten Willen abzustellen sei, sondern ebenso wie bei den ersten beiden regulae (intentio creantis  ; consensus omnium) auf einen hypothetischen vernünftigen Willen.523 Zudem werde der Schuldner daraus zwar verpflichtet, allerdings kein Dritter berechtigt.524 Letzteres stützt Blom dabei vor allem auf ein Platon-Zitat, das Grotius unmittelbar vor Einführung der regula III zur Erläuterung der Reichweite der Willensfreiheit heranzieht. Deswegen wird Bloms These an gegebener Stelle noch einmal erörtert werden.525 Zumindest mittelbar scheint Blom auch den rechtlichen Charakter der ­regula III in Frage zu stellen.526 Dies ließe sich kaum mit einem gegensätzlichen Verständnis der regulae IV–VIII vereinbaren  : Ungeachtet des Kontrasts zwischen dem Konjunktiv der regula III und dem Indikativ der regulae IV–VIII leitet Grotius letztere doch eindeutig aus der regula III her.527 In den Ausführungen zu den einzelnen regulae findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass sie sich in ihrer Wirksamkeit in irgendeiner Weise unterscheiden könnten. Gegen eine rein moralische Deutung der regula III sprechen schließlich auch Grotius’ wiederholte Aussagen, wonach ein gerechter Krieg nicht gegen Personen oder unter Umständen geführt werden dürfe, die durch pactio oder konkludent unter fides von den Kriegshandlungen ausgeschlossen wurden.528 Bemüht man Blom, Meaning of Trust, S. 55. Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 598, insb. Fn. 39  ; Ders., Meaning of Trust, S. 55 f. Vgl. S. 145–147. Blom, Grotius on Trust, S. 94, 97 f.; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 595  ; Ders., Meaning of Trust, S. 46, 55 f.; Ders., Socinianism, S. 129 f.; ähnlich auch Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 88, der in dem Verbot den Willen zu Lasten Dritter zu ändern, vgl. im Text bei Fn. 619, ausdrücklich eine moral obligation sieht, ohne dies jedoch weiter zu begründen. 527 Vgl. Fn. 576–578  ; sowie Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 40r [S. 91]  : ad rempublicam ius omne a singulis devenit, collatoque consensu, ut ad regulam tertiam ostendimus [Hervorh. d. Verf.]. Zuvor bezeichnet Grotius Gesetze bereits mit Demosthenes und Platon als pactio communis civitatis, vgl. ebd., cap. II, fol. 11r–v [S. 23]. Die regula III (significaverit) müsste daher zumindest entsprechend auch für Gesetze gelten, die unmittelbar der regula  IV (significavit) unterliegen, mittelbar aber für alle den regulae IV–VIII unterliegenden positiven Rechtssetzungen. Vgl. zur gemeinrechtlichen Tradition des Verständnisses von Gesetzen als vertraglicher Selbstgesetzgebung der Bürger Decock, Contract Law, S. 168 f., insb. Fn. 604  ; ferner auch Grotius, IBP, prolegomena XVI  : […] civilis vero iuris mater est ipsa ex consensu obligatio […]. 528 Zu Recht verweist Haggenmacher, Grotius, S. 369 Fn. 1802, in diesem Kontext auf Grotius, IPC, cap.  VIII, fol.  50v [S.  112]  : Et haec vera sunt, nisi aut personis quibusdam, aut ordini hominum ⟨ aut loco ⟩ sit promissa securitas, pactis aut tacito ⟨ utrumque ⟩ usu, propter fidem scilicet de qua mox agemus. Vgl. aber auch ebd., fol. 51v [S. 116 f.]  : Quod igitur modo diximus iuste geri bellum ab his qui sponte gerunt, quod ⟨ quatenus ⟩ intra ius manet, et intra personas iuri obligatas 523 524 525 526

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 127

die Analogie zwischen gerechtem Krieg und Klage,529 folgt aus der regula  III jeden­falls eindeutig eine Einrede und damit deren rechtliche und nicht bloß ­moralische Bedeutung. Auch Bloms andere Schlussfolgerung aus der Formulierung im Konjunktiv, wonach im Rahmen der regula III nicht auf den tatsächlichen, sondern einen hypothetischen vernünftigen Willen des Schuldners abzustellen sei, erscheint fragwürdig. Selbst wenn man Blom hinsichtlich der Bedeutung des Konjunktivs folgen würde, ließe die Formulierung velle significaverit doch allenfalls die Erforderlichkeit einer tatsächlichen Kundgabe, nicht aber eines tatsächlich gebildeten Willens entfallen. Dann wären allerdings die im unmittelbaren Anschluss an die Etablierung der regula  III folgenden Ausführungen zu Art und Weise der significatio voluntatis530 überflüssig. Unabhängig davon begründet Grotius an späterer Stelle die Möglichkeit zur Verwaltung von oder zum Verzicht auf eigene Sachen nach der regula fidei gerade damit, dass diese dem eigenen Willen unterliegen.531 Diese Begründung wäre nur schwer nachvollziehbar, wenn Grotius einen hypothetischen vernünftigen Willen im Sinn hätte. Deutlich naheliegender ist ein Bezug auf die sogleich zu untersuchende (gerade nicht durch die Vernunft begrenzte) Entscheidungsfreiheit des Eigentümers. Wenngleich die Schlussfolgerungen Bloms folglich nicht geteilt werden können, ist eine andere Erklärung für die Formulierung der regula III im Konjunktiv nicht ersichtlich. Eine tiefere Bedeutung erscheint jedoch auch vor dem Hintergrund fraglich, dass bereits die konjunktivischen Formulierungen der regulae I– III uneinheitlich sind, heißt es doch im Rahmen der regula I significarit und im Rahmen der regulae II–III significaverit. Gibt es aber keinen methodischen Unterschied zwischen den einzelnen regulae, muss aus der Stellung als regula III anders als im Parallelon Rerumpublicarum eindeutig der rechtliche Charakter der fides folgen  : Abreden, genauer Willens­ äußerungen, sind nach der regula III nicht weniger rechtlich verbindlich als etwa staatliches Recht nach den regulae IV–VII.532 interpretationem hanc recipit sive additamentum ET QUATENUS FIDES PERMITTIT [Hervorh. im Orig.]. 529 Vgl. dazu S. 97–99. 530 Vgl. im Text bei Fn. 506. 531 Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 51r [S. 115]  : […] ad regulam tertiam vocamur. Quicquid igitur promisimus, quod quidem in nostra fuit potestate, id cum damno etiam nostro praestare debemus. Neque hoc pugnat cum lege secunda  : Nostro enim arbitrio res nostrae subiacent, earumque dispensatrix est regula quam dixi tertia [Hervorh. d. Verf.]. 532 Vgl. zu der Frage, inwiefern daraus auch ein Recht des Gläubigers folgt, im Text bei Fn. 641–655.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

128 | 

Viertes Kapitel  

Was dies konkret für Verträge oder Abreden bedeutet und welcher Platz der fides neben der zuvor erörterten lex VI, Benefacta repensanda, zukommt, deutet Grotius abschließend zumindest an  : Et ista pactorum origo est. ⟨ quae coniungenda est ut dixi cum lege sexta quam respiciens Simonides iustitiam definivit, verum dicere, et acceptum redderea). Et Platonici saepe iustitiam ἀλήθειαν vocant. Fidelitatem transtulit Apuleiusb). ⟩533

Und dies ist der Ursprung der Abreden (pacta), ⟨ der, wie ich erklärt habe, mit dem sechsten Gesetz verknüpft werden muss, das Simonides berücksichtigte, als er Gerechtigkeit definierte als »Wahres zu sagen und Angenommenes zu vergelten«a). Und die Platoniker nennen die Gerechtigkeit häufig Wahrheit (ἀλήθεια), Apuleiusb) übersetzt dies als Treue (fidelitas). ⟩

a) Plato 1. de Rep. b) De Platone.

a) Plat. rep. 1,5 [331c–d]. b) Apul. Plat. 2,7 [229].

Nachdem Grotius bisher im Kontext der fides nur von der (einseitigen) Willensäußerung (significatio voluntatis) gesprochen hat, die für den sich Äußernden (in eum) Recht setzt, stellt er hier ausdrücklich den Bezug zu Abreden (pacta) her534 und bezeichnet die fides als deren U r s p r u n g (pactorum origo). Insoweit ist hier wohl schon der Kern der in späteren Werken deutlich ausdifferenzierten Lehre verschiedener Versprechensstufen angelegt.535 Dass allein die fides den Ursprung der Abreden bilde, erschien Grotius jedoch offenbar im Rahmen der weiteren Überarbeitung der Passage als zu pauschal. Entsprechend relativierte er diese Feststellung durch den nachträglich ergänzten Hinweis auf den Zusammenhang mit der lex  VI, Benefacta repensanda. Beide Aspekte findet er in der Gerechtigkeitsdefinition des Simonides536 wieder  : Dem533 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10v [S. 19] [Hervorh. im Orig.]. 534 Am Rand des Foliums findet sich zudem die Bezeichnung PACTA an dieser Stelle, genauso wie er an anderer Stelle bei Definitionen verfährt, vgl. etwa Grotius, IPC, cap. II, fol. 5v (IUS NATURAE)  ; ebd., fol. 6r (POSSESSIO ET DOMINIUM)  ; ebd., fol. 6v (IUS GENTIUM PRIMARIUM)  ; ebd., fol. 10r (LIBERTAS ET DOMINIUM)  ; ebd., fol. 10v (RESPUBLICA ET CIVES)  ; ebd., fol. 11r (LEX PROPRIE DICTA)  ; ebd., fol. 11v (IUS CIVILE  ; IUDICIUM)  ; ebd., fol. 12r (MAGIS­ TRATUS)  ; ebd., fol. 12v (IUS GENTIUM SECUNDARIUM)  ; ebd., fol. 14r (BELLUM IUSTUM  ; INIUSTUM  ; PUBLICUM  ; PRIVATUM  ; PRAEDA). Insbesondere im Ursprungstext, bevor Grotius den Einschub zum Verhältnis der regula III und der lex VI ergänzte, entsteht der Eindruck, die Rückführung auf die fides sei das wesentliche Merkmal der pacta. 535 Vgl. Grotius, Theses  LVI, fol.  287r, Theses  3–5, sowie dazu S.  162–169  ; Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 5–13, sowie dazu S. 233–250  ; Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ I 5 – IV 1, sowie dazu S. 303–344. 536 Diesselhorst, Grotius, S. 42 f., insb. Fn. 15, merkt zu der Parallelstelle in De Iure Belli ac Pacis,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fides im Sinne einer Selbstgesetzgebung 

| 129

nach gehöre es einerseits zur Gerechtigkeit, die Wahrheit zu sagen (verum dicere), was Grotius hier offenkundig mit der regula fidei assoziiert,537 andererseits Angenommenes zu vergelten (acceptum reddere), was der lex VI entspricht. Inhaltlich kommt dies der im Parallelon Rerumpublicarum von Cicero übernommenen Beschreibung der Gerechtigkeit nahe, jedem das Seine zu gewähren und die Treue in vertraglichen Angelegenheiten zu halten (tribuendoque suum cuique et rerum contractarum fide)538. Allerdings weist die Definition des Simo­ nides die beiden zentralen Neuerungen in Grotius’ Verständnis von fides und iustitia in De Iure Praedae auf  : Erstere bezieht sich maßgeblich auf den geäußerten Willen des Schuldners (dicere), letztere setzt stets die vorherige Erbringung der Gegenleistung voraus (acceptum). Gerechtigkeit versteht Grotius dabei ebenso wie in der folgenden Gleichsetzung der Begriffe Gerechtigkeit (iustitia), Wahrheit (ἀλήθεια) und Treue (fidelitas) durch die Platoniker und Apuleius sowie generell jenseits des konkreten Kontextes der leges V und VI untechnisch. Wie schon zuvor,539 dienen die Zitate neben der Bemühung der Autorität bzw. des Konsenses dieser Autoren zugleich dazu, abschließend noch einmal den abstrakten Bezug zum Naturrecht zu betonen. Im Detail bleibt das Verhältnis zwischen beiden Normen jedoch unklar. Während in freiwilligen Austauschbeziehungen, dem Anwendungsbereich der lex VI, stets eine zumindest konkludente significatio voluntatis vorliegt, setzt umgekehrt nicht jede Willensäußerung eine Austauschbeziehung voraus. Der Anwendungsbereich der regula III ist daher größer als derjenige der lex VI, schließt diesen jedoch vollständig ein. Die Verbindlichkeit freiwilliger Austauschbeziehungen, die unzweifelhaft den weit überwiegenden Anteil vertraglicher Beziehungen ausmachen, ist somit doppelt begründet. An einseitige Leistungsversprechen, die dem Wortlaut der regula fidei nach ebenso umfasst sein müssten, scheint Grotius hier nicht unmittelbar zu denken. Dafür spricht auch, dass er im »prozessualen« Kapitel  7 ausschließlich die lex  VI als materielle Grundlage für die Durchsetzung einer vertraglichen For-

vgl. im Text bei Fn. 1343, an, dass diese Definition in der von Grotius angeführten Passage (Plat. I. de rep.) nicht von Simonides, sondern Sokrates vorgetragen werde. Zwar ist es richtig, dass Sokrates diese Definition in Plat. rep. 1,5 [331c] aufstellt, doch weist Polemarchos im folgenden Satz [331d] darauf hin, dass es sich dabei um die Definition des Simonides handele. 537 So auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 127, insb. Fn. 19. 538 Vgl. im Text bei Fn. 371. 539 Vgl. Fn. 490 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

130 | 

Viertes Kapitel  

derung (debitum ex contractu  ; condictio ex contractu) bemüht.540 Dass Straumann den Vertragsbegriff in diesem Kontext weit verstehen und auch pacta nuda darunter fassen will, kann nicht überzeugen. Er begründet dies mit Grotius’ (wohlgemerkt n i c h t im Kontext der lex  VI, sondern der regula  III erfolgenden)541 Verweisen auf Cic. off. 1,23 und D. 2,14,1.542 Damit verwischt Straumann gerade den Unterschied zwischen der lex VI und der regula III. Einseitige Leistungsversprechen werden, in Gestalt der Stipulation, erst in dem später zu untersuchenden Brief vom 28.02.‌1616 im Mittelpunkt stehen.543

III. Libertas als dominium actionum suarum Wie bereits angedeutet,544 folgen die Ausführungen zur regula III, Quod se quisque velle significaverit id in eum ius est,545 nicht unmittelbar auf die lex VI, Benefacta repensanda546. Dazwischen finden sich vielmehr die folgenden Ausführungen zur Selbstbestimmung des Menschen, welche zugleich als Begründung für die subjektive Bestimmung des Umfangs der Verbindlichkeit (mensura crediti) im Rahmen der lex VI547 und als systematische Begründung für die regula III548 540 Vgl. Grotius, IPC, cap.  VII, fol.  29v [S.  67  f.]  ; ebd., fol.  30r [S.  70]  ; dazu auch Straumann, Grotius, S. 74–76  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 82 f.; Ders., Roman Law, S. 188–191. Das gilt allerdings nur für ausdrückliche Verweise, die stets auf den dritten Kriegsgrund und damit die lex VI abzielen, während sich jedenfalls ausdrücklich keine Verweise auf die regula III finden. Inhaltlich knüpft Grotius auch dort zumindest einmal anstelle einer auszugleichenden Vermögensverschiebung an eine Fremdtäuschung an, vgl. Fn. 632. Allerdings stützt Grotius sämtliche Kriegsgründe ausdrücklich ausschließlich auf die leges I, II, V und VI, vgl. Fn. 650. 541 Vgl. im Text bei Fn. 485. 542 Straumann, Grotius, S. 76  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 83  ; Ders., Roman Law, S. 190. 543 Vgl. S. 186–214. 544 Vgl. S. 102 f. 545 Vgl. S. 116–130. 546 Vgl. S. 103–116. 547 Vgl. im Text bei Fn. 459 für den vorhergehenden Textabschnitt, in dem Grotius nicht mehr die lex  VI selbst, sondern nur die Bestimmung des Umfangs der daraus entstehenden Pflicht untersucht. Hieran schließt der folgende Text mit einer kausalen Konjunktion an  : Fecit enim […] [Hervorh. d. Verf.], vgl. im Text bei Fn. 549. Hierauf legt Tuck, Natural Rights, insb. S. 60, den Schwerpunkt. 548 Vgl. im Text bei Fn. 485 für den folgenden Textabschnitt, den Grotius mit Hinc illa […] ebenso kausal einleitet. Hierauf legt Blom, Grotius on Trust, S.  93  ; Ders., Meaning of Trust, S.  51  f.; Ders., Socinianism, S. 129 f.; ferner Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 598 f., den Schwerpunkt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 131

fungieren. Schon dass Grotius überhaupt eine Begründung der fides liefert, stellt gegenüber dem Parallelon Rerumpublicarum eine Neuerung dar. Die Art und Weise dieser systematischen Begründung kommt einem Geltungsgrund der beiden Normen und mittelbar der daraus folgenden vertraglichen Verbindlichkeit nahe  : Fecit enim Deus Hominem αὐτεξούσιον liberum, suique iuris, ita ut actiones uniuscuiusque et rerum suarum usus ipsius, non alieno arbitrio subiacerent. Idémque gentium omnium consensu approbatur. […]549

Denn Gott hat den Menschen als Herren seiner selbst (αὐτεξούσιος) geschaffen, frei und seines eigenen Rechts (sui iuris), sodass die Handlungen eines jeden Einzelnen und der Gebrauch seiner Sachen seinem eigenen und nicht einem fremden Ermessen (arbitrium) unterlagen. Und dasselbe wird durch die Übereinstimmung aller Völker bewiesen. […]

Diese und die folgenden Sätze wurden in der Literatur häufig zitiert, bisher aber nur unzureichend durchdrungen. Auf den ideengeschichtlichen Kontext hat allein Nijman hingewiesen  : Grotius knüpft hier an die (scholastische) Lehre vom liberum arbitrium und dem daraus legitimierten dominium actionum suarum bzw. dominium actuum suorum550 an  :551 Sowohl die eigenen Handlungen als auch der Gebrauch der eigenen Sachen552 unterliegen nur dem eigenen Willen. 549 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18] [Hervorh. im Orig.]. 550 Vgl. etwa Aquinas, STh Ia qu. 22 a. 2 ad 5 [Bd. 4, S. 266]  ; ebd., Ia–IIae qu. 1 a. 1 resp. [Bd. 6, S. 6]  ; ebd., qu. 6 a. 2 ad 2 [Bd. 6, S. 58]  ; Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. IV dub. I num. 1 [S. 29]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. IV qu. I a. II De hac [Bd. 2, S. 284]  ; ebd., qu. V a. I His ergo [Bd. 2, S.  308  f.]  ; Vitoria, De  Indis, rel.  I num.  20  ; vgl. auch Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 55 f.; Decock, Contract Law, S. 76–78  ; Ders., TR 77,3/4 (2009), S. 437  ; Ramelow, Wille II, 2–4, in  : HWPh, Bd. 12, Sp. 771–776 m. w. N.; Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 58–60 m. w. N.; Seelmann, Selbstherrschaft, S. 43–48 m. w. N.; Ders.; Vazquez, S. 76–82 m. w. N.; Simmermacher, Molina, S.  67  f., 79, 97, 122  f., 133, 136, 141  f., 219  f.; Tierney, Dominion, S. 179–192  ; Ders., Historical Roots, S. 44–46  ; Ders., Natural Rights, S. 83–89, 268–271  ; Tuck, Natural Rights, S. 24–31, 48–57  ; van der Walt, Eigentumsbegriff, S. 496–498. 551 So bereits zu Recht Nijman, Imago Dei, S. 104 f.; dieser folgend Wauters, Lessius and Grotius, S. 471 f.; Ders., Property, S. 500  ; ferner tendenziell schon Tuck, Natural Rights, S. 60, 62, der unspezifisch von der scholastischen Tradition des späten Mittelalters spricht. 552 In der Literatur ist die Bedeutung von dominium und damit auch von res (vor allem in spätscholastischen Quellen) in diesem Kontext nicht unstreitig, vgl. etwa Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 211 f., 221, 225  ; Otte, Vitoria, S. 41 f.; Seelmann, Vazquez, S. 1–18 m. w. N. und konkret zu Vázquez  : Brett, Liberty, S.  185 Fn.  62, S.  189  ; sowie Seelmann, Vazquez, S.  45–47. Zur Vorsicht mahnen auch Decock, TR 77,3/4 (2009), S. 435 f.; Jansen, Restitution, S. 21, 37. Während es für diese Quellen durchaus gerechtfertigt erscheint, res als jede Art »persönlichkeitsge-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

132 | 

Viertes Kapitel  

Dies schließt er daraus, dass Gott den Menschen αὐτεξούσιος bzw. »frei und sui iuris«553 geschaffen habe. Blom und van Gelderen bemerken insoweit zu Recht, dass Grotius hier »eines seiner liebsten Spiele spielt« und völlig unterschiedliche Konzepte kombiniert  :554 das handlungstheoretische αὐτεξούσιος und das statusrechtliche sui iuris. In dem erhaltenen Manuskript fällt auf, dass der Satzteil liberum, suique ­iuris zunächst unterstrichen war, diese Hervorhebung aber nachträglich wieder gestri­chen worden zu sein scheint. Unterstreichungen dienen Grotius in dem Manuskript generell zur Hervorhebung von wörtlichen Zitaten oder (längeren) eigenen Übersetzungen griechischer oder hebräischer Zitate. Sonstige Hervorhebungen macht er hingegen durch Majuskelschrift kenntlich. Einzelne griechische Begriffe übersetzt er häufig auch ohne jegliche Hervorhebung. Es liegt daher nahe, dass liberum, suique iuris zunächst als (sehr freie) Übersetzung für αὐτεξούσιος vorgesehen war, Grotius von dieser eindeutigen Gleichsetzung jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wieder Abstand nahm oder aufgrund der Kürze auf die Hervorhebung verzichtete. Dieses Vorgehen findet sich auch an bundener Güter« bzw. res (externae) als Vermögensgegenstände jeglicher Art zu verstehen, legt Grotius – zumindest an dieser Stelle – wohl ein gegenständlicheres Verständnis von res zugrunde. Bereits der Wortlaut (rerum suarum usus) spricht dafür, dass nur materielle Güter (res corporales) gemeint sein können. Zuvor erklärt er, dass die Begründung von usus und auch dominium Besitz (possessio) voraussetze, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 6r–v [S. 11]. Auch seine sogleich offenbar werdende Absicht, vom dominium an res auf die libertas an actiones zu schließen (vgl. im Text bei Fn. 582), legt nahe, dass er sich bei dominium und res auf den unstreitigen Kern des Eigentums an Gegenständen beschränken wollte. Zwar fasst Grotius in einer später ersatzlos gestrichenen Passage im Ursprungstext auch (Nutzungs-)‌Rechte (an res omnibus communis) unter den res-Begriff (In rebus etiam iura comprehendere debemus, vgl. ebd., cap. XII, fol. 116v) und in einer späteren Ergänzung an anderer Stelle auch immaterielle Rechte wie den guten Ruf (Res autem intelligenda est non tantum corporalis, sed ius etiam omne atque adeo bona fama), vgl. ebd., cap. VII, fol. 29v [S. 67], doch bilden vertragliche Ansprüche als debita auch dort eigenständige Kategorien neben res. Die gestrichene Passage in Kapitel 12 folgt zudem auf eine deutliche Ausdifferenzierung der Begriffe res und dominium, vgl. ebd., cap. XII, fol. 100v–102v [S. 214–220], etwa Dominium autem facultas non iniusta utendi re communi, die dem Verständnis dieser Begriffe in Kapitel 2 nicht zugrunde gelegt werden kann. 553 Vgl. dazu noch im Text bei Fn. 594–601. 554 Blom, Meaning of Trust, S. 56  ; besonders anschaulich van Gelderen, Hot Protestants, S. 140  : »It is a quintessential Grotian sentence, presented as a profoundly Christian principle, steeped in Greek philosophy, and built on one of Roman Law’s most classic phrases. In Grotius’s lines, the notions of being ‘fully autonomous’, ‘free’ and ‘in one’s own right’ go smoothly hand in hand, though analytically they were quite distinct«  ; ähnlich auch Ders., Arminian trouble, S. 26  ; Ders., Freedom Fighters, S. 162  ; Ders., Freedom of Will, S. 43.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 133

anderen Stellen in dem Manuskript.555 Zudem wäre eine derartige Übersetzung von αὐτεξούσιος nicht ohne Vorlage. Bereits in den Basiliken dient αὐτεξούσιος als Übersetzung für sui iuris.556 Grotius selbst verwendet in seiner deutlich später entstandenen und 1648 postum veröffentlichten lateinischen Übersetzung verschiedener antiker Texte über Schicksal und Notwendigkeit, Philosophorum sententiae de fato et de eo quod in nostra est potestate, für αὐτεξούσιος libertas557, libertas voluntatis558 oder voluntas libera559. Allerdings weist Iurlaro zu Recht darauf hin, dass Grotius den Begriff auch dort um eine rechtliche Dimension erweitert, wenn er έχοντες εξουσίαν (einmalig) als sui iuris560 übersetzt.561 Den statusrechtlichen Hintergrund des Begriffes sui iuris haben van Gelderen und insbesondere Lee zu Recht betont  :562 Im Corpus Iuris Civilis bezeichnet sui iuris in Inst.  1,8 sowie D.  1,6–7 vermögensfähige Freie in Abgrenzung zu Gewaltunterworfenen wie etwa Sklaven oder Hauskindern (alieni iuris oder in aliena potestate). Demgegenüber beschreibt der Ausdruck αὐτεξούσιος bzw. ἑκούσιος in der griechischen Philosophie ursprünglich das freie und rationale Wahlvermögen, d. h. die Fähigkeit, notwendige Handlungen aus eigenem Antrieb vorzunehmen.563 Dementsprechend wird in der Literatur teilweise vermutet, Grotius 555 In den Formulierungen κοινωνική virtus socialis auf fol.  7r sowie πρὸς ἀντίδωρα⟨  hoc est  ⟩ ad remunerandum auf fol. 10r findet sich unter den lateinischen Begriffen ebenfalls eine nachträglich wieder gestrichene Unterstreichung. In beiden Fällen strich Grotius später zudem die gesamte Passage und formulierte diese jeweils auf fol. 8r bzw. fol. 9r–v neu. Dabei verzichtete er auf die Unterstreichungen und im Fall von πρὸς ἀντίδωρα ad remunerandum auch auf die zwischenzeitliche Ergänzung von hoc est. Vgl. für die überarbeiteten Fassungen jeweils im Text bei Fn. 418, 451. 556 Blom, Meaning of Trust, S. 56  ; vgl. etwa B. 28,8,2 (= D. 24,3,2 pr.–1)  ; B. 54,13,2 (= D. 50,12,2,1). 557 Grotius, PSF, S. 344  ; vgl. für eine Gegenüberstellung des griechischen Originals und Grotius’ Übersetzung Orellius (Hrsg.), De Fato, S. 212–214. 558 Grotius, PSF, S. 189, vgl. für eine Gegenüberstellung des griechischen Originals und Grotius’ Übersetzung Orellius (Hrsg.), De Fato, S. 46 f. 559 Grotius, PSF, S. 246, vgl. für eine Gegenüberstellung des griechischen Originals und Grotius’ Übersetzung Orellius (Hrsg.), De Fato, S. 216 f. 560 Grotius, PSF, S. 166  ; vgl. für eine Gegenüberstellung des griechischen Originals und Grotius’ Übersetzung Orellius (Hrsg.), De Fato, S. 14 f. 561 Iurlaro, Grotiana 40 (2019), S. 97 f.; Dies., Rights, S. 248. 562 van Gelderen, Arminian trouble, S. 26 f.; Ders., Freedom Fighters, S. 162 f.; Ders., Freedom of Will, S. 43, 47  ; Ders., Hot Protestants, S. 141  ; D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 374–378  ; diesem folgend auch Blom, Grotius on Trust, S. 93 f.; vgl. zum Zusammenhang zwischen Obligation und statusrechtlicher Freiheit im römischen Recht ferner auch Fn. 1309. 563 Vgl. Frede, Free Will, S.  74  f., 96, 121  ; C.  Horn, Wille  I, in  : HWPh, Bd.  12, Sp.  764  f., 766 m. w. N.; Recknagel, Freier Wille, S. 401 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

134 | 

Viertes Kapitel  

könnte den griechischen Ausdruck unmittelbar von antiken stoischen Autoren wie Epiktet, Alexander von Aphrodisias, Tertullian oder Origenes übernommen haben.564 Tertullian beschreibt dieses handlungstheoretische Wahlvermögen als libera ­arbitrii potestas oder arbitrii libertas, seit Augustinus etabliert sich im ­Lateinischen der Ausdruck liberum arbitrium.565 Der griechische Ausdruck wird auch in späteren Schriften weiterhin verwendet, sei es als Synonym für liberum arbitrium566 oder zur Beschreibung der Allmacht Gottes in Abgrenzung zur Fremdbestimmtheit des Menschen. Grotius selbst übersetzt αὐτεξούσιον in De  Iure Belli ac Pacis in einem 1631 ergänzten Zitat der Constitutiones Clementis V als potestas arbitrii.567 Anknüpfend an die weiterhin geläufige Verwendung vermutet etwa Price, Grotius habe den griechischen Ausdruck unmittelbar von dem Remonstrantenführer Arminius übernommen, da zumindest dessen Lehrer Grynaeus über αὐτεξούσιον geschrieben habe.568 Jedenfalls aber wird der Ausdruck in Grotius’ Briefkorrespondenz mehrfach im Kontext des Prädestinationsstreits verwendet.569 Dass Grotius hier in erster Linie an die Lehre vom liberum arbitrium denkt, deutet auch das Ende des Satzes an.570 Dort verwendet er den lateinischen Aus-

564 van Gelderen, Arminian trouble, S. 26  ; Ders., Hot Protestants, S. 140 (dort nur Epiktet und Origines)  ; etwas vorsichtiger zuletzt Ders., Freedom of Will, S. 46 f., 50 f. 565 Vgl. im Detail C.  Horn, Wille  I, in  : HWPh, Bd.  12, Sp.  764  f., 767  f. m.  w.  N.; ferner Blom, ­Meaning of Trust, S.  56  ; Frede, Free Will, S.  167  f. Für eine kritische Gegenüberstellung des ­liberum arbitrium bei Augustinus und des ἑκούσιος bei Aristoteles auch C.  Horn, ZphF 50,1 (1996), insb. S. 116–119, 121–123. 566 Blom, Meaning of Trust, S. 56. 567 Grotius, IBP, lib. II cap. XX § XLVIII 2. Daneben verwendet Grotius αὐτεξούσιον in De Iure Belli ac Pacis an zwei weiteren Stellen  : In Grotius, IBP, lib. II cap. V § VI, heißt es, Kinder seien (erst) mit Ausscheiden aus dem elterlichen Hausstand in sämtlichen Angelegenheiten αὐτεξούσιος suique iuris, vgl. Fn.  1537. Schließlich erklärt er die Herkunft des Begriffs αὐτεξούσιον ebd., cap. XXI § XII, damit, dass es nichts Persönlicheres als den Willen gebe (meritum […] ex voluntate ortum habens, qua nihil est magis nobis proprium, unde αὐτεξούσιον oritur). 568 Price, αὐτεξούσιον, S. 164 f. 569 So etwa in einem Brief von Gerardus Vossius an Grotius vom 23.10.1614, BW, I, S.  366 (num.  381), oder einem Brief von Johannes Wtenbogaert an Grotius vom 20.07.1629, BW, IV, S. 76 (num. 1412). Beide Briefe sind damit erst deutlich nach Abschluss der Arbeiten an De Iure Praedae verfasst worden. Allerdings lebte Grotius in den Jahren vor der Arbeit an De Iure Praedae (1599–1604) in dem Haus Wtenbogaerts, vgl. Nellen, Grotius, S. 74, 88  ; Ders., Life and Intellectual Development, S. 22. 570 So auch Blom, Meaning of Trust, S. 56.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 135

druck zwar nicht explizit, aber formuliert stattdessen negativ und spricht insoweit von fehlender Fremdbestimmung (ipsius, non alieno arbitrio subiacerent). Dies ist zugleich ein weiteres Indiz dafür, dass Grotius hier ganz bewusst mit der Gleichsetzung des handlungstheoretischen liberum arbitrium und des status­rechtlichen sui iuris spielt  : Die Formulierung (non alieno arbitrio subiacerent) erinnert auffällig an Inst. 1,8 pr.571 und D. 1,6,1 pr.572 (alieno iuri subiectae sunt) – nur dass Grotius ius durch arbitrium ersetzt. Was zunächst (auch ohne unmittelbaren Bezug auf Arminius) nach einer zutiefst theologischen Begründung und Positionierung im Streit um göttliche Prädestination klingt,573 muss auch im Kontext des Systems der dreizehn leges und neun regulae verstanden werden  : Im Rahmen der regula  I setzt Grotius den Willen Gottes bzw. die Intention der Schöpfung (intentio creantis) mit dem ­Naturrecht an sich gleich.574 Wenn Grotius hier im Kontext der Willensfreiheit Bezug auf die göttliche Schöpfung nimmt, ist dies zugleich eine Bezugnahme auf die regula  I. Zuvor hat er bereits die regula II unmittelbar aus der regula I deduziert.575 Später leitet

571 Inst. 1,8 pr.: Sequitur de iure personarum alia divisio. nam quaedam personae sui iuris sunt, quaedam alieno iuri subiectae sunt  : rursus earum quae alieno iuri subiectae sunt, aliae in potestate parentum, aliae in potestate dominorum sunt. videamus itaque de his quae alieno iuri subiectae sunt  : nam si cognoverimus quae istae personae sint, simul intellegemus quae sui iuris sunt. ac prius dispiciamus de his qui in potestate dominorum sunt [Hervorh. d. Verf.]. 572 D.  1,6,1  pr. (Gaius libro primo institutionum)  : De  iure personarum alia divisio sequitur, quod quaedam personae sui iuris sunt, quaedam alieno iuri subiectae sunt. videamus itaque de his, quae alieno iuri subiectae sunt  : nam si cognoverimus quae istae personae sunt, simul intellegemus quae sui iuris sunt. dispiciamus itaque de his, quae in aliena potestate sunt [Hervorh. d. Verf.]. 573 So etwa Price, αὐτεξούσιον, S.  161–164  ; ähnlich auch Boisen, Predestination, S.  224  ; van Gelderen, Arminian trouble, S. 27 f.; Ders., Freedom Fighters, S. 162  ; Ders., Freedom of Will, S.  45, 48 f.; Ders., Hot Protestants, S.  141–143, die jeweils unterstreichen, dass Grotius damit noch über Arminius hinausgehe  ; vgl. ferner (ohne Bezug zu De Iure Praedae) zur Verwendung des Begriffs αὐτεξούσιος in De Iure Belli ac Pacis Fn. 567  ; Recknagel, Freier Wille, S. 399–403, der ebenfalls einen Zusammenhang mit dem Prädestinationsstreit sieht. 574 Vgl. Fn. 480, 484. Diese ultimative Begründung im göttlichen Willen gilt allerdings für sämtliche Rechtsnormen in De Iure Praedae gleichermaßen. Die willentliche Selbstbestimmung und damit die Verbindlichkeit von Verträgen – inklusive der fides – sind nicht in stärkerem Maß oder unmittelbarer religiös legitimiert als etwa ein staatliches Gesetz (regulae IV–V) oder eine Anordnung eines Magistraten (regulae VI–VII). Vgl. auch im Text nach Fn. 580. 575 Grotius, IPC, cap. II, fol. 6v [S. 12]  : ⟨ Placuit autem plerisque hunc ipsum consensum ius naturae secundarium, seu ius gentium primarium appellare ⟩ […] Et sic regula secunda a priori derivatur  : QUOD CONSENSUS HOMINUM VELLE CUNCTOS SIGNIFICAVERIT ID IUS EST [Hervorh. im Orig.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

136 | 

Viertes Kapitel  

er die regula IV,576 und damit mittelbar auch die mit ihr zusammenhängenden r­ egulae V–VII577 sowie die regula VIII aus den regulae I–III her578. Ohne dies ausdrücklich so zu formulieren, erstreckt sich das im ersten K ­ apitel dargelegte Vorhaben, konkrete Normen aus abstrakten Axiomen zu ­deduzieren,579 bereits auf das Verhältnis dieser Axiome, der leges und regulae, zueinander.580 Die regula III führt Grotius zwar nicht ausdrücklich auf eine frühere regula, sondern lediglich auf die unmittelbar zuvor geschilderten, in der Entscheidungsfreiheit begründeten Kategorien libertas und dominium zurück. Indem er diese jedoch der göttlichen Schöpfung entnimmt (Fecit enim Deus Hominem […]) und sie durch die »Übereinstimmung aller Völker« absichert (Idémque gentium 576 Grotius, IPC, cap. II, fol. 11v [S. 23]  : Ex prioribus igitur regulis et ista descendit. QUIDQUID RES­ PUBLICA SE VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES UNIVERSOS IUS EST [Hervorh. im Orig.]. 577 Einzig zur regula V findet sich keine ausdrückliche Herleitung aus den früheren regulae, doch wird deren Zusammenhang mit der regula  IV mehrfach betont. So heißt es etwa zu den regulae VI–VII  : Grotius, IPC, cap. II, fol. 12v [S. 26]  : Vis autem illa mandati regulas constituit duas postremis duabus comparatas, quarum una legislatorum, altera iudicum confirmat auctoritatem. QUOD SE MAGISTRATUS VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES UNIVERSOS IUS EST. Et  : QUOD SE MAGISTRATUS VELLE SIGNIFICAVIT ID IN CIVES SINGULOS IUS EST [Hervorh. im Orig.]. 578 Grotius, IPC, cap. II, fol. 12v [S. 26]  : Hinc est regula imitatrix eius quae fuit quarta cuius ratio, ex tertia et secunda et consequenter ex prima deducitur. QUICQUID OMNES RESPUBLICAE SIGNIFICASSENT ⟨ SIGNIFICARUNT ⟩ SE VELLE ID IN OMNES IUS ESSE ⟨ EST ⟩ [Hervorh. im Orig.]. 579 Grotius, IPC, cap. I, fol. 5r [S. 7]  : Ordo autem instituto hic convenit, ut initio quid universim atque in genere verum sit videamus, idque ipsum contrahamus paulatim ad propositam facti speciem. Sed quemadmodum Mathematici priusquam ipsas demonstrationes aggrediantur, communes quasdam solent notiones de quibus inter omnes facile constat praescribere, ut fixum aliquid sit in quo retro desinat sequentium probatio, ita nos quo fundamentum positum habeamus, cui tuto superstruantur caetera, regulas quasdam et leges maxime generales indicabimus, ⟨ velut anticipationes, ⟩ quas non tam discere aliquis, quam meminisse ⟨ reminisci ⟩ debeat. […] ⟨ SEQUUNTUR DIDASCALICA ⟨ DOGMATICA ⟩ DE DE IURE PRAEDAE. ⟩ [Hervorh. im Orig.]. 580 So schon Scattola, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 98 f.; im Ergebnis auch Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 32 f., die von einer »deduktiven Stufenfolge [der regulae] von Gott über die obersten weltlichen Rechtsinstanzen (reipublicae, magistratus) bis, schließlich, zu den natürlichen Individuen« ausgeht. Allerdings steht diese von Ertz beschriebene Reihenfolge sowohl in eklatantem Widerspruch zu Grotius’ werkübergreifendem Legitimationsverständnis hoheitlicher Gewalt, vgl. etwa zum Verständnis staatlicher Gesetze als Verträge der Bürger untereinander Fn. 527, als auch zum ausdrücklichen Wortlaut der regula IV und VIII, vgl. Fn. 576, 578. Die Selbstgesetzgebung der Individuen stellt gerade das legitimierende Bindeglied zwischen der göttlichen bzw. natürlichen und der staatlichen Gesetzgebung dar  : Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 40r [S. 91]  : […] ita ad rempublicam ius omne a singulis devenit, collatoque consensu, ut ad regulam tertiam ostendimus, […] [Hervorh. d. Verf.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 137

o­ mnium consensu approbatur), bezieht er sich genau auf die beiden Aspekte, die er zuvor zum Gegenstand der regula I (intentio creantis) und regula II (consensus hominum) erklärt hat. Wesentlich für diese aus den ersten beiden regulae hergeleitete (Entscheidungs-)‌ Freiheit ist es, dass die Handlungen und (der Gebrauch der) eigenen Sachen ausschließlich dem Willen des Einzelnen unterliegen (ita ut actiones uniuscuiusque et rerum suarum usus ipsius, non alieno arbitrio subiacerent). Diese Definition führt Grotius in den folgenden Erwägungen zum consensus hominum weiter aus, die zusätzlich mit der Randnotiz LIBERTAS ET DOMINIUM581 versehen sind  : […] Idémque gentium omnium consensu approbatur. Quid enim est aliud naturalis illa libertas, quam id quod cuique libitum est faciendi facultas  ?a) Et quod libertas in actionibus idem est dominium in rebus.b) Unde illud  : Suae quisque rei moderator et arbiterc).582

[…] Und dasselbe wird durch die Übereinstimmung aller Völker bewiesen. Was nämlich ist jene natürliche Freiheit anderes als das, was für jeden auf gefällige Weise die Fähigkeit zu handeln ist  ?a) Und dasselbe, was die Freiheit (libertas) in Bezug auf Handlungen ist, ist das dominium in Bezug auf Sachen.b) Daher [gilt] jenes  : Jeder Einzelne ist Vermittler und Entscheider seiner Angelegenheiten.c)

a) Inst. de Iure per. §. 1. Arist. de Repub. 6. c. 2. b) Vide Vasquius⟨ Vasquium ⟩ contr. ill. c. 17. Arist. Rhet. 1. c. 5. c) l. In mandatis C. mandati.

a) Inst. 1,3  ; Aristot. pol. 6,2 [1317b10–13]. b) Vázquez, Controversiae Illustres, lib. I cap. XVII num. 4–5 [S. 75]  ; Aristot. rhet. 1,5,7 [1361a19–22]. c) C. 4,35,21 (Imperator Constantinus A. Volusiano).

Hier verknüpft Grotius seine beiden methodischen Ansätze, den Beweis ex ­intima philosophia aus der regula II und die Bestätigung durch sapientes viri und laudatissimae nationes.583 Dazu bedient er sich dreier juristischer und theologischer Argumentationstopoi zum dominium, die er zugleich als Konsens aller Völker und Erkenntnis konkreter Autoren darstellt  : Zunächst erklärt Grotius unter Verweis auf die Freiheitsdefinition des ­Florentinus in den Institutionen Justinians, Freiheit (naturalis libertas) sei die Fähigkeit (facultas) gemäß eigener Vorlieben zu handeln. Die Fähigkeit, frei von willentlicher Fremdbestimmung zu handeln, nennt Grotius mit Bezug auf die eigenen Handlungen libertas, mit Bezug auf die eigenen Sachen dominium. 581 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [Hervor. im Orig.]. 582 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18] [Hervorh. im Orig.]. 583 Vgl. zu den beiden Ansätzen Fn. 499.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

138 | 

Viertes Kapitel  

Dabei ist die in der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen fundierte Idee der Vergleichbarkeit von Handlungsfreiheit und dominium keineswegs neu.584 Grotius selbst führt (neben Aristoteles) ausdrücklich Fernando Vázquez585 an, der sich an der entsprechenden Stelle ebenfalls auf die Freiheitsdefinition des Florentinus bezieht,586 inklusive der von Grotius verschwiegenen Parallelstelle in den Digesten587. Vázquez verweist dort aber unter anderem auch auf Gerson und de Soto und setzt sich ausführlich mit der Definition des dominium bei Bartolus auseinander.588 Zumindest vermittelt durch Vázquez dürfte Grotius daher Kenntnis vom weiteren Diskurs zum dominium actionum suarum gehabt haben.589 Grotius’ dritter Beleg für den consensus hominum, das wörtliche Zitat aus C. 4,35,21, findet sich bei Vázquez hingegen nicht  ; wohl aber bei Bartolus, der diese Stelle (nicht aber das Florentinus-Zitat) für das dominium heranzieht590. Es ist daher anzunehmen, dass Grotius’ Kenntnis des mittelalterlichen und spätscholastischen Diskurses zum dominium actionum suarum über die bloße Lektüre von Vázquez’ Controversiae Illustres hinausging. Beide Verweise auf das Corpus Iuris Civilis erscheinen aus heutiger Perspektive unpassend  : Inst.  1,3,1–2 betrifft nicht etwa die Willens- oder Handlungs584 Vgl. dazu etwa Brett, Liberty, S. 10–204, insb. 127–130, 150 f., 158 f., 179–181  ; Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 50, 57–60, 73–76  ; Seelmann, Selbstherrschaft, S. 43–50  ; Ders., Vazquez, insb. S. 72–82  ; Tierney, Natural Rights, insb. S. 86 f., 268–272, Simmermacher, Molina, S. 67–76, 141 f., 152–156  ; Tuck, Natural Rights, S. 27–29, 49–57. 585 Vgl. zu Grotius’ Meinung über Vázquez auch Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 42r [S. 95]  : viri undequaque doctissimi, Connanus, ⟨ Vasquius, ⟩ et Petrus Faber  ; sowie ebd., cap. XII, fol. 110v [S. 236]  : Verum omnem hanc quaestionem diligentissime tractavit Vasquius, decus illud Hispaniae, cuius nec in explorando iure subtilitatem, nec in docendo libertatem umquam desideres. 586 Vázquez, Controversiae Illustres, lib.  I cap.  XVII num.  4–5 [S.  75]  ; vgl. dazu Brett, Liberty, S. 180 f.; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 92 Fn. 5  ; Seelmann, Vazquez, S. 72 f.; Straumann, Grotius, S. 74, 163  ; Ders., Roman Law, S. 181  ; Tuck, Natural Rights, S. 51. 587 D. 1,5,4,1–2 (Florentinus libro nono institutionum). 588 Vázquez, Controversiae Illustres, lib. I cap. XVII num. 6–7 [S. 75 f.]. 589 Nicht überzeugen kann daher die Vermutung von van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 146 Fn. 73, dass Grotius Vázquez erst während der Arbeit an Kapitel 12 gelesen und in den Kapiteln 1–9 nachträglich entsprechende Verweise integriert haben könnte. Auch wenn die Nachweise hier nachträglich ergänzt wurden, paraphrasiert Grotius Inst. 1,3,1–2 (bzw. D. 1,5,4,1–2) und C.  4,35,21 bereits im unveränderten Ausgangstext. Dass er ohne Kenntnis des Diskurses zufällig genau auf die in diesem Kontext zentralen Quellen gestoßen sein sollte, erscheint sehr unwahrscheinlich. 590 Bartolus, In Primam Digesti Novi Partem, ad D. 41,2,17 num. 4  : Quid ergo est dominium  ? Res­ ponde, est ius de re corporali perfecte disponendi, nisi lege prohibeatur. […] Quare dico, perfecte dis­ponendi  ? P. l. In re mandata. C. mand. & quo ad differentiam possessionis, quae est ius insistendi rei  ; vgl. dazu Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 81–83  ; Seelmann, Vazquez, S. 61–63, 82.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 139

freiheit, sondern vielmehr die Rechtsstellung des Freien in Abgrenzung zum ­Sklaven, während C.  4,35,21 Fragen des Auftragsrechts (mandatum) und nicht des d ­ ominium behandelt.591 Im Diskurs zur Bestimmung (und Legitimation) des ­dominium actionum suarum wurden beide Texte von einflussreichen Autoren herangezogen. Dass der Humanist Grotius beide Argumente ungeachtet des (im Fall von C.  4,35,21 sogar aus dem Titel folgenden) eindeutig anderen Kontextes in den Originalquellen übernimmt, mag als Anzeichen seiner methodischen Flexibilität zugunsten weitgehend akzeptierter Argumente dienen592. Allerdings greift er in Florum sparsio ad ius Iustinianeum, seinem 1643 erschienenen Kommentar zum Corpus Iuris Civilis, ausdrücklich auch im Rahmen der statusrechtlichen Abgrenzung zwischen Freien und Sklaven auf dieses willens- und handlungs­basierte Freiheitsverständnis zurück.593 Insofern mag der auf eine konkrete Handlung bezogenen Freiheit und der statusrechtlichen Freiheit für Grotius auch in De Iure Praedae durchaus dasselbe Freiheitsverständnis zugrunde gelegen haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch die (eher freie) Übersetzung594 von αὐτεξούσιος als liberum suique iuris595 an Bedeutung  : In Inst. 1,8 sowie D. 1,6–7 findet sich der Begriff sui iuris mehrfach zur Bezeichnung von vermögens­fähigen Freien in Abgrenzung zu Gewaltunterworfenen (alieni iuris oder in aliena­ 591 So schon Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 81 f.; ferner auch Blom, Grotius on Trust, S. 94. 592 Vgl. dazu auch Grotius, ML, Ad Principes, fol. 4v–5r [S. 14, 16]  : Inter nos et Hispanos haec con­ troversa sunt […] In hac disceptatione ipsis qui inter Hispanos praecipui sunt divini atque humani iuris magistri calculum porrigimus, ipsius denique Hispaniae proprias leges imploramus. Noch deutlicher wird er in der späteren Verteidigung desselben Werkes Grotius, DCQ, fol.  238r [S. 332]  : ut […] et experirer an ab Hispanis obtineri posset ut causam non tantum validissimis argumentis sed et popularium suorum auctoritate jugulatam agerent paulo remissius  : quorum utrumque successu non caruit [Hervorh. d. Verf.]. Beide Aussagen dürften jedenfalls mittelbar auch für De Iure Praedae gelten, dessen zwölftes Kapitel die Vorlage zu Mare Liberum bildet und in dem Grotius ähnliche Ziele verfolgt. Auch ohne Bezug auf diese Aussagen, wollen Borschberg, Vitoria, S. 9, 11, und ähnlich auch Tierney, Natural Rights, S. 316, (wohl zu Recht) eine entsprechende werkübergreifend wiederkehrende rhetorische Figur in Grotius’ Umgang mit spätscholastischer Literatur erkennen, wonach Grotius diese Autoren zumeist nachdrücklich lobt, um ihre Argumente anschließend gegen spanische Interessen anzuführen. 593 Grotius, FSI, ad Inst.  1,3,1 [S.  19–22], insb. Libertas quidem, ex qua etiam liberi vocantur, est naturalis facultas, quod cuique facere libet, nisi si quid vi aut jure prohibetur ad Inst.  1,3,1 [S. 19 f.]  : Libertas generaliter considerata, satis recte dicitur, facultas agendi quod libet. Aristoteles  : ἐλεύθερον καὶ ἴσόν ἐςι τὸ ὄπ ἂν βούλοιο ης ποιεῖν. Libertas & aequalitas est facere quod velis. Sic è contrario Zenoni apud Laërtium  : Δούλέια, στέρησις αὐτοπραγίας. Servitus est status arbitrio suo carentis [Hervorh. im Orig.]. 594 Vgl. dazu im Text bei Fn. 553–560. 595 Vgl. im Text bei Fn. 549.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

140 | 

Viertes Kapitel  

potestate).596 Auch das statusrechtliche Freiheitskonzept kennt allerdings, etwa in Gestalt der adrogatio, eine rechtsgeschäftliche Aufgabe dieser Freiheit.597 Zwar verweist Grotius nicht ausdrücklich auf diese Titel, doch spielt er mit dem Wortlaut von Inst.  1,8  pr. bzw. D.  1,6,1  pr.598 Zudem verweist Vázquez in dem unmittelbar auf die von Grotius paraphrasierte Passage folgenden Satz auf diesen Institutionentitel599. Die eingangs erfolgte Gleichsetzung des handlungstheoretischen αὐτεξούσιος und statusrechtlichen sui iuris bestärkt somit die Vermutung, dass diese beiden Freiheitskonzepte für Grotius nicht grundsätzlich anderer Art waren.600 Sowohl bei Grotius als auch bei Vázquez und Bartolus vor ihm werden diese statusrechtlichen Bezüge jedoch in das größere handlungstheoretische Narrativ des dominium actionum suarum eingebunden.601 Das Konzept des dominium actionum suarum und auch die dafür angeführten Argumente übernimmt Grotius somit aus der theologischen und juristischen Literatur. Neu ist jedoch der Kontext, in dem er diese Idee aufgreift  : Während Vázquez, die von ihm zitierten Autoren und deren geistige Väter dieses Konzept zur (juristischen) Bestimmung und (theologischen) Legitimation des dominium (an Vermögensgegenständen, d. h. res externae) heranziehen,602 bemüht Grotius es zur Legitimation vertraglicher Verbindlichkeit. Es ist nicht länger die aus der Willens- und Entscheidungsfreiheit (liberum arbitrium) gefolgerte tatsächliche Herrschaft über eigene Handlungen, aus der auf eine vergleichbare Herrschaftsgewalt an Vermögensgegenständen geschlossen wird. Grotius schließt vielmehr von der offenbar als unproblematisch empfundenen Legitimation des juristisch 596 Vgl. im Text bei Fn. 562. 597 D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 375. 598 Vgl. dazu im Text bei Fn. 570–572. 599 Vázquez, Controversiae Illustres, lib. I cap. XVII num. 5 [S. 75]  : ubi dicitur libertas est naturalis facultas eius, quod cuique facere libet, nisi quid vi aut iure prohibeatur, dominium enim in rebus habere quid obsecro aliud est, quam eam liberrimam ad libitumque  ; facultatem habere circa illam rem  ? Hinc parentes liberos, quos in potestate habebant, occidere & perdere poterant. l. in suis. ff. de lib. &. posth. Idem in servis. §. in potestate. Instit. de his, qui sunt sui vel alieni iuris. quod hodie innovatum est, ut dd. iuribus. 600 Ähnlich schon Blom, Meaning of Trust, S. 51, 56, der insofern von moralischer Persönlichkeit und Rechtspersönlichkeit (»moral personhood« bzw. »legal personhood«) als zwei von Grotius kombinierte Perspektiven des Freiheitsbegriffs spricht. 601 Dies übersieht D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 376–378, der sein Verständnis einseitig auf den statusrechtlichen Hintergrund stützt, den handlungstheoretischen Topos aber – vielleicht auch durch den Fokus auf Grotius’ römisch-rechtliche Vorlagen – gänzlich ignoriert. 602 Brett, Liberty, S. 13 f., 151  ; Otte, Vitoria, S. 45–52  ; Seelmann, Selbstherrschaft, S. 45, 50, 55  ; Ders., Vazquez, S. 37 f., 77  ; ferner auch Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 214–226  ; Simmermacher, Molina, S. 67 f., 79, 122 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 141

etablierten dominium an Sachen auf ein ähnliches – und damit zumindest potenziell nicht weniger übertragbares – Recht an eigenen Handlungen.603 Dabei war dieser Transfer in den spätscholastischen Vertragslehren eigentlich schon angelegt. De Oñate, de Soto oder Vitoria verstehen Verträge teilweise grundsätzlich als Mittel zur Übertragung von dominium und untersuchen die Wirksamkeit von Verträgen teils vor dem Hintergrund, inwiefern eine derartige Übertragung von dominium möglich sei.604 Allerdings war die Rückführung auf Fragen des dominium kein spezifisch vertragsrechtliches Phänomen, sondern lag vielmehr der gesamten Restitutionslehre zugrunde.605 Der Schluss von dem dominium an eigenen Sachen auf ein vergleichbares Recht an eigenen Handlungen findet sich im Ansatz bereits bei Molina, dessen Werk De Iustitia et Iure Grotius allerdings wohl noch nicht kannte, als er De Iure Praedae verfasste606. Molina nutzt die Vergleichbarkeit von Schenkung und freigiebigem Versprechen dazu, die Verbindlichkeit des freigiebigen Versprechens auf Inst. 2,1,40 und damit auf den W i l l e n d e s E i g e n t ü m e r s zu stützen.607 Auch Grotius führt eben dieses Fragment immer wieder für die Verbindlichkeit formloser Versprechen und Verträge an.608 Allerdings bemüht Molina nicht ausdrücklich die Idee des dominium actionum suarum und behandelt lediglich freigiebige Versprechen. Erst Grotius zieht die Denkfigur des dominium actionum suarum aber unmittelbar zur Begründung der gesamten Vertragslehre heran und kann so das Entstehen der vertraglichen Verbindlichkeit als Frage des Rechtsverzichts (oder der 603 Tendenziell ähnlich schon Darwall, AGPh 94,3 (2012), S. 316, der allerdings die darin liegende Umkehr der Analogie zwischen libertas und dominium nicht bemerkt  : »The ›well-known concept‹ of ›natural liberty‹, is a reference to Fernando Vasquez, but however well established the idea of self-rule was in some form or another, it seems clear that Grotius took the idea of a natural right to govern oneself significantly farther. In Vasquez’s hands, for example, ›natural liberty‹ seems to refer alternatively to a psychological faculty for free choice shared by rational agents, on the one hand, and to a Hohfeldian liberty, that is, to a range of permitted choices that violate no law or obligation, on the other. With Grotius, however, the right to rule oneself evidently includes a Hohfeldian claim right and therefore entails a consequent obligation of others to allow one to do so«. 604 Vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 163–166 m. w. N.; Ders., TR 77,3/4 (2009), S. 457 f. m. w. N.; Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 48 m. w. N. 605 Jansen, Restitution, S.  19  f., 34–38, 44–47  ; konkret zu de  Soto auch Decock, Contract Law, S. 352 f., 370. 606 Jedenfalls findet sich in De Iure Praedae kein einziger Verweis auf Molinas De Iustitia et Iure, vgl. Feenstra, sources, S. 78, und auch in der Liste seiner 1618 konfiszierten Bibliothek taucht es nicht auf, vgl. Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943). 607 Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 266 num. 9 [Sp. 64]  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 247. 608 Vgl. im Text bei Fn. 485, 849, 1343.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

142 | 

Viertes Kapitel  

Rechtsübertragung) interpretieren. Den letzten Schritt, die vertragliche Bindung als Ü b e r t r a g u n g der libertas zu verstehen, geht Grotius in De Iure Praedae noch nicht ausdrücklich.609 Der Vergleich mit dem dominium legt diese Übertragbarkeit der libertas jedoch nahe. Zu Recht sehen sowohl Tuck610 als auch Haggenmacher611 hierin einen zentralen Baustein von Grotius’ späteren Vertragslehren. Indem Grotius das ­dominium actionum suarum wörtlich versteht bzw. den bisherigen Schluss von der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über eigene Handlungen auf die rechtliche Herrschaftsgewalt über Sachen umkehrt, schafft er die Grundlage für ein – in De Iure Praedae noch unspezifisches – rechtlich verselbstständigtes, eigentumsähnliches Recht über die (Nicht-)‌Vornahme einer (fremden) Handlung zu entscheiden. Es dürfte indessen zu weit gehen, dieses erst später ausdifferenzierte Modell der Freiheitsübertragung bereits in De  Iure Praedae hineinzulesen.612 Unmittelbar dienen die Ausführungen zu libertas und dominium zwischen der lex VI und der regula III nur als Begründung für den Ausschluss einer auf die bereits erbrachte Leistung gerichteten Rückforderung und zur Herleitung der regula III. Als rechtfertigenden Kriegsgrund bei Vertragsverletzungen stellt Grotius stets nur auf die lex VI, Benefacta repensanda, ab, nicht aber auf ein vom Schuldner an den Gläubiger übertragenes Recht an der versprochenen Handlung oder die regula III.613 Erforderlich ist damit grundsätzlich die Erbringung der eigenen Leistung ­(benefactum). Dass die Ausführungen zur libertas daran nichts ändern sollen, zeigt sich an dem abschließenden Bezug auf die lex  VI als rechtfertigendem Kriegsgrund  : Zwar wäre es denkbar, die Selbstbindung als Übertragung der ­libertas zu verstehen, die ihrerseits ein zu vergeltendes benefactum darstellt. Die lex VI würde damit zwar weiterhin ein Austauschverhältnis erfordern, nicht aber 609 Nahe kommt Grotius dieser Aussage wohl in einem nachträglichen Einschub zur Erläuterung der staatlichen Gesetze als gemeinschaftliche Selbstbindung der Bürger in Grotius, IPC, cap. II, fol. 11r [S. 22]  : ⟨ Nam in hoc etiam singuli consenserunt. acque ⟨ estque ⟩ illud inter caetera liberae voluntatis munus est posse suam voluntatem in alterius voluntatem conferre.  ⟩ [Hervorh. d. Verf.]. Auch dort spricht er jedoch nur (untechnisch) von einer Zusammenführung, was im Zweipersonenverhältnis wohl der Übertragung entspräche, des Willens (voluntas) und nicht der libertas. 610 Tuck, Natural Rights, S. 60 f.; Ders., Philosophy, S. 176. 611 Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 92 f. 612 So aber Straumann, Grotius, S. 74  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 81 f.; Ders., Roman Law, S. 181  ; tendenziell auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S.  92  f.; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 135, 139 f.; Tuck, Natural Rights, S. 60–63  ; Ders., Philosophy, S. 176 f. 613 Vgl. im Text bei Fn. 540–542.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 143

die Erbringung einer (über die Übertragung der libertas hinausgehenden) Leistung. Dann aber würde die übertragene libertas entweder selbst oder zumindest in Verbindung mit der lex III, Ne quis alterum laedat, bzw. lex IV, Ne quis occupet alteri occupata, einen rechtfertigenden Kriegsgrund darstellen.614 Die lex VI wäre überflüssig. Auf die positive Gestalt des aus der lex  VI folgenden Ausgleichsanspruchs können die Ausführungen über libertas und dominium daher keinen Einfluss haben. In diesem Kontext haben sie allenfalls die negative Funktion, die Rückforderung einer bereits erbrachten Leistung auszuschließen. Abweichend vom gemeinen Recht gesteht Grotius dem zuerst Leistenden kein Reuerecht zu. Dieser kann seine Leistung nicht kondizieren, da er auf sein Recht daran verzichtet hat. Im Ergebnis ist die Einschränkung keinesfalls neu, wohl aber Grotius’ Begründung.615 So wichtig diese Konstruktion für das Verständnis der Rechtsfolge der ­regula  III und der Wechselwirkung zwischen dieser und der lex  VI ist, darf ­darüber nicht die Relevanz für die Voraussetzungen der regula  III übersehen werden  : Die Zurückführung auf die Willensfreiheit des Schuldners relativiert die Objektivierung durch Betonung der significatio im Rahmen der regula III. Fides bedeutet, dass der Erklärende seinen Willen nicht mehr ändern darf,616 weil er nicht länger l­ibertas über die (Nicht-)‌Vornahme der Handlung hat. Die Fähigkeit zum Verzicht auf die libertas –  und damit zur Eingehung der Verbindlichkeit  – folgt aus der grundsätzlichen Entscheidungsfreiheit (liberum arbitrium) des Menschen über seine eigenen Handlungen und kann nur durch eine entsprechende Entscheidung ausgeübt werden. Implizit positioniert sich Grotius somit letztlich also durchaus im Prädestinationsstreit, wie Nijman zu Recht betont, weil seine Argumentation wesentlich auf der Annahme menschlicher Willensfreiheit beruht617.

614 Grotius wendet sich sogar ausdrücklich gegen diese Gleichbehandlung vertraglicher und ding­ licher Ansprüche  : Altera [causa] est, id ob rem suam […] Tertia [causa], quae a plerisque omissa est, ob debitum ex contractu, aut simili ratione. Sed idcirco praeteritum hoc puto a nonnullis quia et quod nobis debetur nostrum dicitur. Sed tamen exprimi satius fuit, vgl. Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 67 f.]. 615 Vgl. Fn. 470. 616 Oder wie er an anderer Stelle formuliert  : der Wille gebunden wird, vgl. Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 51r [S. 116]  : Voluntas autem non federibus tantum et pactis, sed tacitis etiam indiciis astringitur [Hervorh. d. Verf.] [Hamaker liest iudiciis statt indiciis]. 617 Nijman, Imago Dei, S. 92 f., 98, 104–106.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

144 | 

Viertes Kapitel  

Ohne tatsächlichen Bindungswillen kann selbst bei Vorliegen einer significatio voluntatis keine Verbindlichkeit entstehen. Eine Scheinerklärung verpflichtet auch nach der regula fidei grundsätzlich nicht. Im Gegensatz zu den Beispielen im Parallelon Rerumpublicarum umfasst die regula fidei auch Erklärungen ohne konkreten Adressaten, sodass es für Fragen der Auslegung (anders als dort)618 nicht grundsätzlich auf dessen Verständnis ankommen kann. Für den Fall der Beteiligung eines Dritten schließt Grotius jedoch im Rahmen der regula fidei folgende Einschränkung an  : Potest autem mutari voluntas, sed non in fraudem alterius,a) ne scilicet credulitatem cuiusquam lucremur,b) quae nobis utilis aut iucunda, ipsi fere damnosa sit.619

Der Wille kann sich zwar verändern, doch nicht zum Zweck der Täuschung eines anderen,a) damit wir nämlich nicht aus der Gutgläubigkeit (credulitas) eines jeden Gewinn erzielen,b) die für uns nützlich oder angenehm, für den anderen aber für gewöhnlich schädlich wäre.

a) v. l. si pignore ff. de furtis. b) Plato 2. de Rep.

a) D. 47,2,55 (54) (Gaius libro tertio decimo ad edictum provinciale). b) Plat. rep. 2,20 [382b].

Grotius gesteht zu, dass sich der Wille nachträglich ändern kann. Dies sei j­ edoch unzulässig, wenn der andere dadurch getäuscht würde. Es ist also (auch) die signifi­catio voluntatis, die eine nachträgliche Änderung ausschließt, denn nur durch die Kundgabe erlangt der andere überhaupt Kenntnis des Willens, sodass er a­ nschließend durch eine nachträgliche Änderung des Willens getäuscht werden könnte. Im Rahmen der auf diese Passage folgenden Ausführungen zur ­regula fidei kommt der significatio eine derart zentrale Bedeutung zu, dass zunächst sie allein als bindendes Element erscheint.620 Im Kontext der vorhergehenden Ausführungen zur libertas als in der Entscheidungsfreiheit (liberum arbitrium) begründetes, dominium-ähnliches Recht an eigenen Handlungen muss diese Einschätzung korrigiert werden  : Eine vertragliche Bindung erfordert sowohl den tatsächlichen Bindungswillen (zum Zeitpunkt der Abrede) als auch dessen zutreffende Kundgabe.621 618 Vgl. dazu S. 89 f. 619 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18]. 620 Vgl. S. 121–125. 621 Im Umkehrschluss folgt dies exemplarisch auch aus der Begründung, wonach ein unter Furcht (metus) abgegebenes Versprechen nicht unwirksam sei, weil der (freie) Wille davon unberührt bestehen bleibe  : Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 51r [S. 116]  : ita ut nec metus accipienda sit ­excusatio, cum etiam qui mali vitandi causa quicquam promisit negare non possit hoc se quam

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 145

In der ersten Fassung des Manuskripts von De  Iure Praedae schloss sich an dieser Stelle unmittelbar die regula fidei an.622 Im Rahmen einer späteren Überarbeitung623 ergänzte Grotius jedoch folgenden Einschub  : ⟨ Nam etiamsi aliud non adsit incommodum, tamen opinione falli malum est. quod Platoa) dixit. τὸ ἐψευ̑σθαι τη̑ς ἀληθείας κακόν. Huius autem mali iustus nemo alteri causam dabit. ⟩624

⟨ Doch selbst wenn sonst nichts Unangenehmes zugefügt würde, ist es dennoch ein Übel, in der Erwartung getäuscht zu werden  : Dies hat Platona) gesagt  : Es ist ein Übel, die Wahrheiten zu hintergehen (τὸ ἐψευ̑σθαι τη̑ς ἀληθείας κακόν). Aber kein Gerechter wird einem anderen eine Ursache für dieses Übel geben. ⟩

a) de Rep. 3.

a) Plat. rep. 3,19 [413a6].

Diese Passage nutzt Blom als Anknüpfungspunkt für seine werkübergreifende These, fides sei eine nicht erzwingbare Pflicht.625,626 Dem ursprünglichen Kontext des Platon-Zitats entnimmt er, es gehe Grotius bei einer Scheinerklärung letztlich um eine Selbsttäuschung und nicht um eine Täuschung des Versprechens­ empfängers.627 Deswegen, so versteht er den letzten Satz ([…] causam dabit), werde aber niemand e i n e n P r o z e s s a n s t r e n g e n .628 Aus einer Selbst­ täuschung könne ein Dritter schließlich nicht berechtigt werden.629 alterum maluisse. Voluntas igitur hoc modo coacta voluntas est, et adversario significata obligat. Qua in parte Theologorum magis sententiae, quam Iurisperitorum standa ⟨  standum  ⟩ est. Vgl. zu der ­Parallelstelle in De Iure Belli ac Pacis und den spätscholastischen Vorläufern dieser Position Astorri, Contract and Treaties, S. 519 f. Das Argument selbst ist älter und etwa schon in D. 4,2,21,5 (Paulus libro undecimo ad edictum) angelegt. 622 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r. 623 Ebd. 624 Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r [S. 18]. 625 Vgl. Fn. 526. 626 Dies wird jedoch dadurch wieder relativiert, dass er in einem Verstoß gegen fides, zumindest für De Iure Praedae, jedoch ein strafwürdiges Verhalten sieht und sowohl dem Adressaten als auch Dritten ein Recht zu strafen zubilligt, vgl. Blom, Socinianism, S.  130  f. Dagegen spricht, dass Grotius das Recht zu strafen aus der lex V, Malefacta corrigenda, herleitet und die Nichterfüllung eines Vertrages schwerlich ein malefactum darstellen kann, wenn dem Gläubiger dadurch kein Recht entsteht. Vgl. zum Recht zu strafen Blom, ebd., S. 124–137  ; Hinshelwood, Grotiana 38 (2017)  ; Schröder, Trust, S. 124–129  ; Straumann, Grotius, S. 77–81, 191–195  ; Ders., Roman Law, S. 207–220  ; Stumpf, Theology, S. 45 f., 63–68, 95–97, 222–224. 627 Blom, Meaning of Trust, S. 53, 55  ; ferner auch Ders., Grotius on Trust, S. 96  ; Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 599  ; Ders., Religion, S. 101. 628 Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 598  ; Ders., Meaning of Trust, S. 55. 629 Blom, Meaning of Trust, S. 55.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

146 | 

Viertes Kapitel  

Blom ist zuzustimmen, dass der nachträgliche Einschub wohl den Gedankengang schärfen und nicht nur einen weiteren Beleg für bereits vorliegende Gedanken liefern soll630. Zuvor erklärt Grotius, der Wille dürfe sich nicht zum Zweck der Täuschung eines anderen ändern, um nicht aus dessen Leichtgläubigkeit Gewinn zu erzielen. Ursprünglich schloss die regula fidei unmittelbar an diese Aussage an. In Grotius’ eigenem Kontext geht es folglich nur um Fremdtäuschung und Selbstbindung. Hätte er mit der Ergänzung klarstellen wollen, dass auch  –  oder gerade  – die Selbsttäuschung der Grund der regula fidei sei, wäre eher eine ausdrücklichere Klarstellung zu erwarten, als eine in dieser Hinsicht nicht aussagekräftige Aussage aus einer Passage über Selbsttäuschung zu zitieren, zumal er diese, abweichend von seiner üblichen Vorgehensweise, nicht ins Lateinische übersetzt. Im Übrigen zitiert er an späterer Stelle erneut Platon, wenngleich aus einem anderen Werk,631 um die in einem Vertragsbruch liegende F r e m d t ä u s c h u n g als Kriegsgrund zu legitimieren.632 Schließlich verwendet Grotius regelmäßig Zitate ohne Beachtung des ursprünglichen Kontextes,633 sei es, weil dieser für ihn methodisch nicht von Bedeutung ist634 oder weil er sie, wie van Ittersum vermutet,635 möglicherweise nicht aus den Primärquellen, sondern aus der Sekundärliteratur oder eigenständigen Zitatkompilationen636 entnimmt und den ursprünglichen Kontext daher möglicherweise gar nicht kennt oder zumindest in diesem Moment nicht vor Augen hat. Lässt man den Originalkontext des Platon-Zitates unberücksichtigt, deutet nichts darauf hin, dass die ergänzte Passage den Fokus von der Fremd- zur Selbsttäuschung verschieben soll. Vielmehr relativiert sie, wie der einleitende Wortlaut (Nam etiamsi aliud non adsit incommodum) ausdrücklich zeigt, die vorherige Be630 Blom, Meaning of Trust, S. 54. 631 Plat. Alk. 1 [109a–b]. 632 Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 67 f.]  : Tertia [causa], quae a plerisque omissa est, ob debitum ex contractu, aut simili ratione. […] Plato etiam Alcibiade bella geri dixit non modo si quis vi opprimatur, aut expiletur, verum etiam si deceptus fuerit. 633 Vgl. für zwei besonders anschauliche Beispiele, in denen der Originalkontext der Zitate ­Grotius’ Argumentation zuwiderläuft, die Seneca- und Ulpian-Zitate im Text bei Fn.  451 und dazu Fn. 456 f. 634 Vgl. zu Grotius’ Vorgehensweise überblicksartig im Text bei Fn. 667 sowie bei Fn. 1394 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes  ; konkret zu De Iure Belli ac Pacis auch im Text bei Fn. 1627–1638. 635 van Ittersum, Stoa, S. 64  ; Dies., Working Methods, S. 178. 636 Jedenfalls für theologische Quellen sind derartige, von Grotius selbst erstellte Sammlungen von Exzerpten in Manuskriptform erhalten, vgl. Rabbie, Grotius’ library, S. 130 f. m. w. N.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 147

gründung der Bindungswirkung. Im Satz zuvor erklärt Grotius, die Abkehr vom erklärten Willen zur Täuschung des anderen sei unzulässig, weil sie für diesen für gewöhnlich schädlich wäre. Die Ergänzung stellt klar, dass (selbstverständlich)637 bereits die Täuschung an sich ein Übel darstelle, unabhängig davon, ob ein weiterer Schaden eintrete. Dient die Ergänzung aber nur zur Relativierung, verliert ihr letzter Satz (Huius autem mali iustus nemo alteri causam dabit.) an Brisanz. Bisher wurde er meist so verstanden, dass kein Gerechter einem anderen einen Anlass für dieses Übel (des Getäuschtseins) geben würde, d. h. dass kein Gerechter lügen würde. Blom versteht causam dabit hingegen als Anstrengen eines Gerichtsprozesses, den ­alteri als Lügner und den nemo als Dritten  : Aus der (Selbst-)‌Täuschung erhalte ein Dritter (inklusive des Adressaten der unwahren Aussage) kein Recht – fides sei nicht erzwingbar. Wenn Grotius in dem Einschub aber lediglich über Täuschungen spricht, die dem Getäuschten keinen Schaden zufügen, sind beide Deutungen des Satzes zutreffend  : Kein Gerechter soll lügen, unabhängig davon, ob dadurch ein Schaden zugefügt wird. Zugleich kann ein Getäuschter den Täuschenden aber nicht verklagen, wenn ihm dadurch kein Schaden entstanden ist. Für die zweite Deutung gibt es in De Iure Praedae keine weiteren Indizien. Sie entspräche aber der noch zu untersuchenden Differenzierung in De  Iure Belli ac Pacis zwischen der nicht klagbaren Verpflichtung aus pollicitationes – auf die sich Blom für seine These der Nichterzwingbarkeit der fides wohl ebenfalls beruft –638 und der klagbaren Verbindlichkeit aus promissa bzw. zwischen belofte und t­oezegging in der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid.639 Doch scheint Vorsicht dabei geboten, von diesen Werken auf das 10 bis 20 Jahre ältere De Iure Praedae zu schließen. Zwar spricht Grotius, wie erwähnt, nicht ausdrücklich von einer Übertragbarkeit der libertas in De Iure Praedae, doch klingt die an den Gläubiger übertragene libertas möglicherweise sogar in der Rechtsfolge (id in eum ius est) der regula fidei an, wenn man die Herleitung der libertas aus der Tatsache berücksichtigt, dass Gott den Menschen sui iuris geschaffen habe. Dann würde die Willens­äußerung des Schuldners ihn nach der regula III nicht nur als Recht binden, sondern ihm gegenüber ein subjektives Recht begründen. 637 Andernfalls wären die Ausführungen neben der lex  III, NE QUIS ALTERUM LAEDAT, vgl. Fn. 437, überflüssig. 638 Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 598 Fn. 39. 639 Vgl. zur Inleidinge S. 230–250  ; sowie zu De Iure Beli ac Pacis, S. 311–318, 341–344.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

148 | 

Viertes Kapitel  

Das gibt Anlass zu der Frage, welches Verständnis von ius De  Iure Praedae eigentlich zugrunde liegt.640 Wenngleich libertas und dominium noch nicht ausdrücklich als ius bezeichnet werden,641 übersetzt oder assoziiert Grotius den griechischen Begriff für die Willens- und Entscheidungsfreiheit (αὐτεξούσιος) doch mit der Beschreibung sui iuris. Zugleich formuliert die regula III als Rechtsfolge, das als gewollt Geäußerte gelte als ius in eum. Verbirgt sich dahinter vielleicht doch die Idee eines subjektiven Rechts, welches vom Schuldner auf den Gläubiger übertragen werden kann  ? Oder geht es lediglich um eine den Schuldner verpflichtende Norm im Sinne des objektiven Rechts  ? Können die Ausführungen zu libertas und dominium, aber auch Grotius’ generelle Verwendung von ius in De Iure Praedae zur Klärung der bisher aufgeschobenen Frage beitragen, ob die regula III dem Gläubiger ein Recht gewährt oder lediglich den Schuldner bindet, ohne einen Dritten zu berechtigen  ? Straumann zufolge verwendet Grotius ius in De Iure Praedae sowohl zur Bezeichnung objektiver Rechtssätze als auch (in Ansätzen) subjektiver Rechte.642 Konkrete Beispiele für einen subjektiven Gebrauch – in De Iure Praedae – führt er (jenseits einer Assoziation des Begriffes mit römisch-rechtlichen Rechtsbehelfen) jedoch nicht an. Blom erklärt analog zu seiner These, dass fides als eine nicht durchsetzbare Pflicht des Schuldners zu verstehen sei,643 ius könne nicht als anspruchsbegründend für einen Dritten verstanden werden, vielmehr handele es sich dabei um ein »Recht [des Schuldners] gegen sich selbst«644. Diese Deutung des ius in eum als subjektives Recht des Schuldners wird jedoch dadurch relativiert, dass er ius im Kontext sämtlicher regulae stets als »Gesetz« (law), also als objektives Recht, übersetzt.645

640 Diese Frage wirft auch Brett, Hist. J. 45,1 (2002), S. 39 Fn. 33, auf, die sich dagegen wendet, dass ius in Kapitel 2 von De Iure Praedae gemeinhin als »Gesetz« (law) übersetzt werde. Ein Beispiel für eine möglicherweise subjektive Verwendung benennt auch sie nicht (wohl aber für eine untechnische Verwendung im Sinne von »rechtens«). 641 Anders hingegen in den Theses LVI, vgl. dazu im Text bei Fn. 697–701. 642 Straumann, Grotius, S. 58 f.; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 68  ; Ders., Roman Law, S. 160, 164 f., insb. S. 165 Fn. 32. 643 Vgl. dazu S. 125–127 und S. 146–150. 644 Blom, Meaning of Trust, S. 55  : »[…] the ius is private to the author of the expressed will, that is to say that this ius cannot be said to generate claims by third parties […]. A right that one has against oneself, however, cannot be open to remedies by someone else« [Hervorh. im Orig.]. 645 Blom, Meaning of Trust, S. 42, 54  ; ferner auch Ders., Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 598 f.; Ders., Religion, S. 83, 98.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Libertas als dominium actionum suarum 

| 149

Diese Lesart wird auch von Haggenmacher gestützt, der sämtliche regulae als Abfolge »semi-objektiver« Rechtssätze versteht.646 In der Tat stellt sich die Frage eines subjektiven ius-Verständnisses im Anwendungsbereich der anderen regulae mangels eines konkreten Dritten, der als Rechtsinhaber in Frage käme, nicht. Zwar verweist Haggenmacher auf eine einzige, tendenziell subjektive Verwendung von ius am Ende des zweiten Kapitels von De Iure Praedae,647 doch spricht Grotius dort von einem »jemandem zugeführten Recht« (ius ad eum […] perducitur),648 nicht aber von einem »Recht in Bezug auf jemanden« (ius in eum). Diese Passage bildet bezeichnenderweise auch den Ausgangspunkt des Kapitels 7, in dem Grotius die – einer Klage entsprechenden – spezifischen Rechtfertigungsgründe eines gerechten Krieges erörtert.649 Umso auffälliger ist es, dass Grotius dort stets nur auf die leges, nicht aber die regulae zurückgreift,650 obwohl deren Wortlaut ([…] id ius est) dazu prädestiniert wäre. Insofern mag die abstrakte Vorstellung eines subjektiven Rechts zwar bereits in De Iure Praedae angelegt sein,651 doch ist sie in keiner Weise mit den regulae im Allgemeinen oder der regula III und dem Gedanken des dominium actionum suarum im Besonderen verknüpft. Insbesondere findet sich jenseits des Vergleichs zwischen libertas und dominium in De Iure Praedae, anders als in späteren Werken, kein Hinweis darauf, dass erstere übertragbar sei, geschweige denn, dass die regula III auf eben dieser Übertragung beruhe. Stattdessen legt Grotius 646 Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 80  ; diesem folgend Tierney, Natural Rights, S. 324 f.; ähnlich auch Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 143, der ius als Befehl bzw. Verbindlichkeit versteht. 647 Ebd. 648 Grotius, IPC, cap. II, fol. 14r [S. 30]. 649 Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 66 f.]  : Cum igitur bellum iustum iuris sit exsecutio id de quo iusto bello certatur ius sit necesse est  ; mit der Randnotiz [Vide] In fine c[aput]. 2. 650 Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 67]  : Ius autem omne, quod nobis competit ad quatuor leges referri potest primam, secundam, quintam et sextam. Nam tertia et quarta si ad bonum pro­ prium invertantur, a prima et secunda nihil discrepant, sed terminis duntaxat commutantur ⟨ commutatis  ⟩. Septima autem et caeterae omnes ad legem sextam referuntur, adminiculo scilicet regulae tertiae [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. dazu Haggenmacher, Grotius, S. 177 f., 228  ; konkret zu vertraglichen Ansprüchen auch Fn. 540. Die regula III dient demnach nur der Herleitung der weiteren, das positive Recht betreffenden, leges, nicht aber der im Anschluss erörterten rechtfertigenden Kriegsgründe. Ähnlich auch konkret für vertragliche Ansprüche (bei Unkenntnis des Schuldners von der Verbindlichkeit) Grotius, IPC, cap. VII, fol. 31v–32r [S. 73]  : Cum igitur non fac solvendo faciat contra legem sextam, etsi non sponte, mihi tamen eius legis usus negari non debet  : ⟨ quid enim esset iniquius quam alicui ius suum perire ob alterius errorem  ? ⟩ Haec autem ut in legitimis actionibus ita in bello locum habent [Hervor. d. Verf.]. 651 So (wohl zu Recht) Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 83, 116 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

150 | 

Viertes Kapitel  

gerade besonderen Wert auf eine Trennung zwischen vertraglichen und dinglichen Ansprüchen.652 Auch dies spricht dafür, dass er die Durchsetzung einer vertraglichen Verbindlichkeit nicht gestützt auf ein bereits übertragenes Recht (libertas oder dominium) konzipiert. Der Vergleich zwischen libertas und dominium hat eine doppelte Funktion  : Er dient als Ausgangspunkt für die Herleitung der regula III. Zugleich dient er aber auch als Begründung, weshalb ein Anspruch aus der lex VI sich nur auf die Gegenleistung aber nicht auf eine Rückforderung der bereits erbrachten Leistung richtet. Beiden Funktionen wird der Vergleich auch gerecht, wenn darin lediglich die Möglichkeit zum Verzicht auf – nicht aber der Übertragung von – libertas angedeutet werden soll. Diese Deutung vermag auch zu erklären, warum sich Dritte zwar ausdrücklich auf fides berufen können,653 diese jedoch im Rahmen einer kriegerischen Rechtsdurchsetzung unerwähnt bleibt. Auch die Übertragung der libertas als Konstruktion vertraglicher Bindung ist damit in De Iure Praedae zwar bereits angelegt, aber –  und das wird in der bisherigen Literatur größtenteils übersehen –654 noch unreflektiert.655

IV. Schlussbetrachtung Das Konzept des Vertrages in De  Iure Praedae unterscheidet sich in mehreren Punkten von demjenigen im Parallelon Rerumpublicarum  : Zunächst gründet Grotius die vertragliche Bindung nicht mehr ausschließlich in der fides, sondern leitet sie zugleich aus der kompensierenden Gerechtigkeit (iustitia compen­satrix) her. Diese Begründung setzt allerdings die Erbringung der Leistung durch den Gläubiger voraus. Die vertragliche Verbindlichkeit unterscheidet sich unter ­diesem Gesichtspunkt nur dadurch von anderen Restitutionsansprüchen, dass sie nicht die erbrachte Leistung, sondern die Gegenleistung betrifft. Dazu bemüht Grotius das wohl unmittelbar, aber nicht ausschließlich von Vázquez de Menchaca übernommene Konzept des dominium actionum suarum und geht insoweit über die klassische aristotelisch-thomistische Gerechtigkeitslehre hinaus. Grotius verwendet die in der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen 652 Vgl. Fn. 614. 653 Vgl. Fn. 528. 654 Vgl. S. 142. 655 Besonders deutlich zeigt dies der Vergleich mit den Theses LVI, in denen die Thesen 2–4 gerade den Unterschied zwischen Verzicht und Übertragung thematisieren, vgl. dazu S. 159–169.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 151

begründete Vergleichbarkeit von libertas und dominium nicht länger zur Legitimation und Inhaltsbestimmung des dominium, sondern überträgt diese Idee in die Sphäre des Vertragsrechts. Indem er auf diese Weise ein mit dem dominium vergleichbares Recht an der eigenen Leistungshandlung konstruiert, kann er zunächst erklären, weshalb der Restitutionsanspruch des in gegenseitigen Verträgen zuerst Leistenden nicht auf dessen bereits erbrachte Leistung gerichtet ist  : Der Leistende verzichtet durch den Vertragsschluss, spätestens aber durch die Leistungserbringung auf einen Restitutionsanspruch in natura. Daneben ist der Schuldner auch aus der fides zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet. Im Vergleich zum Parallelon Rerumpublicarum betont Grotius jedoch die Bedeutung der Äußerung des Willens und stellt nicht länger ausschließlich auf den tatsächlichen Willen ab, wenngleich dieser auch in De Iure Praedae eine notwendige Voraussetzung der fides bleibt. Aus der Einstufung als regula, dem Verhältnis zu den aus der regula fidei abgeleiteten (das positive Recht begründenden) weiteren regulae und dem letztlich mit De Iure Praedae verfolgten Ziel, ­einen rechtlichen Anspruch auf Kaperung zu begründen, ergibt sich zudem – ­anders als im Parallelon Rerumpublicarum – eindeutig der rechtliche Charakter der fides. Deutet man diese vor dem Hintergrund ihrer Herleitung aus der Passage über libertas und dominium, bedeutet fides Selbstbindung durch Verzicht auf das auch als libertas bezeichnete eigentumsähnliche Recht darauf, die versprochene Handlung zu unterlassen. Zwar liegt es aus heutiger Perspektive und vor dem Hintergrund von Grotius’ späteren Werken nahe, diesen Verlust als Übertragung der libertas des Schuldners an den Versprechensempfänger zu verstehen und diesem somit auch ein Recht an der versprochenen Leistung zuzugestehen. Gegen dieses in der bisherigen Literatur vorherrschende Verständnis spricht jedoch zunächst das Fehlen einer dahingehenden ausdrücklichen Erklärung, die in Anbetracht der darin liegenden Abkehr von bisherigen Vertragsverständnissen zu erwarten wäre und in späteren Werken auch gegeben ist. Vor allem steht diesem Verständnis die Aussage zu Beginn des siebten Kapitels entgegen, wonach sämtliche Rechtfertigungsgründe der kriegerischen Selbsthilfe ausschließlich aus den leges I und II sowie V und VI folgen würden. Dem entspricht, dass Grotius auch konkret im Rahmen des dritten Kriegsgrundes, der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche (debitum ex contractu), unmittelbar nur auf die lex VI, nicht aber die regula III verweist. Dies ist umso bemerkenswerter, als die regulae ja gerade statuieren, was Recht ist (id ius est). Allerdings formulieren die regulae lediglich objektives Recht, gewähren aber anders als die leges keine subjektiven Rechte, wenngleich Grotius dieses Konzept in De Iure Praedae wohl noch nicht bewusst zugrunde gelegt ha-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

152 | 

Viertes Kapitel  

ben dürfte. Dazu passt auch, dass Dritte sich zur Abwehr kriegerischer Handlungen des Schuldners darauf berufen können, also gewissermaßen »Einreden« darauf stützen können. Im Vergleich zum Parallelon Rerumpublicarum verlagert sich der Umfang der Erörterung der iustitia und fides deutlich auf erstere. Bedenkt man den jeweiligen Zweck beider Werke, spricht dies dafür, dass der fides eine verpflichtende, nicht aber eine berechtigende Wirkung zukommt. Anders als im Parallelon Rerum­ publicarum interessiert Grotius in De Iure Praedae nicht mehr primär die Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Schuldners, sondern des Gläubigers. Dort versucht er die Verlässlichkeit und Vertragstreue der Niederländer einerseits und die Unzuverlässigkeit und steten Vertragsbrüche der Spanier andererseits herauszustellen. Hier soll ultimativ die Kaperung eines portugiesischen Handelsschiffes durch die VOC als Durchsetzung eines eigenen Rechts gerechtfertigt werden. Das Verhältnis zwischen iustitia und fides, d. h. der lex VI und der regula III, bleibt dabei in De Iure Praedae letztlich unklar. Zwar erwähnt Grotius mehrfach, dass beide als Ursprung der Verträge und zur Herleitung der weiteren regulae verknüpft werden müssen,656 doch vertieft er diese Erklärungen jeweils nicht weiter. Über den unterschiedlich weiten Anwendungsbereich der beiden Normen scheint sich Grotius in De Iure Praedae noch keine Gedanken gemacht zu haben. Während jedem freiwilligen Austauschverhältnis wohl zumindest konkludente Willensäußerungen zugrunde liegen, müssen letztere nicht notwendigerweise in Austauschverhältnissen abgegeben werden. Im Anwendungsbereich der lex  VI liegt damit stets eine Verpflichtung aus der regula  III vor, während letztere auch allein vorliegen kann. An derartige einseitige Leistungsversprechen hat Grotius in De Iure Praedae offensichtlich noch nicht gedacht. Nach den bisherigen Erkenntnissen wären diese nach der regula  III für den Schuldner verbindlich, würden dem Adressaten jedoch allenfalls etwaige Einreden, aber keine Ansprüche gewähren.

656 Vgl. Fn. 650 sowie im Text bei Fn. 533.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Fünftes Kapitel  : Theses LVI

Vor allem Borschberg657 und Straumann658 haben in den letzten Jahren auf ein nur wenige Folia umfassendes Manuskript hingewiesen, das als B ­ estandteil eines Handschriftenbündels659 gemeinsam mit anderen Manuskripten wie etwa De Iure Praedae nach dem Tod des letzten Nachfahren von Grotius’ ältestem Sohn im Jahr 1864 versteigert wurde660. Erst nach der Auktion wurde ihm der (von Borschberg zu Recht kritisierte)661 Titel Theses sive quaestiones LVI de iure ­hominis in actiones et res suas gegeben.662 Den für diese Untersuchung ­relevanten ersten 16 Thesen wird der Titel jedoch gerecht, wenngleich er das Gesamtbild der 56 Thesen verzerrt. In den Theses LVI hat Borschberg drei Themenkomplexe ausgemacht  : Die Thesen 1–20 betreffen »Gott, die Schöpfung und die Natur des Menschen«, die Thesen 21–45 die Errichtung und Legitimität des Staates sowie Fragen der Souveränität und die Thesen 46–56 schließlich das Widerstandsrecht und den Tyrannenmord.663 Der für diese Untersuchung relevante erste Komplex lässt sich noch weiter untergliedern  : Zunächst statuiert Grotius die Existenz subjektiver Rechte, die Möglichkeit des Rechtsverzichts und ihre Übertragbarkeit (Thesen 1–5). Anschließend erklärt er, niemand könne an Rechtsgütern Dritter eigene Rechte begründen (Thesen  6–7), außer durch Zustimmung (These  8) oder durch den Willen Gottes (These 9). Aus dem Willen Gottes leitet er Rechte und Pflichten 657 Borschberg, Working Paper  ; ferner auch Ders., ZRG (RA) 109 (1992), S. 452. 658 Straumann, Grotius, S. 13, 58 f., 63–66  ; Ders., Grotiana 26–28 (2005–2007)  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 344 f.; Ders., Roman Law, S. 160–168, 181, 222 f. 659 Universitätsbibliothek Leiden, BPL 922  ; für eine Inhaltsübersicht dieses Handschriftenbündels vgl. Borschberg, ZRG (RA) 109 (1992), S. 452–457. 660 Vgl. im Detail zu dieser Auktion und den einzelnen versteigerten Schriften Borschberg, ZRG (RA) 109 (1992), S. 450–452  ; ferner Scholtens / Feenstra, TR 42,3/4 (1974), S. 203, 205 f.; sowie generell zur Überlieferungsgeschichte von Grotius’ Manuskripten van Ittersum, Confiscated Manuscripts, S. 364 f.; Nellen, Grotius, S. 746–748  ; Rabbie, Grotius’ library, S. 130 f. 661 Borschberg, Working Paper, S. 7. 662 Universitätsbibliothek Leiden, BPL 922 I b, Titelblatt der fol. 987–992, zitiert als Theses LVI. Nachträgliche Überarbeitungen des Textes werden nachfolgend wiedergegeben, wobei Ergänzungen durch Winkelklammern gekennzeichnet werden. Durch […] (bzw. […]) kenntlich gemachte Auslassungen entsprechen jeweils einzelnen, nicht zu entziffernden (und nachträglich gestrichenen) Wörtern. Übersetzungen entsprechen der endgültigen Fassung. 663 Borschberg, Working Paper, S. 26.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

154 | 

Fünftes Kapitel

zwischen Eltern und Kindern ab (Thesen 10–13), aus der Zustimmung hingegen vertragliche Schuldverhältnisse – einschließlich der Ehe, für die jedoch aus dem Willen Gottes spezielle Regeln folgen  – (Thesen  14–20). Wenngleich das Vertragsrecht nicht im Zentrum der Theses  LVI steht, lassen sich insbesondere aus den Thesen 1–8 sowie 14–16 wichtige Rückschlüsse auf das ihnen zugrunde liegende Vertragsverständnis ziehen. Von den übrigen untersuchten Werken unterscheiden sich die Theses LVI zunächst durch eine auffällige Abwesenheit von Paraphrasen, Zitaten und Beispielen. Deutlicher als dort zeigt sich hier das systematische und weitgehend deduktive Verhältnis der aneinandergereihten abstrakten Thesen. Die Thesen selbst nehmen dabei die rechte Hälfte der einzelnen Folia ein. In der linken Spalte finden sich zahlreiche Ergänzungen, Erläuterungen, Stichworte und einige Belege, welche jedoch größtenteils offensichtlich erst später hinzugefügt wurden.664 Ein derartiger »Korrekturrand« findet sich in den meisten erhaltenen autographischen Manuskripten von Grotius. Allerdings ist dieser meist deutlich schmaler.665 Neben dem vergleichsweise großen Raum für Ergänzungen legt jedoch vor allem die ungleiche Verteilung der Belege nahe, dass die ­Theses LVI nicht über ein vergleichsweise frühes Bearbeitungsstadium hinausgekommen sind.666 Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau der Theses LVI selbst ein Beleg dafür, dass Grotius’ Aussagen zum Verhältnis zwischen systematischen Argumenten einerseits und Autoritätsargumenten oder historischen Beispielen andererseits667 nicht nur eine inhaltliche Gewichtung darstellen, sondern auch seine eigene Arbeitsweise widerspiegeln  : Systematischen, aufeinander aufbauenden Argumenten kommt nicht nur (nach seinen methodischen Äußerungen) eine größere Überzeugungskraft zu, sie bilden zudem (wie die Theses LVI zeigen) die Struktur seiner Werke. Erst in späteren Arbeitsschritten scheint Grotius Stück für Stück Belege und Zitate zu ergänzen, die die einzelnen Gedanken untermauern und veranschaulichen sollen. 664 Borschberg, Working Paper, S. 8 f., und van Ittersum, Working Methods, S. 170 f., erkennen hierin eine typische Vorgehensweise sowohl Grotius’ als auch seiner Zeitgenossen. 665 In den erhaltenen Handschriften von De Iure Praedae und der Defensio capitis quinti Maris ­Liberi nimmt dieser Bereich jeweils nur knapp ein Viertel der Folia ein. Dasselbe gilt für die den Großteil der übrigen im Handschriftenfaszikel BPL 922 zusammengefassten Manuskripte, mit Ausnahme der Theses LVI sowie der Theses de Societate Publica cum Infidelibus. 666 So auch Borschberg, Working Paper, S. 22 f. 667 Vgl. mit weiteren Verweisen überblicksartig im Text bei Fn.  1394 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes  ; konkret zu De Iure Belli ac Pacis ferner auch bei Fn. 1627–1638.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Das Verhältnis der Theses LVI zu De Iure Praedae 

| 155

I. Das Verhältnis der Theses LVI zu De Iure Praedae Ähnlich wie bei den übrigen auf diesem Wege überlieferten Werken668 gestaltet sich die Datierung der Theses  LVI schwierig. Borschberg gelangt auf Grundlage einer Analyse des Papiers, der Tinte und der zitierten Quellen zu der Ansicht, dass die Thesen entweder in den Jahren 1602 bis 1605 – also parallel zu De Iure Praedae – oder aber 1613 bis 1615 – und damit vergleichsweise kurze Zeit vor dem im folgenden Kapitel untersuchten Brief vom 28.02.‌1616 – entstanden seien,669 neigt jedoch ersterem Zeitraum zu670. Für diese Untersuchung ist die genaue Datierung der Theses LVI nicht unmittelbar von Bedeutung, doch umso entscheidender ist ihr Verhältnis zu De Iure Praedae. Nur wenn beide Werke parallel entstanden sind, wäre es zulässig, die Th ­ eses LVI zur Auslegung von De Iure Praedae heranzuziehen. Eben diese Datierung scheint sich in der Literatur durchgesetzt zu haben671, und so werden beide Werke etwa von Straumann672 als einander ergänzend gelesen. Dabei ist Straumann selbst der wichtige Hinweis zu verdanken, dass den Theses LVI offenbar ein deutlich subjektiveres Verständnis von ius zugrunde liegt als De Iure Praedae,673 weshalb er zunächst von einem späteren Entstehungszeitpunkt der Theses LVI ausging674. Dafür spräche nach Straumann auch die Ablehnung eines Rechts zu strafen (ius puniendi) in den Theses LVI, welche den zwischen 1615 und 1617 entstandenen Defensio fidei ­catholicae de satisfactione Christi und De  Imperio Summarum Potestatum circa Sacra inhaltlich deutlich näher komme als De  Iure Praedae.675 Auch an a­ nderen 668 Vgl. zum Parallelon Rerumpublicarum Fn. 300 sowie S. 76 f.; zu De Iure Praedae Fn. 402. 669 Borschberg, Working Paper, S. 4 f., 22 f., 64 Fn. 188, S. 68 f. Fn. 208. 670 Borschberg, Working Paper, S. 4 Fn. 9. 671 Borschberg, Working Paper, S. 4 f., 22 f.; van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 143  ; Straumann, Grotius, S. 63  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 344, S. 350 Fn. 83  ; Ders.; Roman Law, S. 165. 672 Straumann, Grotius, S. 58–66  ; Ders., Roman Law, S. 166–179. 673 Straumann, Grotius, S. 63–66  ; Ders., Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 350 Fn. 40  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 68, 70  ; Ders., Roman Law, S. 160, S. 165 Fn. 35, S. 166  ; vgl. dazu auch S. 158–164. 674 Straumann, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 350 Fn. 40  ; LHR 27,1 (2009), S. 70 Fn. 63. Sowohl Borschberg, Working Paper, S. 4 Fn. 9, als auch van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 143 Fn. 64, verweisen für diese Datierung zudem auf Straumann, Political Theory 34,3 (2006), S. 344, obwohl Straumann dort bereits von »between 1602 and 1605« spricht und sich ebd., S. 350 Fn. 83, ausdrücklich der Datierung Borschbergs anschließt. Vgl. aber auch Straumann, Roman Law, S. 165 Fn. 35, wo er an dem späteren Zeitraum zumindest als weitere, wenn auch weniger wahrscheinliche Möglichkeit festhält. 675 Straumann, Grotius, S. 82  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 70 Fn. 63  ; Ders., Roman Law, S. 165 Fn. 35.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

156 | 

Fünftes Kapitel

Stellen scheint eine größere inhaltliche und terminologische Nähe zu diesen und anderen nach 1611 entstandenen Werken als zu De Iure Praedae zu bestehen.676 Borschberg677 und van Ittersum678 setzten sich jedoch augenscheinlich mit der Annahme eines zeitgleichen Entstehens von De  Iure Praedae und den Theses LVI durch. Diese Datierung stützt sich maßgeblich auf die Erkenntnis, dass einige Folia beider Werke dieselben Wasserzeichen aufweisen,679 sowie auf die auffällige Abwesenheit spätscholastischer Zitate in den Theses LVI (mit Ausnahme von Vitoria)680. Wie Borschberg selbst bemerkt, mag letzteres jedoch dem offensichtlich sehr frühen Bearbeitungsstadium der Theses  LVI geschuldet sein.681 Auch wenn die übereinstimmenden Wasserzeichen ein starkes Indiz für einen zeitlichen Zusammenhang darstellen, kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass Grotius die beiden Blätter, auf denen er die Theses LVI verfasste, erst einige Jahre nach deren Erwerb nutzte oder diese erst zu einem späteren Zeitpunkt (separat) erwarb682. Jedenfalls dürfen die auffälligen inhaltlichen Unter676 Grotius’ verschiedene Werke weisen regelmäßig Unterschiede in ihrer Terminologie auf, vgl. S.  34. Umso auffälliger ist es, wenn Grotius in den Theses  LVI ebenso wie in De  Imperio Summarum Potestatum circa Sacra und der Defensio capitis quinti Maris Liberi die Kompetenz zum Erlass von Befehlen und Gesetzen als potestas imperii und die beiden Gründe einseitiger Bindung als imperium und consensus bezeichnet. Vgl. etwa die Thesen 6–8, 28, 37–40, 54 einerseits und Grotius, ISP, cap. IV § 6  ; sowie Grotius, DCQ, fol. 250r [S. 347 f.], andererseits. Vgl. für eine auffallend parallele Formulierung in den Theses LVI und der Defensio capitis quinti Maris Liberi Fn. 723. Auch in systematischer Hinsicht bestehen teils deutliche Parallelen zu späteren Werken. Dazu zählt etwa das Verhältnis dinglicher, vertraglicher und deliktischer Ansprüche zueinander, vgl. im Text bei Fn. 743–746, 990–994. 677 Borschberg, Working Paper, S. 4 f., 22 f. 678 van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 142 f., 146 Fn. 73. 679 Borschberg, Theses XI, S. 41 f.; Ders., Working Paper, S. 4 f., 8  ; van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 139 Fn. 54, S. 143, 146 Fn. 73. 680 Borschberg, Working Paper, S. 4 f., 14 f., 21 f., S. 64 Fn. 188, S. 68 f. Fn. 208  ; van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 146 Fn. 73. Vgl. zu Grotius’ Kenntnis von und Umgang mit Vitoria Borschberg, Vitoria, insb. S. 2, 6–7, 11–12, wonach Grotius Vitoria zwar oft zitierte, mit diesem aber zumindest bis 1618 inhaltlich nicht sonderlich vertraut war. 681 Borschberg, Working Paper, S. 22 f. Den frühen Bearbeitungsstand der Theses LVI gesteht auch van Ittersum, Working Methods, S. 170 f., ein, jedoch ohne dies als mögliche Erklärung für die Abwesenheit spätscholastischer Literatur in Erwägung zu ziehen. 682 Zwar betont van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S.  127, 137, 141, zu Recht, dass die Drahtgitter zur Prägung der Wasserzeichen nur begrenzte Zeit genutzt werden konnten und bei jedem Austausch leicht variiert wurden. Doch darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, worauf van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S.  131, 137, 139, selbst hinweist  : Grotius verwendete für De Iure Praedae exakt 24 Blatt dieses Wasserzeichens, eine zu der Zeit übliche Verkaufseinheit für Papier (englisch  : »quire«). Bei den beiden für die Theses LVI verwendeten Blättern scheint es sich um einen Restbestand zu handeln, der keinesfalls zusammen mit

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Das Verhältnis der Theses LVI zu De Iure Praedae 

| 157

schiede zwischen den Theses  LVI und De  Iure Praedae, sowohl hinsichtlich des Rechtsbegriffs als auch des Vertragsverständnisses, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Dies gilt umso mehr, wenn eben diese inhaltlichen Unterschiede andernfalls durch eine ergänzende Heranziehung des jeweils anderen Werkes nivelliert zu werden drohen. Eine separate Untersuchung beider Werke zeigt vielmehr, dass Grotius in den Theses LVI über die in De Iure Praedae entfaltete Lehre zum – in beiden Werken auch als libertas bezeichneten  –683 dominium actionum suarum als Grundlage vertraglicher Verbindlichkeit hinausgeht. Die regula fidei begründet Grotius in De  Iure Praedae mit der Vergleichbarkeit von dominium an actiones und an res.684 Es findet sich jedoch keine konkrete Aussage dazu, ob dies lediglich die Ve r p f l i c h t u n g d e s S c h u l d n e r s aus dem Ve r z i c h t auf das dominium actionum suarum oder darüber hinaus auch eine B e r e c h t i g u n g d e s G l ä u b i g e r s aus der Ü b e r t r a g u n g des dominium actionum suarum bzw. alienae begründet.685 Insbesondere die Ausführungen im Rahmen des »prozessualen« Kapitels  7 sprechen gegen letzteres.686 Demgegenüber findet sich diese wichtige Differenzierung zwischen Rechtsverzicht und Rechtsübertragung ausdrücklich in den Theses  LVI. Es scheint, als habe Grotius in den Theses  LVI nicht nur –  wie bereits von Straumann betont – erstmals ein Verständnis des subjektiven Rechts entwickelt, sondern damit verbunden auch erstmals ein Problembewusstsein für die Durchsetzbarkeit einer vertraglichen Verbindlichkeit durch den Gläubiger. den für De Iure Praedae genutzten Blättern erworben worden sein muss. Im Übrigen sollte nicht vergessen werden, dass auch das fol. 285–286 bildende Blatt der Theses XI dasselbe Wasserzeichen aufweist, vgl. Borschberg, Theses XI, S. 41  ; van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 139 Fn.  54. Hinsichtlich letzterer stimmen Borschberg, ZRG (RA) 109 (1992), S.  474, und van Ittersum, Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 143  ; Dies., Working Methods, S. 170, jedoch überein, dass diese wohl erst nach der ursprünglichen Fassung von De Iure Praedae (d. h. nicht zwangsläufig nach der Mare Liberum vorausgehenden Überarbeitung des zwölften Kapitels) entstanden sein dürften. Es wäre jedoch inkonsequent, allein aufgrund der übereinstimmenden Wasser­ zeichen von einem gleichzeitigen Entstehen von De Iure Praedae und der Theses LVI, nicht aber der Th ­ eses XI auszugehen. 683 Ähnlich wie in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 581, findet sich auch hier neben der These 1, ⟨ Ad bonum suum hominum ⟩ Deus ius habet in ⟨ vitam, corpus, ⟩ actiones et res hominum ⟨ quod ius etiam transferre potest ⟨  ad homini  ⟩, die Randnotiz Libertas. Dominium, vgl. Grotius, ­Theses LVI, fol. 287r. Wenngleich eine mit De Iure Praedae vergleichbare Erläuterung fehlt, liegt es nahe, dass Grotius auch hier das ius in actiones mit libertas und das ius in res mit dominium bezeichnet. 684 Vgl. S. 130–150 sowie Fn. 502, 518, 548. 685 Vgl. S. 142–152. 686 Vgl. S. 147–152.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

158 | 

Fünftes Kapitel

II. Bindung des Schuldners durch Rechtsverzicht (fides) und iustitia Unmittelbar zu Beginn der Theses LVI skizziert Grotius die wesentliche Grundlage der späteren Ausführungen über vertragliche, familienrechtliche und staatsrechtliche Rechtsbeziehungen  : das subjektive Recht. Den darin liegenden Kontrast zu De Iure Praedae und anderen Frühwerken hat bereits Straumann zu Recht betont.687 Die Bedeutung dieses Rechtsbegriffs beschränkt sich jedoch nicht auf Fragen der Datierung. Vielmehr zeigen sich daran auch die Feinheiten des Verbindlichkeitsverständnisses, welches Grotius in den ­Theses  LVI auf Grundlage dieses Rechtsbegriffs entwickelt –  in auffälligem Gegensatz zum pflichtbasierten Vertragsverständnis (der regula III) in De Iure Praedae und noch deutlicher im Parallelon Rerumpublicarum. Diese grundlegende Bedeutung des (subjektiven) Rechtsbegriffs für die Theses LVI insgesamt dürfte nicht zuletzt den Anlass dafür gebildet haben, dem gesamten Manuskript im 19. Jahrhundert den Titel Theses sive quaestiones LVI de iure hominis in actiones et res suas zu geben. Es erscheint daher geboten, auch hier Grotius’ Gliederung zu folgen und als Vorfrage (vertraglicher) Bindung zunächst den in den Thesen  1–3 entfalteten Rechtsbegriff zu untersuchen  : ⟨ Ad bonum ⟨ suum ⟩ homini ⟩ Deus ius habet in ⟨ vitam, corpus, ⟩ actiones et res hominum ⟨ quod ius etiam transferre potest ⟩.688

Gott hat ⟨ zum Wohle des Menschen selbst ⟩ das Recht an ⟨ Leben, Körper, ⟩ Handlungen und Sachen der Menschen ⟨ , welches er auch übertragen kann ⟩.

In der These 1 zeigt sich unmittelbar die subjektive Verwendung von ius  : Das Recht wird nicht von Gott gesetzt (etwa constituit689, praescripsit690 oder ­significarit691), er ist vielmehr der ursprüngliche Inhaber (habet). Zudem kann dieses Recht – jeden687 Straumann, Grotius, S. 58 f.; vgl. auch Fn. 673  ; sowie ferner Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 83, der zwar keine Kenntnis der Theses LVI hatte, aber mit Bezug auf die Defensio capiti quinti Mari Liberi davon spricht, das subjektive Recht sei 1613 vollständig herausgearbeitet, während es 1605, d. h. in De Iure Praedae, lediglich »comme à l’état de bourgeon« implizit vorhanden gewesen sei  ; ähnlich auch Haggenmacher, Grotius, S. 61 f. 688 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 1. 689 Vgl. etwa Grotius, IPC, cap. II, fol. 8r [S. 15] (im Text bei Fn. 435)  ; sowie Ders., IBP, lib. I cap. I §  IX 2, wo ius constitutum bzw. lex constitutum als Synonym für jegliches willentlich gesetzte Recht (ius voluntarium) etabliert wird  ; vgl. dazu ferner Fn. 1595. 690 Vgl. etwa Grotius, ISP, cap. III § 3  ; Ders., IBP, lib. I cap. II § II 2. 691 Vgl. insbesondere die Formulierung der regula I in De Iure Praedae in Fn. 480 sowie der übrigen regulae.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Bindung des Schuldners durch Rechtsverzicht 

| 159

falls von Gott –692 übertragen werden (transferre potest). Ius bezeichnet hier offensichtlich keine Norm oder Gesamtheit von Normen, sondern eine Rechtsposition. Diese Rechtsposition kommt (zumindest in abgeleiteter Form) auch dem ­jeweiligen Menschen zu  : ⟨ Secundum Deum ⟩ Homo naturaliter ius habet in actiones ⟨ passiones ⟩ et res suas tum retinendi tum abdicandi, vitae ⟨ in vitam ⟩ autem et corporis ⟨ corpus ⟩ retinendi tantum. Hoc tamen ius a iure Dei dimanans ab eodem restringitur,a) per legem naturalem et per verbum tum extrinsecum tum intrinsecum, id est Scripturam et Revelationem.693

⟨ Nach Gott ⟩ hat der Mensch naturgemäß ein Recht an seinen Handlungen ⟨ , Neigungen ⟩ und Sachen, diese entweder zu behalten oder sich dieser zu entäußern  ; an Leben und Körper aber nur sie zu behalten. Dieses aus dem Recht Gottes entspringende Recht wird jedoch durch eben dieses beschränkt,a) gemäß dem natürlichen Gesetz und sowohl dem äußeren als auch dem inneren Wort, das heißt gemäß der Bibel und der Offenbarung.

a) Similiter a Deo imperat[ur] Gen. 9.26. et 25.23.

a) Dies wird auch durch Gott geboten, Gen. 9,26 und Gen. 25,23.

Grundsätzlich hat der Mensch ein Recht an seinen Handlungen und Sachen (ius in actiones et res suas). Dieses Recht kann er jedenfalls a u f g e b e n (abdicare). Von einer »Übertragung« ist hier –  im Gegensatz zur These  1  – nicht die Rede.694,695 Gegen eine derart weite Auslegung spricht neben den noch zu untersuchenden Thesen 3 und 4 wohl auch die spätere Einfügung des Rechts an seinen Neigungen (ius in passiones), das sich kaum als übertragbar denken lässt. Dennoch bildet dieses Recht an eigenen Handlungen und Sachen im Folgenden eine wichtige Grundlage vertraglicher Bindung. Zunächst betraf auch die These 1 ausschließlich dieses Recht an Handlungen und Sachen des Menschen. Erst später ergänzte Grotius dort das Recht an ­Leben 692 Die Thesis 1 enthält keine unmittelbare Aussage darüber, ob Menschen dieses Recht (weiter-)‌übertragen können. Subjekt der nachträglichen Ergänzung quod ius etiam transferre potest ist wohl ebenfalls Gott, vgl. im Text bei Fn. 688. Andernfalls wäre in dem Einschub etwa ein aliquis oder quisquam zu erwarten. 693 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 2. 694 So aber Straumann, Grotius, S. 63  ; Ders., LHR 27,1 (2009), S. 70  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 344  ; Ders., Roman Law, S. 166, der abdicare mit »veräussern« bzw. »alienate« übersetzt. 695 Zur Relevanz dieser Unterscheidung vgl. etwa Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 5–6  ; ebd., §§ 10–12  ; Ders., IBP, lib. II cap. XI §§ III–IV 1  ; aber auch Hobbes, De Cive, cap. II §§ III–V sowie § IX [S. 100–102]  ; Ders., Leviathan, cap. XIV, Renouncing a Right what is it, Transferring Right what, Obligation, Duty und Injustice [S. 200–203].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

160 | 

Fünftes Kapitel

und Körper. Bereits älter als diese Ergänzung dürfte die (an De Iure Praedae erinnernde)696 Randnotiz neben der These  1 sein  : Libertas. Dominium.697 Ähnlich wie in De Iure Praedae versteht Grotius wohl auch hier libertas als Recht an den eigenen Handlungen und dominium als Recht an den eigenen Sachen. Im weiteren Verlauf der Theses  LVI verzichtet er allerdings auf beide Begriffe und spricht stattdessen einheitlich von einem Recht an Handlungen und Sachen (ius in a­ ctiones et res suas) als feststehendem Begriff. Auch in De Iure Praedae kommt dieser Gleichbehandlung von Handlungsfreiheit und dinglichen Rechten als Ausgangspunkt der regula fidei zentrale Bedeutung zu. Anders als dort findet sich in den Theses  LVI jedoch kein Verweis auf Vázquez – oder ein anderer ausdrücklicher Hinweis auf die juristische und (spät-) ‌scholas­tische Idee des dominium actionum suarum.698 Dass Grotius diese für De Iure Praedae und die Theses LVI so grundlegende Figur unabhängig von und in Unkenntnis der zeitgenössischen Diskussion zum dominium selbst entwickelt, erst später bei Vázquez auf denselben Gedanken gestoßen und einen entsprechenden Verweis in De Iure Praedae aufgenommen haben könnte, erscheint in Anbetracht fehlender Erläuterungen überaus unwahrscheinlich. Sowohl in De  Iure Praedae als auch in der Randnotiz zur These 1 der Theses LVI hält Grotius die weitgehende Gleichsetzung von dominium und einem Recht an eigenen Handlungen (­ libertas) offenbar für nicht weiter erklärungsbedürftig. Selbst wenn Grotius diese Idee selbstständig und ohne Kenntnis der entsprechenden Literatur entwickelt haben sollte, würde dies die Randnotiz Libertas. Dominium. nicht vollständig erklären. Während die Beschreibung des ius in res suas als dominium vergleichsweise naheliegt,699 drängt sich die Beschreibung des ius in actiones suas als libertas ohne tiefere Kenntnis der Diskussion zum dominium actionum suarum keinesfalls auf700. Naheliegender erscheint es, dass Grotius mit der Diskussion zum dominium actionum suarum vertraut war – wahrscheinlich über Vázquez, denn eine derart weitgehende Gleichbehandlung des Rechts an eigenen Handlungen und des den 696 Vgl. im Text bei Fn. 581. 697 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zu Thesis 1. 698 Vgl. zu libertas und dominium in De Iure Praedae S. 131–142. 699 Vgl. etwa zur Abgrenzung von dominium als ius in rebus privatis et suas gegenüber den iura in rebus alienis bei Doneau Feenstra, dominium, S.  115–118  ; zur Abgrenzung von ius und dominium bei Bartolus und Summenhart Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 211 f., 218 f.; sowie zur Beziehung von dominium und ius bei den Glossatoren und Postglossatoren Tuck, Natural Rights, S. 13–17. Vgl. ferner auch im Text bei Fn. 1506 und dazu Fn. 1505 zu dem 1642 in De Iure Belli ac Pacis ergänzten Verweis auf eine synonyme Verwendung der Begriffe ius und dominium in den Horaz-Scholien. 700 Vgl. Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 82.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Bindung des Schuldners durch Rechtsverzicht 

| 161

römischen Quellen entnommenen dominium findet sich bei seinen Vorgängern noch nicht701. Wenn Grotius Vázquez’ Controversiae Illustres aber eine der wichtigsten Prämissen der Theses LVI entlieh, muss es andere Gründe für die auffällige Abwesenheit entsprechender Verweise geben als Grotius’ Unkenntnis. Abgesehen von einigen Verweisen auf Vitoria enthalten die Theses  LVI ausschließlich antike Quellenbelege, überwiegend aus der Bibel. Insofern erscheint es wahrscheinlicher, dass Grotius konkrete Belege erst in einem späteren Arbeitsschritt ergänzen wollte und nicht zu den Controversiae Illustres kam, bevor er die Arbeit an dem Manuskript einstellte. Dann lässt sich aus der Abwesenheit derartiger Verweise aber kein Rückschluss auf den Entstehungszeitpunkt der Theses LVI ziehen. Neben dieser vor allem für die Datierung relevanten Gleichsetzung der Begriffe libertas und dominium mit ius in actiones et res suas weisen die ersten beiden Thesen aber noch eine weitere bedeutende Randnotiz auf – eine Definition von ius und obligatio  : Ius dicimus quod quis facere utendo iuste agit  : iuste […] ac non civiliter sed simpliciter. Obligationem quod quis omittendo iniuste agit eodem modo.702

Als Recht bezeichnen wir, wenn jemand durch Gebrauch rechtmäßig handelt  : Und zwar rechtmäßig nicht im staatlichen Sinne, sondern schlechthin. Als Pflicht [bezeichnen wir], wenn jemand auf dieselbe Weise durch Unterlassen unrechtmäßig handelt.

Auffällig ist zunächst, dass die obligatio bereits an dieser Stelle –  als Randnotiz zu der ersten oder den ersten beiden Thesen – definiert wird, obwohl diese Definition erst für die dritte These von Bedeutung ist. Offensichtlich sah sich Grotius veranlasst, bereits im Rahmen der Definition von ius auch auf obligatio einzugehen. In der Tat bilden beide Definitionen eine Einheit  : Erstere betrifft die rechtmäßige Vornahme einer Handlung, letztere die unrechtmäßige Unterlassung einer Handlung. Ius versteht Grotius zudem auch in dieser Definition als Berechtigung und damit, wie bereits erwähnt, deutlich subjektiver als etwa in De Iure Praedae. Auch im weiteren Verlauf der Theses LVI bleibt es bei dieser rein subjektiven Verwen701 Vgl. dazu Brett, Liberty, S. 181  ; Seelmann, Vazquez, S. 73, ferner auch S. 46 f., 153 f.; sowie Ders., Selbstherrschaft, insb. S. 50, 53. 702 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 1 oder den Theses 1–2. Die durch […] kenntlich gemachte Auslassung entspricht mehreren, nicht zu entziffernden Wörtern, die Grotius (ebenso wie facere) wohl noch während des ursprünglichen Verfassens der Randnotiz strich.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

162 | 

Fünftes Kapitel

dung. Demgegenüber bezeichnet Grotius objektives Recht, d. h. Normen, in den Theses LVI ausschließlich als lex.703 Die Begriffe ius und obligatio definiert Grotius unter Rückgriff auf das rechtmäßige Handeln (iuste agere). Der Nachsatz erklärt, dass dies nicht civiliter, d. h. wohl im Sinne des staatlichen Rechts, zu verstehen sei, sondern schlechthin. Der ius-Begriff in den Theses LVI weist damit Anlagen der ersten beiden in De Iure Belli ac Pacis ausdifferenzierten Bedeutungen704 auf  : Den Bezug zur Gerechtigkeit in einem untechnischen Sinn705 und die subjektive Berechtigung, die aufgegeben oder übertragen werden kann706. Die dritte und letzte Bedeutung als objektives Recht707 vermeidet er in den Theses LVI hingegen. Der bereits in der gemeinsamen Definition angelegte Zusammenhang zwischen ius und obligatio wird auch in These 3 deutlich  : Lex naturalis simul et Scriptura hanc restrictionem tradunt, ut Homo consensu indicio voluntatis ⟨ alteri ⟩ facto obligetur, et eatenus amittat ius cum in actiones tum in res suas.708

Zugleich überliefern das natürliche Gesetz und die Bibel diese Einschränkung, dass der Mensch durch Zustimmung durch eine ⟨ dem anderen gegenüber ⟩ vorgenommene Angabe des Willens (indicium voluntatis) verpflichtet wird und insoweit das Recht sowohl an seinen Handlungen als auch an seinen Sachen verliert.

Wie schon in These 2 spricht Grotius auch hier lediglich davon, dass der Mensch das Recht an Sachen oder Handlungen, d.  h. libertas bzw. dominium,709 a u f ­ g e b e n kann (abdicare  ; amittere). Dies geschieht durch Kundgabe des ­Willens

703 Straumann, Grotius, S. 63 f.; Ders., Roman Law, S. 166  ; Borschberg, Working Paper, S. 29 Fn. 84  ; vgl. auch lex naturalis in Thesen 2–3, lex dei et naturae in einer Randnotiz zu These 17, lex divina in Thesen 19 und 23  ; ganz ähnlich übrigens Hobbes, Leviathan, cap. XIV, Right of Nature what, Liberty what und A Law of Nature what [S. 198 f.]. 704 Vgl. zu den drei Bedeutungen von ius in De Iure Belli ac Pacis auch S. 330 f.; sowie zu den Bedeutungen in De Iure Praedae, der Defensio capiti quinti Mari Liberi, der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 78–83. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht auch, dass der Rechtsbegriff in den Theses LVI demjenigen in der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis durch die Abgrenzung des objektiven Rechts eigentlich noch ähnlicher ist als demjenigen in Defensio capiti quinti. 705 Grotius, IBP, lib. I cap. I § III. 706 Grotius, IBP, lib. I cap. I §§ IV–VIII. 707 Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX. 708 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 3. 709 Vgl. Fn. 683.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Bindung des Schuldners durch Rechtsverzicht 

| 163

gegenüber einem Dritten (indicio voluntatis alteri facto)710 und bindet den Schuldner, da ihm anschließend die Berechtigung fehlt, anders zu handeln. Das in beiden Thesen dargelegte Verständnis der Selbstbindung durch willentlichen Rechtsverzicht entspricht damit weitgehend der regula III bzw. regula fidei in De Iure Praedae.711 Während in De Iure Praedae eine derartige Differenzierung fehlt, erklärt die These 3 jedoch ausdrücklich, dass die Verpflichtung des Schuldners ausschließlich an dessen Rechtsverzicht anknüpft, nicht aber an eine Berechtigung des Dritten. Zwar können die Theses LVI und De Iure Praedae aufgrund des unklaren Entstehungszeitpunkts der Theses LVI nicht ohne Weiteres als einheitliches Werk verstanden werden, doch ist dies ein weiteres Indiz für das zuvor entwickelte Verständnis712 der regula fidei in De Iure Praedae als nicht drittbegünstigende, lediglich den Schuldner verpflichtende Rechtsnorm. Des Weiteren weist auch die These 3 mehrere beachtenswerte Randnotizen auf. Unmittelbar neben der These heißt es ⟨ altera ⟩ non tantum per factum ⟨ aut […] ⟩ ratione iustitiae ⟨ […] ⟩ sed ex ⟨ altera ⟩ per dictum ratione fidei713 sowie etwas weiter links Duplex obligatio714. Es ist anzunehmen, dass die rechte Randnotiz älter ist und Grotius die Änderung noch vornahm, während er sie schrieb  : Die ursprüngliche Erklärung, die in der These 3 beschriebene Bindung folge »nicht 710 Straumann, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 360  ; Ders., Grotius, S. 64  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 344 f.; Ders., Roman Law, S. 166, bezieht den Einschub alteri auf obligetur und gelangt dadurch zu einem Verständnis der in der These 3 beschriebenen Selbstbindung als relative und nicht absolute Bindung. Entsprechend soll dadurch bereits ein Recht an den Gläubiger übertragen werden. Dieses Verständnis kann jedoch nicht die Aussagen in den Randnotizen zur These 4 sowie in These 16 erklären, wonach dies gerade nicht immer der Fall sei, und berücksichtigt auch den Satzbau in der These 3 nur unzureichend  : Hätte Grotius alteri auf obligetur beziehen wollen, hätte er es unmittelbar vor obligetur eingefügt und nicht mitten in den zusammenhängenden Ausdruck indicio voluntatis facto. Diese Position deutet vielmehr darauf hin, dass alteri sich auf eben diesen zusammenhängenden Ausdruck bezieht und lediglich der Klarstellung dient, dass nicht jede, sondern nur die einem anderen gegenüber getätigte Kundgabe des Willens genügt, sodass also etwa ein stilles Gebet nicht ausreicht. 711 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 10r  : Fecit enim Deus hominem αὐτεξούσιον liberum, suique iuris, ita ut actiones uniuscuiusque et rerum suarum usus ipsius, non alieno arbitrio subiacerent. […] Quid enim est aliud naturalis illa libertas, quam id quod cuique libitum est faciendi facultas  ? Et quod libertas in actionibus idem est dominium in rebus. […] Potest autem mutari voluntas, sed non in fraudem alterius, ne scilicet credulitatem cuiusquam lucremur […] Hinc illa Fidei regula, QUOD SE QUISQUE VELLE SIGNIFICAVERIT ID IN EUM IUS EST [Hervorh. im Orig.]. 712 Vgl. im Text bei Fn. 609, 616 sowie ferner S. 116–130. 713 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 3. Die durch […] kenntlich gemachten Auslassungen entsprechen jeweils einzelnen, nicht zu entziffernden nachträglichen Ergänzungen. 714 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 3.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

164 | 

Fünftes Kapitel

nur aus der Handlung gemäß dem Prinzip der iustitia, sondern auch aus der Aussage gemäß dem Prinzip der fides« (non tantum […], sed […]), ersetzte er durch eine parallele, d.  h. g l e i c h r a n g i g e Begründung (altera […] altera […]) der Bindung aus iustitia und fides. Dies betont auch die zweite Ergänzung  : Duplex obligatio. Die beiden Begründungen (per factum ratione iustitiae und per dictum ratione fidei) führt er in den Thesen 14 und 16 weiter aus, in denen jedoch anders als hier nicht die Verbindlichkeit, sondern die Berechtigung des Gläubigers im Mittelpunkt steht.715 Ihrerseits links neben Duplex obligatio findet sich eine dritte, nur schwer lesbare Randnotiz  : Veritas. in praesentiam in futurumque716. Grotius scheint die in der These  3 beschriebene Bindung an die Angabe des Willens und den entsprechenden Rechtsverlust hier offenbar mit der Tugend der Wahrhaftigkeit zu assoziieren. Diese erschöpft sich demnach n i c h t in der Erklärung (veritas in praesentiam), sondern erstreckt sich auf die Zukunft (veritas in futurum)717. Abgesehen von dieser etwas überraschenden Erstreckung der Wahrhaftigkeit auf die Zukunft,718 zeigen die Randnotizen zur These 3, dass sich Grotius’ Vertragsverständnis trotz des abweichenden Aufbaus gegenüber De  Iure Praedae nicht grundsätzlich verändert hat  : Es gibt zwei unterschiedliche Ursachen (origo  ; ratio) vertraglicher Bindung  : Die an eine Handlung anknüpfende iustitia (compensatrix) und die an eine Aussage (dictum  ; indicium voluntatis  ; significatio voluntatis) anknüpfende fides. In De  Iure Praedae weist Grotius zwar in einem nachträglichen Einschub ausdrücklich darauf hin, dass iustitia und fides miteinander »verbunden« seien,719 doch zieht er als Rechtfertigung (kriegerischer) Selbsthilfe des Gläubigers stets nur erstere heran720. Auch in den Theses  LVI weisen die Randnotizen zur These 3 tendenziell auf eine größere Begründungsbedürftigkeit der fides hin, erklären sie doch zunächst, dass »nicht allein« (non tantum) die iustitia, »sondern darüber hinaus« (sed) auch die fides Grundlage vertraglicher Bindung sei. 715 Vgl. dazu im Text bei Fn. 742, 754. 716 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 3. 717 Vgl. zu den Ursprüngen dieser Vorstellung bei den Kirchenvätern, wonach die Tugend der veritas eine derartige auf die Zukunft gerichtete Pflicht das Gesagte wahrzumachen einschließe, Nanz, Vertragsbegriff, S. 47 f.; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 45 f. 718 Im Parallelon Rerumpublicarum und De Iure Praedae bleibt dies gerade offen, vgl. im Text bei Fn. 366–370 bzw. im Text bei Fn. 506–514, in der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis lehnt Grotius dies ausdrücklich ab, vgl. im Text bei Fn. 1042–1046 bzw. im Text bei Fn. 1401–1405. 719 Vgl. im Text bei Fn. 533. 720 Vgl. S. 129 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung 

| 165

III. Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung (fides) und iustitia Während das den ersten drei Thesen zugrunde liegende Verständnis vertrag­ licher Bindung weitgehend den Ausführungen zu libertas und dominium sowie der regula III in De Iure Praedae entspricht, geht Grotius in den folgenden Thesen darüber hinaus. Dabei erweist sich vor allem die These  4 als entscheidend für das den Theses LVI zugrunde liegende Verständnis von Pflichten bzw. Verbindlichkeiten  : Hinc fit ut quod quis promisit nisi consensu eius cui promisit omittere non possit nullo habito respectu ad factum aliquod antecedens eius cui facta est promissio  : quia etsi respectu ad hominem non tamen proprie homini hoc ius acquiritur sed Deo.a),721

Daher ergibt es sich, dass jemand das, was er versprochen hat, (ohne Rücksicht auf das vorhergehende Verhalten desjenigen, dem das Versprechen gegeben wurde) nur mit Zustimmung dessen, dem er versprochen hat, aufgeben kann  : weil dieses Recht, auch wenn es mit Rücksicht auf den Menschen [aufgegeben wird], [ohne dessen Zustimmung] dennoch nicht als dem Menschen, sondern als Gott eigen erworben wird.a)

a) Prob[atur]. Psal[mus]. 15.4.

a) Wird bewiesen mit Ps. 15,4.

Hierzu scheint die These 5 gewissermaßen einen Annex zu bilden  : Indicium voluntatis et sermone fit, et signis aliis ad indicandum ordinate se habentibus.722

Die Angabe des Willens geschieht sowohl durch die Sprache als auch durch andere Zeichen, welche sich für die Angabe geeignet verhalten.

Angesichts der mehrfachen Negationen und der beiden unterschiedlich formulierten Bedingungen erscheint die These 4 ungewöhnlich kompliziert. Die vergleichsweise große Anzahl wiederholt überarbeiteter Randnotizen zeigt zudem, dass auch Grotius selbst mit der Schärfung dieses Gedankens Schwierigkeiten hatte. Die eigentliche These besagt, dass, ungeachtet des vorherigen Verhaltens des Versprechensempfängers,723 außer mit dessen consensus kein Recht aufgegeben werden könne. 721 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 4 [Hervorh. im Orig.]. 722 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 5. 723 Hinter dieser Einschränkung verbirgt sich, wie sich sogleich zeigen wird, ein alternativer Mechanismus zur Begründung von Verbindlichkeiten und Rechten. Vgl. auch eine auffallend ähnliche

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

166 | 

Fünftes Kapitel

Dem entnimmt Straumann, dass Grotius die Rechtsübertragung in den ­ eses LVI den römischen Konsensualverträgen nachgebildet habe und eine formTh lose Willensübereinstimmung der Parteien (consensus) zur Rechtsübertragung zwar erforderlich, aber auch ausreichend sei.724 Dass mit consensus jedoch nicht die Willensübereinstimmung mehrerer Parteien im Sinne römischer Konsensualverträge gemeint sein kann, zeigt sich unmittelbar an der Formulierung consensu eius cui promisit. Daneben kann diese Deutung auch nicht den Einschub nullo habito respectu ad factum aliquod antecedens eius cui facta est promissio erklären. Die Bedeutung der These  4 erschließt sich in ihrem unmittelbaren Kontext, insbesondere vor dem Hintergrund der These 3 und deren Randnotizen,725 aber auch den noch zu untersuchenden Thesen 14726 und 16727  : Demnach existieren zwei Ursachen für Verbindlichkeiten  : iustitia und fides. Erstere setzt ein Austauschverhältnis und konkret eine Leistungserbringung der anderen Partei voraus. Diese klammert Grotius in der These 4 aus (nullo habito respectu…). Für die andere Ursache von Verbindlichkeiten (fides) schränkt er die These  3 ein  : Die bloße Angabe des Willens (indicium voluntatis) genügt nicht für einen Rechtsverzicht. Es bedarf zusätzlich der Zustimmung des Adressaten (non possit […] nisi consensu eius cui promisit).728 Entgegen der Auffassung Straumanns basiert das Vertragsverständnis der (dritten und) vierten These gerade nicht auf dem römischen Konsensualvertrag, sondern auf dem e i n s e i t i g e n Ve r s p r e c h e n . In diesem Kontext nimmt Grotius in der These  4 Stellung zu dem (umstrittenen)729 Problem der A n n a h m e ­b e d ü r f t i g k e i t des (freigiebigen) einseitigen Versprechens. Formulierung in der um 1615 – und damit nach der hier vertretenen Datierung der Theses LVI etwa zeitgleich mit diesen – entstandenen Defensio capitis quinti Maris Liberi Grotius, DCQ, fol. 240v [S. 336]  : Ergo ut res ista fiat istius hominis, factum aliquod hominis debet intercedere […]  ; sowie ferner dazu Straumann, Roman Law, S. 178. 724 Straumann, Grotius, S.  66  ; Ders., Roman Law, S.  168  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 345. 725 Vgl. im Text bei Fn. 708, 713 f. 726 Vgl. im Text bei Fn. 742. 727 Vgl. im Text bei Fn. 754. 728 Die Verwendung des Ausdrucks consensus zur Bezeichnung der (einseitigen) Zustimmung ist nicht ohne Vorbild, vgl. etwa zu Althusius und Dumoulin Mayer-Maly, Bedeutung, S. 94. 729 Vgl. dazu im Text bei Fn.  239–241  ; sowie im Detail Chiodi, Grotiana 41,1 (2020)  ; Decock, Contract Law, S. 187–192  ; Ders., TR 77,3/4 (2009), S. 452–454  ; Diesselhorst, Grotius, S. 107– 111  ; Gordley, Philosophical Origins, S. 45–49, 79–82. Vgl. ferner zu Grotius’ Position in dem Brief vom 28.02.‌1616, der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis jeweils im Text bei Fn. 809, im Text bei Fn. 1099–1120 und in Fn. 1688 sowie ferner in Fn. 1240, 1424 f.; sowie Nanz, Vertragsbegriff, S. 142, 145 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung 

| 167

Dafür spricht zudem eine schwer lesbare Randnotiz zur These 4,730 wonach eine Angabe des Willens (indicium voluntatis) voraussetzt, dass der Wille s­ pontanea und determinata ist  ; zwei Adjektive, die typisch sind für den moraltheologischen Diskurs zum verbindlichen Versprechen731. Die Randnotiz bezieht sich zwar unmittelbar nur auf die Angabe des Willens,732 doch scheint indicium voluntatis für Grotius eine Oberkategorie des consensus zu sein  : Einerseits taucht der Begriff indicium voluntatis in der These 4 selbst – anders als in den Thesen 3 und 5 – gar nicht auf, andererseits enthielt die dritte These ursprünglich die Formulierung Homo consensu obligetur, welche Grotius noch unmittelbar beim erstmaligen Verfassen der These zu Homo indicio voluntatis facto obligetur präzisierte. Zur Begründung der Annahmebedürftigkeit des Versprechens verweist G ­ rotius in der These 4 sodann darauf, dass das Recht nicht dem Versprechens­empfänger, sondern Gott erworben werde. Man muss wohl im Kontext des vorhergehenden Satzes gedanklich ergänzen  : Das Recht werde o h n e ­Z u s t i m m u n g d e s ­A d r e s s a t e n (nisi consensu eius cui promisit), nicht diesem, sondern Gott erworben. In den Theses LVI greift Grotius mehrfach frühere Sätze auf und führt diese weiter, ohne dies besonders kenntlich zu machen.733 Auch hier lässt sich die Begründung nur auf diese Weise mit der vorherigen Aussage vereinbaren, denn dass der Rechtserwerb Gottes einem Rechtsverzicht (omittere) pauschal im Wege stehen soll, wäre weder nachvollziehbar, noch würde es sich widerspruchsfrei zwischen die dritte These und eine unmittelbar neben dieser Begründung stehende Randnotiz einfügen  : Nach der These 3 besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Rechtsverzicht und Pflicht bzw. Verbindlichkeit (­ obligetur, et eatenus amittat ius cum in actiones tum in res suas).734 Wäre jeglicher Rechtsverzicht unmöglich, gäbe es gar keine Pflichten, nicht aber Pflichten ohne ent­ 730 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 4  : Indicium voluntatis in factum si voluntas sit spontanea omnium et determinata ⟨ cuius offertus non spondet ab alia voluntate ⟩. 731 Vgl. etwa Aquinas, STh IIa–IIae qu.  88 a.  1 resp. [Bd.  9, S.  234]  ; Lessius, De  Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. I num. 2, 4 [S. 216]. Zu weiteren Verwendungen bei Covarruvias, Navarrus und Osiander vgl. Astorri, Contract Law, S. 150  ; Birocchi, causa, S. 246 Fn. 143  ; Decock, ­Contract Law, S. 117 f., 150. 732 Vgl. aber im Text bei Fn. 737 zu einer weiteren, anscheinend nachträglich wieder gestrichenen Randnotiz zur Thesis 4, wonach ausdrücklich auch der consensus spontaneus erfolgen muss. 733 Vgl. etwa Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Thesis 6  : Homo autem ius non habet ⟨ naturaliter ⟩ in ⟨ vitam corpus ⟩ actiones et res alterius hominis, nisi quatenus […]  ; Thesis 7  : Quatenus autem […]  ; Thesis 8  : Quod ita verum est nisi consensus accesserit  : […]  ; Thesis 9  : Aut nisi Dei accesserat voluntas, […]  ; oder Thesis 7  : […] atque ita sapiens et medicus consilii habent potestatem non imperii  : quod iure exsecutionis demonstratur. 734 Vgl. im Text bei Fn. 708.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

168 | 

Fünftes Kapitel

sprechende Berechtigung des anderen. Eben dies ist aber der Inhalt der unmittelbar neben dem letzten Satz der These 4 stehenden Randnotiz  : Unde sequitur non semper tantum esse ius in una parte, quantum obligationis in altera.735

Daraus folgt, dass das Recht nicht immer in solchem Ausmaß bei einem Teil vorhanden ist, wie die Pflicht (obligatio) bei dem anderen.

Bezieht man in der These 4 jedoch die – von Grotius unterstrichene – Bedingung nisi consensu auch auf die Begründung, bedeutet dies  : Ein Rechtsverzicht führt ohne Zustimmung des Adressaten zwar nach der These 3 zu einer Pflicht. Dem anderen entsteht jedoch kein entsprechendes Recht, da dieses vielmehr an Gott, den gemäß der These  1 ursprünglichen Inhaber, zurückfällt.736 Dazu passt die Schlussfolgerung, dass nicht jeder Pflicht ein Recht des anderen Teils entspreche. Wie schon in den Thesen 2 und 3 fehlt auch hier eine ausdrückliche Bestätigung, dass der Mensch sein ius in actiones et res suas an einen anderen Menschen übertragen kann. Zumindest im Umkehrschluss folgt aus der These 4 aber, dass dies mit Zustimmung des Adressaten möglich ist. Für den Rechtsverzicht und damit die Selbstbindung ist diese Zustimmung jedoch nicht erforderlich. Besonders interessant ist in diesem Kontext eine weitere schwer lesbare Randnotiz zur These  4, die zudem allem Anschein nach nachträglich wieder gestrichen wurde  : Ubi consensus est plane spontaneus videntur aequalia esse ius et obligatio. Beneficia donantur.737

Sobald eine Zustimmung erkennbar freiwillig ist, scheinen Recht und Verbindlichkeit (obligatio) gleichermaßen vorzuliegen. Die Wohltaten werden gewährt.

Einerseits verlangt Grotius hier auch für den consensus, dass dieser plane ­spontaneus vorliegen müsse. Andererseits erklärt er ausdrücklich, dass mit willens­­mangelfreier Zustimmung gleichermaßen Recht und Verbindlichkeit entstehen. Versteht man diese Randnotiz im Kontext der zugehörigen These 4, meint consensus wohl konkret die Zustimmung des Adressaten. Ein angenommenes Versprechen verpflichtet demnach nicht nur den Schuldner, sondern berechtigt darüber hinaus auch 735 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 4. 736 Der Gedanke, in einem zwischenmenschlichen Versprechen zugleich eine Bindung gegenüber Gott zu sehen, findet sich bereits in der mittelalterlichen Kanonistik, vgl. Thier, Das Mittelalter 20 (2015), S. 338–341. 737 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, (gestrichene) Randnotiz zur Thesis 4.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung 

| 169

den Versprechensempfänger. Die Berechtigung des Versprechensempfängers entsteht unabhängig von dem Vorliegen eines Austauschverhältnisses, nämlich als einseitige Leistung bzw. »Wohltat« (beneficium). Es bleibt jedoch unklar, warum Grotius diese Notiz nachträglich durch zwei vertikale Striche wieder gestrichen zu haben scheint. Dies gilt umso mehr, da aus der unmittelbar rechts daneben notierten Bemerkung738 letztlich nichts anderes folgt. Wenngleich diese Randnotiz anders als die anscheinend gestrichene neben ihr nicht ausdrücklich formuliert, dass mit Zustimmung des Adressaten ein der Verbindlichkeit entsprechendes Recht entsteht, so impliziert sie dies doch weiterhin. Folglich existieren zwei verschiedene Arten von Pflichten bzw. Verbindlichkeiten  : Solche, denen lediglich ein Recht Gottes entspricht, und solche, denen ein Recht eines anderen Menschen entspricht. Mit Rücksicht auf die Thesen 6–8739 könnte man auch formulieren  : D u r c h s e t z b a r e Pflichten, d.  h. Verbind­ lichkeiten, und n i c h t d u r c h s e t z b a r e Pflichten. Erstere begründen eine ­obligatio u n d gewähren dem Adressaten ein ius exsecutionis, letztere begründen nur eine obligatio. Dies gilt jedoch nur, soweit das vorherige Verhalten des Versprechensempfängers unberücksichtigt bleibt (nullo habito respectu ad factum aliquod antecedens eius cui facta est promissio). Das zeigt sich auch in den Thesen  14 und 16, in denen Grotius die beiden in der Randnotiz zur These 3 angedeuteten Ursprünge vertraglicher Bindung noch einmal aufgreift, per factum ratione iustitiae und per dictum ratione fidei740 bzw. in der Terminologie der These 4 respectu ad factum aliquod antecedens und consensu741  : Ex facto ratione iustitiae tantundem in una parte iuris est quantum obligationis in

Aus einer Handlung entsteht gemäß dem Prinzip der Gerechtigkeit (iustitia) ebenso viel des Rechts bei dem einen Teil wie der Verbindlichkeit bei dem anderen,

738 Vgl. im Text bei Fn. 735. 739 Grotius, Theses  LVI, fol.  287r, Thesis  6  : Homo autem ius non habet ⟨  naturaliter  ⟩ in ⟨  vitam corpus ⟩ actiones et res alterius hominis, nisi quatenus […] Ergo non habet ius puniendi illo modo per se  ; Thesis 7  : Quatenus autem […] atque ita sapiens et medicus consilii habent potestatem non imperii  : quod iure exsecutionis demonstratur  ; Thesis 8  : Quod ita verum est nisi consensus accesserit […] [Hervorh. d. Verf.] Vgl. zu diesen Thesen im Detail Straumann, Grotius, S. 64–66  ; Ders., Roman Law, S. 167 f.; ferner Ders., LHR 27,1 (2009), S. 71, 84, der jedoch entgegen der hier vertretenen Ansicht consensus als Willensübereinstimmung beider Parteien versteht. 740 Vgl. S. 163. 741 Vgl. im Text bei Fn. 721.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

170 | 

Fünftes Kapitel

altera nimirum iuxta aequalem retributionem  : idque sive ius fit reale, sive personale ex contractu aut delicto  : nam et alienae rei detentor reddere eam tenetur, et contractuum observandae regulae Do ut des, Do ut facias, facio ut des, et quod culpa alterius alteri abest id resarciendum est.742

was bei einer gleichmäßigen Vergeltung selbstverständlich ist  : Und das gilt unabhängig davon, ob es sich um ein dingliches Recht handelt oder ein persönliches aus Vertrag oder Delikt  : Denn der Inhaber (detentor) einer fremden Sache wird angehalten, diese zurückzugeben, und die zu berücksichtigenden Regeln bei Verträgen lauten  : Ich gebe, damit du gibst  ; ich gebe, damit du verrichtest  ; ich verrichte, damit du gibst  ; und das, was durch die Schuld (culpa) des einen dem anderen Teil fehlt, muss ersetzt werden.

Die These beginnt mit einer Feststellung, deren Bedeutung sich im Kontext der Thesen 4 und 16 erschließt  : Im Gegensatz zu den dort behandelten Pflichten entspricht sämtlichen d u r c h H a n d l u n g , d. h. aufgrund von iustitia entstehenden Pflichten »selbstverständlich« (nimirum) stets ein Recht des anderen Teils. Es handelt sich also um von dem Adressaten durchsetzbare Verbindlichkeiten. Den Anwendungsbereich der iustitia unterteilt Grotius in drei Gruppen  : Dingliche Rechte, persönliche Rechte aus Vertrag und persönliche Rechte aus Delikt. Anschließend beschreibt Grotius abstrakt den Inhalt der korrespondierenden Verbindlichkeiten. Neben dieser These findet sich zudem die Randnotiz restitutiones743. Damit erinnert die gesamte Passage deutlich an die Ausführungen zur iustitia compensatrix und der daraus folgenden restitutio scholasticis in De Iure Praedae.744 Ein genauerer Vergleich der beiden Passagen zeigt mehrere Unterschiede  : In De Iure Praedae beschreibt Grotius den Inhalt der jeweiligen Verbindlichkeit anhand von Beispielen, hier jedoch abstrakt. Wesentlicher ist jedoch, dass er dort nur auf Verbindlichkeiten, hier gleichsam auf Rechte und Verbindlichkeiten eingeht. Außerdem differenziert er hier, ähnlich wie in späteren Werken,745 zunächst zwischen dinglichen und persönlichen Rechten, bevor er letztere nach ihrer Herkunft aus Vertrag oder Delikt untergliedert. In De Iure Praedae hingegen fehlt die Unterscheidung zwischen dinglichen und persönlichen Rechten sowohl im Kontext der iustitia compensatrix, was sich durch den dortigen ausschließlichen Fokus auf Verbindlichkeiten erklären mag, als auch im Rahmen der Kriegsgründe, 742 Grotius, Theses LVI, fol. 287v, Thesis 14. 743 Grotius, Theses LVI, fol. 287v, Randnotiz zur Thesis 14. 744 Vgl. im Text bei Fn. 441. 745 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. II cap. I §§ 58–59  ; ebd., lib. III cap. I § 1  ; ebd., §§ 7–9  ; Grotius, IBP, lib. I cap. I § V  ; ebd., cap. III § XXI.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung 

| 171

die am ehesten subjektiven Rechten vergleichbar sind  : Dort bilden dingliche, vertragliche und deliktische Ansprüche in Gestalt des zweiten, dritten und vierten Kriegsgrundes (neben der Selbstverteidigung als erstem Kriegsgrund) jeweils gleichrangige Kategorien.746 Schließlich rechnet Grotius hier auch die dinglichen Rechte zum Anwendungsbereich der iustitia, während er diese in De Iure Praedae (anders als die vertraglichen und deliktischen Ansprüche) noch aus der lex II und gerade nicht den aus der iustitia compensatrix folgenden leges  V oder VI herleitet.747 Auch dies legt nahe, dass Grotius’ Gedanken in den Theses LVI weiter entwickelt sind als in De Iure Praedae. Jenseits eines Vergleichs mit De  Iure Praedae bedarf insbesondere die Beschreibung des jeweiligen Inhalts der Verbindlichkeit einer näheren Betrachtung  : Die drei Beschreibungen scheinen der Reihenfolge der zuvor genannten Entstehungsgründe zu folgen und sich jeweils auf diese zu beziehen  : Dass fremde Sachen zurückgegeben werden müssen (alienae rei detentor reddere eam tenetur) bezieht sich demnach ausschließlich auf dingliche Ansprüche, während vertragliche Ansprüche an die Innominatkontrakte des römischen Rechts angelehnt sind (contractuum observandae regulae Do ut des, Do ut facias, facio ut des) und deliktische Ansprüche darauf zielen, schuldhaft zugefügten Schaden auszugleichen (quod culpa alterius alteri abest id resarciendum est). Während die erste und letzte Beschreibung selbstverständlich anmuten, ist die Beschreibung vertrag­ licher Ansprüche (ius personale ex contractu) umso auffälliger  : Entgegen der allgemeinen Bezeichnung scheinen aufgrund iustitia gerade nicht aus sämtlichen contractus Rechte und Verbindlichkeiten zu entstehen, sondern wohl nur aus solchen, die den aufgeführten Regeln – do ut des, do ut facias und facio ut des – unterliegenden (d. h. aus Innominatkontrakten), oder jedenfalls nur aus bereits einseitig erfüllten, gegenseitigen Verträgen. Dass der andere Teil für das Entstehen des ius personale ex contractu zuerst selbst seine Leistung erbringen muss,748 deckt sich sowohl mit der Bemerkung in der These 4, die aus746 Grotius, IPC, cap. VII, fol. 30r [S. 68]  : Quarta est ob maleficium ⟨ injuriamque omnem quae iniquo animo tam facto quam verbis infertur ⟩  ; vgl. auch Fn. 393, 614. 747 Vgl. Grotius, IPC, cap. VII, fol. 29v [S. 67]  : Altera [causa] est, id ob rem suam ex lege secunda  : unde non resistere duntaxat licet, verum etiam deiicere  ; sowie Fn. 650. 748 Die Theses LVI enthalten keine Verweise auf den Corpus Iuris Civilis. Entsprechend fehlt auch ein Hinweis auf das Ursprungsfragment dieser Regeln, D. 19,5,5 (Paulus libro quinto quaestionum), aus dem ausdrücklich das Erfordernis der bereits erbrachten Leistung durch den Gläubiger hervorgeht. Zumindest in dem unstreitig jedenfalls nicht später entstandenen Grotius, IPC, cap. X, fol. 68r [S. 153], zitiert Grotius dieses Fragment jedoch, wenn auch in anderem Kontext. Er dürfte sich der Bedeutung dieser Regeln daher bewusst gewesen sein, was auch die Formulierung in der These 4 (factum […] antecedens) nahelegt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

172 | 

Fünftes Kapitel

drücklich auf das v o r h e r i g e Verhalten (factum aliquod antecedens) abstellt,749 als auch mit der lex VI in De Iure Praedae750. Dass nicht schon das Austauschverhältnis selbst, sondern erst die E r b r i n g u n g d e r L e i s t u n g das wesentliche Merkmal von Rechten und Verbindlichkeiten aufgrund iustitia darstellt, zeigt sich schließlich an der folgenden These 15. Ähnlich wie schon in De Iure Praedae, wenn auch ohne die dortige willenstheoretische Begründung,751 sieht sich Grotius hier zu der Klarstellung veranlasst, dass der Anspruch aus iustitia auf die Gegenleistung (und nicht etwa auf Rückerstattung der bereits erbrachten Leistung) gerichtet ist.752 Die beiden dafür angeführten Belege753 legen nahe, dass sich diese Aussage nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern sich vielmehr auf sämtliche in These 14 genannten restitutiones bezieht, bei denen es regelmäßig an einem Austauschverhältnis fehlt. Wenn aufgrund von iustitia jedoch nur aus bereits einseitig erfüllten, gegenseitigen Verträgen oder sogar nur aus einseitig erfüllten Innominatkontrakten Rechte und Verbindlichkeiten entstehen, muss die Verbindlichkeit der übrigen Verträge aus fides folgen  : Ex indicato ratione fidei non tantundem est in parte utraque  : quam ius quidem duobus terminis continetur, aut aequalitate respectu eius cuius est ius, aut bono eius in quem est. Obligatio autem latius patet in tantum nempe quantum consensus.754

Aus einer Angabe [des Willens] entsteht gemäß dem Prinzip der Treue (fides) nicht ebenso viel bei beiden Teilen, als das Recht gewiss durch zweifache Abgrenzung umfasst wird, entweder durch die Gleichheit (aequalitas) im Hinblick auf denjenigen, dessen Recht es ist, oder den Vorteil desjenigen, auf den es sich richtet. Die Verpflichtung (obligatio) aber erstreckt sich sicherlich in dem Maß weiter, in welchem eine Zustimmung vorliegt.

749 Vgl. im Text bei Fn. 721 sowie ferner zu einer ähnlichen Formulierung in der Defensio capitis quinti Maris Liberi auch Fn. 723. 750 Vgl. S. 103–116, 150–152. 751 Vgl. S. 113–116. 752 Grotius, Theses LVI, fol. 287v, Thesis 15  : Sunt autem fungibilis inter se res et actiones ita ut qui in re non potest per actiones sive operas posset satisfacere et contra operae pretio aestimentur. Hinc nexus debitorum. 753 Grotius, Theses LVI, fol. 287v, Randnotiz zur Thesis 15  : Ex. 22.3. Lex XII tab. 754 Grotius, Theses  LVI, fol.  287v, Thesis  16. Den letzten Satz liest Borschberg, Working Paper, S. 38 Fn. 115, als »Obligatur autem latius pater in tantum nempe quantum consensus« [Hervorh. d. Verf.]. Inhaltlich scheint dies unpassend. Die Thesen  14–16 thematisieren Rechte, Pflichten und Verbindlichkeiten aus iustitia und fides  ; die rechtliche Beziehung zwischen Eltern und Kindern behandeln die Thesen 10–13. Wollte Grotius dieses Thema noch einmal aufgreifen, wäre wohl mehr als ein einzelner Satz aus heiterem Himmel zu erwarten.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Berechtigung des Gläubigers durch Rechtsübertragung 

| 173

Im Vergleich zu den bisher untersuchten Thesen scheint die These 16 deutlich weniger entwickelt. Dafür spricht zunächst das Fehlen jeglicher Randnotizen. Daneben sind auch die einzelnen Gedanken der These selbst äußerst knapp ­formuliert. Der erste Satz bestätigt zunächst, dass aus der bloßen Angabe des Willens (ex indicato [voluntatis]) aufgrund von fides keine korrespondierenden Rechte und Verbindlichkeiten entstehen (non tantundem est in parte utraque). Dass Grotius hier von Rechten und Pflichten bzw. Verbindlichkeiten spricht, ergibt sich ­zumindest im Kontext der parallelen Formulierung zu Beginn der These 14 (Ex facto ratione iustitiae tantundem in una parte iuris est quantum obligationis in altera) und der Schlussfolgerung zur These 4 (Unde sequitur non semper tantum esse ius in una parte, quantum obligationes in altera). Auch inhaltlich knüpft Grotius mit dieser Aussage an die früheren Ausführungen an, wonach die Angabe des Willens zwar zu einer Pflicht führt (These 3), ein korrespondierendes Recht des Adressaten aber nicht ohne dessen Zustimmung entsteht (These  4). Neu ist in der These  16 die ausdrückliche Assoziation zwischen der Angabe des Willens (indicium voluntatis) und dem Prinzip der fides (Ex indicato ratione fidei als Gegensatz zu Ex facto ratione iustitiae).755 Insofern ergänzt die These 16 das Bild aus den Thesen 3, 4 und 14 sowie aus den zugehörigen Randnotizen  : Mit iustitia und fides existieren zwei Geltungsgründe für vertragliche Pflichten. Während Pflichten aufgrund von iustitia »selbstverständlich« ein korrespondierendes Recht des anderen Teils entspricht, ist dies bei Pflichten aufgrund von fides nicht der Fall. Die Verpflichtung entsteht bereits aufgrund der Angabe des Willens (ex indicato [voluntatis]), ein korrespondierendes Recht des Adressaten entsteht jedoch nur mit dessen Zustimmung (consensu eius cui promisit). Der folgende Satz der These 16 zur zweifachen Abgrenzung des Rechts muss wohl ebenfalls in diesem Kontext verstanden werden  : Ein aufgrund iustitia übergegangenes Recht bestimmt sich nach dem Maßstab der aequalitas, ein aufgrund fides übergegangenes Recht nach dem Vorteil des Adressaten. Das Äquivalenzgebot formuliert Grotius bereits in der These 14 im Rahmen der Leistungspflicht aufgrund von iustitia. Die Formulierung bono eius in quem est scheint hingegen an die Differenzierung in den Thesen 6–9 zwischen dem Recht, (fremde) Güter zum eigenen bzw. zum fremden Vorteil nutzen zu dürfen, angelehnt zu sein. Der 755 Inhaltlich entspricht dies der Randnotiz zur These 3, vgl. im Text bei Fn. 713, wo allerdings nur von per dictum ratione fidei [Hervorh. d. Verf.] die Rede ist und der technische Begriff indicium voluntatis nicht verwendet wird.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

174 | 

Fünftes Kapitel

stark komprimierte Gedanke erinnert zudem an die Ausführungen zur mensura crediti in De  Iure Praedae (im Kontext der iustitia compensatrix), wonach der Inhalt (oder Umfang) der Gegenleistung sich nach dem Willen des Gläubigers richtet.756 Ob Grotius mit dem Satz in der These 16 eine vergleichbare Aussage auch im Rahmen der fides treffen wollte, lässt sich aufgrund des frühen Bearbeitungsstadiums jedoch nicht mit Sicherheit feststellen. Zum Abschluss der These  16 unterstreicht Grotius noch einmal den Unterschied zwischen den beiden Geltungsgründen. Pflichten aufgrund von iustitia sind – sowohl inhaltlich als auch vom Umfang – das Korrelat eines übertragenen subjektiven Rechts. Im Fall der fides ist diese Entsprechung von Verpflichtung und Berechtigung möglich, aber nicht zwingend  : Die Verpflichtung kann über ein etwaiges Recht hinausgehen (Obligatio […] latius patet). Entscheidend ist insofern der »consensus«. We s s e n consensus gemeint ist, sagt Grotius nicht. Im Rahmen der These 4 bezeichnet er mit consensus eius cui promisit die einseitige Zustimmung des Adressaten. In der These 16 fehlt eine entsprechende Konkretisierung. Zumindest zeigt die These  4 aber, dass consensus nicht zwingend die Willensübereinstimmung beider Parteien meint.757 Versteht man consensus dennoch in diesem Sinne oder – ungeachtet des fehlenden Zusatzes eius cui promisit – als die Zustimmung des Adressaten, wäre der letzte Satz der These 16 nur ein Umkehrschluss aus der These 4. Danach ist die Zustimmung des Adressaten die Voraussetzung für die Übertragung eines subjektiven Rechts. Fehlt diese oder bleibt sie hinter der Abgabe des Willens des Schuldners zurück, geht die Verpflichtung des Schuldners somit über die Berechtigung des Adressaten hinaus. Daneben wäre aber auch denkbar, dass mit consensus der Wille des Schuldners gemeint ist. In späteren Werken kennt Grotius ausdrücklich eine Form der Selbstbindung, die unabhängig von dem Vorliegen oder Fehlen einer Annahme durch den Adressaten kein subjektives Recht überträgt. Dass dieser Gedanke im Ansatz bereits im letzten Satz der These  16 anklingt, ist zumindest nicht auszuschließen. Mangels jeglicher Randnotizen oder weiterer Erläuterungen zur These 16 bleibt dies jedoch Spekulation.

756 Vgl. im Text bei Fn. 459 und dazu im Text bei Fn. 464–474. 757 Dafür spricht auch die (nachträglich zu Homo indicio voluntatis […] obligetur korrigierte) ursprüngliche Formulierung Homo consensu […] obligetur in der These 3, vgl. im Text bei Fn. 708.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 175

IV. Schlussbetrachtung Deutlicher noch als in De Iure Praedae758 unterscheidet Grotius in den Theses LVI zwei unabhängige Ursachen von Rechtsbeziehungen  : iustitia und fides. Erstere setzt eine vorherige Handlung voraus (per factum  ; factum aliquod antecedens  ; ex facto), letztere eine Willensäußerung (per dictum  ; indicio voluntatis  ; ex indicato). Die wesentliche Neuerung in den Theses  LVI liegt jedoch in der Akzentverschiebung vom Schuldner einer abredegemäßen Handlung auf einen möglichen Gläubiger derselben. Ausdrücklich erklärt Grotius in These 14, dass einer Pflicht aufgrund iustitia »selbstverständlich« stets ein Recht des anderen entspreche. Allerdings bilden die Pflichten aufgrund von fides den thematischen Schwerpunkt der untersuchten Thesen. Bei diesen liege manchmal, aber nicht immer ein korrespondierendes Recht vor. Obwohl Grotius die deutlichste Stellungnahme zu den Voraussetzungen wieder gestrichen hat, scheint diese Streichung keine inhaltliche Korrektur darzustellen  : Voraussetzung für eine Übertragung des Rechts an den Versprechensempfänger ist dessen Zustimmung, d. h. mit anderen Worten die Annahme des Versprechens. Damit stellt das in den Thesen 2–5 dargelegte Vertragsverständnis eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber demjenigen in De  Iure Praedae dar. Es erscheint daher unter inhaltlichen Gesichtspunkten eher unwahrscheinlich, dass beide Werke in demselben Zeitraum entstanden sind. Dies gilt umso mehr, als Grotius während der Überarbeitung der Theses LVI offensichtlich besonders für das Auseinanderfallen von Verpflichtung des Schuldners und Berechtigung des Gläubigers sensibilisiert war, wie die (nachträglich ergänzten bzw. gestrichenen) Randnotizen zu der These 4759, aber auch eine Gegenüberstellung der Thesen 14 und 16 zeigen760. Zudem dürfte man eine ähnliche Ergänzung bei gleichzeitiger Bearbeitung wohl auch in dem ungleich wichtigeren und gerade auf Ansprüche des Gläubigers zielenden761, ebenfalls mehrfach überarbeiteten De Iure Praedae erwarten. Auch die unterschiedliche Bezeichnung als significatio voluntatis762 bzw. indicium voluntatis763 spricht gegen ein zeitgleiches Entstehen, wenngleich Grotius’ Terminologie zwischen verschiedenen Werken regelmäßig divergiert. 758 759 760 761 762

Vgl. im Text bei Fn. 533. Vgl. im Text bei Fn. 735, 737. Vgl. im Text bei Fn. 742, 754. Vgl. S. 97–101. Vgl. im Text bei Fn. 506 sowie ferner die Formulierung der einzelnen regulae (velle significare) in Fn. 480 f. und im Text bei Fn. 485. 763 Vgl. im Text bei Fn. 708, 722.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

176 | 

Fünftes Kapitel

Dass Grotius in den Theses  LVI auf Zitate zeitgenössischer Autoren verzichtet, obwohl er zu einem späteren Zeitpunkt umso vertrauter mit diesen war, dürfte mit Borschberg zu Recht auf das frühe Bearbeitungsstadium der Theses  LVI zurückzuführen sein.764 Inhaltlich scheint die kontinuierliche Gleichbehandlung von ius in actiones und ius in res suas sowie insbesondere die diesbezügliche Randnotiz Libertas. Dominium. eine Kenntnis von Vázquez’ Controversiae Illustres nahezulegen.765 Dass Grotius in den Theses LVI konsequent auf zeitgenössische Zitate verzichtet, dürfte jedenfalls in diesem Fall nicht auf fehlende Kenntnis zurückzuführen sein. Schließlich kennzeichnet den im Anschluss untersuchten Brief vom 28.02.‌1616 eine auffällige Abwesenheit zeitgenössischer Zitate, dessen Vertragsverständnis die Thesen 2–5 im Übrigen sehr nahekommen. Wenn überhaupt lässt sich deren Abwesenheit und dem vermuteten frühen Bearbeitungsstadium der Theses LVI etwas über Grotius’ (geringe) Wertschätzung des Überzeugungscharakters der zeitgenössischen Literatur entnehmen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Theses LVI in zwei Punkten eine wichtige Weiterentwicklung der regula fidei in De Iure Praedae darstellen  : Vertragliche Ansprüche entstehen nicht nur durch Erbringung einer Leistung im Austauschverhältnis, auch das einseitige Leistungsversprechen kann den Empfänger berechtigen. Dazu ist jedoch das Einverständnis des Versprechensempfängers erforderlich. Unmittelbar geht es Grotius in den Theses LVI um Souveränität, die Legitimation hoheitlicher Gewalt und gegen diese gerichteten Widerstand.766 Die in diesem Kontext entwickelten Gedanken bilden später die entscheidende Grundlage, um im Brief vom 28.02.‌1616 auch die Geltung einseitiger Verträge mit seinem Naturrechtsverständnis zu vereinbaren und damit vor allem die praktisch bedeutsame Stipulation systemimmanent erklären zu können.

764 Borschberg, Working Paper, S. 23. 765 Vgl. im Text bei Fn. 697 bis einschließlich des auf Fn. 701 folgenden Absatzes. 766 Vgl. S. 153.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sechstes Kapitel  : Der Brief an Wilhelm Grotius vom 28.02.‌1616

Während sich Grotius im Parallelon Rerumpublicarum noch nicht mit der Frage r e c h t l i c h e r Verbindlichkeit beschäftigt, steht diese im wenig später entstandenen De  Iure Praedae an zentraler Stelle. Das Verhältnis der beiden neben­ einanderstehenden Begründungen vertraglicher Verbindlichkeit (lex  VI und regula III) bleibt dabei jedoch auch deshalb unklar, weil Grotius sich an keiner Stelle ausdrücklich mit der (rechtlichen) Verbindlichkeit e i n s e i t i g e r Verträge auseinandersetzt. Diese – für seine späteren Vertragslehren essenzielle – Frage stellt sich erstmals in den Theses LVI im Rahmen der Thesen 3 und 4. Deutlich ausführlicher erörtert Grotius diese Frage wenige Jahre später in einem Brief aus dem Jahr 1616 am Beispiel der Stipulation. Die erhaltene Briefkorrespondenz von Grotius besteht zu einem großen Teil aus Briefen an seinen vierzehn Jahre jüngeren767 Bruder Wilhelm, dessen Briefe an Hugo Grotius jedoch nur selten überliefert sind.768 Für diese Untersuchung sticht ein Brief besonders hervor, in dem Hugo Grotius Stellung zu mehreren Thesen seines Bruders nimmt und sich dabei ausführlich zur Verbindlichkeit von Verträgen und deren Geltungsgrund äußert. Wilhelm studierte ab 1611 zunächst an der Philosophischen769 und ab 1614 an der Juristischen Fakultät770 der Universität Leiden, ähnlich wie Hugo Grotius siebzehn Jahre zuvor.771 Ende 1616 schloss er das Studium mit einer Abschlussarbeit (disputatio pro gradu) ab.772 Dieser gingen zwischen September 1615 und 767 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 373  ; Nellen, Grotius, S. 28. 768 Vgl. zum Briefwechsel und Verhältnis der Brüder Nellen, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004). Nellen vermutet, ebd., S. 6, dass die Brüder einander etwa 1700 Briefe geschrieben haben, wovon etwa ein Drittel nicht überliefert ist. Dabei fehlen insbesondere Wilhelms Briefe vor 1635, einschließlich des dem hier untersuchten Brief vom 28.02.‌1616 vorausgehenden Briefes. 769 Rieu, Album Studiosorum, Nomina Studiosorum, Sp. 102  ; so auch Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S.  383  ; Nellen, Grotius, S.  89  f., 298  ; zwar spricht Nellen, Grotius, S.  16, davon, Wilhelm Grotius habe ab 1611 in Leiden Rechtswissenschaften studiert, jedoch handelt es sich dabei wohl lediglich um eine Verkürzung. 770 Feenstra / Ahsmann (dort noch als Jongerius), RHD, 4e série, 57 (1979), S.  723  ; Nellen, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 3  ; Ders., Grotius, S. 298  ; hierfür findet sich jedoch kein Eintrag in Rieu, Album Studiosorum, Nomina Studiosorum, vgl. Sp. 114–118. 771 Nellen, Grotius, S. 33 f.; vgl. aber Fn. 781. 772 Grotius, BW, I, S. 537 (num. 486)  : Non poteras disputationi eligere diem minus mihi commodum.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

178 | 

Sechstes Kapitel

März 1616 drei Übungsarbeiten (disputationes exercitii gratia)773 voraus, in denen Wilhelm zu einem vorgegebenen Titel der Digesten jeweils mehrere Thesen verteidigen musste. In diesem Zusammenhang bat er Hugo Grotius mehrfach um Rat, sodass juristische Fragestellungen zwischen Mai 1615 und März 1616 den regelmäßigen Briefwechsel prägten. Die ersten beiden Übungsarbeiten sind ebenso wenig überliefert wie die Briefe Wilhelms, doch lässt sich aus Hugo Grotius’ Briefen auf deren Inhalt schließen. Ahsmann hat überzeugend dargelegt, dass Wilhelm die erste disputatio wohl im September 1615 über Dienstbarkeiten ablegte,774 während die zweite disputatio Ende November oder Anfang Dezember letztwillige Verfügungen behandelte.775 Für diese Untersuchung sind nur der Brief vom 28.02.‌1616 und zu dessen Verständnis mittelbar die dritte (und vermutlich letzte)776 disputatio exercitii gratia Wilhelms vom 23.03.1616 über Verbalobligationen777 relevant. Aus diesem Brief geht hervor, dass Wilhelm seinem Bruder zuvor (mindestens) vierzehn Thesen geschildert und diesen wohl auch darum gebeten hat, mögliche Gegenargumente vorzubringen778. Der weit überwiegende Teil der Antwort vom 28.02.‌1616 beschäftigt sich dabei mit der ersten dieser Thesen, in welcher eine Definition der Stipulation formuliert ist. In der ersten Anmerkung zu dieser These stellt W ­ ilhelm […] Tibi ut et hoc quod relictum est et disputatio honosque promotionis faustus sit ac salutaris opto  ; vgl. auch Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 399 f.; Molhuysen (Hrsg.), BW, I, S. 537 Fn. 3, und Nellen, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 3 f.; Ders., Grotius, S. 298. 773 Vgl. allgemein zu disputatio pro gradu und disputatio exercitii gratia an der Universität Leiden zu dieser Zeit  : Ahsmann, Collegium, S. 192 f. 774 Die Thesen dieser disputatio behandelt jedenfalls der Brief vom 29.08.1615, Grotius, BW, I, S. 406–407 (num. 417). Allerdings rechnen Molhuysen (Hrsg.), BW, I, S. 389 Fn. 2, sowie Scholtens / Feenstra, TR 42,3/4 (1974), S. 204, auch den Inhalt des Briefes vom 18.05.1615, Grotius, BW, I, S. 389–391 (num. 405), zum Kontext der ersten disputatio, was von Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 386–388, bestritten wird. 775 Die Thesen dieser disputatio behandeln die Briefe aus dem November 1615, Grotius, BW, I, S. 415–416 (num. 427)  ; ebd., S. 420–421 (num. 430)  ; ebd., S. 424–426 (num. 432)  ; ebd., S. 426– 427 (num. 433)  ; vgl. auch Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 388–390. 776 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 388. 777 Diese disputatio ist unvollständig (bis einschließlich eines Teils der These IX) erhalten als Disputationum iuridicarum trigesima secunda de verborum obligationibus ad quam sub praesidio Cornelii Sylvii respondere conabitur Guilielmus Grotius, Lugduni Batavorum, ex officina Iacobi Patii, 1616. Die Thesen dieser disputatio behandeln die Briefe aus dem Februar und März 1616, Grotius, BW, I, S. S. 499–503 (num. 450)  ; ebd., S. 506–508 (num. 452)  ; ebd., S. 510 (num. 454)  ; vgl. dazu auch Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 390–398, und Feenstra / Ahsmann (dort noch als Jongerius), RHD, 4e série, 57 (1979), S. 723 f. Titelblatt, Widmung und die hier behandelte erste These sind (vollständig) abgedruckt bei Ahsmann, Collegium, S. 505 f., 508. 778 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 392, insb. Fn. 171.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sechstes Kapitel 

| 179

zudem die Vermutung auf, dass die Stipulation durch das Völkergemein­recht und nicht erst das Zivilrecht eingeführt worden sei.779 Dazu schlägt Hugo Grotius in seinem Antwortbrief eine Brücke von der Definition der Stipulation über die –  von Wilhelm eingeführte  – promissio bis in das Naturrecht, bevor er anschließend auf die völkergemeinrechtliche780 oder zivilrechtliche Natur der Stipulation zurückkommt. Der Brief ist somit nicht nur ein (weiterer) vergleichsweise früher Nachweis für Grotius’ umfassende Kenntnisse im römischen Recht,781 sondern vor allem eine erste naturrechtliche Auseinandersetzung unmittelbar mit der Materie des Vertragsrechts, drei Jahre vor dem frühestmöglichen Beginn der Arbeiten an der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid und neun Jahre vor der Veröffentlichung von De Iure Belli ac Pacis. Im Folgenden soll der Brief unter diesem Aspekt (nahezu)782 vollständig untersucht werden. Dazu wird der Text in einzelne Sinnabschnitte unterteilt, welche ohne Auslassung und in ursprünglicher Reihenfolge wiedergegeben werden.783

779 Vgl. Fn. 813. 780 Vgl. zu Grotius’ werkübergreifendem Verständnis von Naturrecht, primärem Völkergemeinrecht und positivem Völkergemeinrecht generell S. 35–37 sowie konkret zu dem Verständnis, das dem Brief zugrunde liegt, S. 188. 781 Über Grotius’ Kenntnis des gemeinen Rechts, d. h. insbesondere der Literatur der Postglossatoren, geben nicht zuletzt auch seine in den Hollandschen Consultatien en Advysen erhaltenen Rechtsgutachten ab 1612 Aufschluss, vgl. dazu Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 412 f., 431–435, 437 f.; ferner Rabbie, Grotius, S. 46 f.; Wijffels, Influences, S. 397 f. Dieses Wissen scheint er sich erst während seiner anwaltlichen Tätigkeit ab Dezember 1599 angeeignet zu haben. Dass er sich bereits während seines Studiums mit gemeinem oder römischem Recht beschäftigt hat, erscheint in Anbetracht der Quellenlage unwahrscheinlich, vgl. im Text bei Fn. 251–256 sowie insb. Fn. 254 f. Die Korrespondenz mit seinem Bruder Wilhelm über dessen disputationes exercitii gratia sind die ersten Hinweise darauf, in welchem Umfang sich Grotius nicht nur mit dem gemeinen, sondern auch unmittelbar dem (historischen) römischen Recht befasst hat. 782 Die nur wenige Sätze umfassenden Stellungnahmen zu den Thesen 2–4, 9 und 14 am Ende des Briefes werden mangels Relevanz nicht berücksichtigt. 783 Vgl. zu den methodischen Hintergründen S. 32.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

180 | 

Sechstes Kapitel

I. Eine Definition der Stipulation Stipulatio […] definitur conventio verbalis, qua aliquid interrogatur et promittitur. Zu Beginn des Briefes bezieht sich Grotius auf eine von seinem Bruder als dessen erste These vorgebrachte Definition der Stipulation. Noch vor der inhaltlichen Auseinandersetzung äußert er sich dabei im zweiten und dritten Satz zu der von Wilhelm gewählten Methode. Dabei fallen zunächst Parallelen zu den methodischen Überlegungen in De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis auf.784 ­Anders als dort folgen daraus im Brief unmittelbar Rückschlüsse auf die Natur des rechtlich verbindlichen Vertrages, indem er die methodischen Kategorien nutzt, um die verschiedenen, im Anschluss aufgeworfenen Definitionen miteinander zu vereinbaren  : Theses tuas legi, mi Frater, quarum et ordo et propositiones, quas tuendas suscipis, mihi perplacent. Stipulationem quin aptissime definieris secundum sua principia, non a posteriori, dubitare noli. Proximum enim genus eius non quod ab accidente sumitur, sed quod ab ipsa rei essentia, est verbalis conventio. Quod vidit olim Pedius et post eum Ulpianus L. 1. Dig. de pactis785, ubi dicunt conventiones alias re – vocabulo rei latissime sumto ut non corpora tantum, sed et facta comprehendat –, alias verbis – ore prolatis scilicet aut scriptis – fieri  : deinde ei generi conventionum quod verbis fit, subiungunt tanquam

Deine Thesen habe ich gelesen, mein Bruder, welche mir ebenso sehr gefallen wie die Reihenfolge und die Positionen, welche du als zu verteidigende annimmst. Zweifle nicht, dass du die Stipulation auf äußerst zutreffende Weise gemäß ihren Prinzipien, nicht a posteriori,786 definiert hast. Denn du hast als nächsthöhere Gattung (genus proximum) nicht etwas Zufälliges (accidens), sondern das Wesen (essentia) der Sache selbst gewählt  : die wörtliche Übereinkunft (conventio verbalis). Das hat einst Pedius und nach ihm Ulpian gesehen (D. 2,14,1,3–4), wo sie einerseits von den Übereinkünften durch die Sache (conventiones re) sprechen – weil die Bezeichnung »Sache« (res) im weitesten Sinne verwendet worden ist, sodass sie nicht nur Dinge (corpora), sondern auch Handlungen (facta) umfasst – und andererseits [von den Übereinkünften] durch Worte (conventiones verbis) sprechen, weil sie offenbar mit dem Mund vorgetragen oder geschrieben worden

784 Vgl. zu De Iure Praedae Fn. 499  ; zu De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1390 sowie ferner bei Fn. 1627–1638. 785 D. 2,14,1,3–4 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; vgl. Fn. 800. 786 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 392, übersetzt non a posteriori als en niet naar wat zij uiteindelijk geworden is. Auch wenn der Gedanke einen gewissen Reiz hat, dass Grotius hier zwischen einer ursprünglichen und einer gemeinrechtlichen Stipulation unterscheiden könnte, liegt das hier vertretene Verständnis vor dem Hintergrund seiner auch in anderen Werken wiederholten methodi-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine Definition der Stipulation 

speciem, stipulationem. Differentia quae stipulationem ab aliis verborum et quidem ore prolatorum conventionibus discernit interrogatione et responsione consistit. Cum vero responsio illa sit de dando aut faciendo, ideo tu recte eam promissionem nuncupasti. Vides ergo plane convenire definitionem tuam cum Pomponiana787, nisi quod ille genus remotius posuit, conceptionem sive formulam verborum  ; sed parum id refert cum quae sequitur differentia latitudinem hanc generis contrahat. Estque id non Iurisconsultis tantum, sed et Philosophis solenne in definitionibus uti remotiore genere  : unde Seneca dixit unius rei plures posse dari definitiones. In exprimenda differentia quod tu dixisti brevius promissionem, id Pomponius responsionem vocavit non quamvis, sed eam, qua quis se daturum aliquid facturumve respondit. Quare optime haec congruunt, cum et Pomponius responsioni vim promittendi incluserit facta dandi et faciendi mentione, et tu promissioni incluseris responsionem, quia praecessit interrogatio ad quam quod promittitur, respondendo promittitur.788

| 181

sind  : Daraufhin wird dieser Gattung der Übereinkünfte, die durch Worte zustande kommt, die Stipulation als Art (species) untergeordnet. Der Unterschied (differentia), der die Stipulation von den übrigen Übereinkünften der Worte (conventiones verborum) und auch den mit dem Mund vorgetragenen [Übereinkünften] trennt, besteht aus Frage und Antwort. Weil sich aber jene Antwort auf das bezieht, was gegeben oder getan werden muss, hast du diese Antwort daher richtigerweise zum Versprechen (promissio) erklärt. Folglich siehst du deutlich, dass deine Definition mit der des Pomponius übereinstimmt, außer dass jener eine entferntere Gattung (genus remotius) bestimmt hat, nämlich die Abfassung oder Formel der Worte (conceptio sive formulam verborum)  ; aber dies zählt wenig, weil der darauf folgende Unterschied (differentia) diese Weite der Gattung verengt. Es ist nicht nur den Rechtsgelehrten, sondern auch den Philosophen eigen, in Definitionen üblicherweise eine entferntere Gattung zu verwenden  : Und daher hat Seneca gesagt, dass für eine Sache mehrere Definitionen gegeben werden können. Was du in dem herauszuarbeitenden Unterschied kürzer als Versprechen (promissio) bezeichnet hast, das hat Pomponius nicht Antwort genannt, sondern »das, wodurch jemand antwortet, dass er irgendetwas geben oder verrichten wird«. Daher stimmen diese Definitionen bestens überein, weil auch Pomponius durch die Erwähnung des zu Gebenden oder zu Verrichtenden die Kraft des Versprechens (vis promittendi) in die Antwort (responsio) miteinbezogen hat und du die Antwort in die promissio miteinbezogen hast, weil dieser die Frage vorangegangen ist, ob versprochen werde, was durch die Antwort versprochen wird.

schen Überlegungen näher, vgl. dazu überblicksartig im Text bei Fn. 1390 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes. 787 D. 45,1,5,1 (Pomponius libro vicensimo sexto ad Sabinum)  ; vgl. Fn. 802. 788 Grotius, BW, I, S. 499 f. (num. 450).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

182 | 

Sechstes Kapitel

Hugo Grotius beginnt nach einer generellen Zustimmung zu Wilhelms Thesen damit, diesen darin zu bestärken, die Stipulation deduktiv bzw. logisch-kon­ struktiv (secundum principia) zu definieren.789 Zwar ist der vorhergehende Brief Wilhelms nicht überliefert, doch ist anzunehmen, dass dieser eine frühe ­Fassung der von Wilhelm am 23.03.1616 verteidigten disputatio de verborum ­obligationibus mit der Bitte um eine Stellungnahme enthielt. In der finalen ­Fassung der disputatio heißt es  : Stipulatio […] definitur conventio verbalis, qua aliquid interrogatur et promittitur.790

Die Stipulation […] wird als wörtliche Übereinkunft definiert, mit der etwas erfragt und versprochen wird.

Es wäre grundsätzlich denkbar, dass Wilhelm den endgültigen Wortlaut noch verändert hat, sei es aufgrund der Anmerkungen seines Bruders oder aus einem anderen Anlass. Der Wortlaut der einzelnen Thesen, auf die sich Grotius in dem Brief vom 28.02.‌1616 bezieht, muss daher nicht immer vollkommen mit dem überlieferten Wortlaut der endgültigen disputatio übereinstimmen. Allerdings fällt auf, dass Hugo Grotius den Ausdruck »wörtliche Übereinkunft« (conventio verbalis) im gesamten Brief lediglich ein einziges Mal verwendet – und zwar direkt zu Beginn. Im Anschluss spricht er, mit Ausnahme eines Ulpian-­Zitats einer »Übereinkunft durch Worte« (conventio verbis), durchgehend von einer »Übereinkunft der Worte« (conventio verborum). Grotius selbst bevorzugt augenscheinlich den letzteren Ausdruck,791 doch greift er einmalig die zuvor von ­Wilhelm 789 Diese Zweiteilung in Definitionen secundum principia und a posteriori war für Grotius’ Zeit nicht untypisch, wenngleich unterschiedliche Bezeichnungen für die beiden Definitionen verwendet werden. Erstere entspricht der scholastischen definitio essentialis, letztere der definitio descriptiva, vgl. Nobis, Definition I, 2–3, in  : HWPh, Bd. 2, Sp. 33 f. Aus den neuen Bezeichnungen spricht die auch von Grotius geteilte Präferenz für die Definition secundum principia  : So unterscheidet etwa Petrus Ramus zwischen definitio perfecta und imperfecta und Joachim Jungius zwischen definitio und descriptio. Vgl. darüber hinaus zu den Parallelen zur logischen Begründung (ratiocinatio) und zum empirischen Beweis (inductio) in der antiken Rhetorik Straumann, Grotius, S. 28–32, 110–127, 198  ; Ders., Roman Law, S. 51–55, 66–82, 225  ; sowie zu Grotius’ eigenen methodischen Ausführungen in anderen Werken überblicksartig im Text bei Fn. 1390 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes. 790 Wilhelm Grotius, De Verborum Obligationibus, These 1; abgedruckt bei Ahsmann, ­Collegium, S. 506  ; vgl. dazu auch Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 392. 791 Dabei scheint es sich um die Kombination der von Pomponius (D. 45,1,5,1) verwendeten conceptio verborum mit der von Ulpian (D. 2,14,1,3) verwendeten conventio verbis zu handeln. Die conceptio kritisiert Grotius im Brief ausdrücklich als zu weit und methodisch unsauber. Doch scheint er zumindest durch das Genetivattribut (verborum) an Pomponius’ Definition festhalten

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine Definition der Stipulation 

| 183

verwendete Formulierung auf, als er dessen Definition methodisch analysiert und in der conventio verbalis die nächsthöhere Gattung (genus proximum) ausmacht. Aus dem im Anschluss näher erörterten Vergleich zwischen der Definition Wilhelms und der des Pomponius ergibt sich zudem, dass erstere ein Versprechen (promissio) und eine Frage (interrogatio) beinhaltet.792 Hinweise auf weitere Voraussetzungen finden sich im Brief nicht. Zumindest an der zugrunde liegenden Definition der Stipulation scheint Wilhelm somit zwischen dem Brief und der disputatio nichts verändert zu haben, sodass festzuhalten ist  : Die ersten zehn Sätze des Briefes beziehen sich auf die Definition einer Stipulation als »wörtliche Übereinkunft, mit der etwas erfragt und versprochen wird« (Stipulatio […] ­definitur conventio verbalis, qua aliquid interrogatur et promittitur). Nach dem – schon aus De Iure Praedae bekannten –793 Bekenntnis zur generellen Vorzugswürdigkeit einer deduktiven Definition (secundum sua principia), zerlegt Grotius Wilhelms Definition in ihre einzelnen Aspekte. Insoweit geht er hier deutlich technischer vor als in den übrigen untersuchten Werken. Grotius bedient sich hier der auf Aristoteles zurückgehenden794 klassischen scholastischen795 Definitionsmethode,796 wonach jede Definition grundsätzlich erfordert, zunächst die n ä c h s t h ö h e r e G a t t u n g (genus proximum)797 zu benennen und anschließend den s p e z i f i s c h e n U n t e r s c h i e d (differentia)798 der ­definierten Art (species)799 herauszuarbeiten. Entsprechend erkennt Grotius in der Definition seines Bruders die nächsthöhere Gattung der Stipulation in der conventio verbalis, während der spezifische Unterschied, der sie von anderen wörtlichen Übereinkünften unterscheidet, in ihrer Zusammensetzung aus Frage (interrogatio) und Versprechen (promissio) besteht. zu wollen. Vgl. zu Grotius’ Kritik an dem Begriff der conceptio auch Fn. 803. 792 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450)  : In exprimenda differentia quod tu dixisti brevius promissionem […] et tu promissioni incluseris responsionem, quia praecessit interrogatio. 793 Vgl. Fn. 499. 794 Aristot. top. 1,8 [103b15–16]. 795 Vgl. etwa Aquinas, STh Ia qu. 3 a. 3 resp. [Bd. 4, S. 39 f.]. 796 Vgl. Nobis, Definition I, in  : HWPh, Bd. 2, Sp. 31–34. 797 Vgl. Baumgartner, Gattung  ; Genus I, in  : HWPh, Bd. 3, Sp. 24 f. Die Gattung muss das Wesen (essentia) der Art umfassen, darf darüber hinaus aber keine weiteren Merkmale (accidens) enthalten. Eben dies teilt Grotius seinem Bruder beiläufig im dritten Satz des Briefes mit  : Proximum enim genus eius non quod ab accidente sumitur, sed quod ab ipsa rei essentia, […]. Vgl. dazu auch Vollrath, Essenz  ; essentia, in  : HWPh, Bd. 2, Sp. 753–755 und Baumgartner, Accidens praedicabile, in  : HWPh, Bd. 1, Sp. 72 f. 798 Vgl. Westermann, Unterschied, spezifischer, in  : HWPh, Bd. 11, Sp. 313–325. 799 Vgl. Baumgartner, Art I, in  : HWPh, Bd. 1, Sp. 525 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

184 | 

Sechstes Kapitel

Anhand dieser beiden Merkmale, Gattung und spezifischem Unterschied, vergleicht Grotius im Anschluss Wilhelms Definition mit zwei den Digesten entnommenen Definitionen. Aus D.  2,14,1,3–4 schließt er, die Stipulation gehöre zur Gattung der Übereinkünfte durch Worte (conventiones verbis), und ergänzt den dort nicht ausdrücklich angelegten800 spezifischen Unterschied, dass sie aus einer Frage und einer Antwort bestehe. Wilhelms Definition stimme demnach mit der Definition Ulpians jedenfalls hinsichtlich der nächsthöheren Gattung, der wörtlichen Übereinkunft oder Übereinkunft durch Worte (conventio verbalis /  verbis) überein. Auch der (von Grotius ergänzte) spezifische Unterschied lasse sich jedoch mit Wilhelms Definition, die anstatt der Antwort auf ein Versprechen abstellt, vereinbaren  : Es genüge schließlich nicht jede beliebige Frage oder Antwort, sondern nur eine solche, die sich auf eine zukünftige Leistung bezieht. Demnach sei der von Wilhelm verwendete spezifische Unterschied einer ­promissio sogar genauer. Bereits hier beschränkt Grotius eine promissio somit zumindest implizit auf z u k ü n f t i g e Leistungen – eine Einschränkung, die er in späteren Werken ausdrücklich formulieren wird801. Anschließend zeigt Grotius, dass Wilhelms Definition auch mit der Definition von Pomponius zu Beginn des Wilhelms disputatio zugrunde liegenden ­Digestentitels –  De  verborum obligationibus  – vereinbar sei  : Auch diese Definition, wonach die Stipulation eine Abfassung der Worte (conceptio verborum) sei, durch die jemand antwortet, das Erfragte zu leisten,802 zerlegt Grotius in eine Angabe der Gattung, nämlich die Abfassung der Worte (conceptio verborum), und des spezifischen Unterschieds, einer Antwort, etwas zu geben oder zu verrichten (eam, qua quis se daturum aliquid facturumve respondit). Anders als Wilhelm, Ulpian und Pedius habe Pomponius mit der Abfassung der Worte (conceptio verborum) anstelle der Übereinkunft der Worte (conventio verborum) 800 D. 2,14,1,3–4 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  : Conventionis verbum generale est ad omnia pertinens, de quibus negotii contrahendi transigendique causa consentiunt qui inter se agunt […] Adeo autem conventionis nomen generale est, ut eleganter dicat Pedius nullum esse contractum, nullam obligationem, quae non habeat in se conventionem, sive re sive verbis fiat  : nam et stipulatio, quae verbis fit, nisi habeat consensum, nulla est. Sed conventionum pleraeque in aliud nomen transeunt  : veluti […] vel in stipulationem [Hervorh. d. Verf.]. 801 Vgl. zur Inleidinge im Text bei Fn. 1042, 1097 sowie zu De Iure Belli ac Pacis Fn. 1373 und im Text bei Fn. 1412, 1546. 802 D. 45,1,5,1 (Pomponius libro vicensimo sexto ad Sabinum)  : Stipulatio autem est verborum conceptio, quibus is qui interrogatur daturum facturumve se quod interrogatus est responderit  ; anders deutet dieses Digestenfragment jetzt Albers, ZRG (RA) 135 (2018), S.  345  : »ein Gefüge von Worten, a u f d i e derjenige, der gefragt wird, geantwortet hat, er werde das geben oder tun, was er gefragt war« [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. ferner auch Ders., Versprechen und Vertrag, S. 39.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine Definition der Stipulation 

| 185

nicht die nächsthöhere (genus proximum), sondern eine weiter entfernte Gattung (genus remotius) angegeben. Dies sei jedoch für sich weder ungewöhnlich noch schädlich, da Pomponius den spezifischen Unterschied umso konkreter gefasst habe. Gemeint ist wohl, dass Pomponius den spezifischen Unterschied der Übereinkunft der Worte (conventio verborum) nicht in die Gattung, sondern in die Art der Stipulation miteinbezieht. In der Tat lässt sich das Wesen der Gattung der Übereinkunft (conventio), hinsichtlich einer (gegenwärtigen oder) zukünftigen Erbringung einer Leistung übereinzustimmen, in Pomponius’ Art der stipulatio conventionalis wiederfinden.803 Dieses Element wiederhole sich zudem in der zweiten Hälfte des spezifischen Unterschieds Wilhelms, dass etwas v e r s p r o c h e n werde (promittitur), sodass die Definitionen Wilhelms und Pomponius’ auch insoweit übereinstimmten. An dieser Stelle hat Grotius sein Ziel eigentlich erreicht, die Vereinbarkeit der beiden Definitionen aufzuzeigen.804 Dabei bleibt er jedoch nicht stehen. Vielmehr betont er, die Übereinstimmung erstrecke sich auch auf die zentrale Bedeutung der der Stipulation innewohnenden Kraft des Versprechens (vis promittendi). ­Grotius geht damit über Wilhelms Definition hinaus, die sich nicht ausdrücklich mit der bindenden Wirkung der Stipulation auseinandersetzt. Für Wilhelm scheint diese wohl, genau wie für Ulpian und Pedius,805 bereits allen wörtlichen ­Übereinkünften (conventiones verbales) zuzukommen. Grotius teilt diese Ansicht, wie sich ­sogleich zeigen wird. Bevor er sich jedoch diesem Problem zuwendet (und dann von vis ­obligandi sprechen wird)806, betont er im letzten Satz des Sinnabschnitts die ­Relevanz des Versprechens, indem er die vis promittendi zur entscheidenden ­Gemeinsamkeit der Stipulationsdefinitionen Wilhelms und Pomponius’ erklärt. 803 D. 45,1,5 pr. (Pomponius libro vicensimo sexto ad Sabinum) erklärt die vertragliche Stipulation (stipulatio conventionalis) nur zu einer von mehreren Arten der Stipulation, neben stipulatio iudicalis, praetoria und communis praetoria et iudicalis. Grotius’ Kritik an der Gattung der conceptio verborum richtet sich letztlich gegen Pomponius’ Begriff der Stipulation selbst, welcher weiter als Grotius’ eigener Stipulationsbegriff ist, der lediglich vertragliche Stipulationen umfasst. Indem Grotius die Stipulation der Gattung der conventiones verborum unterstellt, stellt er Pomponius’ Ordnungsverhältnis auf den Kopf und reduziert dessen Stipulationsbegriff implizit auf die stipulatio conventionalis. 804 Ohne dass Grotius dies ausdrücklich im Brief erwähnt, liegt hierin neben der ausdrücklich verfolgten Definition secundum sua principia zugleich ein bekräftigender Beweis eben dieser durch sapientibus viris. Er geht damit ähnlich vor wie schon in De Iure Praedae, vgl. S. 137. 805 Vgl. Fn. 800. 806 Die Kraft der Verbindlichkeit (vis obligandi) beruht auf dem Recht des Schuldners, die entsprechende Leistung überhaupt versprechen zu können (ius promittendi)  ; vgl. S.  205–214. Diesen Zusammenhang nimmt Grotius hier bereits vorweg, indem er die verbindliche Wirkung der Stipulation als vis promittendi bezeichnet.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

186 | 

Sechstes Kapitel

Allerdings geht Grotius nicht so weit, das Versprechen (promissio) zur Gattung verbindlicher Abreden zu erklären. Wenngleich dies (auch) durch Wilhelms These und die konkrete Auseinandersetzung mit Ulpian und Pomponius bedingt ist, ist es dennoch von Bedeutung, dass Grotius hier die Übereinkunft der Worte (conventio verborum) zum Nukleus des Vertragsrechts macht und nicht –  wie später in der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis – das Versprechen (toezegging, promissio oder promissum). Insoweit stellt das dem Brief zugrunde liegende Vertragsverständnis eine konsequente Fortentwicklung der bereits in den früheren Werken erkennbaren Bedeutungsverlagerung von der einseitigen Willensäußerung des Schuldners (Quod se quisque velle significaverit id in eum ius est)807 in De Iure Praedae hin zur zusätzlich erforderlichen Annahme durch den Gläubiger (consensu eius cui promisit)808 in den Theses LVI dar. Dies hat unter anderem zur Folge, dass Verträge notwendig eine Willensübereinstimmung beider Parteien beinhalten (conventio)809 – was Grotius in der ­Inleidinge für die toezegging auf den ersten Blick vollkommen zu versubjektivieren, also in den Erwartungshorizont des Versprechenden zu verlagern scheint.810 In De Iure Belli ac Pacis ist das promissum zwar annahmebedürftig, doch diskutiert Grotius dies losgelöst von seiner Erörterung des Versprechens (ebenso wie die Anforderungen an eine Kundgabe) erst an späterer Stelle.811 Der Brief ist in dieser Hinsicht auch ein deutlicher Beleg gegen Nanz’ These, wonach Grotius das einseitig verpflichtende Versprechen (nur) deshalb zur Grundlage seiner späteren Vertragslehren gemacht habe, weil er »noch zu stark in den Kategorien der scholastischen Schenkungslehre befangen [war], um den (zwei­ seitigen) Vertragsbegriff zum Grundstein seiner Lehre machen zu können«812.

II. Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum In der ersten Anmerkung zur ersten These äußert Wilhelm, dass es ein interessantes Untersuchungsobjekt sei, ob die Stipulation nicht vielmehr zum Völkergemein807 Vgl. im Text bei Fn. 485. 808 Vgl. im Text bei Fn. 721 sowie dazu im Text bei Fn. 729–736. 809 Zumindest lässt Grotius die dahingehenden Überlegungen Ulpians in D.  2,14,1,3 (Ulpianus ­libro quarto ad edictum) unkommentiert stehen, als er sich mit dem unmittelbar vorangehenden und dem unmittelbar folgenden Satz, vgl. Fn. 800, beschäftigt. 810 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 10  ; vgl. dazu aber S. 244 f. 811 Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ XIV–XVI  ; vgl. dazu Fn. 1688. 812 Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 Fn. 85.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 187

recht als zum Zivilrecht gehöre,813 und bittet Hugo Grotius wohl darum, mögliche Gegenargumente vorzubringen.814 In seiner Antwort bezieht dieser die Frage auch auf das Gebiet des Naturrechts. Dazu schreibt Grotius jedoch erst im letzten Satz dieses Abschnitts  : Vidimus quod sit ius Naturae aut Gentium […].815 Zuvor spricht er vorsichtiger von der »Beschaffenheit des vernunftbegabten Geschöpfs« (conditio creaturae rationalis), welche gemeinsam mit dem primären Völkergemeinrecht die »Natur« bilde,816 oder dem »ewigen Gesetz« (lex aeterna),817 aus der bzw. dem die Übereinkünfte der Worte die Kraft der Verbindlichkeit (vis obligandi) ziehen  : Quod autem prima Thesi praesupponis, nempe quasvis verborum conventiones ex natura, hoc est, ex ipsa rationalis creaturae conditione ac proinde etiam ex Gentium Iure primario, non positivo, vim obligandi habuisse, id quanquam

Folgendes aber setzt du in der ersten These voraus, dass gewiss jegliche Übereinkünfte der Worte (conventiones verborum) aus der Natur, das bedeutet aus der Beschaffenheit des vernunftbegabten Geschöpfs selbst, und ferner auch aus dem ursprünglichen – und nicht aus dem positiven – Völkergemeinrecht die Kraft der Verbindlichkeit (vis obligandi) besessen

813 Wilhelm Grotius, De Verborum Obligationibus, These 1 a): Pacta enim verbis inita actionem non producunt, sed tantum exceptionem, l. 7. §. 4. ff. de pact secus est de jure gentium Diss. Conn. in com. de iur. civ. lib. I. c. 6. An igitur stipulatio magis jurisgentium sit quam civilis elegantis disquisitionis est, nos quid in contrarium afferri possit audiemus [Hervorh. im Orig.; abgedruckt bei Ahsmann, Collegium, S. 506]. 814 Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 392, insb. Fn. 171. 815 Vgl. im Text bei Fn. 895. 816 Für dieses Verständnis spricht Grotius’ Kommasetzung im Einleitungssatz dieses Sinnabschnitts  : […] verborum conventiones ex natura, hoc est, ex ipsa rationalis creaturae conditione ac proinde etiam ex Gentium Iure primario, non positivo, vim obligandi habuisse […]. Allerdings sollte diese in Hinblick auf seine nicht immer nachvollziehbare Auslassung von Kommata nicht überbewertet werden. Denkbar wäre auch, dass lediglich die conditio creaturae rationalis zur natura zählt, nicht aber das ius gentium primarium. Inhaltlich würde diese Interpretation nichts an der Gleichsetzung des Natur- und des primären Völkergemeinrechts ändern, jedoch hätte Grotius beide in diesem Fall noch nicht unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammengefasst. Bereits in De Iure Praedae bezeichnet Grotius das ius gentium primarium jedoch als ius naturae secundarium, vgl. Fn. 820. 817 Vgl. im Text bei Fn. 878. Der Begriff lex aeterna geht ebenso auf die Stoa zurück, vgl. Wieland, Gesetz, ewiges, in  : HWPh, Bd. 3, Sp. 514–516, wie Grotius’ vorhergehende Umschreibung des Naturrechts als conditio creaturae rationalis. Später wird lex aeterna häufig mit einer, möglicherweise nicht mit Grotius’ Naturrechtsverständnis zu vereinbarenden (vgl. dazu S. 344–355), religiösen Bedeutung verwendet, etwa Aquinas, STh Ia–IIae qu. 93 a. 1 resp. [Bd. 7, S. 162], worauf Grotius ausdrücklich im Rahmen der regula I in De Iure Praedae verweist  ; ebd., qu. 91 a. 1 resp. [Bd. 7, S. 153]. Doch wird lex aeterna auch dort stets synonym zu lex naturae bzw. naturale verwendet, es ändert sich lediglich der jeweilige Bedeutungsinhalt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

188 | 

Sechstes Kapitel

a Connano818 magna vi oppugnatur est tamen verissimum.819

haben. Obwohl dies von Connan mit großem Bemühen bestritten wird, ist es dennoch äußerst wahr.

Ähnlich wie in De  Iure Praedae820 trennt Grotius auch hier noch zwischen ­p r i m ä r e m und p o s i t i v e m Völkergemeinrecht (ex Gentium Iure primario, non positivo, vim obligandi habuisse). Eine Einteilung, die sich in der Inleidinge nicht mehr findet und die er in De Iure Belli ac Pacis ausdrücklich ablehnt. Dort hebt er die Trennung zwischen primärem Völkergemeinrecht und Naturrecht auf821 und erklärt das positive Völkergemeinrecht zum alleinigen Völkergemein­ recht822 –  ein Schritt, der nicht unerheblichen Einfluss auf seine Sicht von ­Con­nans Vertragslehre gehabt haben dürfte.823 Obwohl Grotius in dem Brief noch zwischen Naturrecht (im engeren Sinne) (rationalis creaturae conditio) und primärem Völkergemeinrecht trennt und damit begrifflich in Connans Kategorien824 denkt, lehnt er auch hier ausdrücklich dessen Position zur Verbindlichkeit von Versprechen825 bzw. Übereinkünften der Worte ab. Allerdings ist die Differenzierung zwischen Natur- und primärem Völkergemeinrecht auch im Brief bereits inhaltlich aufgehoben und allein begrifflich aufrecht erhalten  : Wilhelm hatte zuvor gefragt, ob sich die verbindliche Wirkung der Stipulation aus dem Völkergemeinrecht ergebe.826 Hugo Grotius überträgt diese Frage ins Naturrecht, indem er sie auf das primäre Völkergemeinrecht ­bezieht und dieses mit dem Naturrecht gleichsetzt oder beide jedenfalls durch­ gehend einheitlich behandelt.

818 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. II cap. III num. 2 [S. 123]. 819 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450). 820 Grotius, IPC, cap. II, fol. 6v [S. 12] (ius naturae secundarium, seu ius gentium primarium)  ; ebd., fol. 12v [S. 26] (ius mixtum ex iure gentium et civili ⟨ sive ius gentium quod recte ac proprie secundarium ⟩). 821 Grotius, IBP, lib. I cap. I § XI 1. 822 Grotius, IBP, prolegomena XVII  ; ebd., lib. I cap. I § XIV 1. 823 Vgl. dazu S. 282–302. 824 Vgl. dazu auch Fn. 167. 825 Vgl. im Text bei Fn. 167–174. 826 In Anbetracht des engen Verhältnisses und regen Austausches der Brüder erscheint es zudem unwahrscheinlich, dass Wilhelm nicht mit der in De Iure Praedae vorgenommenen Differenzierung in ius naturae, ius naturae secundarium seu ius gentium primarium und ius gentium secundarium vertraut gewesen sein sollte. Wahrscheinlicher ist es, dass Wilhelm sich zumindest auch auf die zweite Kategorie bezieht und Hugo Grotius in dem Brief ebenfalls in diesen Kategorien denkt, wenngleich er die Begriffe, anders als in De Iure Praedae (ius naturae secundarium seu ius gentium primarium), nicht ausdrücklich gleichsetzt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 189

Zur Bestätigung dafür, dass Übereinkünfte der Worte (conventiones verborum) die Kraft der Verbindlichkeit (vis obligandi) bereits aus dem Natur- und primären Völkergemeinrecht erhalten, referiert Grotius fast wörtlich seine Ausführungen zur regula III aus De Iure Praedae827  : Ipse enim Ulpianus agnovit naturalem aequitatem hoc dictare, ut quae inter aliquos placuerunt serventur.828 Fundamentum, inquit Cicero iustitiae est fides, id est, dictorum conventorumque constantia et veritas  :829 cuius fidei originem inde deducit quod fiat quod dictum est. Platonici quoque saepissime iustitiam vocant ἀλήθειαν, et Simonides830 iustitiam definivit, verum dicere et acceptum reddere  : ostendens nimirum iustum sive aequale illud quod iustitia respicit esse duplex, alterum ex rebus, alterum ex condicto.831

Denn Ulpian selbst hat zugegeben, dass die natürliche Billigkeit (aequitas) dies vorschreibt, sodass gehalten werden muss, was zwischen irgendwelchen Personen verabredet wurde. Cicero sagt  : Die Grundlage der Gerechtigkeit ist die Treue (fides), das bedeutet die Beständigkeit (constantia) und Wahrheit (veritas) des Gesagten und der Übereinkünfte. Dann hat er den Ursprung dieser Treue so hergeleitet, dass das geschehen soll, was gesagt worden ist. Die Platoniker nennen die Gerechtigkeit am häufigsten auch Wahrheit (ἀλήθειαν) und Simonides hat die Gerechtigkeit so bestimmt, Wahres zu sagen und Angenommenes zu vergelten  : Er erklärt, dass zweifelsohne jenes Gerechte oder Gleiche, was die Gerechtigkeit berücksichtigt, zweifach existiert, einerseits in den Dingen (res), andererseits in dem Verabredeten (condictum).

Das fast wörtlich wiedergegebene Ulpian-Zitat zu dem aus der naturalis aequitas832 827 Vgl. im Text bei Fn. 485, 533. 828 Grotius zitiert fast wörtlich D. 2,14,1 pr. (Ulpianus libro quarto ad edictum)  : Huius edicti aequitas naturalis est. quid enim tam congruum fidei humanae, quam ea quae inter eos placuerunt servare  ?. Dabei spart er bemerkenswerterweise den Hinweis auf die fides humana aus, obwohl er im folgenden Satz ein Cicero-Zitat anschließt, welches ebenfalls die fides thematisiert. 829 Cic. off. 1,23. 830 Plat. rep. 1,5 [331c–d]  ; vgl. dazu auch Fn. 536. 831 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450). 832 In dieser Bezugnahme auf die Verwendung von naturalis aequitas in D. 2,14,1 pr. und dem sogleich von Grotius zitierten Fragment D. 4,4,1, vgl. im Text bei Fn. 917, will Schotte, Aequitas, S. 64 f., 71, ein auch der Vertragstreue zugrunde liegendes Grundprinzip der aequitas bei Grotius erkennen. Dies erscheint im Ergebnis wenig überzeugend, da sich der Ausdruck aequitas bei Grotius (zumindest im vertraglichen Kontext) gerade nur bei der Wiedergabe von D. 2,14,1 pr., D. 4,4,1 und D. 13,5,1 pr., vgl. im Text bei Fn. 485, 808, 916, 1343 sowie einmalig als Übersetzung eines hebräischen Ausdrucks, vgl. im Text bei Fn. 1457, nicht aber in seinen eigenen Gedanken findet. Die Auswahl dieser von naturalis aequitas sprechenden Fragmente dürfte eher dem darin angelegten Naturrechtsgedanken als einem spezifischen Konzept der aequitas geschuldet sein, zumal Grotius neben aequitas auch iustitia als Übersetzung desselben hebräischen Begriffes anführt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

190 | 

Sechstes Kapitel

folgenden Gebot, Verträge zu erfüllen, wurde bereits von Wesenbeck gegen ­Connans Position angeführt.833 Zudem steht es in den Digesten in ­unmittelbarem räumlichem und inhaltlichem Zusammenhang zu Ulpians zuvor thematisierter Definition der conventio verbis. Wenngleich Grotius es bereits in De Iure Praedae paraphrasiert,834 liegt es dennoch nahe, dass er während der ­Analyse dieser Defini­ tion (erneut) darauf gestoßen und es sogleich zur Bekräftigung des consensus omnium aufgenommen haben dürfte. Umso erstaunlicher ist allerdings, dass Grotius – anders als Wesenbeck – gerade Ulpians Bezug auf die fides humana835 ausspart, obwohl er diese im anschließenden Cicero-Zitat aufgreift. Demnach sei fides, als Grundlage der Gerechtigkeit, die Beständigkeit und Wahrheit des Gesag­ ten und der Übereinkünfte (fides, id est, dictorum conventorumque constantia et veritas). Schon in De  Iure Praedae bemüht Grotius den Beginn dieses Zitats ­(fundamentum iustitiae est fides) als Beleg für die regula III. Nachdem er bereits mit seiner Gleichsetzung der conventio verbalis, conventio verbis und conventio verborum eine gewisse terminologische Flexibilität gezeigt hat, liegt es nahe, dass er den in De Iure Praedae fehlenden zweiten Teil des Zitats hier ganz bewusst aufgrund des Bezugs auf eine Übereinkunft (conventum) ergänzt. Die Kernaussage des Cicero-Zitats verfolgt Grotius anschließend mit dem ebenfalls aus De Iure Praedae übernommenen Verweis auf die Gleichsetzung von Gerechtigkeit (iustitia) und Wahrheit (ἀλήθειαν) durch nicht näher genannte Platoniker und der Zweiteilung der Gerechtigkeit durch Simonides  : Ein Aspekt der Gerechtigkeit sei demnach, die Wahrheit zu sagen, ein anderer, Angenommenes zu vergelten. Letzterer Gerechtigkeitsaspekt folge aus den Dingen (ex rebus), ersterer aus dem Verabredeten (ex condicto). Die Simonides-Paraphrase stellt den einzigen Bezug auf Austauschverhältnisse in dem Brief dar. Dass die iustitia (compensatrix) hier im Gegensatz zu De Iure Praedae und den Theses LVI kaum Erwähnung findet, erklärt sich aus dem Untersuchungsgegenstand der Stipulation. Im folgenden Satz reduziert Grotius den Anwendungsbereich der Austauschgerechtigkeit (acceptum reddere) zudem auf die Sachhingabe (ex rebus) und stellt ihr die fides (verum dicere) aus Abreden (ex condicto) gegenüber. Dieser Satz stellt gegenüber De Iure Praedae eine Neuerung dar. Grotius scheint insoweit die Auslegung der Definition des Simonides in

833 Vgl. Fn. 194. 834 Vgl. im Text bei Fn. 485. 835 D. 2,14,1 pr. (Ulpianus libro quarto ad edictum)  : Huius edicti aequitas naturalis est. quid enim tam congruum fidei humanae, quam ea quae inter eos placuerunt servare  ? [Hervorh. d. Verf.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 191

­Platons Politeia zu paraphrasieren.836 Zugleich erinnert der Satz jedoch auffällig an die Zweiteilung der Geltungsgründe von Pflichten bzw. Verbindlichkeiten in den Theses LVI in ex facto ratione iustitiae837 und ex indicato ratione fidei838. Dabei scheint die fides der iustitia hier, anders als in De Iure Praedae und deutlicher als in den Theses LVI839, gleichwertig gegenüberzustehen. Der Hinweis auf die Gleichsetzung von Wahrheit und Gerechtigkeit durch ungenannte Platoniker erweckt wie schon in De Iure Praedae den Eindruck, die naturrechtliche Wirksamkeit der Übereinkünfte der Worte (conventiones verborum) sei eine Folge eines ethischen Verbots der Lüge. Bei Cicero und Simonides klingt jedoch ein weiterer Aspekt an  : das Festhalten an der vertraglichen Abrede. Besonders deutlich wird dies in Ciceros –  gegenüber De  Iure Praedae erstmals wiedergegebener – etymologischer Herleitung840 des Wortes fides, dass das Versprochene umgesetzt werden müsse (quod fiat quod dictum est). Simonides wiederum habe (nach Grotius’ Paraphrase) unmittelbar das Verabredete (condictum) zur Quelle eines Teilaspekts der Gerechtigkeit erklärt. Im Kontext dieses Briefes, der Vorbereitung Wilhelms auf dessen disputatio zu Verbalobligationen im römischen Recht, erscheint die Überzeugungskraft dieser moralphilosophischen Ausführungen ungewiss.841 Später wird Grotius sie in De  Iure Belli ac Pacis erneut wiederholen, wo sie noch deutlicher als in De  Iure Praedae in einem naturrechtlichen Gesamtkonstrukt stehen, welches ausdrücklich auch nichtjuristische Quellen als Indizien naturrechtlicher Normen akzeptiert.842 Im Brief fehlt eine vergleichbare Einbettung. Den einzigen 836 Vgl. Plat. rep. 1,5 [331e–333a]. Dort unterscheidet Polemarchos zwischen der Rückgabe des Geschuldeten bzw. in Verwahrung Genommenen (παρακαταθεμένου) einerseits und Abreden (συμβόλαια bzw. κοινωνήματα) andererseits. Zwar führt Grotius hier keine Quelle an, doch stützt er die Gerechtigkeitsdefinition des Simonides als acceptum reddere und verum dicere in De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis jeweils auf Plat. rep. 1,5 [331c–d]. 837 Vgl. Fn. 713 und im Text bei Fn. 742 sowie ferner die Umschreibung respectu ad factum aliquod antecedens im Text bei Fn. 721. 838 Vgl. Fn. 713 und im Text bei Fn. 754 sowie ferner die Umschreibung consensu im Text bei Fn. 721. 839 Dort stellt Grotius die Gleichrangigkeit der beiden Geltungsgründe erst im Wege einer nachträglichen Überarbeitung der Formulierungen heraus, vgl. dazu im Text bei Fn. 713–715. 840 Vgl. dazu auch Gloyna, Treue, in  : HWPh, Bd.  10, Sp.  1473  ; Behrends, Treu und Glauben, S. 974–979. 841 Der Wilhelms disputatio vorsitzende Professor Cornelius Sylvius, vgl. Fn. 777, dürfte für diese Art von Argumenten tendenziell aufgeschlossen gewesen sein. In seinen erhaltenen Vorlesungsmaterialien zitiert er neben dem Corpus Iuris Civilis auch zeitgenössische humanistische Autoren (Conrad Wolf, Mynsinger, Gothofredus, Wesenbeck und Vultejus, vgl. dazu Ahsmann, Collegium, S. 468). 842 Vgl. S. 282–302, 355–359.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

192 | 

Sechstes Kapitel

Anknüpfungspunkt zwischen diesen ethischen Ausführungen und der zugrunde liegenden (römisch-)‌rechtlichen Perspektive bildet das vorangehende Ulpian-­ Zitat zur natürlichen Billigkeit (aequitas naturalis). Auch Grotius sucht augenscheinlich in den folgenden Sätzen wieder eine nähere Anbindung an die Quellen des römischen Rechts. Dabei geht er jedoch ganz anders vor als etwa Wesenbeck, der sich als einer der Ersten darum bemüht, Connans These der naturrechtlichen Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden zu widerlegen.843 Dieser begegnet Connan durch eine Auflistung von Digestenfragmenten, die das Entstehen einer naturalis obligatio aus pacta nuda belegen sollen.844 Grotius hingegen versucht die traditionelle Ansicht nicht ­unmittelbar im Ergebnis, d.  h. das Bestehen einer naturalis obligatio, gegen Connans Angriff zu verteidigen, sondern begegnet ihm auf Grundlage seines bereits in De Iure Praedae und den Theses LVI entwickelten Verständnisses von libertas und dominium845 vielmehr auf inhaltlicher Ebene  : Et sane cum unusquisque suarum rerum atque actionum sit dominus, aut ut iura loquuntur, moderator et arbiter,846 quid est aequius quam ut de suo aliquid statuentis rata sit voluntas  ? Instit. de Rerum Div. §. traditur847  ; aut quod potest esse signum voluntatis magis naturale quam vox, quae est ὄργανον κοινωνητικὸν τῆς

Und da in der Tat jeder Einzelne der Herr seiner Dinge (res) und Taten (actiones) ist oder, wie die Rechte sagen, Vermittler und Entscheider, was ist da billiger, als dass bei der Bestimmung über etwas eigenes dem Willen entsprochen werde  ? Das wird in den Institutionen (Inst. 2,1,40) überliefert. Oder was kann mehr natürliches Zeichen des Willens (signum voluntatis) sein als die Sprache, welche das sozialste Instrument des menschlichen Wesens ist (ὄργανον κοινωνητικὸν τῆς ἀνθρωπίνης ϕύσεως)  ?

843 Dies ist nicht zuletzt deshalb überraschend, weil an der Universität Leiden ein Schüler Wesenbecks dessen Paratitla lehrte, vgl. S. 55, was Grotius sowohl aus seiner eigenen Studienzeit als auch durch seine spätere Involvierung in die Hochschulpolitik bekannt gewesen sein könnte, sodass es naheliegend gewesen wäre, die Paratitla für diese Frage heranzuziehen, zumal Grotius jedenfalls zwei Jahre später ein Exemplar besaß, vgl. S. 55. 844 Vgl. im Text bei Fn. 192–201. 845 Vgl. S. 130–150, insb. im Text bei Fn. 533. 846 C. 4,35,21 (Imperator Constantinus A. Volusiano)  : […] nam suae quidem quisque rei moderator atque arbiter non omnia negotia, sed pleraque ex proprio animo facit […] [Hervorh. d. Verf.] Diese Constitutio betrifft ausschließlich das mandatum, jedoch bemüht bereits Bartolus dieses Fragment in dem Kontext des dominium  ; vgl. S. 138 f.; vgl. zur Vorgeschichte dieses Arguments seit Bartolus Schermaier, ZRG (RA) 134 (2017), S. 81–83. 847 Inst. 2,1,40  : Per traditionem quoque iure naturali res nobis adquiruntur  : nihil enim tam conveniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, volentis rem suam in alium transferre, ratam haberi. […] [Hervorh. d. Verf.]. Bereits Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 266 num. 9

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

ἀνθρωπίνης ϕύσεως  ?848 Neque enim difficilius esse debet semet obstringere quam rem suam facere alienam, quod cuivis sine respectu causae antecedentis licet  : unde donationum origo est.849

| 193

Denn es darf nicht schwerer sein, sich zu verpflichten, als seine Sache zu einer fremden zu machen, was jedem ohne Rücksicht auf eine vorausgehende Gegenleistung (causa antecedens) erlaubt ist  : Daher ist es der Ursprung der Schenkungen.

Um die verpflichtende Wirkung von Versprechen (vis promittendi oder vis ­obligandi) zu begründen, greift Grotius – wie schon in De Iure Praedae850 und den Theses LVI851 – auf die Idee des dominium actionum suarum852 zurück. A ­ nders als in De Iure Praedae verschweigt er hier die Anleihen an der scholas­tischen Tradition und beruft sich stattdessen lediglich unmittelbar auf das ­römische Recht. Inhaltlich entspricht die Passage jedoch der in De Iure Praedae und den Th ­ eses LVI vorgetragenen Argumentation, einschließlich der besonderen Betonung der Bedeutung der Willensäußerung (signum voluntatis, indicium ­voluntatis bzw. ­significatio voluntatis),853 der Metapher der Sprache als besonderes Instrument und der Unabhängigkeit von einer causa antecedens854. Deutlicher noch als in den Theses  LVI geht Grotius hier in einem wesent­ lichen Punkt über die Vorlage in De  Iure Praedae hinaus  : Dort beschränkt er sich darauf, die Vergleichbarkeit von dominium an res und an actiones855 festzustellen und die Übertragbarkeit des dominium an actiones lediglich verein[Sp. 64], begründet die naturrechtliche Verbindlichkeit von Versprechen durch bloße Absicht sich zu binden und zu versprechen durch einen Vergleich mit der Übereignung und unter Berufung auf diese Institutionenstelle, vgl. im Text bei Fn. 607. 848 Bei der griechischen Wendung (vox, quae est) ὄργανον κοινωνητικὸν τῆς ἀνθρωπίνης ϕύσεως, für die Grotius keine Quelle benennt, scheint es sich nicht um ein wörtliches Zitat, sondern vielmehr eine Paraphrase von Aristot. pol. 1,2 [1253a14–18] zu handeln. Eben diese Passage paraphrasiert Grotius (allerdings auf Latein) bereits in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 506. 849 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450). 850 Vgl. dazu S. 131–142. 851 Dort als ius in actiones suas, vgl. dazu Fn. 683. 852 Vgl. zur Gleichbehandlung von dominium und libertas im Brief vom 28.02.‌1616 auch im Text bei Fn. 917. 853 Vgl. zur significatio voluntatis in De Iure Praedae S. 121–125 sowie im Text bei Fn. 496 bis einschließlich des auf Fn. 498 folgenden Absatzes  ; vgl. zum indicium voluntatis in den Theses LVI S. 162–167. 854 Vgl. insoweit in den Theses LVI die These 4, im Text bei Fn. 721  : […] nullo habito respectu ad factum aliquod antecedens […]  ; sowie ferner zu den Hintergründen der causa antecedens in mittelalterlichen Vertragslehren im Text bei Fn. 127. 855 Anders als in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 582, und De Iure Belli ac Pacis, vgl. im Text bei Fn. 1507, verzichtet Grotius hier allerdings darauf, dieses als libertas auch zu bezeichnen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

194 | 

Sechstes Kapitel

zelt anzudeuten.856 In den Theses LVI spricht er stets einheitlich von dem ius in ­actiones et res suas, welches aufgegeben und wohl auch übertragen werden kann, ohne dies weiter zu begründen.857 Hier impliziert er nicht nur die generelle Übertragbarkeit des dominium an actiones, sondern schließt aus der generellen Vergleichbarkeit mit dem dominium an res zudem, dass die Eingehung einer Verbindlichkeit unter ähnlichen Voraussetzungen möglich sein müsse, wie die Übertragung von dominium (neque difficilius esse).858 Zudem setzt er an späterer Stelle im Brief die Eingehung einer Verbindlichkeit ausdrücklich mit der Übertragung von libertas gleich.859 Für die spezifisch juristischen Adressaten der disputatio seines Bruders untermauert Grotius die in De Iure Praedae angelegte und in den Theses LVI statuierte Übertragbarkeit des Rechts an eigenen Handlungen (libertas  ; ius in actiones suas  ; dominium actionum suarum) unter Bezug auf das juristische Axiom der Übertragbarkeit des dominium an res. Wenngleich es Grotius hier unmittelbar noch um die Ve r p f l i c h t u n g d e s S c h u l d n e r s (vis obligandi) geht, liegt in dieser ausdrücklichen Konstruktion im Wege einer Übertragung wie schon in den Theses LVI zugleich eine Vorentscheidung für die in De Iure Praedae letztlich zu verneinende Frage, ob aus der fides in Gestalt der regula III auch ein A n s p r u c h d e s G l ä u b i g e r s folgt. Damit vollendet Grotius die in De Iure Praedae zumindest angelegte und in den Theses  LVI negativ formulierte –  von Tuck zu Recht als wesentliche Neuerung erkannte  –860 Neukonstruktion vertraglicher Verbindlichkeit durch Verwendung bis dahin zur Rechtfertigung des Eigentums verwendeter Topoi hier auch für die Perspektive des Gläubigers. Statt den Vergleich zwischen dominium an res und an actiones wie bisher als Beweis der Entscheidungsfreiheit oder aber als Rechtfertigung für das dominium an res heranzuziehen, nutzt Grotius den Vergleich im Ergebnis zu einer konzeptionellen Verdinglichung der Entscheidungsfreiheit über die Vornahme oder Nichtvornahme einer konkreten Handlung. Das daran bestehende Recht kann dann unter ähnlichen Voraussetzungen wie ein dingliches Recht übertragen werden, sodass dem Dritten die Entscheidungsfreiheit über die (Nicht-)‌Vornahme der geschuldeten Handlung zusteht. 856 Vgl. S. 141–143, 147. 857 Vgl. S. 159 f. 858 Zu den konkreten Voraussetzungen vgl. im Text bei Fn. 917. 859 Ebd. 860 Tuck, Natural Rights, S. 60, der sich jedoch ausschließlich auf De Iure Praedae bezieht und den Entwicklungsstand dieser Idee dort, wohl auch mangels eines Vergleichs zu den Theses LVI und dem Brief, überschätzt. Vgl. außerdem im Text bei Fn. 247, 606–608 zu einer Passage bei Molina, in der dieser Gedanke zumindest unbewusst angelegt sein mag.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 195

Durch diese Konstruktion lässt sich die Geltung von Verträgen jedenfalls grundsätzlich unabhängig von dem Erfordernis eines Austauschverhältnisses, dem positiven Recht oder der Glaubenstreue des Menschen gegenüber Gott begründen. Damit ist das Verständnis vertraglicher Bindung als Übertragung der Entscheidungs- oder Willensfreiheit prädestiniert für das von Grotius in allen untersuchten völkerrechtlichen Werken verfolgte Ziel, die Geltung staatsbegründender, internationaler und interreligiöser Verträge unabhängig von der Erbringung einer Leistung im Austauschverhältnis oder der Glaubensrichtung der Parteien zu begründen861. Der Brief zeigt jedoch, ebenso wie später auch die Inleidinge, dass dieser Konstruktion vertraglicher Geltung nicht nur eine legitimierende Funktion zukommt, sondern dass Grotius sie auch jenseits eines staats- oder völkerrecht­ lichen Kontextes – wie hier zur Begründung der Stipulation – heranzieht. Allerdings ist diese auf die Willensfreiheit des Menschen gestützte Konstruktion vor dem Hintergrund des zu dieser Zeit in den Niederlanden – und gerade auch an der Universität Leiden  –862 zwischen Remonstranten und Contraremonstranten vehement geführten Prädestinationsstreits863 und der damit einhergehenden Ablehnung jeglicher menschlichen Willensfreiheit durch letztere überaus angreifbar. Grotius selbst arbeitete zu der Zeit, als er den hier untersuchten Brief verfasste, unter anderem an der erstmals 1617 erschienenen Defensio fidei catholicae 861 Vgl. zum Parallelon Rerumpublicarum im Text bei Fn. 350  ; vgl. zu De Iure Praedae Fn. 527, 580, 609  ; vgl. zu den Theses LVI die in Fn. 1292 wiedergegebene Thesis 21  ; vgl. zu De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1285. 862 Der Wilhelms disputatio vorsitzende Professor Cornelius Sylvius, vgl. Fn. 777, wurde 1619 selbst im Rahmen einer contraremonstrantischen Säuberungswelle der Universität entlassen, vgl. Ahsmann, Collegium, S. 470. Daher erscheint es eher unwahrscheinlich, dass er einer auf der Prämisse menschlicher Willensfreiheit basierenden Konstruktion allein deshalb ablehnend gegenübergestanden hätte. Ob Grotius von der personellen Zusammensetzung der Prüfungskommission und deren Positionierung im Prädestinationsstreit Kenntnis hatte, erscheint fraglich. In Anbetracht der zentralen Stellung der (Theologischen Fakultät der) Universität Leiden in dem Streit und Grotius’ Involvierung auf politischer Ebene, vgl. Fn. 260, 263 und Nellen, Grotius, S. 127–132, 136 f., 148 f., 193 f., dürfte er aber zumindest für die politische Dimension seiner auf (der Übertragung) der Willensfreiheit aufbauenden Konstruktion sensibilisiert gewesen sein. 863 Vgl. zu den Hintergründen allgemein Eyffinger, Dutch Period, S. 17 f.; Boisen, Predestination, S. 221 f., 224–226, 236 f.; van Gelderen, Arminian trouble, S. 21–24  ; Ders., Freedom Fighters, S. 158–160  ; Ders., Hot Protestants, insb. S. 131–138  ; Nijman, Imago Dei, S. 92 f.; Pesch, Wille /  Willensfreiheit III, in  : TRE, Bd. 36, S. 90 f.; Schlüter, Grotius, S. 74–86  ; Strohm, EvTh 69,2 (2009), S. 92 f.; ferner auch Krogh-Tonning, Grotius, S. 26 f.; Vreeland, Grotius, S. 69 f.; sowie insb. zur politischen Dimension dieses Konflikts und Grotius’ Rolle darin van Nifterik, Grotiana 32 (2011), S. 1–19, S. 4, 7–9  ; Rabbie, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004)  ; Tuck, Philosophy, S. 181–185  ; Waszink, University, S. 155–158.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

196 | 

Sechstes Kapitel

de  Satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem,864 welche zumindest auch als Erwiderung auf die Kritik an seinem 1613 erschienenen Ordinum Hollandiae et Westfrisicae Pietas gedacht war.865 Ein näherer Vergleich dieser und anderer religiöser Werke zeigt, dass er die heiklen Themen wie P r ä d e s t i n a t i o n oder G n a d e n s t r e i t in den etwa zeitgleich mit dem hier untersuchten Brief entstandenen Schriften meidet, obwohl er in Ordinum Pietas und dem wohl noch älteren Meletius ausdrücklich aus theologischer Perspektive Position zu diesen bezogen hatte.866 Ebenfalls 1613 hatte er zudem noch versucht, den ­englischen König James  I. von der Existenz menschlicher Willensfreiheit zu überzeugen, um ihn anschließend im Auftrag Oldenbarnevelts zu einer Parteinahme im sich abzeichnenden niederländischen Glaubensstreit zu bewegen.867 Vor diesem Hintergrund vermag es kaum zu überraschen, dass sich Grotius im Brief vom 28.02.‌1616 darum bemüht, seinem Bruder im Anschluss an die zumindest implizit auf der Annahme menschlicher Willensfreiheit aufbauende Konstruktion auch unverfänglichere Argumente für dessen disputatio exercitii gratia an die Hand zu geben. Dies gilt umso mehr, da Grotius auch in anderen Werken bei der Auswahl und Darstellung seiner Argumente auf die Perspektive der erwarteten Adressaten Rücksicht zu nehmen scheint.868 Quod pagani ex naturae lumine viderunt, id nos non videre magnus sit pudor, praesertim cum maius lumen, vox divina scilicet, viri boni officia describens Psalmo XV. hoc quoque addat, quod in damnum quoque suum pollicitus aliquid aut iuratus – ut alii transferunt – fidem promissi impleat nihil demutans.869

Dies haben die Paganen aus der Klarheit der Natur erkannt, und es ist daher eine große Schande, dass wir es nicht sehen, besonders weil die größere Klarheit, nämlich die göttliche Stimme, welche die Pflichten des guten Mannes in Psalm 15 beschreibt, auch dieses hinzufügt, dass er auch zu seinem Nachteil, nachdem er irgendetwas versprochen oder geschworen hat (wie andere es übersetzen), die Treue des Versprechens erfüllen soll, indem er von nichts abweicht.

864 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von De Satisfactione Nellen, Grotius, S. 233–238 m. w. N. 865 Vgl. im Text bei Fn. 267 f. 866 So auch Blom, Religion, S.  89  ; vgl. Fn.  268 m.  w.  N.; ferner Boisen, Predestination, S.  229  ; ­Nellen, Life and Intellectual Development, S. 24. 867 Vgl. Dunthorne, Grotiana 34 (2013), S.  108–111  ; sowie im Detail Rabbie, Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 28–39 m. w. N. 868 Vgl. etwa zu De Iure Praedae, Mare Liberum und der Defensio capitis quinti Maris Liberi Fn. 592. Auch in anderen (zwischen 1609 und 1618) verfassten Briefen unterscheidet sich Grotius’ Ton und Wortwahl je nach Adressaten, wie van Dam, Breasting the Waves, S. 458–460, bemerkt. 869 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 197

Indem Grotius hier und im Folgenden mehrere Bibelverse als Belege für die Verbindlichkeit von Ve r s p r e c h e n 870 anführt, folgt er der schon in De Iure Praedae beschriebenen Methode, das deduktiv Bewiesene anschließend sacra auctoritate abzusichern871. Dabei äußert er sich jedoch nicht ausdrücklich zum Verhältnis zwischen Versprechen (promissum) und Übereinkunft der Worte (conventio verborum). Es bleibt daher unklar, ob er das Versprechen, wie schon im Rahmen der Analyse der verschiedenen Definitionen der Stipulation,872 mit der einseitigen Erklärung des Schuldners oder aber mit der gesamten Übereinkunft gleichsetzt. Zunächst führt Grotius Psalm 15 als Beleg für die Verbindlichkeit an. Bereits in den Theses LVI findet sich zu der für das Vertragsverständnis zentralen These 4 die Randnotiz Prob[atur] Psal[mus] 15.4.873 Im Brief richtet sich der Verweis zwar pauschal auf Psalm 15, doch paraphrasiert Grotius anschließend lediglich Vers 4.874 Mit diesem kann er ausdrücklich belegen, was er im Parallelon Rerum­ publicarum an den Kapitulationsbedingungen von Emmerich und Snaaskerke gezeigt875 und in De Iure Praedae am Ende der Erörterungen über libertas und dominium als unmittelbaren Ursprung der regula III statuiert876 hat  : Versprechen binden ausdrücklich unbeschadet eines entgegenstehenden eigenen N ­ utzens der Nichterfüllung. Anschließend greift Grotius seine anfängliche Differenzierung der Ausgangsthese wieder auf, wonach die Versprechensbindung (vis obligandi) aus der Natur 870 Dass aus einer promissio auch ein Recht des Gläubigers folgt, hat Grotius bereits in dem zeitgleich mit dem Brief verfassten, vgl. Nellen, Grotius, S. 233, 235, theologischen Werk De Satisfactione mehrfach ausdrücklich formuliert, vgl. etwa Grotius, SC, cap. III § 8 (promissio autem ius dat parti quod ab ea auferri sine iniuria non est potest)  ; ebd., § 10 (ex promissione ius aliquod acquiritur ei cui facta est promissio). 871 Vgl. Fn. 499. 872 Vgl. im Text bei Fn. 787 und dazu S. 183–185. 873 Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Randnotiz zur Thesis 4. 874 Ps. 15 (14),4  : ὁ ὀμνύων τῷ πλησίον αὐτοῦ καὶ οὐκ ἀθετῶν [Septuaginta]  ; Qui iurat proximo suo et non decipit [Vulgata]  ; Qui iuravit in detrimentum suum et non mutat [Nova Vulgata]. Grotius’ lateinische Paraphrase quod in damnum quoque suum pollicitus aliquid aut iuratus – ut alii transferunt – fidem promissi impleat nihil demutans kommt dem Wortlaut der Nova Vulgata auffällig nahe, welche zwar 1616 noch nicht existierte aber ihrerseits Vorläufer gehabt haben dürfte. Dies zeigt sich etwa in Grotius, AVT, ad psalm XV [Bd.  1, S.  445], wo Grotius den Wortlaut der Vulgata zugrunde legt, aber anschließend ebenfalls darauf verweist, dass »andere« qui iuraverit se affligere et non mutat übersetzen. Vgl. zu Grotius’ textkritischer Herangehensweise in den Bibelkommentaren auch de Jonge, Interpreter, S. 62–64  ; Reventlow, Bibelauslegung, S. 216–221  ; Wolf, Rechtsdenker, S. 292 f. 875 Vgl. im Text bei Fn. 350, 366. 876 Vgl. im Text bei Fn. 619  ; zum Verhältnis zur regula III auch Fn. 548 und im Text bei Fn. 622.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

198 | 

Sechstes Kapitel

bzw. aus der Beschaffenheit vernunftbegabter Geschöpfe folge (ex natura, hoc est, ex ipsa rationalis creaturae conditione ac […]877)  : Quin si subtilius aliquanto rem lubet intueri non ex sola proprietate creaturae rationalis, sed ex eo quod omni naturae rationali commune est, nascitur vinculum promissionis. Nam et homo quod Deo promittit tenetur praestare, unde votorum origo  ; et Deus ipse manifeste satis ostendit suae quoque naturae esse conveniens stare promissis. Itaque non veretur ad Hebraeos Apostolus dicere iniustum fore Deum nisi promissa praestaret, Hebr. VI, 10. Et non multo post X, 23  : Fidelis est, inquit, qui promisit. Unde apparet ius hoc quo ad implenda promissa obstringimur ex aeterna lege, hoc est ipsius Dei natura, proficisci, ad cuius imaginem homo est conditus.878

Wenn man die Sache noch genauer betrachtet, entsteht die Fessel des Versprechens (vinculum promissionis) nicht allein aus der Eigenheit des vernunftbegabten Geschöpfs, sondern aus dem, was aller vernunftbegabten Natur gemein ist. Denn auch der Mensch wird verpflichtet zu erfüllen, was er Gott verspricht, daher stammt der Ursprung der Gelübde (vota)  ; und Gott selbst erklärt deutlich genug, dass es auch seiner Natur eigen ist, für Versprechen (promissa) einzustehen. Deshalb scheut sich der Apostel in Hebr. 6,10 nicht zu den Hebräern zu sagen, dass Gott ungerecht wäre, wenn er Versprechen nicht erfüllen würde. Und wenig später sagt er in Hebr. 10,23  : Treu ist derjenige, der versprochen hat. Daher ist es offensichtlich, dass dieses Recht, wodurch wir zur Erfüllung von Versprechen (promissa) verpflichtet werden, seinen Ursprung in dem ewigen Gesetz (lex aeterna) hat, welches die Natur Gottes selbst ist, nach dessen Bild der Mensch geschaffen worden ist.

Während Psalm 15 bereits in den Theses LVI als Beleg angeführt wird, sich der dahinterstehende Gedanke auch im Parallelon Rerumpublicarum und De  Iure ­Praedae findet und die vorhergehenden Abschnitte879 stellenweise nahezu wortwörtlich aus De Iure Praedae übernommen wurden, finden sich zu diesem ­Abschnitt keine Parallelen in den früheren Werken.880 Unmittelbar zu Beginn dieses Abschnitts geht Grotius über das Naturrechtsverständnis von De Iure Praedae hinaus  : Während die Versprechensbindung dort als regula III letztlich auf den göttlichen Willen (Dei voluntas) bzw. die Intention

877 Vgl. im Text bei Fn. 819. 878 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450). 879 Vgl. im Text bei Fn. 831, 849. 880 Auch die angeführten Bibelverse finden sich dort nicht. Während das Parallelon Rerumpublicarum keine Verweise enthält, verweist Grotius in De Iure Praedae im Kontext der regula III und ihrer Herleitung aus libertas und dominium lediglich auf Rom. 1,31, vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 10v [S. 19 Fn. 2].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 199

der Schöpfung (intentio creantis) in Gestalt der regula I zurückgeht,881 folgt sie hier nicht nur aus der Natur der vernunftbegabten G e s c h ö p f e , sondern vielmehr aus der vernunftbegabten Natur selbst. Dass es sich dabei keinesfalls um eine Tautologie handelt, zeigt der nächste Satz  : Augenscheinlich ist Grotius darum bemüht, Gott als Schöpfer nicht unter creatura zu subsumieren. Auch dessen Natur entspreche es jedoch, ebenso wie der des Menschen, für Versprechen einzustehen. Als Belege führt Grotius zwei Verse aus dem Hebräerbrief an, die jeweils den Alten bzw. den Neuen Bund und damit das mit dem Prädestinationsstreit eng verbundene Problem des Verhältnisses zwischen göttlicher Gnade und menschlichem Verdienst betreffen  : Stellt die Erlösung eine vertragliche Gegenleistung Gottes für ein sündenfreies Leben des Menschen dar oder wird sie vielmehr ausschließlich aufgrund göttlicher Gnade gewährt  ?882 Sowohl in der Spätscholastik als auch in der reformierten Kirche des 16. und 17. Jahrhunderts wurde der vertragliche Charakter des Alten und Neuen Bundes und insbesondere die darin angelegte Gegenseitigkeit rege diskutiert.883 Beachtet man auch den (nicht ausdrücklich zitierten) Vers  9, führt Grotius mit Hebr.  6,10 ein Argument dafür an, dass es sich um eine Gegenleistung handelt  : Gerade hinsichtlich des Seelen­heils,884 handele Gott nicht so ungerecht, die Leistungen der Menschen zu vergessen885.886 Dabei bleibt offen, aus welchem Grund Gott die Leistungen der Menschen berücksichtigt, sei es, weil er aus dem Alten Bund dazu verpflichtet wäre, sei es, weil es seinem Wesen entspräche.887 Sofern der Grund in der 881 Vgl. im Text bei Fn. 480–484. 882 Vgl. im Detail Decock, marché du mérite, S. 180–196  ; exemplarisch zum Erlösungsversprechen in der Gnadenlehre des Augustinus Albers, ZRG (RA) 135 (2018), S. 347–350  ; Hamm, Promissio, S. 13–15  ; zu Luther, Zwingli und Calvin Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 318 f., 330 f., 333. 883 Vgl. dazu Behrends, Treu und Glauben, S. 970 f., insb. Fn. 41 f.; Brunori / Decock, P ­ ragmatic Suárez, S.  65  f.; Decock, Contract Law, S.  639–641  ; Ders., marché du mérite, S.  180–196  ; ­G oeters, Föderaltheologie, in  : TRE, Bd. 11, S. 246–252  ; Hogg, Promises, S. 77 f.; ­S chmoeckel, Connan, S. 977–982, 985  ; Ders., Reformation, S. 266–269  ; Ders., ZRG (KA) 104 (2018), S. 317– 319, 329–333  ; ferner zu in diesem Kontext relevanten Bibelversen auch Kutsch, Bund I, in  : TRE, Bd. 7, S. 397–403  ; Ders., Bund III, in  : TRE, Bd. 7, S. 406–410. 884 Hebr. 6,9  : Confidimus […] meliora et viciniora saluti […] [Vulgata]. 885 Hebr. 6,10  : non enim iniustus Deus ut obliviscatur operis vestri […] [Vulgata]. 886 Im Ergebnis ähnlich auch Suárez, vgl. dazu Decock, Le marché du mérite, S. 184. 887 Beides wird spätestens seit der Frühscholastik vertreten, vgl. zu Augustinus und ausführlich zu den Positionen in der Früh- und Hochscholastik Hamm, Promissio, insb. S. 7–18, 42 f., 98–106, 245–254, 338 f., 417–425, 466–472  ; zur Spätscholastik Decock, marché du mérite, S. 180–196  ; zu Calvin Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 330 f., 333  ; zu den Positionen in der neueren

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

200 | 

Sechstes Kapitel

­ ntologie Gottes liegt, käme dem Alten Bund eine bloß assertorische Wirkung O zu, andernfalls eine promissorische. Grotius spricht ihm augenscheinlich eine promissorische Wirkung zu, führt dies aber wiederum auf die Ontologie Gottes zurück (Deus […] ostendit suae quoque naturae esse conveniens stare promissis).888 Die Erklärung, die Versprechensbindung folge aus der Natur Gottes selbst, dürfte in der aufgeheizten Debatte um Willensfreiheit und Prädestination unproblematischer gewesen sein889 als die zuvor dargelegte auf der Übertragung von libertas und damit der Annahme des liberum arbitrium beruhende Konstruktion. Dabei stellen beide Begründungen nicht nur keinen Widerspruch dar, sondern aus Grotius’ Perspektive dürfte es sich letztlich um dieselbe Begründung handeln  : Es entspricht der vernunftgemäßen Natur, über ein bereits übertragenes Recht nicht mehr verfügen zu können.890 Das Gebot der Versprechensbindung folgt damit aus der Natur, die Bindung an ein konkretes Versprechen entsteht erst durch den willentlichen Verzicht auf die zukünftige Willensfreiheit. Zudem zeigen die Theses LVI, dass der Gedanke einer Rechtsübertragung von Gott an den Menschen Grotius keineswegs fremd war.891 Wenn das Gebot, für Versprechen einzustehen, aber nicht aus dem göttlichen Willen, sondern aus der göttlichen Ontologie folgt, kann es auch durch göttlichen Willen nicht aufgehoben werden. Es ist damit eben nicht nur Teil der Natur aller Literatur Grässer, EKK, Bd. 17,1, S. 364 f. m. w. N., der allerdings selbst einerseits von »Menschliche[n] Rechtsansprüche[n]« und »Lohn«, andererseits aber von »griechisch-römischer Auffassung entsprechend […] iustitia distributiva« spricht. 888 Ähnlich auch Haggenmacher, Grotius, S. 515  : »Aussi faut-il remonter à un principe plus fondamental que la volonté divine  : soit à la nature même de Dieu, manifestée dans la loi éternelle«. 889 Auch in dem zeitgleich mit dem Brief verfassten, vgl. Nellen, Grotius, S. 233, 255, theologischen Werk De  Satisfactione findet sich dieser Gedanke, vgl. Grotius, SC, cap.  III §  6, obwohl sich Grotius dort nach den Erfahrungen mit Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas wohl gerade nicht mehr inhaltlich zur Frage der Prädestination äußern will, vgl. im Text bei Fn. 267 f. Auffällig ist allerdings, dass er dort nicht auf die im Brief herangezogenen Verse des Hebräerbriefes verweist, sondern stattdessen (wie später auch in De Iure Belli ac Pacis, vgl. im Text bei Fn. 1573) auf Hebr. 6,18, 1 Thess. 5,24 und 2 Tim. 2,13. Der Gedanke der ontologischen Versprechensbindung Gottes findet sich zudem, unbeschadet der göttlichen Willensfreiheit (Grotius, Meletius, cap. I § 7), bereits als konfessionsübergreifende Gemeinsamkeit der Christenheit in Grotius, Meletius, cap. III § 50. 890 Später führt Grotius diesen Gedanken im Brief noch detaillierter aus, vgl. im Text bei Fn. 917 sowie dazu S. 209–214. 891 Allerdings spricht er dort ausdrücklich nur von dem Recht an der menschlichen Handlung, nicht aber an der göttlichen Handlung, was jedoch dem Zweck der Theses LVI geschuldet sein dürfte, vgl. im Text bei Fn. 688.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 201

vernunftgemäßen Geschöpfe bzw. der Intention der Schöpfung, sondern einer dem göttlichen Willen entzogenen Vernunftordnung (omni natura rationali). Anders als in De Iure Praedae setzt Grotius das Naturrecht damit – zumindest im Kontext der Versprechensbindung – nicht mehr mit dem göttlichen Willen gleich, sodass an dieser Stelle bereits die spätere Differenzierung zwischen dem unveränderlichen, aus der Vernunft folgenden Naturrecht im engeren Sinne ­einerseits und dem aus dem veränderlichen göttlichen Willen folgenden Recht892 andererseits angelegt ist.893 Indem er die Versprechensbindung Gottes auf diese Weise unabhängig von dessen Willen statuiert, kann er dasselbe anschließend unter ausdrücklicher Bemühung der Idee der Gotteskindschaft des Menschen auf diesen übertragen.894 Dadurch verlagert Grotius den Fokus seiner Argumentation vom Z u s t a n d e k o m m e n d e r Ve r s p r e c h e n s b i n d u n g zum G e b o t d e r Ve r ­ s p r e c h e n s b i n d u n g und lenkt damit geschickt von der Bedeutung des theologisch wie politisch brisanten Axioms der Willensfreiheit ab. Zugleich schließt er damit den Nachweis der naturrechtlichen Verbindlichkeit der Übereinkünfte der Worte ab und geht zu der schon in den Theses LVI separat behandelten Frage ihrer Durchsetzbarkeit durch den Gläubiger über  : Vidimus quod sit ius Naturae aut Gentium, a quo non omnes populi recesserunt  ; quanquam Plato olim et Theophrastus auctores fuerunt ne ex fide ullum cogendi ius nasceretur  ; ut quemadmodum apud gentes plerasque – exceptis paucis – beneficia extra forum sunt, ita quoque esset fides, hominesque veraces esse gratis potius quam metu discerent  : quae philosophia nostri certe saeculi moribus minime congruit, in quo vix quisquam sponte bonus

Wir haben gesehen, was das Natur- oder Völker­ gemeinrecht ist, von dem nicht alle Völker abgewichen sind  ; obwohl einst Platon und Theophrast die Auffassung vertreten haben, dass aus Treue (fides) kein Zwangsrecht (ius cogendi) entstehe  : Dass sich auch die Treue so verhalte, wie – bis auf wenige Ausnahmen – bei den meisten Völkern die Wohltaten (beneficia) außerhalb der Zuständigkeit der Gerichte liegen, auf dass die Menschen lernten, vielmehr durch bloßen Dank als durch Furcht aufrichtig zu sein  : Diese Philosophie stimmt mit den Sitten unserer Zeit nur in äußerst geringem Maße überein, in welcher es kaum jemanden gibt, der freiwillig gut ist, sodass ich auch fast schon glaubte, dass Klagen

892 Vgl. dazu im Text bei Fn. 1596,1599–1604. 893 So auch Haggenmacher, Grotius, S. 515, der die Natur in dieser Passage als vom göttlichen Willen unabhängiges »principe autonome« versteht. 894 Unde apparet ius hoc quo ad implenda promissa obstringimur ex aeterna lege, hoc est ipsius Dei natura, proficisci, ad cuius imaginem homo est conditus [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. im Text bei Fn. 878.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

202 | 

Sechstes Kapitel

est, ita ut ingrati quoque ferme crederem actiones constituendas, nisi arbitrarer omnibus iudicibus haud satis fore otii ad id genus lites expediendas. Romani, ut ad rem revertar, noluerunt omnibus verborum conventionibus vim adesse obligandi talem, nempe quae ius exigendi daret, quod ex ipsa naturali obligatione naturaliter sequitur.895

gegen die Undankbaren gewährt werden müssen, wäre ich nicht der Auffassung gewesen, dass die Zeit sämtlicher Richter nicht ausreichen würde, um derartige Rechtsstreitigkeiten zu lösen. Die Römer wollten nicht, um auf diese Angelegenheit zurückzukommen, dass allen Übereinkünften der Worte (conventiones verborum) eine derartige Kraft der Verbindlichkeit (vis obligandi) zukommt, da diese Kraft nämlich ein Forderungsrecht (ius exigendi) gewähren würde, welches aus der natürlichen Verbindlichkeit (naturalis obligatio) selbst natürlicherweise folgt.

Zuvor hat Grotius die naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher Übereinkünfte durch Worte (conventiones verborum) zunächst gestützt auf viri sapientes belegt,896 anschließend ex intima philosophia aus dem dominium actionum suarum deduziert897 und schließlich sacra auctoritate abgesichert898 – um die Terminologie aus De Iure Praedae aufzugreifen899. Diese Begründung ist nun abgeschlossen (Vidimus quod sit ius Naturae aut Gentium). Damit steht grundsätzlich fest, dass jede conventio verborum naturrechtlich verbindlich ist. Bis hier fehlen jedoch explizite900 Aussagen dazu, ob daraus lediglich eine Bindung des Schuldners oder darüber hinaus auch eine Berechtigung des Gläubigers folgt. Dass letzteres der Fall ist, ergibt sich jedoch an dieser Stelle sowohl aus der Gegenüberstellung mit der Ansicht Platons und Theophrasts als auch ausdrücklich aus dem letzten Halbsatz. Demnach entspreche jeder aus einer Übereinkunft (conventio verborum) folgenden Verbindlichkeit (naturalis obligatio) natürlicherweise ein Forderungsrecht des Gläubigers (ius exigendi). Die Römer wollten jedoch nicht, dass ein solches auch zivilrechtlich aus jeder Übereinkunft der Worte folge, und verweigerten diesen daher grundsätzlich die »Kraft der Verbindlichkeit« (vis obligandi). Grotius versucht zunächst den Widerspruch

895 Grotius, BW, I, S. 500 f. (num. 450). 896 Vgl. im Text bei Fn. 831. 897 Vgl. im Text bei Fn. 849. 898 Vgl. im Text bei Fn. 878. 899 Vgl. Fn. 499. 900 Implizit folgt dies bereits aus der ausdrücklichen Konstruktion des Vertragsschlusses als Rechtsübertragung (und nicht mehr nur als Rechtsverzicht)  : Neque enim difficilius esse debet semet obstringere quam rem suam facere alienam [Hervorh. d. Verf.], vgl. im Text bei Fn. 849 sowie dazu S. 193 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der conventiones verborum 

| 203

zur Ansicht Platons und Theophrasts auszuräumen, bevor er sich im Anschluss mit der Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen Recht auseinandersetzt. Nach den beiden viri sapientes entstehe aus fides zunächst kein Zwangsrecht (ius cogendi) des Gläubigers. Grotius selbst hatte diese Position wohl, wenn auch nur unreflektiert und nicht ausdrücklich, noch in De Iure Praedae vertreten.901 In den Theses LVI erklärt er ausdrücklich, dass dem Adressaten aus einer einseitigen Willensäußerung (indicium voluntatis) ohne Zustimmung des Adressaten oder eigene Leistungserbringung kein Recht entstehe.902 Der Unterschied zwischen Grotius’ Position in den Theses LVI und der hier vorgebrachten Ansicht Platons und Theophrasts besteht darin, dass sich letztere nach Grotius’ Schilderung auf die conventio verborum bezieht, welche nach den vorherigen Ausführungen ­bereits die Zustimmung des Adressaten voraussetzt. Darüber hinaus soll die fides nach dieser Ansicht außerhalb der Zuständigkeit des Gerichts (extra forum) liegen. Wenngleich sich diese Aussage möglicherweise lediglich auf die Durchsetzbarkeit der fides bezieht und insoweit mit der Ablehnung eines ius cogendi identisch wäre, spricht zumindest der Vergleich mit den Wohltaten (beneficia) dafür, dass Grotius hierin die Ablehnung jeder r e c h t l i c h e n Qualität der fides – und damit deren Verortung im Bereich der honestas – sehen könnte. Dies liegt insbesondere in Anbetracht des ausdrücklichen Bezugs auf Connan einige Sätze zuvor nahe, da sich dieses Verständnis bei Connan als Argument für die rechtliche Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden findet903. Den Widerspruch zwischen dieser Ansicht und der zuvor etablierten naturrechtlichen Verbindlichkeit versucht Grotius durch den Hinweis aufzulösen, dass jedenfalls die Sitten seiner Zeit eine Durchsetzbarkeit erforderlich machen würden. Während er zuvor im Rahmen der Herleitung über das dominium actionum suarum aus einer rein subjektiven Perspektive argumentiert, nimmt er hier eine interpersonale Ebene in den Blick  : Gerade bei einem entgegenstehenden eigenen Nutzen904 würde ohne Zwang schlicht (so gut wie) niemand die versprochene Leistung erbringen. Den eigenen Nutzen als Rechtfertigung der Nichterfüllung eines Vertrages vorzutragen, führt Grotius im Parallelon Rerumpublicarum noch als Beispiel

901 Vgl. dazu S. 147, 151 f. 902 Grotius, Theses LVI, fol. 287v, Thesis 16  ; vgl. dazu S. 165–174. 903 Vgl. Fn. 176. 904 Vgl. S. 197.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

204 | 

Sechstes Kapitel

außergewöhnlicher spanischer Verdorbenheit an.905 Die idealistische Ansicht Ciceros, wonach nichts Ehrloses nützlich sein könne,906 schreibt er in diesem Zusammenhang im Parallelon Rerumpublicarum lediglich der Zeit des für seine selbstlose Pflichterfüllung keines besonderen Lobes bedürfenden Atilius Regulus – oder hier eben der Zeit Platons oder Theophrasts – zu, während zu Grotius’ Zeit vielmehr das Gegenteil die Regel sei. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht die Passage die zunehmende Säkularisierung bzw., treffender formuliert, E n t m o r a l i s i e r u n g in Grotius’ Rechtsdenken.907 Während Grotius’ Vorgänger und auch er selbst an anderen Stellen die rechtliche Verbindlichkeit aus moralischen Pflichten herleiten und Connan demgegenüber postuliert, dass man gewisse Abreden gerade dem Bereich der Moral überlassen müsse, um überhaupt tugendhaftes Handeln zu ermöglichen, betont Grotius hier ein generelles Bedürfnis einer nicht bloß dem Bereich des Moralischen überlassenen Verbindlichkeit von Abreden. Der Hinweis auf die Sitten seiner Zeit mag Grotius’ Respekt vor der Antike geschuldet sein oder einen Kunstgriff darstellen, um aus dem tatsächlichen einen bloß vermeintlichen Widerspruch zu machen. Streng genommen wäre eine je nach Sitten oder Zeitalter unterschiedliche Beurteilung der Frage der Durchsetzbarkeit der fides jedoch unvereinbar mit der in den Ausführungen zur Versprechensbindung Gottes implizierten und sogleich908 ausdrücklich proklamierten Unveränderlichkeit des Naturrechts. Gegen Ende des Abschnitts greift Grotius mit der drohenden Überlastung der Gerichte ein weiteres Argument Connans zur Begründung der Typengebundenheit des römischen und gemeinen Vertragsrechts909 auf, deutet jedoch an, dass er 905 Vgl. im Text bei Fn. 366. 906 Vgl. Fn. 351 f. 907 Decock, Grotiana 41,1 (2020), S. 9 f., spricht insoweit (ohne Bezug zum Brief vom 28.02.‌1616) von »›secularization‹ of legal argument« in Abgrenzung zu »›secularization‹ in the sense of ­atheism«  ; ähnlich auch Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S.  147  f. Fn.  1  ; S.  150  f.; Ders., Secularisation, S. 390 f. 908 Vgl. im Text bei Fn. 911. 909 Vgl. Fn. 178 f. Dieses Argument findet im 16. Jahrhundert sowohl bei Humanisten als auch in der Spätscholastik großen Zuspruch, vgl. etwa Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, pars. II § IV num. 21 [S. 315]  ; Duarenus, In eundem Titulum de Pactis Commentarius, ad D. 2,14,7 pr.–1 [S. 52]  ; Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 21 [S. 197 f.]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 255 num. 7 [Sp. 15]  ; ebd., disp. 257 num. 1 [Sp. 18 f.]  ; ebd., disp. 258 num. 9 [Sp. 25]  ; Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,‌14 num. 9 [S. 144]  ; aber auch Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium, lib. V cap. II § III. Zur Verbreitung dieses Arguments auch Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 44 m. w. N.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 205

es wohl nicht für überzeugend hält  : Für sich genommen suggeriert der Konjunktiv ferme crederem […], nisi […], dass sich Grotius aufgrund der andernfalls drohenden Überlastung der Gerichte doch gegen ein Zwangsrecht des Gläubigers ausspräche. Im Gesamtkontext der vorhergehenden ausführlichen Herleitung der naturrechtlichen Verbindlichkeit – auf die Grotius hier ausdrücklich Bezug nimmt (Vidimus quod sit ius Naturae aut Gentium)  – und insbesondere auch der unmittelbar folgenden Aussage, wonach entgegen dem Willen der Römer natürlicherweise ein Forderungsrecht (ius exigendi)910 bestehe, muss diese Formulierung jedoch als bloßes Stilmittel verstanden werden. Andernfalls wären auch die folgenden Ausführungen zur Abweichung des Zivilrechts vom Naturrecht und insbesondere die Rechtfertigung der zivilrechtlichen Unverbindlichkeit der pacta nuda überflüssig. Umgekehrt zeigt die im Folgenden erörterte Möglichkeit des Zivilrechts, die grundsätzliche Verbindlichkeit sämtlicher conventiones verborum einzuschränken, vielmehr dass die befürchtete Überlastung der Gerichte kein tragfähiges Argument gegen die grundsätzliche naturrechtliche Verbindlichkeit – einschließlich eines Forderungsrechts des Gläubigers – darstellt.

III. Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda Wenn aber sämtliche Übereinkünfte der Worte (conventiones verborum) naturrechtlich verbindlich sind und dem Gläubiger ein Zwangs- oder F ­ orderungsrecht gewähren, wirft Grotius’ Ablehnung dieser verbreiteten Rechtfertigung der römisch- und gemeinrechtlichen Typengebundenheit die Frage nach deren ­ ­genereller Zulässigkeit auf  : Quaeritur an legislatoribus id iuris fuerit cum ipse Imperator fateatur naturalia semper firma atque immutabilia permanere. Quae difficultas eo maior videtur, quod ius illud naturale pactorum non nude permittit, sed constituit aliquid atque obligat.911

Es wird gefragt, ob dies den Gesetzgebern rechtens erschien, weil Justinian [Inst. 1,2,11] selbst einräumt, dass das Natürliche immer zuverlässig und unveränderbar fortbesteht. Diese Schwierigkeit erscheint besonders groß, da das Recht jenes Natürliche der Abreden (pacta) nicht schlechthin (nude) erlaubt, sondern etwas anordnet und daher verpflichtet.

910 In den Theses LVI nennt Grotius dieses Zwangsrecht ius exsecutionis oder potestas imperii, vgl. Fn. 739. 911 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

206 | 

Sechstes Kapitel

Dass das Natürliche unveränderlich ist, steht für Grotius auch in anderen Werken außer Frage. Vielleicht um den Vorwurf der Anmaßung gar nicht erst aufkommen zu lassen, stützt er dies hier im Rahmen der Überprüfung der »Recht­ mäßigkeit« (id iuris fuerit) des römischen Rechts zusätzlich auf Inst.  1,2,11912. Auch dies bestärkt das bisherige Verständnis,913 dass Grotius mit natura, naturaliter und naturalia im Brief stets eine normative und nicht bloß ontologische Vorstellung verbindet, ist dort doch von naturalia iura die Rede. Demgegenüber spricht Grotius hier lediglich von naturalia, während er im folgenden Satz allgemein ius für das römische Recht verwendet, welches das ­»Natürliche« der pacta, d. h. deren Verbindlichkeit, nicht schlechthin (nude) anerkenne914. Stattdessen schaffe dieses eine eigene (an Voraussetzungen ­geknüpfte) Grundlage der Verbindlichkeiten (constituit atque obligat). Für die daraus folgende Unverbindlichkeit derjenigen Abreden, die diese zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen (pacta nuda), zieht Grotius zwei Rechtfertigungen in Betracht  : Dupliciter autem potest contingere ut humanus legislator aliquid permittat quod videatur pugnare cum iure naturali  : aut suspendendo suum actum aut ius dando ad actum. Suspendit suum actum legislator, cum mendacia, stupra aliaque id genus delicta cum iure naturae Deique lege pugnantia non punit. Ius dat ad actum ut ad retentionem rei bona fide usucaptae. Disputatur utrum in conventionibus non stipulatis faciat ius Civile, suspendat actum ius dicentis, an ius etiam det non implendi. Quanquam vero controversa est haec quaestio, tamen posterior

Aber es kann auf zweifache Weise geschehen, dass ein menschlicher Gesetzgeber irgendetwas erlaubt, was mit dem natürlichen Recht in Widerspruch zu stehen scheint  : entweder dadurch, dass man seine Handlung aussetzt oder das Recht zur Handlung gewährt. Der Gesetzgeber setzt seine Handlung dann aus, wenn er Täuschungen, Schändungen und andersartige Delikte, welche mit dem Naturrecht und dem Gesetz Gottes in Widerspruch stehen, nicht bestraft. Das Recht zur Handlung gibt er, wie etwa zum Zurückbehalten einer Sache, die nach Treu und Glauben ersessen wurde. Es wird erörtert, ob er bei Übereinkünften (conventiones), die nicht durch Stipulation geschlossen wurden, das staatliche Recht (Ius Civile) anwendet und lediglich die Handlung des Rechtsprechens aussetzt, oder ob er auch das Recht zur Nichterfüllung (ius non implendi) gewährt. Obwohl diese Frage tatsächlich strittig ist, kann

912 Zwar verweist Grotius nicht ausdrücklich, doch zitiert er wörtlich, vgl. Inst. 1,2,11  : Sed naturalia quidem iura, quae apud omnes gentes peraeque servantur, divina quadam providentia constituta, semper firma atque immutabilia permanent [Hervorh. d. Verf.]. 913 Vgl. insb. im Text bei Fn. 816–826. 914 Vgl. dazu S. 41 f. sowie Fn. 122.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

pars recte defendi potest. Ratio est quia etiamsi id faceret lex Civilis, nihil tamen contra ius Naturae disponeret.915

| 207

letzteres dennoch zu Recht verteidigt werden. Der Grund dafür ist, dass das staatliche Gesetz (Lex Civilis), auch wenn es dies vornehmen würde, dennoch nichts gegen das Naturrecht anordnen würde.

Deutlicher als zuvor spricht Grotius hier von einem Widerspruch zwischen ius naturale und ius civile. Diese Abweichung könne entweder prozessualer oder materieller Natur sein, abhängig davon, ob das staatliche Recht dem Gläubiger lediglich die (Mithilfe bei der) Durchsetzung seines Rechts verweigert oder dem Schuldner ein »Recht zur Nichterfüllung« (ius non implendi) gewährt. Ersteres ist insoweit unproblematischer, da das staatliche Recht mit einem geordneten Gerichtsverfahren nur verweigern würde, was auch naturrechtlich nicht existiert und daher zumindest nicht hinter diesem zurückbliebe. Auch eine materielle Abweichung wäre für Grotius grundsätzlich zulässig. Interessant ist zunächst, wie er diese konstruiert  : Das römische Recht erkennt dem Gläubiger nicht etwa sein Zwangs- oder Forderungsrecht (ius cogendi  ; ius exigendi) ab, sondern gewährt dem Schuldner vielmehr ein Recht zur Nichterfüllung (ius non implendi). Nimmt man aber Grotius’ Konstruktion der vertraglichen Bindung als Rechtsübertragung ernst, hindert ein ius non implendi den Gläubiger nicht nur an der Durchsetzung seines Forderungsrechts. Es muss vielmehr auch materiell ein Entstehen des Forderungsrechts verhindern. Andernfalls würden beide Rechte kollidieren, die stets auf dieselbe Handlung des Schuldners, nämlich die Vornahme oder Nichtvornahme der versprochenen Leistung, gerichtet wären. Das ius non implendi kann nur dann seinen Zweck erreichen, wenn es den Schuldner mit ­a u s s c h l i e ß l i c h e r Wirkung an der versprochenen Handlung berechtigt. Zumindest mittelbar führt auch Grotius’ beschriebene materielle Erklärung der Abweichung zwischen Natur- und römischem Recht zu einem Verlust des Forderungsrechts des Gläubigers. Diese Konstruktion hat jedoch den Vorteil, dass das römische Recht zumindest auf den ersten Blick keine durch das Naturrecht gewährten Rechte aberkennt, sondern weitere Rechte gewährt. Es ordnet daher nichts contra ius Naturae an. Für diese Schlussfolgerung führt Grotius zudem eine ausdrückliche Begründung an, wonach nicht etwa (nach der Übertragung) das Forderungsrecht des Gläubigers, sondern bereits zuvor das zu übertragende Recht des Schuldners ­beschränkt werde  :

915 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

208 | 

Sechstes Kapitel

Non enim simpliciter vult ius naturae obligari aliquem ad praestandum quod promisit, sed ita si promiserit, quod promittendi ius habebat. Quemadmodum nec omnis valet alienatio iure naturae, sed ea demum, qua id alieno, quod eousque meum est ut alienare id possim. Omne enim debere praerequirit licere, obligatio libertatem, alienatio plenum dominium. Potest autem lex potestatem naturalem hominis restringere non repugnante imo et suadente iure naturali, sive ut ipsi, sive ut bono publico consulatur. Sic Deus ipse filiae votum vult non esse obligatorium patre dissentiente, Num. XXX, 5. Quia ipsa quoque naturalis aequitas suadet aliquomodo limitandam esse vim eius consensus, quod a fragili infirmoque consilio proficiscitur, L. 1. Dig. de minoribus916. Hoc ergo cum statuit lex civilis nihil statuit contra ius naturale. Non enim efficit ut qui promiserat id quod promittendi ius habebat, id ipsum praestare non teneatur  ; sed ius promittendi aufert, et consequenter ex ipso iure naturae ius obligandi. Non obligatur enim qui promisit quod promittere non potuit. Non mutatur ergo lex naturae, sed ipsa materia sive subiectum legis mutatur  ; ita ut non amplius legi subiaceat, quia lex isti subiecto in tali casu nihil praecipit.917

Denn das Naturrecht will nicht schlechthin, dass irgendjemand zur Erfüllung dessen verpflichtet wird, was er versprochen hat, sondern nur dann, wenn er es unter solchen Umständen versprochen hat, dass er ein Recht zu versprechen (ius promittendi) besaß. Wie auch nicht alle Rechtsübertragung durch das Naturrecht Gültigkeit hat, sondern gerade diese, durch die ich das übertrage, was bis dahin mein ist, damit ich es übertragen kann. Das alles nämlich ist vorausgesetzt, damit es erlaubt ist zu schulden  : Die Verbindlichkeit (obligatio) setzt Freiheit (libertas) voraus, die Übereignung (alienatio) setzt Eigentum (plenum dominium) voraus. Aber das Gesetz kann die natürliche Macht (potestas) des Menschen einschränken, wenn das natürliche Recht nicht widerspricht und dies sogar anrät, sei es, dass es ihm selbst oder dass es einem öffentlichen Gut dient. So will Gott selbst, dass das Gelübde einer Tochter nicht verbindlich ist, wenn der Vater widerspricht, Num. 30,5. Weil auch die natürliche Billigkeit selbst anrät, dass in irgendeiner Weise die Wirksamkeit dieser Übereinstimmung eingeschränkt werden muss, soweit sie von einer zerbrechlichen und unzuverlässigen Einsicht ausgeht, D. 4,4,1. Wenn also das staatliche Gesetz (Lex Civile) dies bestimmt hat, dann hat es nichts gegen das Naturrecht selbst bestimmt. Denn es bewirkt nicht, dass derjenige, der etwas versprochen hatte, weil er das Recht zu versprechen (ius promittendi) besaß, dann nicht daran festgehalten wird, dieses selbst zu erfüllen. Aber es hebt das Recht zu versprechen (ius promittendi) und folgerichtig auch das aus dem Naturrecht selbst folgende Recht sich zu verpflichten (ius obligandi) auf. Denn derjenige wird nicht verpflichtet, der versprochen hat, was er nicht versprechen konnte. Folglich wird das Naturrecht nicht verändert, aber der Gegenstand (materia) selbst oder das Subjekt des Gesetzes wird verändert, sodass es nicht weiter dem Gesetz unterliegt, weil das Gesetz in einem derartigen Fall dem Subjekt nichts vorschreibt.

916 D. 4,4,1 (Ulpianus libro undecimo ad edictum). 917 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 209

Bereits in der Spätscholastik wurde zur Lösung des Konflikts zwischen staat­ lichem Recht und Naturrecht angeführt, das staatliche Recht könne aus rechten Gründen (ex iusta causa) die Übertragung von dominium und die Fähigkeit zum Abschluss von Verträgen beschränken.918 Grotius etabliert auf dieser Grundlage ein »Recht zur Übertragung des versprochenen Rechts« (ius promittendi  ; oder quod eousque meum est ut alienare id possim  ; oder debere praerequirit licere). Wenngleich es ein wesentliches Merkmal von dominium oder libertas ist, damit nach freiem Willen zu verfahren, diese also auch veräußern zu können (potestas disponendi),919 kann dieses Recht zur Übertragung entfallen, ohne dass dadurch zugleich dominium oder libertas erlöschen würden. Demnach stellen positivrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Vertrages gewissermaßen (dingliche) »Veräußerungsverbote« für den jeweiligen Vertragsinhalt dar, die wiederum auch naturrechtlich zu berücksichtigen seien. Für das dominium findet sich dieser Gedanke bereits ausdrücklich bei Suárez und Vitoria, während er bei de  Soto und Lessius zumindest angelegt ist.920 Grotius greift ihn auf und überträgt ihn auf die libertas  : Es genügt nicht, das zu übertragende Recht (libertas oder dominium) innezuhaben, dieses muss auch die Übertragung miteinschließen. Auch hier zeigt sich, dass die konstruktive Begründung vertraglicher Verbindlichkeit als Übertragung von libertas – die er im Brief bisher noch nicht als solche bezeichnet hat –921 für Grotius essenziell ist  : Das Entstehen einer Verbindlichkeit setzt libertas voraus  ; analog dazu, dass eine Übereignung Eigentum voraussetzt (Omne enim debere praerequirit licere, obligatio libertatem, alienatio plenum dominium). 918 Lessius, De  Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19–20 [S. 197]  ; de  Soto, De  Iustitia et Iure, lib. IV qu. V a. I, insb. Definitio translationis domini sowie Secunda conclusio [Bd. 2, S. 308 f.]  ; Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 29 und 34 [Bd. 3, 82 f., S. 87 f.]  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 236  ; zu Lessius auch Decock, TR 77,3/4 (2009), S. 446–448  ; und zu Vitoria Decock, Contract Law, S. 358–362  ; Otte, Vitoria, S. 59–61. 919 Vgl. etwa Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. III dub. II num. 11 [S. 22]  ; ebd., cap. IV dub. I num. 1 [S. 29]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. IV qu. V a. I, insb. Definitio translationis domini sowie Prima conclusio [Bd. 2, S. 308 f.]. 920 Suárez, De Statu Perfectionis et Religionis, lib. VIII cap. V num. 4 [Bd. 15, S. 562]  ; Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 29 [Bd. 3 S. 82 f.]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. IV qu. V a. I, insb. Definitio translationis domini, Secunda conclusio sowie Ad secundum argumentum [Bd. 2, S. 308–310]  ; im schuldrechtlichen Kontext auch Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19–20 [S. 197], sowie dazu im Text bei Fn. 236. Vgl. zu Suárez auch Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 57  ; zu de Soto ausführlich Decock, Contract Law, S. 370–374. 921 In der zentralen Passage spricht er lediglich von dominus actionum suarum und vergleicht semet obstringere mit rem suam facere alienam, vgl. im Text bei Fn. 849.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

210 | 

Sechstes Kapitel

Weil Grotius zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen durch das staatliche Recht als Beschränkung des zu übertragenden Rechts versteht, sind diese – implizit gestützt auf D. 50,17,54 –922 mittelbar auch naturrechtlich zu berücksichtigen. Dreimal wiederholt er innerhalb dieser Passage den Grundsatz, dass nur derjenige durch sein Versprechen gebunden werde, der auch das Recht hat zu versprechen (promiserit, quod promittendi ius habebat  ; promiserat id quod promittendi ius habebat  ; Non obligatur enim qui promisit quod promittere non potuit). Bereits einige Jahre zuvor hat Grotius diesen Gedanken in De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra zur Abgrenzung verschiedener Herrschaftsformen herangezogen.923 Sofern dies dem Wohl des Rechtsinhabers oder dem öffentlichen Wohl diene, sei das staatliche Recht sogar durch das Naturrecht dazu angehalten, dieses Recht zur Übertragung einzuschränken. Dabei denkt Grotius, wie schon de Soto und Lessius,924 zunächst an den Schutz von unmündigen Kindern und führt dazu Ulpians Aussage in D. 4,4,1 pr. an, wonach das Edikt über den Schutz Minder­ jähriger aus der »natürlichen Billigkeit« folge. Die naturrechtliche Unverbindlichkeit von Versprechen, die von unmündigen Kindern abgegeben wurden, behandelt Grotius kurze Zeit später zudem noch einmal umfassender in einem weiteren – diesmal undatierten – Brief an seinen Bruder.925 Dort unterscheidet er zwischen absolut (nach Naturrecht) geschäftsunfähigen Kindern und solchen, die aufgrund einer Vermutung des menschlichen Gesetzes als geschäftsunfähig behandelt würden.926 Erstere könnten, ebenso wenig wie Tiere, Verträge schließen, da sie zwar die Erklärungshandlungen ab-

922 D. 50,17,54 (Ulpianus libro quadragensimo sexto ad edictum)  : Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet. 923 Grotius, ISP, cap. IV § 13  : At quod ex consensu est regimen, quamquam vim constitutivam habet, plane tamen subest regimini imperanti summarum potestatum, quod eo evincitur quia nemo consentiendo plus iuris in alterum aut in totam universitatem transferre potuit quam ipse habuit. Obligatio enim haec ex singulorum libertate ortum cum habeat, latius quam ipsa libertas patere non potest [Hervorh. im Orig.]  ; der Gedanke findet sich ferner auch ebd., § 6  ; ebd., cap. V § 11. 924 Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 20 [S. 197]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. IV qu. V a. I, insb. Secunda conclusio sowie Ad secundum argumentum [Bd. 2, S. 309 f.]. De Soto stützt dies dort zudem ebenso wie Grotius auf D. 4,4,1 pr. 925 Grotius, BW, I, S. 506–508 (num. 452). Vgl. dazu Ahsmann, TR 50,3/4 (1982), S. 395–397  ; Feenstra, Unjust Enrichment, S. 219–221. 926 Grotius, BW, I, S. 506 (num. 452)  : Considerandae sunt leges duae, utraque a natura. Prior est implendam promissi fidem […] Prior lex in pupillo locum an habeat cum quaeritur, distinguendum est an de iure naturae quaeratur absolute an ex hypothesi legis humanae.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 211

geben, aber den erforderlichen Willen nicht bilden könnten.927 Darüber hinaus habe das römische Recht aber sämtliche minderjährigen Kinder aufgrund ihrer Urteilsschwäche geschützt, indem es ihre Fähigkeit zur Selbstbindung beschränkt oder aufgehoben habe.928 Dies sei, wiederholt er dort, deshalb mit dem Naturrecht vereinbar, weil das Naturrecht die Befolgung von Versprechen nur verlange, insoweit derjenige mit ius promittendi versprochen habe, und das menschliche Gesetz das Versprechen daher durch Begrenzung dieses ius promittendi dem Anwendungsbereich des Naturrechts entziehen könne (substracta legis materia).929 Dieser Gedanke findet sich auch im Brief vom 28.02.‌1616, wo Grotius ­zugleich erklärt, dass dies auch aus anderen Gründen, nicht allein zum Schutz Minder­ jähriger, zulässig sei  : Intelligenda enim lex est de eo, cui liberum sit promittere. Non vetat autem lex naturae ipsam promittendi libertatem – quae obligandi radix est – ex iustis causis limitari. Iustae autem causae legislatoribus Romanis non defuerunt. Quanquam enim plerumque firmius sit iudicium maioribus quam minoribus, tamen magna est quorundam hominum ad pollicitandum facilitas. Huic autem

Das [natürliche] Gesetz muss von demjenigen erkannt werden, der frei ist zu versprechen. Das Naturgesetz verbietet aber nicht, dass die Freiheit zu versprechen selbst – welche der Ursprung der Verbindlichkeit ist – aus rechten Gründen (causa iusta) begrenzt wird. An rechten Gründen hat es den römischen Gesetzgebern aber nicht gefehlt. Denn obwohl das Urteilsvermögen der Erwachsenen meistens zuverlässiger als das der Minderjährigen ist, ist der Leichtsinn (facilitas) etlicher Menschen, zu versprechen, dennoch groß. Aber

927 Grotius, BW, I, S.  506 (num.  452)  : Absolute si consideretur ius naturae, res omnes sunt communes  ; si autem praesupposita divisione ius naturae consideretur, respondebit suum cuique relinquendum. Cum de iure naturae absolute agitur, distinguendum inter pupillos, qui intellectum rei quae agitur non habent, et qui habent. Illi enim iure naturae etiam absolute ac simpliciter considerato nullis promissis aut conventionibus obstringuntur. Quia ne promisisse quidem aut convenisse dicendi sunt, cum hi actus sint voluntatis  : nihil autem sit in voluntate, quod non prius in intellectu fuerit. Sicut ergo psittacus aut pica verba promissoria pronuntians non promittit, aut canis asinusve locare operas aut depositum accipere non possunt  ; ita nec ille primae aetatis pupillus. 928 Grotius, BW, I, S. 506 (num. 452)  : Quod si de pubertati propiore aut alio maturioris iudicii puero agamus, hunc absolute obligari iure naturae constat, at non item hypothesi. Quia ius civile […] potuit tamen, ut nuper scribebamus, in pupillo ob infirmitatem iudicii id facere quod et in prodigo fecit, ex potestate scilicet superiore ipsius potestatem limitare aut tollere […]. 929 Grotius, BW, I, S. 506 (num. 452)  : Quia ius civile, etsi legem naturae mutare non valuit, potuit tamen, ut nuper scribebamus, in pupillo ob infirmitatem iudicii id facere quod et in prodigo fecit, ex potestate scilicet superiore ipsius potestatem limitare aut tollere, atque ita indirecte legem naturae inefficacem reddere, substracta scilicet idonea legis materia  ; quia lex naturae ea demum promissa servari vult, quae promittendi ius quisque habuerit.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

212 | 

Sechstes Kapitel

vitio lex melius occurrere non potuit, quam si valituris et obstricturis pactionibus solennem quandam formulam praescriberet, quae hominum facilitatem obsepiret et quasi moneret ipsos ne quid temere aut non satis deliberate promitterent. Quod ipsum in testamentis quoque factum videmus, nimirum ne facilitas hominum quorundam astutiorum insidiis exponeretur.930

das [staatliche] Gesetz konnte diesem Laster nicht besser begegnen, als dass es zur Validierung und Einschränkung von Verträgen eine feierliche Form vorgeschrieben hätte, welche den Leichtsinn der Menschen einschränkte und sie gleichsam warnte, damit sie nicht irgendetwas blindlings oder ohne ausreichende Erwägung versprachen. Dieses selbst sehen wir auch in Testamenten als geschehen, zweifelsfrei damit der Leichtsinn der Menschen nicht der Hinterlist einiger besonders schlauer Menschen ausgeliefert wird.

Das zuvor anhand unmündiger Kinder beschriebene Verständnis des (Nicht-)‌ Zustandekommens vertraglicher Verbindlichkeit fasst Grotius hier noch einmal abstrakt zusammen  : Die »Freiheit zu versprechen« (promittendi libertas), die er zuvor bereits als promittendi ius und potestas naturalis bezeichnet hat,931 erklärt er nun, nachdem er den Begriff der libertas als Gegenbegriff zum (plenum) dominium eingeführt hat, zum Ursprung bzw. wörtlich zur »Wurzel« der Verbindlichkeit (obligandi radix)932. Es ist also nicht so sehr das Recht an eigenen Handlungen (libertas  ; ius in actiones suas  ; oder dominium actionum suarum) als vielmehr die darauf gerichtete Verfügungsbefugnis, die eine vertragliche Selbstbindung ermöglicht. Das staatliche Recht missachte somit nicht die aus einer conventio verborum entstehende naturrechtliche Verbindlichkeit, sondern verhindere vielmehr ­deren Entstehen durch Begrenzung dieser Verfügungsbefugnis. Zum Wohl des Versprechenden oder zum öffentlichen Wohl sei das staatliche Recht dazu sogar durch das Naturrecht angehalten.933 Nichts anderes als eine derartige Beschränkung der Verfügungsbefugnis über libertas, d. h. der naturrechtlich gegebenen Möglichkeit, sich durch Versprechen zu binden, stellen demnach die durch das römische Recht etablierten Formerfordernisse für bestimmte Vertragstypen dar, welche dem Wohl des Versprechenden dienen, indem sie diesen vor Leichtsinn schützen. Im Ergebnis beurteilt Grotius den Zweck der römisch-rechtlichen Formerfordernisse daher nicht anders als 930 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450). 931 Vgl. im Text bei Fn. 917. 932 Der Begriff erinnert an Baldus, der damit die causa finalis des Vertrages bezeichnet, vgl. dazu Gordley, Philosophical Origins, S. 52  ; Schermaier, causa, S. 117 f. 933 Vgl. im Text bei Fn. 917.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 213

Connan.934 Im Gegensatz zu diesem sieht er darin jedoch (nur) eine legitime Modifikation des Naturrechts durch das staatliche Recht. Indem Grotius zusätzlich darauf verweist, dass das römische Recht aus demselben Grund auch Testamente an bestimmte Formerfordernisse geknüpft habe, bemüht er anschließend ein weiteres Beispiel, welches bereits in der Spätscholastik in diesem Kontext erörtert wurde. Sowohl Vitoria als auch de Soto verweisen neben der fehlenden Geschäftsfähigkeit Minderjähriger auch auf besondere Formerfordernisse für Testamente als Beispiele dafür, dass das staatliche Recht die Verfügungsbefugnis über naturrechtliche Rechte aus rechten Gründen begrenzen dürfe.935 Eben diese Passage in de Sotos De Iustitia et Iure hatte Grotius seinem Bruder zudem nur vier Monate zuvor als Lektüre für dessen disputatio exercitii gratia über letztwillige Verfügungen936 empfohlen.937 Hinsichtlich besonderer positivrechtlicher Wirksamkeitshindernisse für Verträge betont schließlich Covarruvias, ähnlich wie Grotius, dass das positive Recht keinesfalls einer bestehenden naturrechtlichen Verbindlichkeit die Wirksamkeit entziehe, sondern vielmehr deren Entstehen verhindere.938 Auch wenn ein ausdrücklicher Verweis fehlt, liegt es daher nahe, in den Werken der Spätscholastiker die Inspiration für Grotius’ Ausführungen zur Vereinbarkeit der naturrechtlichen Verbindlichkeit aller conventiones verborum und der gemeinrechtlichen Unverbindlichkeit der pacta nuda zu sehen. Jene verwenden diese Argumentation ausschließlich dazu, die nach Naturrecht und römischem Recht unterschiedlichen Voraussetzungen der Eigentumsübertragung zu erklären. Während sich bei de Soto kein abstraktes Vertragsrecht findet, begründet Lessius die Unverbindlichkeit der pacta nuda nach römischem und gemeinem Recht mit der zuvor von Grotius abgelehnten Annahme einer andernfalls bestehenden Überlastung der Gerichte. 934 Vgl. Fn. 175. 935 Vgl. Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu.  62 a.  1 num.  32 und 35–36 [Bd.  3, S.  85, 88  f.]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. IV qu. V a. III [Bd. 2, S. 317 f.]. Vgl. zu Vitoria auch Decock, Contract Law, S. 360, 363–365 m. w. N.; sowie zu de Soto auch Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), S. 246 f. 936 Vgl. im Text bei Fn. 773–775. 937 Grotius, BW, I, S. 425 (num. 432)  : Auctores mihi praeter eos, quos lectos tibi video, vix succurrunt […] 5. Testamentum non habens solemnitates requisitas an aliquem obliget in conscientia. […] Quintam tractat Sotus etiam, et ut puto Vasquius. 938 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, pars. II § IV num. 8 [S. 313]  : Ipse fateor obligationem naturalem lege humana proprie non tolli, sed impediri ne oriatur  : cum ea producatur a consensu paciscentium legitimo, id est, lege humana minime reprobato  ; sowie dazu Decock, Contract Law, S. 390.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

214 | 

Sechstes Kapitel

Seine Verdinglichung der Handlungsfreiheit erlaubt es Grotius jedoch, die in der Spätscholastik entwickelte Begründung zur Eigentumsübertragung auch für das Vertragsrecht heranzuziehen. Damit relativiert Grotius zugleich die anfangs proklamierte naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher conventiones verborum  : Auch naturrechtlich sind nur jene conventiones verborum verbindlich, bei denen der Versprechende sowohl Inhaber als auch Verfügungsberechtigter des versprochenen Rechts ist. Der (von Grotius nicht ausdrücklich bemühte) Satz Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet (D.  50,1,54) wird damit zur zentralen Voraussetzung vertraglicher Bindung.

IV. Die Rechtsnatur der Stipulation Nach diesem –  den Großteil des Briefes ausmachenden  – Exkurs zur naturrechtlichen Verbindlichkeit der conventiones verborum und der ­zivilrechtlichen ­Unverbindlichkeit der pacta nuda kommt Grotius schließlich auf die von ­Wilhelm aufgeworfene Frage zurück,939 ob die Stipulation selbst nicht vielmehr ein ­Institut des Völkergemeinrechts als des Zivilrechts sei  : Hinc iam quatenus stipulatio sit Iuris Gentium, quatenus Iuris Civilis apparet. Inventio ipsa, ut proprie loquamur, neque Gentium neque Civili Iuri debetur  : sed ipsi rationi et sociali hominum ingenio, et facultati sensa sua per voces exprimendi  : quibus positis tam facile est hominibus stipulari ac promittere quam aliter pacisci.940

Daher wäre die Stipulation bereits genauso ein Teil des Völkergemeinrechts, wie sie als Teil des Zivilrechts erscheint. Die Entdeckung selbst, damit wir es im eigentlichen Sinne benennen, ist weder dem Völkergemeinrecht noch dem Zivilrecht zu verdanken, sondern der Vernunft selbst und der sozialen Veranlagung der Menschen sowie der Fähigkeit, die eigenen Gedanken durch Worte auszudrücken  : Dies vorausgesetzt, ist es ebenso leicht für die Menschen, sich durch Stipulation versprechen zu lassen und zu versprechen, wie auf andere Weise einen Vertrag zu schließen.

Weil das römische Recht, wie zuvor dargelegt,941 das Recht der Menschen zur Übertragung der libertas zu ihrem Schutz vor Leichtsinn begrenzen durfte und diese Formerfordernisse damit auch naturrechtliche Wirkung entfalten, ist die 939 Vgl. S. 178 f. 940 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450). 941 Vgl. im Text bei Fn. 915, 917, 930.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Rechtsnatur der Stipulation 

| 215

Form der Stipulation (im Anwendungsbereich des römischen Rechts) auch ­naturrechtlich und damit mittelbar völkergemeinrechtlich erforderlich. Strenggenommen (proprie loquamur) folge die Stipulation aus der Vernunft, der sozialen Veranlagung des Menschen und seiner Befähigung zu sprechen, d. h. aus der Natur942 bzw., um die differenziertere Terminologie aus De Iure Praedae zu bemühen, aus dem ius naturae secundarium seu ius gentium primarium943. Dass die Stipulation nicht erst durch das römische Recht eingeführt worden sei, zeige zudem ein historischer Vergleich  : Neque in sacra aut profana Historia, Weder in der sakralen noch in der profanen Gequae ius Romanum antecedit, schichte, welche dem römischen Recht vorangeht, desunt exempla stipulationum tum mangelt es an Beispielen für Stipulationen, sei es privatarum tum publicarum. Ipse privater, sei es öffentlicher. Die Taufe selbst wird, baptismus ut me dicere memini, wie ich mich erinnere, als Frage (ἐπερώτημα) ἐπερώτημα, hoc est stipulatio bezeichnet  ; dies ist, was Stipulation genannt wird. vocatur. Neque solebat antiquitus Und von alters her wird gewöhnlich keine andere alia forma administrari. Quod et de Form verwendet. Dies halte ich auch mit Bezug circumcisione verum puto.944 auf die Beschneidung für wahr.

Bereits v o r den Römern sei es verbreitet gewesen, Versprechen erst auf eine förmliche Frage hin abzugeben. Wenngleich Grotius dafür eine Vielzahl profaner und religiöser, öffentlicher und privater Beispiele in Anspruch nimmt, führt er anschließend nur zwei religiöse Beispiele an  : Die christliche Taufe werde mit demselben griechischen Wort bezeichnet wie die Stipulation945.946 Aber auch ohne den Bezug zur Stipulation bezeichnet der griechische Begriff ἐπερώτημα eine Frage und betont damit auch für die Taufe die dem Versprechen vorher­ gehende Frage. Gleiches müsse auch für die jüdische Beschneidung gelten. Dies ­begründet Grotius nicht weiter, doch dürfte er sich auf die verbreitete Ansicht 942 Vgl. im Text bei Fn. 819  : […] ex natura, hoc est, ex ipsa rationalis creaturae conditione ac proinde etiam ex Gentium Iure primario, non positivo […]. 943 Vgl. Fn. 575 und dazu im Kontext des Briefes auch Fn. 826. 944 Grotius, BW, I, S. 501 f. (num. 450). 945 Vgl. auch Grotius, FSI, Spondes, Spondeo  ad Inst.  3,15,1 [S.  59], wo Grotius die griechische Bezeichnung der Stipulation als ἐπερώτημα (ohne Bezug zur Taufe) als Beleg für das Bestehen der Stipulation aus zwei Erklärungen anführt. 946 Grotius bezieht sich anscheinend auf die Beschreibung der Taufe in 1 Petr. 3,21 als συνειδήσεως ἀγαθῆς ἐπερώτημα εἰς θεόν. Die Deutung dieses Verses ist auch in der modernen Literatur umstritten, doch spielt die Verwandtschaft zur Stipulation dabei eine wichtige Rolle, vgl. etwa Brox, EKK, Bd. 21, S. 178 f. m. w. N. Eine unmittelbare Gleichsetzung der lateinischen Begriffe findet sich aber etwa auch bei Melanchthon, vgl. Schmoeckel, Connan, S. 978 Fn. 120.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

216 | 

Sechstes Kapitel

stützen, wonach Taufe und Beschneidung lediglich zwei unterschiedliche F ­ ormen für dasselbe Geschäft darstellen947. Wenngleich Grotius Connan hier nicht ausdrücklich erwähnt, scheinen dessen Ausführungen doch den Hintergrund dieser andernfalls etwas zusammenhanglosen Überlegung zu bilden  : Eines von Connans Argumenten für die völkergemeinrechtliche und naturrechtliche Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden ist seine These, dass vor den Römern ausschließlich gegenseitige Abreden verbindlich gewesen seien und erst das römische Recht in Gestalt der Stipulation eine positivrechtliche Grundlage für die rechtliche Verbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden geschaffen habe.948 Eben diese These widerlegt Grotius mit dem Verweis auf die jüdische Beschneidung, die er mittelbar durch den jeweiligen Vergleich mit der christlichen Taufe als vorrömisches Äquivalent zur Stipulation interpretiert, d. h. als verbindliche einseitig verpflichtende Abrede. Unabhängig davon lasse sich die Stipulation aber auch methodisch als Institut des Natur- bzw. Völkergemeinrechts verstehen, da die daraus entstehende Verbindlichkeit weiterhin naturrechtlichen Charakter habe  : Sed in iuris arte finis maxime sive effectus consideratur. Huius autem respectu est quidem stipulatio quoque Iuris Gentium, cum eo iure vim obligandi habeat, sed in hoc nihil distat ab aliis pactionibus  ; Iure autem Civili effectum habet distinctum ac peculiarem obligandi. Est ergo quoad effectum hunc stipulatio Iuris Gentium productione, et Iuris Civilis comparatione  : in genere Iuris Gentium  : in specie vero districte, et comparate ad species pactionum alias Iuris Civilis. Quantum ergo productio conservationi praestat et absoluta comparatio, tanto plus habet

Doch in der Rechtswissenschaft wird vor allem das Ziel oder die Wirkung untersucht. Auch in dieser Hinsicht gehört die Stipulation zum Völkergemeinrecht, weil sie aufgrund dieses Rechts die Kraft zu binden (vis obligandi) innehat, doch unterscheidet sie sich in diesem durch nichts von den anderen Abreden (pactiones)  ; durch das Zivilrecht aber hat sie [d. h. die Stipulation] die unterscheidende und eigentümliche Wirkung zu binden (effectus obligandi). Daher gehört die Stipulation hinsichtlich ihrer Wirkung kraft Herbeiführung zum Völkergemeinrecht und kraft Vergleichs zum Zivilrecht  : in der Gattung des Völkergemeinrechts, in der Art (species) aber einzeln und vergleichend zu den anderen Arten der Abreden des Zivilrechts. In dem Maß folglich, wie die Herbeiführung die Aufrechterhaltung übertrifft und losgelöst vom Vergleich, hat die Stipulation

947 Vgl. etwa Vitoria, Commentarii in Iam–IIae, qu. 103 a. 4, insb. num. 3 [S. 150, 152, 154]  ; sowie zu protestantischen Theologen wie Bullinger Schmoeckel, Connan, S. 979 f. 948 Vgl. Fn. 180.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Rechtsnatur der Stipulation 

stipulatio a Iure Naturae et Gentium, quam a Iure Civili.949

| 217

mehr von dem Natur- und Völkergemeinrecht als dem Zivilrecht.

Um die Stipulation auch konstruktiv dem Natur- und Völkergemeinrecht zurechnen zu können, verknüpft Grotius an dieser Stelle die drei zuvor behandelten Th ­ emenkomplexe  : Die Feststellung der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämt­licher Abreden, die Begründung der gemeinrechtlichen Lehre der Unverbindlichkeit der pacta nuda als Begrenzung des Übertragungsrechts und die anfäng­lichen methodischen Überlegungen über Definitionen im Rahmen der Definition der Stipulation. Demnach folgt die Verbindlichkeit sämtlicher Abreden (vis obligandi  ; effectus obligandi) aus dem Naturrecht. Im Fall der pacta nuda werde diese durch das staatliche Recht begrenzt. Entscheidend ist dabei allerdings, dass das staatliche Recht keinesfalls eine vom Naturrecht unabhängige Verbindlichkeit auf Grundlage des positiven Rechts konstituiere, sondern die naturrechtliche Verbindlichkeit lediglich modifiziere.950 Folglich erhalten die nach römischem (oder gemeinem) Recht klagbaren Verträge, einschließlich der Stipulation, ihre Verbindlichkeit nicht etwa aus dem positiven Recht, sondern kraft Naturrechts. Insofern unterscheidet sich die Stipulation jedoch nicht von anderen Vertragstypen, da dies für die gesamte übergeordnete Gattung der conventiones verborum gelte. Während das römische Recht diese Verbindlichkeit den pacta nuda jedoch entziehe, erhalte es sie im Fall der Stipulation aufrecht. Eben darin liegt – und insofern beachtet Grotius, wie er im ersten Satz dieses Abschnittes ankündigt, lediglich die Rechtsfolgen, nicht aber die Voraussetzungen – der spezifische Unterschied, der die Art der Stipulation von anderen Abreden unterscheidet. Die Herbeiführung einer Rechtsfolge sei aber ein wesentlicheres Merkmal als deren Aufrechterhaltung, weshalb die Stipulation (zumindest im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen) eher zum Natur- und Völkergemeinrecht gehöre als zum ­positiven Recht. Schließlich kommt Grotius abschließend noch einmal ausdrücklich auf die Ansicht Connans zurück, bevor er sich in wenigen Sätzen noch einigen anderen von Wilhelms Thesen widmet951  : 949 Grotius, BW, I, S. 502 (num. 450). 950 Dieser Gedanke findet sich auch in Grotius, IBP, prolegomena XVI. 951 Auf eine Wiedergabe und Untersuchung dieses Teils des Briefes, Grotius, BW, I, S.  502  f. (num. 450), wird mangels Relevanz der entsprechenden Thesen für die Frage vertraglicher Verbindlichkeit verzichtet.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

218 | 

Sechstes Kapitel

Unde Connanus952 merito eos revincit qui stipulationem potissimum aiunt esse Iuris Civilis, et tamen pacta aiunt vim obligandi habere ex Iure Gentium. Vidit enim vir acutissimus haec adversis frontibus inter se pugnare. Iam ergo tibi de genere atque introductione stipulationis satisfactum arbitror.953

Zu Recht hat Connan daher diejenigen eines Widerspruchs überführt, welche sagen, dass die Stipulation hauptsächlich zum Zivilrecht gehöre, und dennoch sagen, dass pacta die Kraft zu binden (vis obligandi) aus dem Völkergemeinrecht besäßen. Denn ein äußerst scharfsinniger Mann sieht diese Ansichten an entgegengesetzten Fronten untereinander kämpfen. Ich glaube folglich, dass du bereits mit Bezug auf die Gattung und die Einführung der Stipulation genug getan hast.

Auch Wilhelm stützt seine Überlegungen zur Rechtsnatur der Stipulation auf Connan,954 wobei nicht klar ist, ob Wilhelm diesen bereits in seinem Brief an Grotius erwähnte oder erst durch dessen Antwort auf Connan aufmerksam wurde. Jedenfalls aber besaß Grotius ein Exemplar von Connans Commentariorum Iuris Civilis.955 Unabhängig davon, welcher der beiden Brüder den jeweils anderen auf diese Stelle aufmerksam machte, zeigt sich hier, dass Grotius’ fundamentaler Ablehnung956 von Connans Position zur Verbindlichkeit von Versprechen eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser zugrunde liegt  : Connan habe ganz richtig erkannt, dass die zum gemeinen Recht herrschende Ansicht widersprüchlich sei, wonach aus sämtlichen pacta eine naturalis obligatio entstehe,957 die Stipulation aber aufgrund des römischen bzw. gemeinen Rechts verbindlich sei. Daraus habe Connan allerdings eine falsche Schlussfolgerung gezogen, indem er nicht die gemeinrechtliche Natur der Stipulation, sondern die naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher Abreden ablehnt. Denn dass letzteres unzutreffend sei, folge bereits aus den eingangs ausgeführten Überlegungen zu Wilhelms Definition der Stipulation und dem daran anschließenden Exkurs.958

952 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib I cap. VI num. 10 [S. 31]. 953 Grotius, BW, I, S. 502 (num. 450). 954 Vgl. Fn. 813. 955 Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), S. 52 num. 70. 956 Vgl. im Text bei Fn. 819 sowie Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I, und dazu S. 282–302  ; ferner auch ebd., § IV 2, und dazu S. 359–362. 957 Vgl. Fn. 131, 145, 169. 958 Vgl. im Text bei Fn. 819.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 219

V. Schlussbetrachtung Veranlasst durch die These seines Bruders Wilhelm, wonach die Stipulation möglicherweise ein Rechtsinstitut des Völkergemeinrechts (ius gentium) sei, setzt sich Grotius in dem Brief vom 28.02.‌1616 erstmals ausdrücklich mit der naturrechtlichen Verbindlichkeit e i n s e i t i g e r Verträge auseinander. Die in De  Iure Praedae überwiegende und in den Theses  LVI zumindest als gleichrangig erwähnte Herleitung vertraglicher Bindung aus der ausgleichenden Gerechtigkeit vermag dies nicht zu begründen und fehlt entsprechend im Brief. Gleichwohl macht Grotius deutlich, dass Verträge im Allgemeinen und Stipulationen im Besonderen naturrechtlich verbindlich sind und dem Gläubiger ein Forderungsrecht (ius exigendi oder ius cogendi) gewähren. Dabei verzichtet er vor allem zu Beginn des Briefes auf den Begriff der fides, wenngleich er mit der Übertragung der libertas inhaltlich an die Begründung anknüpft, die er in De  Iure Praedae und den Theses LVI mit diesem Begriff verbindet. Nach den überaus kurzen Andeutungen in den Theses  LVI wiederholt Grotius hier deutlich ausführlicher, dass auch die fides naturrechtlich ein Forderungsrecht gewährt (und der iustitia in ihrer Wirkung in nichts nachsteht). Zugleich findet sich im Brief Grotius’ erste Auseinandersetzung mit der später in De Iure Belli ac Pacis an prominenter Stelle behandelten Position C ­ onnans, wonach einseitige Verträge naturrechtlich unverbindlich seien. Mit diesem stimmt Grotius darin überein, dass die bedingungslose naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher Abreden nicht damit vereinbar sei, die Stipulation als Rechtsinstitut des Zivilrechts zu verstehen. Daraus habe Connan nach Grotius’ Ansicht jedoch den falschen Schluss gezogen, indem er die bedingungslose naturrechtliche ­Verbindlichkeit sämtlicher Abreden bestritten habe. Diese hat Grotius zu Beginn des Briefes ausführlich aus den Stipulationsdefinitionen des Ulpian und Pomponius erarbeitet und anschließend mit dem im Grundsatz aus De  Iure Praedae und den Theses  LVI bekannten Modell der Übertragung der libertas begründet. Dabei versucht er deutlicher als zuvor dieses Konzept auch durch römisch-rechtliche Belege (insb. Inst. 2,1,40  ; D. 2,14,1 und D.  13,5,1) zu verankern. Daneben bemüht er zudem aus De  Iure Praedae übernommene Zitate Ulpians, Ciceros, Simonides’ und ungenannter Platoniker. Vollkommen neu ist jedoch eine theologische Begründung der Versprechensbindung, deren Ansatz sich allenfalls in einer Randnotiz in den Theses LVI finden lässt. Die Versprechensbindung des Menschen belegt Grotius einerseits unmittelbar und andererseits unter Heranziehung des Gedankens der Gotteskindschaft des Menschen und der Versprechenstreue Gottes mittelbar. Letzteres hat zudem

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

220 | 

Sechstes Kapitel

die Funktion die Verbindlichkeit von Versprechen als fundamentalen, selbst dem göttlichen Willen entzogenen Grundsatz des (aus der unwandelbaren Vernunft folgenden) Naturrechts (ius naturae, d. h. nicht des ius naturae secundarium) zu etablieren. Dem göttlichen (und damit mittelbar auch dem menschlichen) Willen entzogen wird aber nicht die Art und Weise des Zustandekommens der Versprechensbindung, sondern lediglich ihre abstrakte Geltung. Dadurch verlagert Grotius den Fokus der Argumentation im unmittelbaren Anschluss an die Ausführungen zur Übertragung der libertas von seiner auf der Willensfreiheit gründenden Konstruktion hin zu einem in der Moraltheologie und -philosophie allgemein anerkannten Prinzip. Dabei entsteht der Eindruck, dass diese theologische Begründung möglicherweise einzig dem Zweck dient, die Abhängigkeit der vorherigen Argumentation von dem Axiom der menschlichen Willensfreiheit zu verdecken. Die Idee menschlicher Willensfreiheit wurde im Rahmen des zwischen Katholiken und Protestanten, aber auch innerhalb der reformierten Kirche zwischen Remonstranten und Contraremonstranten geführten Gnaden- und Prädestina­ tionsstreits vehement angegriffen. Auch Grotius widmete sich diesem Streit etwa zeitgleich zum Entstehen des Briefes in seinen theologischen Werken. In der Tat scheint er zumindest den insoweit unstreitigen Gedanken der Versprechens­ bindung Gottes aus diesen übernommen zu haben. Daneben sind auch die Ausführungen über das Verhältnis der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämtlicher Verträge und der zivilrechtlichen Unverbindlichkeit formloser Verträge erhellend  : Indem Grotius die naturrechtliche Verbindlichkeit nicht mehr (primär) aus der ausgleichenden Gerechtigkeit begründet und damit von der Erbringung der Gegenleistung entkoppelt, gerät seine naturrechtliche Vertragslehre in offenen Konflikt mit der gemeinrechtlichen Lehre der Unverbindlichkeit der pacta nuda. Die verbreitete zeitgenössische Erklärung für diesen Widerspruch, den Schutz der Gerichte vor Überlastung, lehnt Grotius ab. Das Verständnis vertraglicher Bindung als Übertragung der mit dem ­dominium vergleichbaren libertas erlaubt Grotius jedoch, die spätscholastische Erklärung für positivrechtliche Beschränkungen der Eigentumsübertragung auch für das Vertragsrecht heranzuziehen. Für den derivativen Eigentumserwerb war bereits in der Spätscholastik weitgehend unstreitig, dass das positive Recht das Recht des Eigentümers zur Übertragung unter gewissen Umständen einschränken konnte, obwohl die willkürliche Übertragbarkeit grundsätzlich ein definierendes Merkmal des Eigentums als Vollrecht ist. Daran anknüpfend gesteht Grotius dem positiven Recht ebenso zu, die Übertragung der libertas beschränken zu können. Dabei kommt ihm zweifellos zugute, dass einer der in der Spätscholastik meist-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 221

diskutierten Fälle zur Eigentumsübertragung die zulässige Beschränkung der Geschäftsfähigkeit Minderjähriger war und sich so p ­ roblemlos auf das Vertrags­ recht ausweiten ließ. Im Ergebnis sind damit sämtliche aus zwei Willensäußerungen bestehende Abreden naturrechtlich verbindlich und berechtigen den Gläubiger, soweit der Schuldner zur Übertragung der Berechtigung an seiner zukünftigen Handlung berechtigt ist. Schließlich offenbart der Brief mit der Stipulation und insbesondere der ­conventio deutlicher als die Theses  LVI die Bedeutung der Zweiseitigkeit der ­Verpflichtungserklärung, die sowohl in der Inleidinge als auch in De Iure Belli ac Pacis in den Hintergrund tritt. Durch den weitgehenden Verzicht auf den Begriff der fides zugunsten des bereits in De Iure Praedae und den Theses LVI damit assoziierten Konzepts der Freiheitsübertragung schlägt der Brief zugleich eine terminologische Brücke zwischen den abstrakten Äußerungen in dem Parallelon Rerumpublicarum, De Iure Praedae und den Theses LVI und den technischen Vertragslehren in der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Siebtes Kapitel  : Inleidinge tot de Hollandsche rechtsgeleerdheid

Während seiner Inhaftierung auf Schloss Loevestein war es Grotius erlaubt, zu lesen und zu schreiben. Dazu ließ er sich von seiner Frau Marie Reigersberg regelmäßig Bücher bringen,959 was 1621 schließlich auch seine berühmte Flucht in einer leeren Bücherkiste960 ermöglichte. Während der Gefangenschaft schrieb er zwei bedeutende Werke  : De  Veritate Religionis Christianae sowie die Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid961. Wenngleich unbekannt ist, ob Grotius während seines Studiums jemals juristische Vorlesungen besucht hat,962 zeugt die Inleidinge mehr noch als die Briefe an seinen Bruder Wilhelm oder seine Rechtsgutachten von Grotius’ umfassendem Wissen auf diesem Gebiet.963 Gegenüber seinen übrigen historischen, theologischen, staatsrechtlichen oder völkerrechtlichen Werken nimmt die Inleidinge als L e h r b u c h zum P r i v a t r e c h t eine gewisse Sonderstellung ein.964 Dabei liegt es nahe, dass sie neben der erzwungenen Isolation auf Schloss Loevestein nicht zuletzt durch den juristischen Austausch mit seinem Bruder Wilhelm in den Jahren 1615 und 1616 inspiriert war.965 959 Neben dem Corpus Iuris Civilis, dem Gesamtwerk Ciceros, (nicht näher identifizierten) Werken von Platon und Aristoteles, de Sotos De Iustitia et Iure und Wesenbecks Pandekten ließ sich Grotius auch zwei nicht näher bezeichnete handgeschriebene Folia-Sammlungen bringen, von denen Molhuysen jedenfalls eine für ein Exemplar von De Iure Praedae hält. Für eine detaillierte Auflistung vgl. Molhuysen, MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), S. 62 f. Vgl. zu der Zuverlässigkeit dieser Auflistung aber Fn. 1135. 960 Vgl. Fn. 269. 961 Vgl. allgemein zur Entstehungs- und Wirkgeschichte der Inleidinge  : Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 409–411, 427–429  ; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952)  ; zu ihrem Aufbau und den verwendeten Quellen Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 411–427  ; Wellschmied, TR 20,4 (1952). 962 Vgl. Fn. 251–255, 781. 963 So auch Ahsmann, Jurist, S. 42. Allerdings nutzte Grotius die Haft nach eigener Aussage auch dazu, sein Wissen auf diesem Gebiet aufzufrischen, vgl. Grotius, BW, II, S. 27 f. (num. 597)  : Ne autem nescius sis, quomodo hanc soler solitudinem, partem exacti temporis impendi repetendo iuris praesertim patrii studio  ; sowie dazu Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 160 f. 964 Auch in seinen staats- und völkerrechtlichen Werken zieht Grotius das römische und gemeine Recht immer wieder heran, doch nur die Inleidinge und der 1643 erschienene Kommentar zum Corpus Iuris Civilis, Florum sparsio ad ius Iustinianeum, behandeln es unmittelbar. Zudem hat Grotius kein anderes Werk gezielt als Lehrbuch geschrieben. 965 Vgl. im Detail zu der hinter der Inleidinge stehenden Motivation Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 155–161 m. w. N.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Siebtes Kapitel 

| 223

Dieser war es jedenfalls auch, der Grotius (spätestens) ab 1627 zu einer Veröffentlichung drängte und bei deren Vorbereitung maßgeblich unterstützte.966 Bereits zuvor kursierten zahlreiche, teils fehlerhafte Abschriften, was wohl den Ausschlag zu einer Veröffentlichung 1631 gab.967 Dabei äußert Grotius gegenüber Wilhelm mehrfach die Sorge, dass das Werk unter dem begrenzten Zugang zu relevanter Literatur auf Schloss Loevestein gelitten haben könnte.968 Als erstes systematisches Lehrbuch zum gemeinen und niederländischen Recht969 verbreitete es sich schnell und gewann nachhaltigen Einfluss. Die ­Inleidinge bildete den Gegenstand universitärer Vorlesungen und eigens dazu verfasster Kommentare.970 In den folgenden Jahrhunderten wurde Grotius häufiger als jeder andere Jurist in der Rechtsprechung des Hohen Rates der Niederlande zitiert,971 wozu die Inleidinge maßgeblich beigetragen haben dürfte. Ihre praktische Relevanz verlor die Inleidinge in den Niederlanden (abgesehen von einer kurzen Periode mittelbarer und unmittelbarer Geltung des Code Napoleon zwischen 1809 und 1813) erst mit Inkrafttreten des Burgerlijk Wetboek von 1838.972 In den ehemaligen Kolonien hingegen blieb sie auch 966 Vgl. etwa Grotius, BW, II, S. 252 f. (num. 794)  ; Ders., BW, III, S. 124 f. (num. 1143)  ; Ders., BW, III, S. 238–240 (num. 1222)  ; sowie Ahsmann, Jurist, S. 43  ; Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 410 f.; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 165–173 m. w. N. 967 Vgl. Fn. 281. 968 Grotius, BW, IV, S. 39 (num. 1386)  : Institutiones Batavici juris audio jam auctoritatem habere quanquam ἀνεκδότους. Vide, ne quid ibi sit in quo nos pragmatici reprehendere possint. Meministi monuisse me, cum scriberem, rerum aliarum tractatione poene oblitum fuisse me fori et in carcere tenuem fuisse supellectilem librariam. Vgl. auch Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 161–163 m. w. N. 969 Dessen war sich auch Grotius bewusst, vgl. Grotius, BW, IV, S.  39 (num.  1386)  : Tamen scio plurima esse ab aliis nunquam observata, aut non plene tractata, ut de bonorum conjugalium communione, pactis nuptialibus, origine successionum ab intestato, feudis. Ego tot simul opusculis nostris fervere praela aut certe exspectationem lectorum incitari vel in hoc gaudeo, ut uberius scribendi argumentum habeas. 970 Vgl. dazu im Detail TMD, num. 765–790  ; Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 427–429  ; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S.  174–176  ; Zimmermann, römisch-holländisches Recht, S. 30 f.; vgl. zu inhaltlichen Auseinandersetzungen mit der Inleidinge in zeitgenössischen Monographien auch Feenstra, pacta nuda, S. 133 Fn. 48, S. 139–144 m. w. N. 971 Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 176. 972 Den letztlich ergebnislosen erstmaligen Kodifikationsbemühungen unter der Commissie van Twaalf und der Commissie der seven diente die Inleidinge vierzig Jahre zuvor aufgrund der regionalen Unterschiede der einzelnen Staaten noch als gemeinsame Diskussionsgrundlage, vgl. insb. Cras, consideratien  : ’t Is zo  : Wij hebben het meesterstuk van H. DE GROOT tot een grondslag genomen, abgedruckt in de Smidt / Hussen, Bronnen, S. 5  ; ferner auch die drei Memoranda von

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

224 | 

Siebtes Kapitel

darüber hinaus von Bedeutung und wurde noch bis ins 20.  Jahrhundert als grundlegender Beitrag zum geltenden Recht rezipiert.973 Dabei galt die Beachtung fast ausschließlich den Aussagen zum gemeinen und niederländischen Recht.974 Die Ausführungen zum Naturrecht standen weitgehend im Schatten des bereits sechs Jahre zuvor veröffentlichten De Iure Belli ac Pacis. Van Oven975 und Nanz976 haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Inleidinge bisher zumindest im Kontext des (naturrechtlichen) allgemeinen Vertragsrechts zu Unrecht vernachlässigt wurde. Vielmehr ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild von Grotius’ Vertragslehre erst durch eine gemeinsame Betrachtung der Inleidinge und von De Iure Belli ac Pacis.977 Auch Augé verweist darauf, dass diese Werke zwei Etappen in Grotius’ Überlegungen zum Vertragsrecht darstellen.978

I. Der Versuch der Systematisierung persönlicher Rechte (inschuld, ius in personam sive creditum) Mit der Inleidinge verfolgt Grotius das Ziel, ein Lehrbuch zum gesamten niederländischen Privatrecht zu verfassen, dessen Ordnung den Institutionen Justinians zumindest ebenbürtig sein soll.979 Angelehnt an deren Aufbau980 entwirft Cras, abgedruckt ebd., S. 14–24, 29–47, 64–72. 973 Vgl. TMD, num. 786–790  ; sowie im Detail de Smidt, Dutch private law, insb. S. 185–192  ; Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 177–179. 974 So auch Tuck, Natural Rights, S. 66. Besonders anschaulich zeigt dies der Kommentar von van der Keessel, vgl. Fn. 18, der die, im Folgenden näher zu untersuchenden, das Naturrecht betreffenden §§ 1–20 des ersten Kapitels des dritten Buchs der Inleidinge vollkommen unkommentiert lässt. 975 van Oven, Inleiding. 976 Nanz, Vertragsbegriff, S. 139–149. 977 So auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 140. 978 Augé, APD 13 (1968), S. 102  ; ähnlich auch Zimmermann, Römisch-holländisches Recht, S. 57 f. 979 In einem nicht in der Briefwisseling enthaltenen undatierten Brief an seine Kinder, der als Beilage I in Vissering, De Gids 47 (1883), und in Dovring / Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge, S. XXVII f., abgedruckt ist, schreibt Grotius  : Myn lieve Kinderen  ! […] Ook dit boek, dat ik u nalaat, inhoudende eene onderregting van de regten die in Holland te pas komen. Ik heb in ’t instellen zorgvuldig geweest, om alles te vervatten in eene bekwame ordre, die Ik hoop getroffen te hebben, immers wel zoo goed, als in de latijnsche Justiniaansche Institutiones Rechts-inleyding word bevonden. Ik heb ook naauw gelet, om de bepaalingen met de bepaalde naamen wel te doen overeenkomen, waarin by de Rechtsgeleerden zeer word gemist  ; ook om alle verdeelingen op malkanderen wel te doen vervolgen, ’twelk gij kortelijk zult konnen zien bij de vijf ingevoegde

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Versuch der Systematisierung persönlicher Rechte 

| 225

980er zu diesem Zweck in ramistischer Dichotomie981 ein System subjektiver Rechte982. Zunächst beginnt er mit einem Oberbegriff des Rechts, welches in ein »Recht im weiteren Sinne« (ruim genomen recht) und ein »Recht im engeren Sinne« (eng genomen recht) unterschieden wird.983 Zu letzterem zählt neben dem subjektiven Recht (toebehoeren)984 auch der Verdienst (waerdigheid).985 Allerdings dienen diese Kategorien lediglich der Abgrenzung des subjektiven Rechts und dessen Verortung in einer aristotelisch-thomistischen Terminologie, werden aber im weiteren Verlauf der Inleidinge nicht mehr aufgegriffen.986 Das subjektive Recht (toebehoren) differenziert er anschließend in dingliche Rechte (behering  ; ius in rem)987 und persönliche Rechte (inschuld  ; ius

Tafelen [Hervorh. d. Verf.]. Eine vollständige deutsche Übersetzung des Briefes findet sich bei Wellschmied, ZRG (GA) 82 (1952), S. 155–157. Ahsmann, Jurist, S. 43 f.; Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 411, sehen in dem Text vielmehr den Entwurf eines Vorworts als einen genuinen Brief an seine Kinder  ; vgl. auch Scholtens / Feenstra, TR 42,3/4 (1974), S. 237–242. 980 Ein detaillierter Vergleich beider Werke findet sich bei Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 389– 391. Die Einteilung der drei Bücher der Inleidinge orientiert sich an den ersten drei Büchern der Institutionen. Ursprünglich hatte Grotius noch ein viertes Buch zum Prozessrecht geplant, entschied sich jedoch dagegen. Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 90, will dies auf den eingeschränkten Zugang zu prozessrechtlicher Literatur während der Haft zurückführen. Indessen scheint Grotius neben einem bereits existierenden Lehrbuch von Paulus Merula schlicht keinen weiteren Bedarf gesehen zu haben, vgl. Grotius, BW, IV, S. 7 f. (num. 1364)  : Ad Institutiones Iuris redeo. Ego eum librum absolvi in modis tollendarum obligationum, quia revera is finis esse debet partis tertiae, quae est de obligationibus, contra quam in Institutionibus Iustinianeis factum est. Pars quarta esse debuit de actionibus et judiciis, sed eam omisi, quia Merula tractaverat et satis habui ad eum lectorem remittere. Pars altera, quae est de publico jure, quam etiam Iustinianus in Institutionibus, non nisi unica parte de publicis judiciis attigit, huic operi non accessit  ; meretur enim curam singularem, sed expediri nequit, nisi aditum habeam ad chartas et meas et aliorum. Druwé, Hollandic Jurisprudence, S.  412, erwähnt darüber hinaus noch ein weiteres zunächst geplantes Buch zum Öffentlichen Recht. 981 Vgl. dazu Ahsmann, Jurist, S. 44  ; Augé, APD 13 (1968), S. 102–104  ; Druwé, Hollandic Juris­ prudence, S. 413  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 f.; van Oven, Inleiding, S. 275 f.; Wellschmied, TR 20,4 (1952), S. 391–395, 439  ; ferner (ohne Bezug zu Grotius) auch Hübner, Humanismus, S. 52–54. 982 So schon Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 97  ; Tuck, Natural Rights, S. 66. 983 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib.  I cap.  I §§  4–6  ; dazu auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 82 f., 91  ; sowie Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 413  ; Tuck, Natural Rights, S. 67. 984 Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 8. 985 Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 7. 986 Vgl. auch Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I §§ 9–10  ; ferner ebd., lib. II cap. I § 57. 987 Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 8  ; ebd., lib. II cap. I § 58.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

226 | 

Siebtes Kapitel

in per­sonam sive creditum)988. Während dinglichen Rechten das zweite Buch der Inleidinge gewidmet ist, werden persönliche Rechte im dritten Buch ­vertieft.989 Zu Recht betont Haggenmacher die Parallele dieses Aufbaus zu dem zweiten und dritten Kriegsgrund (ob  rem suam  ; bzw. ob  debitum ex contractu aut simili ratione) in De Iure Praedae  :990 Schon dort beklagt Grotius, dass diese beiden Aspekte häufig zu Unrecht vermischt würden.991 In der Inleidinge erwächst daraus die zentrale Gliederung des Privatrechts, die sich auch im zweiten Buch von De  Iure Belli ac Pacis niederschlägt992.993 Während deliktische Ansprüche in De Iure Praedae einen separaten vierten Kriegsgrund darstellen, fasst Grotius diese hier wie schon in den Theses LVI994 mit den vertraglichen (und, anders als dort, auch bereicherungsrechtlichen) Ansprüchen unter eine gemeinsame Kategorie der inschuld bzw. des ius personale und differenziert erst auf einer nach­ geordneten Ebene zwischen diesen. Persönliche Rechte entstehen (naturrechtlich) stets aus einem von zwei Gründen  :995 Versprechen (toezegging, promissio)996 oder Ungleichheit (onevenheid)997. Beide Gründe kennen wiederum zwei Unterkategorien  : Ausdrückliche Versprechen (uitdruckelick toezegging)998 und gesetzlich geregelte Versprechenstypen (toezegging doer wetduiding)999 einerseits, die Herbeiführung von Ungleichheit

988 Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 8  ; ebd., lib. II cap. I § 59. 989 Für einen Überblick über den Inhalt der drei Bücher vgl. Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 415–427. 990 Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 94 f. 991 Vgl. Fn. 614. 992 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. II–X (dingliche Ansprüche)  ; ebd., cap. XI–XVI (vertragliche Ansprüche)  ; sowie ebd., cap. XVII (deliktische Ansprüche). Die Passage aus De Iure Praedae, wo Grotius die fehlende Trennung zwischen vertraglichen und dinglichen Ansprüchen beklagt, vgl. Fn. 991, hat sich zudem auch in Grotius, IBP, lib. II cap. I § II 2, niedergeschlagen. 993 Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 94 f.; Ders., Grotius, S. 549–552  ; vgl. zu der Abgrenzung zwischen persönlichen und dinglichen Rechten auch van der Walt, Eigentumsbegriff, S. 490– 492, 499 f., 509 f. 994 Vgl. im Text bei Fn. 742–746. 995 Vgl. zum Folgenden auch die fünfte der im Brief an seine Kinder erwähnten Übersichtstafeln, vgl.  Fn.  979, abgedruckt im Appendix  I in Dovring / Fischer / Meijers (Hrsg.), Inleidinge, S. 332–336, als Viifde Tafel. Begrypende het Derde Boeck. 996 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 9–13. 997 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 9  ; ebd., §§ 14–18. 998 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 49–53  ; ebd., cap. II–V. 999 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 49  ; ebd., cap. VI §§ 1–2  ; ebd., cap. VI–XXIX.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Versuch der Systematisierung persönlicher Rechte 

| 227

(veroorzaecking van onevenheid)1000 und Ungleichheit durch ungerechtfertigte Bereicherung (onevenheid doer baet-trecking)1001 andererseits. Auch diese Kategorien sind weiter untergliedert. Doch sind für das Verständnis der Vertragslehre lediglich die Untergliederung der gesetzlich geregelten Versprechenstypen (toezegging doer wetduiding) und der Herbeiführung von Ungleichheit (veroorzaecking van onevenheid) von größerer Bedeutung  : Zu ersteren zählt Grotius neben den Nominatkontrakten des gemeinen Rechts1002 auch Quasi-Verträge1003.1004 Letztere unterscheidet er in »aus Freundschaft herbeigeführte Ungleichheit«, d. h. durch Annahme einer nicht schenkweise erbrachten Leistung (veroorzaecking ter minne),1005 was jedenfalls die Innominatkontrakte des gemeinen Rechts einschließt,1006 und »aus Feindschaft herbeigeführte Ungleichheit« (veroorzaecking ter onminne),1007 was dem Deliktsrecht entspricht1008. Zunächst fällt auf, dass sich die einzelnen Kategorien im Umfang ihrer Bearbeitung teils erheblich unterscheiden. Dieses System mag dabei nicht zuletzt deshalb ungewohnt erscheinen, weil Grotius mehrfach traditionelle Gegenüberstellungen von Kategorien aufbricht, indem er sie unterschiedlichen Gliederungsebenen oder unterschiedlichen Oberkategorien zuordnet. So verwendet er etwa die Kategorien von Quasi-­Vertrag, Delikt und Quasi-Delikt,1009 doch werden diese einander nicht unmittelbar gegenübergestellt. Vor allem fehlt es an einer vergleichbaren Kategorie vertraglicher Ansprüche.1010 1000 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 15–18  ; ebd., cap. XXIX § 19  ; ebd., cap. XXXI–XXXVIII. 1001 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXIX § 19  ; ebd., cap. XXX. 1002 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI–XXVIII, insb. cap. VI §§ 5–6. Dabei denkt Grotius nur an Real- und Konsensualverträge, vgl. insb. ebd., cap. VI § 10, was wohl daran liegt, dass Verbalund Litteralverträge in der »formlosen Stipulation« (uitdruckelick toezegging) aufgehen  ; vgl. ebd., cap. I § 50. 1003 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXVI–XXIX, insb. cap. XXVI § 2. 1004 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI §§ 1–2  ; ebd., cap. XXVI § 2. 1005 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 16–17  ; ebd., cap. XXXI, insb. §§ 1–2. 1006 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXI, insb. § 5  ; So auch Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 425 f.; van Oven, Inleiding, S. 278 Fn. 1. 1007 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 16  ; ebd., § 18  ; ebd., cap. XXXII §§ 1–2  ; ebd., cap. XXXII– XXXVIII. 1008 So auch van Oven, Inleiding, S. 278 Fn. 1. 1009 Vgl. Inst. 3,13,2  ; Gai. Inst. 3,89. 1010 Ähnlich auch Jansen, Restitution, S. 176 f., der zudem darauf hinweist, dass die Unterscheidung zwischen onevenheid doer baet-trecking und veroorzaecking van onevenheid der Unterscheidung zwischen restitutio ratione rei und restitutio ratione acceptionis im Rahmen der scholastischen Restitutionslehre entspreche. Auch daran zeigt sich, dass Grotius während der Entstehung der

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

228 | 

Siebtes Kapitel

Stattdessen unterscheidet Grotius bereits auf einer Abstraktionsebene zwischen Innominatkontrakten und sonstigen Verträgen (toezegging), auf der erstere noch eine Einheit mit dem Delikts- und Bereicherungsrecht (onevenheid) bilden.1011 Von den verbleibenden Verträgen unterscheidet er als nächstes die (gewissermaßen einer, ihrer besonderen Form entledigten, Stipulation ent­sprechende)1012 ausdrückliche Zusage (uitdruckelick toezegging), während Quasi-­Verträge auf dieser Ebene noch zu den übrigen, durch staatliches Recht typisierten und daher auch konkludent durch Verwendung bestimmter Formen oder Namen abschließbaren, Verträgen (toezegging doer wetduiding) gerechnet werden.1013 Insbesondere daran scheint sich Nanz zu stören, der insofern von »seltsamen Einteilungen der Verträge« spricht, die nur »durch den einheitlichen Oberbegriff der »toezegging« […] ein Minimum an systematischer Kohärenz« behielten.1014 Dabei entspricht diese Gliederung grundsätzlich dem im Brief vom 28.02.‌1616 entfalteten Verständnis, wo Grotius die conventio verborum als Oberbegriff sämtlicher Verträge etabliert und diese anschließend in die Stipulation und sonstige Verträge unterteilt.1015 Lässt man Quasi-Vertrag, Delikts- und Bereicherungsrecht beiseite, verbleiben  –  auf unterschiedlichen Gliederungsebenen  – im Prinzip dieselben Kategorien, die bereits Connan herausarbeitet  :1016 formloses Versprechen, Nominatkontrakte und Innominatkontrakte. Ähnlich wie dieser sieht Grotius den eigentlichen Unterschied zwischen formlosen Versprechen und Innominatkontrakten. Während Connan in den Fällen der Nominatkontrakte jedoch eine der Inleidinge kaum Zugriff auf gemeinrechtliche Literatur hatte. Die scholastische Restitutionslehre war ihm hingegen bereits in De Iure Praedae vertraut, vgl. im Text bei Fn. 441. 1011 So auch Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 421, 426. R. W. Lee, Jurisprudence of Holland, Bd. 2, S. 222 f. num. 9, kritisiert insofern die unterschiedliche Behandlung von Nominat- und Innominatkontrakten. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich jedoch bereits in den Theses LVI zwischen fides und iustitia. Dort erklärt Grotius zwar, dass (nicht näher konkretisierte) vertragliche Ansprüche auch aus fides folgen können, doch kennt er neben dinglichen und deliktischen auch vertragliche Ansprüche aus iustitia. Der folgende Satz erweckt den Eindruck, dass er bei letzteren ausschließlich an Innominatkontrakte denkt, vgl. S. 169–172. 1012 So auch Feenstra, pacta nuda, S. 138  ; R. W. Lee, Introduction, S. 432 f., 437  ; sowie van Oven, Inleiding, S. 277–279, 280, 284, der in der Stipulation allerdings die gedankliche Vorlage sämt­ licher toezegging, d. h. auch der toezegging doer wetduiding, sieht. 1013 So auch Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 422–425. 1014 Vgl. Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 f. 1015 Vgl. S. 180–186. 1016 Vgl. S. 49–54.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Versuch der Systematisierung persönlicher Rechte 

| 229

Verkehrspraxis geschuldete, unwiderlegliche gesetzliche Vermutung des auch den Innominatkontrakten zugrunde liegenden Synallagma sieht,1017 versteht Grotius diese vielmehr als unwiderlegliche gesetzliche Vermutung eines oder mehrerer formloser Versprechen. Schließlich muss betont werden, dass nicht alle der dargestellten Kategorien derselben Rechtsordnung zugeordnet werden. Während die Unterscheidung zwischen toezegging und onevenheid sowie deren weitere Untergliederung in onevenheid veroorzaeckt ter minne bzw. ter onminne im Rahmen des Naturrechts erfolgt, handelt es sich bei den weiteren Unterscheidungen, insbesondere der­ jenigen zwischen uitdruckelick toezegging und toezegging doer wetduiding, um Kategorien des positiven Rechts.1018 Insoweit entspricht das System auf der Ebene des Naturrechts der bereits aus De  Iure Praedae bekannten Unterscheidung zweier naturrechtlicher pactorum origines in Gestalt der regula fidei und der iustitia compensatrix.1019 Letztere umfasst sowohl in Gestalt der lex  V unwillentliche als auch in Gestalt der lex  VI willentliche Ungleichheit. Entsprechend der Weiterentwicklung der fides in den Theses  LVI und dem Brief vom 28.02.‌1616 folgen im Gegensatz zu De Iure Praedae aus beiden Grundsätzen gleichermaßen nicht nur Pflichten des Schuldners, sondern auch Ansprüche des Gläubigers.1020 In diesem Kontext finden sich zudem grundsätzliche Ausführungen zum Verhältnis zwischen Verbindlichkeit und Anspruch in bisher unbekannter Ausführlichkeit. Schließlich äußert sich Grotius in der Inleidinge erstmals zur Überschneidung der beiden Ursprünge vertraglicher Verbindlichkeit,1021 allerdings ohne das Konkurrenzverhältnis zu thematisieren. Die größere, im Detail fast schon überwältigende Komplexität des Systems der Inleidinge entsteht erst durch Grotius’ Bemühen, sämtliche Ansprüche des gemeinen Rechts unter diese Kategorien seines Naturrechtsverständnisses zu subsumieren. Zumindest hinsichtlich der vielleicht schwierigsten, aber sicherlich praxisrelevantesten Herausforderung, die ausdifferenzierten Vertragstypen des gemeinen Rechts mit der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämtlicher Versprechen zu vereinbaren, kann Grotius jedoch auf seinen Überlegungen zum Ver-

1017 Vgl. insb. Fn. 163. 1018 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 8  ; ebd., § 21. 1019 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 10v [S. 19], sowie dazu S. 128–130. 1020 Vgl. Grotius, Theses LVI, fol. 287r, Theses 3–5, sowie dazu S. 162–169  ; Grotius, BW, I, S. 500 f. (num. 450), sowie dazu S. 189–191, 201–205. 1021 Vgl. etwa Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 20  ; ebd., cap. XXXI §§ 3–4  ; vgl. dazu S. 254–260.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

230 | 

Siebtes Kapitel

hältnis zwischen conventio verborum und Stipulation im Brief vom 28.02.‌1616 aufbauen.

II. Pflicht im weiteren und engeren Sinne (schuld ruim ghenomen  ; schuld eng ghenomen anders genoemt verbintenisse), Forderungsrechte (inschuld) und einfache Versprechen (belofte) Gemäß dieser neu entworfenen – an subjektiven Rechten orientierten – Systematisierung des Privatrechts, auf die Grotius sehr stolz war,1022 trägt das dritte Buch den Titel Van Inschuld bzw. »Über das p e r s ö n l i c h e R e c h t « oder »Über das F o r d e r u n g s r e c h t «1023. Dessen erstes Kapitel, in dem er seine naturrecht­ liche Vertragslehre entfaltet, behandelt jedoch »Ve r b i n d l i c h k e i t e n im Allgemeinen, ihren Ursprung und ihre Unterteilung«1024. Zu Beginn dieses Kapitels wiederholt Grotius zunächst die bereits zuvor gegebene Definition der inschuld als Forderungsrecht.1025 Daran schließt sich ein längerer Exkurs über die »Pflicht im weiteren Sinne« und schließlich deren Abgrenzung von der »Pflicht im engeren Sinne« unter Bezug auf die inschuld an.1026 Der Aufbau spiegelt damit in gewisser Weise den Beginn des ersten Buches, wo Grotius nach einleitenden Definitionen der Rechtsgelehrtheit und Gerechtigkeit zu einer Abgrenzung zwischen »Recht im weiteren Sinne« und »Recht im engeren Sinne« ansetzt.1027 1022 Vgl. Fn. 979. 1023 Inschuld wird im Folgenden je nach Kontext teils als »persönliches Recht«, teils als »Forderungsrecht« übersetzt, abhängig davon, ob der Begriff eher dem dinglichen Recht (behering) oder der Pflicht (schuld) bzw. Verbindlichkeit (verbintenisse) gegenübergestellt wird. Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, da sich die Ambivalenz auch in der lateinischen Übersetzung des Begriffes, vgl. dazu Fn. 1043, im Rahmen der erstmaligen Definition der inschuld in Grotius, Inleidinge, lib. II cap. I § 59, als ius in personam sive creditum findet. 1024 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I  : Vande verbintenissen in ’t gemeen, haer oorsprong ende verdeling. 1025 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 1, wiederholt wörtlich ebd., lib. II cap. I § 59  : [Inschuld is] ’t recht van toe-behooren dat den eene[n] mensch heeft op den andere[n] om van hem eenige zake ofte daed te genieten. 1026 Eine Darstellung der in diesem Abschnitt erörterten Beziehung zwischen »Pflicht im weiteren Sinne«, »Pflicht im engeren Sinne«, Verbindlichkeit und Forderungsrecht findet sich auch bei Feenstra, Inschuld  ; vgl. ferner Druwé, Hollandic Jurisprudence, S. 421. 1027 Vgl. im Text bei Fn. 983–986  ; ähnlich wie das »Recht im weiteren Sinne« dient auch die »Pflicht im weiteren Sinne« nur der Abgrenzung und wird anschließend nicht wieder aufgegriffen  ; vgl. dazu auch S. 240.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

| 231

Insofern deutet sich bereits in der Darstellung ein größeres Bewusstsein für die wechselseitige Beziehung zwischen Forderungsrecht und Verbindlichkeit an,1028 als dies in früheren Werken der Fall war. Im Parallelon Rerumpublicarum behandelt Grotius ausschließlich Pflichten, in De Iure Praedae existiert eine deutliche Trennung zwischen dem pflichtbasierten Kapitel 2 und dem anspruchsbasierten Kapitel 7, während die Theses LVI und der Brief vom 28.02.‌1616 einen deutlich stärkeren Fokus auf Rechte und Verbindlichkeiten legen und bloße Pflichten nur am Rande erwähnen. Möglicherweise liegt dieses stärker juristisch geprägte Bewusstsein bereits den beiden letztgenannten Werken zugrunde, doch tritt es in der Inleidinge – ­vielleicht aufgrund ihres Lehrbuchcharakters – erstmals in dieser Deutlichkeit zutage. Ausdrücklich zeigt sich dieser Zusammenhang erst gegen Ende der Ausführungen über die »Pflicht im weiteren Sinne«.1029 Zunächst schließt sich dieser Exkurs ohne Erklärung des Zusammenhangs unmittelbar an die Definition der inschuld an  : Om dan door twijffelachtigheid van woorden niet bedrogen te werden moet geweten zijn, dat schuld ruim ghenomen werd gezeit van alle daed den mensch nae ’t voor-schrift van eenighe deugden betamende, ’t zy dat de zelve daed eigentlick hem raeckt die ’t doet, gelijck een mensch schuldig is nuchterlick ende matelick te leven, voorzichtigheid te ghebruicken ende meer dierghelijcke, ’t zy dat de zelve daed eigentlick ziet op een ander.1030 De schuld ziende op een ander bestaet meest in drie hoofd-stucken  : in weldaedschuld, in trouw-schuld ende misdaed-schuld.1031

Um von der Zweifelhaftigkeit von Worten nicht betrogen zu werden, muss es bewusst sein, dass Pflicht im weiteren Sinne auf jede Tat des Menschen bezogen wird, welche einer Vorschrift einer Tugend unterliegt, sei es dass die Tat selbst eigentlich nur denjenigen betrifft, der sie vornimmt, wie ein Mensch schuldig ist, nüchtern und maßvoll zu leben, Vorsicht walten zu lassen und dergleichen mehr, oder dass die Tat selbst eigentlich auf einen anderen zielt. Die auf einen anderen bezogene Pflicht besteht meist in drei Kategorien  : der Pflicht zu einer Wohltat, der Treuepflicht und der Pflicht aus einer Übeltat.

Pflicht im weiteren Sinne (schuld ruim ghenomen) beschreibt Grotius zunächst als eine auf Handlungen gerichtete, aus einer Tugend folgende Vorschrift, die

1028 So (ohne den Vergleich zu anderen Werken) auch Feenstra, Inschuld, S. 459 f. 1029 Vgl. dazu im Text bei Fn. 1074–1077. 1030 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 2. 1031 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 3.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

232 | 

Siebtes Kapitel

er anschließend dahingehend unterscheidet, ob die Tugend allein auf den Handelnden oder einen Dritten gerichtet ist. Letztere trete meist in einer von drei Arten auf  : Wohltätigkeit und Dankbarkeit für eine empfangene Wohltat (weldaed-schuld),1032 Treue zum eigenen Wort (trouw-schuld)1033 oder Wiedergutmachung für eine Übeltat (misdaed-schuld)1034. Insofern lehnt er sich zumindest mittelbar an die (aristotelisch-)‌thomistische Unterscheidung zwischen den übrigen (auf den Handelnden selbst gerichteten) Tugenden und der auf eine andere Person gerichteten iustitia (generalis oder universalis)1035 sowie der Ausdifferenzierung ihrer Nebentugenden (etwa in liberalitas, gratia, veritas, fides und vindicatio)1036 an. Zugleich weisen die drei genannten Arten der »Pflicht im weiteren Sinne«, misdaed-schuld, weldaed-schuld und trouw-schuld, eine gewisse Ähnlichkeit zu den leges  V und VI, Malefacta corrigenda und Benefacta repensanda, bzw. der regula III oder regula fidei in De Iure Praedae auf. Während die lex VI in De Iure Praedae als Vergeltung empfangener Wohl­ taten die wesentliche Grundlage vertraglicher Verbindlichkeiten und Forde­ run­gen darstellt,1037 fehlt im Rahmen der weldaed-schuld jeglicher B ­ ezug auf ­Verträge  :

1032 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 4  ; ebd., § 6  ; vgl. zur Abgrenzung aber auch ebd., § 17, und dazu S. 250–254. 1033 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 5–6.; vgl. zur Abgrenzung aber auch ebd., §§ 9–13, und dazu S. 242–250. 1034 Anders als zur Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) und Treuepflicht (trouw-schuld) finden sich zur Pflicht aus einer Übeltat (misdaed-schuld) als »Pflicht im weiteren Sinne« keine weiteren Ausführungen. Vgl. aber zu der daraus folgenden »Pflicht im engeren Sinne«, d. h. deliktischen Ansprüchen, Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 18. Während diese zumindest unmittelbar nicht an die Handlung (misdaed), sondern den Erfolg (onevenheid) anknüpfen (so auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 96 f.), leitet Grotius aus der misdaed später noch so etwas wie den naturrechtlichen Geltungsgrund des Strafrechts ab, vgl. Grotius, Inleidinge, lib.  III cap.  XXXII §  7. Insoweit wäre die Pflicht aus einer Übeltat (misdaed-schuld) eigentlich ein Zwitter zwischen »Pflicht im weiteren Sinne« und »Pflicht im engeren Sinne«, da ihr sehr wohl ein persönliches Recht entspricht, welches allerdings nicht dem Adressaten der Handlung, d. h. dem Opfer, sondern einem Dritten, nämlich dem Staat, zukommt. 1035 Vgl. etwa Aquinas, STh IIa–IIae qu. 58 a. 2 [Bd. 9, S. 10 f.]  ; Aristot. eth. Nic. 5,3 [1129b]  ; aber auch de Soto, De Iustitia et Iure, lib. III qu. II a. II [Bd. 2, S. 202 f.], worauf Grotius auch in der Haft auf Schloss Loevestein Zugriff hatte, vgl. Fn. 959. 1036 Vgl. etwa Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 resp. [Bd. 9, S. 174 f.]  ; ebd., ad 3 [Bd. 9, S. 175]. 1037 Vgl. S. 103–116, 150–152  ; sowie insb. im Text bei Fn. 451.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

Weldaed-schuld ontstaet uit de ghemeenschap des aerds die allen menschen is aengheboren, als allegader ghesproten zijnde uit eenen stronck, waeromme oock de menschen schuldig zijn alle menschen goed te doen, voor zoo veel sy zonder haer merckelick ongherijf zulcks konnen doen. Deze weldaed-schuld krijgt uit bizondere omstandigheden bizondere namen  ; want ten aenzien van iemand die ons eerst welgedaen heeft werd de zelve ghenoemt danckbaerheid, ten aenzien van gebreckige menschen barmhertigheid, ende zoo voort.1038

| 233

Die Pflicht zu einer Wohltat entsteht aus der Gemeinschaft der Natur, die allen Menschen angeboren ist, als allesamt aus einer Wurzel entsprungen, weshalb auch die Menschen schuldig sind, allen Menschen Gutes zu tun, soweit sie dies ohne merkliche Unannehmlichkeit für sich selbst tun können. Diese Pflicht zu einer Wohltat erhält aus besonderen Umständen besondere Namen  : Mit Hinblick auf jemanden, der uns zuerst eine Wohltat bereitet hat, wird sie Dankbarkeit genannt, mit Hinblick auf notleidende Menschen Barmherzigkeit und so weiter.

Die Herleitung der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) aus der natürlichen Gemeinschaft aller Menschen erinnert, abgesehen von dem hier fehlenden ­Gottesbezug, an die Herleitung der Gerechtigkeit in De  Iure Praedae1039. Dort stellt Grotius umgehend einen Bezug zur aequalitas her und etabliert anschließend im Rahmen der iustitia compensatrix in Gestalt der lex VI die Verbindlichkeit, eine empfangene Wohltat entsprechend zu vergelten. Auch hier erwähnt er die aus einer empfangenen Wohltat entstehende Pflicht, doch ist lediglich von Dankbarkeit, nicht aber von Vergeltung die Rede. Wie sich später zeigen wird,1040 kennt Grotius diese aus dem Gebot der aequalitas folgende Verbindlichkeit zur Vergeltung einer empfangenen Wohltat auch in der Inleidinge. Die Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) stellt insofern gegenüber dieser Verbindlichkeit eine Abgrenzung dar, deren genauer Unterschied an gegebener Stelle noch zu untersuchen ist. Im Gegensatz zur Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) thematisiert ­Grotius im Rahmen der Treuepflicht (trouw-schuld) zumindest die Bindungs­ wirkung einfacher Versprechen1041  :

1038 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 4. 1039 Vgl. im Text bei Fn. 418. Ähnlich auch Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 9, wo es heißt, die allgemeine Gerechtigkeit (iustitia universalis) schließe alle tugendhaften Handlungen ein, soweit diese der Gemeinschaft der Menschen dienen würden. 1040 Vgl. S. 250–254. 1041 Vgl. dazu auch Feenstra, Inschuld, S. 461  ; sowie Nanz, Vertragsbegriff, S. 141 f., die die folgende Passage insbesondere mit der Parallelstelle in De Iure Belli ac Pacis vergleichen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

234 | 

Siebtes Kapitel

Trouw-schuld ontstaet uit de spraecke ofte iet dat spraecks-ghelijck is  : welcke spraeck den menschen alleen onder alle dieren tot beter betrachtinghe van de onderlinghe ghemeenschap is gegeven, om daer mede bekent te maken ’t gunt in ’t gemoed is verholen  : waer van de behoorlickheid bestaet in de over-een-kominghe van het teicken met het beteickende, ’t welck waerheid werd genoemt. Maer alzoo de waerheid alleen inghezien zijnde niet anders medebrent als een over-een-koming van de tael met het ghemoed voor die tijd als de tael werd gebruickt, zijnde des mensches wil uit haer eigen aerd veranderlick, zoo heft een middel moeten gevonden werden om die wille voor het toekomende vast te stellen, welcke middel is belofte [L. Pollicitatio].1042

Die Treuepflicht entsteht aus der Sprache oder etwas, das sprachgleich ist  : Die Sprache wurde allein den Menschen unter allen Tieren zur besseren Förderung der Gemeinschaft untereinander gegeben, um damit bekanntzumachen, was im Geist versteckt ist  : Deren Angemessenheit besteht in der Übereinstimmung der Zeichen mit dem Bezeichneten  ; was Wahrheit genannt wird. Aber weil die Wahrheit für sich genommen in nichts anderem besteht, als in der Übereinstimmung der Sprache mit dem Geist in dem Zeitpunkt, in dem die Sprache gebraucht wird, und der Wille des Menschen seiner eigenen Natur nach veränderlich ist, musste ein Mittel gefunden werden, um den Willen für die Zukunft festzulegen  ; und dieses Mittel ist das Versprechen (belofte, pollicitatio).

In der Inleidinge fügt Grotius zuweilen zum besseren Verständnis die gebräuchlicheren lateinischen Begriffe als Randnotiz an.1043 Vor diesem Hintergrund mag man eine ausdrückliche Gleichsetzung der trouw-schuld mit fides vermissen. Die Abwesenheit eines derartigen Hinweises könnte auch der Tatsache geschuldet sein, dass Grotius diese Gleichsetzung für offensichtlich gehalten haben mag oder derartige Hinweise (jenseits des ersten Kapitels des ersten Buches) juristischen (statt philosophischen) Konzepten vorbehalten wollte. Jedenfalls bedient er sich derselben Begründung für die trouw-schuld wie in De Iure Praedae im Rahmen der regula fidei, die sich implizit auch in anderen Werken für die fides findet  : Hier wie dort betont Grotius die grundsätzliche Veränderlichkeit des Willens.1044 Die trouw-schuld bzw. fides folge aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Willensäußerung, weil die Sprache den Menschen (von Gott) gerade zum Zweck der Mitteilung ihres Willens untereinander 1042 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 5. 1043 Vgl. auch die Aussage in dem die Inleidinge betreffenden Brief an seine Kinder, vgl. Fn. 979  : ende tot nader geryf van de geenen, die aan Latynsche ofte Basterd duitsche woorden zyn gewent, heb ik op den kant de Duitsche woorden vertaalt met het eene en met het andere, en het eene met L., het andere met B. beteikend. 1044 Ähnlich schon Tuck, Natural Rights, S. 70.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

| 235

gegeben wurde.1045 Insoweit unterscheidet sich die Treuepflicht von der Tugend der Wahrhaftigkeit, weil sie nicht bloß den momentanen Willen betrifft, sondern den Willen auch für die Zukunft bindet.1046 In dieser Betonung der Selbstbindung des Willens will Tuck eine Bedeutungsverlagerung des naturrechtlichen Vertragsverständnisses von der (gerechtigkeitsbasierten) Vertragsbindung durch objektive Rechtssätze hin zur willensbasierten Vertragsbindung durch subjektive Rechtssätze erkennen.1047 In der Tat verdeckt Grotius diese Bedeutungsverlagerung etwa im Brief vom 28.02.‌1616 noch halbherzig,1048 wenngleich sie bereits in den (wohl nicht für die Öffentlichkeit bestimmten) Theses  LVI noch deutlicher zutage tritt.1049 Dass Grotius Verträge im Rahmen der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) mit keinem Wort erwähnt, im Rahmen der Treuepflicht (trouw-schuld) aber sehr wohl das Versprechen thematisiert, bestätigt diese Entwicklung. Zugleich differenziert Grotius in der Inleidinge deutlicher als in früheren Werken1050 zwischen rein deklaratorischen Äußerungen des Willens und solchen, die den Willen auch für die Zukunft festlegen sollen.1051 Letzteren gibt er in der Inleidinge erstmals einen eigenen Namen  : belofte – bzw. für diejenigen, die lateinische Begriffe gewöhnt sind  :1052 pollicitatio. Die Bezeichnung als pollicitatio ist nicht unproblematisch. In der zeitgenössischen Literatur wird dieser Ausdruck regelmäßig für ein (noch) nicht angenommenes Versprechen verwendet.1053 Mit Annahme durch den Adressaten 1045 Vgl. zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 506, 619  ; ferner zum Parallelon Rerumpublicarum im Text bei Fn. 343, 359 f.; zu den Theses LVI im Text bei Fn. 708, 722  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 940. 1046 So auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 128, 133, die zu Recht auf den Kontrast zu De Iure Praedae hinweist, wo Grotius die Tugend der Wahrhaftigkeit noch auf die Zukunft zu erstrecken scheint. Letzteres zeigt sich noch deutlicher in den Theses LVI, in denen Grotius die auf die Zukunft erstreckte veritas als Argument für die Bindungswirkung der fides heranzieht, vgl. im Text bei Fn. 716  ; sowie ferner zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 533  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 831  ; vgl. auch Aquinas, STh IIa–IIae qu. 110 a. 3 ad 5 [Bd. 9, S. 425]. 1047 Tuck, Natural Rights, S. 67, 69 f. 1048 Vgl. S. 201. 1049 Beide Werke waren Tuck unbekannt, sodass der Vergleich in erster Linie De Iure Praedae und darüber hinaus anderen Autoren gilt. 1050 Vgl. zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 506, 619  ; zu den Theses LVI im Text bei Fn. 708, 721  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 787 sowie dazu im Text bei Fn. 800 f. 1051 So ohne Vergleich zu früheren Werken auch Feenstra, Inschuld, S. 461  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 141 f. 1052 Vgl. Fn. 1043. 1053 Vgl. etwa D. 50,12,3 pr. (Ulpianus libro quarto disputationum)  : Pactum est duorum consensus

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

236 | 

Siebtes Kapitel

kommt ein (normaler) Vertrag zustande. Diskutiert wird insofern anknüpfend an den Digestentitel De Pollicitationibus (D. 50,12) allein, ob das Versprechen vor Annahme widerrufen werden kann. Insoweit entspricht dies gerade der Art von Willensäußerung, die in den Theses LVI eine Pflicht, aber kein Recht entstehen lässt1054.1055 Die Bezeichnung der belofte als pollicitatio suggeriert daher, dass diese auf das Zustandekommen eines Vertrages gerichtet wäre und mit Annahme ein Forderungsrecht des Adressaten entstünde. Die von Grotius beschriebene belofte ist jedoch eine bloße Selbstbindung und gerade n i c h t auf einen Vertragsschluss gerichtet und kann auch n i c h t angenommen werden.1056 Ungeachtet dieses wesentlichen Unterschieds ist die Bezeichnung als pollicitatio dennoch verständlich. Auch aus der belofte folgt eine Pflicht, aber kein Recht des Adressaten  :

atque conventio, pollicitatio vero offerentis solius promissum  ; Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,1 pr. num. 1  : In pollicitatione sufficit consensus unius tamen. In pactis requiritur consensus plurium  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 252 num. 3 [Sp. 1 f.]  : Pactum est duorum consensus atque conventio. Hinc constat, pollicitationem, seu promissionem, interim dum acceptata non est, pactum non esse  ; ähnlich ebd., disp. 255 num. 2 [Sp. 13]  ; Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis, disp. II sect. II num. 21 [Bd. 11, S. 421]  : omnes pollicitationem non obligare civiliter, nisi in certis casibus a jure expressis  ; est autem pollicitatio solius offerentis promissio […] differre pollicitationem a pacto nudo, quia pollicitatio est unius tantum, pactum vero duorum. Et in hoc etiam distinguunt pollicitationem a promissione  ; Wesenbecius, Paratitla, ad D. 2,14 num. 3 [S. 128]  : Proprium quod actum a pollicitatione secernitur, est  : Quod pactum tantum fieri possit alteri praesenti & acceptanti, vel suo nomine, vel alieno  : l. 2. l. tale. 40. ubi Dd. hoc tit. pollicitatio autem tam absenti quam praesenti, etiam non acceptanti [Hervorh. im Orig.]  ; sowie als nicht angenommenes Schenkungsversprechen auch Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. II num. 16 [S. 217 f.]  : Pollicitatio est offerentis solius promissum […] seu est nuda promissio, nondum secuta acceptatione. Dass Grotius’ Verwendung des Begriffes auch von seinen Adressaten in diesem Sinne verstanden wurde, zeigen die frühen Kommentare zu De Iure Belli ac Pacis, vgl. Gronovius, IBP, Haec pollicitatio ad IBP, lib. II cap. XI § III, und De pollicitationibus ad IBP, lib. II cap. XI XIV, der insoweit auf die Definition der pollicitatio als offerentis solius promissum in Abgrenzung zum konsensualen pactum in D. 50,12,3 (Ulpianus libro quarto disputationum) verweist  ; ähnlich auch Ziegler, Notae et Animadversiones, Ut acceptari semper possit ad IBP, lib. II cap. XI § XIV. Vgl. außerdem Chiodi, Grotiana 41,1 (2020), insb. S. 43–45. 1054 Vgl. S. 166–169. 1055 Vgl. zur Annahmebedürftigkeit der toezegging, d.  h. des durchsetzbaren Versprechens in der Inleidinge, S. 245–248. 1056 Wenig später erklärt Grotius dies – ohne auf den darin liegenden Unterschied zum herkömmlichen Verständnis einer pollicitatio hinzuweisen – ausdrücklich, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

Hoe wel nu een mensch schuldig is danckbaer te zijn aen sijne weldoender, insghelijcks schuldig is sijne beloften te houden, nochtans werd noch uit het eene nochte uit het andere, alzoo alleen zinjde inghezien, een ander gheen recht gheboren ’t welck wy inschuld noemen  : ende daerom is oock een erfghenaem zelfs in ’t gewisse niet ghehouden een slechte belofte van sijn voorzaet, schoon by eede gedaen zijnde, te voldoen.1057

| 237

Wenngleich ein Mensch also schuldig ist, seinem Wohltäter gegenüber dankbar zu sein, und gleichermaßen schuldig, seine Versprechen (beloften) zu halten, entsteht dennoch weder aus der einen noch aus der anderen, also für sich genommen, einem anderen ein Recht, welches wir inschuld nennen  : Und daher ist auch ein Erbe selbst vor dem Gewissen nicht gehalten, ein schlichtes Versprechen (slechte belofte) seines Vorfahren, obwohl es durch einen Eid bekräftigt wurde, zu vollziehen.

Der Treuepflicht (trouw-schuld) entspricht genauso wenig ein Forderungsrecht (inschuld) des anderen Teils wie der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld). Dies übersieht Tuck, wenn er die trouw-schuld, anders als die weldaed-schuld, in einen Kontext subjektiver Rechte setzt.1058 Damit macht sich Grotius in der Inleidinge gerade die Position zu eigen, die er im Brief vom 28.02.‌1616 noch als Auffassung Platons und Theophrasts auf die Antike reduziert und als für seine Zeit unpassend zurückgewiesen hat  : Sowohl Wohltaten (beneficia) als auch Treue (fides) lägen außerhalb der Zuständigkeit der Gerichte.1059 Der Versprechende ist zwar durch eine »Pflicht im weiteren Sinne« (schuld ruim ghenomen) gebunden, doch bleibt unklar, was dies konkret bedeutet.1060 Fest steht mangels inschuld zunächst nur, dass niemand ein Recht an der verspro-

cap. I § 48  : Toezegging hebben wy hier vooren nae ’t aengebooren recht beschreven, waer uit goed te verstaen is dat een slechte verklaringe ofte oock belofte die niet en is geschied met meeninge om aenghenomen te mogen worden, ofte oock die niet dadelick en is aengenomen, gheen inschuld en geest  : maer belofte gheschied ter eere Godes, ofte oock uit voorgaende oorzaecken ter eere van ’t land, ofte een stad, werden by de wetten gehouden voor aengenomen toezegginghen […] [Hervorh. d. Verf.]. 1057 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 6. 1058 Tuck, Natural Rights, S.  67  : »Thus [Grotius] divided what he called ›the duty which regards ­another‹ into three  : ›the duty of benevolence, the duty of keeping faith, the duty of making amends for wrongdoing‹, the last two being entirely to do with property while the former was broadly equivalent to respect for merit or desert«. (Bei property bzw. merit handelt es sich um die von R. W. Lee (Hrsg.), Jurisprudence of Holland, verwendeten Übersetzungen für toebehoeren bzw. waerdigheid, vgl. dazu auch im Text bei Fn. 983–986). 1059 Vgl. im Text bei Fn. 895. 1060 Vgl. zum Parallelproblem in De Iure Belli ac Pacis S. 319–330.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

238 | 

Siebtes Kapitel

chenen Leistung erhält, sodass weder Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) noch Treuepflicht (trouw-schuld) durchsetzbar sind. Darüber hinaus wollen Fockema Andreae und Nanz beide als »bloot zede­ lij­ke verpflichtingen« bzw. »lediglich moralische Pflichten« verstehen,1061 doch ist dieser Schluss nicht zwingend. Neben der fehlenden Durchsetzbarkeit folgt aus dem anschließenden Beispiel lediglich, dass Pflicht zu einer Wohltat (weldaedschuld) und Treuepflicht (trouw-schuld) selbst in einer durch einen Eid bestärkten Form nicht einmal eingeschränkt, also vor dem Gewissen bindend, vererblich sind.1062 Dies steht in auffälligem Kontrast zu der wenig später folgenden Aussage, wonach »alle schulden ende inschulden« grundsätzlich vererblich seien.1063 ­Allerdings spricht Grotius dort unmittelbar nur über das positive Recht, wenngleich kein Grund ersichtlich ist, warum das Naturrecht dies anders regeln sollte. Vielmehr dürften dort mit »alle schulden« lediglich »Schulden im engeren Sinne« (schulden eng ghenomen), d.  h. verbintenisse, gemeint sein und die Verkürzung lediglich dazu dienen, die Reziprozität mit »alle inschulden« zu betonen.1064 Dass »Schulden im weiteren Sinne«, wie der Pflicht zu einer Wohltat (weldaedschuld) und Treuepflicht (trouw-schuld), aber weder durchsetzbar noch vererblich sind, muss nicht bedeuten, dass ihnen keine rechtliche Wirkung zukommt. Vielmehr ließe sich dieses Resultat auch erklären, sofern es sich dabei, modern formuliert, um »höchstpersönliche Obliegenheiten« handeln sollte. In diesem Fall könnte sich der andere Teil aber wohl, wie in De Iure Praedae angedeutet,1065 im Sinne einer Einrede auf die belofte berufen. Den Unterschied zwischen Einrede und Klagerecht kennt Grotius, zumindest für das positive Recht, auch in der Inleidinge.1066 Allerdings bleibt u ­ nklar, in welchem Verhältnis diese Begriffe zur inschuld stehen,1067 welche in den 1061 Fockema Andreae (Hrsg.), Inleidinge, Bd.  2, S.  235 [Hervorh. im Orig.]  ; Nanz, Vertrags­ begriff, S. 141. 1062 Eine auffallend ähnliche Schlussbemerkung findet sich, allerdings ohne den Zusatz einer Bestärkung durch Eid, bei Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis, disp. II sect. II num. 23 [Bd. 11, S. 422]  ; vgl. dazu Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 69. 1063 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 44. 1064 So auch Feenstra, Inschuld, S. 467. 1065 Vgl. S. 126 f. 1066 Vgl. etwa Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 51, sowie ebd., cap. IV § 8, wo er jeweils zwischen »Einspruchs-Recht« (recht van verzet bzw. exceptio) und »Klage-Recht« (recht van eisch bzw. ius agendi) differenziert. 1067 Dagegen wohl van der Linden (Hrsg.), Institutiones Juris Hollandici, lib.  III cap.  I §  7, der

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

| 239

­ällen der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) und der Treuepflicht F (trouw-schuld) ja gerade nicht entsteht. Inschuld definiert Grotius als »Recht […], dass ein Mensch gegen einen anderen hat, um von diesem eine Sache oder Handlung z u g e n i e ß e n «.1068 Darunter könnte auch eine Einrede als bloßes Abwehrrecht fallen, wenn der Berechtigte bereits im Besitz der entsprechenden Sache wäre. Die Rolle der inschuld in dem dargelegten System subjek­tiver Rechte und ihre Übersetzung als ius in personam sive creditum sprechen hingegen dafür, dass lediglich durchsetzbare Forderungsrechte als inschuld zu qualifizieren wären. Daher bleibt offen, ob aus der Treuepflicht (trouw-schuld) und damit der ­belofte lediglich kein Forderungsrecht oder darüber hinaus auch keine Einrede entstehen kann, ihnen also nur eine eingeschränkte oder schlicht gar keine Rechtswirkung zukommt. Es liegt jedoch nahe, dass Grotius die trouw-schuld als Äquivalent zur regula fidei in De  Iure Praedae konzipiert hat und diese somit nicht weniger verbindlich als jene sein soll.1069 Fest steht jedoch, dass die belofte im Gegensatz zum (angenommenen) i­ ndicium voluntatis in den Theses LVI und der conventio verborum im Brief vom 28.02.‌1616 kein Recht auf die Primärleistung gewährt und damit kaum als Grundlage eines Vertragsrechts geeignet ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen im Rahmen des Deliktsrechts. Dort führt Grotius ausdrücklich den »Wortbruch« (sijn woord niet te houden) als Beispiel für ein inhärent naturrechtswidriges Verhalten an.1070 Die darin liegende Übeltat (misdaed) begründet einen (ausdrücklich vererblichen) Ersatzanspruch,1071 der soweit möglich in natura zu erfüllen ist1072. Entgegen der weiten Formulierung sijn woord niet te houden kann die belofte dort jedoch nicht umfasst sein. Vielmehr dürfte Grotius insoweit entweder an die anfängliche Lüge

slaet op inschuld mit actionem parit übersetzt, wofür er jedoch von Feenstra, pacta nuda, S. 135 Fn. 58, S. 136 Fn. 62, zu Recht kritisiert wird. 1068 Vgl. Fn. 1025. 1069 So wohl auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 92, der die »Pflicht im weiteren Sinne« als »plus moral que proprement juridique« und »sans qu’il en résulte un droit véritable au bénéfice de l’autre« beschreibt, ohne jedoch zu vertiefen, wovon er proprement juridique und droit véritable implizit abgrenzt. Allerdings wird diese Aussage dadurch wieder relativiert, dass er konkret für die belofte ausdrücklich von einer (lediglich) moralischen Bindung spricht, ebd., S. 93. 1070 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXII § 5. Vgl. zu demselben Gedanken in De Iure Praedae auch im Text bei Fn. 631 f. 1071 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXII §§ 4, 7, 9–15. 1072 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXII § 16.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

240 | 

Siebtes Kapitel

(vermittelt durch den darin antizipierten Wortbruch)1073 oder an die sogleich zu erörternde toezegging denken. Dafür spricht auch die an die Erörterung der belofte anschließende und ­zugleich das Ende des Exkurses zur »Pflicht im weiteren Sinne« darstellende ­Abgrenzung zur »Pflicht im engeren Sinne«  : Maer schuld eng ghenomen slaet op inschuld, ende kan zonder de zelve niet bestaen, ende werd anders genoemt verbintenisse [L. Obligatio].1074

Aber eine Pflicht im engen Sinne bezieht sich auf ein Forderungsrecht (inschuld) und kann ohne dieses nicht bestehen und wird auch Verbindlichkeit (verbintenisse, obligatio) genannt.

Indem Grotius der »Pflicht im weiteren Sinne« hier die »Pflicht im engeren Sinne« gegenüberstellt und diese als Verbindlichkeit (verbintenisse) bezeichnet, erklärt sich auch die Bedeutung des zunächst nicht weiter begründeten Exkurses über die »Pflicht im weiteren Sinne« für das Kapitel »Van Verbintenisse« und das Buch »Van Inschuld« allgemein  : Zunächst mag es seltsam anmuten, dass Grotius das Kapitel »Über Verbindlichkeiten« mit einem längeren Exkurs über die »Pflicht im weiteren Sinne« einleitet. Hier zeigt sich jedoch, dass diese zusammen mit den Verbindlichkeiten demselben Oberbegriff –  der P f l i c h t   – untergeordnet sind. Insofern dienen dieser Exkurs und generell wohl auch die dichotome Gliederung der Begriffe1075 allgemein in der Inleidinge dazu, die einzelnen Begriffe gemäß der im Brief vom 28.02.‌1616 dargelegten Methode1076 durch Angabe der n ä c h s t h ö h e r e n G a t t u n g und des s p e z i f i s c h e n U n t e r s c h i e d s zu definieren  : Die ­Verbindlichkeit (verbintenisse) ist eine Pflicht des Schuldners (schuld), der ein Forderungsrecht (inschuld) eines anderen entspricht. Diese Beziehung zwischen Verbindlichkeit und Forderungsrecht, die sich bereits im Aufbau angedeutet hat, kulminiert hier in der ausdrücklichen Erklärung  : schuld eng ghenomen slaet op inschuld, ende kan zonder de zelve niet bestaen. Besonders deutlich zeigt sich dieser Zusammenhang, wenn Grotius die »Pflicht im

1073 Dies würde in einem gewissen Widerspruch zu den in anderen Werken mehrfach wiederholten Aussagen stehen, wonach eine Lüge gerade nicht zur Erfüllung binde, vgl. im Text bei Fn. 366, 506, 624, 1401, sodass die Nichterfüllung schwerlich als Wortbruch beschrieben werden könnte. 1074 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 7. 1075 Vgl. Fn. 981. 1076 Vgl. im Text bei Fn. 787.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Pflicht im weiteren und engeren Sinne 

| 241

engeren Sinne« an einigen Stellen –  wohl in Gegenüberstellung zur inschuld  – auch als uitschuld bezeichnet.1077 Zugleich folgt daraus im Umkehrschluss, dass nicht nur der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) und der Treuepflicht (trouw-schuld) kein Forderungsrecht entspricht, sondern keiner »Pflicht im weiteren Sinne«, insbesondere also auch nicht der – nicht weiter ausgeführten – dritten genannten Kategorie  : der Pflicht aus einer Übeltat (misdaed-schuld)1078 (die insofern von dem deliktischen Ersatzanspruch zu trennen ist). Den damit zugleich neu etablierten und indirekt definierten Begriff der Verbindlichkeit (verbintenisse) versieht Grotius zudem mit dem lateinischen Begriff der obligatio. Dies ist insofern interessant, als Grotius an dieser Stelle ausschließlich über das Naturrecht spricht1079, während er auf das römische und gemeine Recht erst an späterer Stelle eingeht. Im Kontext des Naturrechts kann mit obligatio aber nur die naturalis obligatio gemeint sein, deren rechtliche Bedeutung (in foro externo) alles andere als einhellig anerkannt war.1080 Dass er die (naturalis) obligatio gerade nicht mit dem allgemeineren Begriff der Pflicht (schuld), sondern dem konkreten, gerade mit Bezug auf ein korrespondierendes Gläubigerrecht definierten Begriff der Verbindlichkeit (verbintenisse) gleichsetzt, spricht dafür, dass Grotius den Begriff der naturalis obligatio, anders als noch in den Theses LVI,1081 zumindest ab 1620 mit einer Durchsetzbarkeit durch den Gläubiger assoziiert. Zu Beginn seiner Ausführungen zum positiven Recht kommt Grotius wieder auf die Verbindlichkeit zurück. Obwohl er sich auf frühere Ausführungen bezieht, versteht er die Verbindlichkeit dort nicht als eine mit dem Forderungsrecht des Gläubigers korrespondierende P f l i c h t des Schuldners, sondern als die zur Entstehung des Forderungsrechts führende H a n d l u n g des Schuldners.1082 1077 Vgl. etwa Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXVIII § 13, oder ebd., cap. XL § 6  ; so auch Feenstra, Inschuld, S. 467  ; Ders., Unjust Enrichment, S. 201  ; sowie R. W. Lee, Jurisprudence of Holland, Bd. 2, S. 222 num. 1. Dies scheint van Oven, Inleiding, S. 278, bei seiner Behauptung zu übersehen, wonach die uitschuld als Passiväquivalent der inschuld mitgedacht sei, der Begriff aber nicht verwendet werde. 1078 Vgl. dazu auch Fn. 1034. 1079 So auch Fockema Andreae (Hrsg.), Inleidinge, Bd. 2, S. 235. 1080 Vgl. etwa Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 257 num. 1 [Sp. 18 f.]  ; ebd., disp. 262 num. 1, 3 [Sp. 36 f.]  ; ebd., num. 8–11 [Sp. 38 f.]. Dazu auch Diesselhorst, Grotius, S. 7 f., der Molinas vehementen Widerspruch gegen Cajetan übersieht  ; sowie Decock, Contract Law, S. 80 f. Vgl. ferner zu Wesenbeck, der die gemeinrechtliche Verbindlichkeit von pacta nuda gerade mit der aus ihnen entstehenden naturalis obligatio begründet, im Text bei Fn. 192–206 sowie insb. Fn. 204. 1081 Vgl. insb. im Text bei Fn. 735. 1082 Grotius, Inleidinge, lib.  III cap.  I §  24  : Verbintenisse dan, ghelijck uit het vorige kan werden verstaen, is een daed van de eene, waer uit voor een ander inschuld ontstaet.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

242 | 

Siebtes Kapitel

Wenngleich dieses Verständnis bei späteren Juristen auf Unverständnis stieß,1083 entsprechen beide Bedeutungen nicht nur der zeitgenössischen untechnischen Verwendung des Begriffes verbintenisse,1084 sondern auch der Verwendung des Begriffs obligatio in den römischen Quellen1085. Insofern liegt Feenstras Vermutung nahe, dass Grotius den Begriff ganz bewusst in diesen beiden Bedeutungen verwendet.1086 Entsprechend ist im Folgenden einzeln zu untersuchen, mit welcher Bedeutung Grotius den Begriff verbintenisse konkret gebraucht. Sofern er jedoch von schuld (eng genomen), uitschuld oder metonym von inschuld spricht, ist jeweils eindeutig die Pflicht und nicht die Bindungshandlung gemeint.

III. Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) Unbeschadet ihrer Parallelen zu den beiden aus früheren Werken bekannten ­Ursprüngen vertraglicher Verbindlichkeit und zumindest teilweise auch vertraglicher Rechte, handelt es sich bei der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) und Treuepflicht (trouw-schuld) jeweils um eine »Pflicht im weiteren Sinne«, nicht aber um eine »Pflicht im engeren Sinne«, d. h. Verbindlichkeit bzw. ­obligatio. Ein korrespondierendes Forderungsrecht des anderen Teils existiert nicht. Für das Entstehen einer Verbindlichkeit und damit auch eines Forderungsrechts postuliert Grotius zwei entsprechende Ursprünge  : Laet ons dan zien waer uit inschuld ende dien volghens oock eng-genomen schuld (want deze twee gaen te zamen) ontstaet  : eerst nae de aenghebooren wet, daer nae nae de gegeven wetten, ’t welck ghedaen zijnde zullen daer nae oock zien hoe d’inschuld vergaet.1087

Lasst uns dann sehen, woraus ein Forderungsrecht (inschuld) und in der Folge auch die Pflicht im engeren Sinne (weil diese beiden zusammen gehören) entsteht  : Erst nach dem Naturrecht, dann nach dem positiven Recht  ; nachdem dies abgeschlossen ist, sollen wir auch sehen, wie ein Forderungsrecht erlischt.

1083 Vgl. etwa R. W. Lee, Jurisprudence of Holland, Bd. 2, S. 224 num. 24  : »This is a surprising definition. An obligation is not an act but a relation«. Stattdessen will er, ebd., S. 222 num. 1, verbintenisse bzw. obligatio unter Verweis auf die Definition in Inst. 3,13 pr. als vinculum iuris, d. h. als Schuldverhältnis, verstehen. 1084 Feenstra, Inschuld, S. 466 Fn. 31 m. w. N. 1085 Vgl. etwa Flume, Rechtsakt, S.  23–28 m.  w.  N.; Santoro, Annali Palermo 37 (1983), insb. S. 11–17 m. w. N.; konkret zu den Institutionen des Gaius, die Grotius gewiss nicht kannte, auch Albers, Perpetuatio obligationis, S. 58–60  ; sowie Arangio-Ruiz, BIDR 65 (1962), S. 197 f. 1086 Feenstra, pacta nuda, S. 135 f. 1087 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 8.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) 

Wat de aenghebooren wet in haer zelve inghezien zijnde aengaet, de zelve opent ons twee oorsprongen van inschuld  : te weten toezegging [L. Promissio.] ende onevenheid.1088

| 243

Was das Naturrecht für sich genommen angeht, eröffnet uns dieses selbst zwei Ursprünge des Forderungsrechts  : namentlich die Zusage (toezegging, promissio) und Ungleichheit (onevenheid).

Wenngleich Grotius hier zunächst offenlässt, ob das positive Recht weitere Ursachen für Verbindlichkeiten und Forderungsrechte einführen kann,1089 kenne das Naturrecht lediglich zwei  : Zusage (toezegging  ; promissio) und Ungleichheit ­(onevenheid). Bereits in De Iure Praedae und den Theses LVI betont Grotius mehrfach die aequalitas als Ursprung oder Ziel der iustitia (compensatrix),1090 die wiederum gemeinsam mit der fides den Ursprung der Verträge bilde. Wenngleich Grotius hier für die onevenheid keinen lateinischen Begriff anführt, wäre inaequalitas die naheliegende Übersetzung.1091 Insofern erinnert auch diese Zweiteilung an die beiden aus früheren Werken bekannten Geltungsgründe,1092 ähnlich wie zuvor bereits der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) und Treuepflicht (trouw-schuld). Anders als im Falle der letzteren entstehen aus toezegging und onevenheid jedoch Verbindlichkeiten und Forderungsrechte. Insofern scheint Grotius diese zuvor insbesondere in der fides angelegte Ambivalenz1093 in der Inleidinge gerade durch die Gegenüberstellung der weldaed und belofte mit der onevenheid und toezegging auszudifferenzieren. Sowohl aus einseitigen Leistungen als auch aus Versprechen kann eine durch Dritte nicht durchsetzbare Pflicht entstehen  : Im ersten Fall die Pflicht zur Dankbarkeit (danckbaerheid  ; gratia), im zweiten Fall die Pflicht zur Treue zum gegebenen Wort (trouw-schuld bzw. fides). Unter gewissen, noch näher zu untersu1088 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 9. 1089 Später verneint er dies unter Verweis auf eben diese Stelle, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 47. Demgegenüber erklärt er in Grotius, IBP, lib. II cap. XXII § XVI, dass das positive Recht auch bei einer bloßen »Pflicht im weiteren Sinne« einen Anspruch gewähren könne, vgl. dazu im Text bei Fn. 1486–1488. 1090 Vgl. Fn. 473 sowie im Text bei Fn. 418, 472, 742. 1091 Vgl. auch van der Linden (Hrsg.), Institutiones Juris Hollandici, lib. III cap. I § 9  : Jus naturale, in se spectatum, duas juris personalis origines commonstrat, scilicet promissionem et inaequalitatem [Hervorh. im Orig.]. Diese Übersetzung übernimmt auch Feenstra, pacta nuda, S. 134, der van der Linden, ebd., Fn. 50, als »ausgezeichnete[n] Kenner des römisch-holländischen Rechts« und dessen Übersetzung daher als »besonders wertvoll« bezeichnet. 1092 So auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 93. 1093 Vgl. zu De Iure Praedae S. 116–150  ; zu den Theses LVI S. 165–174, insb. im Text bei Fn. 735, 754  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 S. 186–205, insb. im Text bei Fn. 895.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

244 | 

Siebtes Kapitel

chenden Voraussetzungen kann in beiden Fällen aber auch eine Verbindlichkeit entstehen.1094 Dabei stehen hier jedoch anders als in früheren Werken nicht länger die der Bindung zugrunde liegenden Prinzipien oder Tugenden (fides und iustitia) im Fokus, sondern stattdessen –  gewissermaßen als die Rechtsfolgen auslösende »Tatbestandsvoraussetzungen« – die Handlung (des Versprechens) bzw. der Umstand (der Ungleichheit). Diese Tendenz zeichnet sich bereits in den Theses LVI ab, in denen Grotius das zugrunde liegende Prinzip und den konkreten Auslöser stets gemeinsam anführt,1095 doch erst in der Inleidinge treten die zugrunde ­liegenden Prinzipien derart in den Hintergrund. Im Anschluss untersucht Grotius von den beiden Ursachen zunächst die ­toezegging, deren Abgrenzung zur belofte und den Grund der daraus entstehenden Bindung  : Toezegging noemen wy een willighe daed eens mensches waer door hy aen een ander iet belooft, met meninghe dat den ander het zelve aennemen ende daer door op den belover eenig recht zal mogen verkrijgen.1096 Toezegging is iet meer dan belofte  : want de belofte maeckt wel dat het onbehoorlick is zulcks te laten als belooft is, maer geeft een ander gheen recht om zulcks te mogen aenneemen.1097

Zusage (toezegging) nennen wir eine willentliche Handlung eines Menschen, durch die er einem anderen etwas verspricht, mit der Absicht, dass der andere diese annehmen und dadurch ein Recht gegen den Versprechenden erhalten soll. Eine Zusage (toezegging) ist mehr als ein Versprechen (belofte)  : Weil letzteres dafür sorgt, dass es ungehörig ist, etwas zu behalten was versprochen ist, aber ein anderer kein Recht erhält, dieses anzunehmen.

Ebenso wie eine belofte ist auch eine toezegging eine gegenüber einem anderen gewollte Handlung, durch die sich der Äußernde binden will (willighe daed eens mensches waer door hy aen een ander iet belooft). Darüber hinaus weist sie jedoch noch eine weitere Voraussetzung auf  : die Absicht, dass der andere durch eine Annahme des Versprechens ein Recht erhalten soll.

1094 Ganz ähnlich auch Hobbes, De  Cive, lib.  II §§  III–V [S.  100  f.]  ; Ders., Leviathan, cap.  XIV, Renouncing a Right what is it, Transferring Right what, Obligation, Duty und Injustice [S. 200– 203]. 1095 Vgl. im Text bei Fn. 713 (per factum ratione iustitiae  ; per dictum ratione fidei)  ; sowie im Text bei Fn. 742 (ex facto ratione iustitiae)  ; und im Text bei Fn. 754 (ex indicato ratione fidei). 1096 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 10. 1097 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 11.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) 

| 245

Entsprechend unterscheidet sich die toezegging auch auf Rechtsfolgenseite von der belofte  : Der Annehmende erhält ein entsprechendes Forderungsrecht (inschuld). Durch belofte entsteht nur eine nicht durchsetzbare »Pflicht im weiteren Sinne«, durch toezegging hingegen eine durchsetzbare Verbindlichkeit oder »Pflicht im engeren Sinne«. Die dazu erforderliche Absicht lässt sich bei näherer Betrachtung in zwei ­Elemente zerlegen  : Die Erwartung, dass der andere das Versprechen an­nehmen werde, und die Absicht, dass diesem dadurch ein Recht gegen den Ver­sprechenden zukommen soll. Nanz hat auf zwei Besonderheiten dieser Konstruktion hingewiesen  : Einerseits scheint sich die toezegging lediglich durch diese zusätzlich erforderliche Absicht von der belofte zu unterscheiden. Objektiv genügt hingegen die bereits in der belofte angelegte Erklärung des Bindungswillens. Eine Erklärung des darüber hinausgehenden B e r e c h t i g u n g s w i l l e n s scheint entbehrlich.1098 Andererseits scheint auch eine t a t s ä c h l i c h e A n n a h m e des ­Versprechens entbehrlich, entscheidend sei allein eine dahingehende Erwartung des ­Ver­sprechenden.1099 Insoweit würde sich das Vertragsverständnis der Inleidinge nicht nur von traditionellen kanonischen und gemeinrechtlichen Vertragslehren unterscheiden, sondern auch eine Abkehr von dem in den Theses LVI1100 und dem Brief vom 28.02.‌16161101 als entscheidendes Merkmal der Rechts­übertragung etablierten Erfordernis einer tatsächlichen Annahme darstellen. Dass Grotius in der Inleidinge zumindest die tatsächliche Annahme1102 und möglicherweise auch die Äußerung des »Berechtigungswillens« implizit voraus­ setzt, ergibt sich aus der folgenden Erläuterung der rechtsbegründenden ­Wirkung der toezegging  : 1098 Nanz, Vertragsbegriff, S. 142 f. 1099 Nanz, Vertragsbegriff, S. 142, der dies wenig später, ebd. S. 146 Fn. 85, selbst durch einen Hinweis auf Grotius, Inleidinge, lib.  III cap.  I §  12, auflöst. Diese Klarstellung übersieht Kegel, Vertrag, S. 361, der unter Berufung auf Nanz die Erforderlichkeit der Annahme in der Inleidinge verneint. Ähnlich auch R. W. Lee, Jurisprudence of Holland, Bd. 2, S. 223 num. 11, der sich durch diese Definition der toezegging zu der Klarstellung veranlasst sieht, dass im g e m e i n e n R e c h t eine Annahme erforderlich sei, die jedoch regelmäßig vermutet werde, »whatever may be the case in other systems«. Für das Naturrecht, den unmittelbaren Gegenstand des § 11, lässt er dies also ausdrücklich offen. 1100 Vgl. im Text bei Fn. 721, 737 sowie dazu S. 165–174. 1101 Vgl. im Text bei Fn. 787 sowie dazu S. 180–186. 1102 So wohl auch tendenziell van Oven, Inleiding, S. 279  : »Das ist also die einseitige Bindungserklärung, die in jeder Zusage vorhanden ist und die nach angeborenem Rechte – falls sie angenommen ist – bindet, weil « […] » ([Inleiding, lib. III cap. I] § 12)«.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

246 | 

Siebtes Kapitel

Den grond hier van bestaet in des mensches vrije macht over sijne daden  : want ghelijckerwijs de macht de iemand heeft over sijn eighen goed, ’t zy in vollen ofte gebreckelicken eigendom, zoo veel werckt dat hy door levering ofte toelating een ander mag eigenaer maecken, ghelijck hier vooren is verklaert, alzoo oock vermag een mensch een deel, ofte veel eer een gevolg, sijns vrijheids aen een ander zulcks aenneemende over te draghen, zoo dat die andere eenig recht daer over werd geboren, welck recht inschuld werd genoemt.1103

Der Grund hierfür besteht in der freien Macht des Menschen über seine Handlungen  : Denn ebenso wie die Macht, die jemand über seine eigenen Güter hat, sei es volles Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht, bewirkt, dass er durch Lieferung oder das Überlassen einen anderen zum Eigentümer [bzw. dinglich Berechtigten] machen kann, wie zuvor erklärt wurde, vermag ein Mensch also auch einen Teil – oder vielmehr eine Folge – seiner Freiheit an einen anderen, der diese annimmt, zu übertragen, sodass dem anderen ein Recht darüber entsteht, welches Forderungsrecht (inschuld) genannt wird.

Die mit dem Eigentum verglichene des mensches vrije macht over sijne daden bezeichnet Grotius hier ausdrücklich als Grund der gläubigerberechtigenden Wirkung der toezegging. Darin liegt nichts anderes als die bereits aus De  Iure Praedae1104, den Theses LVI1105 und dem Brief vom 28.02.‌16161106 bekannte, ins Vertragsrecht übertragene Idee des dominium actionum suarum, welches er dort auch als libertas oder ius in actiones suas bezeichnet.1107 Die in diesen Werken beobachtete Tendenz, die Idee der Ü b e r t r a g u n g dieses Rechts zunehmend deutlicher zu formulieren, kulminiert hier in der ausdrücklichen Erklärung een deel, ofte veel eer een gevolg, sijns vrijheids aen een ander zulcks aenneemende over te draghen.1108 Indem Grotius den Gedanken der Rechtsübertragung in der 1103 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 12. 1104 Vgl. insb. im Text bei Fn. 549, 582, 619. 1105 Vgl. insb. im Text bei Fn. 697, 708, 721, 737  ; sowie generell S. 166–169. 1106 Vgl. insb. im Text bei Fn. 849, 917, 930. 1107 Diese Kontinuität betont schon Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 92 f., wenn auch nur gegenüber De Iure Praedae. 1108 An anderer Stelle formuliert Grotius im Rahmen der Erörterung der Veräußerlichkeit oder Unveräußerlichkeit verschiedener Güter noch etwas vorsichtiger, Grotius, Inleidinge, lib. II cap. I § 47  : […] maer niemandt en mag by ons door handeling hem zelve sijns vrijheids in’t gheheel weerloos maecken  : dan wel vermag yder een hem tot zeeckere daden te verbinden [Hervorh. d. Verf.]. Man könne zwar nicht über die Freiheit im Ganzen verfügen, sich aber sehr wohl binden. Der Zusammenhang impliziert also bereits, dass der Bindungsakt mit der Aufgabe eines Teils der Freiheit einhergeht, nicht notwendigerweise aber auch mit deren Übertragung  ; vgl. zu dieser Stelle auch Tuck, Natural Rights, S. 70 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) 

| 247

Inleidinge wieder von der Pflicht zur Treue zum gegebenen Wort (trouw-schuld bzw. fides) trennt und ausschließlich ersteren zur Begründung der durchsetzbaren Verbindlichkeit einseitiger Verträge heranzieht, ist der Bruch zu früheren naturrechtlichen Vertragsverständnissen nicht mehr zu übersehen.1109 Zugleich enthält diese Erklärung eine weitere Voraussetzung, die in der ­Definition der toezegging nicht ausdrücklich enthalten ist  : Der andere muss die Übertragung annehmen (zulcks aenneemende). Insofern resümiert Nanz, ­Grotius sei »viel zu sehr Romanist« gewesen, um eine Annahmebedürftigkeit zu übersehen.1110 Die bloße dahingehende Erwartung des Versprechenden genügt nicht. Verdeutlicht wird dies in der Begründung der Wirkung der t­oezegging auch durch den bereits bekannten Vergleich mit der Übertragung dinglicher Rechte1111, denn auch die Übereignung setzt in der Inleidinge die Zustimmung des Empfängers voraus1112. Dass die Erforderlichkeit der Annahme für Grotius vollkommen außer Frage steht, zeigt sich auch an seinen Ausführungen zum gemeinen Recht. Zunächst fasst er dort noch einmal zusammen, aus den Ausführungen über die toezegging folge, dass eine einfache Erklärung oder ein Versprechen (slechte verklaringe ofte oock belofte) n a c h N a t u r r e c h t unverbindlich sei, welche o h n e E r w a r t u n g e i n e r A n n a h m e oder o h n e t a t s ä c h l i c h e A n n a h m e erfolgte.1113 Zudem erklärt er zum Unterfall der gesetzlich geregelten Versprechens­ typen (toezegging door wetduiding), dass diese teilweise durch Übereinkunft (overkominge  ; handeling  ; contractus)1114, teilweise ohne Übereinkunft zustande kämen, wobei er diese als (stillschweigende) Willensübereinstimmung von zwei

1109 So auch Tuck, Natural Rights, S. 69 f. 1110 Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 Fn. 85. 1111 Vgl. zur Abgrenzung volle ofte gebreckelicken eigendom Feenstra, Eigentumsbegriff, S.  231– 234  ; van der Walt, Eigentumsbegriff, S. 492–496, 500–505. 1112 Grotius, Inleidinge, lib. II cap. V § 2  : Om door wille des eigenaers eigendom te bekomen, schijnt ghenoeg te zijn nae ’t aengebooren recht, dat den voorigen eighenaer toone te willen dat zulcs geschiede ende dat het by den anderen als een vast recht aenghenomen werde  : waer op de aenneeminghe volghende schijnt niet meer vereischt te werden. […] [Hervorh. d. Verf.]. 1113 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 48  : Toezegging hebben wy hier vooren nae ’t aengebooren recht beschreven, waer uit goed te verstaen is dat een slechte verklaringe ofte oock belofte die niet en is geschied met meeninge om aenghenomen te mogen worden, ofte oock die niet dadelick en is aengenomen, gheen inschuld en geest  : […] [Hervorh. d. Verf.]. Unmittelbar erörtert Grotius an dieser Stelle die positivrechtliche Wirksamkeit von Gelübde oder Eid und der pollicitatio im Sinne von D. 50,12, welche vom positiven Recht jeweils als aengenomen toezegging behandelt würden. 1114 Diese Begriffe werden in Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI §§ 1–2, ausdrücklich gleichgesetzt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

248 | 

Siebtes Kapitel

oder mehr Personen (eendracht des willes van twe ofte meer luiden)1115 definiert. Abgesehen von den ausdrücklich genannten Ausnahmen1116 und den Quasi-Verträgen1117 setzen damit zumindest die gesetzlich geregelten Versprechenstypen eine Willensbetätigung des Gläubigers voraus. Von den ausdrücklichen Versprechen (uitdruckelick toezegging) unterscheiden sich diese dadurch, dass sich aus dem positiven Recht ein besonderer Inhalt ergibt, nicht aber hinsichtlich des Zustandekommens.1118 Schließlich erklärt Grotius zur Schenkung – dem einzigen Vertrag für den das Erfordernis der Annahme überhaupt umstritten war  –1119, das Annahmeerfordernis ergebe sich insofern bereits aus den allgemeinen Überlegungen zur toezegging – und nicht etwa nur zur toezegging door wetduiding.1120 Für den Vergleichsfall der Übereignung verlangt Grotius jedoch auch ausdrücklich die K u n d g a b e d e s B e r e c h t i g u n g s w i l l e n s   : Der vorherige Eigentümer muss seinen auf den Eigentumserwerb des Adressaten gerichteten Willen »zeigen« (toonen),1121 d. h. äußern. Weder genüge es, dass er diesen Willen b i l d e t , noch dass der Wille zum Ve r z i c h t auf das Eigentum kundgetan würde. Bedenkt man Grotius’ seit vielen Jahren gewachsene Vorstellung, dass es sich bei dinglichen und persönlichen Rechten im Wesentlichen um dieselbe Art von »Recht« handelt (ius in actiones et res suas)1122, scheint es zumindest un1115 R.  W.  Lee, Jurisprudence of Holland, Bd.  2, S.  270  f. num.  2, sieht hierin wohl zu Recht eine Anleihe an Ulpians Definition von pactio in D.  2,14,1,2 (Ulpianus libro quarto ad edictum). Durch die Ergänzung des lateinischen Begriffs contractu folgt Grotius damit der von Molina beschriebenen und von Lessius verwendeten, vgl. Fn. 1227 f., weiten Bedeutung des Begriffs, die lediglich eine Übereinkunft, aber keine wechselseitige Verbindlichkeit erfordert. Vgl. auch Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI §§ 4–8, zur anschließenden Differenzierung zwischen einseitigen und gegenseitigen Übereinkünften. 1116 Vgl. Fn. 1113. 1117 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXVI–XXIX, und insb. ebd., cap. XXVI § 2. 1118 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI § 10  : Van deze handelingen zijn eenige zoo zeer dagelicksh ghebruickt, dat nodig ghevonden is daer op te stellen zeeckere voorwaerden, die schoon niet uitghedruckt zijnde tusschen de handelaers even-wel gehouden werden voor uitghedruckt, alleen met het noemen van de naem van de handeling, als daer niet jeghens en wierd bedonghen, ende zijn overzulcks toe-zegginghen door wedduidinghe […] [Hervorh. d. Verf.]. Vgl. ferner auch ebd., cap. XXVI § 1. 1119 Vgl. Fn. 729 m. w. N. 1120 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. II § 12  : Schenckinge (volghens het gunt hier vooren in ’t gemeen van toezegging is gezeit) vereischt aenvardinghe […]. 1121 Ebd.: Om door wille des eigenaers eigendom te bekomen, schijnt ghenoeg te zijn nae ’t aengebooren recht, dat den voorigen eighenaer toone te willen dat zulcs geschiede […] [Hervorh. d. Verf.]. 1122 So die bewusst nicht differenzierende Terminologie in den Theses LVI, vgl. im Text bei Fn. 688, 693, 708, 721, 735, 742, 754. Aber auch im Brief vom 28.02.‌1616 erklärt Grotius, es dürfe nicht schwerer sein sich zu binden, als dominium zu übertragen, vgl. im Text bei Fn. 849. Daraus folgt

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Zusage (toezegging) 

| 249

wahrscheinlich zu sein, dass er deren Übertragung an unterschiedliche Voraussetzungen knüpfen wollte, ohne zugleich auf diesen Unterschied hinzuweisen. Schließlich zeigt sich hier erstmals, dass Grotius eine später häufig gegen diese Rechtsübertragungstheorien vorgebrachte1123 fundamentale Kritik bereits vorausahnt  : Zwischen einem Recht an einer eigenen und einer fremden Handlung bestehen konzeptionelle Unterschiede. Zwar lässt sich problemlos von der Übertragung eines Rechts an einer Handlung (ius in actiones), aber nicht ohne Weiteres von einer Übertragung der Freiheit (vrije macht  ; libertas) oder eines Forderungsrechts reden. Nur in der ersteren Terminologie erhält der Gläubiger das, was der Schuldner verliert  ; nicht aber in der letzteren. Insofern formuliert Grotius hier differenzierter als in den bisherigen Werken  : Übertragen wird een deel, ofte veel een gevolg, sijns vrijheids. Der Gläubiger erhält einen Teil oder eine F o l g e der ursprünglichen Freiheit des Schuldners, nämlich das Recht, über die Vornahme oder Nichtvornahme der konkreten Handlung zu gebieten, und daraus entsteht das Forderungsrecht (inschuld). Diese Differenzierung führt er im Anschluss noch weiter aus, wobei er allerdings den Fokus nicht auf Leistungsversprechen legt, sondern auf Versprechen dingliche Rechte zu übertragen und deren Abgrenzung von der entsprechenden Rechtsübertragung  : Deze inschuld streckt wel by wijlen Dieses Forderungsrecht (inschuld) erstreckt sich om een zaeck te bekomen  : niet dat wohl auf den Willen, um die Sache zu erhalten  : inschuld eigendom gheeft volle ofte Nicht dass das Forderungsrecht volles Eigentum gebreckelicke, nochte bezit, maer dat oder ein beschränktes dingliches Recht noch het recht gheeft om van iemand den Besitz wäre, aber es gewährt das Recht, um von eighendom ofte vrij bezit af te vorderen, jemandem das Eigentum oder den freien Besitz ende werd alsdan de schuld genoemt daran zu fordern, und alsdann wird die Pflicht verbintenis van geben [L. Ad dandum]. Verbindlichkeit (verbintenis) zu geben (ad By wijlen ziet de inschuld op geene dandum) genannt. Beizeiten bezieht sich das zaeck, als in verbintenisse om iet te Forderungsrecht nicht auf eine Sache, wie bei

zwar nicht ausdrücklich, aber doch aus der Logik der Argumentation, dass es auch nicht leichter sein könnte. 1123 Vgl. etwa Ahrens, Rechtsphilosophie, S.  542  ; Dalgarno, PAS 76 (1975/‌1976), S.  212–218  ; Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 328 f.; Hägerström, bindende Kraft, S. 70  ; F. Hofmann, Entstehungsgründe, S. 100  ; Owens, Promise, S. 79  ; Smith, Contract Theory, S. 101 f.; tendenziell auch Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 89 f.; Ders., concept of a right, S. 184  ; Ders., Law as Fact, S. 143, 283.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

250 | 

Siebtes Kapitel

doen [L. Ad faciendum], of te wege te brengen.1124

einer Verbindlichkeit, um etwas zu tun oder herbeizuführen (ad faciendum).

Die Zusage, zukünftig ein dingliches Recht zu verschaffen, lässt ein Recht an der Übertragungshandlung übergehen (ius ad rem), nicht aber das dingliche Recht selbst oder auch nur ein daraus abgeleitetes Besitzrecht (ius in re). Die konzeptionelle Verdinglichung der Handlungsfreiheit bedingt also keine Unschärfe der Unterscheidung zwischen persönlichen und dinglichen Rechten. Aus einer ­toezegging entsteht immer nur ein persönliches Recht, unabhängig davon, ob sich die versprochene Handlung auf die Verschaffung einer Sache oder etwas anderes richtet. Dieses persönliche Recht (inschuld) kann sich seinerseits auf die Übertragung eines dinglichen Rechts (behering bzw. hier als volle ofte gebreckelicke eigendom) richten. Damit impliziert diese Differenzierung zugleich, dass ein sofort vollzogenes Geschäft, sei es ein Austauschgeschäft oder eine Schenkung, möglicherweise nicht unter den Begriff der toezegging fällt, da zu keinem Zeitpunkt ein Forderungsrecht des Gläubigers entsteht.1125 Mit der toezegging etabliert Grotius in der Inleidinge das angenommene Versprechen als naturrechtlichen Geltungsgrund durchsetzbarer Verbindlichkeiten und Ansprüche. Die toezegging entspricht damit dem indicium voluntatis aus den Theses LVI bzw. der conventio verborum aus dem Brief vom 28.02.‌1616, wenngleich sich der Fokus von der Annahme durch den Adressaten zum Über­tragungswillen des Versprechenden verlagert. Der Grund der verbindlichen W ­ irkung liegt in der Übertragung eines Freiheitsrechts an der Leistungshandlung, welche Grotius in der Inleidinge wieder von dem Gedanken der fides abgrenzt, der die Grundlage der verbindlichen, aber nicht berechtigenden belofte darstellt.

IV. Verbindlichkeit kraft Ungleichheit (onevenheid) Neben der auf der willentlichen Selbstbindung beruhenden Verbindlichkeit aus der toezegging kennt das Naturrecht, wie erwähnt,1126 noch einen weiteren ­Ursprung von durchsetzbaren Verbindlichkeiten und Forderungsrechten  : die

1124 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 13. 1125 Vgl. dazu noch im Detail S. 254–260. 1126 Vgl. im Text bei Fn. 1087–1095.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Ungleichheit (onevenheid) 

| 251

onevenheid. Dieser wendet sich Grotius nun im Anschluss an die Ausführungen zur toezegging zu  : Wat onevenheid aengaet, zoo en komt alhier niet in aenmerckinge allerhande onevenheid. Want de menschen en konnen niet even rijck zijn  ; maer die onevenheid alleen die een ander datelick batet, ofte door onthoudinge baten zoude, ofte die door een ander is veroorzaeckt.1127

Was Ungleichheit angeht, so kommt hier nicht jegliche Ungleichheit in Betracht. Denn die Menschen können nicht gleichermaßen reich sein  ; sondern allein die Ungleichheit, durch die ein anderer bereichert ist oder durch Verzicht bereichert würde oder die durch einen anderen verursacht wurde.

Bereits ganz zu Beginn der Inleidinge erklärt Grotius, dass subjektive Rechte ­(toebehoren), der gemeinsame Oberbegriff der persönlichen und dinglichen Rechte, einen Gegenstand der ausgleichenden Gerechtigkeit darstellen würden, welche regelmäßig auf die Herstellung von Gleichheit (evenheid) gerichtet sei.1128 Allerdings, so schränkt er nun ein, folge nicht aus jeder Ungleichheit ein Forderungsrecht, sondern nur sofern ein anderer bereichert wurde oder diese Ungleichheit verursacht habe.1129 Dies erinnert an die Differenzierung der aus der ausgleichenden Gerechtigkeit folgenden leges  V und VI in De  Iure Praedae.1130 Während er dort zwischen deliktischen und vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, unterscheidet er hier zunächst zwischen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen einerseits und, wie sich sogleich zeigen wird, vertragsrechtlichen und deliktischen Ansprüchen andererseits. Wenngleich eine den anderen bereichernde Ungleichheit auch durch einen Vertrag entstehen mag, schließt er diese doch ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der onevenheid doer baet-trecking aus  : Onevenheid die een ander baet ofte baten zoude (te weten buiten toe-zegging) verbind den gebatede tot vergeldinghe, zonder aenzien hoe hy aen de baet ghekomen is, ende dit niet alleen ten

Ungleichheit, die einen anderen bereichert oder bereichern soll (und zwar abgesehen von der Zusage (toezegging)), bindet den Bereicherten zur Vergeltung, ohne Ansehen, wie er an die Bereicherung gelangt ist, und das nicht allein

1127 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 14. 1128 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 10. 1129 Zu Recht weist Jansen, Restitution, S. 176–180, auf den dahinterstehenden Gedanken einer allgemeinen Restitutionslehre hin. Im Gegensatz zu De Iure Praedae hat Grotius in der Inleidinge jedoch das Vertragsrecht bereits weitgehend im Rahmen des anderen Ursprungs, der willentlichen Selbstbindung, erörtert. Vgl. dazu auch Feenstra, Unjust Enrichment, S. 202, insb. Fn. 34. 1130 Vgl. im Text bei Fn. 418, 422.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

252 | 

Siebtes Kapitel

aenzien van enckele, maer oock van gheslachtelicke zaken, ghelijck of iemand ware gevoed met eens anders spijs  : want die is nae ’t aenghebooren recht schuldig vergoedinghe, dat is evening te doen.1131

mit Hinblick auf eine einzelne, sondern auch auf Sachen einer Gattung, wie wenn jemand mit der Speise eines anderen gefüttert wurde  : Denn nach dem Naturrecht ist er Vergeltung schuldig, das heißt einen Ausgleich zu schaffen.

Im Gegensatz zu De Iure Praedae (und wohl auch den Theses LVI)1132 etabliert Grotius hier, wohl in Anlehnung an D. 50,17,2061133, erstmals einen generellen naturrechtlichen Anknüpfungspunkt für bereicherungsrechtliche Ansprüche.1134 Gerade das Beispiel zeigt, dass nicht nur derjenige (aus Vertrag oder Delikt) zur Vergeltung verpflichtet ist, der fremde Güter (sei es mit oder ohne den Willen des Berechtigten) verwendet. Vielmehr ist (auch) derjenige zur Vergeltung verpflichtet, der durch diese Verwendung bereichert wird.1135 In Anbetracht der vorherigen Ausführungen zur inschuld bedeutet das, dass dem Entreicherten neben etwaigen vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen auch ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den Bereicherten zukommt. Allerdings schließt Grotius sämtliche Arten der toezegging aus dem Anwendungsbereich dieses Bereicherungsrechts aus (te weten buiten toe-zegging), noch bevor er diese in ausdrückliche und gesetzlich geregelte Versprechenstypen ­unterscheidet. Doch auch die sowohl in De  Iure Praedae als auch in den Theses  LVI unter dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit eingeordneten Innominatkontrakte des römischen Rechts fasst Grotius hier nicht unter diese Kategorie bereicherungsrechtlicher Ansprüche. Vielmehr etabliert er eine weitere Kategorie der Ungleichheit, die gerade die deliktischen und vertraglichen Ansprüche umfasst.

1131 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 15. 1132 Vgl. im Text bei Fn. 742. 1133 D. 50,17,206 (Pomponius libro nono ex variis lectionibus)  : Iure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem. 1134 Vgl. dazu im Detail Feenstra, Unjust Enrichment, S. 202–207  ; ferner auch Jansen, Restitution, S. 176–178. 1135 Feenstra, L’Influence, S. 390 f., weist zudem darauf hin, dass das von Grotius angeführte Beispiel (mit der Speise eines anderen versorgt zu werden) bereits von Cajetan und Covarruvias verwendet wird. Dies ist insofern interessant, da beide Autoren nicht in der Liste der Werke auftauchen, die sich Grotius in die Haft auf Schloss Loevestein bringen ließ (während der die Inleidinge entstand). Es ist daher zumindest nicht ausgeschlossen, dass Grotius während der Haft auch auf weitere, nicht in der Auflistung enthaltene Werke Zugriff hatte.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Verbindlichkeit kraft Ungleichheit (onevenheid) 

| 253

Für diese ist das tatsächliche oder beabsichtigte Vorliegen einer Bereicherung des Anspruchsgegners nicht erforderlich1136  : Onevenheid door een ander veroorzaeckt gheschied ter minne ofte ter onminne.1137

Die durch einen anderen verursachte Ungleichheit erfolgt aus Freundschaft oder aus Feindschaft.

Ter minne wanneer iemand iet heeft ghedaen ofte gegeven op des aennemers begeerte, zonder schenckings meening. In deze gevalle, alwaer ’t dat den aenneemer niet dadelick en ware gebaet, als om dat de gegeven zaeck zoude mogen verlooren zijn, zoo is hy gehouden tot vergoedinge.1138

Aus Freundschaft [durch einen anderen verursachte Ungleichheit liegt vor,] wann immer jemand etwas ohne Schenkungsabsicht auf Verlangen des Annehmenden getan oder gegeben hat. In diesem Fall ist der Annehmende zur Vergeltung gehalten, auch wenn er nicht tatsächlich bereichert wurde, wie wenn die gegebene Sache verloren wurde.

Ungleichheit führt unabhängig vom Vorliegen einer Bereicherung zu Ausgleichs­a nsprüchen, wenn sie von dem Anspruchsgegner verursacht wurde. Dies kann gegen den Willen des Anspruchsberechtigten geschehen, d.  h. ­deliktisch, oder mit dessen Willen, d.  h. (quasi-) vertraglich. Letzteres liege vor, wenn eine ­Leistung ohne Schenkungsabsicht auf dessen Verlangen erbracht wurde.1139 Erforderlich ist demnach nur, dass keine Schenkungsabsicht vorliegt und der andere Teil seine Leistung bereits erbracht hat. Streng genommen wäre damit nicht einmal ein ausdrücklich vereinbartes Austauschverhältnis ­er­forderlich, sodass sogar aus einer nicht ausdrücklich schenkweise ­erfolgten Stipulation ein Vergeltungsanspruch aufgrund onevenheid ter minne ­entstehen könnte. Zwar nennt Grotius die Stipulation in den späteren Ausführungen zum positiven Recht nicht als Anwendungsfall dieser »Ungleichheit aus Freundschaft«, wohl aber sämtliche Austauschverträge, in denen eine Partei ihre Leistung bereits

1136 So auch Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 93  ; vgl. zum positiven Recht auch ausdrücklich Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXI § 11. 1137 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 16. 1138 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 17. 1139 Dies wiederholt er später zu Beginn des entsprechenden Kapitels noch einmal, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXI § 2  : Ter minne hebben wy gezeit sulcks te geschieden, wanneer iemand iet van ’t sijne een ander heeft doen hebben op des aenneemers wille, in ’t gheheel ofte ten deele tot des aenneemers baet, zonder schenckings meening.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

254 | 

Siebtes Kapitel

erbracht hat,1140 und ausdrücklich neben Innominatkontrakten (Facio ut facias  ; Do ut des  ; Facio ut des und Do ut facias)1141 auch Realverträge1142. Während in den Theses  LVI der Eindruck entsteht, dass Grotius das ­Forderungsrecht des Gläubigers nur im Fall der Innominatkontrakte aus der iustitia herleitet, schließt er hier Nominatkontrakte teilweise ausdrücklich mit ein, obwohl diese zugleich einen Anwendungsfall der toezegging doer wetduiding darstellen1143.

V. Das Verhältnis zwischen toezegging und onevenheid Somit kennt Grotius auch in der Inleidinge zwei voneinander unabhängige ­ eltungsgründe vertraglicher Verbindlichkeit. Während er im Parallelon Rerum­ G publicarum und dem Brief vom 28.02.‌1616 nur einen dieser Geltungsgründe behandelt und in De Iure Praedae wohl lediglich aus einem dieser Geltungsgründe Verbindlichkeiten und Rechte herleitet, zeigt sich in der Inleidinge eine ähnliche Situation wie in den Theses LVI  : Da beide Geltungsgründe an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, aber dieselben Rechtsfolgen hervorrufen können, besteht zwischen ihnen eine klärungsbedürftige Konkurrenzsituation. Anders als in den Theses  LVI findet sich in der Inleidinge jedoch ein erster Ansatz einer Abgrenzung. Zunächst postuliert Grotius eine entscheidende Gemeinsamkeit dieser Geltungsgründe  : Alle verbintenissen hier vooren verhaelt (uitghenomen die uit de baet alleen ontstaet) vereisschen voor eerst vrij oeffening des willes, de welcke niet en kan zijn daer het verstand in sijne oeffening is belet  : ende daerom en konnen zeer

Alle bisher behandelten Verbindlichkeiten (mit Ausnahme der allein aus Bereicherung entstehenden) erfordern zuerst die freie Ausübung des Willens, welche nicht vorliegen kann, wenn der Verstand in seiner Ausübung behindert wird. Und daher können sehr junge Kinder

1140 Grotius, Inleidinge, lib.  III cap.  XXXI §  3  : […] in de […] overkominghe, wanneer de saeck alreede aen d’eene zijde is ghevolgt  : want in alle de selve werd den aenneemer verbonden tot vergoedinghe […], vgl. im Text bei Fn. 1161. Anders als in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 459, akzeptiert er hier zumindest für das gemeine Recht auch die Reuemöglichkeit des Gläubigers, seine bereits erbrachte Leistung zu kondizieren, statt den anderen auf Erbringung der Gegenleistung in Anspruch zu nehmen, vgl. ebd., §§ 8–9. 1141 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXI § 5. 1142 Grotius, Inleidinge, lib.  III cap.  XXXI §  3  : […] inzonderheid in die overkominghen die door saecksghevolg werden voltrocken […], vgl. im Text bei Fn. 1161. 1143 Vgl. insb. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI §§ 6–8.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Das Verhältnis zwischen toezegging und onevenheid 

jonghe kinderen ofte rasende luiden, noch door toezegging, noch door willighe aenvaerding, noch door misdaed niet verbonden werden  : gelijck oock niemand verbonden en werd, door iet dat hy t’eenemael dwalende, ofte door bedrog misleid zijnde, doet  : ende alzo de verbintenisse is een gebruick van eens mensches vrije macht, zoo en kan oock nae ’t aengebooren recht niemand hem zelve verbinden tot zaken die alle menschen, ofte hem in ’t byzonder, zijn onmoeghelijck ofte ongeoorloft.1144

| 255

oder Wahnsinnige weder durch Zusage ­(toe­zegging) noch durch willentliche Annahme [d. h. nach dem Prinzip der onevenheid ter minne] oder Übeltat [d. h. nach dem Prinzip der onevenheid ter onminne] gebunden werden  : ebenso kann auch niemand durch etwas gebunden werden, das er einmal irrend oder durch Betrug getäuscht vornimmt. Und weil eine Verbindlichkeit ein Gebrauch der freien Macht eines Menschen ist, kann sich daher auch nach Naturrecht niemand selbst zu Dingen verpflichten, die allen Menschen oder ihm im Besonderen unmöglich oder unerlaubt sind.

Nicht nur Verbindlichkeiten kraft Zusage (toezegging), sondern sämtliche Verbindlichkeiten, die nicht aus tatsächlicher oder beabsichtigter Bereicherung entstehen, namentlich solche aus Entgegennahme einer nicht schenkweise erbrachten Leistung oder aus Übeltat, d.  h. kraft vertraglicher oder deliktischer Verursachung von Ungleichheit (veroorzaecking van onevenheid ter minne bzw. ter onminne), setzen demnach eine Willensbetätigung des Schuldners (vrij ­oeffening des willes) voraus.1145 Gegen Ende des Absatzes formuliert Grotius noch deutlicher  : Eine »Verbindlichkeit« sei ein »Gebrauch der freien Macht eines Menschen« ­(verbintenisse is een gebruick van eens mensches vrije macht).1146 Dabei versteht er unter v­ erbintenisse entgegen der vorherigen Definition1147 offenbar nicht die mit einem entsprechenden Forderungsrecht des Gläubigers korrespondierende Pflicht des Schuldners, sondern den Bindungsakt selbst.1148 Diese Aussage wiederholt G ­ rotius 1144 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 19. 1145 Dabei bleibt unklar, warum Grotius zwar bereicherungsrechtliche, nicht aber deliktische Forderungsrechte (veroorzaecking van onevenheid ter onminne) von dieser Aussage ausnimmt. Jedenfalls für fahrlässige Handlungen scheint diese Aussage tendenziell unpassend. Allerdings setzt Grotius’ Verständnis deliktischer Haftung zumindest unmittelbar ohnehin kein subjektives Zurechnungsmoment voraus, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXII § 12. Zur entsprechenden Regelung in De Iure Belli ac Pacis auch Feenstra, Deliktsrecht, S. 430 f. 1146 Ähnlich auch schon Grotius, SC, cap. II § 9  : At ius positivum est, quod ex libero actu voluntatis nascitur, qui est duplex, contractus et lex. Contractus est effectus eius potestatis quam quis habet in alium et aliena. 1147 Vgl. im Text bei Fn. 1074. 1148 So auch Feenstra, pacta nuda, S. 136 Fn. 64  ; vgl. zur ambivalenten Bedeutung von verbintenisse auch im Text bei Fn. 1081–1086 und für die hier einschlägige Bedeutung insb. Fn. 1082.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

256 | 

Siebtes Kapitel

wenig später noch einmal im Kontext von Verträgen zulasten Dritter (für das gemeine Recht), ohne ausdrücklich Verbindlichkeiten aus Bereicherung davon auszunehmen.1149 Man könne sich weder zu etwas Unmöglichem verpflichten noch könne man Dritte verpflichten, weil jeweils die für eine Bindung erforder­ liche »freie Macht über die Handlungen« fehle. Damit überträgt Grotius die der toezegging zugrunde liegende Idee der Frei­ heitsübertragung auch auf den anderen Geltungsgrund vertraglicher Verbind­ lichkeiten  : die Verursachung von Ungleichheit aus Freundschaft, d.  h. durch Annahme einer nicht schenkweise erbrachten Leistung des Gläubigers ­(veroorzaecking van onevenheid ter minne). Auch durch Entgegennahme einer nicht schenkweise erbrachten Leistung kann sich nur binden, wer weder unmündig oder wahnsinnig ist noch wer ­irrend oder getäuscht handelt  ; und schließlich kann sich der Annehmende auch nur zu Gegenleistungen verpflichten, die ihm persönlich weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich sind.1150 Denn nur insoweit kann er seine vrije macht »gebrauchen«. Wer darin (nur) eine Reduktion der gesamten Vertragslehre auf eine Theorie der Willensmängel erblickt,1151 übersieht die wesentliche Neuerung gegenüber den spätscholastischen Vertragslehren1152  : Die Ausübung des Willens richtet sich auf eine Ü b e r t r a g u n g dieser vrije macht. Das zeigt sich schließlich auch daran, dass Grotius die Einführung weiterer Voraussetzungen vertraglicher Verbindlichkeit durch das positive Recht (wiederum parallel zur Übereignung)1153 als (zulässige) E i n s c h r ä n k u n g dieser macht deutet.1154

1149 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 28  : In ’t gemeen gesproocken mag niemand een ander verbinden  : om dat het verbinden komt uit de macht die ider een heeft over sijne daden  : welcke macht niemand alsoo en heeft over eens anders daden […] [Hervorh. d. Verf.]. 1150 Ähnliche Ausführungen finden sich auch zur Eigentumsübertragung, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. II cap. V §§ 2–8, und dazu Carey Miller, Transfer, S. 524–527  ; sowie van Oven, Inleiding, S. 275. 1151 So Augé, APD 13 (1968), S. 104. 1152 Vgl. zu diesen insb. im Text bei Fn. 234 f., 242. 1153 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. II cap. V § 3  ; ferner ebd., §§ 5–6  ; dazu auch van Oven, Inleiding, S. 275. 1154 Vgl. etwa Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 21  : […] Ende om de onbedachtheid der menschen, in hun zelve te verbinden, te betomen, zoo hebben de zelve wetten eenige verbintenisse alleen de kracht van rechtsdwang benomen, eenighe oock t’eenemael vernietigt, den menschen de macht tot zodanige verbintenissen benemende  ; sowie ebd., cap. XXX § 13  : Want hoe wel een ider nae ’t aenghebooren recht meester is van sijn goed ende daden, nochtans heeft de burgher-wet niet ghewilt dat de luiden zulcks zouden ghebruicken tot haer eigen schade […] [Jeweils Hervorh. d. Verf.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Das Verhältnis zwischen toezegging und onevenheid 

| 257

Schon im Brief vom 28.02.‌1616 führt Grotius all diese Wirksamkeitshindernisse auf den Gedanken Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet zurück.1155 Was er dort für Verbindlichkeiten kraft willentlicher Selbstbindung ausführt, überträgt er hier auch auf Verbindlichkeiten, die aufgrund von Austauschgerechtigkeit entstehen. Bereits in De  Iure Praedae, wo Grotius die Idee des (subjektiven) Rechts an eigenen Handlungen erstmals in seinem Werk im Ansatz entwickelt, zieht er sie gleichermaßen für die aus der ausgleichenden Gerechtigkeit folgende lex VI und die aus der Willensäußerung folgende regula III heran. Anders als dort folgt in der Inleidinge jedoch aus beiden Prinzipien, Austauschgerechtigkeit und willentlicher Selbstbindung, ein Forderungsrecht des Gläubigers und deutlicher als dort bildet die Übertragung dieses Rechts an der eigenen Handlung die gemeinsame Grundlage beider Prinzipien. Unmittelbar nachdem Grotius diese gemeinsame Grundlage hervorhebt, ­widmet er sich dem Verhältnis der daraus entstehenden Verbindlichkeiten  : Men moet oock weten dat altemet meer oorzaken van verbintenisse t’zamen komen. Want een dief die ’t goed noch by hem heeft, als oock die iet van een ander gheleent ende behouden heeft, zijn verbonden zoo wel om dat de onevenheid haer zoude baten, als om dat den eene ter onmin, den andere ter minne, oorzaecke heeft gegheven tot de onevenheid. Insghelijcks een kooper aen de welcke het verkochte is gelevert, is gehouden tot betalinge van de koopschat [L. Pretium], zoo om dat hy anders t’onrecht zoude zijn ghebatet, als om dat hy zulcks belooft ende toegezeit heeft.1156

Man muss auch bedenken, dass zuweilen mehrere Ursachen von Verbindlichkeiten zusammenkommen. Denn ein Dieb, der ein Gut noch bei sich trägt, und auch jemand, der etwas von einem anderen entliehen und behalten hat, sind gebunden, sowohl weil die Ungleichheit sie bereichern würde, als auch weil der eine aus Feindschaft, der andere aus Freundschaft die Ursache für die Ungleichheit gesetzt hat. Gleichermaßen ist ein Käufer gehalten, an den die Kaufsache geliefert wurde, den Preis zu bezahlen, sowohl weil er andernfalls unrechtmäßig bereichert wäre, als auch weil er selbst es versprochen (belooft) und zugesagt (toegezeit) hat.

Erstmals erkennt Grotius ausdrücklich an, dass die verschiedenen Ursachen ­einer Verbindlichkeit z u g l e i c h vorliegen können. Die folgenden Beispiele erscheinen jedoch bestenfalls unvollständig. Ein Entleiher schuldet nach Ablauf der Leihe nicht nur Herausgabe aus Bereicherung und verursachter Ungleichheit,

1155 Vgl. S. 200, 208–214. 1156 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 20.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

258 | 

Siebtes Kapitel

sondern insbesondere aus der Leihe selbst,1157 d. h. einem gesetzlich geregelten Versprechenstyp (toezegging doer wetduiding). Diese Ursache erwähnt Grotius zwar im ersten Beispiel nicht, wohl aber im folgenden Beispiel des Käufers. In beiden Fällen sollte die Bereicherung (baet-trecking) eigentlich nach den vorherigen Ausführungen hinter der toezegging als Ursache zurücktreten.1158 Grotius nimmt darauf nicht nur keinen Bezug, sondern lässt das Verhältnis ­dieser Ursachen bewusst offen. Für die zuvor angedeutete Subsidiarität der Bereicherung sprechen auch die Ausführungen zu den bereicherungsrechtlichen Ansprüchen des gemeinen Rechts. Dort erläutert Grotius lediglich, inwiefern eine aufgrund einer nach ­positivem Recht vollkommen oder teilweise unwirksame toezegging erfolgte ­Bereicherung ausgeglichen werden muss.1159 Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich aus einer aufgrund wirksamer toezegging erfolgten Bereicherung keine Ausgleichsansprüche ergeben. Auch wenn man diese implizite Subsidiarität einer Verbindlichkeit aus Bereicherung hier heranziehen würde, bliebe zumindest das im zweiten Beispiel angelegte, wenn auch nicht ausdrücklich hervorgehobene Verhältnis zwischen Versprechen und Herbeiführung von Ungleichheit ungeklärt. Später erklärt Grotius ausdrücklich, dass eine Verbindlichkeit aus veroorzaecking van onevenheid ter minne immer dann vorliege, wenn eine nicht schenkweise erbrachte Leistung des Gläubigers angenommen werde1160  : Dit kan ghespeurt werden in alle overkomingen die gheschieden tot baete van den aennemer, ofte van den aennemer ende gever te zamen, inzonderheit in die overkominghen die door saecks-ghevolg werden voltrocken  : doch oock in de andere overkominghe[n], wanneer de saeck alreede aen d’eene zijde is ghevolgt  : want in alle de selve werd den aenneemer ver bonden tot vergoedinghe, door dien hy oorsaeck is dat den ander minder heeft, alsoo hem iet is gegeven, ofte eenigen

Dies kann in allen Übereinkünften beobachtet werden, die zur Bereicherung des Annehmenden geschlossen werden oder des Annehmenden und des Gebenden gemeinsam, insbesondere in den Übereinkünften, die durch Sachhingabe vollzogen werden  : doch auch in den anderen Übereinkünften, wenn die Sache der einen Seite bereits übergeben wurde  : Denn in all diesen [Fällen] wird der Annehmende zur Vergeltung gebunden, weil er die Ursache dafür ist, dass der andere weniger hat, also mit seinem Willen etwas gegeben

1157 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. IX § 7. 1158 Vgl. im Text bei Fn. 1131. 1159 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXX §§ 12–14. 1160 Vgl. dazu auch S. 253.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Das Verhältnis zwischen toezegging und onevenheid 

dienst is gedaen, op sijn wille  : maer also die overkominghen door het dagelicksch ghebruick bekomen hebben hare vaste eighenschappen, de welcke oock gehouden werden als uitdruckelick toeghezeit, zoo hebben wy daer van alreede in de toe-zegging ghehandelt, om dat van twee oorzaken van verbintenissen, te weten veroorzaking van onevenheid ende redelicke toezegging, de toe-zegging is de kennelickste.1161

| 259

oder ein Dienst verrichtet wurde  : Aber weil die Übereinkünfte durch den täglichen Gebrauch ihre festen Eigenschaften bekommen haben, welche auch als ausdrücklich zugesagt (uitdruckelick toeghezeit) gehalten werden, so haben wir diese bereits im Abschnitt über die Zusage (toezegging) behandelt, weil von den zwei Ursachen von Verbindlichkeiten, namentlich Verursachung von Ungleichheit und redlicher Zusage, die Zusage die bekannteste ist.

Zuvor hat Grotius Übereinkunft (overkoming, handeling oder contractus) als Willensübereinstimmung zweier oder mehrerer Personen zum einseitigen oder beiderseitigen Vorteil definiert,1162 von denen die gebräuchlichsten bereits durch Verwendung des Namens oder einer bestimmten Form als toezegging doer wetduiding vermutet werden,1163 andere als uitdruckelick toezegging hingegen ausdrücklich vereinbart werden und eine redelicke oorzaecke1164 aufweisen müssen1165. Dabei liegt stets auch ein Fall der onevenheid ter minne vor, sofern nicht mit Schenkungsabsicht gehandelt wurde1166. Insofern ist der Annehmende einer Leistung, die nicht schenkweise erbracht wird, (auch) aus der onevenheid zur Vergeltung gebunden. Im Rahmen der Behandlung der onevenheid ter minne erklärt Grotius, dass er diese Fälle bereits (abschließend) im Rahmen der toezegging erörtert habe. Der 1161 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXI § 3. 1162 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI § 2  ; ebd., cap. XIV § 4. 1163 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. VI § 10. 1164 Die redelicke oorzaecke entspricht der gemeinrechtlichen causa, auch wenn Grotius diesen lateinischen Begriff hier nicht ausdrücklich anführt. Die Erforderlichkeit einer redelicke oorzaecke oder causa etabliert Grotius allein für das gemeine Recht, nicht aber für das Naturrecht  : In der Inleidinge beginnt Grotius stets mit einer Schilderung des Naturrechts, bevor er anschließend das römische und gemeine Recht erörtert. In dem Kapitel über Verbindlichkeiten (lib. III cap. I) findet sich dieser Übergang in §§ 21–22. Zwar finden sich auch danach noch vereinzelt Aus­sagen zum Naturrecht, doch weist Grotius dabei stets ausdrücklich auf den Perspektivwechsel hin. Ein derartiger Hinweis findet sich bei der Erörterung der redelicke oorzaecke in §§ 51–53 nicht. In dem Kapitel über ungerechtfertigte Bereicherung erklärt Grotius die Kondizierbarkeit einer toezegging ohne redelicke oorzaecke –  dort ausdrücklich als condictio promissi sine causa bezeichnet – zudem ausdrücklich zu einer Einschränkung der naturrechtlichen Handlungs­freiheit durch das staatliche Recht, vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXX § 13. 1165 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 50–53. 1166 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 17.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

260 | 

Siebtes Kapitel

dafür angeführte Grund, dass diese die bekanntere Ursache sei, legt nahe, dass dies nicht als materielle Zuordnung verstanden werden soll, sondern dem möglichst zugänglichen Aufbau der Inleidinge als Lehrbuch geschuldet ist. Offenbar sieht Grotius in der Inleidinge zwar die parallele Begründung der Verbindlichkeit, nicht aber die damit unter Umständen verbundenen dogmatischen Probleme. Das dem aufgrund einer toezegging Leistenden bei deren Unwirksamkeit unabhängig von einer eventuellen Gegenleistung zustehende Rückforderungsrecht1167 legt jedoch nahe, dass in den Fällen einer zugleich aus toezegging und onevenheid ter minne folgenden Verbindlichkeit letztlich auf die Wirksamkeit der toezegging abzustellen ist. Dabei handelt es sich, wie bei der zuletzt zitierten Passage zum Vergeltungsanspruch aus onevenheid, bei Übereinkünften ohne Schenkungsabsicht, zumindest unmittelbar nur um Aussagen zum gemeinen Recht. Mangels konkreter Ausführungen zum Verhältnis dieser Regelungen zum Naturrecht scheint Grotius von deren Vereinbarkeit mit diesem auszugehen. Dafür dass eine aufgrund unwirksamer toezegging erbrachte Bereicherung unbeschadet einer bereits erhaltenen Gegenleistung zurückgefordert werden kann, spricht auch, dass die untersuchten Passagen zwar Anzeichen für eine subsidiäre Bedeutung der Bereicherung (baet-trecking) gegenüber der toezegging enthalten, nicht jedoch gegenüber der veroorzaecking van onevenheid, sei es ter minne, d. h. durch einen gegenseitigen Vertrag, oder ter onminne, d. h. durch ein Delikt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Inleidinge trotz der Feststellung, dass verschiedene Ursachen von Verbindlichkeiten zugleich vorliegen können, keine ausdrücklichen Aussagen über deren Verhältnis enthält.

VI. Schlussbetrachtung Mit der Inleidinge entwirft Grotius ein Lehrbuch zum geltenden Privatrecht, dessen Aufbau zugleich an einer Ausdifferenzierung subjektiver Rechte orientiert ist. Es überrascht kaum, dass sich die Perspektive in der Vertragslehre endgültig von den Pflichten des Schuldners zu den Ansprüchen des Gläubigers verlagert. Grotius selbst empfindet diese Perspektive anscheinend als erläuterungsbedürftig, da er zunächst zu einem Exkurs über nicht durchsetzbare Pflichten ansetzt. Dazu zählt er sowohl die Pflicht zur Dankbarkeit für empfangene Wohltaten (danckbaerheid bzw. gratia) als auch die Pflicht zur Treue zum gegebenen 1167 Vgl. Fn. 1159.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 261

Wort (trouw-schuld bzw. fides). Er macht sich damit die Position zu eigen, die er im Brief vom 28.02.‌1616 noch Platon und Theophrast zugeschrieben und als für seine Zeit unpassend zurückgewiesen hat. Anders als in den Theses LVI und dem Brief trennt er zwischen einer auf die Erfüllung von Abreden gerichteten moralphilosophischen oder ­-theologischen Tugend­pflicht und einer davon unabhängigen Rechtspflicht  : Letztere ­entsteht kraft Zusage (toezegging) oder kraft aus Freundschaft herbeigeführter Ungleich­ heit, d.  h. durch Annahme einer nicht schenkweise erbrachten Leistung ­(onevenheid ter minne). Beide Ursachen setzen jedoch, in Abgrenzung zu den entsprechenden Tugendpflichten der Treue und Dankbarkeit, eine auf das Entstehen einer Rechtspflicht gerichtete Willensbetätigung des Schuldners voraus  : Während ein bloßes Versprechen (belofte), d. h. eine auf eine Festlegung für die Zukunft gerichtete Willensäußerung, den Schuldner bereits aus der Treue bindet, entsteht dem Adressaten der Willensäußerung nur dann ein Forderungsrecht, wenn der Schuldner eine derartige Rechtsübertragung beabsichtigt und dies auch kundgibt. In diesem Fall liegt eine toezegging vor, durch die »ein Teil oder eine Folge« der Entscheidungsfreiheit des Schuldners, nämlich hinsichtlich der Vornahme oder Nichtvornahme der versprochenen Handlung, mit Annahme des Adressaten auf diesen übertragen wird. Grotius formuliert dieses Annahmebedürfnis allerdings nicht im Rahmen der Definition der toezegging, sondern erst inzident bei der Beschreibung ihrer Rechtsfolge – eine toezegging übertrage ein Recht a n e i n e n A n n e h m e n d e n  –, was vermutlich der Grund dafür ist, dass dies in der bisherigen Literatur teilweise übersehen wurde. Zudem erklärt Grotius damit erstmals in einem juristischen Werk, was er zuvor in mehreren Schriften immer eindeutiger umschrieben und zuerst in dem theologischen Werk De Satisfactione1168 ausdrücklich formuliert hat  : Die Rechtsfolge des (berechtigenden) Versprechens liegt in einer Übertragung eines Rechts vom Schuldner an den Gläubiger. Ebenso verpflichtet bereits die Entgegennahme der Leistung eines anderen (weldaed) zur Dankbarkeit, aber nur die willentliche Entgegennahme einer n i c h t s c h e n k w e i s e e r b r a c h t e n , d. h. auf eine Gegenleistung gerichteten Leistung (veroorzaecking van onevenheid ter minne) verpflichtet zur Vergeltung und überträgt dem zuerst Leistenden ein entsprechendes Forderungsrecht auf die Gegenleistung. Schließlich äußert sich Grotius erstmals zum zeitgleichen Vorliegen verschiedener Ursachen vertraglicher Verbindlichkeit. In den angeführten Beispielen 1168 Vgl. Fn. 870, 1146.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

262 | 

Siebtes Kapitel

bezieht er sich auf das gleichzeitige Vorliegen einer der genannten Ursachen (toezegging oder onevenheid ter minne) mit einer Verbindlichkeit aus (ungerechtfertigter) Bereicherung. Dies erscheint aus zwei Gründen unpassend. Einerseits finden sich mehrere Andeutungen, dass eine durch toezegging verursachte Bereicherung nicht als solche, d. h. unabhängig von der zugrunde liegenden toezegging, ein Forderungsrecht begründet. Andererseits sollten in beiden Beispielen Verbindlichkeiten aus toezegging und onevenheid ter minne vorliegen, von denen Grotius jeweils nur eine benennt. An anderer Stelle begründet er die Erörterung einzelner (einseitig vollzogener) Vertragstypen im Rahmen der toezegging doer wetduiding damit, dass diese unter dieser Kategorie bekannter seien, wenngleich sie ebenso aus onevenheid ter minne folgen würden. Damit erkennt Grotius die parallele Herleitung einer vertraglichen Verbindlichkeit aus mehreren Ursachen eindeutig an, ohne sich zu einem möglichen Konfliktfall zu äußern. Das Verhältnis bereicherungsrechtlicher Ansprüche zu den beiden vertraglichen Ursachen und die Heranziehung der Entscheidungsfreiheit zur Begründung gemeinrechtlicher Formerfordernisse auch im Rahmen der onevenheid ter minne legen jedoch nahe, dass im Konfliktfall die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer toezegging entscheidend wäre.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Achtes Kapitel  : De Iure Belli ac Pacis

Mit seinem berühmtesten Werk De Iure Belli ac Pacis hat Grotius ein – dem Anspruch nach1169 – umfassendes Werk zum Naturrecht verfasst. Auch De Iure Belli ac Pacis liegt die Vorstellung zugrunde, das Verhältnis zwischen Staaten entspreche grundsätzlich dem Verhältnis zwischen Privaten.1170 Der Titel bezieht sich somit nicht weniger auf das Privatrecht als auf das Völkerrecht  : Sowohl ­»Frieden« als auch »Krieg« (als status per vim certantium)1171 bezeichnen, wie schon in De  Iure Praedae,1172 Zustände, die gleichermaßen zwischen Privaten und zwischen Staaten herrschen können.1173 Ein Hauptinteresse Grotius’ gilt der Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Krieg rechtmäßig (bellum iustum) ist.1174 Entgegen seiner ausdrücklichen Versicherung1175 besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass er dabei von den Eindrücken des niederländischen Unabhängigkeitskampfes und des Dreißigjährigen Krieges motiviert war.1176 Die Frage nach dem rechtfertigenden Kriegsgrund (iusta causa) beschäftigte Grotius sein ganzes Leben  : Ab 1169 Grotius, IBP, prolegomena XXXI–XXXVI. 1170 Grotius, IBP, prolegomena XXXIII  ; ebd., lib. I cap. III §§ I–II. 1171 Grotius, IBP, lib. I cap. I § II 1. 1172 Vgl. Fn. 393. 1173 Grotius, IBP, lib. I cap. I § II  ; ebd., cap. III § I  ; ebd., cap. IV § I  ; ebd., cap. V § I  ; vgl. dazu auch Olivecrona, concept of a right, S. 195 f.; Ders., Law as Fact, S. 292 f.; Ottenwälder, Grotius, S. 47 f.; Stumpf, Theology, S. 205–208. 1174 Grotius, IBP, prolegomena XXV–XXIX. Im Übrigen dient das gesamte zweite Buch ultimativ der Klärung dieser Frage, vgl. insoweit die Einleitung  : Veniamus ad causas bellorum  : iustificas intelligo, in Grotius, IBP, lib. II cap. I § I 1, sowie die Erklärung in ebd., prolegomena XXXIV. Dieselbe Frage beschäftigt Grotius auch schon im Parallelon Rerumpublicarum, vgl. etwa Fn. 345, und insbesondere in Kapitel 7 von De Iure Praedae, vgl. etwa Fn. 614, 632, 649 f., 746 f. Vgl. zu Grotius’ generellem Verständnis zur unmittelbaren Wirkung des Naturrechts auch im Text bei Fn. 389–394. 1175 Grotius, IBP, prolegomena LVIII. Zudem weist Nellen, Grotius, S. 663, zu Recht darauf hin, dass Grotius auch umgekehrt in seinen diplomatischen Schreiben nie auf Parallelfälle in De Iure Belli ac Pacis Bezug nimmt. Insofern trennt Grotius formal strikt zwischen seinen praktischen und theoretischen Arbeiten. 1176 Grunert, Normbegründung, S.  66  ; Nellen, Grotius, S.  371  ; Schätzel (Hrsg.), Recht des Krieges und des Friedens, S. XXV–XXVI  ; van Spyk, Vertragstheorie, S. 26 f.; Tanaka, Grotius’s Method, S. 11  ; ohne konkreten Bezug zu De Iure Belli ac Pacis auch Fikentscher, De fide et perfidia, S. 64–66. Weniger kritisch aber Straumann, Grotius, S. 86 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

264 | 

Achtes Kapitel

1598 musste er den Krieg Frankreichs und der Niederlande gegen Spanien rechtfertigen,1177 ab 1604 den kriegerischen Überfall der Vereinigden Oostindischen Compagnie auf ein portugiesisches Handelsschiff1178 und ab 1635 die Beteiligung Frankreichs am Dreißigjährigen Krieg auf schwedischer Seite.1179 Mit De  Iure Belli ac Pacis greift Grotius den zu Lebzeiten unveröffentlicht gebliebenen Versuch aus De Iure Praedae auf, eine abstrakte Grundlage zur Beantwortung dieser Frage zu schaffen.1180 Krieg ist für Grotius jedenfalls unzulässig, soweit den Parteien ein Rechtsweg offensteht – was zwischen Privaten regelmäßig der Fall ist.1181 Andernfalls kann ein Krieg als Mittel zur Durchsetzung eigener Rechte zulässig sein. Sowohl das Beschreiten des Rechtswegs als auch ein (rechtmäßiger) Krieg, sei es zwischen Privaten oder Staaten, dienen somit stets der Durchsetzung von Rechten.1182 Gegenüber De  Iure Praedae1183 liegt darin eine, wenn auch nur graduelle, aber gerade für das Vertragsrecht wichtige Verschiebung von naturgesetzlich gewährten (prozessualen) Abwehr-, Not- und Restitutions a n s p r ü c h e n hin zur (materiellen) Inhaberschaft von R e c h t e n . Subjektiven Rechten kommt damit in De Iure Belli ac Pacis auch für Grotius’ Natur- und Völkerrecht eine zentrale Bedeutung zu,1184 ähnlich wie zuvor bereits in der Inleidinge für die Systematisierung des Privatrechts1185. Entsprechend widmet er das zweite der drei Bücher von De Iure Belli ac Pacis dem originären und derivativen Erwerb subjektiver Rechte.1186 Dabei entwickelt er insbesondere im elften, zwölften und sechzehnten Kapitel dieses Buches sein Vertragsrecht als generelles Instrument zur Rechtsübertragung. 1177 Vgl. Fn. 260. 1178 Vgl. S. 98–100. 1179 So auch Fikentscher, De fide et perfidia, S. 30 f.; vgl. auch S. 68–71. 1180 van Eysinga, Grotius, S. 25  ; Haggenmacher, Grotius, S. 552  ; Tuck, Philosophy, S. 198 f. 1181 Grotius, IBP, lib. I cap. III §§ I 2 – II  ; vgl. dazu auch Stumpf, Theology, S. 206 f.; sowie schon Grotius, IPC, cap. VIII, fol. 44r [S. 95]. 1182 Grotius, IBP, lib. II cap. I § I 4  ; ebd., cap. II § I  ; vgl. auch ebd., prolegomena XXV  ; ebd., lib. I cap. II § I 5  ; ebd., cap. III § I 2  ; so auch Haggenmacher, Grotius, S. 225 f., 550 f.; H. Hofmann, Grotius, S. 68  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 140. 1183 Vgl. im Text bei Fn. 649–655 sowie ferner Fn. 614. 1184 Haggenmacher, Grotius, S. 551 f.; Wieacker, contractus und obligatio, S. 227  ; Wieacker, vertragliche Obligation, S. 11 f.; dagegen Neff (Hrsg.), Hugo Grotius On the Law of War and Peace, S. 3 Fn. 9  ; vgl. dazu auch Fn. 1262. 1185 Vgl. S. 224–230. 1186 Vgl. Grotius, IBP, prolegomena XXXIV  ; so auch schon Haggenmacher, Grotius, S.  552  ; Straumann, Grotius, S. 164  ; ferner Ahsmann, Jurist, S. 40  ; Straumann, Roman Law, S. 33  ; Vermeulen / van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 81.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 265

Die besondere Bedeutung von Verträgen – oder genauer  : von Versprechen – zeigt sich schließlich auch in dem letzten der drei Bücher  : Dort erörtert Grotius zunächst das allgemeine ius in bello, um anschließend im Detail auf die Auswirkungen des Krieges auf Versprechen (promissa) einzugehen.1187 Diese Dichotomie ist auch deshalb beachtlich, da (einzig) das dritte Buch von einer auffälligen fides-Terminologie geprägt ist.1188 In der Zweiteilung finden sich insofern die beiden aus dem Parallelon Rerumpublicarum bekannten Aspekte der fides – als allgemeines Arglistverbot und als Vertragstreue – wieder.

I. Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) Zu Beginn des zweiten Buches von De  Iure Belli ac Pacis erläutert Grotius in den ersten zehn Kapiteln den originären und derivativen Erwerb dinglicher Rechte, den originären Erwerb persönlicher Rechte sowie die Reichweite dinglicher Rechte und der daraus entstehenden Verbindlichkeiten (einschließlich des ­Bereicherungsrechts1189). Im Anschluss daran entfaltet er in den Kapiteln 11–16 seine Vertragslehre  : So untersucht er in den Kapiteln 11–13 separat drei grundlegende Institute seiner Vertragslehre  : Versprechen (promissum oder promissio), Vertrag (contractus) und Eid (iusiurandum). Kapitel 14 und 15 enthalten spezielle Regelungen für Abreden mit besonderen Vertragsparteien, namentlich unter Beteiligung eines Souveräns, sowie verschiedene Formen völkerrechtlicher Abreden.1190 Kapitel 16 ist schließlich der Auslegung von Abreden gewidmet. Für die vorliegende Untersuchung zum Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit sind insbesondere die Kapitel 14 und 15, aber auch Kapitel 16 von 1187 Vgl. Grotius, IBP, lib. III cap. I § I  : Et qui bellum gerant, et quibus ex causis belligerare liceat vidimus. Sequitur expendamus, quid quantumque in bello liceat ⟨ […] ⟩ et quibus modis. quod aut nude spectatur, aut ex promisso antecedente. Nude ex naturae primum, deinde ex Gentium iure  ; ebd., cap. XIX § I 1  : Quid quantumque in bello liceat, diximus partim nude spectari, partim ex promisso antecedente. Parte priore absoluta restat posterior, quae est de fide hostium inter se. 1188 Vgl. nur die Titel der Kapitel 19–25  : De fide inter hostes (cap. XIX)  ; De fide publica qua bellum finitur ubi de  pacis pactione, de  sorte, de  certamine condictio, de  arbitrio, deditione, obsidibus, pignoribus (cap. XX)  ; De fide manente bello, ubi de induciis, commeatu, captivorum redemtione (cap. XXI)  ; De fide minorum potestatum in bello (cap. XXII)  ; De fide privata in bello (cap. XXIII)  ; De fide tacita (cap. XXIV)  ; Conclusio monitis ad fidem et pacem (cap. XXV). 1189 Vgl. dazu Feenstra, L’Influence, S. 393–398  ; Jansen, Restitution, S. 177 f. 1190 Für eine Übersicht zu Kapitel 14 bzw. Kapitel 15 vgl. Onuma, Agreement, S. 201 f.; Astorri, Contract and Treaties, S. 527–529.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

266 | 

Achtes Kapitel

­untergeordneter Bedeutung. Dasselbe gilt für Kapitel 13, da der Eid lediglich eine Bestärkung einer anderen – bereits für sich genommen verbindlichen – Abrede darstellt1191. Sowohl Kapitel  13 als auch Kapitel  15 sind allerdings insofern relevant, als Grotius dort mehrfach von fides im Sinne der Vertragsbindung spricht, während er ansonsten im Rahmen seiner Vertragslehre (mit Ausnahme der Spezial­ regelungen zum Kriegszustand im dritten Buch) weitgehend auf diesen Begriff verzichtet. Denkbar wäre, dass Grotius die fides-Terminologie in den Kapiteln 13 und 15 in Anlehnung an Cicero verwendet, da er dort – mit dem Eid einerseits und zwischenstaatlichen Bündnissen andererseits  – gerade die beiden Anwendungsfälle der fides in de officiis erörtert. Ungleich bedeutender für die Frage des Geltungsgrundes erscheinen jedoch die Kapitel 11 (De Promissis) und 12 (De Contractibus). Dabei ist das Verhältnis zwischen diesen Kapiteln nicht unproblematisch.1192 Dies gilt umso mehr, als die bisherige Literatur eine detaillierte Auseinandersetzung mit dieser Frage vermieden hat. Daher soll im Folgenden zunächst das Verhältnis zwischen diesen Instituten untersucht werden. Die neuere Literatur erkennt in promissum und contractus überwiegend voneinander unabhängige Rechtsinstitute.1193 Allerdings gibt es durchaus andere Stimmen  : So scheinen Benson1194 und wohl auch Grunert1195 von einem einheitlichen Institut auszugehen, dessen Zustandekommen in dem Kapitel über promissa und dessen Inhalt in dem Kapitel über contractus geregelt ist. Albers und Ramelet verstehen das Kapitel über Versprechen als allgemeinen Teil1196 1191 Grotius, IBP, lib. II cap. XIII § I 1  : Apud omnes populos, et ab omni aevo circa pollicitationes, promissa, et contractus maxima semper vis fuit iurisiurandi. […]  ; ebd., § VI  : Ut valeat iuramentum oportet obligatio sit licita. Quare nullas vires habebit iurata promissio de re illicita […] [jeweils Hervorh. d. Verf.]. Vgl. zur Verbindlichkeit der pollicitationes S. 311–330, insb. im Text bei Fn. 1484. 1192 Vgl. dazu Onuma, Agreement, S. 175, 212 f.; ferner auch Hogg, Promises, S. 128. 1193 Im Gegensatz zu den übrigen in Fn.  1200–1202 genannten Autoren schränkt Onuma, Agreement, S. 211–213, dies durch zwei vage Formulierungen ein, wonach das Versprechen ein »wesentliches Element« der übrigen Abreden sei bzw. diese auf der Argumentation zum Versprechen »basieren« (are premised upon), ohne dies zu konkretisieren. 1194 Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 5–23. Diese Gleichsetzung wird jedoch insoweit in Frage gestellt, als er das Versprechen auf S. 18 einmalig auf freigiebige Erklärungen reduziert (vgl. dazu auch Fn. 1230). 1195 Vgl. Grunert, Vertrag, S. 126–128  ; Ders., Normbegründung, S. 121–128, der unter Bezug auf die overkoming und toezegging der Inleidinge sowie Passagen aus den Kapiteln De Promissis und De Contractibus in De Iure Belli ac Pacis »de[n] privatrechtliche[n] Vertrag« beschreibt. 1196 Albers, Versprechen und Vertrag, S. 51 Fn. 106  ; Ders., ZRG (RA) 135 (2018), S. 39 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 267

bzw. Vertrag und Eid als besondere Versprechenstypen1197. Diesselhorst und Straumann schließlich sehen in dem Kapitel über Versprechen jedenfalls die »Prinzipien jedes rechtsgeschäftlichen Zusammenschlusses überhaupt«1198 bzw. die »grundlegenden Prinzipien aller Rechtsgeschäfte«1199, ohne diese Einschätzung zu substantiieren. Darüber hinaus lassen sich, insbesondere was die Natur des Vertrages ­(contractus) betrifft, grob zwei1200 Ansichten unterscheiden  : Zum Teil meint man, in den contractus die Vertragstypen des römischen Rechts wiederzuerkennen. Ihre Verbindlichkeit ergebe sich aus dem Vorliegen einer typisierten Vertrags­ situation, wenngleich die besonderen Formvorschriften des römischen Rechts naturrechtlich entbehrlich seien. Demgegenüber folge die Verbindlichkeit der nicht nur formlosen, sondern auch von typisierten Vertragssituationen abstrahierten promissa aus einem (moralischen oder deutsch-rechtlichen) Treuegedanken. Im Ergebnis entspräche das Verhältnis zwischen promissum und contractus damit grundsätzlich jenem aus der Inleidinge zwischen uitdruckelick toezegging und toezegging doer wetduiding, nur dass diese in der Inleidinge zumindest noch durch einen gemeinsamen Oberbegriff (toezegging) verbunden seien.1201 Zum Teil wird das wesentliche Merkmal der contractus statt in einer Übereinstimmung mit den römischen Vertragstypen vielmehr im Prinzip der aequalitas gesehen.1202 Vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchung erschiene dies 1197 Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 135. Vgl. zum Eid insofern im Text bei Fn. 1191. 1198 Diesselhorst, Grotius, S. 3 Fn. 2, S. 35 f. Fn. 1  ; ähnlich auch ebd., S. 54  : »die Grundfigur aller verkehrsgeschäftlichen Phänomene«  ; diesem folgend Hölzel, Grundlagen, S. 123. 1199 Straumann, Grotius, S. 175  ; ähnlich auch Ders., Roman Law, S. 191. 1200 Daneben existieren vereinzelt weitere Ansichten zum Verhältnis von Versprechen und Vertrag, die nicht weiter diskussionswürdig erscheinen. Dass etwa Swain, ELR 17,1 (2013), S. 13, das promissum in De Iure Belli ac Pacis mit der belofte und den contractus in De Iure Belli ac Pacis mit der toezegging gleichsetzt, dürfte sich durch eine unreflektierte Heranziehung der Lee-Übersetzung der Inleidinge erklären, welche belofte als promise und toezegging meist als contract übersetzt (vgl. kritisch dazu Feenstra, Unjust Enrichment, S. 201 Fn. 28  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S.  93 Fn.  1  ; begründend jedoch R.  W.  Lee, Jurisprudence of Holland, Bd.  2, S.  223 num. 11). Swains Assoziationen lassen sich nicht mit den in der Inleidinge ergänzten lateinischen Synonymen vereinbaren, wonach belofte ausdrücklich mit pollicitatio und toezegging mit promissio gleichzusetzen ist, während contractus der (auch als handeling bezeichneten) overkoming entspricht, vgl. Fn. 1043, 1114 und im Text bei Fn. 1042, 1088. 1201 Feenstra, pacta nuda, S. 138 Fn. 74  ; van Oven, Inleiding, S. 282 f.; diesem folgend auch Augé, APD 13 (1968), S. 109 f.; Nanz, Vertragsbegriff, S. 147 f.; ähnlich, wenn auch mit gleichzeitiger Betonung der aequalitas für contractus (und ohne Vergleich zur Inleidinge), Astorri, Contract and Treaties, S. 513–526, insb. S. 514  ; vgl. ferner Feenstra, L’Influence, S. 389 f. 1202 Onuma, Agreement, S. 192, 194–198, 212 f.; Wieacker, contractus und obligatio, S. 227–230

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

268 | 

Achtes Kapitel

möglicherweise naheliegender  : Demnach entsprächen promissum und contractus zumindest grundsätzlich der bereits aus früheren Werken bekannten Trennung zwischen den konkurrierenden Begründungsansätzen vertraglicher Bindung kraft Treuepflicht oder willentlicher Rechtsübertragung einerseits und Entstehen eines Ausgleichsanspruchs durch Entgegennahme der Gegenleistung in einem Austauschverhältnis andererseits. Im Vergleich zur Inleidinge wären die Entsprechungen für promissum und contractus demnach nicht uitdruckelick ­toezegging und toezegging doer wetduiding, sondern vielmehr toezegging und­ ­(veroorzaecking van) onevenheid (ter minne). Bei näherer Betrachtung mag auch einiges dafür sprechen, dass das Versprechen, ähnlich wie bereits im Brief vom 28.02.‌16161203, aber in Ansätzen auch in der Inleidinge1204, die gemeinsame Grundform der gesamten Vertragslehre – einschließlich des contractus – bildet. Für die Frage nach dem Geltungsgrund »des Vertrages« in De  Iure Belli ac Pacis ist daher zunächst das Verhältnis zwischen promissum und contractus zu klären. Es sind vor allem die §§ I–VII des Kapitels 12, in denen Grotius versucht, den Vertragsbegriff (contractus) weiter zu untergliedern, die das Verhältnis zwischen promissum und contractus »verdunkeln«1205. Insofern hat Gordley überzeugend dargelegt, dass diese Systematisierungsbemühungen an spätscholastische Vorbilder, wie etwa de Soto, angelehnt sein dürften, welche die römischen Vertragstypen in ein aristotelisch-thomistisches System der Tugenden einzuordnen suchten.1206 Ohne Kenntnis dieses Zusammenhangs wirken Grotius’ Ausführunsowie insb. S. 236, der in der aequalitas die »[B]egründ[ung] und [B]egrenz[ung]« der Verbindlichkeit gegenseitiger Verträge (contractus) sieht, während die Verbindlichkeit der Versprechen (promissiones) aus der »moralischen Gewissenspflicht« folge  ; Ders., Privatrechtsgeschichte, S.  295  f.; ähnlich auch Gordley, Philosophical Origins, S.  78, wonach alle (wirksamen) Verträge entweder causa onerosa oder causa gratuita erfolgten, sodass gegenseitige Verträge und freigiebige Versprechen voneinander unabhängige Alternativen darstellen würden  ; sowie Neff (Hrsg.), Hugo Grotius On the Law of War and Peace, S. 186 Fn. 1, der in Verträgen Austauschbeziehungen sieht, für die »Gleichheit von größter Bedeutung« sei, während Versprechen immer nur in ungleichen Beziehungen von Bedeutung seien  ; tendenziell dagegen aber Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 104, der erklärt, im Kapitel über Verträge fänden sich lediglich einzelne »traces fugitives« der veroorzaecking van onevenheid ter minne. 1203 In Gestalt der conventio verborum, vgl. S. 186–205. 1204 Vgl. S. 254–260. 1205 Nanz, Vertragsbegriff, S. 146 f. 1206 Gordley, Philosophical Origins, S.  102–105. Vgl. (ohne Bezug zu Grotius) zu de  Soto auch Birocchi, causa, S.  225  f.; zu den Parallelen zwischen Grotius und de  Soto auch sogleich in Fn. 1223.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 269

gen nicht nur auf moderne Leser irritierend. Bereits den (überwiegend protestantischen) frühen Kommentatoren zu De Iure Belli ac Pacis fiel es offenbar schwer, einen Zugang zu Grotius’ naturrechtlichem contractus-Verständnis zu finden.1207 Aus diesem Grund erscheint es geboten, entgegen der grundsätzlichen methodischen Überlegungen1208, zunächst auf die für die Abgrenzung zwischen Versprechen und Vertrag relevanten Passagen des Kapitels 12 einzugehen und erst im Anschluss das Kapitel 11 über Versprechen näher zu untersuchen. Zu Beginn des Kapitels  12 untergliedert Grotius zunächst die f r e m d n ü t z i g e n H a n d l u n g e n (actus aliis utiles) – nicht die Verträge – in vorbildlich ramistischer Dichotomie1209. Diese zunächst wenig intuitive Einführung in das Kapitel De Contractibus erschließt sich vor dem Hintergrund der in § VII enthaltenen Vertragsdefinition unter Verweis auf D. 50,16,19 (Ulpianus libro undecimo ad edictum)1210. Nach den dort von Ulpian referierten Definitionen Labeos bildet agere den weiteren und contrahere den engeren Begriff. Diese Definition bietet Grotius die Möglichkeit, den Vertragsbegriff vor dem Hintergrund einer (moralphilosophischen) Handlungslehre zu verstehen. Dieses Verständnis, welches Labeo und Ulpian gewiss noch fremd war, scheint wesentlichen Einfluss auf den Aufbau der §§ I–VII des zwölften Kapitels gehabt zu haben. Dass Grotius seine Definition der contractus ausdrücklich auf dieses Digestenfragment stützt, ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, da eben dieses Fragment auch bei Connan eine zentrale Stellung einnimmt –  allerdings in dessen Begründung der naturrechtlichen U n v e r b i n d l i c h k e i t einseitig verpflichtender ­Abreden.1211 Die Ablehnung dieser Ansicht Connans bildet wiederum für ­Grotius den Ausgangspunkt des Kapitels De Promissis.1212

1207 So erklärt etwa Ziegler, Notae et Animadversiones, ad IBP, lib. II cap. XII § VII, dass Grotius’ contractus-Definition falsch sei, da sie Stipulation und Versprechen (promissio) nicht einschließe. Kulpis, Collegium Grotianum, S. 78 f., referiert in seiner Kommentierung zum Kapitel De Contractibus schlicht eine Form der gemeinrechtlichen Vestiturtheorie, während Hedinger, Sicilimenta Philosophie Juris, S. 77 f., lieber über συνάλλαγμα als über contractus sprechen möchte. 1208 Vgl. S. 32. 1209 Eine graphische Darstellung des in Grotius, IBP, lib. II cap. XII §§ I–VII, entfalteten Systems findet sich bei Onuma, Agreement, S. 191. 1210 D. 50,16,19 (Ulpianus libro undecimo ad edictum)  : Labeo […] definit […] actum quidem generale verbum esse […] contractum autem ultro citroque obligationem, quod Graeci συνάλλαγμα vocant […]. 1211 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 4  ; vgl. Fn. 161. 1212 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I  ; vgl. dazu S. 282–302.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

270 | 

Achtes Kapitel

In seinem parallel zur vierten Überarbeitung von De Iure Belli ac Pacis entstandenen Kommentar zum Corpus Iuris Civilis, Florum sparsio ad ius Iustinianeum, erklärt Grotius zu diesem Fragment unter Hervorhebung zudem  : Haec est maxime propria contrahendi significatio1213. Im Anschluss daran zitiert er Cic.  off.  2,40 sowie Cic.  off.  2,64, wo jeweils emptio venditio und locatio conductio unter negotia contrahenda bzw. res contrahenda gefasst werden. Dies sei so zu verstehen, erklärt Grotius, dass eine Verbindlichkeit in diesen »angelegt« sei (Largius sumitur, ut comprehendat ea, in quibus ab uno tantum latere est obligatio). Unter Berufung auf Inst. 3,14,1 legt er dar, dass eine Erfüllung eher in synallagmatischen Verhältnissen anzunehmen sei (Largissime sumitur, ut etiam solutionem, quae potius συνάλλαγμα est, sive distractus, comprehendat). Zur Bestimmung des von Labeo verwendeten Begriffs συνάλλαγμα verweist Grotius in Florum sparsio zudem neben Aristoteles auf D.  2,14,7,2 (Ulpianus libro quarto ad edictum)1214 – eine der zentralen Stellen der causa-Lehren1215. Damit ist Grotius nicht mehr allzu weit entfernt von Connans Verständnis der Nominatkontrakte des römischen Rechts als antizipierender Fiktion der Leistungserbringung1216. Grotius’ noch näher zu untersuchende1217 Kritik an Connans Vertragslehre gilt somit weniger dessen Verständnis des contractus als vielmehr dem Umstand, dass Connan diesen zum einzig wirksamen Vertragsinstitut des Naturrechts erklärt.1218 Daneben führt Grotius durch das Verständnis der Verträge als Handlungen sämtliche Institute seiner Vertragslehre (pollicitatio, promissum, contractus und iusiurandum) implizit auf dieselbe Kategorie zurück.1219 Dies deutet sich auch in der Kommentierung zu D. 50,‌16,19 in Florum sparsio an  : Dort zitiert Grotius in diesem Kontext Varro ling. 6,42,1, wonach (neben dem Kontrahieren) auch Denken und S p r e c h e n unter den Handlungsbegriff fallen.1220 Diesen Handlungsbegriff – bzw. genauer die f r e m d n ü t z i g e n H a n d l u n g e n   – differenziert Grotius zu Beginn des Kapitels De Contractibus aus, indem 1213 Grotius, FSI, Contractum autem ultro citroque obligatorium quod Graeci συνάλλαγμα vocant, veluti emtionem, venditionem, locationem, conductionem, societatem ad D. 50,16,19 [S. 292]. 1214 Grotius, FSI, συνάλλαγμα ad D. 50,16,19 [S. 293]. 1215 Vgl. Fn. 122, 162. 1216 Vgl. dazu Fn. 163. 1217 Vgl. dazu S. 282–302. 1218 So bereits Petronio, Sinallagma, S. 246 f.; ferner Schmoeckel, Reformation, S. 270 Fn. 379. 1219 Auch außerhalb der eigentlichen Vertragslehre bilden Handlungen als actibus humanis unde ius oritur die Grundlage von »Rechtsgeschäften«, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. V § X 1, und dazu im Text bei Fn. 1368–1371 sowie insb. Fn. 1369. 1220 Grotius, FSI, Actum generale verbum est, sive verbis, sive re quid agatur ad D. 50,16,19 [S. 291].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 271

er sie zunächst in einfache (simplices) und zusammengesetzte (compositi) unterscheidet (§ I). Einfache Handlungen unterteilt Grotius anschließend in begünstigende (benefici) und austauschende (permutatorii). Erstere Handlungen sind entweder, wie die Schenkung, rein begünstigend (benefici meri) oder führen mittelbar, wie Leihe oder Auftrag, eine Verbindlichkeit des Adressaten herbei ­(benefici cum ­mutua obligatione) (§ II), während letztere entweder der Umsetzung gegensätzlicher Interessen dienen (diremtorii) (§ III), d. h. Austausch­verträge im weiteren Sinne sind, oder der Umsetzung gemeinsamer Interessen ­(communicatorii) (§ IV), d. h. Gesellschaftsverträge im weiteren Sinne darstellen.1221 Zusammengesetzte Handlungen sind schließlich entweder inhärent zusammengesetzt (mixti principaliter) (§ V), wie eine gemischte Schenkung, oder erst durch Hinzufügung einer weiteren Handlung (mixti per accessionem) (§  VI), ­insbesondere der Leistung einer Sicherheit. Sämtliche dieser Handlungen – mit Ausnahme der rein begünstigenden (benefici meri) – erklärt Grotius abschließend zu Verträgen (contractus) (§ VII).1222 Zumindest freigiebige Versprechen werden somit aus dem Vertragsbegriff ausgeschlossen,1223 sodass die Kapitel De Promissis und De Contractibus entge1221 Die Unterscheidung in rein begünstigende Handlungen, begünstigende Handlungen mit gegen­ seitigen Verbindlichkeiten und austauschende Handlungen entspricht dabei, wie schon Wie­ acker, Privatrechtsgeschichte, S.  296 Fn.  52, zu Recht bemerkt, in etwa der modernen Unterscheidung in einseitige, unvollkommen zweiseitige und gegenseitige Verträge. Allerdings thematisiert Grotius zunächst nur Handlungen und schließt die rein begünstigenden anschließend aus seinem Vertragsbegriff aus. 1222 Grotius, IBP, lib. II cap. XII § VII  : Omnes autem actus utiles extra mere beneficos contractuum nomine appellantur. 1223 In zeitgenössischen gemeinrechtlichen Kommentierungen stößt dies auf Unverständnis, vgl. etwa Ziegler, Notae et Animadversiones, extra mere beneficos ad IBP, lib.  II cap.  XII §  VII  : Atqui etiam mere benefici dantur contractus, quomodo stipulatio & promissio potest esse mere benefica. Es entspricht aber dem engeren contractus-Begriff bei Lessius, Molina, vgl. dazu im Text bei Fn. 228–231, und insbesondere de Soto, vgl. de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VI qu. II a. I Prima conclusio bis Aristo [Bd. 3, S. 541] sowie Fideiussio contractus dici nequit [Bd. 3, S. 543]  : Contractus est actio inter duos, ex qua utrinque obligatio nascitur. Sic enim Ulpianus ait l. Labeo ff. de verb. ac rerum significa. Contractus est ultro citroque obligatio, quae Graeci συνάλλαγμα vocant […] Conradus  : Laxant tamen alij latius nomen usque ad illas actiones ex quibus ex altera tamen parte oritur vinculum, veluti est donatio, & simplex promissio. Et ideo Bald. quem Silvest. Citat in verbo, contractus & Conra. Sequitur q. 16. Distinguit de nomine contractus, quae accipiatur proprie, quando obligatio oritur ex utraque  ; parte, & improprie, pro eo ex quo oritur tamen ex altera parte, & impropriissime, quando ex neutra nascitur. Sed re vera abusive istae acceptiones ab usu essent abigendae. Hoc enim est nomina a sua nativa significatione abalienare  : si quidem neque donatio, neque promissio simplex ad iustitiam attinent, sed sunt actus liberalitatis […] atque idem dicendum de stipulatione, si pro fideiussione accipiatur, si vero pro simplici

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

272 | 

Achtes Kapitel

gen der Ansicht Bensons und Grunerts jedenfalls kein einheitliches Rechts­ institut betreffen können. Für das (werkimmanente) Verhältnis von Versprechen (promissum) und Vertrag (contractus) und deren (werkübergreifenden) Vergleich mit den Instituten der uitdruckelick toezegging, toezegging doer wetduiding und veroorzaecking van onevenheid ter minne aus der Inleidinge ist insbesondere § II von Bedeutung  : Simplices alii benefici, alii permutatorii. ⟨ Aristoteles illa omnia δόσεως, haec πράσεως nomine comprehendit. ⟩1224 Benefici aut meri, aut cum mutua quadam obligatione. Benefici meri, aut in praesens absolvuntur, aut in futurum prominent. In praesens absolvitur factum utile, de quo nihil loqui necesse est, quando utilitatem quidem parit, sed nullum iuris effectum  : item donatio, qua dominium transfertur, qua de re egimus supra cum de dominii acquisitionibus ageretur. In futurum prominent promissiones tum dandi, tum faciendi, de quibus iamiam egimus. Benefici actus cum obligatione mutua sunt, qui aut de re disponunt sine alienatione, aut de facto ita ut aliquis effectus supersit. Talis est circa rem usus concessio, qui commodatio dicitur  : in factis praestatio operae sumtuosae, aut obligatoriae, quae dicitur

Einige einfache [Handlungen] sind begünstigend, andere austauschend. ⟨ Aristoteles beschreibt jene alle als δόσεως [Schenkung], diese mit dem Namen πράσεως [Verkauf]. ⟩ Die begünstigenden sind entweder rein begünstigend oder mit einer gegenseitigen Verbindlichkeit. Die rein begünstigenden werden entweder sofort vollzogen oder erstrecken sich in die Zukunft. Sofort vollzogen wird eine nützliche Tat, über die zu sprechen nicht notwendig ist, insofern sie zwar einen Nutzen hervorbringt, aber keine Wirkung des Rechts (effectum iuris)  : Dasselbe gilt für die Schenkung (donatio), durch welche ein dingliches Recht übertragen wird, worüber wir bereits gesprochen haben, als der Erwerb dinglicher Rechte besprochen wurde. In die Zukunft erstrecken sich die Versprechen (promissiones), sowohl etwas zu geben als auch etwas vorzunehmen, die wir soeben behandelt haben. Begünstigende Handlungen mit einer gegenseitigen Verbindlichkeit sind solche, die entweder über eine Sache verfügen, ohne eine Veräußerung darzustellen, oder in der Weise über eine Tat verfügen, dass irgendeine Wirkung [des Rechts] bestehen bleibt. Eine derartige [Handlung] ist bezüglich einer Sache die Gestattung des Gebrauchs, welche Leihe (commodatio) genannt wird  : Bei den Taten ist es die Leistung von aufwendigen, d. h. verpflichtenden Diensten, die Auftrag (mandatum) genannt wird, zu dessen Art

commissione nullus est contractus. Sed tamen in iure frequentius usurpatur pro actione illa, qua quis interrogatus stipulatione obligat, tunc si alter aliquam pollicetur conditionem, verissimus est contractus, quia utrinque paritur obligatio. Si autem ad alter nihil obligatur, tunc quia tantum stipulans obligatur, licet contractus iure dicatur, reducitur tamen ad donationem [Hervorh. d. Verf.]  ; sowie dazu Birocchi, causa, S. 225. 1224 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XII) hinzugefügt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

mandatum, cuius species est depositum, praestatio scilicet operae in re custodienda.[…]1225

| 273

auch die Verwahrung (depositum) gehört, nämlich die Leistung von Diensten an der zu bewachenden Sache. […]

Nachdem Grotius begünstigende Handlungen in rein begünstigende und solche, die eine Verbindlichkeit des Adressaten verursachen, unterschieden hat, erwähnt er das Versprechen (promissio) als auf die Zukunft gerichtete, rein begünstigende Handlung. Dass er Versprechen technisch versteht, ergibt sich aus dem ausdrücklichen Verweis auf die zuvor erfolgte Erörterung derselben in Kapitel 11 (promissiones tum dandi, tum faciendi, de quibus iamiam egimus). Da Grotius die rein begünstigenden Handlungen in §  VII gerade aus dem technischen Vertragsbegriff (contractus) ausschließt,1226 entsteht zunächst der Eindruck, dass promissum und contractus zwei unabhängige Rechtsinstitute des Vertragsrechts bilden. Auch im Hinblick auf den zeitgenössischen Diskurs erscheint dies naheliegend. So unterscheiden etwa Lessius, Molina und de Soto – ebenfalls unter Verweis auf D. 50,16,19 – zwischen dem freigiebigen promissum einerseits und dem gegenseitigen contractus andererseits.1227 Allerdings kennen zumindest Lessius und Molina für beide Begriffe auch eine Bedeutung im weiteren Sinne, wonach contractus jegliche zumindest einseitig verpflichtende Abrede bezeichnet, die durch ein nicht notwendig freigiebiges promissum (im Sinne eines Angebots) und eine acceptatio (im Sinne einer Annahme) geschlossen wird.1228 Dass Grotius Versprechen, unbeschadet der vorherigen Erwähnung im Kontext der rein begünstigenden Handlungen, nicht auf diesen Kontext reduzieren will, zeigt sich gegen Ende des § II  :

1225 Grotius, IBP, lib. II cap. XII § II. 1226 Vgl. Fn. 1222. 1227 Vgl. Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 1–3 [S. 195]  ; ferner ebd., cap. XVIII dub. I num. 1 [S. 216]  ; Molina, De Iustitia et Iure, lib. II disp. 252 num. 4 [Sp. 2]  ; ferner ebd., disp. 262 num. 1 [Sp. 36 f.]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VI qu. II a. I, vgl. Fn. 1223. Vgl. dazu und zu ihrem Einfluss auf Grotius S. 59–65. Auch bei Melanchthon und anderen protestantischen Theologen findet sich der Bezug auf D. 50,16,19 und eine Unterscheidung in contractus und promissio, wenn auch ohne unmittelbare Gegenüberstellung, vgl. dazu Astorri, Contract Law, S. 135–138, 142 f.; Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 322–325, 340 f. 1228 Vgl. Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. I num. 5 [S. 196]  ; ebd., cap. XVIII dub. I num.  1 [S.  216]  ; ebd., dub. II num. 16 [S.  217]  ; Molina, De  Iustitia et Iure, lib.  II disp.  252 num. 6 [Sp. 3]  ; ebd., disp. 263 num. 1 [Sp. 40 f.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

274 | 

Achtes Kapitel

[…] His autem actibus similes sunt actuum promissiones, nisi quod, ut diximus, hae in futurum prominent  : quod et de actibus iam explicandis intellectum volumus.1229

[…] Diesen Handlungen stehen aber Versprechen der Handlungen gleich, außer dass sich letztere, wie wir erklärt haben, auf die Zukunft erstrecken  : Dies wollen wir auch für die jetzt zu untersuchenden Handlungen so verstanden wissen.

Er erklärt ausdrücklich, dass sowohl den zuvor (his actibus) als auch den im Folgenden untersuchten Handlungen (actibus iam explicandis), d. h. jedenfalls den begünstigenden Handlungen mit gegenseitiger Verbindlichkeit (actus beneficus cum mutua obligatione) und den austauschenden (actus permutatorius), die Versprechen derselben grundsätzlich gleichstehen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Versprechen einen z u k ü n f t i g e n Vollzug betreffen. Damit verallgemeinert er eben jene Unterscheidung, die er zuvor für die rein begünstigenden Handlungen vorgenommen hat  : Entweder wird die Handlung sofort vollzogen oder erst in der Zukunft. Im letzteren Fall handelt es sich um ein Versprechen der Handlung – unabhängig davon, ob dieses eine rein begünstigende Handlung betrifft oder nicht.1230 Versprechen sind für Grotius also keinesfalls notwendig rein begünstigend. Folglich werden sie auch nicht vollkommen aus der Vertragsdefinition ausgeschlossen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass Grotius’ erste und grundlegendste Unterscheidung der fremdnützigen Handlungen (abweichend von seiner ausdrücklichen Darstellung) nicht jene zwischen einfachen und zusammengesetzten (§ I), sondern vielmehr diejenige zwischen s o f o r t v o l l z o g e n e n und n i c h t s o f o r t v o l l z o g e n e n Handlungen ist. Die Aussage, wonach diesen und den folgenden Handlungen die Versprechen derselben gleichstehen, ist insofern eindeutig. Allerdings wird sie leicht durch ihre wenig prominente Stellung innerhalb der ramistischen Ausdifferenzierung der Handlungen verdeckt. Die Beiläufigkeit dieses Hinweises mag jedoch ein Indiz dafür sein, wie selbstverständlich Grotius diese Feststellung zu sein schien.

1229 Grotius, IBP, lib. II cap. XII § II. 1230 Wenn etwa Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 18, und Nanz, Vertragsbegriff, S. 147 f., Versprechen jeweils gestützt auf Grotius, IBP, lib. II cap. XII § II, als rein begünstigende Handlungen verstehen und somit aus dem Vertragsbegriff ausschließen, scheinen sie diesen wichtigen letzten Satz der Passage überlesen zu haben. Isoliert betrachtet scheint auch Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XII § II, Versprechen auf rein begünstigende Handlungen zu reduzieren, doch muss dies im Kontext seiner weiteren Ausführungen, vgl. Fn. 1236, gelesen werden.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 275

Die Bedeutung dieser Feststellung zeigt sich exemplarisch auch im weiteren Verlauf des zwölften Kapitels. So folgt etwa aus den Ausführungen zum Doppelverkauf1231, dass Kaufverträge – sofern sie nicht sofort vollzogen werden – durch Versprechen geschlossen werden1232. Gleiches erklärt Grotius ausdrücklich auch für Werkverträge, bei denen der Werkunternehmer den Werkstoff stellt.1233 Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum Grotius andere Austauschverträge in diesem Zusammenhang anders behandeln sollte als Kauf- oder Werkverträge. Vielmehr spricht auch eine Auslegungsregel, die das Gebot der aequalitas bei Verträgen auf den (vermuteten) Willen der Parteien stützt,1234 dafür, dass Austauschverträge generell durch Versprechen geschlossen werden (promittere), ­sofern sie nicht sofort vollzogen werden (dare). Schließlich differenziert Grotius im Kapitel De  Interpretatione ausdrücklich zwischen angenehmen, lästigen und gemischten Versprechen (promissa favorabilia, odiosa und mixta).1235 Während lästige Versprechen ausschließlich oder zumindest übermäßig eine Partei belasten, beachten angenehme Versprechen demnach das Prinzip der aequalitas. Dass Grotius unter promissa lediglich einseitig verpflichtende Versprechen verstehen würde, erscheint vor diesem Hintergrund nur schwer vertretbar. 1231 Grotius, IBP, lib. II cap. XII § XV 2  : Illud quoque sciendum, si res bis sit vendita, ex duabus venditionibus eam valituram quae in se continuit praesentem dominii translationem, sive per traditionem, sive aliter. Per hanc enim facultas moralis in rem abiit a venditore  : quod non fit per solam promissionem [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. zu diesem und anderen Fällen der Doppelverpflichtung in De Iure Belli ac Pacis Albers, Regimekollisionen, S. 274–277. 1232 So im Ergebnis auch Luig, Heineccius, S. 39 Fn. 77, der zu Recht betont, dass hier nur das angenommene Versprechen gemeint sein könne und dieses mit dem »Abschluß des bloßen Kaufvertrages« gleichsetzt. 1233 Grotius, IBP, lib.  II cap.  XII §  V. Zwar verwendet Grotius hier (und auch ebd., §  XI  1, vgl. Fn. 1234) anders als im Fall des Doppelverkaufs nicht die technischen Begriffe promissum oder promissio, sondern lediglich das Verb promittere. Allerdings zögert er zumindest im Brief vom 28.02.‌1616 nicht, selbst von einer (nicht ausgereiften, aber durchaus technisch gemeinten) promissio zu sprechen, als sein Bruder Wilhelm zur Definition der Stipulation ebenfalls (nur) auf das Verb promittere zurückgreift  ; vgl. S. 180–186. 1234 Grotius, IBP, lib. II cap. XII § XI 1  : […] Quod enim promittunt aut dant credendi sunt promittere aut dare tanquam aequale ei quod accepturi sunt, utque eius aequalitatis ratione debitum [Hervorh. d. Verf.]. 1235 Grotius, IBP, lib. II cap. XVI § X  : Simul notandum est eorum quae promittuntur, alia esse favorabilia, alia odiosa, alia mixta, aut media. Favorabilia sunt quae aequalitatem in se habent, et quae communem spectant utilitatem, quae quo maior est, atque latius patet, eo maior est promissi favor […]. Odiosa sunt quae partem alteram tantum, aut plus altera onerant […] [Hervorh. d. Verf.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

276 | 

Achtes Kapitel

Dann aber besteht zwischen Versprechen (promissum) und Vertrag (contractus) weder ein Exklusivitätsverhältnis noch sind die Begriffe synonym zu verstehen  :1236 Versprechen umfassen –  sowohl rein begünstigende als auch gegenseitige  – zukünftige, nicht aber sofort vollzogene Leistungen. Verträge umfassen – sowohl sofort vollzogene als auch zukünftige – zumindest teilweise gegenseitige, nicht aber rein begünstigende Leistungen. Daher geht Ramelet zu weit, wenn sie erklärt, Grotius behandele Verträge generell als besondere Versprechenstypen. Die (in der Praxis wohl bedeutsamsten) nicht rein begünstigenden, zukünftigen Leistungen fallen somit aber sowohl unter den Versprechens- als auch den Vertragsbegriff. Die Unterscheidung in unmittelbar vollzogene Handlungen einerseits und Versprechen zukünftiger Handlungen andererseits folgt notwendig aus den Versprechens- und Eigentumslehren in De  Iure Belli ac Pacis  : Sofort vollzogene Verpflichtungsgeschäfte bilden für Grotius einen einheitlichen Rechtsvorgang mit dem jeweiligen Verfügungsgeschäft,1237 während Versprechen bereits als ­zukunftsbezogene Aussagen definiert sind1238.1239 Damit folgt die rechtliche Wirkung der unter den Vertragsbegriff fallenden Handlungen stets (auch) aus anderen Instituten – namentlich bei sofort vollzogenen Geschäften aus dem einheitlichen Charakter des Verfügungsgeschäfts und bei zukünftig zu vollziehenden Geschäften aus dem darin liegenden Versprechen. Wenn der Vertrag (contractus) somit zur Begründung der verbindlichen Wirkung nicht erforderlich ist, stellt sich die Frage nach dem Zweck dieses Instituts und des entsprechenden Kapitels in De Iure Belli ac Pacis. Unabhängig davon, ob sie sich näher mit dem Verhältnis zwischen Versprechen und Vertrag beschäftigt hat, widmet sich die Literatur zu Grotius’ Vertragslehre weit überwiegend dem Kapitel über Versprechen. Warum dies so ist, wird ersichtlich, wenn man den Aufbau der Kapitel De  Promissis und De  Contractibus vergleicht. Während Grotius die Geltung des promissum zunächst umfang1236 So im Ergebnis auch Albers, ZRG (RA) 135 (2018), S. 339 f.; sowie Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I num. 1  : De modis promittendi notum est, promitti aliquid posse vel per modum pacti nudi, vel per modum contractus. Per modum pacti, si res futura promittitur  ; per modum contractus, si praesens adest obligandi caussa, quam veteres vocant συνάλλαγμα [Hervorh. im Orig.]. 1237 Grotius, IBP, lib. II cap. VI passim  ; vgl. exemplarisch zum sofort vollzogenen Kaufvertrag auch ebd., cap. XII § XV 1  : De venditione et emtione notandum etiam sine traditione ipso contractus momento transferri dominium posse, atque id esse simplicissimum. Ita Senecae venditio alienatio est et rei suae iurisque sui in alium translatio  : nam et ita fit in permutatione [Hervorh. im Orig.]. 1238 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 5  ; ebd., § IV 1  ; ebd., cap. XII § II  ; vgl. zur Inleidinge schon im Text bei Fn. 1042, 1097. 1239 Tendenziell ist diese Differenzierung bereits in der Inleidinge angelegt, vgl. im Text bei Fn. 1124 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 277

reich rechtfertigt, die Voraussetzungen für dessen Wirksamkeit benennt und anschließend allgemeine Wirksamkeitshindernisse erläutert,1240 widmet er sich im Kapitel über Verträge im Anschluss an die erwähnte Untergliederung der fremdnützigen Handlungen verschiedenen, voneinander unabhängigen Spezialproblemen.1241 Es fehlen (ausdrückliche) Aussagen über den Geltungsgrund, das Zustandekommen des Vertrages oder allgemeine Wirksamkeitshindernisse. Onuma führt dies darauf zurück, dass die Geltung von contractus anders als die von einseitigen promissa zu Grotius’ Zeit allgemein anerkannt und daher nicht rechtfertigungsbedürftig gewesen sei.1242 Dies vermag jedoch nicht zu erklären, warum sich Grotius auch nicht zum Vertragsschluss und allgemeinen Problemen wie dem Einfluss von Einsichtsfähigkeit (d.  h. Geschäftsfähigkeit), Irrtum, Furcht oder anfänglicher Unmöglichkeit äußert. Schließlich spricht auch der Aufbau der Vertragslehre in den Kapiteln 11–16 und insbesondere das letzte Kapitel, De Interpretatione, gegen ein unabhängiges Verständnis von Versprechen, Vertrag und Eid. Ausdrücklich untersucht Grotius dort allein die Auslegung von Versprechen. Dass er jedoch nach dem Versprechen in Kapitel 11 zunächst Vertrag, Eid, Abreden mit Souveränen und völkerrechtliche Abreden untersucht, bevor er sich in Kapitel 16 wieder der Auslegung von Versprechen widmet, spricht dafür, dass die Erkenntnisse über die Aus­legung 1240 Im Kapitel De Promissis wendet sich Grotius zunächst gegen die Voraussetzung einer synallagmatischen Austauschbeziehung (§ I  ; vgl. dazu S. 282–302), bevor er die Wirksamkeit des promissum einschließlich der Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen konstruktiv herleitet (§§ II–IV 1  ; vgl. dazu S. 303–344) und aus der Bibel, literarischen Quellen und dem römischen Recht absichert (§ IV 1–3  ; vgl. dazu S. 344–366). Im weiteren Verlauf des Kapitels widmet er sich schließlich allgemeinen Wirksamkeitshindernissen, wie fehlender Geschäftsfähigkeit (§ V), Irrtum (§ VI), Furcht (§ VII), tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit (§ VIII), rechtswidriger causa (§ IX), fehlender causa (§ X) sowie Beschaffenheit der Willensäußerung (§ XI), Stellvertretung (§§ XII–XIII), dem Erfordernis der Annahme (§ XIV) und deren Zugang (§ XV), der Möglichkeit, ein Versprechen vor Annahme zu widerrufen (§§ XVI–XVIII) oder zu modifizieren (§ XIX), der nachträglichen Bestätigung von aufgrund eines Irrtums oder Furcht unwirksamen Versprechen (§ XX), dem kanonischen Erfordernis einer expressio causae (§ XXI) und der Reichweite der Haftung bei Beschaffungsschulden (§ XXII). 1241 Ähnlich schon Hogg, Promises, S. 130. 1242 Onuma, Agreement, S. 212–215  ; Onumas Hinweis, die Geltung von Vertrag (contractus) und Eid (iusiurandum) ergebe sich jedenfalls aus Grotius, IBP, prolegomena VIII und XV, kann allerdings nicht überzeugen. Dort spricht Grotius lediglich von pactum und promissio, nicht aber von contractus oder iusiurandum, den technischen Begriffen, die er in den jeweiligen Kapiteln verwendet. Sofern man eine Beziehung zwischen diesen Textstellen in den prolegomena einerseits und Vertrag und Eid andererseits herstellen möchte, spräche dies gerade für die Abhängigkeit dieser Institute vom Versprechen.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

278 | 

Achtes Kapitel

auf sämtliche zuvor behandelnden Abreden anwendbar sind. Dazu müssen jene aber zumindest zu einem Teil aus Versprechen bestehen.1243 Auch erklärt sich nur auf diese Weise, warum Grotius mit der Untersuchung von Versprechen beginnt und erst anschließend die Untergliederung der fremdnützigen Handlungen in Kapitel  12 §§  I–VI vornimmt. Wenn Versprechen eines von mehreren unabhängigen Rechtsinstituten des Vertragsrechts darstellen würden, hätte Grotius diese Einteilung sinnvollerweise zu Beginn seiner Vertragslehre vornehmen müssen, um im Anschluss die beiden Unterkategorien Versprechen (promissum) und Austauschvertrag (contractus permutatorius) zu behandeln. Eben dieser Aufbau findet sich etwa bei Molina und Lessius, die ihrer Vertragslehre zunächst eine Begriffsbestimmung von contractus, pactum und promissio voranstellen. Dort unterscheiden sie nicht nur zwischen gegenseitigen und einseitigen Verträgen, sondern auch zwischen »Versprechen im weiteren Sinne«, d. h. bloßen Angeboten, und »Versprechen im engeren Sinne«, d. h. freigiebigen Versprechen.1244 Im Anschluss daran erörtern sie umfassend das f r e i g i e b i g e Versprechen, bevor sie zu den übrigen Vertragstypen übergehen.1245 Die herausragende Bedeutung des Versprechens für Grotius zeigt sich schließlich bereits in den prolegomena zu De Iure Belli ac Pacis. Dort zählt er – neben der Achtung fremder Rechte, der Herausgabe fremder Sachen und unberechtigt erlangter Bereicherung sowie dem Ersatz verursachter Schäden – die Erfüllung von Versprechen (und nicht etwa von Verträgen) zum Kern des Naturrechts.1246 Die Betonung des Versprechens wird umso deutlicher, da diese vier Elemente auf­ fällig an die vier rechtfertigenden Kriegsgründe aus De Iure Praedae erinnern, wo Grotius jedoch noch von condictiones ex contractu spricht.1247 In der ­Inleidinge

1243 So wohl auch Hogg, Promises, S.  128, der unspezifischer davon spricht, der Aufbau würde den Eindruck vermitteln, dem Versprechen käme in Grotius’ Verbindlichkeitslehre eine »Vorrangstellung« (primacy) zu. 1244 Vgl. im Text bei Fn. 225–233. 1245 Vgl. Fn. 225 sowie im Text bei Fn. 226 f. 1246 Grotius, IBP, prolegomena VIII  : Haec vero quam rudi modo iam expressimus societatis custodia humano intellectui conveniens, fons est eius iuris, quod proprie tali nomine appellatur  : quo pertinent alieni abstinentia, et si quid alieni habeamus aut lucri inde fecerimus restitutio, promissorum implendorum obligatio, damni culpa dati reparatio, et poenae inter homines meritum [Hervorh. d. Verf.]. Vgl. hierzu auch Straumann, Sociability, S. 163 f.; sowie Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 595, der zu Recht darauf hinweist, dass Grotius hier die custodia societatis zur Quelle des Rechts erklärt, und dies mit der Rolle der fides in früheren Werken als Quelle der Gerechtigkeit vergleicht. 1247 Vgl. Fn. 632 sowie im Text bei Fn. 746.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 279

zählt er zu wesentlichen oder typischen Verstößen gegen das Naturrecht untechnisch den »Wortbruch« (sijn woord niet te houden).1248 Ebenfalls in der Inleidinge erklärt Grotius in grundsätzlicher Übereinstimmung mit früheren Werken, es gebe naturrechtlich nur zwei Ursprünge von Forderungsrechten bzw. Verbindlichkeiten  : Versprechen (toezegging bzw. promissio) und Ungleichheit (onevenheid).1249 Dabei können beide Ursachen parallel vorliegen  : Im Fall einer Vereinbarung gegenseitiger zukünftiger Leistungen schuldet eine Vertragspartei jedenfalls nach Leistungserbringung der anderen Partei sowohl aus toezegging als auch aus onevenheid.1250 Die Folgeprobleme, wie etwa, ob bei einem irrtumsbedingt unwirksamen Versprechen weiterhin eine Leistungspflicht kraft onevenheid besteht oder lediglich die Gegenleistung kondizierbar ist, thematisiert Grotius nicht ausdrücklich. Die einzelnen Regelungen sprechen jedoch dafür, dass die Unwirksamkeit des Versprechens wohl entscheidend wäre –  wenn die Verbindlichkeit aus onevenheid nicht sogar ihrerseits das zentrale ­Element der toezegging, die willentliche Rechtsübertragung, voraussetzt.1251 In De  Iure Belli ac Pacis fehlen derartige Ausführungen, doch scheint sich diese Tendenz bereits im Aufbau der Kapitel De Promissis und De Contractibus fortzusetzen  : Die grundsätzliche Verbindlichkeit zur Leistung folgt aus dem Versprechen. Der Vertrag wird nur herangezogen, um Ungleichheit (inaequalitas) hinsichtlich der Umstände des Vertragsschlusses1252 oder des Vertragsinhalts1253 auszugleichen1254 – im Gegensatz zur Inleidinge aber nicht zur Begründung der Leistungspflicht an sich. Dass sich in Grotius’ Auseinandersetzung mit der Ansicht Connans,1255 wonach pacta naturrechtlich erst mit Erbringung der Gegenleistung verbindlich seien, kein Hinweis zum Verhältnis zu seinem eigenen (ebenfalls an ein Gegenseitigkeitsverhältnis anknüpfenden) Verständnis von contractus findet, spricht dafür, dass Grotius in De Iure Belli ac Pacis davon Abstand genommen hat, die Leistungspflicht zugleich aus der aequalitas herzuleiten.

1248 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. XXXII § 5. 1249 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 9  ; vgl. dazu im Text bei Fn. 1087–1095. 1250 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 20  ; vgl. dazu im Text bei Fn. 1156–1167. 1251 Vgl. S. 254–260. 1252 Grotius, IBP, lib. II cap. XII §§ VIII–XI. 1253 Grotius, IBP, lib. II cap. XII §§ XII–XIV. 1254 Im Ergebnis ähnlich Astorri, Contract and Treaties, S. 523–526  ; Onuma, Agreement, S. 194– 197. 1255 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 1–4  ; vgl. dazu S. 282–302.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

280 | 

Achtes Kapitel

Gegen parallele Verbindlichkeiten spricht schließlich auch die Konstruktion der Haftung bei schuldhaft irrtümlich abgegebenen Versprechen1256  : Einerseits wäre ein Ausgleichsanspruch bei einer parallel bestehenden Leistungspflicht aus aequalitas, welche unabhängig vom Vorliegen eines Irrtums bestünde, nicht ­erforderlich. Andererseits knüpft der Ausgleichsanspruch an das schuldhaft ­zugefügte damnum und gerade nicht an das Bestehen einer inaequalitas an. Demnach dient der Vertrag (contractus) Grotius in Kapitel 12, De Contractibus, lediglich als Instrument, um aus der aequalitas gesonderte Regelungen für spezielle Vertragstypen zu etablieren. Die grundsätzliche Verbindlichkeit wird dabei vorausgesetzt, auch allgemeine Wirksamkeitshindernisse werden in diesem Kontext nicht untersucht. Beides hat Grotius in Kapitel 11, De Promissis, bereits für das Versprechen behandelt, aus dem sich die Wirksamkeit von (nicht unmittelbar vollzogenen) Verträgen ableitet. Für Fragen der Wirksamkeit dinglicher Geschäfte, aus denen sich die Wirksamkeit unmittelbar vollzogener Verträge ergibt, verweist Grotius zudem weitgehend auf die Ausführungen zum Versprechen.1257 Das Verhältnis zwischen Grotius’ Versprechens- und Vertragsbegriff in De Iure Belli ac Pacis scheint daher in der überwiegenden Literatur bisher zu Unrecht entweder als Einheit oder als Gegensatz verstanden worden zu sein. Beide Begriffe liegen vielmehr auf unterschiedlichen Ebenen. Ihr Verhältnis erinnert, vereinfacht formuliert, an dasjenige zwischen dem Angebot zum Vertragsschluss und dem besonderen Schuldrecht im modernen Recht. Im Ergebnis ist Diesselhorst und Straumann somit zuzustimmen, wenn sie die Ausführungen zum Versprechen als »Prinzipien jedes rechtsgeschäft­ lichen Zusammenschlusses überhaupt«1258 bzw. als »grundlegende Prinzipien aller Rechtsgeschäfte«1259 verstehen. Für diese Einschätzung spricht neben den untersuchten Passagen zum Institut des contractus auch, dass Grotius bei anderen »Rechtsgeschäften« wiederholt auf die Ausführungen zum Versprechen verweist.1260 1256 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VI 3  : Quod si promissor negligens fuit in re exploranda, aut in sensu suo exprimendo, et damnum inde alter passus sit, tenebitur id resarcire promissor, non ex vi promissionis, sed ex damno per culpam dato, de quo capite infra agemus. Dieser Verweis zielt auf Kapitel 17, De damno per iniuriam dato, et obligatione quae inde oritur, in dem Grotius sein Deliktsrecht entfaltet. 1257 Vgl. Fn. 1332. 1258 Diesselhorst, Grotius, S. 3 Fn. 2, S. 35 f. Fn. 1. 1259 Straumann, Grotius, S. 175  ; ähnlich auch Ders., Roman Law, S. 191. 1260 Vgl. etwa zur Übereignung in Grotius, IBP, lib. II cap. VI § II, und dazu im Text bei Fn. 1332– 1339  ; sowie zur Eheschließung ebd., cap. V § X 1, und dazu im Text bei Fn. 1368–1370.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Vertrag (contractus) und Versprechen (promissum) 

| 281

Grotius selbst schränkt den Gegenstand seiner Betrachtung allerdings schon im ersten Satz des elften Kapitels, De Promissis, ein  : Perduxit nos ordo ad obligationem quae ex promisso oritur.1261 Demnach sollen nicht die Versprechen selbst, sondern die daraus entstehenden Verbindlichkeiten untersucht werden. Es wird sich jedoch zeigen, dass dieser Satz nicht allzu wörtlich genommen werden sollte. Während Grotius sich ausführlich den Voraussetzungen widmet, unter denen Versprechen eine Verbindlichkeit entstehen lassen, und diese Wirkung erklärt, beschreibt er an keiner Stelle innerhalb dieses Kapitels näher, welche Konsequenzen einer Verbindlichkeit innewohnen.1262 Der Vergleich mit der Inleidinge zeigt vielmehr, dass er mit dieser Formulierung seiner folgenden Differenzierung zwischen assertio, pollicitatio und promissum und den u n t e r s c h i e d l i c h e n daraus entstehenden Pflichten vorgreift, wie er auch in der Inleidinge der Erörterung der belofte bzw. pollicitatio und toezegging bzw. promissio1263 zunächst einen Exkurs über schuld ruim ghenomen und schuld eng ghenomen voranstellt.1264 Im Zentrum von Grotius’ Vertragslehre steht somit das bindende Versprechen und die daraus entstehenden Verbindlichkeiten. Verträge (contractus) entfalten nur insoweit obligatorische – d. h. f ü r d i e Z u k u n f t bindende – Wirkung, als sie aus einem oder mehreren Versprechen bestehen1265. Diese bilden folglich den Geltungsgrund der vertraglichen Bindungswirkung. Demgegenüber scheint der 1261 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 1. 1262 Insofern geht Neff (Hrsg.), Hugo Grotius On the Law of War and Peace, S. 3 Fn. 9, zu weit, wenn er die Erfüllung von Pflichten bzw. Verbindlichkeiten (obligations) als das zentrale Element von Grotius’ Naturrecht identifiziert und es als Irrtum bezeichnet, Grotius’ Naturrecht als System von subjektiven Rechten zu verstehen. Schon begrifflich ist Grotius’ Rechtsbegriff (in De Iure Belli ac Pacis) deutlich entwickelter als der Begriff der Pflicht bzw. Verbindlichkeit, vgl. S. 318–344. Auch systematisch kommt den subjektiven Rechten eine größere Bedeutung zu, vgl. im Text bei Fn. 1182–1186. Soweit Neff damit aber (lediglich) die »Pflichtgebundenheit« des Rechtsbegriffs (Korrespondenztheorie oder correlativity theory of rights) bei Grotius betonen will, ist ihm zuzustimmen. Zur »Pflichtgebundenheit des Rechts« bei Grotius vgl. auch Auer, AcP 208,5 (2008), S. 591  ; Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 4, 11. 1263 Vgl. im Text bei Fn. 1042, 1088 zur ausdrücklichen Gleichsetzung dieser Begriffe in der Inleidinge. 1264 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 2–7, und dazu S. 230–242. 1265 So im Ergebnis schon Albers, Versprechen und Vertrag, S. 51 Fn. 106  ; Ders., ZRG (RA) 135 (2018), S. 339 f.; tendenziell auch Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 5 f., 14, 16, der darin jedoch ein einheitliches Rechtsinstitut sieht  ; sowie Ertz, Vertrag und Gesetz, S.  96, die allerdings jeden Vertrag »seiner Essenz nach« als Versprechen versteht, ohne zwischen sofort vollzogenen und auf zukünftige Leistung bezogenen Verträgen zu differenzieren. Erstere fallen jedoch nicht unter Grotius’ Versprechensbegriff, vgl. Fn. 1237 f.; ganz ähnlich auch Hobbes, De  Cive, cap. II §§ IX–X [S. 102]  ; Ders., Leviathan, cap. XIV, Contract what und Covenant what [S. 204 f.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

282 | 

Achtes Kapitel

Anwendungsbereich der aequalitas auf Gewährleistungspflichten und (vorvertragliche) Informationspflichten reduziert –  die Primärleistungen selbst finden im Kapitel De  Contractibus allein im Rahmen gestörter Austauschverhältnisse Erwähnung  ; eine Herleitung der Primärleistungspflicht aus der aequalitas fehlt hingegen.1266 Im Folgenden soll daher der Geltungsgrund der Bindungswirkung von Versprechen untersucht werden, der nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls mittelbar zugleich den Geltungsgrund der vertraglichen Bindung bildet. Das Meinungsspektrum der bisherigen Literatur zum Geltungsgrund des Versprechens in De  Iure Belli ac Pacis wurde bereits einleitend1267 grob aufgezeichnet  : Teilweise wird der Geltungsgrund der Verbindlichkeit im (abstrakten) Vertrauen der Gesellschaft in gegebene Versprechen gesehen, überwiegend aber in der mittelbar religiös legitimierten Kraft des Willens zur (Selbst-)‌Bindung. Innerhalb der zweiten Ansicht ist umstritten, ob die bindende Kraft bereits dem Willen des Versprechenden oder erst dem gemeinsamen Willen beider Parteien zukommt. Dabei kam eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der anderen Ansichten häufig zu kurz. Anders als in der bisherigen Literatur sollen daher zunächst die §§ I 3–IV 3 des Kapitels De Promissis vollständig und in ihrer tatsächlichen Reihenfolge ausgelegt werden, in denen Grotius die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa etabliert und begründet. Dabei sollen auch die aus den bisher untersuchten Werken gewonnen ­Erkenntnisse berücksichtigt und – soweit möglich – daraus Rückschlüsse für das Verständnis der §§ I 3–IV 3 gezogen werden.

II. Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa Das Kapitel De Promissis beginnt mit einer Polemik gegen François de Connan (Franciscus Connanus), ähnlich der berühmten Polemik gegen Karneades in den prolegomena V–VII und XVI–XVII. Dort steht die grundsätzliche Verbindlichkeit jedweden Rechts in Frage, hier die grundsätzliche Verbindlichkeit jedweder vertraglichen Abrede. Sowohl Karneades als auch Connan greifen die Verbindlich-

1266 Vgl. im Detail zur Rolle der aequalitas im Kapitel De Contractibus Astorri, Contract and Treaties, S. 523–526  ; Onuma, Agreement, S. 194–197. 1267 Vgl. S. 23–26.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 283

keit einer Norm dabei insbesondere unter dem Gesichtspunkt ihrer Nützlichkeit für den Adressaten der Bindung an. Gerade im Kontext des Vertragsrechts hat sich Grotius mit diesem Gedanken bereits in früheren Werken beschäftigt.1268 Connan bleibt hinter der von Grotius im Parallelon Rerumpublicarum dem spanischen Befehlshaber Mendoza zugeschriebenen Position zurück, die Verbindlichkeit eines Vertrages allein deshalb zu bestreiten, weil ein Festhalten daran im konkreten Einzelfall für den Schuldner nachteilig wäre1269. Entscheidend ist für Connan vielmehr, dass es sich um einen synallagmatischen Vertrag handelt,1270 sodass der Schuldner jedenfalls abstrakt einen Nutzen daraus zieht. Einseitig verpflichtende Abreden sind für Connan hingegen unverbindlich. Wenngleich dies für das römische und gemeine Recht (für formlose Abreden) allgemein akzeptiert war,1271 postuliert Connan die Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden als einer der Ersten1272 auch für das Naturrecht. Zwar entspreche ihre Erfüllung der honestas, doch b ­ estehe rechtlich nicht nur kein Anspruch darauf, sondern unabhängig davon auch keine dahingehende Pflicht.1273,1274 Zu Beginn des Kapitels De  Promissis –  und damit zugleich zu Beginn der gesamten Vertragslehre in De  Iure Belli ac Pacis  – stellt Grotius diese Position Connans, inklusive einiger seiner Argumente, zunächst ausführlich dar.1275 Ähnlich wie der Angriff auf Karneades in den prolegomena stellvertretend den Lehren der (zeitgenössischen) Skeptiker gilt,1276 verbirgt sich hinter dem Angriff 1268 Vgl. die entsprechenden Passagen im Parallelon Rerumpublicarum im Text bei Fn. 350, 366, in De Iure Praedae im Text bei Fn. 619 und in dem Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 869. 1269 Vgl. im Text bei Fn. 350. 1270 Vgl. S. 48–54. 1271 Eine Ausnahme bildet insofern Wesenbeck, vgl. S. 55–59. 1272 Etwa zeitgleich mit Connan wandte sich auch Le Caron gegen die bis dahin einhellige Ansicht, wonach aus jedem pactum zumindest eine naturalis obligatio entstehe, vgl. Fn. 169 a. E. 1273 Vgl. Fn. 168. 1274 Diese Unterscheidung zwischen ehrbaren Handlungen und (moralischen oder rechtlichen) Pflichten kennt auch Grotius, vgl. etwa zu Grotius’ Verständnis des Verhältnisses zwischen quod fieri natura honestum est und naturalis obligatio Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § VI 1, und dazu insb. S. 323–328. Anders als Connan assoziiert Grotius diese Unterscheidung jedoch nicht mit derjenigen zwischen ius naturae und ius gentium. 1275 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 1–2. Er referiert dabei im Wesentlichen Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. V cap. I num. 5 [S. 474 f.] (teilweise wiedergegeben in Fn. 168, 175–177). 1276 Garrett, Moral Philosophy, S.  231  ; Tuck, Grotiana 4 (1983), S.  44–48  ; Ders., Philosophy, S.  196  ; Ders., Political Thought, S.  97  f.; tendenziell auch Aure, FHI 2008, Rn.  38  ; Blom, Grotius on Trust, S.  83  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S.  149  ; besonders kritisch aber Mautner, JHI 66,4 (2005), S.  583  f., 587–591 m.  w.  N.; vgl.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

284 | 

Achtes Kapitel

auf Connan wohl letztlich auch eine grundlegende Kritik der (in die Sphäre des Naturrechts übertragenen)1277 Forderung nach einer causa,1278 d.  h. der Idee, dass nicht allein die Abrede selbst, sondern erst ein zusätzliches Element zu ihrer rechtlichen Verbindlichkeit führe1279. Sofern die Verbindlichkeit von dem Vorliegen einer causa abhängt, würde diese zumindest einen Teil1280 des Geltungsgrundes darstellen.1281 Indem Grotius den gesamten § I des Kapitels De Promissis der entsprechend auch die Auseinandersetzung mit Thukydides in Grotius, IBP, prolegomena III, stellvertretend für zeitgenössische Skeptiker wie Machiavelli oder Richelieu, vgl. dazu Schnepf, ZNR 20 (1998), S. 4–6  ; ferner Nitschke, Eigentumsfrage, S. 26  ; Schröder, Trust, S. 120, 124  ; dagegen betont Straumann, Grotius, S.  97–105, 129  f.; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 329, 339  ; Ders., Roman Law, S. 56–62, 88–90, sowohl für Karneades als auch Thukydides die Bedeutung des antiken Kontexts der Auseinandersetzung. 1277 Dies übersieht Onuma, Agreement, S.  185, der in Connan einen typischen Vertreter der gemeinrechtlichen causa-Lehre sieht und Grotius’ Kritik damit generell auf diese bezieht. Dass ein lediglich aus dem staatlichen Recht folgendes causa-Erfordernis für Grotius unproblematisch ist, ergibt sich eindeutig aus der Differenzierung zwischen Verträgen des Königs, die dieser als Souverän schließt, und solchen, die er als Privatperson schließt, vgl. dazu Fn. 1362. Dasselbe folgt zudem auch aus den Ausführungen zur Vereinbarkeit der naturrechtlichen unbedingten Verbindlichkeit von promissa mit dem Formerfordernis der Stipulation im römischen Recht in Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 2, und im Brief an Wilhelm Grotius vom 28.02.‌1616, Grotius, BW, I, num. 450  ; vgl. dazu S. 205–214, 359–366. 1278 So im Ergebnis auch Luig, causa und Innominatvertrag, S. 223–225. Bereits der erste Kommentator zu De Iure Belli ac Pacis verstand die Auseinandersetzung mit Connan als Ablehnung eines causa-Erfordernisses, vgl. Felden, Annotata, Verum haec sententia ad IBP lib. II cap. XI § I  ; ebd., Est enim aut via ad IBP lib. II cap. XI § IV, der Grotius gerade hierfür vehement angreift  ; vgl. dazu auch Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 95 f. 1279 Der Begriff der causa hat dogmengeschichtlich mehrfach einen Wandel durchlaufen und ist auch im geltenden Recht, etwa in Frankreich und Italien, unterschiedlich behaftet. Vorliegend geht es ausschließlich um eine causa als t y p i s i e r t e z u s ä t z l i c h e Vo r a u s s e t z u n g d e r Ve r b i n d l i c h k e i t eines Versprechens. Es geht weder um die nachgeschaltete Frage, ob eine Fehlvorstellung über die zugrunde liegende causa rechtliche Konsequenzen entfaltet, noch um eine Inhalts- oder Zweckkontrolle des Versprechens. Vgl. zu dieser Unterscheidung Kowalski, causa, S. 153–157, 199 f. 1280 Bergfeld, Connanus, S. 96, sieht den Güteraustausch sogar als alleinigen objektiven Geltungsgrund bei Connan und stellt diesem die freiwillig eingegangene Gewissensbindung bei Grotius als rein subjektiven Geltungsgrund gegenüber. Dabei sind auch für Connan subjektive Elemente nicht vollkommen unerheblich, wie sich etwa an seinen Ausführungen zum Irrtum über den Kaufgegenstand zeigt, vgl. Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib. VII cap. VI num. 4–6 [S. 703–706], und dazu Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 93 f. Auch Grotius’ Versprechenslehre ist zumindest vielschichtiger, als diese pauschale Gegenüberstellung suggeriert, vgl. insb. S. 359–366. 1281 Ähnlich auch Mayer-Maly, Grundlage, S.  124, der in Konsens und causa »konkurrierende Fundamente des Vertragsrechts« sieht.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 285

vehementen Ablehnung eines naturrechtlichen causa-Erfordernisses widmet, äußert er sich also indirekt auch zur Frage des Geltungsgrundes der Verbindlichkeit. Ähnlich wie schon im Brief vom 28.02.‌1616 an seinen Bruder Wilhelm,1282 setzt sich Grotius hier detailliert mit einigen von Connans Argumenten, aber auch generell mit der daraus resultierenden Folge der Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Abreden auseinander  :1283 Verum haec sententia, ita generaliter ut ab ipso effertur accepta, consistere non potest. Primum enim sequitur inde inter reges et populos diversos, pactorum, quamdiu nihil ex iis praestitum est, vim esse nullam, praesertim iis in locis ubi nulla certa forma federum aut sponsionum reperta est. Tum vero ratio nulla reperiri potest, cur leges, quae quasi pactum commune sunt populi, atque hoc nomine vocantur ab Aristotelea) et Demostheneb), obligationem pactis possint addere, voluntas autem cuiusque hoc omni modo agentis ut se obliget, idem non possit, praecipue ubi lex civilis impedimentum non affert. Adde quod voluntate sufficienter significata transferri rei dominium potest, ut ante diximus1284. quid ni ergo possit transferri et ius in personam, aut ad transferendum dominium (quod ius ipso dominio minus est) aut ad aliquid agendum, quippe cum in actiones nostras

Aber diese Ansicht [Connans] kann derart grundsätzlich, wie sie von ihm selbst als akzeptiert vorgetragen wird, nicht bestehen. Zuerst folgt daraus nämlich, dass Abreden zwischen verschiedenen Königen und Völkern, so lange nichts von ihnen erfüllt wurde, keine Wirkung entfalten, insbesondere an derartigen Orten, wo keine besondere Form für Bündnisse und Versprechen vorzufinden ist. Sodann kann wahrhaft kein Grund gefunden werden, weshalb Gesetze, die gewissermaßen eine gemeinsame Abrede des Volkes sind, und von Aristotelesa) und Demosthenesb) mit diesem Namen bezeichnet werden, den Abreden eine Verbindlichkeit hinzufügen können, aber der Wille des Einzelnen, der alles unternimmt, um sich zu binden, dasselbe nicht zu tun vermag, insbesondere wo das staatliche Gesetz kein Wirksamkeitshindernis hinzufügt. Hinzu kommt, dass ein dingliches Recht an einer Sache durch den ausreichend geäußerten Willen übertragen werden kann, wie wir zuvor erklärt haben.1284 Warum sollte folglich nicht auch ein persönliches Recht übertragen werden können, sei es auf Übertragung eines dinglichen Rechts (welches eine Vorstufe zum dinglichen Recht selbst ist) oder auf irgendeine Handlung, da wir an unseren Handlungen

1282 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450)  : Quod autem prima Thesi praesupponis, nempe quasvis verborum conventiones ex natura, […], vim obligandi habuisse, id quanquam a Connano magna vi oppugnatur est tamen verissimum  ; vgl. im Text bei Fn. 819 und ferner im Text bei Fn. 953. 1283 Diese detaillierte Auseinandersetzung mit Connans Argumenten hat Grotius mit Wesenbeck gemein, vgl. S. 55–59. 1284 Feenstra / Persenaire (Hrsg.), IBP, S. 328 Fn. 1, verweisen insofern zu Recht auf Grotius, IBP, lib. II cap. VI § I.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

286 | 

Achtes Kapitel

par ius habeamus atque in res nostras  ?1285

nämlich ein gleiches Recht haben wie auch an unseren Sachen  ?

a) Rhet. I.XV. b) L. 2 D. de legibus.

a) Aristot. rhet. 1,15,21 [1376b9–10]. b) D. 1,3,2 (Marcianus libro primo institutionum).

Zunächst führt Grotius drei unterschiedliche Argumente gegen das Erfordernis einer Austauschbeziehung oder der bereits erfolgten Leistung durch den Gläubiger – und damit für die bedingungslose Verbindlichkeit einseitig verpflichtender Versprechen – an. Das erste Argument liegt auf einer teleologischen Ebene und ist wohl nicht ­zuletzt dem De  Iure Belli ac Pacis zugrunde liegenden Ziel geschuldet, ein abschließendes Naturrechtssystem zu entwerfen, welches auf das Völkerrecht ebenso anwendbar sein soll wie auf das Privatrecht  : Gerade Bündnisverträge zwischen Staaten stehen, in moderner Terminologie formuliert, regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts eines Krieges oder sonstigen »Bündnisfalles«. Bewaffneter Beistand ist in Friedenszeiten weder fällig noch erfüllbar. Vor Bedingungseintritt kann eine Gegenleistung daher faktisch nicht erbracht werden, sodass Bündnisverträge zum entscheidenden Zeitpunkt des Eintritts eines »Bündnisfalles« nach Connans Lehre stets ­unverbindlich wären. Für Connan kann sich die Verbindlichkeit von Verträgen aber (unabhängig von der Erbringung einer Leistung durch den Gläubiger) auch aus dem positiven Recht ergeben, sei es, dass diese – wie bei der Stipulation – ausdrücklich für einen Sonderfall angeordnet werde, oder – wie bei den übrigen N ­ ominatkontrakten – die Erbringung der Leistung durch den Gläubiger unwiderlegbar vermutet oder sogar fingiert werde.1286 Ob zwischenstaatliche Verträge überhaupt positivem Recht unterliegen können und sich ihre Verbindlichkeit folglich aus diesem ergeben könnte, lässt Grotius an dieser Stelle offen,1287 da das Problem für Staaten 1285 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 3. 1286 Vgl. S. 48–54, insb. S. 50. 1287 Vgl. dazu aber Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § I 2  ; ebd., § V  ; ferner ebd., cap. IV § XII 1. Demnach können sich Staaten zumindest nicht nach eigenem positivem Recht binden, weil sie nicht auf ihr Recht verzichten könnten, zukünftig neue Gesetze zu erlassen. Die Idee eines intertemporalen Kollisionsrechts ist Grotius offenbar fremd. Wenn stets das aktuelle Recht anwendbar ist (lex posteriori derogat legi priori), könnte ein Staat einen dem eigenem positivem Recht unterliegenden Vertrag stets durch eine nachträgliche Gesetzesänderung einseitig verändern oder gänzlich der Wirksamkeit berauben. Denkbar wäre insofern allenfalls, dass zwei Staaten einen Vertrag nach dem positiven Recht eines Drittstaats schließen könnten.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 287

bestehen bleibe, deren positives Recht keine stipulationsähnlichen Vertrags­ ­ formen kennt. Diese Konsequenz unverbindlicher Bündnisse ist für Grotius, der in den vergangenen beiden Jahrzehnten in eine Vielzahl von Bündnisverhandlungen involviert war und daher das praktische Bedürfnis nach verbindlichen Absprachen aus erster Hand kannte,1288 aber offensichtlich absurd. Die gesamte Überlegung stellt also keinesfalls eine nihilistische Schlussfolgerung aus Connans Lehre dar, sondern (zumindest für Grotius) ein argumentum ad absurdum.1289 Zweifellos war sich Grotius der in der Praxis immer wieder vorkommenden Vertragsbrüche durchaus bewusst.1290 Ungeachtet dessen führt er die Notwendigkeit verbindlicher Bündnisse bereits in den prolegomena gegen die skeptische Fundamentalkritik an jeder verbindlichen Rechtsordnung an.1291 Die beiden folgenden Argumente basieren jeweils auf einer angenommenen Wesensgleichheit von Vertrag und Gesetz bzw. Vertrag und Übereignung. Bereits in De Iure Praedae zieht Grotius das Verständnis der Gesetze als Abreden aller Bürger untereinander zur Deduktion der Verbindlichkeit von Gesetzen (regula IV) aus der Selbstbindung des Einzelnen (regula III) heran.1292 Auch in 1288 Vgl. für zwei Beispiele Fn. 260  ; daneben verfolgte Grotius auch den Gang der spanisch-niederländischen Waffenstillstandsverhandlungen im Detail, wenngleich er in diese selbst nicht unmittelbar involviert war, vgl. Fn. 403. 1289 So auch Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I num. 2  : Argumento ad absurdo, et ita ratiocinatur  : si verum est, pacta nuda iure naturae non valere, tunc sequitur, ut nec foedera inter gentes ullius momenti sint  : nam ea plerumque in sola futuri promissione consistunt. At posterius est absurdum. Ergo et prius [Hervorh. im Orig.]  ; sowie (für dieses und das zweite von Grotius vorgebrachte Argument) Olivecrona, concept of a right, S. 185  ; Ders., Law as Fact, S. 284  ; ferner auch Onuma, Agreement, S. 216 f. Fn. 162  ; Ottenwälder, Grotius, S. 74  ; ­R amelet, Grotiana 40 (2019), S. 133. 1290 Für die zahlreichen Schilderungen spanischer Vertragsbrüche im Parallelon Rerumpublicarum sowie insb. die dortige Aussage Hic ego si referendum existimarem, quoties violata foedera & pactiones, quibus nihil sanctius esse deberet Humano generi  ; […] [Hervorh. d. Verf.] vgl. im Text bei Fn. 360. 1291 Grotius, IBP, prolegomena XXII  : […] nulla est tam valida civitas quae non aliquando aliorum extra se ope indigere possit, vel ad commercia, vel etiam ad arcendas multarum externarum gentium iunctas in se vires  ; unde etiam a potentissimis populis et regibus federa appeti videmus, quorum vis omnis tollitur ab his qui ius intra civitatis fines concludunt. Verissimum illud, omnia incerta esse simul a iure recessum est. 1292 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 11r–v [S. 23] und dazu Fn. 527. Inhaltlich ähnlich auch Grotius, IBP, prolegomena XV  ; sowie Grotius, Theses LVI, fol. 288r, Thesis 21  : Similiter in contractu civium ad rempublicam constituendam primum id ius est eaque obligatio quam lex consensus exprimit  : Sed et haec et superiori lege ut necessaria adiecta sunt, wenngleich die hier verwendeten Belege dort mangels der ausdrücklichen Gleichsetzung fehlen. Vgl. zum

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

288 | 

Achtes Kapitel

De Iure Belli ac Pacis findet sich dieser Gedanke in den prolegomena in verkürzter Form wieder.1293 Diese Beziehung greift er hier –  unter Angabe zweier der in De  Iure ­Praedae ­angeführten Belege  –1294 wieder auf, um daraus zu schließen, dass es ein Paradoxon darstellen würde, wenn erst Gesetze den Verträgen ihre Wirksamkeit verliehen1295.1296 Dabei verwischt Grotius, bewusst oder unbewusst, die von Connan gezogene Grenze zwischen synallagmatischen und sonstigen Verträgen. Gesetze, sofern sie als Vertrag verstanden werden, weisen in ihrer abstrakt-generellen Natur eine synallagmatische Komponente auf, sodass sie nach Connans Vertragsverständnis bereits naturrechtlich verbindlich wären und somit ihrerseits sehr wohl den sonstigen Verträgen verbindliche Wirkung verleihen könnten. Allerdings scheint sich Grotius weniger daran zu stören, dass dann der Geltungsgrund von Gesetzen umso fraglicher wäre.1297 Ebenso wenig richtet sich historischen Hintergrund der Analogie zwischen Gesetz und Vertrag Decock, Contract Law, S. 168 f. 1293 Grotius, IBP, prolegomena XVI  : […] civilis vero iuris mater est ipsa ex consensu obligatio […]  ; wobei Grotius ius civile in De Iure Belli ac Pacis als staatliches Recht und nicht etwa als Zivilrecht oder römisches Recht versteht, vgl. ebd., lib. I cap. I § XIV 1  : [Ius] Civile est quod a potestate civili proficiscitur  ; sowie ferner dazu Röd, Geometrischer Geist, S. 74. 1294 In Grotius, IPC, cap. II, fol. 11v [S. 23], schreibt er den Gedanken nicht, wie hier, Demosthenes und Aristoteles, sondern Demosthenes und Platon zu. Auch dort belegt er dies allein mit Verweisen auf Werke von Aristoteles. Neben den auch hier angegebenen Quellen, vgl. im Text bei Fn. 1285, finden sich dort zudem noch D. 1,3,1 (Papinianus libro primo definitionum)  ; Aristot. pol. 1,6 [1255a6]  ; sowie Vázquez, Controversiae Illustres, lib. I cap. XLIV num. 5 [S. 176]  ; ebd., cap. XXVIII num. 12 [S. 120]. Dass er lediglich zwei der dortigen Belege übernimmt, erscheint, gemessen an Grotius’ methodischen Überlegungen, vgl. dazu noch im Detail S. 355–359, und seinen sonstigen Autoritätsargumenten, zumindest überraschend. So stützt er die Basis des folgenden Arguments lediglich auf einen Philosophen und einen Redner, die zudem noch Zeitgenossen waren und demselben (griechischen) Kulturkreis angehören. Einerseits würde sich die anschauliche Überschrift von Vázquez, Controversiae Illustres, lib. I cap. XLIV num. 5 [S. 175] (Lex contractus est, & contractus lex est) hier fast schon zu einem wörtlichen Zitat anbieten, andererseits würden zusätzliche Verweise auf Vázquez und Papinian zumindest eine deutlich breitere Basis eines consensus omnium bilden. 1295 Vgl. auch Grotius, IBP, prolegomena XVI  : […] civilis vero iuris mater est ipsa ex consensu obligatio, quae cum ex naturali iure vim suam habeat, potest natura huius quoque iuris quasi proavia dici […]. 1296 Unverständlich ist daher die Kritik von Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 111 f., wonach Grotius Aristoteles zu Unrecht für die Idee eines staatsbegründenden Gesellschaftsvertrages in Anspruch nehme. Die Idee eines Staatsvertrages bemüht Grotius vorliegend nicht. Sein Argument basiert auf der (bereits bei Aristot. rhet. 1,15,21 [1376b9–10] anzutreffenden) Analogie, das staatliche Gesetz entspreche einem Vertrag zwischen den Bürgern. 1297 So aber Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I num. 2  : Simile absurdum inde deducit, dum ita argumentatur  : Si pacta iure naturae non valent, tunc obligationem suam nanciscuntur

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 289

das Argument dagegen, dass die Verfügungsmacht des Gesetzgebers über Rechts­ güter des Einzelnen größer als dessen eigene ist.1298 Vielmehr zielt die Kritik darauf, dass sich die Bürger demnach gemeinschaftlich (in Form eines Gesetzes) binden könnten, obwohl ihnen dies einzeln (durch die entsprechende Form des Vertrages) nicht ohne Weiteres möglich sein sollte.1299 Mit anderen Worten geht es um das wirksame Zustandekommen der Gesetze, nicht um ihre Rechtsgrundlage oder die ihnen zugrunde liegende Regelungskompetenz  : Eine Erklärung erhalte nicht dadurch bindende Wirkung, dass sie mehrere Personen zusammen abgeben, die diese jeweils einzeln nicht wirksam abgeben ­könnten. Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem, dass Grotius hier nicht ­einfach fordert, der Einzelne, sondern vielmehr dessen W i l l e müsse seinem Versprechen ebenso verbindliche Kraft zukommen lassen können.1300 Auch für das dritte Argument ist der Wille des Versprechenden von zentraler Bedeutung. Gordley sieht hierin eine Anlehnung an Molina, der die Verbindlichkeit einseitig verpflichtender Versprechen aus der Verbindlichkeit der Schenkung ableitet1301.1302 Obwohl Grotius andernorts durchaus Vergleiche zur Schenkung zieht,1303 spricht er hier zumindest ausdrücklich nicht von Schenkung, sondern vielmehr von der Übertragung von dominium. Damit knüpft er an die bereits in früheren Werken bemühte Analogie zwischen Versprechen und Übereignung bzw. zwischen einem Recht an eigenen Handlungen und dominium an.1304 Wenn der ausreichend geäußerte Wille d i n g l i c h e Rechte übertragen ex lege. Atqui lex ipsa in civitatibus democraticis est pactum. l. 2. D. de legib. Pactum ex mente Connani est invalidum. Ergo pacta quaedam valent, ob pacta, quae non valent. Quid absurdius excogitari posset  ? [Hervorh. im Orig.]  ; ähnlich Hartenstein, Grotius, S.  182  ; Straumann, Grotius, S. 175 f.; Ders., Roman Law, S. 192 f.; tendenziell auch Brett, Hist. J. 45,1 (2002), S. 44  ; Recknagel, Freier Wille, S. 410. 1298 So aber Petronio, Sinallagma, S. 245 f., der auf einen (vermeintlichen) Widerspruch zu Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 21, hinweist. Dort erklärt Grotius ausdrücklich, dass die Gesetze eine größere Macht über den Einzelnen, seine Rechte und Güter hätten als dieser selbst (Maer alzo wy meer als eens gezeit hebben dat de wetten over de menschen, haer recht, ende goederen, meerder macht hebben als yder mensch over hem zelve ende over het sijne […]). 1299 So auch Diesselhorst, Grotius, S. 38  ; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 133 f., 136, 138  ; tendenziell auch Astorri, Contract and Treaties, S. 515. 1300 Dies wird später noch eingehend behandelt, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3, dazu S. 359– 366, sowie ferner ebd., § IV 1, dazu S. 341–344. 1301 Vgl. zu Molinas Konstruktion und den Parallelen zu Grotius bereits im Text bei Fn. 606–608. 1302 Gordley, Philosophical Origins, S. 74 f. 1303 Vgl. zum Brief vom 28.02.‌1616 etwa im Text bei Fn. 849  ; zu De Iure Belli ac Pacis etwa im Text bei Fn. 1225. 1304 So (ausdrücklich für De Iure Praedae und implizit für die Inleidinge) schon Ramelet, Grotiana

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

290 | 

Achtes Kapitel

könne, was Grotius bereits zuvor etabliert hat,1305 müsse er auch p e r s ö n l i c h e Rechte übertragen können. Ähnlich wie bereits in der Inleidinge, zögert Grotius nicht, ausdrücklich von einer Rechtsübertragung zu sprechen. Die aus früheren Werken bekannte Zurückhaltung besteht nicht mehr. Ohne an dieser Stelle die zugrunde liegende (auf die Verbindlichkeit bezogene) römisch-rechtliche Terminologie zu verwenden,1306 differenziert Grotius zwischen Verbindlichkeiten bzw. Forderungen, die auf die Übertragung dinglicher Rechte gerichtet sind, und solchen, die auf die Vornahme einer Handlung gerichtet sind. Lediglich im Rahmen letzterer spricht er an einer späteren Stelle1307 ausdrücklich von einer Übertragung der particula libertatis. Anknüpfend an diese Feststellung vermutet Behrends, die eigentliche Vorlage für Grotius’ Konstruktion der Versprechensbindung sei vielmehr das stoisch-römische Verständnis von Arbeits- und Dienstpflichten gewesen.1308 Bereits de officiis und verschiedenen Digestenfragmenten über die Erbringung von Diensten oder Werken (operae) lasse sich entnehmen, dass durch auf die Vornahme von Handlungen gerichtete Verträge ein Stück (statusrechtlicher) Freiheit übertragen werde.1309 Diese Deutung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant, dass Grotius nicht zwischen statusrechtlicher Freiheit und Handlungsfreiheit zu differenzieren scheint.1310 Es ginge jedoch zu weit, in diesem antiken Verständnis der Arbeits- und Dienstverträge mit Behrends einen wesentlichen oder auch nur einen unmittelbaren Einfluss auf Grotius’ Vertragsverständnis zu sehen. Diese Gleichsetzung von statusrechtlicher Freiheit und Handlungsfreiheit bildet vielmehr, auch bei früheren Autoren,1311 einen Teil des umfassenderen – für Grotius’ 40 (2019), S. 136. 1305 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. VI §§ I–II. 1306 Auf die Parallele zum »römische[n] dare facere« weist bereits Hägerström, bindende Kraft, S. 71, hin  ; diesem folgend Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 89. Auch Behrends, Treu und Glauben, S. 965 f., legt dieses Verständnis seiner Interpretation implizit zugrunde. Wenig später spricht Grotius, ebenso wie im Brief vom 28.02.‌1616, vgl. im Text bei Fn. 787, und der Inleidinge, vgl. im Text bei Fn. 1124, auch in De Iure Belli ac Pacis ausdrücklich von promissa d a n d i bzw. f a c i e n d i , vgl. im Text bei Fn. 1546. 1307 Vgl. im Text bei Fn. 1546 sowie dazu im Text nach Fn. 1555. 1308 Behrends, Treu und Glauben, S. 965 f. 1309 Behrends, Treu und Glauben, S. 966 f.; vgl. ferner zum Verständnis der frührömischen Schuldverträge als Akte statusrechtlicher Freiheitsübertragung auch Ders., nexum, S. 563–565  ; Ders., Zwölftafelprozess, S. 34–39. 1310 Vgl. dazu im Kontext von De Iure Praedae im Text bei Fn. 592–601. 1311 Vgl. im Text bei Fn. 584–588.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 291

Vertragsverständnis tatsächlich ganz wesentlichen  – Gedankens des dominium actionum suarum. Während Grotius diese Analogie zwischen Rechten an Sachen und Rechten an Handlungen immer wieder an zentraler Stelle in seinen einzelnen Vertragslehren bemüht, finden sich keine Bezüge auf die von B ­ ehrends angeführten oder ähnliche Quellen zum stoisch-römischen Verständnis von ­Arbeits- oder Dienstpflichten1312. Insoweit scheint Grotius’ Interesse auch weniger den auf die Vornahme einer Handlung als den auf die Übertragung eines dinglichen Rechts gerichteten Versprechen zu gelten. Im Wege eines argumentum a maiore ad minus folgert er, dass auf dieselbe Weise wie ein dingliches Recht auch ein persönliches Recht auf zukünftige Übertragung eben jenes dinglichen Rechts (ius in personam ad transferendum dominium) übertragen werden können müsse  :1313 Inhaltlich knüpft er damit an die bereits in der Inleidinge getroffene Feststellung an, wonach ein Versprechen, zukünftig ein dingliches Recht zu verschaffen, zwar nicht das dingliche Recht selbst (ius in re), wohl aber ein Recht an der Übertragungshandlung (ius ad rem) gewähre.1314 Dieses stelle ein wesensgleiches Minus zum dinglichen Recht dar (quod ius ipso dominio minus est), sodass eine Übertragung jedenfalls nicht schwieriger sein könne. Damit liefert er erstmals eine Begründung für die bereits im Brief vom 28.02.‌1616 enthaltene Erklärung, dass die Begründung einer Verpflichtung keine höheren Anforderungen als eine Übereignung haben könne1315. Hägerström und Olivecrona verstehen das in diesem Fall an den Gläubiger übertragene persönliche Recht auf Übertragung des dinglichen Rechts als das grundsätzlich in dem dinglichen Recht enthaltene Recht zu dessen Übertragung.1316 Das Forderungsrecht des Gläubigers wäre folglich nichts anderes als die auf diesen übertragene Verfügungsbefugnis des Schuldners. Auf den ersten Blick erscheint dies naheliegend. Den Verlust des »Rechts zur Übertragung ei-

1312 Die einzige Ausnahme bildet Grotius, IBP, lib.  II cap.  V §  XXX, wo er mercenarii als servi imperfecti bezeichnet. Dort behandelt Grotius die statusrechtliche Freiheit, zieht jedoch keine Rückschlüsse für sein Vertragsverständnis. Im Übrigen scheint er weniger an das römische Recht als vielmehr an zeitgenössische Lehrlingsverhältnisse in England zu denken, wie die in der Ausgabe von 1642 ergänzte Fußnote zeigt  : Inter quos ii qui in Anglia apprentisii dicuntur durante disciplinae suae tempore proxime ad servilem conditionem accedunt. 1313 So schon Behrends, Treu und Glauben, S. 965. 1314 Vgl. im Text bei Fn. 1124. 1315 Vgl. im Text bei Fn. 849 sowie dazu im Text bei Fn. 855–858. 1316 Hägerström, bindende Kraft, S. 70 f.; Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 92 f.; Ders., concept of a right, S. 186, 193  ; Ders., Law as Fact, S. 284, 291 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

292 | 

Achtes Kapitel

nes Rechts« bemüht Grotius bereits in früheren Werken1317 und auch in De Iure Belli ac Pacis1318 thematisiert er die Verfügungsbefugnis – wenn auch nicht deren Verlust1319. Im Ergebnis vermag dieses Verständnis dennoch nicht zu überzeugen. Zunächst kann es nicht die Wirksamkeit von Beschaffungsschulden erklären. Grotius legt ausdrücklich dar, dass Versprechen bei (potenziell) vorübergehender Leistungsunfähigkeit zur Herbeiführung der eigenen Leistungsfähigkeit verpflichten.1320 Die Wirksamkeit eines Versprechens ist somit zwar von der generellen Möglichkeit einer zukünftigen Leistungserbringung, aber nicht von der eigenen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Versprechens abhängig. Entsprechend muss es auch ohne Inhaberschaft eines dinglichen Rechts oder der entsprechenden Verfügungsbefugnis möglich sein, sich durch Versprechen zu dessen zukünftiger Übertragung zu verpflichten. Olivecrona verweist insofern zu Recht darauf, dass Grotius derartige Versprechen als aufschiebend bedingt versteht.1321 Allerdings ist der Versprechende bereits zuvor zur Herbeiführung des Bedingungseintritts gehalten.1322 Die Bindung entsteht somit, wenn auch mit anderem Inhalt, unmittelbar mit der Abgabe des Versprechens und nicht erst mit der Inhaberschaft der Verfügungsbefugnis, geschweige denn mit deren Über­ tragung auf den Gläubiger. 1317 Im Brief vom 28.02.‌1616 entwickelt Grotius diesen Gedanken zunächst (in enger Anlehnung an spätscholastische Vertrags- und Eigentumslehren) als Begründung dafür, warum Wirksamkeitshindernisse und -voraussetzungen des positiven Rechts auch im Naturrecht beachtlich sein können, vgl. im Text bei Fn. 917 und dazu S. 208–214. Auch in der Inleidinge findet sich der Gedanke mehrfach zumindest angedeutet, vgl. im Text bei Fn. 1154–1257, insb. Fn. 1153 f. 1318 Vgl. insbesondere Grotius, IBP, lib. II cap. VI § I 1  ; zu den verfassungsrechtlichen Implikationen dieses Konzepts in De Iure Belli ac Pacis ferner auch D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 387–390 m. w. N. 1319 Dieser Zusammenhang wird bereits in der frühen Auseinandersetzung mit De Iure Belli ac Pacis gesehen, vgl. etwa Henniges, Observationes, In actiones nostras par jus habeamus ad IBP lib. II cap. XI § I  : Id quod rursus subdata limitatione intelligendum, si lex civilis impedimentum non affert, quod omnino facere potest. Sic enim voluntas atque actiones subditorum imperantis voluntati directionique subjacent, ut ab illa omnem validitatem & substantiam quandam civilem consequantur, irritumque & nullum omnino sit, quod publicae provisioni repugnat. 1320 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VIII 2. 1321 Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 93 Fn. 35  ; Ders., concept of a right, S. 188 f.; Ders., Law as Fact, S. 287 f. 1322 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VIII 2  : […] Quod si conditio, qua res in potestatem promissoris venire possit, ipsa quoque sit potestativa, tenebitur promissor facere quicquid moraliter aequum est, ut ea impleatur.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 293

Daneben widersprechen auch Grotius’ Ausführungen zum Doppelverkauf1323 und zum beeideten Verkauf1324 diesem Verständnis. Danach steht das bloße Versprechen der Übertragung eines dinglichen Rechts einer späteren Übertragung durch den Schuldner an einen Dritten n i c h t im Wege. Der Gläubiger des ersten, noch nicht vollzogenen Verkaufs erhält also gerade kein »Anwartschaftsrecht«. Würde dieses Versprechen aber, wie Hägerström und O ­ livecrona meinen, bereits die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Gläubiger ü ­ bergehen lassen, könnte der Schuldner das Recht (ohne Zustimmung des ­Gläubigers) nicht mehr wirksam an einen Dritten übertragen. Dies bemerkt auch Albers, der insofern einen Widerspruch zwischen dem allgemeinen Grundsatz zu (potenziell) vorübergehender Leistungsunfähigkeit und den Ausführungen zum Doppelverkauf sieht  : Mit dem ersten Verkauf habe sich der Verkäufer ad dandum verpflichtet und damit das Recht an der Übereignungshandlung übertragen, wodurch er zugleich das Recht, zu übereignen, verloren habe. Dass er die Kaufsache dennoch unmittelbar an den zweiten Käufer übereignen könne, zeige, dass Grotius die Gleichordnung zwischen ding­ lichen und schuldrechtlichen Positionen nicht konsequent anwende.1325 Indes ist Handlung nicht gleich Handlung und Übereignung nicht gleich Übereignung  : Der erste Verkauf betrifft die Übereignung an den ersten Käufer, während der 1323 Vgl. Fn.  1231. Dies begründet Grotius damit, dass der Schuldner die facultas moralis in rem nicht schon durch das bloße Versprechen verliere. Zwar ist von einer facultas moralis in facultatem moralis in rem oder – um die einfachere Terminologie aus dem Brief vom 28.02.‌1616 zu verwenden – einem ius promittendi keine Rede, doch zeigt jedenfalls die Wirksamkeit einer späteren Übereignung an einen Dritten, dass der Schuldner durch das Versprechen nicht in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Anders hingegen Wieacker, contractus und obligatio, S. 228, der diese Passage so verstehen will, dass stets der zuerst erfolgte Kauf Eigentum übertrage. Er begründet dies damit, dass Grotius »Eigentumsübertragung und vertragliche obligatio ad dandum im Prinzip nicht unterscheidet«. Dabei übergeht Wieacker jedoch die entscheidende Klarstellung am Ende des Unterabsatzes  : quod non fit per solam promissionem. 1324 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XIII § XIX  : Illud quaeritur, an quod contra iuramentum fit, illicitum sit tantum, an et irritum, qua de re distinguendum arbitror, ut si sola fides sit obstricta, valeat actus contra iuramentum factus, puta testamentum, venditio  : non valeat autem si ita conceptum sit iusiurandum, ut simul contineat abdicationem plenam potestatis ad actum. […] [Hervorh. d. Verf.]. Demnach schulde der Verkäufer lediglich fides, verzichte aber nicht auf sein Recht zu handeln. Interessant ist an dieser Stelle zudem, dass Grotius betont, der Verkäufer verliere nicht das Vollrecht (plena potestas) an seiner Handlung. Damit lässt er zumindest offen, ob der Verkäufer nicht sehr wohl ein Teilrecht (particula libertatis) verliere. Im Detail ist diese Aussage allerdings nicht frei von eigenen Problemen, da Grotius hier von einem noch nicht vollzogenen Kaufvertrag auszugehen scheint (fides obstricta  ; potestas ad actum). 1325 Albers, Regimekollisionen, S. 275 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

294 | 

Achtes Kapitel

zweite Verkauf die Übereignung an den zweiten Verkäufer –  und damit eine ­a n d e r e Handlung – betrifft.1326 Unbeschadet der ausdrücklichen Differenzierung zwischen den auf Übertragung eines dinglichen Rechts und den auf Vornahme einer Handlung gerichteten Versprechen, scheint der Gläubiger daher auch bei ersteren nur ein Recht an der k o n k r e t e n Übertragungs h a n d l u n g zu erhalten.1327 Die Differenzierung zielt somit nicht auf die jeweilige Rechtsfolge, sondern dient allein dazu, die Vergleichbarkeit zwischen Übereignung und Versprechen durch das lediglich auf Versprechen der Rechtsübertragung zutreffende argumentum a maiore ad minus herauszustellen. Dasselbe müsse, erklärt Grotius, auch hinsichtlich solcher persönlicher Rechte gelten, die auf die Vornahme einer Handlung – und nicht etwa an einer Klage, wie Kirchmann1328 und ihm folgend Schätzel1329 fälschlich übersetzen –1330 gerichtet sind, denn sowohl an Handlungen als auch an Sachen bestehe »ein gleiches Recht« (in actiones nostras par ius […] atque in res nostras). Wie bereits in früheren Werken – erinnert sei insbesondere an den ähnlichen Wortlaut in den Theses LVI  : ius in actiones et res suas –1331, zieht Grotius also auch hier den ursprünglich aus dem Sachenrecht stammenden Gedanken des dominium ­actionum suarum zur Begründung seines Vertragsrechts heran. Im Gegensatz zu früheren Werken finden sich für diese Gleichsetzung der Rechte an Sachen und Handlungen weder eine Erläuterung noch Hinweise auf andere Autoren. Stattdessen verweist Grotius hier auf die Ausführungen zur Übereignung (Adde quod voluntate sufficienter significata transferri rei dominium potest, ut ante diximus.) und dort wiederum auf die zum Versprechen,1332 ohne die Ähnlichkeit tatsächlich zu belegen. 1326 Für die beiden anderen von Albers, Regimekollisionen, S.  275–277, diskutierten Fälle, das ­Verlobungsversprechen eines Verheirateten, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. V § XI  ; ebd., cap. XI § VIII 3, und kollidierende Bündnisverträge, vgl. ebd., cap. XV § XIII 3–4, scheint diese ­Erklärung ­allerdings nicht vollends befriedigend. Insoweit dürfte die Lösung wohl auch in den Ausführungen zur causa vitiosa und zur Auslegung von Erklärungen liegen, vgl. ebd., cap. XI § IX  ; ebd., cap. XVI § XVI. 1327 Ähnlich bereits in der Inleidinge, vgl. S. 249 f. 1328 Kirchmann (Hrsg.), Recht des Krieges und Friedens, Bd. 1, S. 389. 1329 Schätzel (Hrsg.), Recht des Krieges und des Friedens, S. 236. 1330 Diese Übersetzung verkennt den Kern des vorangehenden Arguments, welches Grotius mit diesem Abschluss zusammenfasst, und verdunkelt insbesondere die Bedeutung des Gedankens des dominium actionum suarum in De Iure Belli ac Pacis. 1331 Vgl. zu den Theses LVI im Text bei Fn. 693, 697, 721  ; zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 549, 582  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 849, 917, zur Inleidinge im Text bei Fn. 1103, 1144. 1332 Grotius, IBP, lib. II cap. VI § II  : […] Caetera quae tum ad iuris concessionem, tum ad acceptio-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 295

Auf den darin liegenden Zirkelschluss hat bereits Dedek hingewiesen.1333 Für De Iure Belli ac Pacis ist diese Einschätzung durchaus zutreffend und in Anbetracht der isolierten Rezeption dieses Werkes von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der Vergleich mit den früheren Werken zeigt jedoch, dass dieser Vorwurf nur Grotius’ Darstellung in De  Iure Belli ac Pacis, nicht aber seinem Vertragsverständnis gemacht werden kann. Vielmehr legt die Untersuchung der anderen Werke nahe, dass ihm die Analogie zwischen dinglichen Rechten und Rechten an Handlungen zunehmend weniger rechtfertigungsbedürftig erschien1334. De Iure Belli ac Pacis stellt insoweit mit dem vollkommenen Verzicht auf eine Begründung den Endpunkt dieser Entwicklung dar. Der zirkuläre Verweis dürfte daher nicht als Begründung gedacht gewesen sein, sondern eher ein »Redaktionsversehen« darstellen. Bereits in der Inleidinge findet sich ein ähnlicher Verweis vom Versprechen auf die Übereignung – allerdings ohne den zirkulären Rückverweis.1335 Denkt man die Analogie zwischen Versprechen und Übereignung allerdings konsequent zu Ende, stößt man auf einen weiteren Zirkelschluss  : Das Institut des Privateigentums wurde, wie Olivecrona zu Recht bemerkt,1336 seinerseits erst durch einen Gesellschaftsvertrag eingeführt.1337 Die Wirksamkeit d i e s e s (fiktiven) Vertrages und damit den Übergang von einem nem requiruntur, et quomodo fieri utrumque possit, infra in capite de promissis tractabimus. nam in hoc alienandi et promittendi par est ratio, iure quidem naturali. Dem entnimmt Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 330, 337, dass dingliche Rechte durch Versprechen bzw. Vertrag übertragen würden. Der Verweis dürfte jedoch dahingehend zu verstehen sein, dass die entsprechenden Ausführungen zum Versprechen auch für die Übereignung zutreffen  ; vgl. auch Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 86 Fn. 18. Grotius versteht promissa, wie sich sogleich im Text bei Fn. 1373–1378 zeigen wird, als Unterkategorie zukunftsbezogener Aussagen (gradus loquendi de rebus futuris). Um eine (gegenwärtige) Übereignung zu bewirken, sind sie per definitionem nicht geeignet. Durch promissum kann allenfalls, wie im Text bei Fn.  1313–1327 gezeigt, ein Recht an einer z u k ü n f t i g e n Übereignungshandlung verschafft werden. 1333 Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 330 f. 1334 Für seine Leser galt dies hingegen nicht. Vgl. nur Felden, Annotata, ad IBP, lib. I cap. I § V  : Facultatem nomine sui venire Jurisconsultis, seque Jus stricte dictum appellaturum ait, nescio an satis bene. Nam libertatem nemo facile Jus in se vocabit, nec dominium Jus in res videtur proprie non dici posse […] [Hervorh. d. Verf.]  ; sowie dazu Tuck, Natural Rights, S. 75. 1335 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 12, vgl. im Text bei Fn. 1103, verweist für die rechtsübertragende Wirkung des Versprechens unspezifisch auf die Ausführungen zur Übereignung  ; gemeint ist wohl konkret ebd., lib. II cap. I § 47. 1336 Olivecrona, concept of a right, S. 193  ; Ders., Law as Fact, S. 291  ; tendenziell ähnlich schon Ottenwälder, Grotius, S. 74  : »Naturrechtlich ist für ihn die Übertragung von Rechten, doch fügt Grotius hinzu  : nachdem das Eigentum eingeführt ist, so daß die Verbindlichkeit nicht im Naturrecht, sondern im Eigentumsvertrage liegen würde«. 1337 Grotius, IBP, lib. II cap. II § II 5.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

296 | 

Achtes Kapitel

v o r r e c h t l i c h e n zu einem r e c h t l i c h e n Naturzustand kann Grotius nicht systemimmanent erklären.1338 Zum Abschluss der Auseinandersetzung mit Connan schließt Grotius noch eine Vielzahl an Zitaten und Paraphrasen antiker Autoren als Belege für seine Auffassung an  :1339 Accedit his sapientum consensus ⟨ Ita ut et silentium in re moram non ferente vim sponsionis habere velint Hebraei. Baba Kama cap. x, §. 4 ⟩1340  : nam quomodo dicitur a Iurisconsultis,a) nihil esse tam naturale quam voluntatem domini volentis rem suam in alium transferre ratam haberi, eodem modo diciturb) nihil esse tam congruum fidei humanae quam ea quae inter eos placuerunt servare. Sic edictum de pecunia constituta, ubi nulla in constituente debendi causa praecesserat praeter consensum, favere dicitur naturali aequitati.c) Paulus quoque Iurisconsultusd) eum ait natura debere quem iure gentium dare oportet, cuius fidem secuti sumus  : quo in loco primum vox, oportet, necessitatem quandam moralem significat  : neque vero admittendum est quod

Es kommt die übereinstimmende Meinung der Gelehrten hinzu ⟨ so wie die Hebräer wollen, dass das Schweigen in einer Angelegenheit, die keinen Aufschub erträgt, die Wirkung eines förmlichen Versprechens hat, Bava Kama 10,4 ⟩  : Denn wie von den Rechtsgelehrtena) gesagt wird, dass nichts so natürlich sei, wie den Willen des Eigentümers, der seine Sache an einen anderen übertragen will, als wirksam anzuerkennen, wird in gleicher Weise erklärt,b) dass nichts so sehr der menschlichen Treue (fides) entsprechen würde, wie dasjenige einzuhalten, was untereinander vereinbart wurde. So wird von dem prätorischen Edikt über die Erfüllungszusage (de pecunia constituta), dort wo für den Zusagenden kein Schuldgrund außer dem Konsens vorgelegen hatte, gesagt, dass es die natürliche Billigkeit fördere.c) Und ebenso sagt der Rechtsgelehrte Paulus,d) dass derjenige von Natur aus schuldet, der nach dem Völkergemeinrecht geben muss und dessen Treue (fides) wir vertraut haben. An dieser Stelle bezeichnet das Wort »muss« zuerst eine gewisse moralische Notwendigkeit  : Aber dem, was Connan sagt, ist nicht zuzustimmen, wonach wir als der

1338 Vgl. dazu auch im Text bei Fn.  92. Die Einführung des Privateigentums, die Unterscheidung zwischen »Mein« und »Dein«, erklärt Grotius in De Iure Praedae zum Ursprung der menschlichen Gesellschaft (hominum societas), vgl. im Text bei Fn. 418 und dazu Fn. 419. In De Iure Belli ac Pacis nimmt hingegen die soziale Veranlagung des Menschen (appetitus societatis) die Stellung als Ursprung des Naturrechts ein, vgl. Grotius, IBP, prolegomena XVI, sowie im Detail Straumann, Grotius, S. 94–96  ; Ders., Roman Law, S. 46–50  ; Ders., Sociability, S. 162–165  ; relativierend aber Blom, Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 595, 599–603. 1339 Vgl. zum methodischen Hintergrund dieses Vorgehens S. 355–359. Den methodischen Hintergrund dieser Zitate erkennt bereits Heineccius, Praelectiones, ad lib. II cap. XI § I num. 4, der dazu lapidar erklärt  : Idem Grotius demonstrat ex consensu sapientium […] [Hervorh. d. Verf.]. 1340 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 297

ait Connanus, fidem secutos nos censeri ubi res integra esse desiit  : agebat enim eo loco Paulus de condictione indebiti, quae cessat si ex qualicunque pacto solutum quid sit, quia iam ante re adhuc integra, naturae ac gentium iure dari oportebat, etiamsi lex civilis ad praescindendas litium occasiones auxilium suum non praestabat. M. autem Tullius in officiise) tantam promissis vim tribuit, ut fundamentum iustitiae fidem appellet, ⟨ quam et iustitiae sororem dixit Horatius1341 ⟩1342 et Platonici saepe iustitiam vocant ἀλήθειαν, quod fidelitatem transtulit Apuleiusf)  : ac Simonidesg) iustitiam definiebat, non modo acceptum reddere, sed et verum dicere.1343

Treue (fides) vertrauend beurteilt werden, sobald sich die Sache nicht mehr im ursprünglichen Zustand befindet  : Paulus behandelte an dieser Stelle nämlich die Kondiktion des Nichtgeschuldeten (condictio indebiti), die keine Anwendung findet, wenn aufgrund einer wie auch immer beschaffenen Abrede etwas geleistet wurde, weil schon, als sich die Sache noch im ursprünglichen Zustand befand, nach dem Natur- und Völkergemeinrecht gegeben werden musste, obgleich das staatliche Recht seine Hilfe nicht gewährte, um die Gelegenheiten für Prozesse zu beschneiden. Ciceroe) aber hat in seinem Werk de officiis den Versprechen so große Wirkung zugestanden, dass er die Treue die Grundlage der Gerechtigkeit nannte, ⟨ die auch Horaz als Schwester der Gerechtigkeit bezeichnet hat ⟩, und die Platoniker nennen die Gerechtigkeit häufig Wahrheit (ἀλήθεια), was Apuleiusf) als Treue (fidelitas) übersetzt  : und auch Simonidesg) definierte die Gerechtigkeit wie folgt  : Nicht nur Angenommenes zu vergelten, sondern auch Wahres zu sagen.

a) Per traditionem. Inst. de rer. divis. b) L. I. D. de pactis. c) L. I D. de pecun. const. d) L. Cum amplius. D. de reg. Iuris. e) De Off. l. 1. f) Ap. de Platone. g) Plato I de repub.

a) Inst. 2,1,40  ; vgl. dazu auch Fn. 847. b) D. 2,14,1 pr. (Ulpianus libro quarto ad edictum). c) D. 13,5,1 pr. (Ulpianus libro vicensimo septimo ad edictum). d) D. 50,17,84,1 (Paulus libro tertio quaestionum). e) Cic. off. 1,23. f) Apul. Plat. 2,7 [229]. g) Plat. rep. 1,5 [331c–d]  ; vgl. dazu auch Fn. 536.

Insgesamt führt Grotius zehn mehr oder weniger unmittelbare Belege für die naturrechtliche Verbindlichkeit einseitig verpflichtender Versprechen an, von denen er jeweils einen erst in den überarbeiteten Ausgaben von 1631 bzw. 1642 ergänzt. Zu Recht bemerkt Schmidlin, dass die von Grotius zuvor bemühte Analogie zwischen Eigentumsübertragung und Rechtsübertragung durch Versprechen den hier angeführten römischen Quellen fremd ist und erst von G ­ rotius in diese

1341 Vgl. Hor. carm. 1,24,6–7. 1342 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1631 im Fließtext hinzugefügt. 1343 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 4.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

298 | 

Achtes Kapitel

hineingelesen wird.1344 Ebenso zutreffend ist der Hinweis Straumanns, dass Grotius hierbei die Bedeutung des Willens für die Übereignung im römischen Recht überbewertet, wodurch er die Willenseinigung der Parteien als einheit­ liches Fundament von Rechtsübertragungen darstellen kann.1345 Beide Tendenzen finden sich bereits in De Iure Praedae und – wenn auch nicht im vertrags­ rechtlichen Kontext – im gemeinen Recht und der Spätscholastik, wie etwa bei Bartolus und Vázquez.1346 Die Anlehnung an De  Iure Praedae geht über die Analogie zur Übereignung hinaus  : Von den acht nicht erst in späteren Auflagen ergänzten Zitaten und ­Paraphrasen finden sich bereits fünf im Brief vom 28.02.‌1616 und sieben in De  Iure Praedae.1347 Die weitgehend wortgleichen Paraphrasen und identischen Quellenangaben –  einschließlich des jeweils fehlenden Nachweises für die Bezeichnung der iustitia als ἀλήθειαν durch ungenannte Platoniker – legen nahe, dass Grotius sie unmittelbar aus De Iure Praedae übernommen hat.1348 Die einzige Ausnahme bildet insoweit D.  13,5,1  pr., welches er in De  Iure Praedae lediglich als Beleg anführt, ohne es zu paraphrasieren,1349 während sich hier eine (kurze) Paraphrase findet. Dabei fällt zunächst der ursprüngliche Kontext dieser Belege in De Iure Praedae auf  : Dort führt Grotius sie sämtlich im Kontext der regula fidei an, welche den Schuldner verpflichtet, ohne dabei den Gläubiger zu berechtigen1350. Der an1344 Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 192 Fn. 10. (Die dortigen Verweise auf Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV, sowie D. 2,14,7,1 pr. zielen auf Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 4, bzw. D. 2,14,1 pr.). 1345 Straumann, Grotius, S. 177 f.; Ders., Roman Law, S. 194, der allerdings durch seinen einseitigen Fokus auf antike Einflüsse den gemeinrechtlichen und spätscholastischen Hintergrund des dominium actionum suarum übersieht. 1346 Vgl. dazu S. 137–141. 1347 Die Verweise auf D. 13,5,1 pr. und Apuleius finden sich in De Iure Praedae, nicht aber im Brief. Auch hinsichtlich der übrigen Paraphrasen weisen die Formulierungen in De Iure Belli ac Pacis größere Nähe zu denen in De Iure Praedae als jenen im Brief auf, wenngleich sie sich auch von ersteren stets zumindest durch die Wortstellung unterscheiden  ; vgl. zu den Parallelstellen in De Iure Praedae im Text bei Fn. 485, 533  ; sowie zu den Parallelstellen im Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 831, 849. 1348 Dies stellt nebenbei ein starkes Indiz dafür dar, dass Grotius das Manuskript von De Iure Praedae unmittelbar während des Verfassens der ersten Auflage von De Iure Belli ac Pacis herangezogen hat, was in der Literatur teilweise bezweifelt wird, vgl. etwa van Ittersum, Confiscated Manuscripts, S. 367, 382. Vgl. zu den Hintergründen, wie Grotius im Exil in Paris ein Manuskript von De Iure Praedae erhalten haben könnte, Haggenmacher, Grotius, S. 386 Fn. 1871, und diesem folgend Nellen, Life and Intellectual Development, S. 29. 1349 Vgl. im Text bei Fn. 485. 1350 Vgl. S. 116–150, insb. S. 148–150.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 299

dere Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit in De Iure Praedae, die lex VI  : Benefacta repensanda, aus der dem Gläubiger auch Rechte entstehen, weist mit der Erbringung der Leistung in einem gegenseitigen Austauschverhältnis eben jene Voraussetzung auf, gegen die sich Grotius hier gerade wendet. Insoweit ist es nicht weiter verwunderlich, dass er keine Belege aus diesem Kontext übernimmt. Zudem zeigt bereits die Übernahme im Brief vom 28.02.‌1616, dass Grotius diese zunächst im Rahmen der regula fidei angeführten Quellen nicht notwendigerweise mit einer abstrakten Pflicht zur Treue zum gegebenen Wort (im Sinne der regula fidei bzw. trouw-schuld) assoziiert, da er im Brief ausdrücklich ein Forderungs- oder Zwangsrecht des Gläubigers (ius exigendi bzw. ius cogendi) damit verbindet1351. Schließlich spricht auch die verkürzte Paraphrase von D. 13,5,1 pr. – der einzigen, nicht wörtlich aus De Iure Praedae übernommenen Quelle  – dagegen, dass Grotius hier bewusst einen Bezug zur regula fidei oder generell dem Konzept der fides herstellen wollte, da er gerade den ausdrücklichen Bezug auf diese in D. 13,5,1 pr. unterschlägt1352. Abgesehen von den erst in späteren Ausgaben ergänzten Bezügen auf Talmud und Horaz, bestehen einzig die Ausführungen zu D.  50,17,84,1 ohne Vorlage in De  Iure Praedae oder dem Brief. Dieses Fragment übernimmt Grotius von Connan, der es gerade als Beleg für seine Ansicht anführt1353. Entsprechend unterscheidet es sich auch dadurch von den übrigen angeführten Quellen, dass Grotius einzig hierzu inhaltlich Stellung nimmt. Aus pacta nuda entstehe – entgegen der Ansicht Connans – bereits v o r Erbringung der Leistung durch den 1351 Vgl. S. 186–205, insb. Fn. 895 sowie dazu S. 202–205. 1352 D. 13,5,1 pr. (Ulpianus libro vicensimo septimo ad edictum)  : Hoc edicto praetor favet naturali aequitati  : qui constituta ex consensu facta custodit, quoniam grave est fidem fallere [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. demgegenüber Grotius’ Paraphrase  : Sic edictum de pecunia constituta, ubi nulla in constituente debendi causa praecesserat praeter consensum, favere dicitur naturali aequitati. 1353 Connan, Commentariorum Iuris Civilis, lib.  V cap.  I num.  6 [S.  475]  : Ut existimem, eorum demum pactorum fuisse aliquam iure naturali non obligationem quidem, sed honestatem, quae ijs de rebus essent, quas etiam non promissas aequum erat praestare. nam commodare alter alteri lege naturae astringimur  : quae tamen obligatio non a promissione verborum oritur, sed ab ipsa natura & longe lateque abest ab ea quam naturalem obligationem in iure appellamus. […] Et hic crediderim te natura debere non quod promisisti, sed quod mea interest. Sicque intelligendum quod respondit Paul. l. Cum amplius. de regul. iuris  : Is natura debet, quem iuregentium dare oportet, cuius fidem secuti sumus. Tum enim vere dicimur fidem secuti alicuius, cum ab eo persuasi tantam fidem eius promissis habuimus, ut perniciosum id nobis futurum sit, nisi ea faciat. At re integra nihil video cur revocare non possit. Nam & in contractib. innominatis fuit re integra, & antequem σϋνάλλαγμα intervenisset, poenitentiae locus  : cur non etiam in nudis pactis. Sic ergo sane existimo, et ante contractum σϋνάλλαγμα nihil obligationis, ne naturalis quidem fuisse […] [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 171.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

300 | 

Achtes Kapitel

Gläubiger eine naturalis obligatio, wenngleich das staatliche Recht eine Klage zum Schutz der Gerichte vor einer Überlastung verwehre1354. Auf die vermeintliche Schwäche dieser Stellungnahme hat bereits Diesselhorst hingewiesen  : Die zitierte Passage aus D. 50,17,84,1 lässt sich (insbesondere vor dem Hintergrund des von Grotius verschwiegenen aber von Connan bemühten principium)1355 problemlos auch mit dem auf der Austauschgerechtigkeit basierenden Vertragsverständnis Connans vereinbaren.1356 Dabei übersieht Diesselhorst jedoch, dass das Fragment ursprünglich von Connan für die Gegenposition angeführt wurde. Grotius dürfte daher weniger darum bemüht gewesen sein, eine zwingende, als vielmehr eine zumindest plausible Deutung im Sinne seiner Argumentation vorzutragen. Damit endet die Argumentation für die verbindliche Wirkung einseitig verpflichtender Versprechen zunächst, wobei Grotius diese autoritätsbasierte Begründung an späterer Stelle noch einmal aufgreift1357. Die zentrale Stellung der Auseinandersetzung mit Connan zu Beginn der Versprechenslehre zeugt jedoch von der Bedeutung, die Grotius ihr beigemessen hat. Dass Grotius’ Angriff nicht nur Connans Forderung nach einer synallagmatischen Beziehung, sondern letztlich jeglicher Art von causa als zusätzlichem Erfordernis neben der willentlichen Entscheidung zur Selbstverpflichtung gilt, wird im Folgenden auch seine analytisch-konstruktive Herleitung verbindlicher Versprechen (promissa)1358 deutlich machen. Insoweit ist Bergfeld im Ergebnis zuzustimmen, wenn er Grotius als »unbedingten Antipoden von Connanus«1359 bezeichnet.1360 In der Folge greift Grotius zudem mehrfach auf die von einer causa unabhängige naturrechtliche Verbindlichkeit von Versprechen zurück. Einerseits verwendet er diese als argumentum a maiore ad minus dafür, dass ein Versprechen auch dann wirksam sei, wenn es für eine bereits zuvor geschuldete Gegenleistung abgegeben wurde.1361 Andererseits differenziert er, anknüpfend an das Erforder1354 Mit der drohenden Überlastung der Gerichte nimmt Grotius ein bei Humanisten und in der Spätscholastik verbreitetes Argument für die Unwirksamkeit der pacta nuda im römischen und gemeinen Recht auf, vgl. Fn. 178, 237, 909. 1355 Vgl. Fn. 1353. 1356 Diesselhorst, Grotius, S. 43. 1357 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 2, und dazu S. 355–359. 1358 Vgl. dazu S. 359–366 und ferner S. 341–344. 1359 Bergfeld, Connanus, S. 96. 1360 Dies gilt jedoch nur bezüglich des promissum als eigenem Rechtsinstitut. Im Detail stimmt Grotius mit Connans Aussagen zum contractus weitgehend überein, vgl. dazu im Text bei Fn. 1211– 1218. 1361 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § X  : Quod vero promittitur ob causam ante debitam, non eo minus

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa 

| 301

nis einer causa, zwischen Verträgen, die Könige in ihrer Funktion als Souverän schließen, und solchen, die sie als Privatpersonen schließen  : Verträge des Souveräns unterliegen allein dem Naturrecht und sind daher unabhängig von einer causa wirksam,1362 private Verträge des Königs unterliegen hingegen dem staatlichen Recht und damit auch einem daraus folgenden Erfordernis einer c­ ausa.1363 Vor diesem Hintergrund ist die von Schmidlin formulierte These kritisch zu betrachten, wonach Grotius eine causa zwar nicht für die Selbstbindung des Schuldners, wohl aber für die Berechtigung des Gläubigers verlange.1364 Dies entnimmt er der sogleich zu untersuchenden Herleitung des promissum über die Vorstufen einer unverbindlichen assertio und einer verbindlichen, aber nicht durchsetzbaren pollicitatio1365. Nicht die Selbstbindung, wohl aber die Rechtsübertragung an den Gläubiger bedürfe ebenso einer causa wie jede andere Rechtsübertragung auch. So eingängig diese These angesichts des übereignungsähnlichen Charakters des promissum1366 sein mag, lassen sich in De Iure Belli ac Pacis doch keine Belege dafür finden1367. Vielmehr tritt der allgemeine Grundsatz, dass (neben einer noch näher zu untersuchenden facultas moralis) ausschließlich der Wille zur Begründung von Rechten genügt, bereits früher im Kontext der Eheschließung hervor  : debetur, si ius naturale spectemus, secundum ea quae de rei alienae acceptione supra diximus  : nam et sine ulla causa promissum naturaliter deberetur [Hervorh. d. Verf.] Vgl. dazu auch Diesselhorst, Grotius, S. 52–54  ; Kowalski, causa, S. 185, 189 f. 1362 Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § IV  : Promissa quoque plena et absoluta atque acceptata naturaliter ius transferre demonstratum supra est, quod itidem ad reges non minus quam ad alios pertinet, ita ut improbanda sit hoc quidem sensu eorum sententia qui negant regem teneri unquam his quae sine causa promisit [Hervorh. d. Verf.]. 1363 Grotius, IBP, lib. II cap. XIV §§ IV–V. 1364 Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 193 f. 1365 Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ II–IV 1  ; vgl. dazu S. 303–344. 1366 Vgl. im Text bei Fn. 1285 und dazu S. 286–295  ; sowie im Text bei Fn. 1546 und dazu im Text bei Fn. 1550–1559. 1367 Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 193 Fn. 17, verweist insoweit auf Grotius, IBP, lib. II cap. I § IX, (gemeint ist Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IX) und auf Grotius, IBP, lib. II cap. XVI § XXV 2. In der erstgenannten Passage erklärt Grotius, dass Versprechen (schwebend) unwirksam seien, soweit diesen ein verwerflicher Zweck zugrunde liege. Dabei handelt es sich keinesfalls um den Gedanken einer generell für jede Rechtsübertragung erforderlichen causa, die Grotius in der Inleidinge als redelicke oorzaecke bezeichnet, vgl. dazu Fn. 1164, sondern vielmehr um die causa turpis vel iniusta des römischen Rechts, die sich in der Inleidinge als ooneerlijcke oor­ zaecke findet  ; vgl. dazu Kowalski, causa, S.  182–184. Die zweite von Schmidlin angeführte Passage betrifft die clausula rebus sic stantibus  ; vgl. dazu Diesselhorst, Grotius, S. 64 Fn. 27. In diesem Zusammenhang kommt causa dem nahe, was heute als (nicht notwendig gemeinsame) Geschäftsgrundlage bezeichnet wird.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

302 | 

Achtes Kapitel

[…] Principium et hic et in aliis actibus humanis unde ius oritur, est ius illud quod facultatem moralem interpretati sumus, simul cum voluntate sufficiente. quae voluntas sit sufficiens ad ius producendum infra melius tractabitur, ubi de promissis in genere agetur. […]1368

[…] Der Ursprung ist hier und in allen anderen menschlichen Handlungen, aus welchen ein Recht entsteht, jenes Recht, das wir als moralische Fähigkeit (facultas moralis) gedeutet haben, zusammen mit dem ausreichenden Willen. Welcher Wille ausreichend ist, um ein Recht hervorzubringen, wird später ausführlicher besprochen, wo Versprechen grundsätzlich behandelt werden. […]

Demnach haben sämtliche »menschlichen Handlungen, aus denen ein Recht entsteht«1369 grundsätzlich nur z w e i Voraussetzungen  : Die Inhaberschaft des als facultas moralis bezeichneten Rechts und einen »a u s r e i c h e n d e n W i l l e n «. Von einer darüber hinaus erforderlichen, wie auch immer gearteten causa der Rechtsbegründung bzw. -übertragung ist keine Rede. Mit der facultas moralis hat sich Grotius bereits zuvor auseinandergesetzt,1370 für eine nähere Bestimmung des »ausreichenden Willens« verweist er im Detail auf das Kapitel De Promissis. Dort folgt auf die soeben untersuchte rechtsfolgenorientierte und mit Autoritäten untermauerte Argumentation1371 eine konstruktive Begründung dieser Bindungswirkung, in der dem »ausreichenden Willen« eine zentrale Bedeutung zukommt.

1368 Grotius, IBP, lib. II cap. V § X 1. 1369 Entgegen der ausgesprochen offenen Formulierung actibus humanis unde ius oritur bezieht sich diese Aussage nur auf Handlungen, die eine Rechtsfolge auslösen s o l l e n , nicht aber auf deliktische Handlungen oder solche, aus denen Bereicherungsansprüche entstehen, denn der im Kapitel De Promissis beschriebene Rechtsübertragungs- oder Berechtigungswillen ist für diese offensichtlich ebenso unpassend wie das Bestehen einer entsprechenden Berechtigung im Falle der deliktischen Ansprüche, die vielmehr gerade die Abwesenheit einer solchen erfordern. Der Begriff dürfte vielmehr im Sinne der zu Beginn des Kapitels De Contractibus ausdifferenzierten, fremdnützigen Handlungen (actus aliis utiles) zu verstehen sein  ; vgl. dazu auch S. 269–274. Insofern ist hier, wenn auch unbewusst, gewissermaßen bereits die Idee des (willenstheoretisch verstandenen, vgl. dazu Schermaier, HKK, vor § 104, insb. Rn. 6 f.) Rechtsgeschäfts, d. h. einer abstrakten Kategorie aller auf Herbeiführung von Rechtsfolgen g e r i c h t e t e n Handlungen, angelegt. 1370 Grotius, IBP, lib. I cap. I §§ IV–V  ; vgl. dazu S. 330–336. 1371 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 3–4  ; vgl. im Text bei Fn. 1285, 1343.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung 

| 303

III. Die analytisch-konstruktive1372 Herleitung  : assertio, pollicitatio und promissum Im Anschluss an die Verteidigung der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämt­ licher Abreden unterscheidet Grotius »zum besseren Verständnis« (sed ut bene res intelligatur) »drei Stufen, über zukünftige Dinge zu sprechen, welche in unserem Vermögen stehen oder von denen wir glauben, dass sie in unserem ­Vermögen stehen werden«.1373 Ausgehend von diesem gemeinsamen Oberbegriff der »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi de rebus futuris) beschreibt Grotius eine ­assertorische und zwei promissorische Äußerungen  : assertio, pollicitatio und promissum. Diese bauen aufeinander auf, sodass im Rahmen der pollicitatio und des promissum nur die zusätzlich hinzutretenden Elemente erörtert werden. Diese »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi de rebus ­futuris) wurden in der Literatur teilweise als »minder oder mehr verbindlich[e] Willens­erklärungen«1374, »Versprechen«1375 oder »Versprechensstufen«1376 umschrieben. Behrends hat insoweit zu Recht kritisiert, dass diese Bezeichnungen zumindest der rein assertorischen ersten Stufe nicht gerecht werden.1377 Der­artige Übersetzungen bergen zudem die Gefahr, den für Grotius essenziellen ­Zukunftsbezug zu unterschlagen. Es ist aber gerade dieser Oberbegriff der ­gradus loquendi de rebus futuris, der sofort vollzogene Geschäfte aus Grotius’ Ver­sprechensbegriff ausschließt.1378 In der Literatur wurde vielfach auf die Parallelen dieser Herleitung zu der Unterscheidung zwischen der – auch als pollicitatio bezeichneten – belofte und der  –  auch als promissio bezeichneten  – toezegging in der Inleidinge hingewie1372 Diese überaus passende Bezeichnung für die hier behandelte Argumentationslinie geht auf Behrends, Treu und Glauben, S. 963, 969, zurück. Dieser prägt den Begriff in Abgrenzung zu einer zweiten, christlich-anthropologischen, Argumentationsschicht. Er fasst daher auch Argumente unter diesen Begriff, die vorliegend davon unterschieden werden sollen. Die Beschreibung analytisch-­konstruktiv soll allein auf die dreistufige Herleitung des Versprechensbegriffs in Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 5 – IV 1, reduziert werden. 1373 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 5  : Sed ut bene res intelligatur, distinguendi sunt diligenter tres gradus loquendi de rebus futuris quae nostrae sunt potestatis, aut fore putantur. 1374 Hartenstein, Grotius, S. 183 Fn. 63. 1375 Vgl. Fn. 1549 m. w. N. 1376 Diesselhorst, Grotius, S. 40, 43–45, 47, 49, 69, 71 f., 112  ; ähnlich auch Recknagel, Freier Wille, S. 408. 1377 Behrends, Treu und Glauben, S. 961 Fn. 16. 1378 Vgl. zur Bedeutung dieser Einschränkung im Text nach Fn. 1229 sowie bei Fn. 1236–1239.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

304 | 

Achtes Kapitel

sen,1379 welche ihrerseits auf die Thesen  3 und 4 in den Theses  LVI und die ­Beschreibung der regula fidei als pactorum origo in De Iure Praedae zurückgehen dürfte.1380 Daneben wurden auch die Parallelen zu der Abstufung von deliberatio, propositum und promissio in den (spät-)‌scholastischen Lehren zum Gelübde und zum freigiebigen Versprechen betont.1381 Allerdings zeichnen sich die entsprechenden Passagen1382 in Grotius’ (in der Universitätsbibliothek Lund erhaltenem und stellenweise ausführlich kommentierten) Exemplar der Summa Theologiae durch das Fehlen jeglicher Notizen oder Unterstreichungen aus.1383 Zudem finden sich die von Grotius verwendeten Begriffe (assertio und)1384 pollicitatio in diesem Kontext weder bei Thomas von Aquin noch bei den in der ­Sekundärliteratur ­angeführten spätscholastischen Autoren. Auffällige Ausnahmen bilden insofern de  Soto, der die gebräuchlicheren Begriffe deliberatio, propositum und promissio in Relation zu einer (der a­ ssertio ähnlichen) affirmatio und pollicitatio setzt,1385 und Suárez, der im Kontext 1379 Vgl. etwa Feenstra, Inschuld, S.  461  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S.  93  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 142–144, Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 137  ; vgl. zu belofte und toezegging im Detail S. 233–250.­ 1380 Vgl. Grotius, IPC, cap. II, fol. 10v [S. 19], sowie dazu S. 128  ; Grotius, Theses LVI, fol. 287r, ­Theses 3–5, sowie dazu S. 162–169  ; Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 5–13, sowie dazu S. 233– 250. 1381 Decock, Contract Law, S. 179–182, 209  ; Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 323 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 12, 17–30, 34, 44–52, 68 f.; Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 113  ; Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 125  ; Diesselhorst folgend auch Nanz, Vertragsbegriff, S. 142 f.; Recknagel, Freier Wille, S. 408  ; Wieacker, contractus und obligatio, S. 233  ; Ders., vertragliche Obligation, S. 16 f.; vgl. zu den potenziellen (spät-)‌scholastischen Vorlagen im Text bei Fn. 242–245. 1382 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 1 [Bd. 9, S. 234 f.]. 1383 Dies hat mir Professor Håkansson, Universität Lund, Schweden, in einer E-Mail vom 4.01.2018 versichert, wofür ich zu großem Dank verpflichtet bin. 1384 Von assertio spricht zumindest Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. VIII num. 55 [S. 224]  : atqui promissio ex natura sua obligat supra simplicem assertionem, ut ostensum est  : ergo fides, cuius est implere promissum, obligat plusquam virtus veritatis, cuius est verificare assertum. 1385 de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. I a. II Propositum non satis est ad votum bis Ad primum argumentum [Bd. 4, S. 618]  : Hic tamen non obstantibus, respondetur, propositum ad votum, non sufficere, sed necessarium esse promissionem. […] Tertio, quo punctim res tangitur, votum est illud ubi ligatur fides, quae, ut ait I. Offic. Cicero, est fundamentum iustitiae  : fides autem, ut ipse & Augustinus aiunt, est quia fit quod dicitur  : ergo votum non habet vim nisi id dicitur quod faciendum est  : dicere autem est opus intellectus  : ergo in promissione consistit obligatio  : & non antea. […] Et sunt verba expressa in cap. si bona. 17. quaest. 1. aliud esse propositum concipere in corde, & etiam ore nuntiare, aliud subsequenti obligatione se reum facere voti. Quare illic Gregorius illum qui propositum absque promissione habuerat, absolvit a voto. Et iure civili ex pollicitatione nascitur ob-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung 

| 305

der Versprechensbindung Gottes zunächst zwischen assertio und promissio und a­ nschließend mit Blick auf menschliche Versprechen und das gemeine Recht zwischen pollicitatio und promissio differenziert1386. De Sotos De Iustitia et Iure kommt auch deshalb als Vorlage in Betracht, da es zu den wenigen Werken zählt, auf die Grotius während der Arbeit an der ­Inleidinge unmittelbar Zugriff hatte1387 und sich sowohl die Abstufung als auch die Begriffe pollicitatio und promissio bereits dort finden1388. Derartige Vergleiche bergen jedoch die Gefahr, den Blick auf die systemimmanente Bedeutung der dreistufigen Konstruktion zu verstellen. Diese erschließt sich vor dem Hintergrund der methodischen Ausführungen in De Iure Belli ac Pacis  : Quomodo probetur ius naturale.

Auf welche Weise das Naturrecht bewiesen wird.

Esse autem aliquid iuris naturalis probari solet tum ab eo quod prius

Dass etwas zum Naturrecht gehört, pflegt man teils a priori, teils a posteriori nachzuweisen.

ligatio  : ut. ff. de pollicita. serv. l. pactum. Unde pro solutione contrariae rationis notandum est discrimen inter propositum & promissionem. Propositum namque cum sit in voluntate, neque affirmatio est neque locutio, sed est consensus seu voluntas quae exprimetur per simplicem intellectus affirmationem futuri, scilicet faciam. Haec autem simplex assertio non facit illum sensum  : Promitto facere  : sed est simplex affirmatio illius quod quis tunc in animo gerit. Et ideo non est mendacium  : quia mentiri est contra mentem ire. Ad formam igitur argumenti negatur quod se postea sic proponens non faciat, mentiatur  : licet faciat propositionem fuisse falsam  : quia potuit mutare propositum. Itaque licet falsum dixerit, neque mentitus est quando protulit  : quia tunc dixit quod putabat facere, nec quando postea fecit contra  : quia non tenebatur non mutare propositum. Superveniens autem promissio sic firmat propositum, ligatque animum alteri, ut absque fractione fidei & iustitiae non valeat illud mutare  : promissio ergo est necessaria [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. ferner zum Eid ebd., lib. VIII qu. I a. I Blasphemiae und Responsio [Bd. 4, S. 712]  : Utrum iuramenta assertorium, & promissorium sint eiusdem speciei. […] Deum enim in testem implorare sive in assertionibus sive in promissionibus fiat sive in execrationibus eadem est iurandi species, quia idem est testis & testimonium. Differunt tamen accidentariae hoc est ratione materiei, quae per se alio genere differunt  : ut pollicitatio & assertio si enim animal per album dividas & nigrum, licet per se duae sunt differentiae coloris sunt tamen genere animalis accidentariae. 1386 Suárez, De  Libertate Divinae Voluntatis, disp.  II sect.  II num.  10–21 [Bd.  11, S.  416–421], insb. ebd., num. 12 [Bd. 11, S. 417]  : ergo promissio non est simplex assertio, sicut comminatio, sed addit aliquid aliud quod veram et propriam rationem promissionis compleat  ; ebd., num. 21 [Bd. 11, S. 421]  : differre pollicitationem a pacto nudo, quia pollicitatio est unius tantum, pactum vero duorum. Et in hoc etiam distinguunt pollicitationem a promissione. Vgl. ferner zu diesen Ausführungen Suárez’ im Detail Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 64–69. 1387 Vgl. im Text bei Fn. 215  ; Fn. 959. 1388 Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 5, 9–11, sowie dazu im Detail S. 233–250.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

306 | 

Achtes Kapitel

est, tum ab eo quod posterius. ⟨ quarum probandi rationum illa subtilior est, haec popularior. ⟩1389 A priori, si ostendatur rei alicuius convenientia aut disconvenientia necessaria cum natura rationali ac sociali  : a posteriori vero, si non certissima fide, certe probabiliter admodum, iuris naturalis esse colligitur id quod apud omnes gentes, aut moratiores omnes tale esse creditur. Nam universalis effectus universalem requirit causam  : talis autem existimationis causa vix ulla videtur esse posse praeter sensum ipsum communis qui dicitur.1390

⟨ Von diesen Beweisführungen ist die erste genauer, die zweite allgemein verständlicher. ⟩ A priori, sofern die zwingende Übereinstimmung oder der zwingende Widerspruch irgendeiner Sache mit der vernünftigen und sozialen Natur gezeigt wird  ; a posteriori aber, sofern die Zugehörigkeit zum Naturrecht nicht mit völliger Gewissheit, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit daraus geschlossen wird, dass dies von allen oder allen zivilisierteren Völkern für wahr gehalten wird. Denn eine allgemeine Wirkung setzt eine allgemeine Ursache voraus  : Die Ursache einer solchen Meinung kann aber kaum in etwas anderem als dem gesehen werden, was gesunder Menschenverstand genannt wird.

Demnach gibt es zwei mögliche Beweise für die Zugehörigkeit einer Norm zum Naturrecht  : den Beweis a  priori und den Beweis a  posteriori.1391 Der Beweis a priori besteht in einer unmittelbaren Herleitung aus der Vernunft bzw. der sozialen Veranlagung des Menschen.1392 Der Beweis a posteriori stellt demgegenüber einen indirekten Nachweis dergestalt dar, dass die Übereinstimmung einer Vielzahl von Quellen die Übereinstimmung einer Aussage mit der Vernunft indiziert.1393 1389 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1631 im Fließtext hinzugefügt. 1390 Grotius, IBP, lib. I cap. I § XII 1. 1391 Vgl. dazu besonders erhellend Straumann, Grotiana 38 (2017), S. 213  ; Ders., Grotius, S. 28– 32, 110–127, 198  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 334–336  ; Ders., Roman Law, S. 51–55, 66–82, 225, der die Parallelen zur logischen Begründung (ratiocinatio) und zum empirischen Beweis (inductio) in der antiken Rhetorik betont  ; ferner auch Aure, FHI 2008, Rn.  15–23  ; Buckle, Property, S. 4–6  ; van Eikema Hommes, NILR 31,1 (1984), insb. S. 104 f.; Haakonssen, Political Theory 13,2 (1985), S. 249 f.; van Spyk, Vertragstheorie, S. 77 f., 83–86  ; Welzel, Gerechtigkeit, S. 129. 1392 Vgl. auch Grotius, IBP, prolegomena XXXIX  : […] Primum mihi cura haec fuit, ut eorum quae ad ius naturae pertinent probationes referrem ad notiones quasdam tam certas ut eas nemo negare possit, nisi sibi vim inferat. Principia enim eius iuris, ⟨ si modo animum recte advertas, ⟩ per se patent atque evidentia sunt, ferme ad modum eorum quae sensibus externis percipimus  ; qui et ipsi bene conformatis sentiendi instrumentis, et si caetera necessaria adsint, non fallunt […] [Hervorh. d. Verf.]. 1393 Vgl. auch Grotius, IBP, prolegomena XL  : […] Usus sum etiam ad iuris huius probationem tes­ timoniis philosophorum ⟨  Quid ni, cum Alexander Severus Ciceronis de republica et Officiis libros perpetuo lectitarit  ? ⟩, historicorum, poëtarum, postremo et oratorum  : non quod illis indiscrete credendum sit  ; solent enim sectae, argumento, causae servire  : sed quod ubi multi diversis temporibus ac locis idem pro certo affirmant, id ad causam universalem referri debeat  : quae in

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung 

| 307

Beide Beweise kennt Grotius bereits in früheren Werken. In De  Iure Praedae1394 spricht er insofern (in Anlehnung an Cicero)1395 von einem Nachweis ex intima philosophia bzw. einer Bestätigung durch sacra auctoritas, sapientes viri und laudatissimae nationes, in dem Brief vom 28.02.‌16161396 von einer Definition secundum principia bzw. einer Definition a posteriori. Stets ist dabei ein Rangverhältnis zwischen beiden Kategorien angelegt,1397 welches in dem 1617 veröffentlichten De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra besonders deutlich hervortritt. Dort heißt es, ein Rückgriff auf menschliche Autoritäten sei nur zulässig, soweit die entsprechende Frage nicht zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand gehöre oder wenn ein Beweis ex principiis rei internis iudicii (oder ex divina auctoritate) nicht gelinge.1398 Die jeweils verwendeten Ausdrücke mögen sich (auch werkimmanent) ­unter­scheiden, der Sache nach kennt Grotius aber stets den vorzugswürdigen ­deduktiven bzw. logisch-konstruktiven Beweis einerseits (a priori  ; principia ­iuris  ; ex intima philosophia  ; secundum principia  ; ex principiis rei internis ­iudicii) und den Indizienbeweis durch eine große Übereinstimmung unterschiedlicher Quellen andererseits (a posteriori  ; probationem testimoniis philosophorum, ­historicum, poëtarum, postremo et oratorum  ; sapientibus viris et laudatissimis ­nationibus  ; ­humanae auctoritate). nostris quaestionibus alia esse non potest quam aut recta illatio ex naturae principiis procedens, aut communis aliquis consensus. Illa ius naturae indicat, hic ius gentium […] [Hervorh. d. Verf.]. 1394 Vgl. Fn. 499 sowie ferner exemplarisch zur Umsetzung Fn. 458 und im Text bei Fn. 583. Den Zusammenhang zwischen den methodischen Ausführungen in De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis sehen schon van Eikema Hommes, NILR 31,1 (1984), S. 105  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 142. 1395 Cic. leg. 1,17  ; vgl. dazu Straumann, Grotius, S. 23 f., 26  ; Ders., Political Theory 34,3 (2006), S. 333  ; Ders., Roman Law, S. 30–32, 38 f. 1396 Vgl. im Text bei Fn. 787 sowie zu den methodischen Hintergründen Fn. 789 und im Text bei Fn. 793–799. 1397 Hölzel, Grundlagen, S. 7, will eine »beachtliche Akzentverschiebung« zwischen Mare Liberum und De  Iure Belli ac Pacis sehen, da Grotius in Mare Liberum noch freimütig Autoritätsargumente akzeptiert hätte. Die hier ausgewerteten Passagen aus dem –  Mare Liberum zugrunde liegenden – De Iure Praedae legen demgegenüber nahe, dass Grotius auch in den frühen Werken Autoritätsargumente allein nicht für überzeugend hielt. Ungeachtet dessen führt er allerdings als rhetorisches Mittel wiederholt von seinen Gegnern geachtete Autoritäten gegen diese an  ; vgl. Fn. 592. 1398 Grotius, ISP, cap. VI § 3  : Humanae vero auctoritati nemo tenetur acquiescere nisi qui neque ex divina auctoritate neque ex principiis rei internis iudicii exitum potest reperire. Licet tamen acquiescere in rebus omnibus quarum indago nobis mandata non est [Hervorh. d. Verf.]. Vgl. dazu auch Hölzel, Grundlagen, S. 8 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

308 | 

Achtes Kapitel

Für die dreistufige Konstruktion von assertio, pollicitatio und promissum sind insbesondere die vergleichsweise konkreten Ausführungen in dem Brief vom 28.02.‌1616 aufschlussreich. Demnach besteht eine Definition secundum principia darin, die nächsthöhere Gattung (genus proximum) und den spezifischen Unterschied (differentia) des zu definierenden Gegenstandes anzugeben. Für die Stipulation bedeutet dies etwa, dass sie zur Gattung der »wörtlichen Übereinkunft« (conventio verbalis bzw. conventio verborum) gehöre und ihr spezifischer Unterschied im Vergleich zu anderen wörtlichen Übereinkünften darin liege, dass sie aus Frage und Versprechen besteht. Eben diese Vorgehensweise wendet Grotius auch in De Iure Belli ac Pacis an  : Bedingt durch den gestuften Aufbau von assertio, pollicitatio und promissum erörtert er jeweils nur, was diese von den anderen beiden Stufen unterscheidet (differentia). Den Ausgangspunkt bildet die gemeinsame Gattung (genus)  : »Über zukünftige Dinge zu sprechen, welche in unserem Vermögen stehen oder von denen wir glauben, dass sie in unserem Vermögen stehen werden«. Insofern wäre es falsch, die Herleitung des promissum über assertio und pollicitatio (allein) auf moraltheologische Einflüsse zurückzuführen.1399 Inhaltlich findet sie ihre Vorlage in den Theses LVI und der Inleidinge, methodisch in den Ausführungen zur deduktiven Beweisführung in De Iure Belli ac Pacis, De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra, dem Brief vom 28.02.‌1616 und De Iure Praedae. Zudem wird sich zeigen, dass diese dreistufige Konstruktion in De Iure Belli ac Pacis eine Entsprechung in Grotius’ Verständnis von Pflichten und subjektiven Rechten findet. 1. Die deklaratorische Aussage und das Recht auf Willensänderung (assertio) Die erste der drei »Stufen, über zukünftige Dinge zu sprechen, welche in unserem Vermögen stehen oder von denen wir glauben, dass sie in unserem Vermögen stehen werden«1400 (gradus loquendi), bildet die assertio. Sie ist dabei nicht nur eine von mehreren Varianten, sondern gleichsam eine Vorstufe zu pollicitatio und promissum. 1399 So jedoch insbesondere Wieacker, vertragliche Obligation, S. 16 f., der in den drei Stufen ein »der Moraltheologie entlehnt[es] […] Lehrstück seelsorgerischer Herzensergründung« sieht, welches von Grotius »auch dort mitgeführt wird, wo es im vernunftrechtlichen Bezugssystem keine eigene Funktion mehr hat«. 1400 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 5  ; vgl. Fn. 1373.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – assertio 

| 309

Aus dieser Beziehung ergibt sich ihre Relevanz für die Untersuchung des ­Geltungsgrundes von promissa  : Da die assertio selbst unverbindlich ist, kann sich die bindende Wirkung der zweiten und dritten Stufe jeweils nur aus einem zusätzlichen Element herleiten. Negativ formuliert bedeutet dies  : Für Grotius kann jedenfalls all das nicht den Geltungsgrund der Versprechen im engeren Sinne darstellen, was diesen mit der unverbindlichen assertio gemein ist. Assertionem nudam non obligare.

Die bloße assertio bindet nicht.

Primus gradus est assertio explicans de futuro animum qui nunc est  : et ad hanc, ut vitio careat, requiritur veritas cogitationis pro tempore praesenti, non autem ut in ea cogitatione perseveretur. […]1401

Die erste Stufe ist die assertio, die den jetzigen, auf Zukünftiges gerichteten Willen erklärt  : Und in Bezug auf diese wird, damit sie frei von Fehlern ist, die Wahrheit der Überlegung für den gegenwärtigen Zeitpunkt verlangt, nicht aber dass diese Überlegung beibehalten wird.

Auch im Rahmen einer assertio ist der »Versprechende« –  oder besser der ­»Sprechende« –1402 nicht frei von jeder Pflicht. Voraussetzung für eine fehlerfreie assertio ist die Beachtung der veritas, der Tugend, die Wahrheit zu sagen.1403 Diese Tugend erwächst nicht erst aus der assertio, sondern besteht unabhängig von dieser und erschöpft sich vielmehr in der (wahrheitsgemäßen) Aussage  : Eine zukunftsbezogene Aussage ist wahr, soweit sie mit der zugrunde liegenden Vorstellung im Zeitpunkt der Aussage übereinstimmt  ; auf die tatsächlichen zukünftigen Umstände kommt es hingegen nicht an.1404 Die Tugend der veritas bezieht sich 1401 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § II. 1402 Vgl. im Text bei Fn. 1373–1378. 1403 Insoweit ist die assertio bereits in der Inleidinge in der Abgrenzung zur belofte angelegt, wenngleich sie dort noch nicht mit einem eigenen Begriff versehen ist  ; so schon Feenstra, Inschuld, S. 461  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 144. Vgl. Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 5  : […] welcke spraeck den menschen alleen onder alle dieren tot beter betrachtinghe van de onderlinghe ghemeenschap is gegeven, om daer mede bekent te maken ’t gunt in ’t gemoed is verholen  : waer van de behoorlickheid bestaet in de over-een-kominghe van het teicken met het beteickende, ’t welck waerheid werd genoemt. Maer alzoo de waerheid alleen inghezien zijnde niet anders medebrent als een over-een-koming van de tael met het ghemoed voor die tijd als de tael werd gebruickt […], vgl. im Text bei Fn. 1042. 1404 So im Ergebnis schon Henniges, Observationes, Assertio explicans de futuro animum ad IBP lib. II cap. XI § II  : Mallem Grotius hanc suam assertionem verbis magis perspicuis aut exemplo subjecto declarasset, ut nobis constaret, quousque illam vellet extensam. […] Itaque capio mentem Grotii hoc modo  : assertionem explicantem de futuro animum, qui nunc est, praeter spem factam de futuro promisso, si ita mihi libuerit, nihil aliud importare  ; qua in sententia me confirmat non solum, quod locus poenitentiae detur absque ulla perfidia, sed & quia ad essentiam & validitatem hujus assertionis sufficit sola veritas cogitationis pro tempore praesenti, non autem ut in ea cogitatione perseveretur, quod

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

310 | 

Achtes Kapitel

ausschließlich auf den Zeitpunkt der Aussage, nicht aber den Zeitpunkt, über den gesprochen wird. Schon in früheren Werken erklärt Grotius wiederholt, dass eine fehlende Übereinstimmung von Aussage und Willen (lediglich) einen Meineid oder eine Lüge darstelle.1405 Ungeachtet des jeweils bemühten Simonides-Zitats, wonach verum dicere einen Teil der iustitia bilde,1406 verpflichtet veritas somit gerade nicht dazu, den Eintritt der Aussage »wahr zu machen«.1407 Die Begründung schließt Grotius unmittelbar an  : […] Habet enim animus humanus non tantum naturalem potentiam mutandi consilium, sed et ius. Quod si in mutatione sententiae vitium sit aliquod, ut accidit, id non est intrinsecum mutationi, sed ex materia, puta quia prior sententia erat melior.1408

Denn der menschliche Wille hat nicht nur die natürliche Möglichkeit, einen Entschluss zu ändern, sondern vielmehr das Recht. Wenn nun bei der Änderung der Meinung irgendein Fehler sein sollte, wie es vorkommt, so liegt dieser nicht in der Änderung an sich, sondern in dem Inhalt, zum Beispiel weil die vorherige Meinung eine bessere war.

naturae spei incertae examussim convenit, utpote nullius obligationis introductoriae, nec indeterminato & innocuo promissio quicquam de plenaria agendi libertate delibantis [Hervorh. d. Verf.]. 1405 Vgl. zum Parallelon Rerumpublicarum im Text bei Fn. 366  ; sowie zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 506, 624. Vgl. zum Eid aber auch Grotius, IBP, lib. II cap. XIII § XIII 2, wonach man aus einem Eid sowohl zur Wahrheit (verba animo congruant) als auch zur Verwirklichung des Eides (factum congruat verbis) gebunden sei, wobei lediglich der Verstoß gegen ersteres einen Meineid darstelle, wenngleich dies oft zu Unrecht vermengt würde. 1406 Vgl. zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 533  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 831 und zu De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1343. 1407 Eine Ausnahme bilden insofern die Theses LVI, in denen Grotius die veritas offenkundig auf die Zukunft erstreckt, vgl. im Text bei Fn. 716. Davon nahm er allerdings bereits in der Inleidinge wieder Abstand, vgl. im Text bei Fn. 1042–1046. Vgl. zu den Ursprüngen der Vorstellung, wonach die Tugend der veritas eine auf die Zukunft gerichtete Pflicht das Gesagte wahrzumachen gerade einschließe, bei den Kirchenvätern Nanz, Vertragsbegriff, S. 47 f.; Seuffert, obligatorische Verträge, S. 45 f. Auch die von Grotius selbst im Brief vom 28.02.‌1616 zitierte Aussage in Cic. off. 1,23, wonach fides in Beständigkeit (constantia) und Wahrheit (veritas) bestehe und auf die Umsetzung des Gesagten gerichtet sei (quod fiat quod dictum est), lässt sich in diese Richtung verstehen. Allerdings wendet sich bereits Thomas von Aquin gegen ein derart extensives Verständnis der veritas, vgl. Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 resp. [Bd. 9, S. 174 f.]  ; ebd., ad 3 [Bd. 9, S. 175]  ; ebd., qu. 88 a. 3 resp. [Bd. 9, S. 243]  ; ebd., ad 1 [Bd. 9, S. 243]  ; ebd., qu. 110 a. 1 resp. [Bd.  9, S.  421  f.]  ; ebd. a.  3  ad  5 [Bd.  9, S.  425]  ; sowie dazu Böttcher, Mentalreservation, S. 137–139  ; noch deutlicher Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. I num. 5 [S. 216]. Dass letzterer die unmittelbare Vorlage für Grotius’ Aufbau an dieser Stelle darstellt, wie Diessel­horst, Grotius, S. 22, 45, 47, vermutet, erscheint durchaus möglich, aber in Anbetracht der ähnlichen Position in der Inleidinge keineswegs sicher. Immerhin hatte Grotius während der Arbeit an der Inleidinge keinen Zugriff auf Lessius’ De Iustitia et Iure. 1408 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § II.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – pollicitatio 

| 311

Bereits in früheren Werken führt Grotius die Veränderlichkeit des menschlichen Willens gegen eine auf die Zukunft gerichtete Verpflichtung aufgrund der ethischen Wahrheitspflicht bzw., negativ formuliert, dem Verbot der Lüge an.1409 Darüber geht er hier jedoch hinaus, indem er neben der faktischen Möglichkeit ausdrücklich auf ein entsprechendes R e c h t (ius consilium mutandi) verweist.1410 Den Begriff ius verwendet Grotius dabei in De Iure Belli ac Pacis deutlich technischer als in früheren Werken.1411 Der Mensch hat jedenfalls ein noch näher zu untersuchendes Recht, seinen Willen zu ändern. Daran ändert eine deklaratorische Aussage über den gegenwärtigen Willen nichts. Während Grotius der Hinweis auf dieses Recht unmittelbar lediglich zur Verneinung der verbindlichen Wirkung der assertiones dient, ist die implizit enthaltene Aussage über pollicitationes und promissa wohl der eigentliche Grund dafür, dass er an dieser Stelle überhaupt auf assertiones eingeht  : Grundsätzlich gibt es ein R e c h t a u f f r e i e W i l l e n s ä n d e r u n g , aber da es der verbindlichen Wirkung von pollicitationes und promissa, wie sich zeigen wird, nicht entgegensteht, muss es möglich sein, darauf zu verzichten (oder es zu übertragen). 2. Der Verzicht auf das Recht auf Willensänderung (pollicitatio) Anders als im Fall der ersten Stufe, über Zukünftiges zu sprechen, der assertio, entsteht im Falle der zweiten Stufe, der pollicitatio, eine Pflicht (obligatio)  : Pollicitationem naturaliter obligare, sed inde alteri ius non nasci

Die pollicitatio bindet naturrechtlich, aber daraus entsteht dem anderen kein Recht.

Secundus gradus est, cum voluntas se ipsam pro futuro tempore determinat, cum signo sufficiente ad indicandam perseverandi necessitatem. Et haec pollicitatio dici potest, quae seposita lege civili obligat quidem, aut absolute, aut

Die zweite Stufe liegt vor, wenn der Wille sich selbst für einen zukünftigen Zeitpunkt durch ein Zeichen festlegt, welches ausreicht, um die Notwendigkeit des Beibehaltens anzuzeigen. Und dies kann pollicitatio genannt werden, die, obwohl sie vom staatlichen Gesetz beiseitegelassen worden ist, gewiss bindet, entweder uneingeschränkt oder unter

1409 Ausdrücklich in der Inleidinge, vgl. im Text bei Fn. 1042 (des mensches wil uit haer eigen aerd veranderlick)  ; sowie zumindest implizit in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 506, 619, 624 sowie ferner Fn. 531, 616. 1410 So schon Nanz, Vertragsbegriff, S. 144  ; ferner auch Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 94. 1411 Vgl. dazu noch im Detail S. 318–340, insb. S. 330–340.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

312 | 

Achtes Kapitel

sub conditione, sed ius proprium alteri non dat. […]1412

einer Bedingung, aber die dem anderen kein Recht im eigentlichen Sinne verleiht.

Wenn der Versprechende also nicht bloß seinen aktuellen, auf die Zukunft gerichteten Willen erklärt, sondern sich endgültig festlegen will, handelt es sich bei seinem Versprechen um eine pollicitatio. Dazu muss der Versprechende die endgültige Festlegung mit ausreichenden Zeichen, d. h. ausdrücklich oder konkludent, erklären. Ob eine auf die Zukunft gerichtete Aussage als pollicitatio oder assertio zu qualifizieren ist, richtet sich somit einzig nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer geäußerten Festlegung des Willens für die Zukunft (determinatio voluntatis)1413. Indem Grotius beiden Arten des Versprechens (pollicitatio und promissum) in De Iure Belli ac Pacis erstmals ausdrücklich, d. h. begrifflich und systematisch abgegrenzt, eine unverbindliche assertorische Vorstufe gegenüberstellt,1414 betont er die Bedeutung dieses Merkmals als Voraussetzung verbind­ licher Versprechen. Zugleich führt er die unverbindliche Wirkung der assertorischen Vorstufe in De Iure Belli ac Pacis anders als in De Iure Praedae und der Inleidinge nicht mehr auf die rein faktische Möglichkeit einer Willensänderung, sondern vielmehr ausdrücklich auf ein R e c h t z u r W i l l e n s ä n d e r u n g (ius mutandi consilium) zurück.1415 Wenngleich Grotius dies nicht ausdrücklich erklärt, scheint er die pollicitatio vor diesem Hintergrund als Verzicht auf eben dieses Recht zu verstehen.1416 Schon begrifflich wäre ein Fortbestehen dieses Rechts auf Veränderung des Willens (mutandi consilium) kaum mit einer entsprechenden Festlegung (determinatio voluntatis) vereinbar. Zudem entspricht dies der bereits in früheren Werken

1412 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § III. 1413 Vgl. zur entsprechenden Wortwahl in den Theses LVI bereits S. 167. 1414 Implizit findet sich die unverbindliche assertorische Vorstufe – wie Feenstra, Inschuld, S. 461, und Nanz, Vertragsbegriff, S. 144, zu Recht bemerken – bereits in Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 5, vgl. im Text bei Fn. 1042  ; die Differenzierung zwischen pollicitatio und promissum findet sich bereits ebd., §§ 10–11  ; vgl. im Text bei Fn. 1096 f.; sowie (ohne diese Begriffe) in den Theses LVI, vgl. im Text bei Fn. 721, wenngleich Grotius dort nicht an den Berechtigungswillen des Schuldners, sondern lediglich an die Zustimmung des Gläubigers anknüpft. 1415 Vgl. dazu im Text bei Fn. 1408–1410 sowie für die entsprechenden Passagen in De Iure Praedae und der Inleidinge die Verweise in Fn. 1409. 1416 So tendenziell schon Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S.  324  : »the will has forfeited its privilege of ­arbitrary future change«.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – pollicitatio 

| 313

angelegten Tendenz, die Vertrags- und Versprechensbindung zunehmend als Verzicht auf oder Übertragung eines Rechts zu verstehen. Im folgenden Satz erklärt Grotius, was bereits der Titel des Absatzes – Pollicitationem naturaliter obligare, sed inde alteri ius non nasci – nahelegt  : pollicitatio […], quae seposita lege civili obligat quidem. Eine pollicitatio ist (anders als eine assertio) verbindlich. Der Hinweis auf die abweichende Behandlung im staat­ lichen Recht1417 legt zumindest nahe, dass die etwas unspezifische Formulierung naturaliter obligare eine n a t u r r e c h t l i c h e Bindung und nicht nur eine natürliche Ontologie des Menschen beschreibt.1418 Im unmittelbaren Anschluss findet sich eine – ebenfalls bereits im Titel des Absatzes angelegte – entscheidende Einschränkung  : Zwar verpflichtet eine pollicitatio den Versprechenden, aber sie gewährt dem Adressaten des Versprechens kein Recht im eigentlichen Sinne (ius proprium). Zwei Sätze später –  dazu sogleich – erklärt Grotius zudem, der Versprechende könne aus der pollicitatio nach dem Naturrecht auch nicht zur Erfüllung der Treue gezwungen werden  : […] aut is ipse qui pollicitus est ad implendam fidem cogi iure naturae non poterit.1419 Die Bezeichnung als pollicitatio ist insofern nicht unproblematisch, da sie ­sowohl bei zeitgenössischen1420 als auch modernen1421 Lesern Assoziationen zur römisch- und gemeinrechtlichen pollicitatio weckt. Dabei handelt es sich um ein noch nicht angenommenes Vertragsangebot (an eine öffentliche Stelle), das vor der Annahme zwar unwiderruflich ist, den Anbietenden aber noch nicht zur ­Erfüllung verpflichtet.1422 1417 In Grotius, IBP, lib. I cap. I § XIV 1, definiert er ius civile als jegliches durch die Staatsgewalt erlassene Recht – in mittelbarer Abgrenzung zu göttlichem Recht und Naturrecht sowie unmittelbarer Abgrenzung zu dem von Menschen gesetzten überstaatlichen und privaten Recht. Dass die Bedeutung von ius in diesem Kontext mit dem Begriff lex synonym ist, hat er bereits zuvor in Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX 1, etabliert. Der Begriff lex civilis ist dabei insbesondere nicht auf die römische Bürgerschaft begrenzt, vgl. insoweit die differenzierende Verwendung von ius civile und ius romanum ebd., prolegomena I, bzw. lex civilis und lex romana ebd., lib. II cap. XI § IV 2. 1418 Vgl. dazu im Detail noch S.  318–330  ; sowie zur entsprechenden Ambivalenz im Brief vom 28.02.‌1616 S. 187 f., 206. 1419 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § III. 1420 Vgl. zur Bedeutung des Begriffs in der zeitgenössischen Literatur und den Unterschieden zu Grotius’ Verständnis (im Kontext der Inleidinge) im Text bei Fn. 1053–1056. Auf die Divergenz zwischen der herkömmlichen und der von Grotius beigemessenen Bedeutung weist schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § III Fn. 1 [Bd. 1, S. 401], hin. 1421 Vgl. etwa Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 137  : »The second degree refers to the Roman notion of pollicitatio, which Grotius terms an imperfect promise«, die dies zudem ebd., S. 133, mit dem für die Auseinandersetzung mit Connan zentralen Begriff des pactum nudum gleichzusetzen scheint. 1422 So ausdrücklich auch Grotius, IBP, lib. II cap. XI § XIV  : […] nam lex Romana non hoc dicit,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

314 | 

Achtes Kapitel

Auch im Fall der pollicitatio als zweiter Stufe der gradus loquendi fehlt es an einer Annahme,1423 doch damit enden die Gemeinsamkeiten bereits  : Die pollicitatio als zweite Stufe der gradus loquendi verpflichtet den Versprechenden unmittelbar zur Erfüllung. Im Gegensatz zur pollicitatio des römischen und gemeinen Rechts ist sie nicht auf einen Vertragsschluss gerichtet, eine Annahme ist weder vorgesehen1424 noch könnte der Adressat dadurch ein Forderungsrecht erhalten.1425 Sie entspricht im Schema der Inleidinge der – einmalig als pollicitatio bezeichneten –1426 belofte  : Der Versprechende will sich durch eine Aussage jeweils für die Zukunft binden, sodass er seinen Willen nicht mehr ändern darf. Dem Adressaten entsteht zwar kein Recht (ius proprium bzw. inschuld), aber der Versprechende wird dennoch gebunden (obligatio bzw. schuld ruim ghenomen).1427 Der einzige Unterschied zu den dortigen Ausführungen liegt im Begriff der obligatio, ante acceptationem pollicitationis plenam esse vim, sed revocari vetat, ut acceptari semper possit  : qui effectus non est naturalis, sed mere legitimus […]. Dass er dort nicht auf die Unterschiede zu seinem eigenen, innerhalb desselben Kapitels entworfenen Begriff der pollicitatio hinweist, dürfte einer Vermengung beider Konzepte in der Literatur Vorschub geleistet haben. 1423 In dieser Gemeinsamkeit vermutet Albers, Versprechen und Vertrag, S. 51, wohl zu Recht den Grund für die Bezeichnung der zweiten Stufe der gradus loquendi als pollicitatio. 1424 Dagegen wohl Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 94  : »A perfect promise aimed to create a legal obligation, while a promise only aimed to create a moral obligation. An acceptance by the other party was always required«. Allerdings beziehen sich die Ausführungen zum Annahmebedürfnis, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ XIV–XVIII, allein auf das promissum, n i c h t auf die pollicitatio. Auch in der Inleidinge und den Theses LVI bedarf allein die durchsetzbare Verbindlichkeit mit korrespondierendem Forderungsrecht einer Annahme des Versprechens durch den Adressaten, vgl. S. 165–168, 233–236, 245–248. 1425 So schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § III Fn. 1 [Bd. 1, S.  401]  ; Zimmermann, Law of Obligations, S.  574  f. insb. Fn.  200  ; ähnlich auch Henniges, Observationes, Pollicitatio dici potest ad IBP lib. II cap. XI § III  ; vgl. zu diesem Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 95, 106. Zumindest unsauber formuliert daher Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 191 f., wenn er erklärt, »[d]ie promissio ist daher vorerst […] eine pollicitatio, ein einseitig bindendes Versprechen« und »mit der acceptatio […] erwirbt der Annehmende das abgegebene Versprechen, die pollicitatio«. Es wäre ein fundamentales Missverständnis, den Unterschied zwischen pollicitatio und promissum allein in einer (noch nicht erfolgten) Annahme zu sehen  ; vgl. auch Benson, CJNS 6,2 (1985), S.  11  f. (Für das Verständnis des indicium voluntatis in den Theses LVI wäre dies hingegen zutreffend  ; vgl. dazu S. 165–168, 172–174.) Allerdings ist es nicht weniger problematisch, wenn Benson, ebd., S.  8, für die pollicitatio eine untechnische »Annahme« in dem Sinne voraussetzt, dass der Adressat den Gegenstand des Versprechens wollen müsse, da das Aufdrängen einer ungewollten Leistung kaum unter den Versprechensbegriff falle. Rechtstheoretisch mag dieser Gedanke nachvollziehbar sein, doch für Grotius findet er in den Quellen keinerlei Anknüpfungspunkt. 1426 Vgl. im Text bei Fn. 1042 a. E. 1427 Vgl. zur belofte im Text bei Fn. 1042, 1057.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – pollicitatio 

| 315

den Grotius dort ausschließlich für die Verbindlichkeit (schuld eng ghenomen oder verbintenisse) verwendet,1428 während er hier auch die aus der pollicitatio entstehende Pflicht ohne korrespondierendes Recht, d.  h. in der Terminologie der Inleidinge eine schuld ruim ghenomen, als obligatio bezeichnet. Insoweit erinnern pollicitatio und belofte auch an die aus der regula fidei ­folgende Bindung des Versprechenden in De Iure Praedae, die diesen ebenfalls bindet, ohne jedoch als rechtfertigender Kriegsgrund des Adressaten in Betracht gezogen zu werden, sowie an die Äußerung des Willens (indicium voluntatis) ohne Zustimmung des Adressaten in den Theses LVI. Allerdings können sich jedenfalls in De  Iure Praedae der Adressat und unter Umständen auch Dritte gegenüber dem Versprechenden auf das Versprechen berufen. Während die Inleidinge diesbezüglich schweigt, sind Grotius’ folgende Ausführungen zu diesem Thema in De Iure Belli ac Pacis nicht ganz eindeutig  : […] Multis enim casibus evenit, ut obligatio sit in nobis, et nullum ius in alio  ; sicut in debito misericordiae et gratiae reponendae apparet, quibus simile est hoc debitum constantiae sive fidelitatis. Itaque ex tali pollicitatione res pollicitantis retineri, aut is ipse qui pollicitus est ad implendam fidem cogi iure naturae non poterit.1429

Es ereignet sich nämlich in vielen Fällen, dass uns eine Pflicht (obligatio) trifft und gleichzeitig dem anderen kein Recht zukommt  ; wie es sich zum Beispiel in der Pflicht der Barmherzigkeit und der zu erwidernden Dankbarkeit zeigt, denen diese Pflicht zur Beständigkeit oder Treue ähnlich ist. Deshalb kann aus einer derartigen pollicitatio die Sache des Versprechenden nicht zurückgehalten werden, noch kann derjenige selbst, der die pollicitatio ausgesprochen hat, zur Erfüllung der Treue nach dem Naturrecht gezwungen werden.

Zunächst vergleicht Grotius die aus der pollicitatio folgende Pflicht, ähnlich wie in der Inleidinge,1430 mit anderen Pflichten, die ihrerseits den Schuldner binden, ohne dem Gläubiger ein Recht im eigentlichen Sinne (ius proprium) zu gewähren  : der Barmherzigkeit und der Dankbarkeit1431. Die konkrete Pflicht, die im Falle einer pollicitatio entsteht, bezeichnet er anschließend als Beständigkeit (constantia) oder fidelitas, was letztlich dem römisch-rechtlichen Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum 1428 Vgl. im Text bei Fn. 1074 sowie dazu S. 241. 1429 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § III. 1430 Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I §§ 3–6  ; vgl. dazu S. 231–240. 1431 Vgl. für die Wirkung der Barmherzigkeit Grotius, IBP, lib. I cap. I § VIII 1  ; sowie für die Wirkung der Dankbarkeit ebd., lib. II cap. V § III.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

316 | 

Achtes Kapitel

proprium) nahekommt. Genauer spricht Grotius von einem debitum constantiae oder debitum fidelitatis. Dass debitum hier allerdings nicht zwingend die bloß »moralische« Pflicht der scholastischen Sündenlehre1432 meint, zeigt sich etwa an der Gegenüberstellung von creditum und debitum an anderer Stelle1433. Allerdings ist gerade diese fidelitas – oder fides1434 – ausdrücklich nicht durchsetzbar (fidem cogi iure naturae non poterit).1435 Daneben folgt aus dem debitum constantiae sive fidelitatis aber auch, dass die Sache des Versprechenden nicht zurückgehalten werden dürfe (res pollicitantis retineri […] non poterit). Die Problematik dieser Aussage liegt darin, dass Grotius nicht präzisiert, w e r die Sache nicht zurückhalten dürfe. In der bisherigen Literatur wurde dieses Detail regelmäßig übergangen, doch birgt es enorme Sprengkraft für Grotius’ Pflicht- und Verbindlichkeitsverständnis. Die Konstruktion des Satzes scheint nahezulegen, dass eine andere Person als der Versprechende die Sache nicht zurückhalten dürfe, da der Versprechende lediglich im zweiten Teil des Satzes ausdrücklich erwähnt wird (is ipse qui pollicitus est […] cogi […] non poterit). Als andere Person käme allein der Versprechensempfänger in Betracht, sodass dieser die Sache nach erhaltener Leistung im Falle einer Kondiktion nicht zurückhalten dürfte. In der Tat wurde diese Passage in der Literatur wiederholt auf diese Weise verstanden.1436 1432 Vgl. dazu sogleich im Text nach Fn. 1473 m. w. N. 1433 Grotius, IBP, lib. I cap. I § V  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 1523. Ähnlich auch ebd., cap. III § XVII 1, wonach jeder naturgemäß ein Zwangsrecht gegen seinen Schuldner (ius cogendi debitorem) habe. 1434 Den inhaltlichen Bezug zwischen fidem cogi […] non poterat und debitum fidelitatis sieht auch Behrends, Treu und Glauben, S. 961 Fn. 17. Daran ändert nichts, dass Grotius einerseits den mittellateinischen Ausdruck fidelitas und andererseits den klassischen Ausdruck fides verwendet. Bereits in De Iure Praedae zitiert er Apuleius zu fidelitas im Kontext der regula fidei, vgl. im Text bei Fn. 533. Auch bei anderen Begriffen (etwa promissio bzw. promissum) verwendet er in De  Iure Belli ac Pacis mal den mittellateinischen und mal den klassischen Ausdruck. Zudem findet sich eine Gleichsetzung der Begriffe fides und fidelitas auch bei anderen zeitgenössischen Autoren, vgl. etwa Lessius, De  Iustitia et Iure, lib.  II cap.  XVIII dub.  I num.  5 [S.  216]  ; ebd., dub. VIII num. 53, 55, 57 [S. 224 f.]  ; ebd., cap. XXIV dub. I num. 5 [S. 324]. 1435 Dass Grotius hierbei an »ohne Rechtsbindungswillen abgegebene Schenkungszusagen und ähnliches« denkt, wie Behrends, Treu und Glauben, S.  961 Fn.  17, vermutet, erscheint unwahrscheinlich. Die pollicitatio unterscheidet sich von der assertio gerade durch die Selbstbindung des Willens und entfaltet, wie sogleich gezeigt wird, auch Rechtswirkung. Eine ohne Bindungswillen abgegebene Schenkungszusage ließe – anders als eine pollicitatio – nur eine naturalis obligatio per abusionem aber keine naturalis obligatio magis proprie entstehen, vgl. dazu noch S. 319–330. 1436 Cocceji, Grotius Illustratus, res pollicitantis retineri ad IBP, lib. II cap. XI § III  : Si forte is cui pollicitatio facta est, eam possideat [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. aber ferner auch die Übersetzungen

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – pollicitatio 

| 317

Legt man dieses Verständnis zugrunde, würde Grotius die Wirkung der p­ ollicitatio, naturaliter zu binden, hier gerade von der naturalis obligatio des ­römischen Rechts und konkret die pollicitatio von einem pactum nudum ab­ grenzen, welches gegen eine derartige Kondiktion eine Einrede gewährt1437. Dies scheint aus zwei Gründen unwahrscheinlich  : Einerseits wird eine einredebegründende Wirkung auch in Grotius’ früheren Werken angedeutet.1438 Hätte er sein bisheriges Verständnis revidiert, wäre wohl eine eindeutigere Abgrenzung zu seinem bisherigen und zum römisch-rechtlichen Verständnis zu erwarten. Andererseits gesteht Grotius ausdrücklich auch schwächeren »Pflichten« als jenen aus einer pollicitatio (nämlich naturales obligationes per abusionem, d.  h. supererogatorischen Handlungen) zu, eine Einrede gegen eine Kondiktion zu gewähren ([…] quae omnia cessare faciunt condictionem indebiti).1439 Vor diesem Hintergrund erscheint es fernliegend, dass er eben dies gerade für die pollicitatio mit der Aussage ex tali pollicitatione res pollicitantis retineri […] non potest ausschließen wollte. Möglicherweise will Kelsey deshalb die Negation lediglich auf den zweiten Satzteil beziehen (retineri [poterit] […], cogi […] non poterit),1440 doch scheint es Grotius’ sonstigem Satzbau eher gerecht zu werden, schlicht beide Satzteile von Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. I cap. I § IV Fn. 5 [Bd. 1, S. 41]  ; ebd., lib. II cap. XI § III [Bd. 1, S. 401]  : »De sorte que, selon le Droit Naturel, on ne peut point, en vertu d’une demi-Promesse comme celle-là, retenir les biens de celui qui l’a faite, ni le contraindre en aucune maniére à l’effectuer«  ; Diesselhorst, Grotius, S. 48  : »Nach natürlichem Recht kann man daher wegen einer solchen pollicitatio weder einen Gegenstand des Versprechenden zurückbehalten, noch auch den pollicitor zur Erfüllung seines Versprechens zwingen«  ; Schütz (Hrsg.), Hugonis Grotii – Drey Bücher vom Rechte des Krieges und des Friedens, lib. II cap. XI § III [S. 441]  : »Dahero kan man aus solcher blosen Zusage eine Sache, welche demjenigen, der solche Zusage gethan hat, zugehöret, vermöge des natürlichen Rechtes nicht zurücke behalten […]«  ; sowie die auf Barbeyrac basierende Übersetzung von Morrice, die zuletzt von Tuck neu herausgegeben wurde, Tuck (Hrsg.), The Rights of War and Peace, lib. II cap. XI § III [Bd. 2, S. 704]  : »And therefore no Man can by the Law of Nature, from such a Promise demand or detain what belongs to the Person so promising« [Jeweils Hervorh. d. Verf.]. 1437 Vgl. D. 2,14,7,2 und 4 (Ulpianus libro quarto ad edictum)  ; sowie generell Fn. 132 m. w. N. 1438 Vgl. dazu insbesondere im Text bei Fn. 528. 1439 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § VI 1, (im Text bei Fn. 1457) und dazu S. 319–324. 1440 Kelsey (Hrsg.), The Law of War and Peace, lib. II cap. XI § III [S. 330]  : »So in the face of such a promise the property of the one promising can be retained […]« [Hervorh. d. Verf.]  ; ebenso die gekürzte Edition dieser Übersetzung bei Neff (Hrsg.), Hugo Grotius On the Law of War and Peace  ; sowie die Paraphrase bei Dondorp / Hallebeek, adquisitio per alterum, S. 234  : »If the promisor fulfilled his promise, the recipient was entitled to retain what he received« [Hervorh. d. Verf.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

318 | 

Achtes Kapitel

auf den Versprechenden zu beziehen  : Dieser darf die versprochene Sache nicht zurückhalten, aber dennoch kann er zur Leistung nicht gezwungen werden.1441 Diese Deutung stimmt zudem mit den entsprechenden Ausführungen in der ­Inleidinge überein, wonach die auch als pollicitatio bezeichnete belofte »dafür sorgt, dass es ungehörig ist, etwas zu behalten was versprochen ist, aber ein anderer kein Recht erhält«.1442 Im Ergebnis fügt sich der Satz damit in das zuvor ausgebreitete Verständnis der pollicitatio als R e c h t s v e r z i c h t ein  : Der Versprechende hat sein Recht an der Sache oder Handlung aufgegeben, weshalb er sie nicht zurückhalten bzw. unterlassen darf  ;1443 gleichzeitig hat aber der Adressat kein Recht daran erworben, weshalb dieser die Leistung nicht erzwingen kann. 3. Exkurs  : Pflicht, Verbindlichkeit und subjektives Recht In Gestalt der pollicitatio kennt Grotius in De  Iure Belli ac Pacis wie schon in früheren Werken ein Versprechen, durch das der Versprechende naturaliter gebunden wird, ohne dass dem Adressaten des Versprechens zugleich ein ius (proprium) entsteht. Während er in der Inleidinge ausdrücklich nur diejenige Pflicht, der ein Forderungsrecht des Gläubigers entspricht (verbintenisse), und gerade nicht jede Art von Pflicht (schuld) mit obligatio gleichsetzt,1444 kehrt er hier wieder zu dem bereits in den Theses LVI verwendeten weiteren obligatio-Begriff zurück, der sowohl Verbindlichkeiten als auch Pflichten ohne korrespondierendes Recht des Gläubigers umfasst1445. Zugleich übernimmt und erweitert Grotius die aus der Inleidinge bekannte Herleitung der toezegging (bzw. promissio) über die Vorstufe der belofte (bzw. pollicitatio) in De Iure Belli ac Pacis, welche in der Inleidinge wesentlich auf der zuvor entfalteten Abstufung verschiedener Pflichten und Verbindlichkeiten basiert. Vor diesem Hintergrund überrascht die Abkehr von den ausdifferenzierten Pflicht- und Verbindlichkeitsbegriffen der Inleidinge. 1441 So schon Scheffer, Grotius Enucleatus, ad IBP, lib. II cap. XI § III  : [Sed notandum, quando de futuris loquimur, nos] vel polliceri in futurum signo perseveraturae voluntatis, & sic obligari, licet alteri non inde jus in nos nascatur, atque  ; ita nec potestas retinendi nostra, aut cogendi nos ad praestationem, […] [Hervorh. d. Verf.]. 1442 Vgl. im Text bei Fn. 1097. 1443 Vgl. insoweit schon im Text bei Fn. 702 die Definition der Pflicht in den Theses LVI als »unrechtmäßiges Unterlassen« (Obligationem quod quis omittendo iniuste agit eodem modo). 1444 Vgl. im Text bei Fn. 1074 sowie dazu S. 241. 1445 Vgl. im Text bei Fn. 735, 737 sowie dazu im Text bei Fn. 739  ; ferner auch im Text bei Fn. 742, 754.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 319

Bevor die Exegese der drei »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi) mit der näheren Betrachtung des promissum ihren Höhepunkt findet, soll daher zunächst das De Iure Belli ac Pacis zugrunde liegende Verständnis von naturaliter obligare, obligatio und ius proprium näher untersucht werden. Erst die dadurch gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen den Vergleich der verschiedenen Rechtsfolgen von pollicitatio und promissum und daraus folgende Rückschlüsse auf die Konstruktion des promissum selbst. a) naturalis obligatio (per abusionem und magis proprie)

In De Iure Belli ac Pacis entwirft Grotius eine Naturrechtslehre, welche konzeptionell – ähnlich wie schon in De Iure Praedae oder den Theses LVI – auf einer Durchsetzung im Wege der (berechtigten) Selbsthilfe basiert.1446 Zwar kennt er in De  Iure Belli ac Pacis ausdrücklich auch eine Rechtsdurchsetzung durch übergeordnete Instanzen, doch findet diese (bedingt durch die Zielsetzung des ­Werkes, die Rechtsbeziehung zwischen gleichrangigen Staaten zu regeln) jenseits der allgemeinen Einführung kaum Erwähnung. Für eine im Wege der Selbsthilfe durchgesetzte Rechtsordnung stellt sich aber die Frage, welcher Sinn einer Pflicht zukommt, der kein korrespondierendes Recht anderer Personen gegenübersteht. Eine derartige Pflicht würde allenfalls dann rechtliche Relevanz entfalten, wenn sie eine ihr entgegenstehende Rechtsdurchsetzung verhindern würde, d. h. einer anderen Person zwar kein Recht zur Durchsetzung, wohl aber eine Einrede gewähren würde. Die einredebegründende Wirkung der nicht durchsetzbaren Pflicht ist in De Iure Praedae zumindest angelegt.1447 Zudem entspricht sie dem (auch zu Grotius’ Zeit herrschenden) Verständnis der naturalis obligatio des römischen Rechts.1448 In De  Iure Belli ac Pacis scheint Grotius die aus einer pollicitatio ent­ stehende Pflicht in Relation zu eben diesem Begriff der naturalis obligatio im römischen bzw. gemeinen Recht zu setzen.1449 Insbesondere wenn man der hier vertretenen Deutung dieser Passage n i c h t folgt, verbliebe für diese Art der Pflicht letztlich keine rechtliche Relevanz. In der Tat wird in der L ­ iteratur überwiegend von einer (rein) »moralischen«, »sittlichen« oder »ethischen« 1446 Vgl. im Text bei Fn. 1174–1186. 1447 Vgl. im Text bei Fn. 528 f. ; sowie ferner zur Inleidinge S. 237–241. 1448 Vgl. im Text nach Fn. 171  ; ferner auch Fn. 169 sowie im Text bei Fn. 197. 1449 Vgl. im Text bei Fn. 1429 sowie dazu S. 315–318.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

320 | 

Achtes Kapitel

­Verpflichtung gesprochen,1450 teilweise auch in Anlehnung an das stoische ­officium medium1451. In diesem Zusammenhang hat Olsthoorn zuletzt auf Grotius’ differenzierte Auseinandersetzung mit dem Begriff der naturalis obligatio an einer späteren Stelle seiner Vertragslehre hingewiesen,1452 die bisher noch nicht berücksichtigt wurde. Für eine Bewertung der aus einer pollicitatio entstehenden Pflicht ist diese schon deshalb von Bedeutung, da Grotius dort ausdrücklich auf die pollicitatio Bezug nimmt  : Contractibus quos rex cum subditis iniit obligari eum naturaliter tantum, non civilitera) Iurisconsulti ferme omnes sentiunt. quod loquendi genus perobscurum est. Nam naturalis obligatio interdum a iuris auctoribus dicitur per abusionem de eo quod fieri natura honestum est, quanquam non vere debitum, ut legata integra sine detractione Falcidiae praestare, solvere debitum quo quis in poenam creditoris erat liberatus, vicem beneficio rependere, quae omnia cessare faciunt condictionem indebiti  : Interdum vero magis proprie id quod vere nos obligat, sive inde ius alteri oriatur,

Fast alle Rechtsgelehrten vertreten die Ansicht, dass der König durch Verträge, die er mit Untertanen eingegangen ist, lediglich natürlich und nicht durch staatliches Rechta) gebunden wird. Dies ist eine äußerst verworrene Ausdrucksweise. Denn von einer natürlichen Verbindlichkeit (naturalis obligatio) wird manchmal von den Autoren des Rechts missbräuchlich (per abusionem) hinsichtlich dessen gesprochen, was von Natur aus ehrenhaft ist, gemacht zu werden (honestum), obwohl eine Schuld nicht wirklich besteht, wie etwa ein Vermächtnis unversehrt, ohne Abzug nach der Lex Falcidia, zu leisten oder eine Schuld zu erfüllen, von der jemand zur Bestrafung des Gläubigers befreit wurde, oder mit einer Gegenleistung eine Wohltat zu vergelten  ; dies alles führt dazu, dass die condictio indebiti nicht angewendet wird. Manchmal aber [wird als naturalis obligatio] vielmehr im eigentlichen Sinne das [bezeichnet], was uns wirklich bindet, sei es, dass einem anderen

1450 So etwa Astorri, Contract and Treaties, S. 516  ; Ders., Grotiana 41,1 (2020), S. 94 f.; Blom, ­Meaning of Trust, S. 42  ; Diesselhorst, Grotius, S. 71 f.; Henniges, Observationes, Pollicitatio dici potest ad IBP lib. II cap. XI § III  ; F. Hofmann, Entstehungsgründe, S. 91  ; Olivecrona, concept of a right, S. 191  ; Ders., Law as Fact, S. 289  ; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 123–145, S. 124, 137 f.; Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 191  ; tendenziell auch Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 88  ; vgl. ferner zur entsprechenden Pflicht in der Inleidinge auch im Text bei Fn. 1061. 1451 Vgl. dazu noch im Text bei Fn. 1468–1477. Auer, AcP 208,5 (2008), S. 590, verweist darauf, dass sich Grotius’ Differenzierung zwischen facultates und aptitudines, vgl. dazu S. 331–338, an der stoischen Unterscheidung zwischen vollkommenen und unvollkommenen Pflichten orientiere. Dann müsste diese Unterscheidung aber notwendig auch Grotius’ Pflicht- bzw. Verbindlichkeitsverständnis zugrunde liegen. 1452 Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 459, 462.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 321

ut in pactis, sive non oriatur ut in plena et firma pollicitatione. Maimonides Hebraeus libro iii ducis dubitantium capite 54, tria haec apte distinguit, et quae non debentur ait venire benignitatis nomine, id est ‫⟨ חסד‬ quam alii interpretes ad Prov. xx, 28 explicant ‫הטובה‬ ‫ פלנת‬abundantiam bonitatis ⟩1453 ⟨ Huc pertinent ea quae non ob aliam causam fiunt quam ut liberalitas et munificentia exerceantur, ut loquimur lex I. D. de donationibus. χρηστότης ἐκ πηγῆς πλουσίας ἀπορρεῖ τῆς ἡμερότ ητος. Ex ubere fonte mansueti ingenii manat beneficentia. Plutarchus Catone maiore1454 ⟩1455  ; quae debentur ex iure stricte sumto ‫משפט‬ iudicium Hebraeis vocari, quae ex honestate iustitiam ‫ צדקה‬id est aequitatem, ⟨ ἔλεον, κρίσιν, πίστιν dixit interpres Matthaei xxiii, 23. ubi πίστιν vocat quae Hellenistis plerunque est δικαιοσύνη. Nam κρίσιν pro eo quod stricte debetur reperias etiam Macc. vii, 18, et 32 ⟩1456.1457

daraus ein Recht entsteht, wie bei Abreden (pacta), oder sei es, dass kein Recht entsteht, wie bei einer vollständigen und festen pollicitatio. Der Hebräer Maimonides unterscheidet im 54. Kapitel des dritten Buches seines Werkes Dalālat al-ḥā’irīn (Führer der Unschlüssigen) angemessen diese drei [Kategorien] und sagt, dass diejenigen, die nicht geschuldet werden, unter den Begriff der Wohltätigkeit (benignitas) fallen, das heißt ‫⟨ חסד‬ , was andere Interpreten zu Prov. 20,28 als Überfluss der Güte (‫)פלנת הטובה‬ deuten ⟩ ⟨ Hierzu gehören diejenigen, welche wegen keiner anderen Ursache geschehen als um Freigiebigkeit und Mildtätigkeit auszuüben, wie es in D. 39,5,1 heißt. Plutarch schreibt in seinem Werk über Cato den Älteren  : χρηστότης ἐκ πηγῆς πλουσίας ἀπορρεῖ τῆς ἡμερότ ητος. Die Wohltat strömt aus der ergiebigen Quelle des milden Charakters ⟩, und dass diejenigen, welche aus streng genommenem Recht geschuldet werden, in der hebräischen Sprache (Urteils-)‌Spruch (iudicium, ‫ )משפט‬genannt werden, und diejenigen, die aus Ehrbarkeit (honestas) [geschuldet werden], Gerechtigkeit (iustitia, ‫)צדקה‬, das heißt Billigkeit (aequitas), ⟨ ἔλεον, κρίσιν, πίστιν sagt der Interpret zu Mt. 23,23, wo er das, was von den Griechen meist als Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) bezeichnet wird, Treue (πίστιν) nennt. Denn κρίσιν findet man auch in 1 Macc. 7,18 und 32 für dasjenige, was streng geschuldet wird ⟩.

a) Bal. l. 1. D. de pactis. L. Princeps legibus. D. de legibus. L. ult. C. de trans. L. si aquam. C. de servit. Dd. in in c. l, de Const. Bal. L. Si pecuniam. C. de condict. ob causam  : & in l. ex imperfecto. C. de testamentis. L. Si poenae. D. de

a) Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus, ad D. 2,‌14,1  ; Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus, ad D. 1,‌3,31  ; Baldus, Super Tribus Libris Codicis, ad C. 2,‌4,43  ; Baldus, Super Tribus Libris Codicis, ad C. 3,‌34,2  ; X. 1,‌2,1  ; Baldus, Super Quarto et Quinto Codicis, ad C. 4,‌6,10  ; Baldus, Super Sexto Codicis, ad C. 6,‌23,3  ; Baldus, Tomus Secundus in Digestum Vetus, ad D. 12,‌6,19  ;

1453 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1631 im Fließtext hinzugefügt. 1454 Vgl. Plut. Cat. Ma. 5.2. 1455 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XIV) hinzugefügt. 1456 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1631 im Fließtext hinzugefügt. 1457 Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § VI 1 [Hervorh. im Orig.].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

322 | 

Achtes Kapitel cond. ind. L. L. C. ad l. Falc. L. Sed & si lege. §. consuluit. D. de pet. hered.

Baldus, Super Sexto Codicis, ad C. 6,‌50,1  ; Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus, ad D. 5,‌3,‌25,11.

Unmittelbar erörtert Grotius hier, in enger Anlehnung an Vázquez,1458 die ­Wirkung von Verträgen zwischen Herrschern und ihren Untertanen. Anders als Vázquez sieht er sich dazu veranlasst, bei dieser Gelegenheit die terminologische Unschärfe des Begriffes naturalis obligatio zu thematisieren. Dass Grotius diesem Exkurs eine über den konkreten Anlass der Erörterung hinausgehende Bedeutung zumisst, zeigt sich nicht zuletzt an zwei Verweisen auf diese Passage. So findet sich in dem (bereits in der ersten Auflage enthaltenen) Sachregister zu De Iure Belli ac Pacis (Index rerum praecipuarum ac verborum) ein entsprechender Hinweis unter dem (deutlich allgemeineren) Stichwort Obligatio naturaliter quis quot modis dicatur. In gänzlich anderem Kontext verweist er zudem in seinem – parallel zur vierten Überarbeitung von De Iure Belli ac Pacis entstandenen – Kommentar zum Corpus Iuris Civilis auf die hier untersuchten Ausführungen.1459 Zu Beginn der Passage finden sich drei für diese Untersuchung überaus erhellende Feststellungen  : Eine Gegenüberstellung von naturaliter und civiliter obligare,1460 eine Gleichsetzung von naturaliter obligare und naturalis obligatio und schließlich die Kritik daran, dass diese Begriffe häufig sehr unscharf verwendet würden. Grotius verwendet naturaliter obligare also nicht etwa als unscharfe Umschrei­ bung einer wie auch immer gearteten Bindung, um eine Festlegung auf juristische Begriffe wie naturalis obligatio zu vermeiden. Einerseits versteht er die Begriffe synonym, andererseits geht er nicht von einem feststehenden juristisch-­ technischen Begriff der naturalis obligatio aus. 1458 Feenstra / Persenaire (Hrsg.), IBP, S. 381 f., 984 num. 381 g – 382 d, weisen zu Recht darauf hin, dass Grotius den Großteil der Verweise (einschließlich ihrer eigentümlichen Reihenfolge) aus der kurz darauf zitierten Passage Vázquez, Controversiae Illustres, lib.  I  cap.  III num.  1 [S. 32], übernommen hat. Nur die letzten drei Verweise scheint Grotius selbst ergänzt zu haben (Baldus, Tomus Secundus in Digestum Vetus, ad D. 12,‌6,19  ; Baldus, Super Sexto Codicis, ad C. 6,‌50,1  ; Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus, ad D. 5,‌3,‌25,11). 1459 Vgl. Grotius, FSI, Quod si natura debeatur, non sunt loco creditorum ad D. 50,16,10 [S. 277]. 1460 Eine ähnliche Gegenüberstellung findet sich bereits in Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VIII 3, (Sed in hoc quoque genere lex civilis utilitatis causa multa irrita solet facere quae naturaliter obligarent […]) und ebd., § XXI, ([…] ne iura civilia cum naturali iure confundatur, […]) sowie, wenn auch nicht für die Verbindlichkeit, sondern vielmehr das subjektive Recht, bereits in den Theses LVI, vgl. im Text bei Fn. 702.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 323

Vielmehr differenziert er zwischen drei verschiedenen Bedeutungen, die er im Anschluss auch bei Maimonides wiederfinden will  : Einerseits werde der Begriff auch von römischen Juristen häufig missbräuchlich (per abusionem) verwendet.1461 In diesem Sinne beschreibt naturalis obligatio ein ehrbares Verhalten (quod fieri natura honestum est), zu dem aber keine Verpflichtung irgendeiner  –  und sei es moralischer  – Art besteht. Dem entspricht bei Maimonides die ­Kategorie der Wohltätigkeiten (benignitas, ‫)חסד‬, die ebenfalls in keiner Weise geschuldet sind. Grotius greift damit einen Gedanken auf, den er mit auffallend ähnlicher Formulierung bereits in allgemeinerer Form im ersten Kapitel des ersten Buches von De Iure Belli ac Pacis eingeführt hat  : die Unterscheidung zwischen ius naturae und honestas, einschließlich des Hinweises auf die ­unangemessene Gleichsetzung der Begriffe.1462 Daneben werde naturalis obligatio auch im eigentlichen Sinne (magis ­proprie) verwendet, um eine w i r k l i c h e B i n d u n g zu beschreiben – und zwar zunächst unabhängig davon, ob dies mit einem korrespondierenden Recht des Gläubigers einhergehe oder nicht. Dies assoziiert Grotius mit Maimonides’ Kategorien des aus strengem Recht Geschuldeten (ex iure stricte) einerseits und des aus Ehrbarkeit Geschuldeten (ex honestate) andererseits. Das aus strengem Recht Geschuldete bezeichnet er auch als (Urteils-)‌Spruch (iudicium, ‫)משפט‬, das aus Ehrbarkeit Geschuldete als Gerechtigkeit (iustitia, ‫ )צדקה‬oder Billigkeit (aequitas). In der Gleichsetzung von iustitia und aequitas sieht Schotte einen Beleg für Grotius’ unreflektierten Umgang mit verschiedenen antiken Billigkeits­ begriffen.1463 Indessen wird Grotius’ Intention durch die Gegenüberstellung mit iudicium deutlich  : Lediglich das aus strengem Recht Geschuldete, nicht aber das aus Ehrbarkeit Geschuldete kann g e r i c h t l i c h durchgesetzt werden. Dennoch besteht in beiden Fällen eine »wirkliche« Bindung (vere obligat).

1461 Vgl. zu den römisch-rechtlichen Ursprüngen dieses Gedankens der Bezeichnung als (naturalis) obligatio per abusionem etwa D. 15,1,41 (Ulpianus libro quadragensimo tertio ad Sabinum) und insb. D. 46,1,16,4 (Iulianus libro quinquagensimo tertio digestorum)  ; sowie Kaser, Römisches Privatrecht, Bd. 1, S. 480 f.; Schulze, Naturalobligation, S. 61–64, insb. Fn. 77 sowie S. 38 Fn. 10 jeweils m. w. N. 1462 Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX 1  : […] Obligationem requirimus  : nam consilia et si qua sunt alia praescripta, honesta quidem sed non obligantia, legis aut iuris nomine non veniunt […]  ; ebd., § X 3  : Ad iuris autem naturalis intellectum, notandum est […] Interdum etiam per abusionem ea quae ratio honesta ⟨ aut oppositis meliora ⟩ esse indicat, etsi non debita, solent dici iuris naturalis  ; vgl. dazu auch Aure, FHI 2008, Rn. 72  ; Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 448 f., 458 f.; Ottenwälder, Grotius, S. 24, 29  ; Tierney, Liberty, S. 232–234. 1463 Schotte, Aequitas, S. 10, 56 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

324 | 

Achtes Kapitel

Für Grotius besteht somit ein entscheidender Unterschied zwischen einer der honestas e n t s p r e c h e n d e n – d.  h., anachronistisch formuliert, einer superero­gatorischen – Handlung (quod fieri natura honestum est) und einer aus honestas g e s c h u l d e t e n Handlung (ex  honestate).1464 Nur bei letzterer liege eine ­naturalis obligatio im eigentlichen Sinne vor, obwohl – wie er anhand dreier Beispiele belegt,1465 die er von Vázquez als Zitate übernommen hat1466 – bereits erstere eine Einrede gegen eine condictio indebiti gewährt. Grotius unterscheidet somit zwischen (1) der supererogatorischen Handlung (naturalis obligatio per abusionem), (2)  der Pflicht ohne korrespondierendes Recht eines Dritten (naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri non oriatur) und (3)  der mit einem korrespondierenden Recht eines Dritten verbundenen Verbindlichkeit (naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri oriatur).1467

1464 So (ohne konkreten Bezug zu Grotius, IBP, lib. II cap. XIV § VI) schon Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 462  : »When we speak of duties of charity and gratitude, we use ‘obligation’ in this larger sense  : as actions we ought to perform on pain of acting wrongly, against honestas. For a failure to perform supererogatory actions is by definition not inhoneste«  ; ferner Tierney, Liberty, S. 239 f.; Vermeulen / van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 81 f. 1465 Allerdings merkt Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XIV § VI Fn. 2 [Bd. 1, S. 466], zu Recht an, dass das erste Beispiel – die Ablehnung der condictio indebiti bei voller Auszahlung der Vermächtnisse auch über das nach der Lex Falcidia erforderliche Maß hinaus – noch deutlicher aus C. 6,50,9 als dem angegebenen Fragment C. 6,50,1 folge. Außerdem kritisiert er, ebd., Fn.  4, Grotius’ fragwürdiges, dem dritten Beispiel zugrunde liegendes Verständnis von D. 5,3,25,11. Dieses findet sich bereits in De Iure Praedae als Argument für die a n s p r u c h s b e g r ü n d e n d e lex VI, vgl. dazu S. 112, während Grotius dasselbe Fragment hier gerade als Beispiel für quod fieri natura honestum est anführt und gegen Ende der sogleich untersuchten Passage, vgl. im Text bei Fn. 1486, ausdrücklich anhand des »Rechts auf Dankbarkeit« (ius ad reposcendam gratiam) zwischen Vertrag und Wohltat abgrenzt. 1466 Auffällig ist, dass die drei genannten Beispiele in derselben Reihenfolge auch von Covarruvias behandelt werden, der zudem jeweils von einer naturalis obligatio ad moralem honestatem spricht, vgl. Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, pars. II § IV num. 11–12 [S. 313]  ; sowie dazu Decock, Contract Law, S. 388 f. Dass Grotius’ Kritik hier daher gerade ­Covarruvias gilt, ist somit nicht auszuschließen. Dagegen spricht jedoch neben der Tatsache, dass die Beispiele auch in den wohl von Vázquez übernommenen Quellen Erwähnung finden, auch die Abwesenheit eines konkreten Verweises, insbesondere da Covarruvias zu den meist­ zitierten Autoren in De Iure Belli ac Pacis zählt, vgl. Fn. 117. 1467 So im Ergebnis auch Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), passim und insb. S. 459–464, der z­ wischen Pflichten mit und ohne korrespondierendem vollkommenem Recht (»perfect right«, d. h. f­ acultas) unterscheidet, da er einen (ungewöhnlich weiten) Begriff des subjektiven Rechts einschließlich der aptitudo zugrunde legt. Ähnlich (ohne Bezug zum Begriff der obligatio) ferner Schaffner, Jurisprudence 7,3 (2016), S. 507 f.; Tierney, Liberty, S. 240–242, die dieselben Kategorien aus Grotius, IBP, lib. III cap. IV § II 2–3  ; ebd., lib. I cap. I § XVII 2  ; ebd., cap. II §§ I–III, entwickeln.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 325

Ein Vergleich zur stoischen Unterscheidung zwischen officium medium und officium perfectum scheint insbesondere deshalb unpassend, da beide Kategorien lediglich tugendgemäße Handlungen, aber keine auf deren Vornahme gerichtete Pflicht oder gar ein Zwangsrecht beschreiben1468. Gerade diese eudämonische Betrachtung liegt Grotius aber fern.1469 Seine Unterscheidung zwischen der naturalis obligatio per abusionem einerseits und den naturales obligationes magis proprie andererseits belegt Straumanns generelle Feststellung, dass Grotius’ Naturrecht deontologischer und nicht teleologischer Art ist1470. Soweit Schaffner dagegen unter Heranziehung von De Veritate Religionis Christianae ein höchstes Ziel in den Naturrechtsentwurf von De  Iure Belli ac Pacis hineinlesen will,1471 vermag dies angesichts der ungleich anderen Ziele und Adressatenkreise beider Werke nicht zu überzeugen. Dass sich Grotius in einem dezidiert theologischen Werk zum Sinn des Lebens und zu Fragen des Seelenheils äußert, ist wenig überraschend. Daraus für sämtliche Schriften und konkret für De Iure Belli ac Pacis ableiten zu wollen, Grotius halte generell an einem »ausgesprochen christlichen, tugendbasierten Eudämonismus« bzw. einem »ausgesprochen vormodernen Ethikverständnis« fest, wird der Vielschichtigkeit seiner Schriften nicht gerecht. Der Vergleich zu den Kategorien der officia media und perfecta erschließt sich vor dem Hintergrund des Bedeutungswandels dieser Begriffe bei dem Kirchen­ vater Ambrosius von Mailand.1472 Demnach sind lediglich die officia perfecta supererogatorischer Natur, während die officia media auf die Vermeidung von Sünden gerichtete Pflichten in einem deontologischen Sinne darstellen.1473

1468 Vgl. Cic. off. 1,7–8  ; ebd., 3,13–15  ; und dazu Dyck, Commentary, S. 77–79, 513  ; ferner auch Hossenfelder, Pflicht, in  : Der Neue Pauly, Bd. 9, Sp. 704 f.; Kersting, Pflichten, unvollkommene / vollkommene, in  : HWPh, Bd. 7, Sp. 433 f. 1469 So zu Recht Straumann, Grotiana 38 (2017), S. 221  ; Ders., Roman Law, S. 4, 15, 85–87  ; Ders., Sociability, S. 157, 166–169  ; ferner Darwall, AGPh 94,3 (2012), S. 313 f.; dagegen Schaffner, Jurisprudence 7,3 (2016), S. 503–519. Schaffner weist zu Recht darauf hin, dass sich Grotius auch mit supererogatorischen Handlungen und anderen Tugenden neben der ausgleichenden Gerechtigkeit befasst, scheint aber zu übersehen, dass die supererogatorischen Handlungen allein der Abgrenzung dienen und es insofern nie um eine charakterliche Bewertung, sondern immer um Pflichten bzw. Verbindlichkeiten geht. 1470 Straumann, Roman Law, S. 85 f.; ferner Ders., Sociability, S. 157, 170. 1471 Schaffner, Jurisprudence 7,3 (2016), S. 515 f. 1472 Ähnlich auch Schulze, Naturalobligation, S. 95, 106, der die Bedeutung von Ambrosius’ Pflichtenlehre für Grotius’ Rechtsverständnis betont. 1473 Kersting, Pflichten, unvollkommene / vollkommene, in  : HWPh, Bd.  7, Sp.  434  ; ferner auch Hossenfelder, Pflicht, in  : Der Neue Pauly, Bd. 9, Sp. 705  ; Kress, Pflicht II, in  : TRE, Bd. 26, S. 446.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

326 | 

Achtes Kapitel

Eine größere Übereinstimmung weist Grotius’ dreistufige Untergliederung der naturales obligationes aber mit der scholastischen Unterscheidung in debita moralia und debita legalia auf, welche er sowohl aus der Summa Theologiae als auch vermittelt durch spätscholastische Werke1474 gekannt haben dürfte. Während debita moralia aus der honestas folgen, allenfalls auf einen unvollkommenen Ausgleich zielen und entweder lediglich förderlicher oder aber notwendiger Art sind, folgen debita legalia aus dem Gesetz und zielen stets auf einen vollkommenen Ausgleich.1475 Hierin sind alle drei grotianischen Abstufungen angelegt, wenngleich Grotius nicht die erste und zweite Kategorie (als förderliche bzw. notwendige debita moralia), sondern vielmehr die zweite und dritte Kategorie (als naturales obligationes magis proprie ohne bzw. mit korrespondierendem Forderungsrecht) begrifflich zusammenfasst. Entscheidender ist aber, dass die dritte Kategorie – d.  h. in scholastischer Terminologie die debita legalia  – bei Grotius keine Bezüge zur ausgleichenden Gerechtigkeit aufweist, sondern vielmehr darüber definiert wird, dass einem anderen ein Recht entsteht. Insofern nimmt Grotius im Ansatz die im frühneuzeitlichen Naturrecht aufkommende Differenzierung zwischen erzwingbaren (vollkommenen) und nicht erzwingbaren (unvollkommenen) Pflichten1476 vorweg und wird in der frühen Kommentarliteratur auch in diesem Sinne interpretiert1477.

1474 Vgl. insb. zu Lessius Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 125 f., der einen Einfluss lediglich auf Grotius’ Verständnis des subjektiven Rechts, nicht aber der Pflicht bzw. Verbindlichkeit in Betracht zieht. Eine naheliegende Inspiration wäre insoweit etwa Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. VIII num. 56–57 [S. 225], zu der Frage, ob aus Versprechen lediglich ein debitum ex fidelitate oder darüber hinaus ein debitum ex iustitia entstehe. 1475 Vgl. insb. Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 resp. [Bd. 9, S. 174 f.], und dazu ausführlich Decock, Contract Law, S. 80–82, 87, 387–389, 391 sowie insb. S. 197–199  ; ferner konkret zu den Tugenden der Wohltätigkeit Aquinas, STh IIa–IIae qu. 32 [Bd. 8, S. 249–261], und Dankbarkeit ebd., qu. 106 a. 5–6 [Bd. 9, S. 402 f.]  ; sowie dazu jeweils Heyd, Supererogation, S. 23 f.; vgl. konkret zu Versprechen Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 3 ad 1 [Bd. 9, S. 243]  : quod secundum honestatem ex qualibet promissione homo homini obligatur  : et haec est obligatio iuris naturalis. Sed ad hoc quod aliquis obligetur ex aliqua promissione obligatione civili, quaedam alia requiruntur  ; dazu ferner auch Böttcher, Mentalreservation, S. 137 f. 1476 Vgl. Kersting, Pflichten, unvollkommene / vollkommene, in  : HWPh, Bd. 7, Sp. 434–438  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 126 f. Beide beziehen sich für Grotius jedoch – ähnlich wie Auer, AcP 208,5 (2008), S. 590 – allein auf die Differenzierung verschiedener Arten subjektiver Rechte und übersehen die hier untersuchten Passagen zum Pflicht- bzw. Verbindlichkeitsbegriff. Vgl. ferner ohne Bezug auf Grotius auch Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 320, 341. 1477 Vgl. etwa Heineccius, Praelectiones, ad IBP lib. II cap. XI § I num. 4 II.; ebd., cap. XX § XX num. 2  ; ebd., cap. XXII § XVI.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 327

Auch Ambrosius’ Pflichtenlehre, die ihm folgenden scholastischen Sündenlehren sowie die daran anknüpfenden Vertragslehren1478 sind aber –  anders als Grotius’ (entwickelte) Naturrechtslehre  – letztlich auf die Erreichung eines höchsten Ziels gerichtet. In den frühen Werken setzt sich Grotius –  gerade auch im v­ertraglichen ­Kontext  – teilweise noch ausführlich mit besonders tugendhaften H ­ andlungen und der nicht besonders lobenswerten Erfüllung von Pflichten bzw. Verbind­ lich­keiten auseinander.1479 In den Theses LVI und dem untersuchten Brief t­ reten ­derartige Erwägungen in den Hintergrund, während sich die Perspektive auf ­Forderungsrechte verlagert. In all diesen Werken aber bleibt das Verhältnis ­zwischen ­Tugenden, Pflichten und Forderungsrechten letztlich uneindeutig. In der Inleidinge erörtert Grotius dieses Verhältnis zu Beginn des dritten Buches erstmals ausdrücklich und führt in diesem Kontext zugleich die Differenzierung zwischen belofte (bzw. pollicitatio) und toezegging (bzw. promissum) ein. Eine derart grundlegende und zusammenhängende Behandlung fehlt in De Iure Belli ac Pacis. Die Erörterung der verschiedenen Arten von Pflichten ist aber im Vergleich zur Inleidinge noch weiter ausdifferenziert  : Während er dort lediglich die Pflicht im weiteren und im engeren Sinne unterscheidet,1480 stellt er ihnen hier die supererogatorische Handlung (quod fieri natura honestum est) gegenüber – aus der ebenfalls Einreden entstehen können. Dies verdeutlicht zugleich, dass der Aufbau der drei gradus loquendi in der Versprechenslehre – assertio, pollicitatio, promissum – den drei Bedeutungen der naturalis obligatio entspricht  :1481 Eine assertio ist nicht verbindlich – auch wenn ihre Umsetzung ehrbar ist (quod fieri natura honestum est) – und entspricht damit dem, was nach Grotius teilweise per abusionem als naturalis obligatio bezeichnet werde. Die pollicitatio nennt Grotius ausdrücklich als Beispiel der zweiten Kategorie der naturalis obligatio (quod vere nos obligat, sive inde ius alteri […] 1478 Vgl. exemplarisch Molina, De  Iustitia et Iure, lib.  II disp.  258 num.  9 [Sp.  25], sowie dazu ­Kowalski, causa, S. 173 m. w. N.; aber tendenziell auch Wesenbeck, vgl. Fn. 207, die jeweils eine Klagbarkeit der pacta nuda im gemeinen Recht fordern, um das Seelenheil der Menschen zu schützen. 1479 Vgl. etwa im Text bei Fn. 334, 357, 895. 1480 Im Ergebnis ähnlich Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 447, 458, der (ohne Bezug zu der schuld ruim ghenomen und der schuld eng ghenomen) gestützt auf Grotius, Inleidinge, lib.  I cap.  II §§ 5–6  ; ebd., lib. II cap. I § 59, zu dem (zutreffenden) Ergebnis gelangt, die Inleidinge enthalte keine Theorie der Supererogation. 1481 In der Inleidinge tritt dieser Zusammenhang deutlicher hervor, da die Versprechensstufen der belofte und toezegging unmittelbar im Rahmen der Gegenüberstellung der schuld ruim ghenomen und schuld eng ghenomen bzw. verbintenisse erörtert werden, vgl. S. 230–250.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

328 | 

Achtes Kapitel

non oriatur). Davon unterscheidet sich ein promissum – wie sich zeigen wird – auch dadurch, dass es nicht nur verbindlich ist, sondern darüber hinaus dem Adressaten ein Forderungsrecht einräumt. Es entspricht der dritten Kategorie der naturalis obligatio (quod vere nos obligat, sive inde ius alteri oriatur). Insofern ist es nicht unzutreffend, wenn die aus einer pollicitatio entstehende Pflicht in der Literatur häufig als »moralische Verpflichtung« bezeichnet wird. Grotius bezeichnet diese Art von Pflicht mittelbar mit Maimonides als ex  honestate und in der sogleich untersuchten Passage als ex morali ratione. Es wäre allerdings ein Missverständnis, diesen Pflichten im Umkehrschluss jede rechtliche Relevanz abzusprechen,1482 da sie jedenfalls Einreden begründen können. Daneben wird die Bezeichnung als »moralische« Verpflichtung Grotius nur gerecht, wenn sie nicht einseitig in Abgrenzung zur »rechtlichen« Verpflichtung, sondern zugleich in Abgrenzung zur supererogatorischen Handlung verstanden wird. Andernfalls droht der Unterschied zwischen der ersten (naturalis obligatio per abusionem) und zweiten Kategorie (naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri non oriatur) verwischt zu werden. Dann aber verschließt sich die system­ immanente Bedeutung der dreistufigen Konstruktion von assertio, pollicitatio und promissum, sodass diese lediglich als unreflektierte Übernahme der scholastischen Lehre zu Gelübde und Eid erscheinen muss1483. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch, warum Grotius die pollicita­ tiones vereinzelt als gleichrangiges Element seiner Vertragslehre neben promissa und contractus zu behandeln scheint1484  : Sowohl aus pollicitationes als auch aus promissa oder (auf zukünftiges Verhalten gerichteten) contractus entstehen naturales obligationes magis proprie. In ihrer bindenden Wirkung unterscheiden sie sich somit n i c h t . Pflichten ohne korrespondierendes Recht sind nicht weniger verbindlich als solche mit einem entsprechenden Recht, d.  h. Verbindlich­ keiten.1485 (In beiden Fällen ist die Erfüllung der Verpflichtung ein Gebot der objektiven Rechtsordnung –  unabhängig davon, ob einer anderen Person ein entsprechendes subjektives Recht zukommt.) Für die Frage ihrer Durchsetzbarkeit liegt der entscheidende Unterschied allerdings darin, dass pollicitationes dem anderen Teil kein entsprechendes Recht gewähren.

1482 So aber etwa Schmidlin, Vertragsmodelle, S.  191  : »Da ihr keine Versprechensabgabe noch ­-annahme zugrunde liegt, vermag sie nur eine moralische Verpflichtung erzeugen und bleibt als pollicitatio unverbindlich«. 1483 So etwa Wieacker, vgl. Fn. 1399. 1484 Vgl. etwa Fn. 1191. 1485 So zu Recht Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 462 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: naturalis obligatio 

| 329

Dass eine Pflicht ohne korrespondierendes Recht keinen Anspruch begründen kann, erklärt Grotius an anderer Stelle  : Illud quoque sciendum est, si quis quid debet, non ex iustitia propria, sed ex virtute alia, puta liberalitate, gratia, misericordia, dilectione, id sicut in foro exigi non potest, ita nec armis deposci. Nam ad utrumque horum non sufficit, ut id quod postulatur sit ex morali ratione faciendum, sed praeterea opus est in nobis ius quoddam sit ad illud, quale ius interdum leges divinae et humanae dant etiam circa debita aliarum virtutum. quod cum fit, nova tunc debendi ratio accedit, quae iam ad iustitiam pertinet. Id cum deest, iniustum ex hac causa bellum est, ut Romanorum in regem Cypri tanquam ingratum. Nam qui beneficium dedit, nullum habet ius ad reposcendam gratiam  : alioqui contractus esset, non beneficium.1486

Und ebenso ist jenes zu beachten  : Wenn jemand etwas nicht aus der Gerechtigkeit im eigentlichen Sinne, sondern aus einer anderen Tugend schuldet, wie etwa der Freigiebigkeit, Dankbarkeit, Barmherzigkeit, oder Liebe, kann dieses ebenso wenig vor Gericht eingefordert werden, wie es mit Waffengewalt verlangt werden kann. Denn für beide Fälle genügt es nicht, dass dasjenige, das gefordert wird, aus einem moralischen Grund (ex morali ratione) gemacht werden muss, sondern darüber hinaus ist es notwendig, dass uns irgendein Recht zu jenem gegeben ist, wie etwa die göttlichen und menschlichen Gesetze manchmal ein Recht bezüglich der Schulden aus anderen Tugenden gewähren. Wenn dies geschieht, kommt alsdann ein neuer Schuldgrund hinzu, welcher sich bereits auf die Gerechtigkeit bezieht. Wenn dies fehlt, ist ein aus diesem Grund geführter Krieg unrechtmäßig, wie der Krieg der Römer gegen den König von Zypern, wenn jener auch undankbar war. Denn wer eine Wohltat gewährt hat, hat kein Recht, im Gegenzug Dankbarkeit zu verlangen  : Andernfalls wäre es ein Vertrag und keine Wohltat.

Etwas, das aus Freigiebigkeit, Dankbarkeit, Barmherzigkeit oder Liebe geschuldet ist, kann weder eingeklagt noch im Wege der Selbsthilfe verlangt werden, da dem Adressaten ein entsprechendes Recht dazu fehle, sofern aus göttlichem oder menschlichen Recht nichts anderes folgt.1487 Die aus einer pollicitatio entstehende Pflicht der Beständigkeit oder Treue (fidelitas) bezeichnet Grotius ausdrücklich als similis zu Barmherzigkeit und Dankbarkeit und erklärt zudem, dass diese nach dem Naturrecht nicht erzwungen werden könne.1488 Zugleich abstrahiert er von den einzelnen Tugenden, indem er sie hier als nicht aus der Gerechtigkeit im eigentlichen Sinne (iustitia propria), sondern aus einer 1486 Grotius, IBP, lib. II cap. XXII § XVI. 1487 So auch Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 448, 462. 1488 Vgl. im Text bei Fn. 1429.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

330 | 

Achtes Kapitel

anderen Tugend (ex virtute alia) bzw. aus einem moralischen Grund (ex morali ratione) folgend zusammenfasst. Berücksichtigt man Grotius’ sogleich zu untersuchendes Verständnis der iustitia (propria), scheint diese Gegenüberstellung derjenigen im vorherigen Textfragment zwischen ex iure stricte und ex honestate bzw. iustitia oder aequitas zu entsprechen. Besonders anschaulich grenzt er schließlich Wohltaten (beneficia) und Verträge (contractus) voneinander ab  :1489 Eine Wohltat mag eine Pflicht zur Dankbarkeit auslösen, aber kein entsprechendes Forderungsrecht gewähren, denn andernfalls wäre es gerade ein gegenseitiges Geschäft, nämlich ein Vertrag. Auch hierin zeigen sich die drei Bedeutungen der naturalis obligatio  : Die Wohltat selbst ist eine der honestas entsprechende Handlung, die teilweise per abusionem als naturalis obligatio bezeichnet wird.1490 Die dadurch begründete Pflicht zur Dankbarkeit ist eine naturalis obligatio im eigentlichen Sinne, die dem anderen Teil jedoch kein Recht gewährt. Der Vertrag schließlich steht für die rechtlich durchsetzbare ­Verbindlichkeit und damit die dritte Bedeutung der naturalis obligatio. b) ius proprie aut stricte dictum, facultas und aptitudo

De Iure Belli ac Pacis beginnt, ähnlich wie die Inleidinge,1491 zunächst mit einer Begriffsbestimmung des Wortes ius. Im ersten Kapitel des ersten Buchs, Quid bellum, quid ius  ?, unterscheidet Grotius drei Verwendungen  : Einerseits kann ius sämtliche Handlungen beschreiben, die nicht ungerecht sind.1492 Andererseits kann ius synonym zu lex eine Verhaltensvorschrift bezeichnen.1493 Entscheidend für das Verständnis von Grotius’ Naturrechtslehre im Allgemeinen und der verbindlichen Wirkung von Versprechen im Besonderen ist jedoch eine weitere 1489 Eine ähnliche Differenzierung findet sich –  zumindest konkludent  – bereits in der Inleidinge durch Einführung der Pflicht zu einer Wohltat (weldaed-schuld) in Abgrenzung zur aus onevenheid folgenden Verbindlichkeit, vgl. im Text bei Fn. 1039 f. 1490 Dies erklärt Grotius (unter Bezug auf liberalitas anstatt beneficium) ausdrücklich in einer 1642 hinzugefügten Ergänzung zum zuvor untersuchten Fragment, vgl. im Text bei Fn. 1457. 1491 Vgl. dazu im Text bei Fn. 980–986. Dort fehlt allerdings die Bedeutung als Verhaltensvorschrift und auch die Anforderungen an eine damit beschriebene Handlung unterscheiden sich von denen in De Iure Belli ac Pacis. 1492 Grotius, IBP, lib. I cap. I § III (Ius pro attributo actionis)  : […] Nam ius hic nihil aliud quam quod iustum est significat  : idque negante magis sensu quam aiente, ut ius sit quod iniustum non est. Est autem iniustum quod naturae societatis ratione utentium repugnat. […]. Vgl. dazu ­Hägerström, bindende Kraft, S.  50–52  ; sowie zu den entsprechenden Anklängen in den ­Theses LVI im Text bei Fn. 702. 1493 Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX 1.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: ius proprie aut stricte dictum 

| 331

Bedeutung  : In diesem Sinne beschreibt ius eine »moralische Eigenschaft einer Person« – eine B e r e c h t i g u n g   : Ius pro qualitate dividitur in facultatem et aptitudinem.

Das Recht als Eigenschaft wird in facultas und aptitudo unterschieden.

Ab hac1494 iuris significatione diversa est altera, sed ab hac ipsa veniens, quae ad personam refertur  ; quo sensu ius est Qualitas moralis personae competens ad aliquid iuste habendum vel agendum. Personae competit hoc ius, etiam si rem interdum sequatur, ut servitutes praediorum quae iura realia dicuntur comparatione facta ad alia mere personalia  : non quia non ipsa quoque personae competant, sed quia non alii competunt quam qui rem certam habeat. Qualitas autem moralis perfecta, Facultas nobis dicitur  ; minus perfecta, Aptitudo  : quibus respondent in naturalibus, illi quidem actus, huic autem potentia.1495

Von jener1494 Bedeutung des Wortes Recht ist eine andere zu unterscheiden, die auf eine Person bezogen wird, selbst wenn diese von jener entlehnt ist. In diesem Sinne ist das Recht eine der Person zukommende moralische Eigenschaft, um irgendetwas rechtmäßig innezuhaben oder vorzunehmen. Dieses Recht kommt einer Person zu, auch wenn es manchmal der Sache folgt, wie die Grunddienstbarkeiten, welche im Vergleich zu den anderen, rein persönlichen Rechten dingliche Rechte genannt werden  : Nicht weil sie nicht selbst auch der Person zustehen sollen, sondern weil sie keinem anderen zustehen, als demjenigen, der die bestimmte Sache innehaben darf. Die vollkommene moralische Eigenschaft aber wird von uns facultas genannt, die unvollkommene aptitudo. Für beide gibt es im Natürlichen Entsprechungen  : Für erstere gewiss actus, für letztere aber potentia.

Ius in diesem Sinne kommt dem heutigen (engen)1496 Verständnis eines subjektiven Rechts nahe  : Es ist eine Rechtsposition mit Zuweisungs- und Abwehrfunktion.1497 Auch wenn darin ein deutlicher Fortschritt gegenüber Grotius’ früheren 1494 Vgl. Fn. 1492. 1495 Grotius, IBP, lib. I cap. I § IV. 1496 Zu den unterschiedlichen Auffassungen und den daraus resultierenden Missverständnissen vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 130–135  ; Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 354 f. Allerdings betonen Haakonssen, Political Theory 13,2 (1985), S. 244  ; Haggenmacher, Grotius, S. 464  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 145, zu Recht, dass diese Bedeutung von ius teilweise auch umfassender als das moderne Verständnis subjektiver Rechte ist, da sie etwa auch staatliche Hoheitsrechte einschließt. 1497 Die Bedeutung der Abwehr- bzw. Ausschlussfunktion betonen auch Haakonssen, Political ­Theory 13,2 (1985), S.  241  ; Hägerström, bindende Kraft, S.  56  ; Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 88  ; Ders., concept of a right, S. 194  ; Ders., Law as Fact, S. 294  ; Mancilla, Grotiana 36 (2015), S. 67, wenn auch teilweise nicht für die facultas, sondern das suum, welches Grotius jedoch in der sogleich untersuchten Passage mit jener gleichsetzt, vgl. im Text bei Fn. 1507  ; ähn-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

332 | 

Achtes Kapitel

Werken liegt, dürfte diese Zuspitzung keine originäre Leistung von Grotius gewesen, sondern vielmehr von Suárez1498 inspiriert sein.1499 Dass sich sowohl Suárez als auch Grotius ausdrücklich mit Grunddienstbarkeiten (servitutes) auseinandersetzen, zeigt deutlich, dass beide hier zumindest auch an zivilrechtliche Positionen denken. Grotius unterscheidet anschließend zwei Unterkategorien von ius als »moralischer Eigenschaft einer Person«  : qualitas moralis perfecta oder facultas einerseits und qualitas moralis minus perfecta oder aptitudo andererseits. Anders als Barbeyrac1500 in seiner Übersetzung, spricht Grotius nicht unmittelbar von ius perfectum und ius minus perfectum. Er verwendet an dieser Stelle aber wohl nur deshalb den etwas umständlichen Begriff der qualitas moralis, da ius für ihn auch andere Bedeutungen haben kann, mit denen er sich unmittelbar zuvor und unmittelbar danach beschäftigt. In einem weniger verwechslungsanfälligen Kontext – der Erörterung deliktisch geschützter Rechtspositionen – bezeichnet auch Grotius die aptitudo einmalig als quod ius minus proprie dicitur.1501 Daher lassen sich Grotius’ Ausführungen mit Barbeyrac wohl zu Recht auf die Aussage verkürzen, eine facultas sei ein ius perfectum, eine aptitudo ein ius minus perfectum oder imperfectum. Diese Unterteilung erinnert an die Unterscheidung zwischen toebehoeren und waerdigheid in der Inleidinge.1502 Ebenso wie dort widmet sich Grotius auch hier

lich bereits zu De  Iure Praedae Ertz, Grotiana 37 (2016), S.  76. Schmoeckel, Reformation, S. 262, spricht insofern von einem »Freiheitsrecht«. 1498 Suárez, De legibus, lib. I cap. II num. 5 [S. 5]  : Et juxta posteriorem et strictam juris significationem solet proprie jus vocari facultas quaedam moralis, quam unusquisque habet, vel circa rem suam, vel ad rem sibi debitam  ; sic enim dominus rei dicitur habere jus in re, et operarius dicitur habere jus ad stipendium […] nam in jure hoc modo distinguuntur jus in re, vel ad rem   : item jura servitutum, seu jura praediorum rusticorum, vel urbanorum, jura utendi, vel fruendi, et similia […]. 1499 Vgl. dazu Brett, MIH 17,3 (2020), S. 630  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 116 f.; Ders., Grotius, S. 463 f.; Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 78–86  ; Recknagel, Einheit, S. 25, 67  ; Schnepf, ZNR 20 (1998), S. 11 f.; Tierney, Liberty, S. 231  ; Ders., Natural Rights, S. 50 f., 326  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 83 f., 144–146  ; ferner Ottenwälder, Grotius, S. 24, 110 f.; wenngleich Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 117, und Tuck, Natural Rights, S. 58, 60, betonen, dass der Kern bereits in De Iure Praedae angelegt gewesen sei und Grotius Suárez zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelesen hatte. 1500 Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. I cap. I § IV [Bd. 1, S. 41]. Diesem folgend auch die darauf beruhende und zuletzt von Tuck neu herausgegebene englische Übersetzung von Morrice, vgl. Tuck (Hrsg.), The Rights of War and Peace, lib. I cap. I § IV [Bd. 1, S. 138]. 1501 Grotius, IBP, lib. II cap. XVII § II 2. 1502 Vgl. dazu im Text bei Fn. 985 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: ius proprie aut stricte dictum 

| 333

im Anschluss fast ausschließlich dem v o l l k o m m e n e n R e c h t (facultas bzw. toebehoeren)  :1503 Facultatis sive iuris stricte dicti divisio in potestatem, dominium, creditum.

Die Unterteilung der facultas oder des Rechts im strengen Wortsinn in Gewalt, dingliches Recht und Forderung.

Facultatem Iurisconsulti nomine Sui appellant  : nos posthac ius proprie aut stricte dictum appellabimus  : sub quo continentur Potestas, tum in se, quae libertas dicitur ⟨ quam propterea facultatis nomine optime definiunt Romani Iurisconsulti ⟩1504, tum in alios, ut patria, dominica  : Dominium ⟨ Ius pro Dominio. Scholiastes ad Horatium1505 ⟩1506, plenum sive minus pleno, ut ususfructus, ius pignoris  : et creditum cui ex adverso respondet debitum.1507

Die Rechtsgelehrten bezeichnen die facultas mit dem Begriff »das Seinige« (suum). Wir werden sie von nun an als das Recht im eigentlichen oder im engen Sinne bezeichnen. Unter diesem werden zusammengefasst  : (1) die Gewalt (potestas) (einerseits über sich, welche Freiheit (libertas) genannt wird ⟨ welche die römischen Rechtsgelehrten deshalb am besten mit der Bezeichnung facultas definieren ⟩, andererseits über andere, wie die väterliche oder die des Herrn über Sklaven), (2) das dingliche Recht (dominium) ⟨ die Scholien zu Horaz verwenden für ius auch dominium ⟩ (sowohl das volle als auch das beschränkte, wie der Nießbrauch oder das Pfandrecht) und (3) die Forderung (creditum) (der aus der entgegengesetzten Sicht die Schuld (debitum) entspricht).

Facultas bildet für Grotius den Oberbegriff aller durchsetzbaren Rechts­ positionen.1508 Vollkommene Rechte (facultates) definieren, was ausschließ1503 So (für De Iure Belli ac Pacis) schon Tuck, Political Thought, S. 98  ; dagegen betont Iurlaro, Rights, S. 244, 249 f., 252 f., zuletzt werkübergreifend die Bedeutung des Konzepts der aptitudo für Grotius. 1504 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput Primum) hinzugefügt. 1505 Bereits Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. I cap. I § V Fn. 3 [Bd. 1, S. 41], verweist zu Recht auf Ps.-Acro in Hor. Epist. 2,2,174  : [in altera] iura, id est in alterius dominium  ; die daneben von Feenstra / Persenaire (Hrsg.), IBP, S. 32 Fn. 2, ebenfalls angeführte Passage Ps.-Acro in Hor. Sat. 2,3,213–217, weist zwar ebenfalls die Tendenz auf, doch liegt sie, wie bereits Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 227 Fn. 121, (unter Bezug auf eine andere Passage) bemerkt, aufgrund des abweichenden Wortlauts als Grotius’ Vorlage eher fern  : […] Apud veteres insanis a praetoribus ius dominii auferebatur […]. 1506 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput Primum) hinzugefügt. 1507 Grotius, IBP, lib. I cap. I § V [Hervorh. im Orig.]. 1508 Graphische Darstellungen des in Grotius, IBP, lib.  I cap.  I §§  IV–V, entfalteten Systems verschiedener Rechtspositionen findet sich bei Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S.  446  ; Tanaka, Law, S. 34.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

334 | 

Achtes Kapitel

lich dem Berechtigten zusteht. Zu ihnen gehören zunächst dingliche Rechte ­(dominium, plenum sive minus pleno) und Forderungsrechte (creditum). ­Darüber hinaus kennt Grotius aber auch Herrschaftsrechte über Personen (potestas), ­inklusive der Herrschaft über sich selbst (libertas).1509 In dieser – auch in der Überschrift des Absatzes betonten – Dreiteilung der facultates liegt zugleich eine stärkere Abgrenzung zwischen dominium und libertas als in früheren Werken.1510 Dies mag ebenfalls dazu beigetragen haben, dass Grotius in De  Iure Belli ac Pacis anders als in früheren Werken (nicht zuletzt im Kontext der mehrfach bemühten Analogie zwischen dinglichen und persön­ lichen Rechten) auf jegliche Verweise auf den Diskurs zum dominium actionum suarum verzichtet. Daran ändert auch nichts, dass Grotius in der überarbeiteten Auflage von 1642 im Kontext der potestas einen impliziten Verweis auf die ­statusrechtliche Freiheitsdefinition des Florentinus ergänzt.1511 Zwar verknüpft er diese in De  Iure Praedae unmittelbar mit der Gleichsetzung von dominium und libertas,1512 doch erscheint es aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs deutlich naheliegender, dass er im Rahmen seines 1643 erschienenen Kommentars Corpus Iuris Civilis erneut auf das Fragment stieß,1513 als dass er den Verweis aus De Iure Praedae übernommen hätte. Aber auch die Forderungsrechte (creditum) scheinen in dieser Dreiteilung stärker von den beiden anderen Kategorien unterschieden zu werden als in frü1509 Hägerström, bindende Kraft, S. 55, 83 f., sieht hierin auch Anklänge staatlicher Herrschaftsgewalt (imperium). Angesichts Grotius’ verfassungsrechtlicher Konstruktion verschiedener Formen staatlicher Herrschaftsgewalt, vgl. dazu Brett, MIH 17,3 (2020), S. 632–643  ; Haakonssen, Political Theory 13,2 (1985), S. 244–247  ; D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 381–390  ; Recknagel, Einheit, S. 183–190  ; ferner Tuck, Natural Rights, S. 78–80, liegt eine Parallele nahe. Wie D. Lee, ebd., und diesem weitgehend folgend Brett, ebd., S.  641  f., zeigen, kennt Grotius aber auch eine Herrschaftsgewalt kraft Nießbrauchs, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass die Grenzen zwischen den Unterkategorien der facultas (hier potestas und dominium minus pleno) fließend sind. Soweit Hägerström, bindende Kraft, S. 82–86, aus der Parallele zur staatlichen Herrschafts­ gewalt schließt, Grotius’ Idee des eigentumsähnlichen Rechts an eigenen Handlungen sei durch die mittel­alterliche Lehre der Volkssouveränität inspiriert, kann dies jedoch nicht überzeugen. 1510 Ähnlich schon Brett, Liberty, S. 205. 1511 Schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. I cap. I § V Fn. 2 [Bd. 1, S. 41], verweist in einer Fußnote zu der Ergänzung ⟨ quam propterea facultatis nomine optime definiunt Romani Iurisconsulti ⟩ darauf, dass sich diese Definition in D. 1,5,4(5) pr. und in Inst. 1,3,1 finde. 1512 Diese Parallele bemerken auch Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 227 Fn. 120  ; D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 376 f.; Straumann, Grotius, S. 163  ; ferner Blom, Grotius on Trust, S. 93 f. Vgl. zu der entsprechenden Passage in De  Iure Praedae im Text bei Fn.  582 sowie dazu im Text bei Fn. 586–593. 1513 Vgl. insoweit zu der Kommentierung zu Inst. 1,3,1 Fn. 593.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: ius proprie aut stricte dictum 

| 335

heren Werken. In der Sekundärliteratur wurde dies nicht immer ausreichend gewürdigt. So setzt etwa de  Araujo facultas schlicht mit potestas gleich.1514 Demgegenüber will Dedek creditum als Unterfall von dominium verstehen und lediglich letzteres der potestas gegenüberstellen,1515 während Feenstra lediglich dominium und creditum abgrenzt und potestas außer Acht zu lassen scheint1516. Grotius’ Interpunktion ist nicht immer unmittelbar eingängig, doch trennt er hier seine Ausführungen zu potestas, zu dominium und zu creditum jeweils mit einem Doppelpunkt. Dass es sich dabei um eine Aufzählung gleichrangiger Kategorien handelt, zeigt sowohl seine sonstige Verwendung von Doppelpunkten1517 als auch insbesondere die entsprechende Überschrift (Facultatis sive iuris stricte dicti divisio in potestatem, dominium, creditum). Daran ändert nichts, dass die Gegenüberstellung von creditum und debitum zunächst an die Gegenüberstellung von inschuld und verbintenisse in der Inleidinge1518 erinnern mag. Während inschuld dort sämtliche persönlichen Rechte (in Abgrenzung zu den dinglichen Rechten) bezeichnet,1519 scheint Grotius potestas hier gerade nicht als Unterfall von creditum zu verstehen.1520 Die Relevanz dieser Unterscheidung bleibt allerdings ebenso fraglich wie die Wechselwirkung zwischen creditum und debitum  : Für sich genommen mag die Formulierung creditum cui ex adverso respondet debitum den Eindruck erwecken, dass Grotius debitum hier – vielleicht auch aufgrund des ambivalenten obligatio-Begriffes – als Bezeichnung der (mit einem korrespondierenden Forderungsrecht verbundenen) Verbindlichkeit etablieren wollte. Ähnlich wie zum Begriff der naturalis obligatio, findet sich aber auch zu debitum eine Erklärung, dass dies manchmal Pflichten mit korrespondierenden Rechten, manchmal auch lediglich ehrbare Pflichten bezeichne.1521 Zudem verwendet Grotius den Ausdruck debitum im weiteren Verlauf von De Iure Belli ac

1514 de Araujo, HPhQ 26,4 (2009), S. 354. 1515 Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S.  326. Der Wortlaut Dominium […] plenum sive minus pleno, ut ususfructus, ius pignoris  : et creditum […] scheint zumindest dafür offen, creditum neben dem Nießbrauch und dem Pfandrecht als dritte Unterkategorie des beschränkten dinglichen Rechts (dominium minus pleno) zu verstehen. Dem Doppelpunkt vor et creditum wird dies jedoch ebenso wenig gerecht wie der Überschrift […] divisio in potestatem, dominium, creditum. 1516 Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 227 f. 1517 Vgl. etwa im Text bei Fn. 1225, 1343, 1457, 1634. 1518 Vgl. im Text bei Fn. 1074. 1519 Vgl. Fn. 1023, 1025. 1520 Vgl. zur Abgrenzung von potestas und creditum noch Fn. 1555. 1521 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. VII § IV 1  ; sowie dazu Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 462  ; Tanaka, Law, S. 50.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

336 | 

Achtes Kapitel

Pacis uneinheitlich,1522 da er damit mehrfach eindeutig auch jene Pflichten bezeichnet, denen es gerade an einem entsprechenden Forderungsrecht fehlt1523. Für das Verhältnis untereinander wirft die Unterscheidung der Kategorien ­dominium, potestas und creditum mehr Fragen auf, als sie zu klären vermag. Für den Oberbegriff facultas hingegen trägt sie zu mehr Klarheit bei, indem sie diesem konkrete (zivil-)‌rechtliche Positionen zuordnet. Daraus ergibt sich zudem ein wichtiger Aspekt der facultas, den Grotius nicht ausdrücklich benennt  : das Recht zur zwangsweisen Durchsetzung, wenn andere gegen den Zuweisungs­ gehalt verstoßen.1524 Ein komplementäres Bild dazu zeichnet die Gleichsetzung der facultas mit dem Begriff suum. Zu Beginn der Erörterung deliktisch geschützter Rechts­positionen findet sich eine –  an die Theses  LVI erinnernde  –1525 Auflistung verschiedener Rechtspositionen, die Grotius zum suum rechnet  : Leben, Körper, Gliedmaßen, der gute Ruf, Ehre und die eigenen Handlungen gehören demnach von Natur aus zum suum, Sachen und (Rechte an) Handlungen anderer erst durch dingliche Rechte und Abreden.1526 Neben suum setzt Grotius noch einen weiteren Begriff mit facultas gleich – und kündigt zugleich an, diesen im weiteren Verlauf zu verwenden  : ius proprie aut stricte dictum. Die genaue Formulierung scheint allerdings lediglich der Betonung zu dienen, denn sie findet sich in De Iure Belli ac Pacis kein weiteres Mal. Stattdessen spricht Grotius verkürzt von ius proprium. Dass er in De Iure Belli ac Pacis zunächst den Begriff facultas einführt, dürfte sich vor dem Hintergrund des zeitgenössischen, insbesondere spätscholastischen, Diskurses1527 erklären. Er 1522 So auch Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 462. 1523 Vgl. im Text bei Fn.  1429 (debitum constantiae sive fidelitatis)  ; im Text bei Fn.  1486 (debita aliarum virtutum)  ; sowie im Text bei Fn. 1535 (debitum ex pietate, observantia et gratiae rependendae officio). In all diesen Fällen betont Grotius ausdrücklich, dass ein entsprechendes Recht zur Durchsetzung fehle. 1524 Dies betont zu Recht Hägerström, bindende Kraft, S. 56 f., 63–66, 72, 86. 1525 Vgl. insb. im Text bei Fn. 688, 693. 1526 Grotius, IBP, lib. II cap. XVII § II 1  : Natura homini suum est vita, non quidem ad perdendum, sed ad custodiendum, corpus, membra, fama, honor, actiones propriae. Dominio et pactis quomodo suum quid cuique sit, superior tractatio docuit, tum quoad res, tum quoad ius in actiones alienas [Hervorh. d. Verf.]. Vgl. zu den einzelnen Kategorien im Detail Feenstra, Deliktsrecht, S. 431–436  ; Mancilla, Grotiana 36 (2015), S. 69–75, wobei Mancillas Verständnis der zum suum gehörenden H a n d l u n g e n jedoch zu eng zu sein scheint, soweit es lediglich solche Handlungen umfasst, die dem Schutz oder Erwerb anderer Kategorien des suum dienen. 1527 Vgl. dazu im Detail Decock, Contract Law, S. 353 f.; Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 215–221, 227  ; Hagenmacher, Droits subjectifs, S. 112 f.; Seelmann, Vazquez, S. 56 , 73 f., 82–92  ; ferner auch Ders., Selbstherrschaft, S. 48–50.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: ius proprie aut stricte dictum 

| 337

selbst assoziiert das hier zunächst unter dieser Bezeichnung dargestellte Konzept aber im weiteren Verlauf mit dem Ausdruck ius proprium. Während Inhalt und Bedeutung der facultas bzw. des ius proprium durch diese Unterkategorien und Beispiele vergleichsweise deutlich umrissen sind, ­lassen sich auf die aptitudo allenfalls Rückschlüsse ziehen, insbesondere aus ihrer ­Abgrenzung von der facultas im Kontext der Unterscheidung zwischen iustitia expletrix und iustitia attributrix  : De Iustitia expletrice et attributrice […]

Über die erfüllende und zuweisende Gerechtigkeit […]

Facultatem respicit iustitia Expletrix, quae proprie aut stricte iustitiae nomen obtinet, συναλλακτικὴ Aristoteli, nimis arcto vocabulo  : nam ut possessor meae rei eam mihi reddat, non est ἐκ συναλλάγματος, et tamen ad eandem hanc iustitiam pertinet  : itaque ἐπανορθωτκὴν idem felicius dixit  : aptitudinem respicit Attributrix, quae Aristoteli διανεμητικὴ, comes earum virtutum quae aliis hominibus utilitatem adferunt, ut liberalitatis, misericordiae, providentiae rectricis.1528

Auf die facultas bezieht sich die erfüllende Gerechtigkeit (iustitia expletrix), welcher im eigentlichen oder vielmehr strengen Sinne der Begriff Gerechtigkeit zukommt, die austauschende (συναλλακτικὴ) des Aristoteles – ein allzu enger Begriff  : Denn wenn der Besitzer meiner Sache mir diese zurückgibt, so geschieht es nicht aus Synallagma (ἐκ συναλλάγματος), und dennoch gehört es zu derselben Gerechtigkeit. Deshalb hat er dieselbe passender als wiedergutmachende (ἐπανορθωτκὴ) bezeichnet. Auf die aptitudo bezieht sich die zuweisende Gerechtigkeit (iustitia attributrix), die austeilende (διανεμητικὴ) des Aristoteles, die Gefährtin derjenigen Tugenden, die zum Nutzen anderer Menschen beitragen, wie Freigiebigkeit, Barmherzigkeit, Mitleid oder Voraussicht bei der Staatsführung.

Deutlicher als in De Iure Praedae1529 etabliert Grotius hier eigene Gerechtigkeitsbegriffe, doch bleiben diese (zumindest hinsichtlich ihrer Zweiteilung) weiterhin an die aristotelischen angelehnt1530. Dies nutzt er dazu, die iustitia expletrix aus der Perspektive der facultates zu interpretieren, sodass sich diese im Wesent­ lichen in der Beachtung subjektiver Rechte erschöpft.1531 Demgegenüber fallen die aptitudines in den Bereich der iustitia attributrix. 1528 Grotius, IBP, lib. I cap. I § VIII 1. 1529 Vgl. dazu im Text bei Fn. 442. 1530 So auch Aure, FHI 2008, Rn. 56 f.; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 112, 121–123, 129  ; Straumann, Grotius, S. 157–159  ; Ders., Roman Law, S. 124–126  ; Stumpf, Theology, S. 44. 1531 Insofern erinnert Grotius, IBP, lib. I cap. I § VIII 1, an Inst. 1,1 pr.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

338 | 

Achtes Kapitel

Tuck hat detailliert aufgezeigt, dass De  Iure Belli ac Pacis insofern den Abschluss einer werkübergreifenden Entwicklung darstellt, in deren Verlauf ­Grotius seine Gerechtigkeitsbegriffe zunehmend aus der Perspektive subjektiver Rechte versteht.1532 Die verkürzte Bezeichnung der aptitudo als ius imperfectum ist also durchaus zutreffend  : Sie ist (anders als die facultas) gerade keine durchsetzbare Rechtsposition. Nicht nachvollziehbar erscheint vor diesem Hintergrund ­allerdings die in der Literatur vorgetragene Beobachtung, Grotius würde die Konzepte des (subjektiven) »Rechts« und des »Interesses« verschmelzen1533. Auch wenn Grotius in De Iure Belli ac Pacis begrifflich nicht zwischen durchsetzbaren und nicht durchsetzbaren Pflichten (obligationes) unterscheidet, bestärkt die Differenzierung zwischen den korrespondierenden Rechten (facultates und aptitudines) die aus den Ausführungen zur naturalis obligatio gewonnene Erkenntnis, dass er diese Unterscheidung inhaltlich sehr wohl trifft.1534 Zudem scheint Grotius die Probleme seines unspezifischen obligatio-Begriffs zumindest für den konkreten Fall der Pflichten geschäftsfähiger Kinder gegenüber ihren Eltern vorherzusehen  : […] In caeteris autem actionibus habent tum liberi ἐξουσίαν, id est facultatem moralem agendi, sed tenentur tamen in illis quoque studere semper, ut parentibus placeant. Verum hoc

[…] Für alle anderen Handlungen aber haben dann die Kinder ἐξουσίαν, das heißt die moralische Fähigkeit zu handeln, doch sind sie auch bei diesen dennoch gebunden, sich stets darum zu bemühen, ihren Eltern zu gefallen. Allerdings bewirkt diese Pflicht (debitum), weil sie anders als jene zuvor genannten

1532 Vgl. Tuck, Natural Rights, S. 59–67, 73 f.; ähnlich auch Aure, FHI 2008, Rn. 67–69  ; Ders., Grotius, S. 87 f.; Haakonssen, Political Theory 13,2 (1985), S. 254 f.; Straumann, Grotius, S. 161 f.; Ders., Roman Law, S. 128. Wenig überzeugend erscheint allerdings, dass Straumann, Grotius, S.  160  f.; Ders., Roman Law, S.  126–128, hierin eine Anlehnung an Ciceros Gerechtigkeits­ begriff sieht. Diesen legt Grotius einzig im Parallelon Rerumpublicarum zugrunde, vgl. S. 91–94, ohne auch nur im Ansatz an Rechtspositionen des Gläubigers zu denken. 1533 de Araujo, HPhQ 26,4 (2009), S. 365 f. 1534 So ohne Berücksichtigung der Ausführungen zur naturalis obligatio schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § III Fn. 2 [Bd. 1, S. 401], der anmerkt, eine pollicitatio übertrage lediglich keine facultas, wohl aber eine aptitudo, denn jeder Pflicht (gegenüber anderen) entspreche stets ein Recht, sei es eine facultas oder eine aptitudo. Ähnlich auch Henniges, Observationes, Quibus simile ad IBP lib. II cap. XI § II  : Ex quo simul colligitur, si is, qui pollicitationem fecit, fidem non servat, eum non peccare contra justitia expletricem, utpote que jus stricte dictum alteri concedit, sed attributricem, dum non ea facit, quae honestas & recta ­ratio facere imperant, exclusa omni coactione ad implendam pollicitationem  ; Kersting, Pflichten, ­unvollkommene / vollkommene, in  : HWPh, Bd. 7, Sp. 434 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – Exkurs: ius proprie aut stricte dictum 

debitum cum non sit ex vi facultatis moralis, ut illa superiora, sed ex pietate, observantia et gratiae rependendae officio, non efficit ut irritum sit siquid contra sit factum, sicut nec irrita est donatio rei a quocunque domino facta contra parsimoniae regulas.1535

| 339

nicht aus der moralischen Fähigkeit folgt, sondern aus Frömmigkeit (pietas), Gehorsam (observantia) und der Pflicht der zu erwidernden Dankbarkeit (officium gratiae rependendae), nicht, dass etwas unwirksam wäre, wenn es dagegen vorgenommen worden wäre, ebenso wie auch die Schenkung einer Sache durch einen beliebigen Eigentümer nicht unwirksam ist, weil sie gegen die Regeln der Sparsamkeit vorgenommen wurde.

Mit Erlangen der Urteilskraft werden Kinder grundsätzlich geschäftsfähig.1536 Wenig später spricht Grotius ausdrücklich von αὐτεξούσιος suique iuris1537 und greift damit die Formulierung aus De Iure Praedae1538 wieder auf. Ihnen kommt eine facultas moralis1539 agendi zu. Gemeint ist hier wohl die libertas, die potestas an sich selbst. Dann können sie aber nicht mehr unter der potestas parentum1540 (patria potestas) der Eltern stehen. Dennoch bleiben sie verpflichtet, sich in einer den Eltern genehmen Weise zu verhalten. Ähnlich wie schon bei der Erläuterung der aus einer pollicitatio entstehenden fidelitas, verwendet Grotius die Bezeichnung debitum anstelle von obligatio auch hier für eine Pflicht, der ein korrespondierendes Recht fehlt. Schließlich erklärt Grotius hier ausdrücklich, dass diese Pflicht keinesfalls die für Verbindlichkeiten typischen Rechtsfolgen1541 entfalte. Dies entspricht der zweiten Kategorie der naturalis obligatio  : Der Pflicht ohne korrespondierendes (durchsetzbares) Recht eines anderen, wenngleich er hier noch konkreter formuliert, dass eine derartige Pflicht keine Auswirkungen auf andere (durchsetzbare) Rechte und Verbindlichkeiten hat. Daneben nennt er hier drei weitere Beispiele 1535 Grotius, IBP, lib. II cap. V § III. 1536 Vgl. zur Geschäftsfähigkeit bei promissa auch Grotius, IBP, lib. II cap. XI § V 1–2. 1537 Grotius, IBP, lib. II cap. V § VI  : In tertio tempore filius in omnibus est αὐτεξούσιος suique iuris, manente tamen semper illo pietatis et observantiae debito cuius causa perpetua est. 1538 Vgl. im Text bei Fn. 549 sowie dazu im Text bei Fn. 550–573, 594–601. 1539 facultas moralis ist nichts als eine Tautologie, da ja die facultas ihrerseits eine qualitas moralis ist. Es ist also insbesondere nicht etwa so zu verstehen, dass facultas moralis lediglich ein unvollkommenes oder moralisches Recht im Sinne einer aptitudo meint. Die synonyme Bedeutung von facultas und facultas moralis zeigt sich zudem eindeutig in Grotius, IBP, lib. II cap. I § X 1  : Dort weist Grotius die facultas moralis gerade dem Bereich der iustitia expletrix und nicht der iustitia attributrix zu – parallel zu der Zuweisung der facultas in ebd., lib. I cap. I § VIII 1. 1540 Vgl. zu dieser Bezeichnung Grotius, IBP, lib. II cap. V § VII. 1541 Vgl. für promissa allgemein Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VIII 1–2  ; vgl. für Kaufverträge ebd., cap. XII § XV, und für völkerrechtliche Bündnisse ebd., cap. XV § XIII 3–4.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

340 | 

Achtes Kapitel

für diese Art von Pflicht  : Frömmigkeit (pietas), Gehorsam (observantia) und Dankbarkeit (gratia). Letztere zieht er auch zur Beschreibung des Wesens der aus einer pollicitatio entspringenden Treuepflicht (fidelitas) heran. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Grotius (wie schon in der Inleidinge1542) von zwei verschiedenen Arten von Rechten – durchsetzbaren (facultates oder iura propria) und nicht durchsetzbaren (aptitudines) – ausgeht,1543 dabei aber terminologisch zumeist nur eine Pflicht bzw. Verbindlichkeit (obligatio) kennt. Es liegt zumindest nahe, dass jeder Verbindlichkeit eine facultas und jeder sonstigen Pflicht eine aptitudo entspricht1544. Für Grotius’ Naturrechtsentwurf sind aber letztlich nur facultates relevant, sodass die Erörterungen zu Fällen, in denen es an einer facultas fehlt, nur der Abgrenzung dienen und eine eindeutige Aussage zum Verhältnis zwischen obligationes, welche kein ius proprium verschaffen, und aptitudines ausbleibt. Diese Fragestellung kaschiert Grotius stellenweise, indem er derartige Pflichten nicht als obligationes, sondern als debita bezeichnet – wenngleich er debitum ursprünglich synonym zu oder als Unterfall der obligatio etabliert hat1545. Letztlich kann die Frage, ob jeder obligatio stets eine facultas oder eine aptitudo entspricht, unbeantwortet bleiben. Entscheidend für die Beurteilung des vertraglichen Geltungsgrundes ist allein, dass obligatio jedenfalls nur dann eine durchsetzbare Verbindlichkeit beschreibt, wenn ihr eine korrespondierende facultas bzw. ein ius proprium entspricht. Sowohl hinsichtlich der Verpflichtung als auch des subjektiven Rechts kennt Grotius damit drei Abstufungen  : Die supererogatorische Handlung ohne jeg­ lichen Anspruch, die Pflicht ohne durchsetzbaren Anspruch und die durchsetzbare Verbindlichkeit. Dem entspricht der dreistufige Aufbau der gradus loquendi  : An der assertio zeigt sich, dass die Äußerung des Willens zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung vertraglicher Bindung ist. Entsprechend folgt aus der pollicitatio, dass die geäußerte Selbstbindung des Willens hinreichend für eine Bindung, aber nicht für das Entstehen eines Anspruchs ist. Was hierfür hinzukommen muss, folgt schließlich aus den Ausführungen zum promissum.

1542 Vgl. im Text bei Fn. 983–985. 1543 So auch Aure, FHI 2008, Rn. 58  ; Ders., Grotius, S. 85. 1544 So wohl Barbeyrac, Henniges und Kersting, vgl. Fn. 1534  ; ferner auch Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 461–463. 1545 Vgl. zu obligatio S. 320–327  ; sowie zu debitum S. 333–336.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – promissum 

| 341

4. Der Wille zur Rechtsübertragung (promissum) Wie bereits angedeutet, begründet ein Versprechen im engeren Sinne (­ promissum oder perfecta promissio), anders als eine pollicitatio, nicht nur eine Pflicht, ­sondern vermag darüber hinaus auch ein vollkommenes Recht (ius proprium oder f­ acultas) zu übertragen  : Quid sit promissum unde alteri ius oritur.

Was ein promissum ist, woraus dem anderen ein Recht erwächst.

Tertius gradus est ubi ad determinationem talem accedit signum volendi ius proprium alteri conferre  : quae perfecta promissio est, similem habens effectum qualem alienatio dominii. Est enim aut via ad alienationem rei, aut alienatio particulae cuiusdam nostrae libertatis. Illuc pertinent promissa dandi, huc promissa faciendi. […]1546

Die dritte Stufe liegt vor, sobald ein Zeichen des Wollens zu einer derartigen Festlegung hinzukommt, einem anderen ein Recht im eigentlichen Sinne zu übertragen  : Dies ist ein vollkommenes Versprechen (promissum), welches eine ähnliche Wirkung wie die Veräußerung von Eigentum hat. Denn es ist entweder der Weg zur Veräußerung einer Sache oder die Veräußerung eines gewissen Teils unserer Freiheit. Dorthin gehören die Versprechen, etwas zu geben, hierhin die Versprechen, etwas zu verrichten.

Zunächst zeigt sich hier besonders deutlich die Stufenkonstruktion der drei »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi)  : Ein promissum liegt vor, wenn etwas zu einer »derartigen Festlegung« (determinatio talis) hinzukommt. Gemeint ist die unmittelbar zuvor im Rahmen der pollicitatio erörterte Selbstfestlegung des momentanen Willens für die Zukunft (voluntas se ipsam pro futuro tempore determinat, cum signo sufficiente ad indicandam perseverandi necessitatem)1547.1548 Diese Selbstfestlegung des Willens ist es wiederum, die eine pollicitatio von einer assertio unterscheidet. Für ein promissum muss noch ein Z e i c h e n hinzutreten, einem anderen ein ius proprium ü b e r t r a g e n z u w o l l e n . In dieses Stufendenken fügt sich auch die Bezeichnung des promissum als perfecta promissio, ganz so als wären pollicitationes (und je nach Auslegung sogar assertiones) promissiones imperfecta1549. 1546 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 1. 1547 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § III (im Text bei Fn. 1412). 1548 So auch Hägerström, bindende Kraft, S. 72  ; Olivecrona, concept of a right, S. 191  ; Ders., Law as Fact, S. 289 f. 1549 Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § III Fn. 1 [Bd. 1, S. 401], erklärt zur pollicitatio, ihm falle keine passendere Übersetzung ein als »promesse imparfaite«.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

342 | 

Achtes Kapitel

Nach der Klärung der Voraussetzungen eines promissum, stellt Grotius fest, dass diesem eine ähnliche Wirkung zukomme wie einer Übereignung (alienatio dominii). Es ist entweder d e r We g z u r 1550 Übertragung einer S a c h e 1551 oder die Übertragung eines gewissen Teils der Freiheit (particula libertatis). Es mag aus heutiger Sicht bedauerlich sein, dass sich Grotius an dieser bedeutenden Stelle nicht klarer ausdrückt  : Hinsichtlich der Voraussetzungen des promissum spricht er von dem Zeichen des Willens zur Übertragung eines ius proprium, hinsichtlich der Rechtsfolgen von der Übertragung von dominium (bzw. der Sache selbst)1552 und particula libertatis. Dadurch wird die Parallelität zwischen der lediglich für promissa geforderten Voraussetzung und deren besonderer Rechtsfolge nicht unmittelbar deutlich  : ius proprium ist ein Synonym für facultas,1553 während dominium und libertas Unterfälle der facultas bilden1554. Da libertas ausschließlich die potestas an sich selbst bezeichnet, kann sich eine zu übertragende particula libertatis nur aus der Auch in der neueren Literatur finden sich ähnliche Übersetzungen. So wird die pollicitatio von Benson, CJNS 6,2 (1985), S. 6, 10 f.; Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 324  ; Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 80, 88  ; Olsthoorn, JHP 57,3 (2019), S. 462  ; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 123– 145, S.  124, 137  ; Swain, ELR 17,1 (2013), S.  13, als »imperfect promise« bezeichnet  ; Kelsey (Hrsg.), The Law of War and Peace, lib. II cap. XI § III [S. 330], nennt sie »a sort of promise«. Diesselhorst, Grotius, S. 46–49, spricht hinsichtlich assertio und pollicitatio von einer ersten und zweiten »Versprechensstufe« (und wird dafür von Behrends zu Recht kritisiert, vgl. im Text bei Fn. 1377)  ; Dedek, ebd., zudem von »promise of the first […] second and third degree«. 1550 Die Bedeutung der Formulierung via ad alienationem rei betonen zu Recht Behrends, Treu und Glauben, S. 962 Fn. 18  ; Hägerström, bindende Kraft, S. 72  ; ähnlich auch Gronovius, IBP, via ad IBP, lib. II cap. XI § IV  : Praeparatio, praerogativa, ut veteres loquebantur. 4. observ. I. Diese Besonderheit wird in der Literatur, vgl. etwa Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 192, und insbesondere in Übersetzungen nicht selten übergangen und schlicht von einer übereignungsgleichen Wirkung oder Verschaffung von Eigentum gesprochen. Dass ein promissum aber n i c h t u n m i t t e l b a r Eigentum verschaffen kann, folgt schon aus dem zwingenden Zukunftsbezug des promissum als tertius gradus loquendi d e r e b u s f u t u r i s , vgl. im Text bei Fn. 1378 und ferner im Text nach Fn. 1229 sowie bei Fn. 1236–1239. 1551 Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 331 f.; sowie tendenziell Olivecrona, concept of a right, S. 193 f.; Ders., Law as Fact, S. 291 f., verweisen zu Recht darauf, dass Grotius hier nicht scharf zwischen Eigentumsübertragung und Übertragung der Sache selbst trennt. Insofern ist die ihm und seinen Zeitgenossen später von Theodor Schmalz entgegengebrachte Kritik, vgl. Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 322, nicht unberechtigt. 1552 Vgl. Fn. 1551. 1553 Vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § IV (im Text bei Fn. 1495)  ; zur Gleichsetzung von facultas und ius proprium auch im Text nach Fn. 1526. 1554 Vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § V (im Text bei Fn. 1507)  ; zum Verhältnis von dominium, libertas und facultas auch im Text bei Fn. 1507–1519.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die analytisch-konstruktive Herleitung – promissum 

| 343

Perspektive des Versprechenden als solche darstellen. Für den Versprechens­ empfänger handelt es sich dabei wohl entweder um potestas oder creditum1555. Auch ist nicht ersichtlich, warum man durch promissum zwar dominium oder die potestas an sich selbst, nicht aber ein Forderungsrecht (creditum)1556 oder die nur schwer von dominium zu unterscheidende potestas an einem Sklaven (­potestas dominica) übertragen können sollte. Schließlich spricht auch Grotius selbst, wenn er an späteren Stellen die Wirkung von promissa zusammenfasst, verkürzt von der Übertragung eines ius.1557 Dann ist die Aufzählung von dominium und particula libertatis als durch promissum übertragbare Rechte keinesfalls abschließend zu verstehen. Grotius dürfte die beiden Unterfälle vielmehr exemplarisch ausgewählt haben, um anschließend an die dem römischen Recht entnommene Unterscheidung zwischen (promissa) dandi und (promissa) faciendi anzuknüpfen. Durch ein promissum erwirbt der Versprechensempfänger also –  anders als durch assertio und pollicitatio  – unmittelbar ein vollkommenes Recht (facultas bzw. ius proprium).1558 1555 Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 326, übersieht, dass creditum für Grotius (jedenfalls nominell) eine eigene, dritte Kategorie neben potestas und dominium darstellt und nicht lediglich einen Unterfall von dominium bildet, vgl. dazu im Text bei Fn. 1515–1519. Insofern sind sämtliche Rechte über andere Personen für ihn potestates, sodass die Übertragung einer particula libertatis dem Adressaten auch nur eine potestas gewähren kann, vgl. Dedek, CJLJ 25,2 (2012), S. 328 f. Versteht man creditum aber als unabhängige Kategorie und berücksichtigt die Aussage über mercenarii als servi imperfecti in Grotius, IBP, lib. II cap. V § XXX, vgl. dazu Fn. 1312, so liegt nahe, dass nicht jede Übertragung einer particula libertatis eine potestas verschafft. Vielmehr scheint potestas ein Subordinationsverhältnis zu bezeichnen, creditum bzw. debitum hingegen ein Verhältnis unter Gleichrangigen  ; vgl. ebd., lib. I cap. I § VI  ; ebd., cap. III § XVII 1. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Übertragung von Rechten, zumindest im Einzelfall, auch zu einer inhaltlichen  –  und nicht bloß terminologischen – Umgestaltung des Rechts führen kann. 1556 Vgl. auch Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 3 (im Text bei Fn. 1285), wo ausdrücklich von der Übertragung eines ius in personam die Rede ist. Dieses setzt er zumindest in der Inleidinge mit creditum gleich  ; vgl. Grotius, Inleidinge, lib. I cap. I § 8  ; ebd., lib. II cap. I § 59, aber zu den Unterschieden zwischen der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1518–1520. 1557 Grotius, IBP, lib. III cap. I § XVIII  : Nam ex promissione, ut iam modo dicere coepimus, ius speciale ac novum confertur ei cui fit promissio  ; ebd., cap. XIX § I 2  : At homines omnes qui ad rationis usum pervenerunt capaces sunt iuris ex promisso  ; ebd., § I 3  : Ex haec autem societate rationis et sermonis, nascitur ea de qua agimus obligatio ex promisso. […] Nam verum eloquendi obligatio est ex causa quae bello fuit anterior et bello tolli forte aliquatenus potest  : at promissio per se ius novum confert [jeweils Hervorh. d. Verf.]. Vgl. ferner auch Grotius, SC, cap. III § 8  : […] promissio autem ius dat parti quod ab ea auferri sine iniuria non potest. Quanquam ergo promittere est liberum, tamen liberum non est promissa frangere, […]  ; ebd., § 10  : Nam ex promissione ius aliquod acquiritur ei cui facta est promissio, […]. 1558 So auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 137.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

344 | 

Achtes Kapitel

Gleichzeitig ist es auf der Ebene der Voraussetzungen gerade der erklärte Wille zur Übertragung desselben, der promissa von pollicitationes unterscheidet. Den Geltungsgrund der Verbindlichkeit von Versprechen (promissa) –  und der damit verbundenen Rechtsübertragung (alienatio iuris proprii) – kann nur bilden, was weder assertio noch pollicitatio aufweisen  :1559 Allem Anschein nach also der (erklärte) Wille zur Rechtsübertragung (signum volendi ius proprium alteri conferre). Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die analytisch-konstruktive Herleitung der Verbindlichkeit von promissa in Abgrenzung zu den Vorstufen assertio und pollicitatio darauf hinweist, dass der Geltungsgrund der durchsetzbaren Verbindlichkeit im Willen des Erklärenden – genauer gesagt im W i l l e n z u r R e c h t s ü b e r t r a g u n g  – liegt.1560

IV. Die Versprechenstreue Gottes Nach den vorangehenden Ausführungen über die drei »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi) –  assertio, pollicitatio und promissum  – richtet sich die Rechtsfolge einer Aussage im Wesentlichen nach dem dieser zugrunde liegenden (geäußerten) Willen. Im Anschluss an diese zumindest implizit auf der Willensfreiheit des Einzelnen beruhende Konstruktion bemüht sich Grotius, ähnlich wie im Brief vom 28.02.‌1616,1561 die Versprechensbindung zunächst aus der Bibel und sodann mit weltlichen Quellen1562 zu belegen.1563 Dies entspricht grundsätzlich dem bereits in früheren Werken proklamierten1564 und angewendeten1565 Vorgehen, Erkenntnisse zunächst deduktiv zu be1559 Vgl. S. 309. 1560 Dies betont zuletzt auch Astorri, Contract and Treaties, S. 516. 1561 Vgl. S. 195–201. 1562 Vgl. S. 355–359. 1563 Ähnlich schon Heineccius, Praelectiones, ad IBP, lib. II cap. XI § 4 num. 1  : […] Id illustrat Grotius ex ipsa Scriptura sacra ubi I. dicitur, ipsum Deum promissa violare non posse  ; quanto magis homines, qui legibus subsunt. 2. Salomon dicit, promittentes illaqueari verbis oris sui. Proverb. V.1.2. Promissum Ebraice dicitur ‫ אסרה‬Osereth, vinculum [Hervorh. im Orig.]. 1564 Vgl. Fn. 499 sowie überblicksartig im Text bei Fn. 1394 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes. 1565 Vgl. insb. zu den Theses LVI im Text bei Fn. 667 sowie exemplarisch zu den anderen Werken im Text bei Fn. 452, 804, 871. Konkret zum Umgang mit Bibelverweisen in De Iure Praedae auch Becker, sacra auctoritas, S. 175–178, 180 f., 189, 192 f.; Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 151–190  ; Ders., Secularisation, S. 391–437.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Versprechenstreue Gottes 

| 345

gründen und danach unter Berufung auf die Bibel (sacra auctoritate) und welt­ liche Autoritäten (sapientibus viris) zu bestätigen. Bemerkenswert ist die Gliederung dieser Argumentation in De  Iure Belli ac Pacis  : Zunächst etabliert Grotius die Verbindlichkeit jeglicher Versprechen (§ I) und erörtert die drei gradus loquendi – assertio (§ II), pollicitatio (§ III) und promissum (§ IV 1). Daran schließen sich die im Folgenden zu untersuchenden religiösen und weltlichen Belege noch innerhalb des § IV 1 an, bevor er noch einmal auf Connan und das römische Recht (§ IV 2) sowie die Bedeutung des Willens und der Willensäußerung (§ IV 3) zurückkommt. Die religiösen und weltlichen Belege bilden somit einen Teil desselben Unterabsatzes, in dem Grotius das ­promissum im Rahmen der gradus loquendi einführt. Schon aufgrund dieser Stellung misst Diesselhorst insbesondere der religiösen Begründung eine zentrale Bedeutung zu,1566 sieht er doch in § IV 1 »den Scheitel [der] Lehre von den drei Versprechensstufen«1567. Nach diesem Verständnis bilden die § IV 2–3 einen bloßen Ausklang der analytisch-konstruktiven Begründung, spiegelbildlich zu der Herleitung über assertio und pollicitatio in den §§ I 5 – III und der Auseinandersetzung mit Connan in § I 3–4 als bloßer Einleitung.1568 Allerdings gehen die Unterabsätze als weitere Gliederungsebene in De  Iure Belli ac Pacis –  anders als die Unterteilung in Bücher, Kapitel und Absätze  – n i c h t auf Grotius zurück. Sie finden sich erstmals in einer bei Johannes Blaeu erschienenen Ausgabe aus dem Jahr 1667.1569 In deren Vorwort erklärt der (unbekannte) ­Herausgeber, diese Untergliederung selbst eingeführt zu haben.1570 1566 So ausdrücklich in Diesselhorst, ZRG (RA) 105 (1988), S. 964 f.: »Die religiöse Begründung für die Verbindlichkeit aller Versprechen, die für Grotius m. E. zentral ist, […]«  ; ferner auch Ders., Grotius, S. 37 f. Fn. 2  ; S. 144  ; Ders., Pufendorf, S. 14. 1567 Diesselhorst, Grotius, S.  39  f.; vgl. auch Ders., Pufendorf, S.  13 (»Scheitel seiner Versprechenslehre«)  ; sowie ferner Ders., Grotius, S. 36 f. Fn. 2. 1568 Diesselhorst, Grotius, S. 42  : »Grotius’ weitere Argumente schmücken oder vertiefen die vorhin umrissene Grundposition«  ; angelegt ist diese Wertung auch bei Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 96 f., Onuma, Agreement, S. 187–189  ; Recknagel, Freier Wille, S. 408 f.; Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 190  ; van Spyk, Vertragstheorie, S. 71 f., wenn sie den § IV, die §§ I – IV oder §§  II  –  IV des Kapitels De  Promissis unter Hervorhebung der religiösen Begründung wieder­ geben oder zusammenfassen, die Unterabsätze § IV 2 und § IV 3 aber verschweigen. 1569 Es handelt sich um die Ausgabe TMD, num. 579. Vgl. dazu auch De Kanter-van Hettinga Tromp, in Feenstra / Persenaire (Hrsg.), IBP, S. XIV  ; TMD, num. 579, Remarque 1  ; Tuck (Hrsg.), The Rights of War and Peace, Bd. 3, S. 1743. 1570 Dort heißt es im Vorwort auf der ersten, nicht nummerierten, Seite  : In hac editione  : Textus ab erroribus qui in prioribus editionibus irrepserant vindicatus  ; paragraphus unus aut alter restitutus  ; omnes vero, aut major pars, & ubi necessum erat, in minores subdivisi, memoriae juvandae

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

346 | 

Achtes Kapitel

In der Folgezeit setzte sie sich allgemein durch, wenngleich bereits Barbeyrac ­erkannte, dass sie nicht vollkommen unproblematisch ist1571. Der religiösen Begründung schon aufgrund ihrer systematischen Stellung ein höheres Gewicht beizumessen, ist daher nicht angebracht. Vielmehr muss auch diese Begründung zunächst inhaltlich und vor dem Hintergrund der methodischen Ausführungen sowie der übrigen Werke ausgelegt werden  : […] Eius quod dicimus insigne nobis Für das, was wir sagen, gewähren uns die argumentum praebent divina oracula, göttlichen Verheißungen einen ausgezeichquae nos docent Deum ipsum ⟨ Ita neten Beweis, die uns lehren, ⟨ so Baldus zu Baldus in L. 1, D. de pactis ⟩1572, qui D. 2,14,1 num. 1, ⟩ dass Gott selbst, der durch nulla constituta lege obstringi potest, kein positives Gesetz haftbar gemacht werden contra naturam suam facturum nisi kann, gegen seine Natur handeln würde, wenn promissa praestaret. Neh. ix, 8  ; Hebr. er seine Versprechen nicht erfüllen würde vi, 18, et x, 23  ;i Cor. i, 19  ; x, 13  ; i (Neh. 9,8  ; Hebr. 6,18  ; Hebr. 10,23  ; 1 Cor. 1,19  ; Thess. v, 24  ; ii Thess. iii, 3  ; ii Tim. ii, 1 Cor. 10,13  ; 1 Thess. 5,24  ; 2 Thess. 3,3  ; 13. Unde sequitur ut promissa praes2 Tim. 2,13). Daraus ergibt sich, dass der Satz, tentur venire ex natura immutabilis dass Versprechen erfüllt werden, aus der Natur iustitiae, quae Deo et omnibus his qui der unveränderlichen Gerechtigkeit folgt, die ratione utuntur suo modo communis Gott und allen, die sich der Vernunft bedienen, est. […]1573 auf ihre Art gemein ist.

Als »ausgezeichneten Beweis« für seine bisherigen Erläuterungen führt Grotius acht Bibelverse an. Diese Fülle an Quellen in zwei knappen Sätzen ohne Paraphrasen oder inhaltliche Auseinandersetzung ist selbst für Grotius ungewöhnlich. Fast scheint es, als wolle er hiermit die Abwesenheit jeglicher Bezüge auf die Bibel in dem bisherigen Gedankengang kompensieren.1574 ergo. Index duplo major & multo correctior, cujus prior numerus librum, alter caput, tertius paragraphum, reliquus vero subdivisionem paragr. denotat [Hervorh. d. Verf.]. 1571 Vgl. Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, Bd. 1, S. XXVI. Auch Barbeyrac verwendet Unterabsätze, deren Umbrüche jedoch teilweise von der allgemein üblichen Untergliederung abweichen. Konkret trennt er die Begründungen aus der Versprechenstreue Gottes und dem Konsens weltlicher Quellen, d. h. die im Text bei Fn. 1573 und Fn. 1634 wiedergegebenen Passagen, in einem separaten Unterabsatz (§ IV 2) von der vorhergehenden Erörterung des promissum in § IV 1 ab, vgl. Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, Bd. 1, S. 401 f. 1572 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt. 1573 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 1. 1574 Grotius dürfte sich noch der Kritik William Welwods an Mare Liberum, seinem ersten zum Völkerrecht veröffentlichten Werk, bewusst gewesen sein, die maßgeblich auf die Abwesenheit christlicher Bezüge zielte. Ähnliches vermutet Straumann, Grotius, S. 170  ; Ders., Roman Law,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Versprechenstreue Gottes 

| 347

Vier der Verweise finden sich in ähnlichem Zusammenhang bereits in früheren Werken  : In dem Brief vom 28.02.‌1616 beruft er sich als Nachweis der Versprechensbindung unter anderem auf Hebr. 10,‌23.1575 In dem zeitgleich mit dem Brief verfassten und erstmals im September 1617 erschienenen Werk De  Satisfactione bemüht er zudem Hebr. 6,18, 1 Thess. 5,24 sowie 2 Tim. 2,13 im Kontext der Verbindlichkeit von Versprechen.1576 Auch dort erklärt er im Zusammen­ hang mit den Bibelversen, aber nicht unmittelbar auf diese gestützt, dass Versprechen Rechte übertragen.1577 Ob Grotius diese Werke als unmittelbare Vorlage für De Iure Belli ac Pacis genutzt hat, erscheint allerdings fraglich, nicht zuletzt da er die anderen in dem Brief genannten Bibelverse nicht übernommen hat. Zumindest dürfte er dieselben Hilfsmittel, wie etwa Zitatkompilationen,1578 ­ heran­gezogen haben. Andernfalls ließe sich kaum erklären, dass er die Hälfte der hier verwendeten Verweise bereits früher in einem ähnlichen Kontext nutzte. Allen hier angeführten Bibelversen ist gemein, dass sie sich auf den Alten oder Neuen Bund beziehen.1579 Deren rechtliche Bewertung und insbesondere die Frage der Gegenseitigkeit waren im 16. und 17. Jahrhundert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund divergierender Ansichten zu Gnadenlehre und Prädestination  – umstritten.1580 Besselink verweist zu Recht darauf, dass Grotius als Gegner einer doppelten Prädestination zumindest von einer eingeschränkten Gegenseitigkeit ausgehen musste  : das Gnadenversprechen Gottes stand unter der Bedingung der Annahme und Erbringung guter Werke.1581 Allerdings fällt auf, dass er hier überwiegend in diesem Zusammenhang unverdächtige BibelS. 184, für die Ausführungen zur Einführung des Privateigentums in De Iure Belli ac Pacis, in denen Grotius ebenfalls stärkeren Gebrauch von Bibelverweisen als noch in De  Iure Praedae macht. Zur Kritik Welwods vgl. Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 148 f.; Ders., Secularisation, S. 388 f.; Straumann, Grotius, S. 1 f.; Ders., Roman Law, S. 1 f. Ungeachtet dessen, dass sich Grotius dieser Kritik in seiner Erwiderung Defensio capitis quinti Maris Liberi erwehrte, vgl. dazu Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 186 f.; Ders., Secularisation, S. 431 f., machten ihn Passagen wie die vorliegende in De Iure Belli ac Pacis zumindest weniger angreifbar. 1575 Vgl. im Text bei Fn. 878. 1576 Grotius, SC, cap. III § 6 (Hebr. 6,18 und 2 Tim. 2,13)  ; ebd., § 8 (1 Thess. 5,24)  ; vgl. dazu Fn. 870, 889  ; sowie ferner zur Entstehungsgeschichte von De Satisfactione Nellen, Grotius, S. 233–238 m. w. N. 1577 Grotius, SC, cap. III §§ 8, 10  ; vgl. Fn. 1557. 1578 Vgl. dazu im Text bei Fn. 633–636. 1579 So bereits Behrends, Treu und Glauben, S. 969 Fn. 39  ; Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 112 Fn. 2  ; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 294  ; tendenziell auch Diesselhorst, Grotius, S. 40 Fn. 9, S. 44. 1580 Vgl. dazu S. 199 f., insb. Fn. 883 m. w. N. 1581 Besselink, Keeping Faith, S. 26–29.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

348 | 

Achtes Kapitel

verse ­zitiert.1582 Auch inhaltlich wird das (gegenseitige) Verhältnis zwischen Erlösungs- und Glaubensversprechen nicht thematisiert. Sieben von acht angeführten Versen betreffen allein die Versprechenstreue Gottes.1583 Einzig 1 Cor. 1,19 bildet eine Ausnahme.1584 Ebenfalls die Versprechenstreue Gottes behandelt allerdings 1 Cor. 1,9,1585 sodass der Verweis auf 1 Cor. 1,19 einen Schreib- oder Flüchtigkeitsfehler darstellen dürfte.1586 Den Skopus der Verse sieht Grotius entsprechend darin, dass es der Natur Gottes zuwiderlaufen würde, Versprechen nicht zu erfüllen (Deum ipsum […] contra naturam suam facturum nisi promissa praestaret). Dieselbe Bemerkung findet sich – gestützt auf einen anderen Vers des Hebräerbriefes1587 – bereits im 1582 Allein Hebr. 6,18 wird etwa von Suárez für die rechtlich verbindliche Wirkung des Alten Bundes angeführt, vgl. dazu Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 65. 1583 Ähnlich bereits Diesselhorst, Grotius, S. 40 Fn. 9  ; ferner diesem folgend Wieacker, contractus und obligatio, S. 232 f. Vgl. konkret Neh. 9,8  : […] et implesti verba tua quoniam iustus es  ; Hebr. 6,18  : ut per duas res inmobiles quibus impossibile est mentiri Deum […]  ; Hebr. 10,23  : […] fidelis enim est qui repromisit  ; 1 Cor. 10,13  : […] fidelis autem Deus est […]  ; 1 Thess. 5,24  : fidelis est qui vocavit vos qui etiam faciet  ; 2 Thess. 3,3  : fidelis autem Dominus est […]  ; 2 Tim. 2,13  : si non credimus ille fidelis manet negare se ipsum non potest [jeweils Vulgata]. 1584 1 Cor. 1,19  : scriptum est enim perdam sapientiam sapientium et prudentiam prudentium reprobabo [Vulgata]. 1585 1 Cor. 1,9  : fidelis Deus per quem vocatis estis […] [Vulgata]. 1586 Die kritischen Editionen von 1939, vgl. Fn. 30, und 1993, vgl. Fn. 31, führen lediglich 1 Cor. 1,19 an. Ein Hinweis auf abweichende Ausgaben findet sich nicht. Indessen korrigiert bereits Barbeyrac dies in seiner französischen Übersetzung stillschweigend zu 1 Cor. 1,9, vgl. Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § IV 2 [Bd. 1, S. 401]. Spätere lateinische Ausgaben, die auch ausgewählte Anmerkungen Barbeyracs enthalten, übernehmen die Korrektur ihrerseits unkommentiert (etwa TMD, num. 611). Gleiches gilt für die auf der französischen Ausgabe beruhende und zuletzt von Tuck neu herausgegebene englische Übersetzung von Morrice, vgl. Tuck (Hrsg.), The Rights of War and Peace, lib. II cap. XI § IV [Bd. 2, S. 705]. Diesselhorst, Grotius, S. 40 Fn. 9, referiert (ohne Begründung) den Inhalt von 1 Cor. 1,7–9, obwohl er im Rahmen der Grotius-Passage 1 Cor. 1,19 aufführt (ebd., S. 40, S. 50 Fn. 36). In der folgenden Literatur finden sich ebenfalls Aufzählungen der von Grotius angeführten Bibelverse, die 1 Cor. 1,9 statt 1 Cor. 1,19 anführen, vgl. etwa Besselink, Keeping Faith, S. 26  ; Böttcher, Mentalreservation, S. 194 Fn. 1120  ; Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 112 Fn. 2. Ein Hinweis auf oder eine Begründung der Abweichung von den zu Grotius’ Lebzeiten erschienenen Ausgaben fehlt allerdings auch dort. 1587 Dort beruft sich Grotius auf Hebr. 6,10, vgl. Fn. 1588, hier hingegen auf Hebr. 6,18. Ebenfalls zu Hebr. 6,10 erklärt er in seinem während der Haft auf Schloss Loevestein begonnenen und parallel zur vierten und fünften Überarbeitung von De  Iure Belli ac Pacis abgeschlossenen Kommentar zum Neuen Testament, Grotius, ANT, ad Hebr. 6,10 [Bd. 7, S. 402 f.]  : Iustitiae est implere promissa  : quare Deus iniustus aliquo modo dici posset  ; si non staret promissis. Insofern erscheint es nicht ausgeschlossen, dass (auch) der Verweis auf Hebr. 6,18 in De Iure Belli ac Pacis auf einem Schreib- oder Flüchtigkeitsfehler beruht und eigentlich Hebr. 6,10 gemeint ist. Dagegen spricht

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Versprechenstreue Gottes 

| 349

Brief vom 28.02.‌1616.1588 Neu ist hingegen die Feststellung, dass Gott durch kein »positives Gesetz« (lex constitutum) haftbar gemacht werde.1589 Mit dieser Zuspitzung wendet sich Grotius wieder der B i n d u n g d e s Ve r s p r e c h e n d e n zu.1590 Die wenige Sätze zuvor als Wesensmerkmal der promissa etablierte Rechtsübertragung an den Adressaten findet mit Bezug auf Gott keine (ausdrückliche) Erwähnung mehr. Dennoch wird die Übertragung einer particula libertatis mitunter in diese Passage hineingelesen.1591 Dies erscheint auch deshalb nicht allzu fernliegend, da unter spätscholastischen Autoren durchaus umstritten war, ob der Mensch aus dem Erlösungsversprechen Gottes einen durchsetzbaren Anspruch erhalte.1592 Auch reformierte Theologen betonten den Rechtscharakter und die Gegenseitigkeit des Alten und Neuen Bundes, wenngleich sie nicht soweit gingen, ausdrücklich von einem durchsetzbaren Anspruch gegen Gott zu sprechen.1593 Hätte Grotius hierzu Stellung nehmen wollen, wäre aber wohl eine ausdrücklichere Erklärung zu erwarten. jedoch, dass er Hebr. 6,18 bereits in De Satisfactione anführt, vgl. Fn. 1576. Zudem betreffen allein Hebr. 6,17–18 unmittelbar Versprechen (Vulgata  : pollicitationis) und die Unveränderlichkeit des Willens (Vulgata  : inmobilitatem consilii  ; duas res inmobiles). Grotius selbst übersetzt ἀμεταθέτων in diesem Kontext hingegen als i m m u t a b i l e s (statt inmobiles), vgl. Grotius, ANT, ad Hebr. 6,18 [Bd. 7, S. 406 f.]. In De Iure Belli ac Pacis schreibt er das Gebot, Versprechen zu erfüllen, im folgenden Satz der iustitia immutabilis zu – ein Ausdruck, den er an keiner anderen Stelle verwendet. 1588 Deus ipse manifeste satis ostendit suae quoque naturae esse conveniens stare promissis. Itaque non veretur ad Hebraeos Apostolus dicere iniustum fore Deum nisi promissa praestaret, Hebr. VI, 10  ; vgl. im Text bei Fn. 878. 1589 Dieser Gedanke wurde bereits in der Hochscholastik im Kontext der Gnadenlehre herangezogen, um eine bindende Wirkung des Erlösungsversprechens Gottes zu relativieren, vgl. Hamm, Promissio, S. 123–134, 273–277, 418 f. 1590 So schon Olivecrona, concept of a right, S. 191  ; Ders., Law as Fact, S. 290, der wohl zu Recht erklärt, es könne sich bei dem Versprechen Gottes in Grotius’ Terminologie nur um eine pollicitatio, nicht um ein promissum handeln. 1591 Vgl. etwa Felden, Annotata, Deum ipsum ad IBP, lib. II cap. XI § IV  : An ergò Deus amittit particulam suae libertatis, quando promittit aliquid  ? quomodo verò cùm sit ens liberrimum  ? Puto autem Deum ad captum nostrum in Scriptura S. se accommodare, adeò ut ex iis de promissionum humanarum naturâ nihil disserere possimus  ; sowie dazu und zu der Erwiderung Graswinckels Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 97 f. Die Kritik von Feldens teilt auch Olivecrona, concept of a right, S. 191 f.; Ders., Law as Fact, S. 290, der daraus jedoch schließt, die Übertragung einer particula libertatis Gottes hätte unmöglich Grotius’ Meinung sein können. 1592 Vgl. dazu im Detail Decock, Le marché du mérite, S. 180–189  ; Brunori / Decock, Pragmatic Suárez, S. 64–66. 1593 Zu Luther, Zwingli und Calvin vgl. Schmoeckel, ZRG (KA) 104 (2018), S. 318 f., 330 f., 333. Zu Grotius’ eigenen Ausführungen zum Rechtscharakter des Alten und Neuen Bundes in den Annotationes ad Novum Testamentum vgl. Besselink, Keeping Faith, S. 26 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

350 | 

Achtes Kapitel

Die Allegorie zum Alten und Neuen Bund mag aber auch eine andere Bedeutung haben. Dazu ist es hilfreich, Grotius’ System verschiedener Rechtsquellen1594 zu betrachten  : Zunächst grenzt er das dem Willen entzogene (allgemeingültige) Naturrecht von dem durch den Willen (teils nur für bestimmte Adressaten) gesetzten Recht ab (ius voluntarium oder ius constitutum bzw. lex constitutum1595).1596 Letzteres unterscheidet er in das durch göttlichen Willen (ius divinum voluntarium) und das durch menschlichen Willen gesetzte Recht (ius humanum voluntarium).1597 Bereits zu Beginn des Kapitels über Versprechen hat Grotius gezeigt, dass diese ihre bindende Wirkung nicht erst aus menschlichen Gesetzen erhalten.1598 Nun impliziert er, dass sich diese Wirkung auch nicht (allein) aus göttlichen Gesetzen ergeben kann. Denn obwohl Gott allgemein nicht durch willentlich gesetztes Recht gebunden werde, wäre es gegen seine Natur, Versprechen nicht zu erfüllen. Die Schlussfolgerung lässt Grotius unausgesprochen  : Wenn das Gebot, Versprechen zu erfüllen, weder aus dem ius humanum voluntarium noch aus dem ius divinum voluntarium folgt, muss es (als einzig verbleibender Rechtsordnung) zum Naturrecht gehören. Auch für Grotius’ generellen Umgang mit Bibelquellen ist die Differenzierung zwischen Naturrecht und ius divinum voluntarium von entscheidender Bedeutung. Das Naturrecht ist ein Diktat der rechten Vernunft,1599 welches notwendig1600 von 1594 Eine auffällig ähnliche Unterteilung findet sich bereits bei Lessius, der allerdings auch das kanonische Recht zum ius humanum voluntarium zählt und im Alten und Neuen Testament jeweils Quellen des ius divinum voluntarium sieht, vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 83. 1595 In Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX 2, erklärt er ius constitutum zu einem Synonym für ius voluntarium. Dass die Bedeutung von ius in diesem Kontext mit lex identisch ist, hat er unmittelbar zuvor, ebd., § IX 1, etabliert. 1596 Grotius, IBP, lib. I cap. I § IX 2  ; ebd., § X 2  ; vgl. dazu und zum Vorläufer dieser Differenzierung in De  Imperio Summarum Potestatum circa Sacra Ertz, Grotiana 37 (2016), S.  77–81, 92  f.; Dies., Vertrag und Gesetz, S. 113–119  ; Tuck, Philosophy, S. 187 f.; sowie zu ihrer Bedeutung (und Rezeption durch Pufendorf) Aure, FHI 2008, Rn. 13 Fn. 29, Rn. 27–30, 32  ; Tuck, Grotiana 4 (1983), S. 56–58. 1597 Grotius, IBP, lib. I cap. I § XIII. Das ius humanum voluntarium unterfällt weiter in staatliches Recht, durch Individuen gesetztes Recht und Völkerrecht, vgl. ebd., § XIV. 1598 Vgl. im Text bei Fn. 1285 sowie dazu im Text bei Fn. 1292–1300. 1599 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 1. Vgl. zu den theologischen Hintergründen von Grotius’ Naturrechtsverständnis Schmoeckel, Reformation, S. 59 f., 63, 66, 144 f. 1600 Gemeint ist, dass die »Umsetzung« gerade nicht auf einem freien Willensentschluss Gottes beruht. Grotius spricht insofern von ac consequenter (Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 1) bzw. necessario (ebd., § X 2) und erklärt ausdrücklich, dass das Naturrecht auch durch Gott nicht verändert werden könnte (ebd., § X 5)  : Est autem ius naturale adeo immutabile, ut ne a Deo quidem mutari

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Versprechenstreue Gottes 

| 351

Gott in entsprechende Ge- und Verbote umgesetzt werde.1601 Ungeachtet dessen kann Gott weitere Ge- und Verbote (als ius divinum voluntarium) erlassen.1602 In den prolegomena zu De Iure Belli ac Pacis warnt Grotius davor, das Alte Testament1603 mit dem Naturrecht gleichzusetzen, da es mehrheitlich ius divinum voluntarium enthalte. Jedoch könne man daraus auch Rückschlüsse auf das Naturrecht ziehen, sofern man diese Unterscheidung genau beachte.1604

queat. […] Sicut ergo ut bis duo non sint quatuor ne a Deo quidem potest effici, ita ne hoc quidem, ut quod intrinseca ratione malum est malum non sit. Vgl. dazu auch Haggenmacher, Grotius, S. 503 f.; Recknagel, Einheit, S. 77 f.; sowie ferner Tuck, Natural Rights, S. 76  ; Vermeulen /  van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 70 f.; zu den Parallelen zu Suárez auch Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 86, 90, 168  ; Welzel, Gerechtigkeit, S. 127 f. 1601 Grotius, IBP, lib.  I cap.  I §  X 1. Dass es dieses Umsetzungsaktes eigentlich nicht bedarf, ist Gegenstand des berühmten etiamsi daremus-Arguments, ebd., prolegomena XI. Die fehlende Originalität dieses (auch als impious hypothesis bezeichneten) Arguments wurde in der neueren Literatur oft betont, vgl. statt vieler nur Tierney, Natural Rights, S. 318–320 m. w. N.; Straumann, Grotius, S. 6 Fn. 29 m. w. N.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 266 Fn. 72, S. 290 Fn. 34 m. w. N., dabei waren die scholastischen Anleihen bereits Heineccius, Praelectiones, ad prooemium § 11, bekannt  : Quod ad quaestionem primam attinet  : non solus Grotius ita loquitur, sed et scholastici omnes, qui miro consensu docent, ius naturae fore, etiamsi non sit Deus, vel aliquid iustum esse antecedenter ad Deum. 1602 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 2. Vgl. zum Verhältnis des Naturrechts und des ius divinum voluntarium Stumpf, Theology, S. 79–82. 1603 In Anbetracht der sich anschließenden Ausführungen zum Neuen Testament muss für dieses – jedenfalls soweit es sich im Einzelfall nicht um Sonderregeln für Christen handelt – wohl dasselbe gelten  ; so tendenziell auch Reventlow, Bibelauslegung, S. 222 f.; dagegen aber Tanaka, Grotius’s Method, S. 23  ; sowie tendenziell auch Becker, Kriegsrecht, S. 261 f., 266  ; Ders., sacra auctoritas, S. 192 Fn. 139. Dass Grotius im Neuen Testament ausschließlich besonders strenge Verhaltensregeln für Christen erblickt, wie Grotius, IBP, prolegomena XLIX, suggeriert, scheint zumindest mit Bezug auf die Versprechenstreue Gottes abwegig. Vgl. zum Neuen Testament auch ebd., lib. I cap. II § VI 2  : Illud libens agnosco, nihil nobis in Evangelio praecipi quod non ­naturalem habeat honestatem  : sed non ulterius nos obligari legibus Christi quam ad ea ad quae ius naturae per se obligat, cur concedam non video [Hervorh. d. Verf.]. 1604 Grotius, IBP, prolegomena XLVIII. In De Iure Praedae und den Theses XI geht Grotius noch weiter, indem er erklärt, die Offenbarung enthalte daneben auch staatliches Recht der Juden (lex Judaeorum civilis) und Völkergemeinrecht (lex humano generi communis), vgl. dazu Becker, sacra auctoritas, S. 173 f., 179 f.; ferner zum mosaischen Recht in De Iure Belli ac Pacis Grotius, IBP, lib. I cap. I § XVI  ; Becker, Kriegsrecht, S. 261 Fn. 702. Auch die in De Iure Praedae vorgetragene Kritik an der Heranziehung der Bibel in juristischen Fragen, vgl. Grotius, IPC, cap. I, fol. 4v [S. 6], sowie dazu Ertz, Grotiana 37 (2016), S. 65  ; Somos, Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 153 f.; Ders., Secularisation, S. 394, zielt letztlich (nur) darauf, dass nicht sorgfältig zwischen ius divinum und ius civile Hebraeorum unterschieden werde.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

352 | 

Achtes Kapitel

Negativ formuliert bedeutet dies  : Sofern man ein Ge- oder Verbot auf das Alte (oder Neue) Testament zurückführen und zugleich ausschließen kann, dass die Regelung zum ius divinum voluntarium (oder gar ius humanum voluntarium) gehört, muss es sich um Naturrecht handeln.1605 Demnach beweist eine Verankerung des Gebotes, Versprechen zu erfüllen, im Alten und Neuen Testament, dass es entweder zum Naturrecht oder zum ius ­divinum voluntarium gehören muss. Doch erst die Feststellung, dass Gott selbst daran gebunden ist, entzieht es dem göttlichen Willen und ermöglicht damit eine eindeutige Zuordnung zum Naturrecht.1606 Um diese Feststellung auf den Menschen zu übertragen, bedient sich Grotius im folgenden Satz der »unveränderlichen Gerechtigkeit« (iustitia immutabilis), die allen Vernunftwesen gemein sei. Behrends, Jørgensen und vor allem Diesselhorst sehen darin die Verbindung einer auch für Gott verbindlichen (stoischen) G e r e c h t i g k e i t s l e h r e mit dem christlichen Gedanken der ­G o t t e s k i n d s c h a f t des Menschen.1607 Während Grotius in dem entsprechenden Satz im Brief vom 28.02.‌1616 ausdrücklich von dem im Abbild Gottes geschaffenen Menschen spricht,1608 redet er hier von »allen, die sich der Vernunft bedienen«. Inhaltlich ändert dies nichts,1609 doch betont es im Kontext der iustitia immutabilis die Stellung der Vernunft. Das Diktat der rechten Vernunft (dictatum rectae rationis) ist aber nichts anderes als das Naturrecht.1610 Ein näherer Vergleich mit dem Brief zeigt zudem, dass 1605 Dies übersehen Aure, FHI 2008, Rn. 30 f.; Straumann, Grotius, S. 12, S. 108 Fn. 84, S. 122  ; Ders., Roman Law, S.  22, 77, die biblische Quellen im Kontext des Naturrechts generell für unerheblich halten, da Grotius das Alte und Neue Testament (weitgehend) mit ius divinum voluntarium identifiziere  ; (für das Alte Testament) ähnlich wie hier Ottenwälder, Grotius, S. 5. 1606 Ähnlich auch Hartenstein, Grotius, S. 179. 1607 Behrends, Treu und Glauben, S. 963, 969 f.; Diesselhorst, Grotius, S. 40 f., 51  ; Jørgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 112  ; Diesselhorst folgend auch Hölzel, Grundlagen, S. 124, 141  ; van Spyk, Vertragstheorie, S.  71  f.; ähnlich Astorri, Contract and Treaties, S.  517  ; Recknagel, Freier Wille, S. 401, 404, 408 f., 416  ; ohne Bezug zu dieser Passage auch Vermeulen / van der Wal, Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 72 f. Vgl. generell zum Gedanken der Gotteskindschaft bei Grotius Nijman, Imago Dei, S. 94–106  ; ferner auch van Gelderen, Freedom of Will, S. 45–47. 1608 Unde apparet ius hoc quo ad implenda promissa obstringimur ex aeterna lege, hoc est ipsius Dei natura, proficisci, ad cuius imaginem homo est conditus [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. im Text bei Fn. 878. 1609 Einzig der Mensch ist vernunftbegabt, vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § XI 1–2. Dort assoziiert er zudem den Begriff der iustitia mit der Fähigkeit, das Naturrecht durch den Gebrauch der ­Vernunft zu erkennen. 1610 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 1. Diesen Zusammenhang sieht auch Onuma, Agreement, S. 189, 215.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Versprechenstreue Gottes 

| 353

­ rotius dort in dem im Übrigen inhaltsgleichen Satz anstelle der iustitia immutaG bilis von lex aeterna spricht.1611 Auch in der frühen Sekundärliteratur wird der Ausdruck iustitia immutabilis mit dem Naturrecht (ius naturae1612 bzw. lex aeterna1613) gleichgesetzt. Durch diese Deutung erschließt sich zudem die im Kontext der iustitia ungewöhnliche Qualifikation als immutabilis, die Grotius an keiner anderen Stelle verwendet. Denn dass das Naturrecht unveränderlich ist (ius naturae immutabilis), stellt ein wiederkehrendes Konzept dar,1614 welches Grotius auch und gerade mit Bezug auf Gott bemüht1615. Nach alledem scheint es, dass Diesselhorst und Nijman die Bedeutung der christlichen Anthropologie und des Gedankens der Gotteskindschaft für die Begründung der Wirkung von promissa überschätzen.1616 Sowohl die angeführten Bibelverse als auch Grotius’ Schlussfolgerungen daraus belegen ohne weitere Erläuterungen nur die Bindung des Versprechenden, nicht aber die Berechti1611 Vgl. Fn. 1608. Vgl. zur Verwendung des Begriffes lex aeterna in Grotius’ verschiedenen Werken auch Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 124–126. 1612 Gronovius, IBP, immutabilis justitia ad IBP lib.  II cap.  XI §  IV  : Juris naturalis ­immutabilis. I,  I.  10. cujus exemplar excellens, perfectum, constans atque aeternum, in Deo & ipse Deus est, Deique beneficio in hominibus, quod satis fit pro captu & modulo illorum  ; zumindest den ­Zusammenhang sieht auch Henniges, Observationes, Venire ex natura immutabilis justitiae ad IBP lib. II cap. XI § IV  : Et ita ex norma & fundamento ultimo juris naturalis, in quod omnia, ejus effata resolvuntur. 1613 Alberti, Compendium juris naturae, S. 117 f. [zit. nach Astorri, Contract Law, S. 194 Fn. 44]  : Ubi non possum non notare modum, quo H. Grotius obligationem promissionum, nostrae de ­iuris naturae hypothesi conformiter, nescius deducit. Argumentum enim eius hoc est  : […] quia lex ­aeterna aut natura, immutabilis iustitiae, Deo et omnibus his, qui ratione utuntur, suo modo communis est. 1614 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 5–6  ; ebd., § XI 1  ; ebd., § XII 2  ; ebd., § XVII 2  ; ebd., cap. II § V 1. 1615 Grotius, IBP, lib.  I cap.  I §  X  5  ; ebd., §  XVII  2  ; ebd., cap.  II §  V  1  ; vgl. dazu ferner auch Haggenmacher, Grotius, S. 468 f.; Hartenstein, Grotius, S. 179  ; Ottenwälder, Grotius, S. 25  ; Röd, Geometrischer Geist, S. 72 f.; sowie unter besonderem Bezug auf den Sündenfall und die Anleihen bei Arminius, Calvin und Melanchthon Schmoeckel, Reformation, S. 57– 60. 1616 Beizupflichten ist Diesselhorst, Grotius, S. 51  ; Ders., Pufendorf, S. 14 Fn. 56  ; Nijman, Imago Dei, S. 100–105, dass Grotius’ Naturrechts- und Vertragsverständnis in Gestalt der Willensfreiheit und der sozialen Veranlagung des Menschen wesentliche Elemente mit dem Gedanken der Gotteskindschaft (nach spätscholastischer und arminianischer Lesart) gemein hat. Entscheidend ist, dass diese Abhängigkeit insbesondere in jenen Passagen nie zutage tritt, in denen Grotius ausdrücklich religiös argumentiert. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass er sich dort um auch für andere Glaubensströmungen akzeptable Positionen bemüht, um die implizite Abhängigkeit von theologisch umstrittenen Axiomen zu kaschieren.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

354 | 

Achtes Kapitel

gung des Adressaten.1617 Gerade darin liegt nach den vorherigen Ausführungen zu den gradus loquendi jedoch die Besonderheit der promissa (gegenüber den pollicitationes). Indessen geht Olivecrona zu weit, wenn er hierin bloß einen »hochtrabenden, aber irrelevanten Nachsatz«1618 zu der analytisch-konstruktiven Herleitung über die gradus loquendi sieht. Die Bedeutung dieser (mit zwei Sätzen ohnehin vergleichsweise kurzen) Begründung liegt mehr auf einer formalen als einer inhaltlichen Ebene. Indem Grotius die Versprechensbindung Gottes anhand des Alten und Neuen Bundes belegt, nutzt er die Bibel als Quelle möglicherweise naturrechtlicher Normen.1619 Der Hinweis, dass Gott durch willentlich gesetztes Recht nicht gebunden werde, und die Ausdehnung des Adressatenkreises auf Vernunftwesen verorten die ­Versprechensbindung eindeutig im Gebiet des Naturrechts. Die Begründung verliert damit in gewisser Weise ihre religiöse, d. h. konfessionelle Brisanz.1620 Im Kern basiert sie auf der Annahme, das Alte und Neue Testament enthielten Naturrecht und ius divinum voluntarium – also einer Anerkennung der Bibel als Rechts- aber nicht notwendigerweise Naturrechtsquelle.1621 Durch diese formale Betrachtung gelingt es Grotius, die Autorität der Bibel für die verbindliche Wirkung sämtlicher Versprechen anzuführen, ohne sich dabei (ausdrücklich) zu den politisch brisanten Themen der Willensfreiheit und ­Prädestination festlegen zu müssen1622. Damit erreicht diese Begründung ­Grotius’ Ziel konfessionsübergreifender Plausibilität.1623 1617 So schon Olivecrona, concept of a right, S. 191  ; Ders., Law as Fact, S. 290. 1618 Olivecrona, concept of a right, S.  192  ; sowie wortgleich Ders., Law as Fact, S.  290  : »The phrase about the promises of God is a lofty, though irrelevant, argument thrown in as an afterthought to embellish the rather crude theory that rights are conferred through promises by way of alienating a part of one’s liberty«. 1619 So im Ergebnis auch Onuma, Agreement, S.  216  ; Schmidlin, Vertragsmodelle, S.  191  ; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 126, 128 f., die den Rückgriff auf die Bibel als Evidenzargument verstehen. 1620 So ganz zutreffend auch Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 69 f., 79  ; sowie allgemein zu De Iure Belli ac Pacis ohne Bezug zur Versprechenslehre Onuma, War, S. 75 f. 1621 Onuma, Agreement, S. 216  ; Ders., War, S. 66. 1622 So schon Behrends, Treu und Glauben, S. 971 f., der zu Recht darauf hinweist, dass die Ableitung der Versprechenstreue des Menschen aus der Natur Gottes und der Gotteskindschaft des Menschen auch mit einem strengen augustinisch-reformatorischen Glaubensbild möglich bleibt. 1623 So auch allgemein zu De Iure Belli ac Pacis ohne Bezug zur Versprechenslehre H. Hofmann, Grotius, S. 69, 72  ; Jansen, ZRG (GA) 132 (2015), S. 51 f.; Luig, Natürliches Privatrecht, S. 108  ; Onuma, War, S. 74–77  ; zu diesem Ziel ferner auch Aure, FHI 2008, Rn. 30, 37, 100  ; Decock, Contract Law, S.  646  ; Recknagel, Einheit, S.  3  ; van Spyk, Vertragstheorie, S.  61  ; Welzel, Gerechtigkeit, S. 110 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 289.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Übereinstimmung weltlicher Autoritäten 

| 355

Der Aufbau erinnert auch insoweit an den Brief vom 28.02.‌16161624  : Zunächst entwickelt Grotius ein Modell der Versprechensbindung durch Rechtsübertragung, das implizit auf dem Axiom menschlicher Handlungs- und Entscheidungsfreiheit beruht. Im Anschluss daran verankert er das (unter Theologen im Ergebnis unstreitige) Gebot der Versprechensbindung in der Bibel und schafft somit eine von der Willensfreiheit unabhängige Basis für seine Versprechenslehre – wenngleich diese nur die Bindung des Schuldners, aber nicht die Berechtigung des Adressaten zu erklären vermag.

V. Die Übereinstimmung weltlicher Autoritäten In prolegomena XL und XLVI–XLVII äußert sich Grotius ausdrücklich zur Verwendung antiker Quellen. Demnach könnten einzelne Autoren sehr wohl irren, ein breiter Konsens aber diene als Indiz für naturrechtliche (oder völkergemeinrechtliche) Regelungen.1625 Die Auswahl der angeführten Quellen dürfte dabei bereits im Interesse des zu führenden Beweises erfolgt sein.1626 Dieser Eklektizismus ermöglicht es Grotius, einen schul- und traditionsübergreifenden Konsens zu schaffen, der von den religiösen und politischen Unruhen seiner Zeit unabhängig ist.1627 Insofern unterscheidet sich der folgende Beweisansatz grundsätzlich nur ­dadurch von dem vorhergehenden, dass die religiösen Quellen bereits einzeln Autorität entfalten, während literarische (und juristische) Quellen erst durch ­einen möglichst breiten Konsens Beweiskraft gewinnen. Auch hier führt Grotius seine strikte Trennung zwischen dem durch die Vernunft gebotenen Naturrecht und dem aus dem Willen folgenden Recht fort. Während religiöse Quellen kritisch darauf zu prüfen sind, ob sie nicht ius divinum voluntarium enthalten,1628 ist bei weltlichen Quellen zu prüfen, ob ein gefundener Konsens nicht 1624 Vgl. S. 200 f. 1625 Vgl. auch Grotius, IBP, lib. I cap. I § XII, sowie dazu S. 305–307. 1626 Aure, FHI 2008, Rn. 24  ; Ders., Grotius, S. 82 f.; Grunert, Normbegründung, S. 73–75  ; van Ittersum, Stoa, S. 62 f., 92 f.; Nitschke, Eigentumsfrage, S. 24, 28 f.; ferner D. Lee, JHI 72,3 (2011), S. 372  ; Onuma, Agreement, S. 218. 1627 Iurlaro, Grotiana 40 (2019), S.  101  ; vgl. ferner Blom, Grotius on Trust, S.  83  f.; Boisen, ­Predestination, S. 228  ; van Gelderen, Arminian Trouble, S. 32  ; Ders., Freedom of Will, S. 50; Ders., Hot Protestants, S. 144  ; Haggenmacher, Droits subjectifs, S. 119  ; van Ittersum, Stoa, S. 62 f.; Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 127, 131 f.; Wolf, Rechtsdenker, S. 259  ; sowie dazu im Text bei Fn. 496. 1628 Vgl. im Text bei Fn. 1603 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

356 | 

Achtes Kapitel

lediglich auf eine zugrunde liegende Regel des Völkergemeinrechts (ius gentium)1629 hinweist. Sowohl Völkergemeinrecht als auch Naturrecht sind für alle Menschen verbindlich, sodass der Nachweis der Allgemeingültigkeit allein nicht genügt, um den naturrechtlichen Charakter einer Norm sicher nachzuweisen.1630 Es verwundert daher nicht, dass Grotius im unmittelbaren Anschluss an den religiösen Begründungsansatz zunächst den methodisch verwandten Beweis aus einem Konsens weltlicher Quellen antritt  : Accedit iudicium Salomonis  : Fili mi, siquid spopondisti alteri, defixisti externo volas tuas  : illaqueatus es verbis oris tui  : captus es enunciationibus oris tui.a) Et hinc Hebraeis promissio vocatur ‫אסרה‬ vinculum, et voto comparatur ⟨ Quasi paciscuntur cum Diis homines oblatione votorum. Schol. Horatii ⟩1631, Num. xxx, 4, 5, 6. ⟨ Similis origo vocis ὑποσχέσεως notata Eustathio ad secundum Iliados, ἁλίσκει γάρ πως καὶ κατέχει τὸν ὑποσχόμενον ὁ τὴν δεξάμενος  : capit ac vincit

Dazu kommt ein Spruch Salomos hinzu  : »Mein Sohn, wenn du einem anderen irgendetwas versprochen hast, hast du deine Hände an einen Fremden gebunden. Du bist durch die Worte deines Mundes verstrickt  : Du bist durch die Aussagen deines Mundes gefangen.«a) Und daher wird ein Versprechen von den Hebräern ‫אסרה‬, Fessel, genannt und wird mit einem Gelübde verglichen ⟨ So heißt es in den Scholien zu Horaz [als Anmerkung zu »durch Gelübde vereinbaren« (votis pacisci)]  : »Wie wenn die Menschen etwas mit den Göttern durch Darbietung der Worte vereinbaren.«b) ⟩, Num. 30, ‌4–6. Ein ähnlicher Ursprung des Wortes »Versprechen« (ὑποσχέσεως) ist von Eustathios im zweiten Buch zur Ilias vermerkt, ἁλίσκει γάρ πως καὶ κατέχει τὸν

1629 Als Völker- oder Völkergemeinrecht (ius gentium) bezeichnet Grotius in De Iure Belli ac Pacis nur das von Menschen gesetzte überstaatliche Recht, vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § XIV 1, ferner auch ebd., § IX 2  ; ebd., § XIII, sowie prolegomena XVII. In dem Brief vom 28.02.‌1616, Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450), unterscheidet er noch zwischen ius gentium positivum und ius gentium primarium. Ersteres ist dabei identisch mit der Bedeutung von ius gentium in De Iure Belli ac Pacis, während letzteres wohl dem ius divinum voluntarium entspricht  : […] verborum conventiones ex natura, hoc est, ex ipsa rationalis creaturae conditione ac proinde etiam ex Gentium Iure primario, non positivo, vim obligandi habuisse […]  ; vgl. im Text bei Fn. 819  ; sowie konkret zur Beziehung zwischen dem aus der Vernunft folgenden Recht und dem primären ­Völkergemeinrecht im Brief Fn. 816. 1630 Die Zugehörigkeit einer Norm zum Natur- oder zum Völkergemeinrecht kann einzig aus dem Gegenstand der Norm gefolgert werden, vgl. Grotius, IBP, prolegomena XL  : Nur wenn sich der Regelungsinhalt aus sicheren Prinzipien ableiten lässt, handelt es sich um eine naturrechtliche Regelung. Dies stellt nichts anderes dar als den ebd., lib. I cap. I § XII 1, erläuterten Naturrechtsbeweis a priori. Vgl. allgemein zu Grotius’ Präferenz für den Beweis a priori im Text bei Fn. 1391 bis einschließlich des auf Fn. 1398 folgenden Absatzes. 1631 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die Übereinstimmung weltlicher Autoritäten 

| 357

⟨ Inde vincula fidei dicta. Donatus ad Eunuchum ⟩1632 quodammodo promissorem is cui fit promissio. Quem sensum non male secundo Metamorphoseon expressit Ovidius, ubi promissor ei cui promiserat ait  : Vox mea facta tua est ⟩1633.1634

ὑποσχόμενον ὁ τὴν ἐπαγγελίαν δεξάμενος  : »Derjenige, dem ein Versprechen gegeben wird, der fängt und fesselt ⟨ daher der Ausdruck »Bänder der Treue« bei Donatusc) ⟩ den Versprechenden auf eine besondere Weise.« Diesen Gedanken äußert Ovid zutreffend im zweiten Buch der Metamorphosen, wo der Versprechende demjenigen, dem er etwas versprochen hatte, sagt  : »Mein Wort ist zu deinem gemacht worden.«d)

a) Prov. V.1.

a) b) c) d)

Prov. 6,1–2  ; vgl. dazu Fn. 1637. Ps.-Acro in Hor. carm. 3,29,59.1635 Don. comm. Ter. 102,2.1636 Ov. met. 2,51.

Ursprünglich berief sich Grotius an dieser Stelle nur auf den alttestamentarischen König Salomo und die (ebenfalls mit dem Alten Testament belegte) hebräische Sprache. Die Passage mag daher zunächst nicht viel mehr als ein Annex zu der zuvor erörterten religiösen Begründung gewesen sein,1637 doch baute Grotius sie in den überarbeiteten Ausgaben von 1631 und 1642 beträchtlich aus. Er ergänzte Bezüge auf den vorklassischen Rhetoriker Aelius Donatus, den klassischen Dichter Ovid, die dem nachklassischen Grammatiker Helenius Acro zugeschriebenen Horaz-Scholien und den mittelalterlichen christlich-orthodoxen Theologen Eustathios von Thessalonike.

1632 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt. 1633 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1631 im Fließtext hinzugefügt. 1634 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 1 [Hervorh. im Orig.]. 1635 Vgl. Ps.-Acro in Hor. carm. 3,29,59 (et votis pacisci)  : Tamquam paciscantur cum dis homines oblatione votorum. 1636 Vgl. Don. comm. Ter. 102,2 (meam astringo fidem)  : Fidem astringo promitto, quia vincula fidei dicuntur. 1637 Unabhängig davon, dass das entsprechende Zitat Salomos in Prov. 6,2, und damit im Alten Testament überliefert ist, handelt es sich um ein Sprichwort eines weltlichen Königs, »um Gerechtigkeit, Rechtsinn und Redlichkeit zu erlangen«, vgl. Prov. 1,2. Inhaltlich bezieht sich der von Grotius zitierte Spruch auf förmliche Versprechen (Vulgata  : spoponderis) und andere Abreden unter Menschen, vgl. Prov. 6,1. Den möglichen religiösen Kontext in Prov. 6,16–17, hat Grotius gerade nicht wiedergegeben. Insofern scheint es (auch angesichts Grotius’ Differenzierung zwischen Naturrecht, göttlichem Recht und staatlichem Recht der Juden, vgl. Fn. 1604) angebracht, das Zitat am Maßstab literarischer Quellen und nicht am Maßstab religiöser Quellen zu messen. Auch die Einleitung des Satzes, Accedit iudicium Salomonis, legt nahe, dass Grotius das Folgende als weiteres Argument versteht und nicht als Teil der vorhergehenden religiösen Begründung.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

358 | 

Achtes Kapitel

Der Sinn dieser Überarbeitungen erschließt sich vor dem Hintergrund der ­ ethodischen Grundlagen des Naturrechtsbeweises a  posteriori. Dieser soll m durch einen möglichst breiten Konsens unterschiedlicher Quellen die Allgemein­ gültigkeit einer Aussage belegen.1638 Insofern fällt auf, wie heterogen die hier angeführten Quellen angesichts der unterschiedlichen Epochen, Kulturkreise und Tätigkeitsfelder der Autoren erscheinen. Dies gilt umso mehr, wenn man die zuvor gegen Connan für die naturrechtliche Verbindlichkeit von Versprechen angeführten Quellen hinzunimmt  : vier Fragmente des Corpus Iuris Civilis, der Talmud, die Philosophen Simonides, Cicero und ungenannte Platoniker sowie der Redner Apuleius und der Dichter Horaz.1639 Mit den vier an dieser Stelle angeführten Quellen verbindet er mehrere für seinen Versprechensbegriff entscheidende Punkte  : Bis auf Ovid enthält jeder Verweis einen Hinweis darauf, dass der Versprechende durch das Versprechen gefangen oder gefesselt wird. Das Versprechen begründet demnach eine Pflicht. Lediglich der (Num.  30,4–6 entnommene)1640 hebräische Begriff ‫ אסרה‬lässt dabei offen, wie diese Bindung aussieht. Aus den Zitaten des Salomo, Eustathios und Ovid geht eindeutig hervor, dass der Versprechende g e g e n ü b e r d e m Ve r s p r e c h e n s e m p f ä n g e r gebunden ist. Es handelt sich insofern, unabhängig von den konkret verwendeten Begriffen, inhaltlich um promissa im Sinne der zuvor entfalteten Abstufung von assertio, pollicitatio und promissum. Das Ovid-Zitat schließlich ist offen genug formuliert, um im Sinne des grotianischen Rechtsübertragungsgedankens als »Übertragung« des Wortes ausgelegt werden zu können. Wie passend die einzelnen Quellen dabei im Detail sind, mag letztlich dahinstehen. Im Gegensatz zu der methodisch verwandten religiösen Begründung führt Grotius den Beweis mittels weltlicher Autoritäten nicht konsequent zu Ende. Ein Konsens verschiedener Autoren belegt allenfalls die Allgemeingültig1638 Vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § XII, sowie dazu S. 305–307. Auf gleiche Weise wird aber auch der völkergemeinrechtliche Charakter einer Norm nachgewiesen, vgl. ebd., § XIV 2. Dies gilt grundsätzlich sowohl für literarische Quellen, vgl. ebd., prolegomena XL, als auch für juristische Quellen, vgl. ebd., prolegomena XLVI, und ebd., lib.  I cap.  I §  XIV  2. Unter den literarischen Quellen schätzt er die Philosophen und Geschichtsschreiber dabei jedoch deutlich höher als die Dichter und vor allem Redner, vgl. ebd., prolegomena XL und XLVII. 1639 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 4, vgl. im Text bei Fn. 1343. 1640 Diese Passage aus dem Alten Testament bemüht Grotius ebenfalls bereits im Brief vom 28.02.‌1616, wobei er sich dort weniger auf die hebräische Sprache als die inhaltliche Wertung der Passage bezieht, vgl. im Text bei Fn. 917.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 359

keit einer Norm, doch kann diese ihrerseits entweder auf einen naturrechtlichen oder einen völkergemeinrechtlichen Ursprung deuten.1641 Eine Übereinstimmung der Quellen allein genügt daher nicht, um ein Ge- oder Verbot eindeutig dem Naturrecht zuordnen zu können. Es bedarf zusätzlich des Nachweises, dass es sich nicht um Völkergemeinrecht handelt. Als Abgrenzungskriterium käme etwa in Betracht, dass sich das Völkergemeinrecht je nach Erdteil1642 oder Zeitalter unterscheiden kann, während das Naturrecht unwandelbar ist1643. Im Gegensatz zu der religiösen Begründung fehlt dieser Negativ­beweis hier jedoch. Ohne diesen ist der Beweis a posteriori aber nur ein Indiz dafür, dass es sich möglicherweise um eine Norm des Naturrechts handelt. In den prolegomena erwähnt Grotius allerdings noch eine weitere Verwendung literarischer Quellen (neben dem Beweis a posteriori)1644  : Demnach wolle er die Ansichten der Dichter und Redner, denen ohnehin kein großes Gewicht zukomme, vor allem zur Ausschmückung verwenden.1645 Ähnlich wie in früheren Werken,1646 scheint Grotius diese Begründung daher nicht als tragend, sondern allenfalls als unterstützend zu verstehen.1647

VI. Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda In den folgenden Unterabsätzen1648 nimmt Grotius den vor der Erörterung der drei »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi) verfolgten Argumen­ta­ tionsfaden wieder auf  : Dort hatte er sich darum bemüht, die Ansicht Connans 1641 Vgl. Fn. 1630, 1638. 1642 Grotius, IBP, lib. I cap. I § XIV 1  : […] Imo saepe in una parte orbis terrarum est ius gentium quod alibi non est, […]. 1643 Vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 5–6  ; ebd., § XI 1  ; ebd., § XII 2  ; ebd., § XVII 2. 1644 Grotius, IBP, prolegomena XL. 1645 Grotius, IBP, prolegomena XLVII  : Poetarum et oratorum sententiae non tantum habent pondus  : et nos saepe iis utimur non tam ut inde adstruamus fidem, quam ut his quae dicere voluimus ab ipsorum dictis aliquid ornamenti accedat [Hervorh. d. Verf.]. 1646 Vgl. zu De Iure Praedae Fn. 499  ; zu den Theses LVI S. 154  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 787 sowie dazu insb. Fn. 789  ; ferner werkübergreifend auch im Text bei Fn. 1394–1398. 1647 So schon allgemein für Bezüge auf »frühere Denker und historische Begebenheiten« in De Iure Belli ac Pacis Aure, FHI 2008, Rn. 19. 1648 Weder die Abspaltung der bisher untersuchten Ausführungen zum promissum von den folgenden Erwägungen noch deren Trennung in zwei separate Unterabsätze geben Grotius’ eigenes Verständnis wieder. Die Einteilung in Unterabsätze als weitere Gliederungsebene geht auf den (unbekannten) Herausgeber einer 22 Jahre nach Grotius’ Tod erschienen Ausgabe zurück, vgl. dazu im Text bei Fn. 1567–1571.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

360 | 

Achtes Kapitel

zu widerlegen, wonach einseitig verpflichtende Versprechen naturrechtlich unverbindlich seien und ihre verbindliche Wirkung erst durch das staatliche Gesetz erhielten.1649 Für Connan ist leicht zu begründen, warum nach römischem Recht nicht sämtliche Abreden verbindlich sind  : Den formlosen Versprechen (pacta nuda) habe das römische Recht, so Grotius, die verbindliche Wirkung verweigert, unter anderem um die Parteien vor ihrem eigenen Leichtsinn zu schützen.1650 Für Grotius ist die Unverbindlichkeit der pacta nuda nach römischem Recht deutlich schwerer zu erklären. Wie sollte das staatliche Gesetz den pacta nuda ihre rechtliche Wirkung entziehen können, wenn sich diese bereits aus dem Naturrecht ergibt und dieses (wie von Grotius behauptet)1651 unveränderlich ist  ? Nachdem er Connan zunächst teleologische Argumente und literarische Quellen entgegengehalten und in den §§ I 5–IV 1 sein Modell der naturrechtlichen Verbindlichkeit von promissa entwickelt hat, bemüht er sich – ähnlich wie schon im Brief vom 28.02.‌1616  – 1652 diesen Einwand auszuräumen  : Dazu versucht er die Vereinbarkeit der naturrechtlichen Verbindlichkeit von promissa und der Unveränderlichkeit dieser Regel mit der Unverbindlichkeit der pacta nuda nach römischem Recht zu demonstrieren. His cognitis non difficulter respondebimus ad Connani argumenta. Nam Iurisconsultorum dicta de pactis nudis respiciunt id quod Romanis legibus erat introductum ⟨ Caute Paulus Sententiarum lib. ii, tit. xiv, Si pactum nudum de praestandis usuris interpositum est, nullius est momenti. Ex nudo enim pacto inter cives Romanos actio non nascitur ⟩1653,

Mit diesen Überlegungen werden wir mühelos auf die Argumente des Connan antworten können. Denn die Aussagen der Rechtsgelehrten über die pacta nuda berücksichtigen das, was den römischen Gesetzen eigen war ⟨ Mit Bedacht formuliert Paulus in den Sentenzen, Buch 2, Titel 14a)  : »Wenn ein pactum nudum über zu leistende Zinsen eingegangen wird, hat es keine Bedeutung. Denn unter römischen Bürgern erwächst aus einem pactum nudum keine Klage.« ⟩, welche die Stipulation als sicheres Zeichen des entschiedenen Willens (animus

1649 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 2–4, und dazu S. 282–302. 1650 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § I 2. Im Brief vom 28.02.‌1616 teilt Grotius diese Einschätzung, vgl. im Text bei Fn. 930 und dazu S. 211–214. Vgl. zu Connans Ansicht Fn. 175. Konstruktiv unterscheiden sich Grotius und Connan insoweit, als das staatliche Recht für Grotius den pacta nuda ihre Verbindlichkeit e n t z i e h t , während es für Connan allein der Stipulation die Verbindlichkeit v e r l e i h t . 1651 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 5. 1652 Vgl. S. 205–214. Eine ähnliche Konstruktion findet sich, wenn auch ohne ausdrücklich problematisiert zu werden, in Grotius, Inleidinge, lib. III cap. I § 21  ; ebd., cap. XXX § 13, vgl. Fn. 1154. 1653 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 361

quae deliberati animi signum certum constituerunt stipulationem. Neque negamus similes esse in aliis populis leges. Quae lex ad id praestandum nos quod alicui promisimus obligat  ? ait Senecab) de lege humana et promisso non solenniter facto loquens. ⟨ Id est non sponso. Sic epistola xix distinguit  : Iam non promittunt de te, sed spondent. Stipulatus et sponsio, verborum solennitas dicitur Paulo lib. v Sententiarum, et Caio titulo de obligationibus quae ex consensu fiunt ⟩1654.1655

deliberatus) festgelegt haben. Wir bestreiten auch nicht, dass die Gesetze bei anderen Völkern ähnlich sind. »Welches Gesetz bindet uns, das zu erfüllen, was wir jemandem versprochen haben  ?«, fragt Seneca,b) wobei er über das Gesetz der Menschen und über das Versprechen, welches nicht feierlich gegeben worden ist, spricht. ⟨ Das bedeutet, ich verspreche nicht in Form einer Sponsio. So unterscheidet Seneca im 19. Briefc)  : »Dann versprechen [deine Briefe] nicht bloß von dir, sondern sie geloben förmlich (spondere).« Stipulation und Sponsio nennt Paulus im fünften Buch der Sentenzend) die Förmlichkeit der Worte  ; ebenso wie auch Gaius im Titel über die Verbindlichkeiten, welche durch Konsens entstehene). ⟩

a) V. de Benef. c. 10.

a) b) c) d) e)

Paul. sent. 2,14,1. Sen. benef. 5,21,1. Sen. epist. 19,1. Paul. sent. 5,7,1. Epit. Gai. 17,4.

Pacta nuda sind all jene Abreden, die weder einen Nominatkontrakt darstellen noch aus anderen Gründen klagbar sind.1656 Angesichts der flexiblen Anwendbarkeit und praktischen Bedeutung der Stipulation könnte man zuspitzen  : Pacta nuda sind (für Grotius) jene einseitig verpflichtenden Versprechen, die nicht in Form einer Stipulation abgegeben wurden.1657 An diesem Formerfordernis setzt Grotius an  : Statt als ein zum Konsens hinzutretendes, zusätzliches obligationsbegründendes Element im Sinne eines vestimentum oder einer causa1658 versteht er es als Spezialfall seiner zuvor entwickelten naturrechtlichen Tatbestandsvoraussetzung von promissa  : des s i c h e r e n Z eichens, dem Adressaten ein Recht übertragen zu wollen

1654 Der Einschub wurde erstmals in der überarbeiteten Ausgabe von 1642 als Kapitel-Endnote ­(Annotata ad Caput XI) hinzugefügt. 1655 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 2 [Hervorh. im Orig]. 1656 Vgl. im Text bei Fn. 109–113, 121–126. 1657 So auch Diesselhorst, Grotius, S. 55  ; inhaltlich findet sich Assoziation aber bereits bei Bartolus, vgl. im Text bei Fn. 139. 1658 So aber die Ansicht der Glossatoren, vgl. im Text bei Fn. 121–124, und Postglossatoren, vgl. im Text bei Fn. 136–139.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

362 | 

Achtes Kapitel

(signum volendi ius alteri conferre1659 bzw. signum certum animi deliberati [ut ius proprium concedat alteri]1660). Possunt autem naturaliter deliberati animi alia esse signa praeter stipulationem, aut si quid ei simile ad actionem pariendam lex civilis postulat. […]1661

Aber naturgemäß kann es andere Zeichen des entschiedenen Willens (animus deliberatus) geben außer der Stipulation oder wenn das staatliche Gesetz1662 irgendetwas der Stipulation Ähnliches fordert, damit es eine Klage gewährt.

Das Naturrecht verlangt die Kundgabe des Übertragungswillens mittels sicherer Zeichen (signum certum). Welche Zeichen dafür genügen, muss grundsätzlich im Einzelfall bestimmt werden.1663 Diesen Spielraum kann das staatliche Recht bei Vorliegen vernünftiger Gründe ausgestalten, etwa indem es – wie im Fall der Stipulation – die Formulierung des Versprechensinhalts in einer vorangehenden Frage (interrogatio) verlangt.1664 Demnach ist die Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen Recht die Konsequenz der Bestimmung der Stipulation zum e i n z i g z u l ä s s i g e n ­signum certum durch staatliches Gesetz.1665 In der Literatur wurde wiederholt kritisiert, dass Grotius mit dieser Deutung seine eigene willenstheoretische Auffassung vertraglicher Verbindlichkeit (zu Unrecht) auch den römischen Juristen unterstelle.1666 Der Vorwurf geht insofern fehl, 1659 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 1, vgl. im Text bei Fn. 1546. 1660 Vgl. zu dieser Konkretisierung des animus deliberatus Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3, (im Text bei Fn. 1684). 1661 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3. 1662 Vgl. Fn. 1417. 1663 Vgl. auch Grotius, IBP, lib. II cap. XI § XI  : Modum promittendi quod attinet, is ut de dominii translatione diximus requirit actum externum, id est signum sufficiens voluntatis, quale interdum esse potest nutus, frequentius autem vox aut literae [Hervorh. d. Verf.]. Der Sache nach findet sich der Gedanke bereits in De Iure Praedae, vgl. im Text bei Fn. 486, den Theses LVI, vgl. im Text bei Fn. 722, und dem Brief vom 28.02.‌1616, vgl. im Text bei Fn. 849. 1664 Das Vorgehen erinnert an Molinas und Lessius’ Bemühen, das kanonisch-rechtliche Erfordernis einer expressio causae mit der generellen Verbindlichkeit jedes ernstlichen Versprechens vor dem Gewissen in Einklang zu bringen, indem sie die expressio causae als Indiz eines ernstlichen Willens interpretieren  ; vgl. dazu Kowalski, causa, S. 174–182 m. w. N. 1665 Ähnlich schon Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 92  ; Nanz, Vertragsbegriff, S. 145  ; ferner auch Gronovius, IBP, Deliberati animi ad IBP, lib. II cap. XI § IV, der aus der Nichteinhaltung der Stipulationsform auf eine fehlende Festlegung des Willens schließen will  : Noluerunt eum putari decresse aut deliberato agere, qui rem non deduxisset in stipulationem. 1666 So etwa Astorri, Contract and Treaties, S. 516  ; Hägerström, bindende Kraft, S. 75 f.; Jør-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 363

als De Iure Belli ac Pacis keine humanistische Studie zum klassischen römischen Recht ist. Vielmehr bemüht Grotius sich hier nur um eine Lesart des römischen und gemeinen Rechts, die es ermöglicht, deren Formerfordernisse mit seiner ­Naturrechtslehre zu vereinbaren.1667 Auch hierfür finden sich spätscholastische Vorlagen.1668 Wenn Grotius die Stipulation als Konkretisierung des naturrechtlich für ein promissum erforderlichen sicheren Zeichens, dem Adressaten ein Recht übertragen zu wollen (signum volendi ius alteri conferre oder signum sufficiens ­voluntatis), versteht, wirft dies eine weitere Frage auf  : Wie kann das Naturrecht einerseits unveränderlich sein, andererseits aber durch (je nach Zeit und Ort unterschiedliches) staatliches Recht ausgestaltet bzw. konkretisiert werden  ? In De Iure Belli ac Pacis erklärt Grotius lediglich, das staatliche Recht dürfte zwar nicht in Widerspruch zum Naturrecht stehen, könne aber die natürliche Freiheit (des Einzelnen) stärker beschränken.1669 Dahinter steht die Differenzierung des Naturrechts in (nicht modifizierbare) Ge- und Verbote (praecipere  ; prohibere  ; vetare) und (durch andere Rechtsquellen modifizierbare) naturrechtliche Erlaubnisse (licere).1670 Im Brief vom 28.02.‌1616 qualifiziert Grotius die verbindgensen, Sc. St. L. 13 (1969), S. 111  ; ähnlich schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § IV Fn. 7 [Bd. 1, S. 403]  ; Felden, Annotata, Nam Iurisconsultorum dicta ad IBP lib. II cap. XI § IV  ; vgl. zu letzterem und der Erwiderung Graswinckels Astorri, Grotiana 41,1 (2020), S. 92 f., 105 f. Vgl. zu diesem Vorwurf im Übrigen auch schon im Text bei Fn. 1345 f. 1667 In dem parallel zur vierten Überarbeitung von De Iure Belli ac Pacis erschienenen (humanistischen) Kommentar zum Corpus Iuris Civilis, Florum sparsio ad ius Iustinianeum, findet sich keine vergleichbare Deutung. Der Wille des Schuldners wird an den relevanten Stellen – etwa zu Inst. 3,15  ; D. 2,1  ; D. 2,14  ; D. 45,1  ; C. 2,3 – mit keinem Wort erwähnt. Ebenso fehlen dort jegliche Verweise auf De  Iure Belli ac Pacis. Insofern dürfte sich Grotius sehr wohl bewusst gewesen sein, dass das hier vorgetragene Verständnis der Stipulation nicht dem römischen entsprach. 1668 Vgl. etwa Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, pars. II § IV num. 21 [S. 315]  : Quae profecto minime oriretur praesumptione constituta non deliberatae promissionis. Nam praetor ipse adversus iuris civilis praesumptionem non defenderet pacta nuda ratione consensus minus perfecti non praemissa animi integra deliberatione  : imo praesumpta levitate quadam, quo casu si de hoc constet  ; nec iure Pontificio, nec in animae iudicio pacta nuda servanda sunt, cum deficiat consensus ad conventionem necessarius. l. 1. ff. de pact. 1669 Grotius, IBP, lib. II cap. II § V  : […] Cum autem lex civilis aliud constituit, eam observari debere ius ipsum naturae dictat. Lex enim civilis quanquam nihil potest praecipere quod ius naturae prohibet, aut prohibere quod praecipit, potest tamen libertatem naturalem circumscribere, et vetare quod naturaliter licebat, atque etiam ipsum dominium naturaliter acquirendum vi sua antevertere [Hervorh. d. Verf.]. 1670 Vgl. Grotius, IBP, lib. I cap. II § V 1  ; sowie dazu Hölzel, Grundlagen, S. 101  ; Recknagel,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

364 | 

Achtes Kapitel

liche Wirkung sämtlicher Abreden (einschließlich der pacta nuda) allerdings ausdrücklich als naturrechtliches G e b o t und nicht bloß als Erlaubnis, was das Problem des davon abweichenden römischen Rechts umso größer erscheinen lasse (difficultas eo maior videtur).1671 Dass eine Abweichung des staatlichen Rechts vom Naturrecht in gewissem Umfang unproblematisch ist, zeigt sich in De Iure Belli ac Pacis auch an anderen Stellen.1672 Eine mögliche Begründung deutet Grotius im Rahmen der Erörterung der Unveränderlichkeit des Naturrechts an. Danach führe die Veränderung der geregelten Angelegenheit zu einem anderen Ergebnis, ohne dass die naturrechtliche Regelung eine andere sei.1673 Nach seinem Verständnis entzieht das römische Gesetz formlosen Versprechen nicht ihre aus dem Naturrecht folgende Verbindlichkeit,1674 denn das wäre mit der Unveränderlichkeit des Naturrechts unvereinbar. Vielmehr ist die Formvorschrift des römischen Rechts in dessen Anwendungsgebiet auch naturrecht-

Einheit, S. 89–92, 101 f.; Tierney, Liberty, S. 228–235  ; Ders., Natural Rights, S. 328 f.; ferner Hartenstein, Grotius, S. 173  ; Onuma, Agreement, S. 198 Fn. 94  ; Somos, Virtue, S. 97. 1671 Vgl. im Text bei Fn. 911. 1672 Dass Grotius’ Naturrechtslehre dem römischen Recht im Fall der Unverbindlichkeit der pacta nuda nicht folgt, ist keinesfalls so einmalig wie Straumann, Grotius, S.  175, Ders., Roman Law, S. 191, meint. Auch hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI § V 2, der Auswirkung von Furcht, vgl. ebd., § VII 2, oder vorübergehender Unmöglichkeit, vgl. ebd., § VIII 3, sind Grotius’ naturrechtliche Regelungen weniger streng als die des römischen Rechts. Dort versteht Grotius die staatlichen Regelungen gleichermaßen als (in ihrem Geltungsbereich auch naturrechtlich zu beachtende) Konkretisierungen des Naturrechts. Zudem ist das Argument gegen ein causa-Erfordernis, dass der Wille des Einzelnen zumindest ebenso wie ein staatliches Gesetz Versprechen verbindliche Kraft einräumen können müsse, mit dem Nachsatz versehen  : […] praecipue ubi lex civilis impedimentum non affert, vgl. ebd., § I 4. Nicht als Konkretisierungen, sondern vielmehr als Abweichungen des staatlichen Rechts vom Naturrecht versteht dies hingegen Heineccius, Praelectiones, ad lib.  II cap.  XIV §  VI num.  2  : Naturalis obligatio dicitur ea, quae iure naturae quidem firma est, sed ita, ut ius civile ei non adsistat  : civilis, quae civili iure rata est, quamvis ius naturae eam non agnoscat. E. g. pacta servari iubet ius naturae, sed ius civile ex pactis nudis non dabat obligationem. Est ergo obligatio naturalis tantum. Contra pactum vi et metu extortum iure naturae irritum est, at iure stricto civili servandum. Est haec obligatio mere civilis. 1673 Grotius, IBP, lib. I cap. I § X 6  ; vgl. dazu ferner Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions, S. 178. 1674 Anders hingegen Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVII dub. IV num. 19 [S. 197]  : Omnis contractus, etiam nudus, sponte libereque factus, […]  ; nisi Iure positivo irritus, vel detur irritandi potestas [Hervorh. d. Verf.]  ; ebd., num. 20 [S. 197]  ; vgl. dazu auch im Text bei Fn. 234– 236  ; ähnlich wie Grotius aber schon Covarruvias, vgl. Fn. 938.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der pacta nuda 

| 365

lich zu beachten, sodass formlose Versprechen mangels signum certum animi deliberati (bereits naturrechtlich) unverbindlich sind.1675,1676 Derselbe Gedanke findet sich (zumindest angedeutet in der Inleidinge und) deutlich ausführlicher in dem Brief vom 28.02.‌1616.1677 Dort verbringt Grotius nahezu ein Viertel des gesamten Briefes mit dem Nachweis, dass eine aus vernünftigen Gründen erfolgte Konkretisierung von naturrechtlichen Voraussetzungen durch staatliches Gesetz zulässig1678 – ja sogar »gewollt«1679 – sei. Eine Stipulation bzw. die darin enthaltene Antwort, etwas zu geben oder vorzunehmen (responsio dandi aut faciendi),1680 sei ein Spezialfall einer naturrechtlichen promissio und als solche verbindlich. Das römische Recht verlange lediglich, dass der Inhalt der promissio bereits in einer vorangehenden Frage (interrogatio) festgelegt werde.1681 1675 So schon Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II cap. XI § IV Fn. 6 [Bd. 1, S. 402 f.], der die Auseinandersetzung mit der Stipulation ebenfalls vor dem Hintergrund der entsprechenden Passagen in dem Brief vom 28.02.‌1616, vgl. Fn. 1677, deutet. Inhaltlich hält Barbeyrac diese Ansicht Grotius’ für falsch  : Wer ein Versprechen in Kenntnis der Unwirksamkeit nach staatlichem Recht abgebe, verzichte auf den Schutz durch das staatliche Recht und sei daher naturrechtlich gebunden. Anders als bei Testamenten diene es bei naturrechtlich wirksamen Versprechen nicht dem öffentlichen Wohl, die Wirksamkeit einzuschränken. 1676 In diesem Sinne ist wohl auch Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 138, zu verstehen, wenn sie promissa im Sinne der gradus loquendi mit nach staatlichem Recht verbindlichen Vereinbarungen gleichsetzt. 1677 Grotius, BW, I, S.  500  f. (num.  450)  ; vgl. im Text bei Fn.  895, 911, 915 sowie im Text bei Fn. 917 bis einschließlich alienatio plenum dominium. Vgl. zur Inleidinge ferner auch im Text bei Fn. 1153 f. 1678 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450)  : Hoc ergo cum statuit lex civilis nihil statuit contra ius naturale. Non enim efficit ut qui promiserat id quod promittendi ius habebat, id ipsum praestare non teneatur  ; sed ius promittendi aufert, et consequenter ex ipso iure naturae ius obligandi. Non obligatur enim qui promisit quod promittere non potuit  ; vgl. im Text bei Fn. 917. 1679 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450)  : Non enim simpliciter vult ius naturae obligari aliquem ad praestandum quod promisit, sed ita si promiserit, quod promittendi ius habebat  ; vgl. im Text bei Fn. 917. 1680 Grotius, BW, I, S. 499 (num. 450)  : Differentia quae stipulationem ab aliis verborum et quidem ore prolatorum conventionibus discernit interrogatione et responsione consistit. Cum vero responsio illa sit de dando aut faciendo, ideo tu recte eam promissionem nuncupasti  ; vgl. im Text bei Fn. 787. 1681 Grotius, BW, I, S. 500 (num. 450)  : In exprimenda differentia quod tu dixisti brevius promissionem, id Pomponius responsionem vocavit non quamvis, sed eam, qua quis se daturum aliquid facturumve respondit. Quare optime haec congruunt, cum et Pomponius responsioni vim promittendi incluserit facta dandi et faciendi mentione, et tu promissioni incluseris responsionem, quia praecessit interrogatio ad quam quod promittitur, respondendo promittitur  ; vgl. im Text bei Fn. 787.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

366 | 

Achtes Kapitel

Als weiteres Beispiel einer vernünftigen Konkretisierung naturrechtlicher ­ oraussetzungen durch staatliches Recht nennt Grotius in dem Brief die Regeln V zur Geschäftsfähigkeit.1682 Auch dieser Gedanke findet sich an entsprechender Stelle in De Iure Belli ac Pacis wieder. Danach seien konkrete Altersgrenzen zwar dem staatlichen Gesetz zuzuordnen, aber in ihrem Anwendungsgebiet kraft Naturrechts zu befolgen.1683 Dass das römische Recht formlose Versprechen aus vernünftigen Gründen nicht durchsetzt, ist für Grotius demnach nicht nur mit der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämtlicher Versprechen vereinbar, es ist zugleich Indiz für die naturrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung eines s i c h e r e n Z e i c h e n s , dem Adressaten ein Recht übertragen zu wollen.

VII. Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung Abschließend wendet sich Grotius noch einmal unmittelbar dem W i l l e n des Versprechenden zu. Erklärungen ohne Willen z u r S e l b s t b i n d u n g spricht er dabei die verbindliche Wirkung ab, Erklärungen ohne Willen z u r R e c h t s ü b e r t r a g u n g die gläubigerberechtigende Wirkung. Der Sache nach greift er damit die assertio und die pollicitatio auf  : […] Quod autem fit animo non deliberato, id nos quoque ad vim obligandi non credimus pertinere  ; quod et Theophrastus libro de legibus notaverat. imo et quod deliberato fit, sed non eo animo, ut ius proprium concedat alteri, ex eo negamus ius exigendi cuiquam naturaliter dari, quanquam non

Von dem aber, was aufgrund eines unentschiedenen Willens geschieht, glauben wir auch nicht, dass es für die verbindliche Wirkung ausreicht  ; das hatte auch Theophrast in seinem Buch über Gesetze hervorgehoben. Ja sogar auch, was aufgrund eines entschiedenen Willens (animus deliberatus) geschieht, aber nicht mit dem Willen, dass einem anderen ein Recht im eigentlichen Sinne zugestanden wird (animus ut ius proprium concedat alteri), daraus bestreiten wir, dass irgendjemandem naturgemäß ein Forderungsrecht (ius

1682 Grotius, BW, I, S. 501 (num. 450)  : Sic Deus ipse filiae votum vult non esse obligatorium patre dissentiente, Num. XXX, 5. Quia ipsa quoque naturalis aequitas suadet aliquomodo limitandam esse vim eius consensus, quod a fragili infirmoque consilio proficiscitur, L. 1. Dig. de minoribus. Hoc ergo cum statuit lex civilis nihil statuit contra ius naturale. Non enim efficit ut qui promiserat id quod promittendi ius habebat, id ipsum praestare non teneatur  ; sed ius promittendi aufert, et consequenter ex ipso iure naturae ius obligandi. Non obligatur enim qui promisit quod promittere non potuit  ; vgl. im Text bei Fn. 917. 1683 Vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI § V 2.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung 

solam hinc honestatem, sed et necessitatem quandam moralem nasci agnoscimus. […]1684

| 367

exigendi) gegeben wird, obwohl wir anerkennen, dass hier nicht allein die Ehrbarkeit, sondern auch eine gewisse moralische Notwendigkeit entsteht.

Den Begriff animus deliberatus verwendet Grotius nicht im Rahmen der Erörterung der drei »Stufen über Zukünftiges zu sprechen« (gradus loquendi). Während dort im Kontext der assertio zumindest von einem animus humanus die Rede ist, dem ein ius consilium mutandi zukomme,1685 spricht er bei der pollicitatio und dem promissum, die beide eine determinatio voluntatis voraussetzen, von volun­tas1686. Indessen hat die Untersuchung der Stufenkonstruktion von ­assertio, ­pollicitatio und promissum gezeigt, dass mit animus (humanus) bzw. voluntas ­jeweils derselbe Wille gemeint ist.1687 Danach haben Menschen grundsätzlich das Recht, ihren Willen nachträglich zu ändern (ius consilium mutandi). Auf dieses Recht können sie verzichten und sich dadurch binden. Geschieht dies in der Absicht, einen Dritten zu berechtigen, erwächst diesem – mit dessen Annahme des Versprechens –1688 zugleich ein Forderungsrecht. Diesen Gedankengang fasst Grotius nunmehr in eine einheitliche Terminologie  : Grundsätzlich ist der animus frei, erst durch Deliberation verzichtet er auf sein ius consilium mutandi und unterwirft sich damit einer Pflicht. Dass der Begriff deliberatio im Kontext der (spät-)‌scholastischen Lehren zum Gelübde und zum freigiebigen Versprechen bereits eine andere Bedeutung hat,1689 mag erklären, warum Grotius im Rahmen der Erörterung von assertio, pollicitatio und pro1684 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3. 1685 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § II  ; vgl. im Text bei Fn. 1408. 1686 Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ III–IV 1  ; vgl. im Text bei Fn. 1412, 1546. 1687 Vgl. im Text bei Fn. 1412–1417, 1547 f. So im Ergebnis auch Gronovius, IBP, Animo non deliberato ad IBP lib. II cap. XI § IV, der für den Ausgangsfall erläutert, gemeint sei die fehlende Festlegung, ein Vorhaben beizubehalten  : Non cum certa & demonstrata destinatione in proposito perseverandi. 1688 Dieses Annahmebedürfnis formuliert Grotius nicht im Kontext der gradus loquendi, sondern separat an späterer Stelle, vgl. Grotius, IBP, lib. II cap. XI §§ XIV–XVIII  ; dazu Diesselhorst, Grotius, S.  49 Fn.  33, S.  111–119  ; Nanz, Vertragsbegriff, S.  146  ; Olivecrona, ARSP 63,1 (1977), S. 91  ; Ders., concept of a right, S. 187 f.; Ders., Law as Fact, S. 286  ; ferner auch Astorri, Contract and Treaties, S. 516 f.; Decock, Contract Law, S. 210  ; Schmidlin, Vertragsmodelle, S. 204. Aus dem Naturrecht folgt zwar das Erfordernis einer Annahme, nicht aber dass das Versprechen bereits vor diesem Zeitpunkt unwiderruflich ist, vgl. Fn. 1422  ; missverständlich insofern Hogg, Promises, S. 129, der qui effectus non est naturalis, sed mere legitimus auf das Annahmeerfordernis (statt auf das Widerrufsverbot) zu beziehen scheint. 1689 Vgl. etwa Aquinas, STh IIa–IIae qu.  88 a.  1 resp. [Bd.  9, S.  234]  ; Lessius, De  Iustitia et Iure,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

368 | 

Achtes Kapitel

missum auf ihn verzichtet und stattdessen von determinatio spricht.1690 Dennoch beschreibt de-liberare Grotius’ Verständnis des Zustandekommens der Pflicht ungleich treffender  : Die Festlegung des Willens ist nichts anderes als ein (partieller) Ve r z i c h t a u f d i e E n t s c h e i d u n g s f r e i h e i t (particula libertatis). Aufgrund dieses Verzichts darf der Wille sich nicht länger gegen die Vornahme der Leistungshandlung entscheiden, der Schuldner ist somit zur Vornahme der Leistung verpflichtet1691. Zugleich tritt in dem letzten Halbsatz der Passage Grotius’ dreistufiges Pflichtbzw. Verbindlichkeitsverständnis1692 zutage  : Durch eine (Kundgabe der) Festlegung des Willens auf ein zukünftiges Verhalten entsteht eine echte naturalis obligatio. Ihre Erfüllung ist nicht nur ehrbar (wie bei einer naturalis obligatio per abusionem), sondern zwingend geboten ([…] non solam hinc honestatem, sed et necessitatem quandam moralem […]). Damit der Adressat aber ein Forderungsrecht (ius exigendi) erhält, die naturalis obligatio also (mit Zwang)1693 durchsetzbar ist, bedarf es zusätzlich einer (Kundgabe der) Festlegung des Willens zu einer Übertragung eines subjektiven Rechts (ius proprium bzw. facultas).1694 Ersteres entspricht den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer pollicitatio, letzteres ­denen eines promissum. Grotius fasst hier also noch einmal die §§ I 5–IV 1 zusammen und reduziert sie dabei auf ihren wesentlichen Kern  : Entscheidend für die durchsetzbare Verbindlichkeit eines Versprechens ist, dass es mit dem animus deliberatus gegeben wird, ein ius proprium zu übertragen  : Der (geäußerte) Wille zur ­p a r t i e l l e n Ü b e r t r a g u n g d e r W i l l e n s f r e i h e i t ist zugleich die entscheidende ­Voraussetzung und der Geltungsgrund für die Übertragung eines Rechts bzw. das Entstehen eines Forderungsrechts.

lib. II cap. XVIII dub. I num. 2 [S. 216]  ; de Soto, De Iustitia et Iure, lib. VII qu. I a. II [Bd. 4, S. 614–619]  ; sowie ferner im Text bei Fn. 1381–1387 m. w. N. 1690 Dass ein Begriff bereits eine etablierte, von seinem Verständnis abweichende Bedeutung hat, hält Grotius allerdings in anderen Fällen auch nicht von einer Verwendung ab  ; vgl. etwa zum Begriff der regula in De Iure Praedae im Text bei Fn. 408 f.; sowie zum Begriff der pollicitatio in der Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis im Text bei Fn. 1053–1056, 1420–1425. 1691 Vgl. insoweit schon im Text bei Fn. 702 die Definition der Pflicht in den Theses LVI als »unrechtmäßiges Unterlassen« (Obligationem quod quis omittendo iniuste agit eodem modo). 1692 Vgl. zur naturalis obligatio per abusionem, zur naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri non oriatur und zur naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri oriatur S. 319–330. 1693 Vgl. Grotius, IBP, lib.  I cap.  III §  XVII  1  : […] nam et naturaliter quisque ius habet cogendi debitorem […]. 1694 Vgl. S. 341–344.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung 

| 369

Im Anschluss an dieses Resümee wendet sich Grotius im weiteren Verlauf des Kapitels De  Promissis konkreten Wirksamkeitsvoraussetzungen und Wirksamkeitshindernissen zu.1695 Zuvor folgt jedoch noch ein kurzer Nachsatz mit nicht zu unterschätzender Sprengkraft für Grotius’ Versprechenslehre  : […] De eo autem quod ex Cicerone adducitur agemus infra, ubi de interpretatione pactorum sermo erit. […].1696

Das aber, was aus Cicero abgeleitet wird, werden wir zu einem späteren Zeitpunkt behandeln, wo wir über die Auslegung von Vereinbarungen reden werden.

Mit dem vorangehenden, willensfokussierten Resümee lassen sich die erwähnten Schlussfolgerungen, wie sich sogleich zeigen wird, nicht ohne Weiteres vereinbaren. Der Verweis an dieser Stelle deutet darauf hin, dass sich Grotius dieser Beziehung grundsätzlich bewusst ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass er keine weiteren Ausführungen zum Verhältnis der beiden Passagen oder der zugrunde liegenden Prinzipien für erforderlich hält. Das in dem Verweis genannte Kapitel, De Interpretatione, beginnt unmittelbar mit der Erörterung des erwähnten Cicero-Zitates  : Ipsum qui promisit solum si spectamus, sponte id praestare obligatur in quod obligari voluit. In fide quid senseris non quid dixeris cogitandum, inquit Ciceroa)  : Sed quia interni actus per se spectabiles non sunt, et certi aliquid statuendum est, ne nulla sit obligatio si quisque sensum quem vellet sibi affingendo liberare se posset, ipsa dictante naturali ratione ius est ei cuiquid promissum est promissorem cogere ad id quod recta interpretatio suggerit. nam alioqui

Wenn wir allein denjenigen betrachten, der versprochen hat, wird er freiwillig gebunden, das zu leisten, zu dem er gebunden werden wollte. »Bei der fides ist zu beachten, was du gemeint hast, und nicht, was du gesagt hast«, betont Cicero  :a) Aber weil innere Handlungen für sich genommen nicht erkennbar sind und eine gewisse Sicherheit erreicht werden muss, damit nicht etwa keine Verbindlichkeit besteht, wenn jeder sich durch Hinzudichten einer Bedeutung, die er wollte, befreien könnte, gebietet die natürliche Vernunft selbst, dass demjenigen, welchem auch immer das Versprechen gegeben wurde, ein Recht zusteht, den Versprechenden zu dem zu zwingen, was die richtige Auslegung ergibt.

1695 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3 a. E.: […] Sed quae ad perfectae promissionis vim requirantur videamus  ; zu den einzelnen, im weiteren Verlauf des Kapitels behandelten Themen vgl. die Übersicht in Fn. 1240. 1696 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § IV 3  ; für den folgenden Satz vgl. Fn. 1695.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

370 | 

Achtes Kapitel

res exitum non reperiret  : quod in moralibus pro impossibili habetur. […]1697

Denn andernfalls würde die Angelegenheit kein Ende finden  : Dies wird in moralischen Dingen für unmöglich gehalten. […]

a) De Off. 1.

a) Cic. off. 1,40.

Die Bedeutung der Aussage Ciceros, wonach »bei der fides« zu beachten sei, was mit einer Erklärung »gemeint« war (sentire), ist in der Literatur nicht unumstritten.1698 Ob Cicero damit auf die tatsächliche oder aber eine vernünftige, hypothetische Vorstellung des Erklärenden abstellen will,1699 kann hier dahinstehen. Gleiches gilt für Grotius’ Verständnis des Zitats. Zwar können die folgenden Ausführungen sowohl als Erläuterung als auch als Widerspruch zu Cicero aufgefasst werden, doch sind sie zumindest im Ergebnis eindeutig. Unabhängig davon, ob Grotius Cicero in diesem Sinne versteht oder nicht, hält er selbst den vernünftigen, hypothetischen Willen des Erklärenden für maßgeblich. Aus der natürlichen Vernunft schließt er, dass gerade das o b j e k t i v E r k l ä r t e , nicht aber das s u b j e k t i v G e w o l l t e entscheidend sei, und begründet dies mit einem argumentum ad absurdum  : Andernfalls könnte sich jeder Schuldner der Bindung durch die nicht überprüfbare Behauptung entziehen, er hätte sich mit der Erklärung gar nicht binden wollen.1700 Der Gedanke findet sich in ähnlicher Form bereits im Parallelon Rerumpublicarum, er erinnert aber auch an die Ausführungen zum Meineid in De  Iure Praedae und zum Wortbruch in der Inleidinge.1701 Dort blieb jeweils offen, ob der arglistig Erklärende einzig moraltheologische oder deliktische Konsequenzen zu 1697 Grotius, IBP, lib. II cap. XVI § I 1. 1698 Vgl. etwa Luig, Auslegung, S. 131 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 637  ; ferner Blom, Grotius on Trust, S. 95 f.; Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S. 96  ; de Wilde, TR 79,3/4 (2011), S. 459. 1699 Die Aussage Ciceros und die möglichen Auslegungen entsprechen letztlich § 133 BGB, wonach bei der Auslegung einer Willenserklärung »der wirkliche Wille zu erforschen« sei, was heute ganz herrschend so verstanden wird, dass bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen auf den Verständnishorizont des Empfängers und lediglich bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen auf den tatsächlichen Willen des Erklärenden abzustellen sei. 1700 Ähnlich argumentieren schon de Soto und Lessius, vgl. Böttcher, Mentalreservation, S. 152, 166, 174  ; Decock, Contract Law, S. 195  ; Diesselhorst, Grotius, S. 25 f., 56. 1701 Vgl. insb. zum Parallelon Rerumpublicarum im Text bei Fn. 362–369  ; ferner zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 506–514 sowie zur Inleidinge im Text bei Fn. 1070–1073. Die Parallele zu den Ausführungen über Atilius Regulus im Parallelon Rerumpublicarum betont auch Blom, Grotius on Trust, S. 96  ; vgl. auch Grotius, IBP, lib. III cap. XXIII § VI  ; ferner ebd., lib. II cap. XIII § I, sowie dazu Fn. 363.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung 

| 371

befürchten hat oder darüber hinaus auch an seine (ohne Bindungswillen abgegebene) Erklärung gebunden ist. Hier scheint Grotius für letzteres zu votieren. Die Erforderlichkeit der Kundgabe des Willens betont Grotius auch im Rahmen der analytisch-konstruktiven Herleitung der gradus loquendi (§§ I 5–IV 1)1702 und der Ausführungen zur Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen und gemeinen Recht (§ IV 2). Erst in dem willensfokussierten Resümee (§ IV 3) tritt der Wille – scheinbar losgelöst von jeder Kundgabe – dominierend in den Vordergrund.1703 Es dürfte kein Zufall sein, dass Grotius gerade dort auf die damit nur schwer zu vereinbarenden Aussagen zu Beginn des Kapitels De Interpretatione verweist. Diese sind zudem nur eine besondere Ausprägung eines allgemeineren Grundsatzes, der auch bei der Erörterung der Art und Weise der Versprechensabgabe (modus promittendi)1704 und des derivativen Eigentumserwerbs1705 zutage tritt.1706 Die ausführlichste Stellungnahme dazu findet sich aber in dem Kapitel über die Ersitzung  : Quid dicemus  ? Iuris effectus qui ab animo pendent non possunt tamen ad solum animi actum consequi, nisi is actus signis quibusdam indicatus sit. quia nudis animi actibus efficientiam iuris tribuere non fuerat congruum naturae humanae, quae nisi ex signis actus cognoscere non potest  : qua de causa etiam interni actus meri legibus humanis non subiacent. Signa autem nulla de animi

Was werden wir dazu sagen  ? Die Wirkungen des Rechts, welche von dem Willen abhängen, können dennoch nicht bei einer Betätigung des Willens allein eintreten, wenn diese Betätigung nicht durch irgendwelche Zeichen angezeigt wurde. Denn die rechtliche Wirksamkeit den bloßen Betätigungen des Willens zuzugestehen, entspräche nicht der menschlichen Natur, welche diese Betätigungen außer durch Zeichen nicht erkennen kann  : Aus diesem Grund unterliegen die bloß inneren Handlungen auch nicht den menschlichen Gesetzen. Zeichen für Handlungen des Willens kommt aber

1702 So schon Nanz, Vertragsbegriff, S.  143–145  ; sowie (konkret zur pollicitatio) Diesselhorst, Grotius, S. 49. 1703 Vgl. aber auch die grundlegende Aussage in Grotius, IBP, lib. II cap. V § X 1, wonach sämtliche »menschlichen Handlungen, aus denen ein Recht entsteht« nur zwei Voraussetzungen haben  : Die Inhaberschaft des subjektiven Rechts und den ausreichenden Willen  ; vgl. dazu im Text bei Fn. 1368–1371. 1704 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § XI  : Modum promittendi quod attinet, is ut de dominii translatione diximus requirit actum externum, id est signum sufficiens voluntatis, quale interdum esse potest nutus, frequentius autem vox aut literae. 1705 Grotius, IBP, lib. II cap. VI § I 1  : […] In dante, non sufficere actum internum voluntatis, sed simul requiri, aut verba, aut alia signa externa  : quia actus internus, ut alibi diximus, non est congruens naturae societatis humanae  ; vgl. dazu Hägerström, bindende Kraft, S. 68 f. 1706 Weitere Ausprägungen des Grundsatzes finden sich in Grotius, IBP, lib. II cap. IV § IV 1–2, wo allerdings nur von einer praesumtio die Rede ist, und ebd., cap. XX § XVIII.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

372 | 

Achtes Kapitel

actibus certitudinem habent mathematicam, sed probabilem tantum  : nam et verbis eloqui aliud possunt homines quam quod volunt et sentiunt, et factis simulare. Neque tamen patitur natura humanae societatis, ut actibus animi sufficienter indicatis, nulla sit efficacia. ideo quod sufficienter indicatum est, pro vero habetur adversus eum qui indicavit. Ac de verbis quidem expedita res.1707

keine mathematische, sondern lediglich wahrscheinliche Gewissheit zu  : Denn die Menschen können durch Worte etwas anderes vortragen als das, was sie wollen und denken, und auch mit Handlungen etwas vortäuschen. Die Natur der menschlichen Gesellschaft duldet aber nicht, dass ausreichend angezeigten Handlungen des Willens keine Wirksamkeit zukommt. Deswegen wird das, was ausreichend angezeigt wurde, gegenüber demjenigen, der es angezeigt hat, für wahr gehalten. Und aus den Worten nämlich ergibt sich die Sache [d. h. der Wille].

Der wahre Wille ist als innere Tatsache dem Beweis entzogen. Diese einfache Erkenntnis stellt für die meisten rein willenstheoretischen Vertragskonstruktionen ein Problem dar, welches regelmäßig nur durch den Rückgriff auf äußere Zeichen als Indizien für den tatsächlichen Willen bewältigt werden kann.1708 Grotius versteht die Kundgabe aber nicht nur als tatsächliche oder normative Voraussetzung für die Beachtlichkeit des Willens. Sein Interesse gilt vielmehr der Zuverlässigkeit der (für die Willenskundgabe verwendeten) Zeichen.1709 Immer wieder betont er die Unantastbarkeit der Sprache als Instrument zur Mitteilung des Willens.1710 Darüber geht er hier noch hinaus, indem er in den letzten beiden Sätzen der Passage, wie Ramelet zu Recht bemerkt,1711 faktisch eine (unwiderlegbare) Vermutung postuliert, dass der innere Wille der Äußerung entspreche1712. 1707 Grotius, IBP, lib. II cap. IV § III. 1708 Vgl. im Text bei Fn. 246  ; ferner zu de Soto Schermaier, ZEuP 6,1 (1998), S. 75 Fn. 110. 1709 So schon Schermaier, ZEuP 6,1 (1998), S. 75. 1710 Vgl. Nijman, Imago Dei, S. 99 f.; Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 127–129, 132, 140  ; sowie zu De Iure Praedae im Text bei Fn. 506  ; zu Meletius in Fn. 511  ; ferner zu Grotius, IBP, lib. III cap. XIX § I 2, Fn. 1557. In der Literatur werden zu Recht die stoischen Anlagen dieses Gedankens betont, doch sollten darüber nicht die Parallelen zu Lessius’ Ausführungen zum Eid übersehen werden, vgl. zu diesen Böttcher, Mentalreservation, S. 169–171, 174. 1711 Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 130. 1712 Im Ergebnis bereits ähnlich Lessius, De  Iustitia et Iure, lib.  II cap.  XVIII dub.  I num.  6–7 [S. 216 f.]  ; ebd., dub. VIII num. 58, 61 [S. 225 f.], der den Versprechenden zumindest bei Täuschungsabsicht (animus decipiendi) und nicht unerheblichen Schäden (notabile detrimentum) an der objektiven Erklärung festhält  ; vgl. dazu Böttcher, Mentalreservation, S. 166 f.; D ­ ecock, Contract Law, S.  201  ; Diesselhorst, Grotius, S.  26. Bei Täuschungsabsicht hält im Übrigen schon Thomas von Aquin den objektiven Erklärungsinhalt für maßgeblich, vgl. B ­ öttcher, Mentalreservation, S. 138–140.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Ein Ausblick  : Wille, Erklärung und Auslegung 

| 373

Im Ergebnis stünden den promissa demnach jene Erklärungszeichen gleich, die unzutreffend den objektiven Eindruck erwecken, mit Bindungs- und Rechtsübertragungswillen abgegeben worden zu sein. Dass derartige Scheinerklärungen zu einer Bindung oder Übertragung subjektiver Rechte führen, lehnt Grotius im Rahmen des willensfokussierten Resümees hingegen ausdrücklich ab.1713 Diese Aussagen ließen sich nur dann unproblematisch miteinander vereinbaren, wenn Grotius unter dem Willen nie den tatsächlichen, sondern stets einen vernünftigen, hypothetischen Willen verstehen würde1714. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, zeigt sich exemplarisch an seinem sogleich zu erörternden Irrtumsrecht sowie daran, dass er die Einführung von Formerfordernissen durch staatliches Recht zu legitimen Zwecken – einschließlich des Schutzes des Erklärenden vor eigenem Leichtsinn – für zulässig erachtet1715. Dafür gäbe es keinen Anlass, wenn bereits naturrechtlich nur vernünftige Versprechen verbindlich wären. Ob Grotius mit der Vermutung, dass der innere Wille der Äußerung entspreche, wirklich »Willensethik und Vertrauensethik zu vereinbaren« vermag,1716 darf daher bezweifelt werden. Letztlich begründet er diese Vermutung, ähnlich wie zu Beginn des Kapitels De Interpretatione,1717 allein mit dem andernfalls drohenden Missbrauchspotenzial. So eingängig dieses gewissermaßen »rechtspolitische« Argument sein mag,1718 bleiben die dogmatischen Folgen dieser Vermutung unklar. Eine mögliche Erklärung sieht Ramelet in einem (fiktiven) Vertrag über die Einführung der Sprache, durch den sich die Menschen der Auslegung ihrer Worte und Zeichen durch die Adressaten unterworfen hätten1719.1720 Die Über1713 Vgl. im Text bei Fn. 1684. 1714 So im Ergebnis Luig, Auslegung, S. 135, 142  ; tendenziell auch Diesselhorst, Grotius, S. 57– 59  ; für De Iure Praedae ähnlich Blom, Meaning of Trust, S. 55. 1715 Vgl. im Text bei Fn. 1661–1665 sowie ferner Fn. 1650  ; zum Brief vom 28.02.‌1616 im Text bei Fn. 930–934. 1716 So Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 293. 1717 […] ne nulla sit obligatio si quisque sensum quem vellet sibi affingendo liberare se posset […], vgl. im Text bei Fn. 1697. 1718 Vgl. auch Lessius, De Iustitia et Iure, lib. II cap. XVIII dub. VIII num. 60  : nullam fore fidem contractuum inter homines, si hac ratione se possent expedire  ; dicendo se ficte promisse  ; sowie dazu Böttcher, Mentalreservation, S. 166  ; Decock, Contract Law, S. 195. 1719 Vgl. Grotius, IBP, lib. III cap. I § XI 1  : […] iure existente ac manente eius ad quem sermo aut nota dirigitur […] Ius hic intelligo non quodvis et rei extrinsecum sed quod proprium sit huic negotio atque cognatum. Id autem nihil est aliud quam iudicandi libertas ⟨ […] ⟩, quam homines colloquentes his quibus colloquuntur debere quasi pacto quodam tacito intelliguntur. Haec enim nec alia est mutua illa obligatio quam homines introduci voluerant, simul atque sermone notisque similibus uti instituerunt. Nam sine tali obligatione inane fuisset tale repertum [Hervorh. d. Verf.]. 1720 Ramelet, Grotiana 40 (2019), S. 130 f.; tendenziell auch Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 108.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

374 | 

Achtes Kapitel

tragung eines subjektiven Rechts durch eine Scheinerklärung kann dies aber nur erklären, wenn eben dieses Recht bereits antizipiert in dem Vertrag über die Einführung der Sprache übertragen wurde. Dann hätte mit diesem Ur-Vertrag jeder Mensch jedem anderen Menschen sämtliche bestehenden und zukünftigen Rechte jeweils unter der aufschiebenden Bedingung eines objektiv dahingehend zu verstehenden Erklärungszeichens übertragen. Dieser Gedankengang scheint allerdings deutlich zu komplex, als dass er stillschweigend in De  Iure Belli ac ­Pacis vorausgesetzt sein könnte. Eine weitere Erklärung könnte darin liegen, dass diese »Vermutung« letztlich nur Situationen beschreibt, in denen ein deliktischer Anspruch gegen den Erklärenden entsteht  : Die auch für die Scheinerklärung kennzeichnende Diskrepanz zwischen dem objektiv erklärten und dem tatsächlichen Willen behandelt Grotius im Rahmen des Irrtums.1721 Ein in dem Vertrauen auf einen tatsächlich nicht vorliegenden Umstand abgegebenes Versprechen ist demnach unwirksam, weil die Zustimmung des Versprechenden unter einer Bedingung stehe, die nicht eingetreten sei.1722 Soweit der Versprechende diesen Umstand allerdings fahrlässig verkannt hat, muss er nach den Regeln des Deliktsrechts Ersatz leisten.1723 Dann aber kann eine Scheinerklärung erst recht kein wirksames promissum darstellen, denn insoweit stand der Willensentschluss nicht nur unter einer nicht eingetretenen Bedingung, sondern lag nie (und sei es nur bedingt) vor.1724 Analog 1721 Diesen Zusammenhang sieht auch Diesselhorst, Grotius, S. 78 f., 96. 1722 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VI 2  : […] ut si lex fundetur in praesumtione aliqua facti, quod factum revera ita se non habeat, tunc ea lex non obliget, quia veritate facti deficiente deficit totum legis fundamentum. […] Similiter ergo dicemus, si promissio fundata sit in praesumtione quadam facti quod non ita se habeat, naturaliter nullam eius esse vim  : quia omnino promissor non consensit in promissum, nisi sub quadam conditione quae reipsa non exstitit […] [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. dazu Decock, Contract Law, S. 323  ; Diesselhorst, Grotius, S. 91–93  ; Gordley, Philosophical Origins, S. 90 f.; Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 175–177. Die Analogie zwischen Erklärung und Gesetz findet sich in diesem Kontext schon bei Sánchez, vgl. Decock, Contract Law, S. 194. 1723 Grotius, IBP, lib. II cap. XI § VI 3  : Quod si promissor negligens fuit in re exploranda, aut in sensu suo exprimendo, et damnum inde alter passus sit, tenebitur id resarcire promissor, non ex vi promissionis, sed ex damno per culpam dato, de quo capite infra agemus […] [Hervorh. d. Verf.]  ; vgl. dazu Astorri, Contract and Treaties, S. 519  ; Decock, Contract Law, S. 324  ; Diesselhorst, Grotius, S. 96 f.; Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 178. Grotius’ Verweis (de quo capite infra agemus) gilt Kapitel 17, De damno per iniuriam dato, et obligatione quae inde oritur, in dem er sein naturrechtliches Deliktsrecht entwirft. 1724 Dies sieht auch Luig, Auslegung, S.  142, der daraus jedoch auf eine Unanwendbarkeit der Irrtums­regeln im Anwendungsbereich der Auslegung schließen will, was schon deshalb fragwürdig ist, da jedes Erklärungszeichen auslegungsbedürftig ist und die Irrtumsregeln damit n i e anwendbar wären.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 375

zur Irrtumskonstellation haftet der Erklärende jedoch, soweit er fahrlässig verkannt hat, dass sein Verhalten objektiv als sicheres Zeichen dafür erscheint, einem anderen ein Recht übertragen zu wollen.1725 Letztlich entspräche dies der unter spätscholastischen Autoren wohl überwiegenden Ansicht, wonach Scheinerklärungen mangels Bindungswillen keine verbindlichen Versprechen darstellen, aber zu deliktischen Ansprüchen (bis hin zur Naturalerfüllung) führen können1726. Im Ergebnis spricht daher einiges dafür, in der Scheinerklärung lediglich ein kommunikationstheoretisches Problem zu sehen, dass die willenstheoretische Fundierung der Verbindlichkeit von Versprechen nicht beeinträchtigt.1727 Im Grunde bleiben derartige Erklärungsansätze aber spekulativ. Im Fall der Scheinerklärung kollidieren zwei fundamentale Prinzipien von Grotius’ Naturrechtsentwurf  : die aus der Sozialität des Menschen folgende Erforderlichkeit verlässlicher Zeichen und das aus dem dominium actionum suarum entwickelte und damit allein an den (tatsächlichen) Willen anknüpfende Verständnis vertrag­ licher Bindung als Übertragung subjektiver Rechte.

VIII. Schlussbetrachtung De  Iure Belli ac Pacis bildet einen bemerkenswerten Endpunkt dieser Untersuchung. Viele der in früheren Werken einzeln beobachteten Argumentationslinien

1725 Fraglich bleibt, ob der Vergleich zwischen der ohne Bindungswillen abgegebenen Erklärung und dem Irrtum auch für den Haftungsumfang trägt. In dem ersten Fall muss der Erklärende für den objektiven Erklärungsgehalt, mit anderen Worten das positive Interesse, einstehen. Demgegenüber werden die Ausführungen zum fahrlässigen Irrtum (damnum inde alter passus sit, tenebitur id resarcire promissor  ; vgl. Fn. 1723) zumindest von Hägerström, bindende Kraft, S. 76, als Haftung auf das negative Interesse verstanden. Aus heutiger Sicht ist dies naheliegend. Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass sich Grotius darüber nähere Gedanken gemacht hat. Bereits die Einführung des Schadensersatzanspruchs gegen den Irrenden stellt in der Geschichte des Irrtumsrechts einen »vollkommen neuen Gedanken« dar, vgl. Schermaier, wesentlicher Irrtum, S. 178. Ob Grotius insoweit für das Problem des Haftungsumfangs sensibilisiert war, mag daher bezweifelt werden. Jedenfalls äußert er sich weder an dieser Stelle noch in dem in Bezug genommenen Kapitel 17 zur näheren Bestimmung des durch eine Scheinerklärung oder ein unwirksames Versprechen verursachten Schadens. 1726 Vgl. dazu Fn. 1712 sowie im Detail Böttcher, Mentalreservation, S. 152, 154, 164–167, 173  ; Decock, Contract Law, S. 192–195. 1727 Ähnlich auch Ertz, Vertrag und Gesetz, S. 96 f., 103  ; Hägerström, bindende Kraft, S. 69, 74  ; Schermaier, ZEuP 6,1 (1998), S. 75  ; ferner Böttcher, Mentalreservation, S. 194 f.; dagegen aber Luig, Auslegung, S. 134 f., 142.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

376 | 

Achtes Kapitel

führen hier zusammen. Die zuvor dominanten Begründungsansätze der iustitia und der fides sind indessen weitgehend aus der Vertragslehre verschwunden. Die in den Kapiteln 11–16 des zweiten Buches entwickelte Vertragslehre kennt mehrere grundlegende Institute. So ist jeweils ein Kapitel dem promissum, con­ tractus und iusiurandum gewidmet. Das Verhältnis dieser Institute, insbesondere promissum und contractus, wurde in der Literatur nur selten näher untersucht. Promissa umfassen dabei – sowohl rein begünstigende als auch gegenseitige – zukunftsbezogene, nicht aber sofort vollzogene Leistungen. Contractus umfassen hingegen – sowohl sofort vollzogene als auch zukünftige – zumindest teilweise gegenseitige, nicht aber rein begünstigende Leistungen. Iuraiuranda dienen der Bestärkung anderer, bereits für sich genommen verbindlicher Erklärungen. Den Kern der Vertragslehre bildet das promissum. Das entsprechende Kapitel beginnt mit einer (wie schon im Brief vom 28.02.‌1616) gegen Connan gerichteten Verteidigung der naturrechtlichen Verbindlichkeit sämtlicher, auch einseitig verpflichtender Abreden. Hierzu führt Grotius zunächst drei Sachargumente und mehrere aus De Iure Praedae übernommene juristische und literarische Quellen an. Daran schließt sich »zum besseren Verständnis« eine an die Unterscheidung zwischen belofte und toezegging in der Inleidinge erinnernde Abgrenzung verschiedener Stufen über Zukünftiges zu sprechen (gradus loquendi de rebus futuris) an. Erklärt der Sprechende, sich für die Zukunft festlegen zu wollen, begründet dies eine Pflicht. Der Adressat wird jedoch nur berechtigt, soweit der Sprechende darüber hinaus einen auf die Übertragung eines subjektiven Rechts gerichteten Willen äußert (und der Adressat das Versprechen anschließend annimmt). In dieses Verständnis bindet Grotius schließlich auch die Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen und gemeinen Recht ein. Demnach habe das römische Recht durch Einführung der Stipulation in zulässiger Weise konkretisiert, in welcher Form dieser Wille zur Übertragung eines subjektiven Rechts geäußert werden kann. Auf diese Weise gelingt es Grotius, die Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen Recht zumindest implizit in einen Beleg für seine zuvor entwickelten naturrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen von promissa, namentlich die Kundgabe des Rechtsübertragungswillens mittels »sicherer Zeichen«, zu verwandeln. Auch dieser Gedankengang erinnert, wie bereits Barbeyrac bemerkt hat, an den Brief vom 28.02.‌1616, wenngleich er in De Iure Belli ac Pacis vergleichsweise knapp dargestellt wird. Zuvor führt Grotius zudem noch die anhand des Alten und Neuen Bundes belegte Versprechenstreue Gottes und weitere literarische Quellen für die naturrechtliche Verbindlichkeit sämtlicher Abreden an. Diese theologische Begründung findet sich erstmals im Brief vom 28.02.‌1616. Sowohl dort als auch

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Schlussbetrachtung 

| 377

in De Iure Belli ac Pacis folgt sie unmittelbar auf die Konstruktion des Versprechens als Übertragung (eines Teils) der Entscheidungsfreiheit und dient insofern möglicherweise auch dazu, die Abhängigkeit von dem (theologisch und politisch heiklen) Axiom menschlicher Willensfreiheit zu kaschieren. Berücksichtigt man die methodischen Ausführungen über den deduktiven Beweis und den empirischen Beweis, kommen als vorzugswürdige deduktive Beweise allein die Sachargumente und die Abgrenzung der verschiedenen Stufen über Zukünftiges zu sprechen (gradus loquendi de rebus futuris) in Betracht. Die Begründung aus der Versprechenstreue Gottes vermag allenfalls die Verpflichtung des Schuldners, nicht aber die Berechtigung des Gläubigers zu erklären, während die Vielzahl an juristischen und literarischen Quellen nur einen empirischen Beweis darstellen kann. Die gemeinsame Basis der deduktiven Beweise bildet indessen die Idee der E n t s c h e i d u n g s f r e i h e i t a l s e i g e n t u m s g l e i c h z u ü b e r t r a g e n d e m R e c h t . In De Iure Belli ac Pacis scheint Grotius diese aus einer Umkehr des Gedankens des dominium actionum suarum entwickelte Konstruktion dabei nicht mehr für erörterungsbedürftig zu halten. Zwar bemüht er wiederholt die Analogie zwischen dominium und Entscheidungsfreiheit, doch fehlt (anders als in früheren Werken) eine zusammenhängende Erörterung oder ausdrückliche Bezüge auf den hinter dieser Idee stehenden gemeinrechtlichen und spätscholastischen Diskurs. Insofern muss es nicht überraschen, dass die Hintergründe der Idee der Rechtsübertragung in De  Iure Belli ac Pacis bisher nicht ausreichend gewürdigt wurden, da sie bei einer isolierten Betrachtung des Werkes weitgehend verborgen bleiben. Besonders deutlich tritt die darin liegende Rückführung auf den Willen des Erklärenden als einziges Zurechnungskriterium in dem willensfokussierten Resümee der Ausführungen über die naturrechtliche Verbindlichkeit der promissa hervor (§ IV 3), bevor Grotius im weiteren Verlauf des Kapitels De Promissis zur Erörterung einzelner Wirksamkeitsvoraussetzungen und -hindernisse übergeht. Dies steht allerdings in einem gewissen Konflikt zu der für ein soziales ­Zusammenleben notwendigen Zuverlässigkeit der Erklärungszeichen für den Adressaten. So wiederholt Grotius mehrfach, der durch Auslegung ermittelte ­Erklärungsinhalt werde gegenüber dem Erklärenden unstreitig für wahr ­gehalten. Gleichzeitig betont er aber die essenzielle Bedeutung des Willens für jede Rechtsübertragung. Dass insofern kein hypothetischer, sondern der tatsächliche Wille gemeint ist, zeigt sich exemplarisch im Irrtumsrecht. Danach führt jeder ­(kausale) Irrtum zur Unwirksamkeit des Versprechens, wenngleich der ­Erklärende bei Fahrlässigkeit haftet.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung

I. Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit Die A u s t a u s c h g e r e c h t i g k e i t (iustitia, iustitia compensatrix, iustitia expletrix bzw. der Ausgleich von onevenheid), die Tr e u e z u m g e g e b e n e n Wo r t (fides, fidelitas bzw. trouw-schuld) und der Gedanke eines s­ u b j e k t i v e n R e c h t s a n z u k ü n f t i g e n H a n d l u n g e n (libertas, ius in actiones, d ­ ominium actionum suarum, potestas bzw. vrije macht over sijne daden) bilden die ­zentralen Legitimationsansätze in den verschiedenen Vertragslehren von Grotius. ­Dabei unterliegen alle drei Konzepte zwischen den einzelnen Werken deutlichen ­Veränderungen. In dem ersten untersuchten Werk, Parallelon Rerumpublicarum, erörtert ­Grotius Abreden aller Art ausschließlich anhand der fides. Ein abstraktes K ­ onzept findet sich dort allerdings nicht. Grotius behandelt vielmehr eine Vielzahl konkreter Verstöße, die sich grundsätzlich in zwei Kategorien unterscheiden lassen  : perfidia und dolus malus. Spiegelbildlich umfasst der fides-Begriff im Parallelon Rerumpublicarum einerseits die Vertragstreue im engeren Sinne und andererseits ein generelles Arglistverbot. Dabei betrachtet Grotius einzig den Schuldner. Rechte oder Interessen des Gläubigers erwähnt er nicht. Für Zwecke des Parallelon Rerumpublicarum sind diese von geringer Bedeutung, denn es geht ­Grotius nicht um Forderungsrechte oder die rechtmäßige Selbsthilfe des Gläubigers, ­sondern um eine charakterliche Bewertung des Schuldners bzw. ganzer Völker. Wenige Jahre später entwirft Grotius in De Iure Praedae (oder De Indis) ein vollkommen anderes Vertragskonzept. Einerseits geht es eindeutig um rechtliche Fragen und nicht lediglich um die Beurteilung der Tugendhaftigkeit einzelner Handlungen, Personen oder Völker. Andererseits begründet Grotius die Geltung von Abreden zweifach  : Aus der iustitia compensatrix folgt bei Erbringung einer vertraglichen Leistung ein Anspruch auf die Gegenleistung. Daneben steht die fides als weiterer Ursprung vertraglicher Verbindlichkeit (pactorum origo). Insbesondere die fides führt Grotius dabei auf den Gedanken des dominium actionum suarum – die Idee eines eigentumsgleichen Rechts an eigenen Handlungen – zurück, den er aber auch im Rahmen der iustitia compensatrix zur inhaltlichen Bestimmung der Verbindlichkeit heranzieht. Da iustitia und fides unterschiedliche Voraussetzungen haben, unterfallen nicht alle Abreden beiden Geltungsgründen. Ob der Gläubiger nur aus der iustitia compensatrix oder vielleicht auch aus der

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit 

| 379

fides berechtigt wird, bleibt letztlich unklar. Die Frage der Behandlung einseitig verpflichtender Abreden, die nicht der iustitia compensatrix unterliegen, stellt sich in diesem Werk nicht unmittelbar. In den Theses  LVI greift Grotius die Analogie zwischen dominium und ­libertas prominent auf und spricht insoweit einheitlich von einem ius in actiones et res (suas). Zudem differenziert er erstmals zwischen rein verpflichtenden ­Abreden und solchen, die zugleich ein subjektives Recht übertragen. Neben dieser mit der fides assoziierten Konstruktion gibt es in Gestalt der iustitia einen ­weiteren ­Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit. Einer Pflicht kraft iustitia ­entspricht stets ein korrespondierendes Forderungsrecht, einer Pflicht kraft fides indessen nur, soweit der Adressat zugestimmt hat. In dem B r i e f v o m 2 8 . 0 2 . ‌1 6 1 6 widmet sich Grotius anhand einer naturrechtlichen Betrachtung zur römisch-rechtlichen Stipulation erstmals dezidiert einseitigen Verträgen. Dies geschieht ausdrücklich in Auseinandersetzung mit der Position Connans. Hier tritt die iustitia vollkommen hinter die fides zurück. Zugleich erklärt Grotius, dass diese zwar in der Antike lediglich eine moralische Wirkung entfaltet habe, sie in seiner Zeit jedoch rechtlich durchsetzbar sein müsse (ita ut ingrati quoque ferme crederem actiones constituendas). Inhaltlich baut er dabei auf dem aus De Iure Praedae und den Theses LVI übernommenen Gedanken des dominium actionum suarum und der darin liegenden Analogie zwischen dominium und Willensfreiheit auf, um daraus zu schließen, dass beide unter denselben Voraussetzungen übertragbar seien. Erstmals führt er hier auch die mit mehreren Bibelversen zum Alten und Neuen Bund belegte Versprechens­ treue Gottes und die Gotteskindschaft des Menschen an. Schließlich diskutiert er, wie die Unverbindlichkeit der pacta nuda nach römischem Recht mit der natur­rechtlichen Verbindlichkeit sämtlicher Versprechen vereinbar sei. Zu diesem Zweck erklärt er, wohl in Anlehnung an spätscholastische Diskurse, Form­erfordernisse des positiven Rechts zu Konkretisierungen naturrechtlicher ­Voraussetzungen – was bei Vorliegen vernünftiger Gründe zulässig sei. In der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid entwirft Grotius in Weiterentwicklung der Konstruktionen aus den Theses LVI und dem Brief vom 28.02.‌1616 eine umfassende Versprechenslehre. Er unterscheidet zwischen der bloßen Pflicht zu wahrheitsgemäßen Aussagen, dem verpflichtenden Versprechen (belofte oder pollicitatio) und dem Versprechen, das ein subjektives Recht überträgt (toezegging bzw. promissio). Entscheidend sei der Wille des Versprechenden, wobei die toezegging für ihre Wirksamkeit zudem einer Annahme durch den Adressaten bedarf. In diesem Kontext bemüht er erneut die Analogie zwischen dominium und libertas und spricht von der Übertragung der Hand-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

380 | 

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung

lungsfreiheit (vrije macht over sijne daden). Damit ist der sich seit De Iure Praedae an dem Gedanken des dominium actionum suarum abspielende Prozess der zunehmenden Ve r r e c h t l i c h u n g d e r W i l l e n s f r e i h e i t abgeschlossen. Den Gedanken der Treue zum gegebenen Wort (fides bzw. trouw-schuld) verbindet er, anders als in den Theses LVI und dem Brief vom 28.02.‌1616, nicht länger mit einer Rechtsübertragung, sondern bezeichnet damit gerade die aus einer belofte entstehende Pflicht ohne korrespondierendes Forderungsrecht. Daneben greift er unter dem Begriff der onevenheid auch die ausgleichende Gerechtigkeit wieder auf, grenzt diese jedoch stärker von der Idee der Freiheitsübertragung und der Treue zum gegebenen Wort (fides bzw. trouw-schuld) ab, indem er sie eindeutig auf Fälle einer bereits erbrachten Leistung durch den Gläubiger in g­ egenseitigen Verträgen reduziert. In De  Iure Belli ac Pacis integriert er die weitgehend aus der Inleidinge übernommene Versprechenslehre in den generellen Gedankengang aus dem Brief vom 28.02.‌1616 und garniert dies mit weiteren, teils aus De Iure Praedae oder De Satisfactione bekannten, teils neuen Belegen für einen consensus omnium  : Einleitend wendet er sich zunächst gegen die Ansicht Connans zur Unverbindlichkeit einseitig verpflichtender Versprechen. Daran schließt sich die Differenzierung zwischen der wahrheitsgemäßen Aussage (assertio), dem verpflichtenden Versprechen (pollicitatio) und dem darüber hinaus auch ein subjektives Recht übertragenden Versprechen (promissum) an. Darauf folgt die Allegorie auf die dem Alten und Neuen Bund entnommene Versprechenstreue Gottes und die Auseinandersetzung mit der Unverbindlichkeit der pacta nuda im römischen Recht. Der Begriff der fides taucht in De Iure Belli ac Pacis nur jenseits der zentralen Kapitel der Versprechenslehre auf – und dann nur als Synonym für die Versprechensbindung an sich. Zudem findet sich auch hier mit der iustitia expletrix ein paralleles Vertragsschema, das durch den Versuch, dieses mit Begriffen des römischen Rechts zu erläutern, verkompliziert wird. Im Gegensatz zu früheren Werken ist die Gerechtigkeit in De Iure Belli ac Pacis jedoch allein für spezielle Ausgleichsansprüche von Bedeutung, aber nicht länger für die vertraglichen (Primär-)‌Leistungspflichten. Die werkübergreifende Entwicklung lässt sich dabei – auch unter Berücksichtigung der theologischen Werke und vor dem Hintergrund der biographischen Ereignisse – grob in vier Phasen unterscheiden. (1) Das Parallelon Rerumpublica­ rum, (2) die etwa von 1603–1612 entstandenen Werke (De Iure Praedae, Meletius und Ordinum Pietas), (3)  die etwa von 1612–1618 entstandenen Werke ­(Theses  LVI, der Brief vom 28.02.‌ 1616, De  Satisfactione und De  ­Imperio ­Summarum Potestatum circa Sacra) sowie (4) die ab 1618 entstandenen Werke (Inleidinge und De Iure Belli ac Pacis).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit 

| 381

In der ersten Phase gilt Grotius’ Interesse ausschließlich einer moralischen ­ ewertung des Charakters und der Handlungen des Schuldners. Der Gläubiger B ist auf die Rolle des Opfers reduziert und dient einzig dazu, die verwerflichen oder lobenswerten Handlungen des Schuldners zu illustrieren. In der zweiten Phase verlagert sich der Fokus – nach dem von der Vereinigden Oostindischen Compagnie erhaltenen Auftrag über die Anfertigung eines Gutachtens zur Rechtmäßigkeit der Kaperung der Santa Catharina  – auf etwaige Rechte des Gläubigers. Diese begründet Grotius zunächst primär aus der Austauschgerechtigkeit. In diesem Zusammenhang nutzt er aber auch die (auf der menschlichen Willensfreiheit beruhende) Idee des dominium actionum ­suarum. Unabhängig davon positioniert er sich in theologischen Schriften auch im ­Prädestinationsstreit zugunsten der Willensfreiheit des Menschen. In der dritten Phase kaschiert er – wohl aufgrund der Zuspitzung des Prädes­ tinationsstreits in den Niederlanden und der Kritik an seiner eigenen Position in Ordinum Pietas – zunehmend die Bedeutung der Willensfreiheit. Im ­Kontext einseitiger Verträge kann er nicht länger auf die Austauschgerechtigkeit als ­Begründung der Verbindlichkeit zurückgreifen. Stattdessen assoziiert er den ­Gedanken der Rechtsübertragung zunehmend mit der fides und zieht diese auch zur Begründung der Rechte des Gläubigers heran. Die vierte Phase – nach seiner Verurteilung und Inhaftierung auf Schloss Loevestein – kennzeichnet sich schließlich durch eine Neukonstruktion der Rechtsübertragung. Zentrale Bedeutung gewinnt die Unterscheidung der verschiedenen Arten, über zukünftige Handlungen zu sprechen. Der Gedanke der fides wird hingegen wieder auf die Verpflichtung des Schuldners begrenzt und nicht länger zur Begründung der Rechte des Gläubigers herangezogen. Auch die Austauschgerechtigkeit tritt – in De Iure Belli ac Pacis – in den Hintergrund und wird nur noch für besondere Ausgleichspflichten herangezogen. Ungeachtet der wesentlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Werken zeichnet sich damit eine Tendenz ab. Obwohl Grotius mit den einzelnen Werken teils sehr unterschiedliche Ziele verfolgt, sie auf Grundlage stark unterschiedlicher Literaturkenntnisse verfasst und die Werke unterschiedlichste Entstehungsgeschichten aufweisen, entwickelt er die Konzepte der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Treue zum gegebenen Wort kontinuierlich weiter. Beide werden jedoch durch die zunehmend eigenständige Idee des dominium actionum suarum, also die Analogie zwischen dominium und libertas, und der daraus entwickelten Konstruktion der Übertragung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit verdrängt. Zusammen mit den in mehreren Schriften wiederholten methodischen Bekenntnissen zum deduktiven Naturrechtsbeweis spricht dies dafür, dass die

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

382 | 

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung

Bedeutung der übrigen, nur in einzelnen Schriften bemühten Begründungen nicht überschätzt werden sollte, unabhängig davon, ob es sich dabei um juris­ tische, philosophische, literarische oder theologische Argumente oder Autori­ täten handelt.

II. Grotius’ Methode Hugo Grotius war eine komplexe Person. Als glühender Patriot stieg er zu einem der einflussreichsten Beamten der Niederlande auf, um dann einen Großteil seines Lebens im Exil und schließlich in den Diensten Schwedens zu verbringen. Er erdachte ein für Staaten verbindliches Völkerrecht, musste in seiner Tätigkeit als Diplomat aber mit Personen wie Richelieu interagieren, die dieser Idee und darauf basierenden Argumenten grundsätzlich ablehnend gegenüberstanden1728. Seine humanistische Bildung tritt durch die beispiellose Fülle an antiken Belegen hervor, doch war er mit der juristischen und theologischen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht minder vertraut. Als praktizierender Anwalt vor dem obersten Gericht der Niederlande griff er vor allem auf die Schriften und Argumentationsmuster der Postglossatoren zurück. In den hier untersuchten Werken entwarf er hingegen ein vom gemeinen Recht unabhängiges Naturrechtssystem und verfasste schließlich auch einen rein humanistischen Kommentar zum Corpus Iuris Civilis. Grotius war überzeugter Arminianer, der sich in den Jahren des calvinistischen Schismas in den Niederlanden in der Öffentlichkeit lange Zeit bewusst neutral verhielt, aber zugleich in geheimer Mission im Ausland (erfolglos) um militärische Unterstützung für die Arminianer warb. Zugleich war er aber auch überzeugter Ireniker, der sich zunächst nachdrücklich für eine Vereinigung der Christenheit und später zumindest des Protestantismus einsetzte. Insofern überrascht es nicht, dass er seine Argumente häufig an den Adressatenkreis anpasst.1729 Besonders deutlich wird dies etwa in der Verteidigungs1728 Vgl. nur Grotius’ Bericht über sein erstes Zusammentreffen mit Richelieu, bei dem dieser bekundet habe, dass der Schwächere in Angelegenheiten des Staates immer im Unrecht sei  ; vgl. Grotius, BW, II, S. 448 (num. 974)  ; sowie dazu van Eysinga, Grotius, S. 116  ; Nellen, Grotius, S. 328 f.; Schnepf, ZNR 20 (1998), S. 5  ; Tuck, Grotiana 4 (1983), S. 47  ; Ders., Philosophy, S. 191. 1729 Ähnlich schon Hölzel, Grundlagen, S. 9  : »Er ist in seiner Argumentation äußerst flexibel. Stets kommt es ihm darauf an, wie er ein für seinen jeweiligen Partner überzeugendes Argument finden könne. Seinem um Ausgleich bemühten Charakter entsprechend vermeidet er dabei alle extremen Thesen«.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Grotius’ Methode 

| 383

schrift zu Mare Liberum –  Defensio Capitis Quinti Maris Liberi oppugnati a ­Guilielmo Welwodo – in der Grotius ausdrücklich erklärt, die Spanier nicht nur mit überzeugenden Argumenten, sondern auch unter Berufung auf ihre eigenen Autoritäten schlagen zu wollen.1730 Zwar fehlen derart ausdrückliche Erklärungen in den untersuchten Werken, doch tritt diese Vorgehensweise auch dort hervor  : So hat der Vergleich der untersuchten Werke gezeigt, dass Grotius einen Großteil seiner Argumente immer wieder übernimmt. Einzelne Argumente wandelt er ab oder tauscht sie durch neue Argumente aus. Wenngleich dies (wie etwa im Fall der Inleidinge) sicherlich auch durch den zum Teil begrenzten Zugriff auf frühere Werke bedingt gewesen sein dürfte, scheint es in einem Zusammenhang mit den jeweiligen (intendierten) Adressaten oder dem sonstigen Kontext des Werkes zu stehen. Erst in De Iure Belli ac Pacis fügt er nahezu sämtliche in früheren Werken vorgebrachte Argumente zu einer (nicht immer nahtlos ineinandergreifenden) Einheit zusammen. Im Vergleich zu den früheren Werken scheint der Fokus dabei nicht mehr auf einem konkreten Adressatenkreis zu liegen. Stattdessen bietet die Fülle der Argumente in De Iure Belli ac Pacis für ganz unterschiedliche Adressaten einzelne – diese ansprechende – Argumente. Es wäre aber verfehlt, aus diesen Beobachtungen zu Grotius’ Darstellungsweise unreflektiert Rückschlüsse auf seinen Erkenntnisprozess zu ziehen. Gerade die erwähnte Aussage in der Verteidigungsschrift zu Mare Liberum verdeutlicht, dass er in vollem Bewusstsein Argumente vorträgt, die er selbst nicht notwendigerweise für überzeugend hält, solange sie nur seine Adressaten zu überzeugen vermögen. Die durch die erhaltenen Handschriften gewährten Einblicke in verschiedene Bearbeitungsstadien bestätigen zudem Grotius’ wiederholte Aussagen, wonach zuerst ein deduktiver Beweis aus Axiomen erfolgen müsse und der Rückgriff auf Autoritäten lediglich der Bestätigung diene. Aus der überwältigenden Fülle an historischen Beispielen und literarischen Quellen in seinen Hauptwerken wurde oft geschlossen, dass darin (entgegen seiner eigenen Aussagen) der eigentliche Schwerpunkt in Grotius’ Argumentation liege. Indessen belegen sowohl die untersuchten Handschriften von De Iure Praedae und den Theses LVI als auch die überarbeiteten Ausgaben von De Iure Belli ac Pacis aus den Jahren 1631 und 1642 eindrucksvoll, dass er seine Gedanken zunächst deduktiv entwickelt und anschließend in mehreren Überarbeitungen Beispiele, Zitate, Paraphrasen und Verweise ergänzt.1731 1730 Vgl. Fn. 592. 1731 So bereits (für De Iure Praedae und De Iure Belli ac Pacis) zu Recht Tuck, Philosophy, S. 171  ;

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

384 | 

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung

Grotius’ eigenes Verständnis einer Thematik zu ergründen, setzt also eine Differenzierung zwischen denjenigen Argumenten voraus, die seinen Gedankengang inhaltlich tragen, und jenen, die er lediglich aufgrund ihrer erwarteten Überzeugungskraft für die intendierten Adressaten zur Bekräftigung ergänzt. Dass eine derartige Differenzierung in der bisherigen Literatur regelmäßig nicht vorgenommen wurde, mag erklären, warum Grotius’ Argumentationsmuster im Detail teilweise für widersprüchlich befunden wurden. Eine derartige Gewichtung der einzelnen Argumente muss zu einem g­ ewissen Teil immer Spekulation bleiben. Zumindest für den Bereich des Geltungs­grundes vertraglicher Verbindlichkeit hat diese Untersuchung jedoch gezeigt, dass G ­ rotius’ eigene Aussagen zu seiner Methodik für eine Differenzierung einen tragfähigen Anhaltspunkt liefern können. Keine Bestätigung finden kann schließlich die in der Literatur verbreitete Ansicht, Grotius habe diese theoretischen Ausführungen zu seiner Methodik praktisch nicht oder nur inkonsequent umgesetzt. Diese Untersuchung hat vielmehr gezeigt, dass Grotius – zumindest im Bereich des Geltungsgrundes vertraglicher Verbindlichkeit – stets die beiden Kategorien des deduktiven Beweises und des Indizienbeweises nutzt, wobei er ersteren grundsätzlich bevorzugt und letzteren stets auf einen breiten Konsens möglichst heterogener Quellen stützt.

III. Grotius’ Verhältnis zur Spätscholastik Der Einfluss der Spätscholastik auf Grotius stand ausdrücklich nicht im Fokus dieser Untersuchung. Dennoch ist deutlich geworden, dass Grotius immer wieder auf spätscholastische Positionen reagiert oder spätscholastische Argumente adaptiert. Für den Einfluss von Molinas und Lessius’ Lehren zum Schenkungsversprechen haben dies bereits Diesselhorst, Gordley und Decock gezeigt. Andere Aspekte sind für Grotius’ Vertragsverständnis aber mindestens ebenso wichtig  : So ist etwa sein – für die Versprechenslehre auch formell prägendes – dreistufiges Pflicht- bzw. Verbindlichkeitsverständnis der naturalis obligatio per abusionem, der naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri non oriatur und der naturalis obligatio magis proprie inde ius alteri oriatur eindeutig scholastisch beeinflusst. Vor allem aber entnimmt Grotius mit der auch als dominium actionum suarum ferner (für das Selbstverteidigungsrecht in De Iure Belli ac Pacis) Straumann, Grotius, S. 167  ; Ders., Roman Law, S. 173.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Zusammenfassung 

| 385

verkürzten Analogie zwischen einem Recht an eigenen Handlungen und dominium an Sachen einerseits und der Deutung positivrechtlicher Formerfordernisse als auch naturrechtlich relevante Verfügungsverbote andererseits zwei für seine Vertragslehren fundamentale Gedanken dem spätscholastischen Sachenrecht. Neu ist die Übertragung dieser Gedanken in die Sphäre des Vertragsrechts. Dadurch gelingt es Grotius erstmals, eine Grundlage des Vertragsrechts zu konstruieren, die sowohl von den römischen Quellen als auch einer Tugendlehre unabhängig ist. Diese Neukonstruktion erlaubt ihm eine unmittelbare Anwendung naturrechtlicher Regeln, unabhängig von einer gemeinsamen moraltheologischen Basis der Akteure. Zu diesem Zweck bemüht er sich zudem, die Bedeutung der theologisch angreifbaren Grundannahme menschlicher Willensfreiheit durch eine Vielzahl weiterer Hilfsargumente zu verdecken. Erst dadurch konnte sein Gesellschaftsvertrags- und Völkerrechtsverständnis in der konfessionell gespaltenen Welt des 17. und 18. Jahrhunderts allgemeine Akzeptanz finden.

IV. Zusammenfassung Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich zu den folgenden ­Thesen verdichten  : I. Es gibt nicht die Vertragstheorie oder die Versprechenslehre bei ­Grotius. Die Theorien zur Begründung der verbindlichen Wirkung von Vertrag und ­ Versprechen weisen in den sechs untersuchten Werken deutliche ­Unterschiede auf. II. Werkübergreifend lassen sich drei zentrale Begründungstopoi identifizieren  : (i)  die Treue zum gegebenen Wort (fides), (ii)  die Austauschgerechtigkeit (iustitia compensatrix  ; iustitia expletrix) und (iii)  die Idee eines subjektiven Rechts an zukünftigen Handlungen, das dem Eigentum ähnlich ist und ebenso übertragen werden kann. Diese Argumentationsmuster entwickelt Grotius von Werk zu Werk weiter. III. Die Treue zum gegebenen Wort (fides) etabliert Grotius in Parallelon Rerum­ publicarum zunächst als Ausprägung des allgemeinen Arglistverbots und leitet sie in De Iure Praedae zudem aus der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ab. Mit ihrer Hilfe kann er die Bindung des Schuldners erklären, aber nicht schlüssig eine Berechtigung des Gläubigers herleiten. In den Theses  LVI und dem Brief vom 28.02.‌1616 zieht Grotius die Treue zum gegebenen Wort zwar auch für die Berechtigung des Gläubigers

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

386 | 

Eine werkübergreifende Schlussbetrachtung

heran, ­assoziiert sie dort aber mit der Idee einer Rechtsübertragung. In den Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid unterscheidet er beide Konzepte wieder deutlicher und spricht der Treue zum gegebenen Wort eine anspruchsbegründende Wirkung ausdrücklich ab. In De Iure Belli ac Pacis findet sie schließlich kaum mehr Erwähnung. IV. Über den Gedanken der Austauschgerechtigkeit (iustitia compensatrix  ; iustitia expletrix) kann Grotius in De Iure Praedae und den Theses LVI sowohl die Bindung des Schuldners als auch die Berechtigung des Gläubigers erklären. Dieser Begründungstopos versagt allerdings bei einseitigen Leistungsversprechen, mit denen sich Grotius erstmals ausführlich in dem Brief vom 28.02.1616 beschäftigt und auf deren Verbindlichkeit er in seinem Naturrechtssystem nicht verzichten kann oder will. In den entwickelten Vertragslehren in der Inleidinge und in De Iure Belli ac Pacis tritt der Gedanke der Austauschgerechtigkeit daher in den Hintergrund. V. Die Idee eines eigentumsähnlichen Rechts an (der Entscheidungsfreiheit des Schuldners über die Vornahme oder Nichtvornahme) einer zukünftigen Handlung (ius in actiones  ; particula libertatis) nimmt von Werk zu Werk eine immer bedeutendere Stellung ein. In De Iure Praedae konstruiert Grotius zunächst einen einheitlichen Freiheitsbegriff aus statusrechtlichen und handlungstheoretischen Elementen. Hierbei lehnt er sich an die legistische und spätscholastische Dogmatik zum dominium an eigenen Handlungen an. Diese bemühte sich, das dominium an Sachen durch einen Vergleich mit der natürlichen Herrschaft über eigene Handlungen theologisch zu rechtfertigen und juristisch auszuformen. Grotius kehrt diese Analogie um und schließt vielmehr von dem als unproblematisch empfundenen Sacheigentum auf ein vergleichbares Recht an Handlungen. In den Theses LVI und dem Brief vom 28.02.‌1616 assoziiert er den Gedanken einer Rechtsübertragung weitgehend mit der Treue zum gegebenen Wort. Erst in den entwickelten Vertragslehren der Inleidinge und De  Iure Belli ac Pacis tritt dieses Verständnis als dominantes Begründungsprinzip in den Vordergrund und verdrängt die beiden anderen Ansätze weitgehend. Dort konstruiert Grotius das verbindliche Versprechen, in Anlehnung an die Übereignung, ausdrücklich als Übertragung der Handlungsfreiheit. Gleichzeitig nimmt der Begründungsaufwand für die Idee selbst stetig ab. Um sie zu verstehen, sind daher die früheren Werke und das Verhältnis zu den anderen Begründungsansätzen essenziell. VI. Neben diesen tragenden Begründungstopoi führt Grotius weitere Allegorien, Zitate und Paraphrasen an. Diese können durchaus auch die Gestalt inhaltlicher Argumente annehmen, wie etwa die Hinweise auf die Verspre-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Zusammenfassung 

| 387

chenstreue Gottes im Alten und Neuen Bund oder die Verbreitung stipulationsähnlicher Abreden bei anderen Völkern. Allerdings geht es Grotius dabei weder um die Autorität einzelner Autoren noch die inhaltliche Validität des konkreten Gedankens, sondern vielmehr um den Nachweis der epochen-, schulen- und völkerübergreifenden Akzeptanz der Verbindlichkeit von ­Verträgen und Versprechen. VII. Dieses Vorgehen entspricht sowohl seinen allgemeinen methodischen Erwägungen als auch seinem Schreibprozess. Naturrechtliche Normen begründet Grotius werkübergreifend durch deduktive oder logisch-konstruktive Herleitung aus höheren Prinzipien (der Beweis »a  priori«) und sichert sie im Wege eines, erst in späteren Arbeitsschritten ausgeformten, Indizien­beweises durch Nachweis einer breiten Übereinstimmung möglichst heterogener Quellen ab (der Beweis »a posteriori«). Letzteres mag auch dazu dienen, jene Adressaten zu überzeugen, die die Prämissen seiner deduktiven oder logisch-konstruktiven Argumentation nicht teilen. Eine tragende Funktion in Grotius’ Naturrechtssystem kommt diesen Argumenten a posteriori allerdings nicht zu. Grotius gilt heute allgemein als wesentlicher Vertreter, wenn nicht gar Begründer der Rechtsübertragungs- oder Veräußerungstheorien zur Begründung ­vertraglicher Verbindlichkeit. Diese Untersuchung hat nachgezeichnet, wie er dazu wurde.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenverzeichnis

I. Grotius Soweit nicht ausdrücklich angegeben, wurden die folgenden Ausgaben verwendet. Numerische Angaben in eckigen Klammern beziehen sich auf Ter Meulen /  Diermanse, Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, Den Haag 1950. Für De Iure Belli ac Pacis wurden zur besseren Lesbarkeit sämtliche inhaltlichen Ergänzungen in späteren Ausgaben, durch Winkelklammern gekennzeichnet, in den Fließtext übernommen und die jeweilige Fußnote auf einen entsprechenden Hinweis reduziert – unabhängig davon, ob die Ergänzung ursprünglich von Grotius im Fließtext oder als Kapitel-Endnote hinzugefügt wurde1732. Gleichermaßen durch Winkelklammern gekennzeichnet wurden nachträgliche Ergänzungen in den Manuskripten von De Iure Praedae und den Theses LVI. Einige Quellen, wie Grotius’ Promotionsurkunde und einzelne Briefe, sind lediglich indirekt in der Sekundärliteratur überliefert. Obwohl die jeweils älteste Wiedergabe in der Sekundärliteratur insoweit wie eine Quelle verwendet wird, wird hier auf eine gesonderte Aufführung verzichtet und auf das Verzeichnis der Sekundärliteratur verwiesen. Dasselbe gilt auch für kommentierte oder übersetzte Ausgaben grotianischer Werke, die insoweit als Sekundärliteratur herangezogen werden. Die vorliegenden Übersetzungen aus dem Parallelon Rerumpublicarum, De Iure Praedae, den Theses LVI, dem Brief vom 28.02.‌1616, der Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid und De Iure Belli ac Pacis wurden vom Verfasser angefertigt. Sie können eine Lektüre der jeweils zitierten Originaltexte jedoch bestenfalls unterstützen, aber keinesfalls ersetzen. Adamus Exul Hugo Grotius, Sacra in quibus Adamus Exul Tragoedia aliorumque eiusdem generis carminum cumulus consecrata Franciae Principi, zit. nach De Dichtwerken van Hugo Grotius. Oorspronkelijke Dichtwerken. Eerste Deel A. Sacra in qvibvs Adamvs Exvl, Assen 1970. Seitenangaben in eckigen Klammern beziehen sich auf diese 1732 Dieser Unterschied scheint lediglich auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ergänzung zurückzugehen. In der Überarbeitung von 1631 nahm Grotius sämtliche Ergänzungen im Fließtext vor, in der Überarbeitung von 1642 hingegen durch Kapitel-Endnoten. Eine inhaltliche Relevanz dieses Unterschieds ist nicht erkennbar.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Grotius 

ANT

AVT

BW

DCQ

FSI

IBP

Inleidinge

| 389

Ausgabe, Seitenangaben ohne Klammern hingegen auf die dort abgedruckte Ausgabe von 1601. Hugo Grotius, Annotationes in Novum Testamentum, zit. nach Annotationes in Novum Testamentum. Denuo emendatius editae, Bd. 1–9, Groningen 1826–1834 [TMD, num. 1158]. Hugo Grotius, Annotata ad Vetus Testamentum, zit. nach Hugonis Grotii Annotata ad Vetus Testamentum, Bd. 1–3, Paris 1644 [TMD, num. 1137]. Briefwisseling van Hugo Grotius, hrsg. v. P.  C. Molhuysen, B.  L. Meulenbroek, P.  P. Witkam, H.  J.  M. Nellen und C.  M. Ridderikhoff, Bd. 1–17, Den Haag 1928–2001. Rijks Geschiedkundige Publicatiën, Grote serie, 64, 82, 105, 113, 119, 124, 130, 136, 142, 154, 179, 197, 213, 222, 238, 246 und 248 [TMD, num. 1212], online verfügbar unter  : http://Grotius.huygens.knaw.nl/years (letzter Aufruf am 04.01.2022). Hugo Grotius, Defensio capitis quinti Maris Liberi oppugnati a Guilielmo Welwodo, zit. nach Leiden, BPL  918  ; eventuell vorhandene Seitenangaben in eckigen Klammern beziehen sich auf die Ausgabe Muller, Samuel, Mare Clausum. Bijdrage tot de Geschiedenis der Rivaliteit van Engeland en Nederland in de Zeventiende Euew, Amsterdam 1872, S. 331–361 [TMD, num. 688]. Hugo Grotius, Florum sparsio ad ius Iustinianeum, zit. nach Hug. Grotii Florum sparsio ad ius Iustinianeum, Apud Iohannem Blaev, Amsterdam 1643 [TMD, num. 792]. Hugo Grotius, De Iure Belli ac Pacis libri tres, in quibus ius naturae et gentium item iuris publici praecipua explicantur, zit. nach Hugo Grotius. De Iure Belli ac Pacis libri tres, in quibus ius naturae et gentium item iuris publici praecipua explicantur, curavit B. J. A. de Kanter - van Hettinga Tromp, Leiden 1939, Nachdruck mit zusätzlichen Anmerkungen von Robert Feenstra und C.  E. Persenaire, Aalen 1993. Hugo Grotius, Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid, zit. nach Hugo de Groot. Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-­ Geleerdheid met de te Lund teruggevonden verbeteringen, aanvullingen en opmerkingen van den schrijver en met verwijzingen naar zijn andere geschriften uitgegeven en van aantekeningen en bij­ lagen voorzien door F. Dovring, H. F. W. D. Fischer, E. M. M ­ eijers, Leiden 1952 [TMD, num. 785].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

390 | 

Quellenverzeichnis

IPC

ISP

Meletius

ML

OP

PR

PSF

Hugo Grotius, De Iure Praedae Commentarius, zit. nach Leiden, BPL 917  ; eventuell vorhandene Seitenangaben in eckigen Klammern beziehen sich auf die Ausgabe H. G. Hamaker (ex auctoris codice descripsit et vulgavit), Hugonis Grotii De  jure p­ raedae ­commentarius, Den Haag 1868 [TMD, num. 684]. Hugo Grotius, De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra, zit. nach Hugo Grotius. De imperio summarum potestatum circa sacra. Critical Edition with Introduction, English Translation and Commentary by Harm-Jan van Dam, Leiden 2001. Hugo Grotius, Meletius sive de iis quae inter Christianos conveniunt epistola, zit. nach Hugo Grotius. Meletius sive de iis quae inter Christianos conveniunt epistola. Critical Edition with Translation, Commentary and Introduction by Guillaume H. M. Posthumus Meyjes, Leiden 1988. Hugo Grotius, Mare liberum sive De iure quod Batavis competit ad Indicana commercia dissertatio, zit. nach Hugo Grotius. Mare Liberum. 1609–2009. Original Latin Text (facsimile of the first edition, 1609) and Modern English Translation. Edited and Annotated by Robert Feenstra with a General Introduction by Jeroen Vervliet, Leiden 2009. Seitenangaben in eckigen Klammern beziehen sich auf diese Ausgabe, Folia- und Seitenangaben ohne Klammern hingegen auf die dort abgedruckte Ausgabe von 1609 [TMD, num. 541]. Hugo Grotius, Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas, zit. nach Hugo Grotius. Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas (1613). Critical Edition with English Translation and Commentary by Edwin Rabbie, Leiden 1995. Hugo Grotius, Parallelon Rerumpublicarum liber tertius, Kapitel 6, De fide et perfidia, zit. nach Eyffinger, Grotiana 36 (2015), S.  106–171, im Übrigen zit. nach Johan Meerman, Hugonis Grotii, Batavi, Parallelon Rerumpublicarum liber tertius  : De  moribus ingenioque populorum Atheniensium, Romanorum, Batavorum, Haarlem 1801–1803. Seitenangaben beziehen sich (mit Ausnahme des Kapitels De fide et perfidia) auf den ersten Band von 1801 [TMD, num. 750]. Hugo Grotius, Philosophorum sententiae de fato et de eo quod in nostra est potestate, Amsterdam 1648 [TMD, num. 523].

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Weitere Quellen 

SC

Theses LVI

| 391

Hugo Grotius, Defensio Fidei Catholicae de Satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem, zit. nach Hugo Grotius. Defensio Fidei Catholicae de Satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem. Edited, with an introduction and notes by Edwin Rabbie. With an English translation by Hotze Mulder, Assen 1990. Hugo Grotius, Theses LVI autographae sive Quaestiones de iure hominis in actiones et res suas, Leiden, BPL 922 I, Hugonis Grotii Collectanea autographa de Iure Publico, b, fol. 287r–292v.

II. Weitere Quellen Die antiken Quellen sind den maßgeblichen Ausgaben entnommen und werden hier nicht gesondert aufgeführt. Die Abkürzungen richten sich nach der Praxis des Thesaurus Linguae Latinae bzw. Der Neue Pauly. Band-, Seiten- und Spaltenangaben in eckigen Klammern beziehen sich jeweils auf die folgenden Ausgaben. Accursius, Glossa ordinaria zum Corpus Iuris Civilis, zit. nach Universi iuris civilis in quatuor tomos distributi corpus, Lyon 1593. Thomas Aquinas, Summa Theologiae, zit. nach Sancti Thomae Aquinatis Doctoris Angelici. Opera Omnia iussi impensaque Leonis XIII P. M. edita, Bd. 4–9, Rom 1888–1906. Baldus de Ubaldis, Super Tribus Libris Codicis, Lyon 1541. Baldus de Ubaldis, Super Quarto et Quinto Codicis, Lyon 1545. Baldus de Ubaldis, Super Sexto Codicis, Lyon 1532. Baldus de Ubaldis, Tomus Primus in Digestum vetus, Lyon 1549. Baldus de Ubaldis, Tomus Secundus in Digestum vetus, Lyon 1547. Bartolus a Saxoferrato, Omnia, quae extant, Opera, Bd. 1  : In Primam Digesti Veteris Partem, Venedig 1590. Bartolus a Saxoferrato, Omnia, quae extant, Opera, Bd. 5  : In Primam Digesti Novi Partem, Venedig 1590. Bartolus a Saxoferrato, Omnia, quae extant, Opera, Bd. 7  : Commentaria in Primam Codicis Partem, Venedig 1590. François de Connan, Commentariorum Iuris Civilis libri X. argumentis cum ante singulorum librorum capita  : tum cuiusque legis numero atque ordine in margine annotatis, Basel 1562. Diego de Covarruvias y Leyva, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis, zit. nach Opera Omnia. Haec autem editio nova post ultimam ipsius auctoris, Frankfurt am Main 1589. Franciscus Duarenus, In eundem Titulum de Pactis Commentarius, zit. nach  : Franci-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

392 | 

Quellenverzeichnis

scus Duarenus, Omnia quae quidem hactenus edita fuerunt Opera, Frankfurt am Main 1598. Wilhelm Grotius, Disputationum Iuridicarum Trigesima Secunda. De Verborum Obligationibus, Leiden 1616, zit. nach Universitätsbibliothek Leiden, 236 A 17  : 24. Johann Gottlieb Heineccius, Elementa Iuris Naturae ac Gentium, 3. Aufl., Genf 1744, zit. nach Heineccius, Opera in VIII. Tomos distributa, Bd. 1, Genf 1744. Thomas Hobbes, Elementa philosophica de cive, zit. nach  : De Cive, the Latin version entitled in the first edition Elementorum philosophiae sectio tertia de cive and in later editions Elementa philosophica de cive. A critical edition by Howard Warrender, Oxford 1983. Thomas Hobbes, Leviathan, zit. nach  : Thomas Hobbes. Leviathan. Edited by Noel Malcolm, Bd. 2  : The English and Latin texts (i), Oxford 2012. Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, zit. nach Kant’s gesammelte Schriften, Bd.  VI, Erste Abtheilung  : Werke, hrsg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1914. Leonardus Lessius, De Iustitia et Iure ceterisque Virtutibus Cardinalibus. Libri Quatuor ad 2.2. D. Thomae a quaest. 47. usque ad q. 171, Antwerpen 1632. Luis de Molina, De Iustitia et Iure, Tomus Secundus. De Contractibus, Mainz 1614. Robert Joseph Pothier, Traité des obligations, zit. nach  : Œuvres de Pothier. Annotées et mises en corrélation avec le Code civil et la législation actuelle, hrsg. v. Jean-Joseph Bugnet, 2. Aufl., Bd. 2, Paris 1861. Samuel von Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium, libri octo, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1759, Frankfurt am Main 1967. Guilielmus de Rieu, Album Studiosorum Academiae Lugduno Batavae MDLXXV– MDCCCLXXV, Leiden 1875. Domingo de  Soto, De  Iustitia et Iure libri decem, zit. nach De  Iustitia et Iure. Libri decem. De la justicia y del derecho en diez Libros. Edición facsimilar de la hecha por D. de Soto en 1556, con su versión castellana correspondiente, Introducción histórica y teologico-juridica por Venancio Diego Carro, Versión española de Marcelino González Ordóñez, Bd. 2–4, Madrid 1967. Francisco Suárez, De  Legibus ac Deo Legislatore, zit. nach Franciscus Suárez, Opera Omnia. Editio Nova, Bd. 5, Paris 1856. Francisco Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis, zit. nach Franciscus Suárez, Opera Omnia. Editio Nova, Bd. 11, Paris 1858. Francisco Suárez, De Statu Perfectionis et Religionis, zit. nach Franciscus Suárez, Opera Omnia. Editio Nova, Bd. 15, Paris 1859. Fernando Vázquez de Menchaca, Controversiae Illustres aliaeque usu frequentes, Frankfurt am Main 1668. Francisco de Vitoria, De Indis et De Iure Belli Relectiones being parts of Relectiones Theologicae XII, hrsg. v. Ernest Nys, Washington 1917. Francisco de Vitoria, Commentarii in Iam–IIae, zit. nach Francisco de Vitoria, De Lege. Über das Gesetz, hrsg. v. Joachim Stüben, Stuttgart 2010. Francisco de Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, zit. nach Francisco de Vitoria, Comen-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Handschriften 

| 393

tarios a la Secunda secundae de Santo Tomás. Edición preparada por Vicente Beltrán de Heredia, Bd. 3–4, Salamanca 1934–1935. Matthaeus Wesenbecius, In Pandectas Iuris Civilis & Codicis Iustinianei Libros Commentarii olim Paratitla, Padua 1658.

III. Handschriften Leiden, Universitätsbibliothek 236 A 17  : 24 Disputationum Iuridicarum Trigesima Secunda. De Verborum Obligationibus ad quam aspirante summi numinis gratia sub praesidio clarissimi, doctissimique viri D.  Cornelii Sylvii I.U.D  ; & in hac Academia juris Antecessoris ordinarij, Respondere conabitur Guilielmus Grotius, Leiden 1616. BPL 917 Bibliotheca Publica Latina 917 (erhaltene Originalhandschrift von Grotius, De  Iure Praedae Commentarius in der Universitätsbibliothek Leiden), online verfügbar unter  : http://‌hdl.handle. net/‌1887.1/‌item   :274332 (letzter Aufruf am 04.01.2022). BPL 918 Bibliotheca Publica Latina 918 (erhaltene Originalhandschrift von Grotius, Defensio capitis quinti Maris Liberi oppugnati a Guilielmo Welwodo in der Universitätsbibliothek Leiden), online verfügbar unter  : http://hdl.handle.net/‌1887.1/‌item   :760206 (letzter Aufruf am 04.01.2022). BPL 922 I Bibliotheca Publica Latina 922, Fasciunculi quinque in folio, I, Hugonis Grotii. Collectanea autographa de Iure Publico (Abschnitt  I eines Faszikels mehrerer Originalhandschriften von Grotius, einschließlich der Theses  LVI, in der Universitätsbibliothek ­Leiden), online verfügbar unter  : http://hdl.handle.net/‌1887.1/‌item:936830 (letzter Aufruf am 04.01.2022).

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis

Numerische Angaben in eckigen Klammern beziehen sich auf Ter Meulen /  Diermanse, Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, Den Haag 1950 [TMD] bzw. auf Ter Meulen / Diermanse, Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au XVIIe siècle, Den Haag 1961 [TMD II].

Heinrich Ahrens, Die Rechtsphilosophie oder das Naturrecht auf philosophisch-anthropologischer Grundlage, 4. Aufl., Wien 1852. Margreet Ahsmann, Collegium und Kolleg. Der juristische Unterricht an der Universität Leiden 1575–1630 unter besonderer Berücksichtigung der Disputationen, Frankfurt am Main 2000. Margreet Ahsmann, Grotius as a Jurist, in  : Hugo Grotius – A Great European (1583– 1645). Contributions concerning his Activities as a Humanist Scholar, hrsg. v. Robert Feenstra, Willem Gustaaf Zeylstra, Hans Bots, Anne-Dirk Renting und Henk Nellen, Delft 1983, S. 37–49. Margreet Ahsmann, Willem de Groot (1596–1662) en zijn Studie te Leiden in het licht van brieven van zijn broer Hugo, in  : TR 50,3/4 (1982), S. 371–401. Gregor Albers, Perpetuatio obligationis. Leistungspflicht trotz Unmöglichkeit im klassischen Recht, Wien 2019. Gregor Albers, Zum Versprechen als Verpflichtungsgrund in der Spätantike  : Urkundenpraxis, Kirchenlehrer und der westgotische Gaius, in  : ZRG (RA) 135 (2018), S. 334–363. Gregor Albers, Versprechen und Vertrag in Rechtsgeschichte und Rechtsvergleich, in  : Wortgebunden. Zur Verbindlichkeit von Versprechen in Recht und Literatur, hrsg. v. Gregor Albers, Joachim Harst und Katharina Kaesling, Frankfurt am Main 2021, S. 29– 88. Gregor Albers, Völkerrechtliche Regimekollisionen, Doppelverpflichtung und Konkurs  : auf der Suche nach einem ius commune, in  : Imperium, Staat, Civitas. Ein kritischer Beitrag zum postmodernen Konzept der Macht / Imperium, Stato, Civitas. Contributo critico alla concezione postmoderna del potere. Villa Vigoni 19–21 marzo 2013, hrsg. v. Emanuela Calore und Roberta Marini, Stuttgart 2015, S. 265–319. Svend Andersen, Treue, in  : TRE, Bd.  34, hrsg. v. Gerhard Müller et al., Berlin 2002, S. 57–62. Vincenzo Arangio-Ruiz, «  sponsio  » e «  stipulatio  » nella terminologia romana, in  : BIDR 65 (1962), S. 193–222. Marcelo de Araujo, Hugo Grotius, contractualism, and the concept of private property  : An Institutionalist interpretation, in  : HPhQ 26,4 (2009), S. 353–371. Paolo Astorri, Grotius’s Contract Theory in the Works of His German Commentators  : First Explorations, in  : Grotiana 41,1 (2020), S. 88–107.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 395

Paolo Astorri, The Law of Contract and Treaties, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 513– 534. Paolo Astorri, Lutheran Theology and Contract Law in Early Modern Germany (ca. 1520–1720), Paderborn 2019. Patrick S. Atiyah, Promises, Morals, and Law, Oxford 1991. Marietta Auer, Subjektive Rechte bei Pufendorf und Kant. Eine Analyse im Lichte der Rechtskritik Hohfelds, in  : AcP 208,5 (2008), S. 584–634. Guy Augé, Le contrat et l’évolution du consensualisme chez Grotius, in  : APD 13 (1968), S. 99–114. Andreas Harald Aure, The Right to Wage War (jus ad bellum). The German reception of Grotius 50 years after De Iure Belli ac Pacis, Berlin 2015. Andreas Harald Aure, Der säkularisierte und subjektivierte Naturrechtsbegriff bei Hugo Grotius, in  : Forum Historiae Iuris (2008), online verfügbar unter  : https://forhistiur.de/‌media/‌zeitschrift/‌0802aure.pdf (letzter Aufruf am 04.01.2022). Jean Barbeyrac (Hrsg.), Le Droit de la Guerre et de la Paix par Hugo Grotius. Nouvelle Traduction par Jean Barbeyrac. Tome Première, Basel 1746. Randy E. Barnett, A Consent Theory of Contract, in  : CLR 86 (1986), S. 269–321. J. L. Barton, Causa promissionis again, in  : TR 34,1 (1966), S. 41–73. Hans-Michael Baumgartner, Accidens praedicabile, in  : HWPh, Bd.  1, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1971, Sp. 72 f. Hans-Michael Baumgartner, Art I, in  : HWPh, Bd. 1, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1971, Sp. 525 f. Hans-Michael Baumgartner, Gattung  ; Genus I, in  : HWPh, Bd. 3, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1974, Sp. 24 f. Michael Becker, Kriegsrecht im frühneuzeitlichen Protestantismus. Eine Untersuchung zum Beitrag lutherischer und reformierter Theologen, Juristen und anderer Gelehrter zur Kriegsrechtsliteratur im 16. und 17. Jahrhundert, Tübingen 2017. Michael Becker, Ratio naturalis und sacra auctoritas. Naturrecht und Bibelstellenverweise in Hugo Grotius’ »De iure praedae commentarius«, in  : Reformierte Staatslehre in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Heinrich de Wall, Berlin 2014, S. 169–194. Okko Behrends, Das nexum im Manzipationsrecht oder die Ungeschichtlichkeit des Libraldarlehens, in  : Okko Behrends. Institut und Prinzip. Siedlungsgeschichtliche Grundlagen, philosophische Einflüsse und das Fortwirken der beiden republikanischen Konzeptionen in den kaiserlichen Rechtsschulen, Bd. 2, hrsg. v. Martin Avenarius, Rudolf Meyer-Pritzl, Cosima Möller, Göttingen 2004, S. 563–598. Okko Behrends, Treu und Glauben. Zu den christlichen Grundlagen der Willenstheorie im heutigen Vertragsrecht, zit. nach der Veröffentlichung in  : Christentum. Säkularisation und modernes Recht, hrsg. v. Luigi Lombardi Vallauri und Gerhard Dilcher, Baden-Baden 1981, Bd. 2, S. 957–1006. Wortgleich, jedoch mit abweichenden Seitenumbrüchen, erschienen in  : Christentum und modernes Recht. Beiträge zum Problem der Säkularisierung, hrsg. v. Gerhard Dilcher und Ilse Staff, Frankfurt am Main 1984, S. 255–303.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

396 | 

Literaturverzeichnis

Okko Behrends, Der Zwölftafelprozess. Zur Geschichte des römischen Obligationenrechts, Göttingen 1974. Peter Benson, Contract, in  : A Companion to Philosophy of Law and Legal Theory, hrsg. v. Dennis Patterson, 2. Aufl., Chichester 2010, S. 29–63. Peter Benson, Grotius’ Contribution to the Natural Law of Contract, in  : CJNS 6,2 (1985), S. 1–27. Peter Benson, Justice in Transactions. A Theory of Contract Law, Cambridge, MA, 2019. Christoph Bergfeld, Franciscus Connanus (1508–1551). Ein Systematiker des römischen Rechts, Köln 1968. Christoph Bergfeld, Staat und Gesetz, Naturrecht und Vertrag bei Grotius und Heineccius, in   : Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung in Rechtsgeschichte und Philosophie. Liberté sociale et lien contractuel dans l’histoire du droit et la philosophie, hrsg. v. Jean-François Kervégan und Heinz Mohnhaupt, Frankfurt am Main 1999, S. 95–119. Leonard F. M. Besselink, Keeping Faith. A Study of Grotius’ Doctrine of Natural Law, Florenz 1988, online verfügbar unter  : http://hdl.handle.net/1814/4564 (letzter Aufruf am 04.01.2022). Emilio Betti, Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften, Tübingen 1967. Italo Birocchi, Causa e categoria generale del contratto. Un problema dogmatico nella cultura privatistica dell’età moderna. I. Il cinquecento, Turin 1997. Hans W. Blom, Grotius and Socinianism, in  : Socinianism and Arminianism. Antitrinitarians, Calvinists and Cultural Exchange in Seventeenth-Century Europe, hrsg. v. Martin Mulsow und Jan Rohls, Leiden 2005, S. 121–147. Hans W. Blom, Hugo Grotius on Trust, Its Causes and Effects, in  : Trust and Happiness in the History of European Political Thought, hrsg. v. Lászlo Kontler und Mark Somos, Leiden 2018, S. 76–98. Hans W. Blom, Hugo Grotius  : Religion und Politik, in  : Staat bei Hugo Grotius, hrsg. v. Norbert Konegen und Peter Nitschke, Baden-Baden 2005, S. 79–103. Hans W. Blom, The Meaning of Trust  : Fides between Self-Interest and Appetitus Societatis, in  : The Roots of International Law. Les fondements du droit international. Liber Amicorum Peter Haggenmacher, hrsg. v. Pierre-Marie Dupuy und Vincent Chetail, Leiden 2014, S. 39–58. Hans W. Blom, Sociability and Hugo Grotius, in  : Hist. Eur. Ideas 41,5 (2015), S. 589–604. Johann Heinrich Boecler, In Hugonis Grotii Ius Belli et Pacis Commentario, Straßburg 1663 [TMD II, num. 104]. Johann Heinrich Boecler, In Hugonis Grotii Juris Belli et Pacis Lib. II cap. priora VII. Commentario, Straßburg 1664 [TMD II, num. 104]. Camilla Boisen, Predestination, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 221–242. Leif Böttcher, Von der Lüge zur Mentalreservation. Über den Einfluss von Moralphilosophie und -theologie auf das Bürgerliche Recht, Bonn 2007.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 397

Peter Borschberg, »Commentarius in Theses XI«. Ein unveröffentlichtes Kurzwerk von Hugo Grotius, in  : ZRG (RA) 109 (1992), S. 450–474. Peter Borschberg, Hugo Grotius »Commentarius in Theses XI«. An Early Treatise on Sovereignty, the Just War, and the Legitimacy of the Dutch Revolt, Bern 1994. Peter Borschberg, Grotius, the Social Contract and Political Resistance. A Study of the Unpublished Theses LVI. IILJ Working Paper 2006/7. History and Theory of International Law Series (www.iilj.org). Peter Borschberg, Use of Vitoria by Grotius as found in his Early Works (1604–1618) and Working Papers, Manuskript, online verfügbar unter  : https://scholarbank.nus.edu. sg/‌handle/‌10635/‌154746 (letzter Aufruf am 04.01.2022). Caspar Brandt, Historie van het Leven des Heeren Huig de Groot, 2. Aufl., Dordrecht 1732. Annabel S. Brett, Liberty, right and nature. Individual rights in later scholastic thought, Cambridge 1997. Annabel S.  Brett, Natural right and civil community  : The civil philosophy of Hugo Grotius, in  : Hist. J. 45,1 (2002), S. 31–51. Annabel S. Brett, The subject of sovereignty  : Law, politics and moral reasoning in Hugo Grotius, MIH 17,3 (2020), S. 619–645. Norbert Brox, Der erste Petrusbrief, in  : EKK, Bd. 21, Zürich 1979. Luisa Brunori und Wim Decock, The Pragmatic Suárez. Private Law in the Work of the Doctor Eximius, in  : History, Casuistry and Custom in the Legal Thought of Francisco Suárez (1548–1617), hrsg. v. Dominique Bauer und Randall Lesaffer, Leiden 2021, S. 54–75. Stephen Buckle, Natural Law and the Theory of Property. Grotius to Hume, Oxford 1993. Jesús Martínez de Bujanda, Index des libres interdits, Bd. 11  : Index librorum prohibitorum 1600–1966, Montréal 2002. Franz Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, Wien 1967. David L. Carey Miller, Transfer of Ownership, in  : Das römisch-holländische Recht. Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, hrsg. v. Robert Feenstra und Reinhard Zimmermann, Berlin 1992, S. 521–540. Giovanni Chiodi, The Binding Force of Unilateral Promises in the Ius Commune before Grotius, in  : Grotiana 41,1 (2020), S. 40–58. Heinrich von Cocceji und Samuel von Cocceji, Grotius Illustratus seu Commentarii ad Hugonis Grotii De Jure Belli ac Pacis Libros Tres, Bd. 1, Breslau 1744. Helmut Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, in  : ZRG (RA) 70 (1953), S. 348–371. Helmut Coing, Europäisches Privatrecht, Bd.  1  : Älteres Gemeines Recht (1500 bis 1800), München 1985. Orazio Condorelli, Bartolo da Sassoferrato (1313/14–1357), in  : Law and the Christian Tradition in Italy. The Legacy of the Great Jurists, hrsg. v. Orazio Condorelli und Rafael Domingo, London 2021, S. 160–178.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

398 | 

Literaturverzeichnis

Orazio Condorelli, Grotius’s Doctrine of Alliances with Infidels and the Idea of Respublica Christiana, in  : Grotiana 41,1 (2020), S. 13–39. Hanoch Dagan und Michael Heller, The Choice Theory of Contracts, Cambridge 2017. M. T. Dalgarno, Analysing Hobbes’s Contract, in  : PAS 76 (1975/‌1976), S.  209–226  ; erneut abgedruckt in  : Hobbes on Law, hrsg.  v. Claire Finkelstein, Aldershot 2005, S. 293–310. Harm-Jan van Dam, Breasting the Waves  : Grotius’s Letters on Church and State, in  : Between Scylla and Charybdis. Learned Letter Writers Navigating the Reefs of Religious and Political Controversy in Early Modern Europe, hrsg. v. Jeanine De Landtsheer und Henk Nellen, Leiden 2011, S. 443–463. Wessel Willem Peter Damen, Maiestas in the Dutch Republic. The law of treason and the conceptualisation of state authority in the Dutch Republic from the Act of Abjuration to the expiration of the Twelve Years’ Truce (1581–1621), online verfügbar unter  : http://‌hdl.handle.net/‌2105/‌40565 (letzter Aufruf am 04.01.2022). Stephen Darwall, Grotius at the Creation of Modern Moral Philosophy, in  : AGPh 94,3 (2012), S. 296–325. Wim Decock, Hugo Grotius’s Views on Consent, Contract and the Christian Commonwealth – Introductory Remarks, in  : Grotiana 41,1 (2020), S. 1–13. Wim Decock, Jesuit freedom of contract, in  : TR 77,3/4 (2009), S. 423–458. Wim Decock, Le marché du mérite. Penser le droit et l’économie avec Léonard Lessius, Brüssel 2019. Wim Decock, Theologians and Contract Law. The Moral Transformation of the ius Commune (ca. 1500–1650), Leiden 2013. Wim Decock, Trust Beyond Faith. Re-Thinking Contracts With Heretics and Excommunicates in Times of Religious War, in  : RIDC 27 (2016), S. 301–328. Helge Dedek, A Particle of Freedom  : Natural Law Thought and the Kantian Theory of Transfer by Contract, in  : CJLJ 25,2 (2012), S. 313–346. Malte Diesselhorst, Christoph Bergfeld, Franciscus Connanus (1508–1551), Ein Systematiker des römischen Rechts. Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte, Bd. 12, Böhlau-Verlag, Köln-Graz 1968. VII, 215 S., in  : ZRG (RA) 86 (1969), S. 538– 545. Malte Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, Köln 1959. Malte Diesselhorst, Klaus-Peter Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert. Veröffentlichung aus dem Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte der Universität zu Köln. Herausgegeben von Heinz Hübner (=  Beiträge zur Neueren Privatrechtsgeschichte, Bd.  9). Schweitzer, München 1985. 218 S., in  : ZRG (RA) 105 (1988), S. 964 f. Malte Diesselhorst, Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, Göttingen 1976. Hermann Dilcher, Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, in  : ZRG (RA) 77 (1960), S. 270–303. Wilhelm Dilthey, Das Verstehen anderer Personen und ihrer Lebensäußerungen, in  :

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 399

Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (Gesammelte Schriften, Bd. 7), hrsg. v. Bernhard Groethuysen, 1. Aufl., Leipzig 1927, S. 205–227. Harry Dondorp und Jan Hallebeek, Grotius’ Doctrine on »adquisitio obligationis per alterum« and its Roots in the Legal Past of Europe, in  : Panta rei. Studi dedicati a Manlio Bellomo, Bd. 2, hrsg. v. Orazio Condorelli, Rom 2004, S. 205–244. F. Dovring, H. F. W. D. Fischer und E. M. Meijers (Hrsg.), Hugo de Groot. Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, Leiden 1952. Wouter Druwé, Grotius’ Introduction to Hollandic Jurisprudence, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 409–432. Alfred Dufour, L’Influence de la méthodologie des sciences physiques et mathématiques sur les Fondateurs de l’Ecole du Droit naturel moderne (Grotius, Hobbes, ­Pufendorf), in  : Grotiana 1 (1980), S. 33–52. Hugh Dunthorne, History, Theology and Tolerance  : Grotius and his English Contemporaries, in  : Grotiana 34 (2013), S. 107–119. Andrew R. Dyck, A Commentary on Cicero, De Officiis, Ann Arbor 1996. Daniel Eggers, Die Naturzustandstheorie des Thomas Hobbes, Berlin 2008. Armin Ehrenzweig, Über den Rechtsgrund der Vertragsverbindlichkeit. Eine rechtsphilosophische Untersuchung, Wien 1889. Hendrik van Eikema Hommes, Grotius’ mathematical method, in  : NILR 31,1 (1984), S. 98–106. Stefanie Ertz, Hugo Grotius’s Hermeneutics of Natural and Divine Law, in  : Grotiana 37 (2016), S. 61–94. Stefanie Ertz, Vertrag und Gesetz. Das Naturrecht und die Bibel bei Grotius, Hobbes, Spinoza, Würzburg 2014. Arthur Eyffinger, Chapter VI  : On Good Faith and Bad Faith, in  : Grotiana 36 (2015), S. 79–105. Arthur Eyffinger, The Dutch Period in the Life of Hugo Grotius 1583–1621, in  : Hugo Grotius – A Great European (1583–1645). Contributions concerning his Activities as a Humanist Scholar, hrsg. v. Robert Feenstra, Willem Gustaaf Zeylstra, Hans Bots, Anne-Dirk Renting und Henk Nellen, Delft 1983, S. 5–23. Arthur Eyffinger, On Good Faith and Bad Faith  : Introductory Note, in  : Grotiana 36 (2015), S. 106–171. Arthur Eyffinger, Hugo Grotius’ Parallelon Rerumpublicarum, in  : De Hollandse jaren van Hugo de Groot (1583–1621), hrsg. v. H. J. M. Nellen und J. Trapman, Hilversum 1996, S. 87–95. Arthur Eyffinger, Some marginal notes to Wolfgang Fikentscher, De Fide et Perfidia, in  : Grotiana 2 (1981), S. 116–122. W. J. M. van Eysinga, Eene onuitgegeven Nota van de Groot, in  : MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 18,10 (1955), S. 235–252. W. J. M. van Eysinga, Hugo Grotius. Eine biographische Skizze, Basel 1952. Robert Feenstra, Das Deliktsrecht bei Grotius, insbesondere der Schadensersatz bei Tötung und Körperverletzung, in  : Das römisch-holländische Recht. Fortschritte des

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

400 | 

Literaturverzeichnis

Zivilrechts im 17.  und 18.  Jahrhundert, hrsg. v. Robert Feenstra und Reinhard Zimmermann, Berlin 1992, S. 429–454. Robert Feenstra, Dominium and ius in re aliena  : The Origins of a Civil Law Distinction, in  : New perspectives in the Roman law of property. Essays for Barry Nicholas, hrsg. v. Peter Birks, Oxford 1989, S. 111–122. Robert Feenstra, Der Eigentumsbegriff bei Hugo Grotius im Lichte einiger mittelalterlicher und spätscholastischer Quellen, in  : Festschrift für Franz Wieacker zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Okko Behrends, Malte Diesselhorst, Hermann Lange, Detlef Liebs, Joseph Georg Wolf und Christian Wollschläger, Göttingen 1878, S. 209–234. Robert Feenstra, Grotius (de Groot), Hugo (1583–1645), in  : Juristen. Ein biographisches Lexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, hrsg. v. Michael Stolleis, München 1995, S. 257–260. Robert Feenstra, Grotius’ Doctrine of Unjust Enrichment as a Source of Obligation  : Its Origin and Its Influence in Roman-Dutch Law, in  : Unjust Enrichment. The Comparative Legal History of the Law of Restitution, hrsg. v. Eltjo J. H. Schrage, 2. Aufl., Berlin 1999, S. 197–236. Robert Feenstra, Grotius et le droit privé européen, in  : RdC 182 (1983), S. 453–469. Robert Feenstra, L’Influence de la Scolastique espagnole sur Grotius en droit privé  : Quelques expériences dans des questions de fond et de forme, concernant notamment les doctrines de l’erreur et de l’enrichissement sans cause, in  : La Seconda Scolastica nella formazione del diritto privato moderno. Incontro di studi, Firenze 16–19 Ottobre 1972, hrsg. v. Paolo Grossi, Milano 1973, S. 377–402. Erneut abgedruckt in  : Fata Iuris Romani. Etudes d’histoire du droit par Robert Feenstra, Leiden 1974, S. 338–363. Robert Feenstra, »Inschuld«, »Schuld«, en »Verbintenisse« bij Hugo de Groot, in  : »Houd voet bij stuk«. Xenia iuris historiae G. van Dievoet oblata, hrsg. v. F. Stevens und D. van den Auweele, Löwen 1990, S. 455–470. Robert Feenstra, Die Klagbarkeit der pacta nuda, in  : Das römisch-holländische Recht. Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, hrsg. v. Robert Feenstra und Reinhard Zimmermann, Berlin 1992, S. 123–144. Robert Feenstra und Margreet Ahsmann (dort noch als Jongerius), Les lettres de Grotius à son frère Guillaume concernant les thèses que celui-ci a soutenues à l’Université de Leyde, in  : RHD, 4e série, 57 (1979), S. 723–724. Robert Feenstra, Quelques remarques sur les sources utilisées par Grotius dans ses travaux de droit naturel, in  : The world of Hugo Grotius (1583–1645), hrsg. v. dem Grotius Committee of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences, Amsterdam 1984. Johann von Felden, Annotata ad H. Grotium De Jure Pacis et Belli, quibus immixtae sunt Responsiones ad Stricturas Graswinckelii, Jena 1663 [TMD II, num. 103]. Wolfgang Fikentscher, De fide et perfidia. Der Treuegedanke in den »Staatsparallelen« des Hugo Grotius aus heutiger Sicht, München 1979. Werner Flume, Rechtsakt und Rechtsverhältnis. Römische Jurisprudenz und modernrechtliches Denken, Paderborn 1990. Sybrand Johannes Fockema Andreae, Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Gele-

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 401

erdheid, beschreven bij Hugo de Groot. Met Aanteekeningen, Bd. 2, 4. Aufl., Arnheim 1939 [TMD, num. 784]. Michael Frede, A Free Will. Origins of The Notion in Ancient Thought, Berkeley 2012. Charles Fried, Contract as Promise. A Theory of Contractual Obligation, 2. Aufl., Oxford 2015. Robert Fruin, An unpublished work of Hugo Grotius’s. Translated from an essay in Dutch (1868) written by the late Robert Fruin, in  : Bibliotheca Visseriana dissertationum ius internationale illustrantium, Tomus Quintus, Leiden 1925. Hans-Georg Gadamer, Hermeneutik I. Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 7. Aufl., Tübingen 2010. Aaron Garrett, Seventeenth-Century Moral Philosophy  : Self-Help, Self-Knowledge, and the Devil’s Mountain, in  : The Oxford handbook of the history of ethics, hrsg. v. Roger Crisp, Oxford 2013, S. 229–279. Martin van Gelderen, Arminian trouble  : Calvinist debates on freedom, in  : Freedom and the Construction of Europe, Bd. 1  : Religious Freedom and Civil Liberty, hrsg. v. Quentin Skinner und Martin van Gelderen, Cambridge 2013, S. 21–37. Martin van Gelderen, Freedom Fighters  : The Act of Abjuration, Hugo Grotius and Dutch Debates on Liberty, in  : The Act of Abjuration. Inspired and Inspirational, hrsg. v. Paul Brood und Raymond Kubben, Nijmegen 2011, S. 155–171. Martin van Gelderen, Hot Protestants  : Predestination, the Freedom of Will and the Making of the Modern European Mind, in  : Calvinism and the Making of the European Mind, hrsg. v. Gijsbert van den Brink und Harro M. Höpfl, Leiden 2014, S. 131–154. Martin van Gelderen, Hugo Grotius on Freedom of Will and Self-Government. Greek, Patristic and Roman Legacies, in  : Rethinking Liberty before Liberalism, hrsg. v. Hannah Dawson und Annelien De Dijn, Cambridge 2022, S. 38–59. Tanja Gloyna, Treue, in  : HWPh, Bd. 10, hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Basel 1998, Sp. 1473–1478. J. F. Gerhard Goeters, Föderaltheologie, in  : TRE, Bd. 11, hrsg. v. Gerhard Müller et al., Berlin 1983, S. 246–252. Andrew Gold, A Property Theory of Contract, in  : NULR 103,1 (2009), S. 1–62. James Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, Oxford 1991. Erich Grässer, An die Hebräer. Hebr. 1–6, in  : EKK, Bd. 17,1, Zürich 1990. Johann Friedrich Gronovius, Hugonis Grotii de jure belli ac pacis libri tres, In quibus Jus Naturae & Gentium, item juris publici praecipua explicantur. Nec non Joann. Frid. Gronovii V. C. Notae in totum opus de Jure Belli ac Pacis, Amsterdam 1680 [TMD, num. 582]. Frank Grunert, Der Vertrag als rechtliches Medium sozialer Gestaltung  : Zum Kontraktualismus bei Hugo Grotius, in  : Staat bei Hugo Grotius, hrsg. v. Norbert Konegen und Peter Nitschke, Baden-Baden 2005, S. 125–137. Frank Grunert, Normbegründung und politische Legitimität. Zur Rechts- und Staatsphilosophie der deutschen Frühaufklärung, Tübingen 2000. Frank Grunert, The Reception of Hugo Grotius’s De Jure Belli ac Pacis in the Early German Enlightenment, in  : Early Modern Natural Law Theories. Contexts and Strategies

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

402 | 

Literaturverzeichnis

in the Early Enlightenment, hrsg. v. Tim J. Hochstrasser und Peter Schröder, Dordrecht 2003. Knud Haakonssen, Hugo Grotius and the History of Political Thought, in  : Political Theory 13,2 (1985), S.  239–265, erneut abgedruckt in  : Grotius, Pufendorf and Modern Natural Law, hrsg. v. Knud Haakonssen, Aldershot 1999, S. 35–61. Hugo Philipp Egmont Haelschner, Grotius, Hugo, in  : Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 767–784. Axel Hägerström, Recht, Pflicht und Bindende Kraft des Vertrages. Nach römischer und naturrechtlicher Anschauung, Uppsala 1965. Peter Haggenmacher, Droits subjectifs et système juridique chez Grotius, in  : Politique, Droit et Théologie chez Bodin, Grotius et Hobbes, hrsg. v. Luc Foisneau, Paris 1997, S. 73–130. Peter Haggenmacher, Grotius et la doctrine de la guerre juste, Paris 1983. Berndt Hamm, Promissio, Pactum, Ordinatio – Freiheit und Selbstbindung Gottes in der scholastischen Gnadenlehre, Tübingen 1977. Jan Dirk Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung. Philosophische Ansichten der Austauschgerechtigkeit und ihr rechtshistorischer Hintergrund, Berlin 2005. Gustav Hartenstein, Die Rechtsphilosophie des Hugo Grotius (1850), in  : Historisch-Philosophische Abhandlungen, hrsg. v. Gustav Hartenstein, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1870, Leipzig 1970, S. 149–216. Gerald Hartung, Zur Genealogie des Versprechens. Ein Versuch über die begriffsgeschichtlichen und anthropologischen Voraussetzungen der modernen Vertragstheorie, in  : Die Ordnung des Versprechens, hrsg. v. Manfred Schneider, München 2005, S. 277–293. Martin Harvey, Grotius and Hobbes, in  : BJHP 14,1 (2006), S. 27–50. Johann Reinhard Hedinger, Sicilimenta Philosophiae Juris, ex Illustris Grotii Libris, De Jure Belli et Pacis, Gießen 1699 [TMD II, num. 189]. Johann Gottlieb Heineccius, Praelectiones Academicae in Hugonis Grotii De  Iure Belli ac Pacis Libros III., 3. Aufl., Genf 1748, zit. nach Heineccius, Opera in VIII. Tomos distributa, Bd. 8, Genf 1748. Heinrich Henniges, In Hugonis Grotii, De Jure Belli et Pacis, Libros III. Observationes Politicae et Morales, Sulzbach 1673 [TMD II, num. 124]. David Heyd, Supererogation. Its status in ethical theory, Cambridge 1982. Joseph Hilgers, Der Index der verbotenen Bücher. In seiner neuen Fassung dargelegt und rechtlich-historisch gewürdigt, Freiburg im Breisgau 1904. Benjamin Hill, Domingo de Soto, in  : Great Christian Jurists in Spanish History, hrsg. v. Rafael Domingo und Javier Martínez-Torrón, Cambridge 2018, S. 134–156. Brad Hinshelwood, Punishment and Sovereignty in De Indis and De Iure Belli ac Pacis, in  : Grotiana 38 (2017), S. 71–105. Tim J. Hochstrasser, Natural Law Theories in the Early Enlightenment, Cambridge 2000. Günter Hoffmann-Loerzer, Studien zu Hugo Grotius, München 1971.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 403

Günter Hoffmann-Loerzer, Die Topik des Hugo Grotius  : Ein Modell moderner Problemlösungen  ?, in  : ARSP 63,3 (1977), S. 379–398. Franz Hofmann, Die Entstehungsgründe der Obligation, insbesondere der Vertrag, mit Rücksicht auf Siegel’s »Das Versprechen als Verpflichtungsgrund«, Wien 1874. Hasso Hofmann, Hugo Grotius, in  : Staatsdenker in der frühen Neuzeit, hrsg. v. Michael Stolleis, 3. Aufl., München 1995, S. 52–77. Martin Hogg, Promises and Contract Law. Comparative Perspectives, Cambridge 2011. Christoph Hölzel, Grundlagen des Rechts- und Staatsdenkens bei Hugo Grotius, Bonn 1970. Tony Honoré, Ulpian. Pioneer of Human Rights, 2. Aufl., Oxford 2002. Christian Horn, Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, in  : ZphF 50,1 (1996), S. 113–132. Christian Horn, Wille I – Antike, in  : HWPh, Bd. 12, hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Basel 2005, Sp. 763–769. Norbert Horn, Aequitas in den Lehren des Baldus, Köln 1968. Malte Hossenfelder, Pflicht, in  : Der Neue Pauly, Bd. 9, hrsg. v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Stuttgart 2000, Sp. 704 f. Toon van Houdt, Leonardus Lessius, in  : Great Christian Jurists in the Low Countries, hrsg. v. Wim Decock und Janwillem Oosterhuis, Cambridge 2021, S. 64–79. Heinz Hübner, Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, in  : Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Gotthard Paulus, Uwe Diederichsen und Claus-Wilhelm Canaris, München 1973, S. 41–62. Martine Julia van Ittersum (Hrsg.), Commentary on the Law of Prize and Booty. Hugo Grotius. Edited and with an Introduction by Martine van Ittersum, Indianapolis 2006. Martine Julia van Ittersum, Confiscated Manuscripts and Books  : What Happened to the Personal Library and Archive of Hugo Grotius Following His Arrest on Charges of High Treason in August 1618  ?, in  : Lost Books. Reconstructing the Print World of Pre-Industrial Europe, hrsg. v. Flavia Bruni und Andrew Pettegree, Leiden 2016. Martine Julia van Ittersum, Dating the manuscript of De Jure Praedae (1604–1608)  : What watermarks, foliation and quire divisions can tell us about Hugo Grotius’ development as a natural rights and natural law theorist, in  : Hist. Eur. Ideas 35,2 (2009), S. 125–193. Martine Julia van Ittersum, Kein Weiser ist ein Privatmann. Die Römische Stoa in Hugo Grotius’ De Jure Praedae (1604–1608), in  : Kosmopolitanismus. Zur Geschichte und Zukunft eines umstrittenen Ideals, hrsg. v. Matthias Lutz-Bachmann, Andreas Niederberger und Philipp Schink, Weilerswist 2010, S. 59–100. Martine Julia van Ittersum, Hugo Grotius. The Making of a Founding Father of International Law, in  : The Oxford Handbook of the Theory of International Law, hrsg. v. Anne Orford und Florian Hoffmann, Oxford 2016, S. 82–100. Martine Julia van Ittersum, Preparing Mare liberum for the Press  : Hugo Grotius’ Rewriting of Chapter 12 of De Iure Praedae in November-December 1608, in  : Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 246–280.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

404 | 

Literaturverzeichnis

Martine Julia van Ittersum, Profit and Principle. Hugo Grotius, Natural Rights Theories and the Rise of the Dutch Power in the East Indies (1595–1615), Leiden 2006. Martine Julia van Ittersum, The Working Methods of Hugo Grotius  : Which Sources Did He Use and How Did He Use Them in His Early Writings on Natural Law Theory  ?, in  : Reassessing Legal Humanism and its Claims. Petere Fontes  ?, hrsg. v. Paul J. du Plessis und John W. Cairns, Edinburgh 2016. Francesca Iurlaro, Divine Decrees and Human Choices  : Grotius on the Law of Fate and Punishment, in  : Grotiana 40 (2019), S. 76–101. Francesca Iurlaro, Rights, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 243–258. Nils Jansen, Verwicklungen und Entflechtungen. Zur Verbindung und Differenzierung von Recht und Religion, Gesetz und rechtlicher Vernunft im frühneuzeitlichen Naturrechtsdiskurs, in  : ZRG (GA) 132 (2015), S. 29–81. Nils Jansen, Theologie, Philosophie und Jurisprudenz in der spätscholastischen Lehre von der Restitution, Tübingen 2013. Lydia Janssen, Hugo Grotius in Dialogue with His Colleagues. Intertextuality and Polemics in Historia Gotthorum (1655), in  : Grotiana 38 (2017), S. 148–175. Henk-Jan de Jonge, Grotius as an Interpreter of the Bible, particularly the New Testament, in  : Hugo Grotius – A Great European (1583–1645). Contributions concerning his Activities as a Humanist Scholar, hrsg. v. Robert Feenstra, Willem Gustaaf Zeylstra, Hans Bots, Anne-Dirk Renting und Henk Nellen, Delft 1983, S. 59–65. Stig Jørgensen, Grotius’s Doctrine of Contract, in  : Sc. St. L. 13 (1969), S. 107–125. Carl von Kaltenborn, Die Vorläufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des ius naturae et gentium sowie der Politik im Reformationszeitalter, Leipzig 1848. Max Kaser, Das römische Privatrecht, I. Abschnitt  : Das altrömische, das vorklassische und das klassische Recht, 2. Aufl., München 1971. Dionysius Godefridus van der Keessel, Theses Selectae Juris Hollandici et Zelandici, ad Supplendam Hugonis Grotii Introductionem ad Jurisprudentiam Hollandicam, et definiendas celebriores Juris Hollandici controversias, Leiden 1800. Gerhard Kegel, Zur Auffassung vom Vertrag im kontinentalen Europa, in  : Gedächtnisschrift für Alexander Lüderitz, hrsg. v. Haimo Schack, München 2000, S. 347–384. Hans Kelsen, Reine Rechtslehre. Mit einem Anhang  : Das Problem der Gerechtigkeit, Nachdruck der 2. Aufl., Wien 1976. Francis W. Kelsey (Hrsg.), De Jure Belli ac Pacis libri tres by Hugo Grotius, Bd. 2, The Translation by Francis W. Kelsey with the collaboration of Arthur E. R. Boak, Henry A. Sanders, Jesse S. Reeves and Herbert F. Wright, Oxford 1925 [TMD, num. 645]. Wolfgang Kersting, Pflichten, unvollkommene / vollkommene, in  : HWPh, Bd. 7, hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Basel 1989, Sp. 433–439. Dori Kimel, From Contract to Promise. Towards a Liberal Theory of Contract, Oxford 2003. Julius Hermann von Kirchmann (Hrsg.), Hugo Grotius. Recht des Krieges und Friedens, Berlin 1869 [TMD, num. 667]. Julius Kirshner, Baldo degli Ubaldi da Perugia (1327–1400), in  : Law and the Christian

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 405

Tradition in Italy. The Legacy of the Great Jurists, hrsg. v. Orazio Condorelli und Rafael Domingo, London 2021, S. 179–197. Gregory Klass, George Letsas und Prince Saprai (Hrsg.), Philosophical Foundations of Contract Law, Oxford 2014 William Stanley Macbean Knight, The Life and Works of Hugo Grotius, London 1925. Russell Korobkin, Behavioral Economics, Contract Formation, and Contract Law, in  : Behavioral Law and Economics, hrsg. v. Cass R. Sunstein, Cambridge 2000, S. 116–143. Klaus Kowalski, Die causa des Vertrages im Naturrecht der frühen Neuzeit, in  : Causa contractus. Auf der Suche nach den Bedingungen der Wirksamkeit des vertraglichen Willens, hrsg. v. Gregor Albers, Francesco Paolo Patti und Dorothée Perrouin-Verbe, Tübingen 2022, S. 153–200. Otto Wilhelm Krause, Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts. Ihre Bedeutung für die Entwicklung eines natürlichen Privatrechts, Frankfurt am Main 1982. Hartmut Kress, Pflicht II, in  : TRE, Bd. 26, hrsg. v. Gerhard Müller et al., Berlin 1996, S. 445–449. Knud Krogh-Tonning, Hugo Grotius und die religiösen Bewegungen im Protestantismus seiner Zeit, Köln 1904. Johann Georg von Kulpis, Collegium Grotianum, super jure belli ac pacis. In Academia Giessensi XV. Exercitationibus primum institutum. Editio Quarta, Stuttgart 1701. Ernst Kutsch, Bund, in  : TRE, Bd. 7, hrsg. v. Gerhard Müller et al., Berlin 1981, S. 397– 410. Henrik Lagerlund, Francisco Suárez, in  : Great Christian Jurists in Spanish History, hrsg. v. Rafael Domingo und Javier Martínez-Torrón, Cambridge 2018, S. 210–224. Peter Landau, Pacta sunt servanda. Zu den kanonischen Grundlagen der Privatautonomie, in  : Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert. Festschrift für Knut Wolfgang Nörr, hrsg. v. Mario Ascheri, Friedrich Ebel, Martin Heckel, Antonio Padoa-Schioppa, Wolfgang Pöggeler, Filippo Ranieri und Wilhelm Rütten, Köln 2003, S. 457–474. Hermann Lange und Maximiliane Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2  : Die Kommentatoren, München 2007. Daniel Lee, Popular Liberty, Princely Government, and the Roman Law in Hugo Grotius’s De Jure Belli ac Pacis, in  : JHI 72,3 (2011), S. 371–392. Robert Warden Lee, Introduction to Roman Dutch Law, 4. Aufl., Oxford 1946. Robert Warden Lee, The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius. The text translated with brief notes and a commentary by R. W. Lee, Bd. 1  : Text, translation, and notes, 2. Aufl., Nachdruck der Ausgabe Oxford 1953, Aalen 1977. Robert Warden Lee, The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius. The text translated with brief notes and a commentary by R. W. Lee, Bd. 2  : Commentary, Nachdruck der Ausgabe Oxford 1936, Aalen 1977. Susanne Lepsius, Paolo di Castro (1360/62–1441), in  : Law and the Christian Tradition in Italy. The Legacy of the Great Jurists, hrsg. v. Orazio Condorelli und Rafael Domingo, London 2021, S. 198–215.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

406 | 

Literaturverzeichnis

Randall Lesaffer, The Medieval Canon Law of Contract and Early Modern Treaty Law, in  : JHIL 2 (2000), S. 178–198. Ernst Levy, Natural Law in Roman Thought, in  : Studia et Documenta Historiae et Iuris XV (1949), S. 1–23. Joannes van der Linden (Hrsg.), Hugonis Grotii. Institutiones Juris Hollandici e Belgico in Latinum sermonem translatae, Haarlem 1962. Jan Lokin, Eenheid van Rechtspraak, Eenheid van Recht. De gecompliceerde positie van de Hoge Raad van Holland en Zeeland, in  : Libellus ad Thomasium. Essays in Roman Law, Roman-Dutch Law and Legal History in Honour of Philip J Thomas, hrsg. v. Rena van den Bergh, Gardiol van Niekerk und Liezl Wildenboer, Pretoria 2010, S. 184–196. Bertram Lomfeld, Die Gründe des Vertrages. Eine Diskurstheorie der Vertragsrechte, Tübingen 2015. Heiner Lück, Matthaeus Wesenbeck (1531–1586)  : Professor of Jurisprudence in Wittenberg, in  : Great Christian Jurists in German History, hrsg. v. Mathias Schmoeckel und John Witte Jr., Tübingen 2020, S. 113–127. Bern von Lüdinghausen-Wolff, Die bindende Kraft des einseitigen Versprechens im heutigen gemeinen Privatrechte, Frankfurt an der Oder 1889. Klaus Luig, Die Auslegung von Willenserklärungen im Naturrecht von Grotius bis Wolff, in  : Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik –  Rechtswissenschaft, Philosophie, Theologie, hrsg. v. Jan Schröder, Stuttgart, 2001, S. 133–154. Klaus Luig, Causa und Innominatvertrag in der Vertragslehre zur Zeit des Naturrechts, in  : Causa e contratto nella prospettiva storico-comparatistica. Il Congresso Internazionale ARISTEC. Palermo, 7–8 giugno 1995, hrsg. v. Letizia Vacca, Torino 1997, S. 217–234. Klaus Luig, Johann Gottlieb Heineccius als Kritiker des Naturrechts von Hugo Grotius, in  : Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günther Mühlpfordt, Bd. 2, hrsg. v. Erich Donnert, Weimar 1997, S. 31–42. Klaus Luig, Natürliches Privatrecht. Die Rolle des Privatrechts in den naturrechtlichen Gesellschaftsentwürfen des 17.  und 18.  Jahrhunderts, in  : Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, hrsg. v. Reiner Schulze, Berlin 1991, S. 103–120. Kirk R. MacGregor, Luis de Molina, in  : Great Christian Jurists in Spanish History, hrsg. v. Rafael Domingo und Javier Martínez-Torrón, Cambridge 2018, S. 191–209. Alejandra Mancilla, What we own Before Property  : Hugo Grotius and the Suum, in  : Grotiana 36 (2015), S. 63–77. Daniel Markovits, Contract and Collaboration, Yale Law K. 113 (2004), S. 1417–1519. Thomas Mautner, Grotius and the Skeptics, in  : JHI 66,4 (2005), S. 577–601. Theo Mayer-Maly, Der Konsens als Grundlage des Vertrages, in  : Festschrift für Erwin Seidl. Zum 70.  Geburtstag, hrsg. v. Heinz Hübner, Ernst Klingmüller und Andreas Wacke, Köln 1975, S. 118–129. Theo Mayer-Maly, Die Bedeutung des Konsenses in privatrechtsgeschichtlicher Sicht, in  : Rechtsgeltung und Konsens, hrsg. v. Günther Jakobs, Berlin 1976, S. 91–104.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 407

P. C. Molhuysen, De Bibliotheek van Hugo de Groot in 1618, in  : MNAW, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, 6,3 (1943), S. 45–63. John Lothrop Motley, The life and death of John of Barneveld, advocate of Holland, with a view of the primary causes and movements of the Thirty Years’ War, 2  Bde., New York 1874. Florian Mühlegger, Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung, Berlin 2007. Edgar Müller, Hugo Grotius und der Dreißigjährige Krieg. Zur frühen Rezeption von De jure belli ac pacis, in  : TR 77,3/4 (2009), S. 499–538. P. L. Müller, Oldenbarnevelt, Johann von, in  : Allgemeine Deutsche Biographie 24 (1887), S. 241–261. Klaus-Peter Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert, München 1985. Stephen C. Neff (Hrsg.), Hugo Grotius. On the Law of War and Peace. Student Edition, Cambridge 2012. Stephen C. Neff, The Law of Armed Conflict, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 457–476. Henk Nellen, Grotius’ Exile, in  : Hugo Grotius – A Great European (1583–1645). Contributions concerning his Activities as a Humanist Scholar, hrsg. v. Robert Feenstra, Willem Gustaaf Zeylstra, Hans Bots, Anne-Dirk Renting und Henk Nellen, Delft 1983, S. 25–36. Henk Nellen, Hugo Grotius. A Lifelong Struggle for Peace in Church and State 1583– 1645, Leiden 2014. Henk Nellen, Hugo Grotius’ Correspondence with his brother Willem de Groot, in  : Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 3–24. Henk Nellen, Life and Intellectual Development. An Introductory Biographical Sketch, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 17–44. Gustaaf van Nifterik, Hugo Grotius, Privileges, Fundamental Laws and Rights, in  : Grotiana 32 (2011), S. 1–19. Janne E. Nijman, Grotius’ Imago Dei Anthropology  : Grounding Ius Naturae et Gentium, in  : International Law and Religion. Historical and Contemporary Perspectives, hrsg. v. Martti Koskenniemi, Mónica García-Salmones Rovira und Paolo Amorosa, Oxford 2017, S. 87–110. Peter Nitschke, Die Eigentumsfrage im Naturrecht, in  : Staat bei Hugo Grotius, hrsg. v. Norbert Konegen und Peter Nitschke, Baden-Baden 2005, S. 23–47. Herbert M. Nobis, Definition I, in  : HWPh, Bd. 2, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1972, Sp. 31–35. Dieter Nörr, Die Fides im römischen Völkerrecht, Heidelberg 1991. Karl Olivecrona, The concept of a right according to Grotius and Pufendorf, in  : Rechtsfindung. Beiträge zur juristischen Methodenlehre. Festschrift für Oscar Adolf Germann zum 80. Geburtstag, hrsg. v. Peter Noll und Günter Stratenwerth, 2. Aufl., Bern 1969, S. 175–197.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

408 | 

Literaturverzeichnis

Karl Olivecrona, Law as Fact, 2. Aufl., London 1971. Karl Olivecrona, Die zwei Schichten im naturrechtlichen Denken, in  : ARSP 63,1 (1977), S. 79–103. Johan Olsthoorn, Grotius on Natural Law and Supererogation, in  : JHP 57,3 (2019), S. 443–469. Nathan Bryan Oman, The Dignity of Commerce. Markets and the Moral Foundations of Contract Law, Chicago 2016. Yasuaki Onuma, Agreement, in  : A Normative Approach to War. Peace, War, and Justice in Hugo Grotius, hrsg. v. Yasuaki Onuma, Oxford 1993. Janwillem Oosterhuis, Hugo Grotius, in  : Great Christian Jurists in the Low Countries, hrsg. v. Wim Decock und Janwillem Oosterhuis, Cambridge 2021, S. 97–122. Johann Conrad Orellius (Hrsg.), Alexandri Aphrodisiensis, Ammonii Hermiae filii, Bardesanis Syri, et Georgii Gemisti Plethonis. De  Fato quae supersunt Graecae. Ad codicum manuscriptorum editionum versionum fidem recensuit, interpretationem latinam Hugonis Grotii et aliorum emendatiorem, varietatem lectionis et notas adiecit, Zürich 1824. Johann Adam Osiander, Observationes Maximam partem Theologicae in Libros Tres De Jure Belli et Pacis Hugonis Grotii, Tübingen 1671 [TMD II, num. 122]. Gerhard Otte, Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, Köln 1964. Paul Ottenwälder, Zur Naturrechtslehre des Hugo Grotius, Tübingen 1950. Julius Christiaan van Oven, Hugo de Groot’s « Inleiding » als Lehrbuch des Römischen Rechts, in  : L’Europa e il diritto romano, Bd. 2, hrsg. v. Wolfgang Kunkel, Mailand 1954. David Owens, Does a Promise Transfer a Right  ?, in  : Philosophical Foundations of Contract Law, hrsg. v. Gregory Klass, George Letsas und Prince Saprai, Oxford 2014, S. 78–95. Otto Hermann Pesch, Wille / Willensfreiheit III, in  : TRE, Bd.  36, hrsg. v. Gerhard Müller et al., Berlin 2004, S. 76–97. Alice Pestalozzi, Das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund, Zürich 1927. Ugo Petronio, Sinallagma e analisi strutturale dei contratti all’origine del sistema contrattuale moderno, in  : Towards a General Law of Contract, hrsg. v. John Barton, Berlin 1990, S. 215–247. John Greville Agard Pocock, Texts as Events  : Reflections on the History of Political Thought, in  : Politics of Discourse. The Literature and History of Seventeenth-Century England, hrsg. v. Kevin Sharpe und Steven N. Zicker, Berkeley 1987, S. 21–34. John Greville Agard Pocock, The concept of language and the métier d’historien  : some considerations on practice, in  : The Languages of Political Theory in Early-Modern Europe, hrsg. v. Anthony Pagden, Cambridge 1987, S. 19–38. John Greville Agard Pocock, The Reconstruction of Discourse  : Towards the Historiography of Political Thought, in  : MLN 96,5 (1981), S. 959–980. Frederick Pollock, The history of the law of nature  : A preliminary study, in  : JSCL 2,3 (1900), S. 418–433. Richard Allen Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl., New York 2014.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 409

Jonathan Price, ‘God Created Man αύτεξούσιον’  : Grotius’s Theological Anthropology and Modern Contract Doctrine, in  : Agency and Causal Explanation in Economics, hrsg. v. Peter Róna und László Zsolnai, Cham 2020, S. 151–168. Edwin Rabbie, Grotius as Legal, Political and Diplomatic Official in the Dutch Republic, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 45–64. Edwin Rabbie, Grotius, James I and the ius Circa Sacra, in  : Grotiana 24/‌25 (2003/‌2004), S. 25–40. Edwin Rabbie, The history and reconstruction of Hugo Grotius’ library. A survey of the results of former studies with an indication of new lines of approach, in  : Bibliothecae Selectae da Cusano a Leopardi, hrsg. v. Eugenio Canone, Firenze 1993, S. 119–137. Laetitia Ramelet, Political Consent, Promissory Fidelity and Rights Transfers in Grotius, in  : Grotiana 40 (2019), S. 123–145. Tilman-Anselm Ramelow, Wille II – Mittelalter und frühe Neuzeit bis Kant, in  : HWPh, Bd. 12, hrsg. v. Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel, Basel 2004, Sp. 769–783. John Rawls, Political Liberalism. Expanded Edition, New York 2005. Dominik Recknagel, Einheit des Denkens trotz konfessioneller Spaltung. Parallelen zwischen den Rechtslehren von Francisco Suárez und Hugo Grotius, Frankfurt am Main 2010. Dominik Recknagel, Freier Wille und Sklaverei  : Die Rechtfertigung der freiwilligen Unterwerfung aus der grundsätzlichen Vertragsfreiheit des Menschen bei Hugo Grotius, in  : Politische Metaphysik. Die Entstehung moderner Rechtskonzeptionen in der Spanischen Spätscholastik, hrsg. v. Matthias Kaufmann und Robert Schnepf, Frankfurt am Main 2007, S. 399–418. Ernst Reibstein, Die Anfänge des Neueren Natur- und Völkerrechts. Studien zu den « Controversiae Illustres » des Fernandus Vasquius (1559), Bern 1949. Ernst Reibstein, Deutsche Grotius-Kommentatoren bis zu Christian Wolff, in  : ZaöRV 15 (1953), S. 76–102. Adolf Reinach, Zur Phänomenologie des Rechts. Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, München 1953. Gerhard Reintanz, Hugo Grotius und seine Zeit –  Ein datenmäßiger Überblick, in  : Hugo Grotius. 1583–1645, hrsg. v. der Gesellschaft für Seerecht der Deutschen Demokratischen Republik, Rostock 1983. Franz Heinrich Reusch, Der Index der verbotenen Bücher. Ein Beitrag zur Kirchenund Literaturgeschichte, Bd. 2.1, Neudruck der Ausgabe Bonn 1885, Aalen 1967. Henning Graf Reventlow, Epochen der Bibelauslegung, Bd. 3  : Renaissance, Reformation, Humanismus, München 1997. Matthias Riedl, Marcus Atilius Regulus – Die Bürgertugend in Person, in  : Politikos –  Vom Element des Persönlichen in der Politik. Festschrift für Tilo Schabert zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Karl-Heinz Nusser, Matthias Riedl und Theresia Ritter, Berlin 2008, S. 327–350.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

410 | 

Literaturverzeichnis

Wolfgang Röd, Geometrischer Geist und Naturrecht. Methodengeschichtliche Untersuchungen zur Staatsphilosophie im 17. und 18. Jahrhundert, München 1970. Florian Rödl, Gerechtigkeit unter freien Gleichen. Eine normative Rekonstruktion von Delikt, Eigentum und Vertrag, Baden-Baden 2015. Salvador Rus Rufino, Fernando Vázquez de Menchaca, in  : Great Christian Jurists in Spanish History, hrsg. v. Rafael Domingo und Javier Martínez-Torrón, Cambridge 2018, S. 157–173. Raimondo Santoro, Il contratto nel pensiero di Labeone, in  : Annali Palermo 37 (1983), S. 5–304. Merio Scattola, Das Naturrecht vor dem Naturrecht. Zur Geschichte des ›ius naturae‹ im 16. Jahrhundert, Tübingen 1999. Merio Scattola, Law, War and Method in the Commentary on the Law of Prize by Hugo Grotius, in  : Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 79–103. Tobias Schaffner, The Eudaemonist Ethics of Hugo Grotius (1583–1645)  : Pre-Modern Moral Philosophy for the Twenty-First Century  ?, in  : Jurisprudence 7,3 (2016), S. 478–522. Walter Schätzel (Hrsg.), Hugo Grotius. De Jure Belli ac Pacis Libri Tres. Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens. Paris 1925. Neuer deutscher Text und Einleitung von Walter Schätzel, Tübingen 1950 [TMD, num. 669]. Johannes Gerhard Scheffer, H. Grotius Enucleatus sive Hug. Grotii De  Jure Belli ac Pacis. Libri Tres. In compendium olim redacti, & nunc primum editi, Stettin 1693 [TMD II, num. 177]. Martin Josef Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, Wien 2000. Martin Josef Schermaier, bona fides im römischen Vertragsrecht, in  : Il ruolo della buona fede oggettiva nell’esperienza giuridica storica e contemporanea. Atti del Convegno internazionale di studi in onore di Alberto Burdese, hrsg. v. Luigi Garofalo, Bd. 3, Mailand 2003, S. 387–416. Martin Josef Schermaier, Bona fides in Roman contract law, in  : Good Faith in European Contract Law, hrsg. v. Reinhard Zimmermann und Simon Whittaker, Cambridge 2000, S. 63–92. Martin Josef Schermaier, Debet homo facere quod in se est  ? Vertragstreue und nachträgliche Leistungserschwerung zwischen Recht und Moral, in  : Law, Peace and Justice  : A Historical Survey. Recht Frieden und Gerechtigkeit in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. Byoung Jo Choe, Seoul 2007. Martin Josef Schermaier, Dominus actuum suorum. Die willenstheoretische Begründung des Eigentums und das römische Recht, in  : ZRG (RA) 134 (2017), S. 49–105. Martin Josef Schermaier, Europäische Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, in  : ZEuP 6,1 (1998), S. 60–83. Martin Josef Schermaier, Die Rolle der causa bei der Überwindung des Typenzwangs durch die mittelalterlichen Juristen, in  : Causa contractus. Auf der Suche nach den Bedingungen der Wirksamkeit des vertraglichen Willens, hrsg. v. Gregor Albers, Francesco Paolo Patti und Dorothée Perrouin-Verbe, Tübingen 2022, S. 97–152.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 411

Martin Josef Schermaier, vor § 104, in  : Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hrsg. v. Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann, Bd. 1, Tübingen 2003. Joachim Schlüter, Die Theologie des Hugo Grotius, Göttingen 1919. Bruno Schmidlin, Das Nominatprinzip und seine Erweiterung durch die actio praescriptis verbis – Zum aktionenrechtlichen Aufbau der römischen Konsensualverträge, in  : ZRG (RA) 124 (2007), S. 53–93. Bruno Schmidlin, Die beiden Vertragsmodelle des europäischen Zivilrechts  : Das naturrechtliche Modell der Versprechensübertragung und das pandektistische Modell der vereinigten Willenserklärungen, in  : Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, hrsg. v. Reinhard Zimmermann, Rolf Knütel und Jens Peter Meincke, Heidelberg 1999, S. 187–206. Mathias Schmoeckel, Das Recht der Reformation. Die epistemologische Revolution der Wissenschaft und die Spaltung der Rechtsordnung in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2014. Mathias Schmoeckel, François Connan (1508–1551), Das Synallagma und die Föderaltheologie, in  : Mélanges en l’Honneur d’Anne Lefebvre-Teillard, Paris 2009, S. 963–989. Mathias Schmoeckel, Melanchthons Konzeption der Verträge. Archäologie der Privat­ autonomie, in  : ZRG (KA) 104 (2018), S. 304–345. Hans-Peter Schneider, Justitia universalis. Quellenstudien zur Geschichte des »christlichen Naturrechts « bei Gottfried Wilhelm Leibniz, Frankfurt am Main 1967. Robert Schnepf, Naturrecht und Geschichte bei Grotius. Ein methodologisches Problem rechtsphilosophischer Begründung, in  : ZNR 20 (1998), S. 1–14. Jacob Elise Scholtens / Robert Feenstra, Hugo De Groots’ De Aequitate. Tekstuitgave en Tekstgeschiedenis met Bijdragen over Nicolaas Blanckaert en over de Voorrede tot de Inleidinge, in  : TR 42,3/4 (1974), S. 201–242. Herbert Schotte, Die Aequitas bei Hugo Grotius, Köln 1963. Peter Schröder, Trust (Fides), in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 118–137. Götz Schulze, Die Naturalobligation. Rechtsfigur und Instrument des Rechtsverkehrs einst und heute – sogleich Grundlegung einer Forderungslehre im Zivilrecht, Tübingen 2008. Philipp Balthasar Sinold v. Schütz (Hrsg.), Hugonis Grotii Drey Bücher vom Rechte des Krieges und des Friedens. Aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzet durch P. B. S. g. Schütz, Leipzig 1707 [TMD, num. 662]. James Brown Scott, The Spanish Origin of International Law, Bd. 1  : Francisco de Vitoria and his Law of Nations, Oxford 1934. Kurt Seelmann, Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, Köln 1979. Kurt Seelmann, Selbstherrschaft, Herrschaft über die Dinge und individuelle Rechte in der Spanischen Spätscholastik, in  : Politische Metaphysik. Die Entstehung moderner Rechtskonzeptionen in der Spanischen Spätscholastik, hrsg. v. Matthias Kaufmann und Robert Schnepf, Frankfurt am Main 2007, S. 43–57.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

412 | 

Literaturverzeichnis

Lothar Seuffert, Zur Geschichte der Obligatorischen Verträge. Dogmengeschichtliche Untersuchungen, Nördlingen 1881. Heinrich Siegel, Das Versprechen als Verpflichtungsgrund im heutigen Recht. Eine germanistische Studie, Berlin 1873. Danaë Simmermacher, Eigentum als ein subjektives Recht bei Luis de Molina (1535– 1600). Dominium und Sklaverei in De Iustitia et Iure, Berlin 2018. Johann Georg Simon, Grotius erotematicus sive Hugonis Grotii in Quaestiones Redacti De Iure Belli ac Pacis libri III, Frankfurt am Main 1688 [TMD II, num. 161]. Boudewijn Sirks, The Supreme Court of Holland and Zeeland judging cases in the early eighteenth century, in  : Judges and Judging in the History of the Common Law and Civil Law  : From Antiquity to Modern Times, hrsg. v. Paul Brand und Joshua Getzler, Cambridge 2012, S. 234–256. Quentin Skinner, Meaning and Understanding in the History of Ideas, in  : Hist. Theory 8,1 (1969), S. 3–53. J. Th. de Smidt und A. H. Hussen, Bronnen van de Nederlandse Codificatie sinds 1798, Bd. 1  : Stukken van algemene Aard de gedrukte Ontwerpen van 1804 en hun Voorgeschiedenis, Utrecht 1968. J. Th. de Smidt, The expansion of Dutch private law outside Europe in the seventeenth and eighteenth centuries, in  : The World of Hugo Grotius (1583–1645). Proceedings of the International Colloquium organized by the Grotius Committee of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences, Rotterdam 6–9 April 1983, Amsterdam 1984, S. 179–193. Stephen A. Smith, Contract Theory, Oxford 2004. Alfred Söllner, Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters bei den Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, ZRG (RA) 77 (1960), S. 182–269. Mark Somos, Secularisation and the Leiden Circle, Leiden 2011. Mark Somos, Secularization in De Iure Praedae  : from Bible Criticism to International Law, in  : Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 147–191. Mark Somos, The Unseen History of International Law  : A Census Bibliography of Hugo Grotius’s De iure belli ac pacis, in  : Grotiana 40 (2019), S. 173–179. Mark Somos, Virtue, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 91–117. Benedikt van Spyk, Vertragstheorie und Völkerrecht im Werk des Hugo Grotius. Unter besonderer Berücksichtigung von »De Iure Belli ac Pacis« (1625), Hamburg 2005. Benjamin Straumann, »Ancient Caesarian Lawyers« in a State of Nature. Roman Tradition and Natural Rights in Hugo Grotius’s De Iure Praedae, in  : Political Theory 34,3 (2006), S. 328–350. Benjamin Straumann, A Reply to my Critics. Adam Smith’s Unfinished Grotius Business, Grotius’s Novel Turn to Ancient Law, and the Genealogical Fallacy, in  : Grotiana 38 (2017), S. 211–228. Benjamin Straumann, Hugo Grotius und die Antike. Römisches Recht und römische Ethik im frühneuzeitlichen Naturrecht, Baden-Baden 2007.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 413

Benjamin Straumann, Is Modern Liberty Ancient  ? Roman Remedies and Natural Rights in Hugo Grotius’s Early Works on Natural Law, in  : LHR 27,1 (2009), S. 55–86. Benjamin Straumann, Natural Rights and Roman Law in Hugo Grotius’s Theses  LVI, De  Iure Praedae and Defensio capitis quinti maris liberi, in  : Grotiana 26–28 (2005– 2007), S. 341–365. Benjamin Straumann, Roman Law in the State of Nature  : The Classical Foundations of Hugo Grotius’ Natural Law, Cambridge 2015. Benjamin Straumann, Sociability, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 157–177. Christoph Strohm, Beobachtungen zur Eigenart der Theologie Calvins, in  : EvTh 69,2 (2009), S. 85–100. Georg Adam Struve, Grotii enucleati sive Controversiarum de jure belli ac pacis ex naturae ac Gentium institutis ad legitimam argumentandi formam redactarum disputatio I. exhibens libri I. & II. capp. VII., Jena 1660 [TMD II, num. 96]. Christoph A. Stumpf, The Grotian Theology of International Law. Hugo Grotius and the Moral Foundations of International Relations, Berlin 2006. Warren Swain, Contract as Promise  : The Role of Promising in the Law of Contract. An Historical Account, in  : ELR 17,1 (2013), S. 1–21. Richard Talaska, The Hardwick Library and Hobbes’ Early Intellectual Development, Charlottesville 2013. Tadashi Tanaka, Grotius’s Method  : With Special Reference to Prolegomena, in  : A Normative Approach to War. Peace, War, and Justice in Hugo Grotius, hrsg. v. Yasuaki Onuma, Oxford 1993. Jacob Ter Meulen und P. J. J. Diermanse, Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, Den Haag 1950. Jacob Ter Meulen und P. J. J. Diermanse, Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au XVIIe siècle, Den Haag 1961. Hans Thieme, Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, in  : ZRG (GA) 70 (1953), S. 230–266. Andreas Thier, Von der gehaltenen und der gebrochenen fides  : Zur fides in den Vertragsrechtskonzeptionen der Kanonistik seit dem 12. Jahrhundert, in  : Das Mittelalter 20 (2015), S. 327–343. Brian Tierney, Liberty and Law. The Idea of Permissive Natural Law 1100–1800, Washington 2014. Brian Tierney, Dominion of Self and Natural Rights before Locke and after, in  : Transformations in Medieval and Early-Modern Rights Discourse, hrsg. v. Virpi Mäkinen und Petter Korkman, Dordrecht 2006, S. 173–203. Brian Tierney, Historical Roots of Modern Rights. Before Locke and After, in  : Rethinking Rights. Historical, Political and Philosophical Perspectives, hrsg. v. Bruce P. Frohnen und Kenneth L. Grasso, Columbia 2009, S. 34–57. Brian Tierney, The Idea of Natural Rights. Studies in Natural Rights, Natural Law and Church Law 1150–1625, Atlanta, Georgia, 1997. Richard Tuck, Grotius, Carneades, and Hobbes, in  : Grotiana 4 (1983), S. 43–62.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

414 | 

Literaturverzeichnis

Richard Tuck, Natural rights theories. Their origin and development, Cambridge 1979. Richard Tuck (Hrsg.), The Rights of War and Peace. Hugo Grotius. Edited and with an Introduction by Richard Tuck. From the edition by Jean Barbeyrac, Bd. 1–3, Indianapolis, Indiana 2005. Richard Tuck, The Rights of War and Peace. Political Thought and the International Order from Grotius to Kant, Oxford 1999. Richard Tuck, Philosophy and Government 1572–1651, Cambridge 1993. Paulo Emílio Vauthier Borges de Macedo, Catholic and Reformed Traditions in International Law. A Comparison Between the Suarezian and the Grotian Concept of Ius Gentium, Cham 2017. B. P. Vermeulen, Grotius’ Methodology and System of International Law, in  : NILR 30,3 (1983), S. 374–382. B. P. Vermeulen und G. A. van der Wal, Grotius, Aquinas and Hobbes. Grotian natural law between lex aeterna and natural rights, in  : Grotiana 16–17 (1995–1996), S. 55–83. Simon Vissering, De rechts-taal van H. de Groot’s Inleiding tot de Hollandsche Rechtsgeleertheid, in  : De Gids 47 (1883), S. 313–340. Ernst Vollrath, Essenz  ; essentia, in  : HWPh, Bd. 2, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1972, Sp. 753–755. Hamilton Vreeland, Hugo Grotius, the Father of the Modern Science of International Law, New York 1917. Andreas Wagner, Francisco de Vitoria, in  : Great Christian Jurists in Spanish History, hrsg. v. Rafael Domingo und Javier Martínez-Torrón, Cambridge 2018, S. 84–97. Wolfgang Waldstein, Ius naturale im nachklassischen römischen Recht und bei Justinian, in  : ZRG (RA) 111 (1994), S. 1–65. André J. van der Walt, Der Eigentumsbegriff, in  : Das römisch-holländische Recht. Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, hrsg. v. Robert Feenstra und Reinhard Zimmermann, Berlin 1992, S. 485–520. Jan Waszink, University and Court. The case of Leiden, 1572–1618, in  : Early Modern Academic Culture, hrsg. v. Bo Lindberg, Stockholm 2019, S. 139–159. Jan Waszink, Using the Work. Remarks on the Text of De  Iure Praedae, in  : Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 215–245. Bart Wauters, Lessius and Grotius on property, in  : De rebus divinis et humanis. Essays in honour of Jan Hallebeek, hrsg. v. Harry Dondorp, Martin Schermaier und Boudewijn Sirks, Göttingen 2019, S. 467–480. Bart Wauters, Property, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 492–512. Hans Wehberg, Die Unterscheidung zwischen Natur- und Völkerrecht in der Lehre von Hugo Grotius, in  : Mensch und Staat in Recht und Geschichte, Kitzingen 1954, S. 227–232. Marc-Philippe Weller, Die Vertragstreue. Vertragsbindung –  Naturalerfüllungsgrundsatz – Leistungstreue, Tübingen 2009.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Literaturverzeichnis 

| 415

Karl Wellschmied, Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, in  : ZRG (GA) 82 (1952), S. 155–181. Karl Wellschmied, Zur Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid des Hugo Grotius, in  : TR 20,4 (1952), S. 389–440. Hans Welzel, Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, 4. Aufl., Göttingen 1962. Hartmut Westermann, Unterschied, spezifischer, in  : HWPh, Bd. 11, hrsg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Basel 2001, Sp. 313–325. Adalbert Wichert, Literatur, Rhetorik und Jurisprudenz im 17.  Jahrhundert. Daniel Casper von Lohenstein und sein Werk. Eine exemplarische Studie, Tübingen 1991. Franz Wieacker, Die vertragliche Obligation bei den Klassikern des Vernunftrechts, in  : Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag am 25. März 1974, hrsg. v. Günter Stratenwerth und Armin Kaufmann et al., Berlin 1974, S. 7–22. Franz Wieacker, Contractus und Obligatio im Naturrecht zwischen Spätscholastik und Aufklärung, in  : La Seconda Scolastica nella formazione del diritto privato moderno. Incontro di studi, Firenze 16–19 Ottobre 1972, hrsg. v. Paolo Grossi, Milano 1973, S. 223–239. Franz Wieacker, Notizen zur rechtshistorischen Hermeneutik, zit. nach der Veröffentlichung in  : Franz Wieacker, Ausgewählte Schriften, Bd. 1  : Methodik der Rechtsgeschichte, hrsg. v. Dieter Simon, Frankfurt am Main 1983. Wortgleich, jedoch mit abweichender Seitenzählung, erschienen als  : Franz Wieacker, Notizen zur rechtshistorischen Hermeneutik, Göttingen 1963. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit. Unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 2. Aufl., Göttingen 1967. Georg Wieland, Gesetz, ewiges, in  : HWPh, Bd. 3, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1974, Sp. 514–516. Alain Wijffels, Legal Scholastic and Humanist Influences on Grotius, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 387–408. Marc de Wilde, Fides publica in Ancient Rome and its reception by Grotius and Locke, in  : TR 79,3/4 (2011), S. 455–487. Eric Wilson, On Heterogeneity and the Naming of De Indis of Hugo Grotius, in  : JPIL 1 (2006), S. 72–115. Charles Wilson, Hugo Grotius and his world, in  : The World of Hugo Grotius (1583– 1645). Proceedings of the International Colloquium organized by the Grotius Committee of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences, Rotterdam 6–9 April 1983, Amsterdam 1984, S. 1–11. Laurens Winkel, Einige Bemerkungen über ius naturale und ius gentium, in  : Ars boni et aequi. Festschrift für Wolfgang Waldstein zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Martin Josef Schermaier und Zoltán Végh, Stuttgart 1993, S. 443–449. Laurens Winkel, Problems of legal systematization from De  Iure Praedae to De  Iure Belli ac Pacis. De Iure Praedae Chapter II and the Prolegomena of De Iure Belli ac Pacis compared, in  : Grotiana 26–28 (2005–2007), S. 61–78.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

416 | 

Literaturverzeichnis

Laurens Winkel, Rights, in  : The Cambridge Companion to Hugo Grotius, hrsg. v. Randall Lesaffer und Janne E. Nijman, Cambridge 2021, S. 259–274. Erik Wolf, Grosse Rechtsdenker der Deutschen Geistesgeschichte, 4.  Aufl., Tübingen 1963. Perez Zagorin, Hobbes without Grotius, in  : HPT 21,1 (2000), S. 16–40. Caspar Ziegler, In Hugonis Grotii De Jure Belli ac Pacis Libros, quibus Naturae & Gentium jus explicavit, Notae & Animadversiones subitariae, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1686 [TMD II, num. 111]. Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, Kapstadt 1990. Reinhard Zimmermann, Römisch-holländisches Recht – ein Überblick, in  : Das römisch-­ holländische Recht. Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, hrsg. v. Robert Feenstra und Reinhard Zimmermann, Berlin 1992, S. 9–58. Reinhard Zimmermann, Savigny’s Legacy. Legal history, comparative law, and the emergence of a European legal science, in  : LQR 112 (1996), S. 576–605.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister

I. Grotius 1. Adamus Exul 54–55: 76304 2. Annotata at Vetus Testamentum Ps. 15: 197874 3. Annotationes ad Novum Testamentum Rom. 1,31: 124517 Hebr. 6,10: 3481587 Hebr. 6,18: 3481587 4. Briefwisseling num. 36: 76304 num. 49: 76305 num. 53: 99399 num. 62: 76305 num. 86: 99402, 100404 num. 146: 100403 num. 161: 100403 num. 381: 134569 num. 384a: 55189 num. 405: 55189, 178774 num. 417: 178774 num. 427: 178775 num. 430: 178775 num. 432: 60218, 178775, 213937 num. 433: 178775 num. 450: 47150, 73284, 178777, 180 f., 183792, 187–189, 192 f., 196, 198, 201 f., 205–208, 211 f., 214–218, 2291020, 2841277, 2851282, 3561629, 3651677–1681, 3661682 num. 452: 47150, 178777, 210925 f., 211927–929 num. 454: 178777 num. 486: 177772 num. 567: 60217, 69266, 102412 num. 597: 222963 num. 699a: 55189 num. 741: 55189 num. 794: 223966

num. 974: 3821728 num. 1143: 72281, 223966 num. 1222: 72281, 223966 num. 1364: 72280, 225980 num. 1386: 223968 f. num. 1412: 134569 num. 1743: 43120 num. 6051: 76305 5. Defensio capitis quinti Maris Liberi fol. 238r: 139592 fol. 240v: 165723 fol. 250r: 156676 6. Defensio fidei Catholicae de Satisfactione Christi 2,9: 2551146 3,6: 200889, 3471576 3,8: 197870, 3431557, 3471576 f. 3,10: 197870, 3431557, 3471577 7.  Florum sparsio ad ius Iustinianeum D. 50,16,10: 3221459 D. 50,16,19: 2701213 f., 1220 Inst. 1,3,1: 139593 Inst. 3,15,1: 215945 8. De Imperio Summarum Potestatum circa Sacra 3,3: 158690 4,6: 156676, 210923 4,13: 210923 5,11: 210923 6,3: 3071398 9. Inleidinge tot de Hollandsche rechts-geleerdheid 1,1: 234 1,1,4–6: 225983 1,1,7: 225985 1,1,8: 225984, 987, 226990, 3431556

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

418 | 

Quellenregister

1,1,9–10: 225986 1,1,9: 2331039 1,1,10: 2511128 1,2,5–6: 3271480 2,1,47: 2461108, 2951335 2,1,57: 225986 2,1,58–59: 170745 2,1,58: 225987 2,1,59: 226988, 2301023, 1025, 3271480, 3431556 2,5,2–8: 2561150 2,5,2: 2471112 2,5,3: 2561153 2,5,5–6: 2561153 3,1: 72282, 73 f., 230, 240 3,1,1–20: 224974 3,1,1: 170745, 2301025 3,1,2–7: 2811264 3,1,2: 2311030 3,1,3–6: 3151430 3,1,3: 231 f. 3,1,4: 2321032, 233 3,1,5–13: 128535, 3041380 3,1,5–6: 159695, 2321033 3,1,5: 234, 3051388, 3091403, 3121414 3,1,6: 2321032, 237 3,1,7–9: 170745 3,1,7: 240 3,1,8: 2291018, 242 3,1,9–11: 3051388 3,1,9–13: 226996, 2321033 3,1,9: 226997, 2331039, 243, 2791249 3,1,10–11: 3121414 3,1,10–12: 159695 3,1,10: 186810, 244 3,1,11: 244 3,1,12: 2451099, 246, 2951335 3,1,13: 249 f. 3,1,14–18: 226997 3,1,14: 251 3,1,15–18: 2271000 3,1,15: 251 f. 3,1,16–17: 2271005 3,1,16: 2271007, 253 3,1,17: 2321032, 253, 2591166 3,1,18: 2271007, 2321034 3,1,19: 254 f.

3,1,20: 2291021, 257, 2791250 3,1,21–22: 2591164 3,1,21: 2291018, 2561154, 2891298, 3601652 3,1,24: 2411082 3,1,28: 2561149 3,1,44: 2381063 3,1,47: 2431089 3,1,48: 2361056, 2471113 3,1,49–53: 226998 3,1,49: 226999 3,1,50–53: 2591165 3,1,50: 2271002 3,1,51–53: 2591164 3,1,51: 2381066 3,2–5: 226998 3,2,12: 2481120 f. 3,4,8: 2381066 3,6–28: 2271002 3,6–29: 226999 3,6,1–2: 226999, 2271004, 2471114 3,6,2: 2591162 3,6,4–8: 2481115 3,6,5–6: 2271002 3,6,6–8: 2541143 3,6,10: 2271002, 2481118, 2591163 3,9,7: 2581157 3,14,4: 2591162 3,26–29: 2271003, 2481117 3,26,1: 2481118 3,26,2: 2271003 f., 2481117 3,28,13: 2411077 3,29,19: 2271000 f. 3,30: 2271001 3,30,12–14: 2581159 3,30,13: 2561154, 2591164, 3601652 3,31–38: 2271000 3,31: 2271005 f. 3,31,1–2: 2271005 3,31,2: 2531139 3,31,3–4: 2291021 3,31,3: 2541140, 1142, 258 f. 3,31,5: 2271006, 2541141 3,31,8–9: 2541140 3,31,11: 2531136 3,32–38: 2271007 3,32,1–2: 2271007

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister  3,32,4: 2391071 3,32,5: 2391070, 2791248 3,32,7: 2321034, 2391071 3,32,9–15: 2391071 3,32,12: 2551145 3,32,16: 2391072 3,40,6: 2411077 10. De Iure Belli ac Pacis prol. 1: 3131417 prol. 3: 2831276 prol. 5–7: 86353 prol. 8: 2761242, 2781246 prol. 11: 3511601 prol. 15: 2761242, 2871292 prol. 16–17: 86353 prol. 16: 104420, 126527, 217950, 2881293, 1295, 2961338 prol. 17: 188822, 3561629 prol. 22: 2871291 prol. 25–29: 2631174 prol. 25: 2641182 prol. 28: 86354 prol. 31–36: 2631169 prol. 33: 2631170 prol. 34: 2631174, 2641186 prol. 39: 3061392 prol. 40: 119493, 3061393, 355, 3561630, 3581638, 3591644 prol. 45–47: 2119 prol. 46–47: 355 prol. 46: 119493, 3581638 prol. 47: 3581638, 3591644 prol. 48: 3511604 prol. 49: 3511603 prol. 52: 60219 prol. 53: 42115, 47148, 60219 prol. 55: 47148, 60219 prol. 58: 2631175 1,1: 323, 330 1,1,2: 2631173 1,1,2,1: 2631171 1,1,3: 162705, 3301492 1,1,4–8: 162706 1,1,4–5: 3021370, 3331508 1,1,4: 331, 3421553 1,1,5: 40104, 170745, 3161433, 333, 3421554

1,1,6: 3431555 1,1,8,1: 3151431, 337, 3391539 1,1,9: 162707 1,1,9,1: 40104, 3131417, 3231462, 3301493, 3501595 1,1,9,2: 1586893501595 f., 3561629 1,1,10,1: 3501599 f., 3511601, 3521610 1,1,10,2: 3501596, 1600, 3511602 1,1,10,3: 3231462 1,1,10,5–6: 3531614, 3591643 1,1,10,5: 3501600, 3531615, 3601651 1,1,10,6: 3641673 1,1,11,1–2: 3521609 1,1,11,1: 188821, 3531614, 3591643 1,1,12: 3551625, 3581638 1,1,12,1: 305 f., 3561630 1,1,12,2: 3531614, 3591643 1,1,13: 3501597, 3561629 1,1,14: 3501597 1,1,14,1: 188822, 2881293, 3131417, 3561629, 3591642 1,1,14,2: 3581638 1,1,16: 3511604 1,1,17,2: 3241467, 3531614 f., 3591643 1,2,1–3: 3241467 1,2,1,5: 2641182 1,2,2,2: 158690 1,2,5,1: 3531614 f., 3631670 1,2,6,2: 3511603 1,3,1–2: 2631170 1,3,1: 2631173 1,3,1,2–1,3,2: 2641181 1,3,1,2: 2641182 1,3,17,1: 3161433, 3431555, 3681693 1,3,21: 170745 1,4,1: 2631173 1,5,1: 2631173 2,1–10: 265 2,1,1,1: 2631174 2,1,1,4: 2641182 2,1,2,2: 226992 2,1,10,1: 3391539 2,2–10: 226992 2,2,1: 2641182 2,2,2,5: 2951337 2,2,5: 3631669 2,4: 371 2,4,3: 91370, 371 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

| 419

420 | 

Quellenregister

2,4,4,1–2: 3711706 2,4,12,1: 2861287 2,5,3: 3151431, 338 f. 2,5,6: 134567, 3391537 2,5,7: 3391540 2,5,10,1: 2701219, 2801260, 302, 3711703 2,5,11: 2941326 2,5,30: 2911312, 3431555 2,6: 2761237 2,6,1–2: 2901305 2,6,1: 2851284 2,6,1,1: 2921318, 3711705 2,6,2: 2801260, 2941332 2,7,4,1: 3351521 2,8,8: 48154 2,8,19: 48154 2,11–13: 265 2,11–16: 226992, 265, 277, 376 2,11: 61223, 72282, 73, 264, 266, 269, 271, 273, 276 f., 279–283, 302, 350, 369, 376, 380 2,11,1–4: 3451568 2,11,1: 48154, 218956, 2691212, 2761240, 284, 345 2,11,1,1–2: 2831275 2,11,1,1–4: 2791255 2,11,1,1: 48155, 2811261 2,11,1,2–4: 3601649 2,11,1,2: 3601650 2,11,1,3–4: 3021371, 345 2,11,1,3–4,3: 282 2,11,1,3: 94379, 285 f., 3431556 2,11,1,4: 296 f., 2981344, 3581639, 3641672 2,11,1,5–2,11,3: 345 2,11,1,5–2,11,4,1: 128535, 3031372, 360, 368, 371 2,11,1,5: 2761238, 3031373, 3081400 2,11,2–2,11,4,1: 2761240, 3011365, 3451568 2,11,2: 309 f., 345, 3671685 2,11,3–2,11,4,1: 159695, 3671686 2,11,3: 311 f., 3131419, 315, 3411547, 345 2,11,4: 2761240, 3451568 2,11,4,1: 2761238, 2891300, 341, 345, 346, 356 f., 3621659 2,11,4,2–3: 345 2,11,4,2: 2841277, 3001357, 3131417, 345, 360 f., 371 2,11,4,3: 2891300, 345, 362, 366 f., 369, 371, 377 2,11,5: 2761240 2,11,5,1–2: 3391536

2,11,5,2: 3641672, 3661683 2,11,6: 2761240 2,11,6,2: 3741722 2,11,6,3: 2801256, 3741723 2,11,7: 2761240 2,11,7,2: 3641672 2,11,8: 2761240 2,11,8,1–2: 3391541 2,11,8,2: 2921320, 1322 2,11,8,3: 2941326, 3221460, 3641672 2,11,9: 2761240, 2941326, 3011367 2,11,10: 2761240, 3001361 2,11,11: 2761240, 3621663, 3711704 2,11,12–13: 2761240 2,11,14–16: 186811 2,11,14–18: 3141424, 3671688 2,11,14: 2761240, 3131422 2,11,15: 2761240 2,11,16–18: 2761240 2,11,19: 2761240 2,11,20: 2761240 2,11,21: 2761240, 3221460 2,11,22: 2761240 2,12: 73, 264, 266, 269–271, 275–277, 279 f., 2821266, 3021369, 376 2,12,1–6: 278 2,12,1–7: 268 f. 2,12,1: 271, 274 2,12,2: 271, 272–274, 2761238 2,12,3: 271 2,12,4: 271 2,12,5: 271, 2751233 2,12,6: 271 2,12,7: 269, 271, 273 2,12,8–11: 2791252 2,12,11,1: 2751233 f. 2,12,12–14: 2791253 2,12,15: 3391541 2,12,15,1: 2761237 2,12,15,2: 2751231 2,13: 89363, 266, 376 2,13,1: 3701701 2,13,1,1: 89363, 2661191 2,13,2–3: 91370 2,13,6: 2661191 2,13,13,2: 91370, 3101405

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister  2,13,19: 2931324 2,14–15: 265 2,14: 265 2,14,1,2: 2861287 2,14,4–5: 3011363 2,14,4: 3011362 2,14,5: 2861287 2,14,6: 3241464 2,14,6,1: 2831274, 3171439, 320–322 2,15: 265 f. 2,15,8–10: 86355 2,15,13,3–4: 2941326, 3391541 2,15,15: 81327 2,16: 89363, 264 f., 275, 277, 369, 371, 373 2,16,1,1: 91370, 369 f. 2,16,2: 89363 2,16,10: 2751235 2,16,16: 2941326 2,16,25,2: 3011367 2,16,29: 48154 2,17: 226992, 2801256, 3741723, 3751725 2,17,2,1: 3361526 2,17,2,2: 3321501 2,20,18: 3711706 2,20,48,2: 134567 2,21,12: 134567 2,22,16: 2431089, 329 3,1,1: 2651187 3,1,11,1: 3731719 3,1,18: 3431557 3,4,2,2–3: 3241467 3,9,8–9: 87358 3,19–24: 2865 3,19: 81333, 2651188 3,19,1,1: 2651187 3,19,1,2: 3431557, 3721710 3,19,1,3: 3431557 3,20: 2651188 3,21: 2651188 3,22: 2651188 3,23: 2651188 3,23,6: 3701701 3,24: 2651188 3,25: 2651188 11. De Iure Praedae

| 421

cap. I–IX: 138589 cap. I-X: 99 cap. I: 119, 136 cap. I, fol. 4v: 3511604 cap. II, fol. 5r–v: 117480 cap. I, fol. 5r: 120499, 136579 cap. II: 100 f., 119, 131552, 148640, 149, 231 cap. II, fol. 5v: 117484, 119491, 128534 cap. II, fol. 5ar: 119491 cap. II, fol. 6r–v: 131552 cap. II, fol. 6r: 107436, 112455, 128534 cap. II, fol. 6v–7r: 107438 cap. II, fol. 6v: 117480, 128534, 135575, 188820 cap. II, fol. 7r–v: 103416, 107432 cap. II, fol. 7r: 103 f., 107437, 119488 cap. II, fol. 7v: 115472 f. cap. II, fol. 8r–v: 108 f., 113460, 115473 cap. II, fol. 8r: 103–105, 106430, 107, 158689 cap. II, fol. 9r–v: 111 cap. II, fol. 10r–v: 91370, 122 cap. II, fol. 10r: 103416, 113, 118, 128534, 131, 137, 144 f., 163711 cap. II, fol. 10v: 115471, 128, 198880, 2291019, 3041380 cap. II, fol. 11r–v: 126527, 2871292 cap. II, fol. 11r: 128534, 142609 cap. II, fol. 11v: 117481, 128534, 136576, 2881294 cap. II, fol. 12r: 97390, 128534 cap. II, fol. 12v: 97390, 117481, 125521, 128534, 136577 f. cap. II, fol. 13r: 116478 cap. II, fol. 14r: 98394, 116476, 128534, 149648 cap. III, fol. 16v: 114463 cap. V, fol. 26v: 98394 cap. VII–VIII: 101 cap. VII: 98394, 101, 129, 149, 151, 157, 231, 2631174 cap. VII, fol. 29v: 97393, 110447, 130540, 131552, 143614, 146632, 149649 f., 171747 cap. VII, fol. 30r: 110447, 130540, 171746 cap. VII, fol. 30v: 118487, 120494 cap. VII, fol. 31v–32r: 149650 cap. VII, fol. 31v: 108439 cap. VII, fol. 32v: 125522 cap. VIII: 101 cap. VIII, fol. 37r–v: 97390 cap. VIII, fol. 40r: 126527, 136580 cap. VIII, fol. 42r: 48154, 138585

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

422 | 

Quellenregister

cap. VIII, fol. 44r: 2641181 cap. VIII, fol. 44v: 116478 cap. VIII, fol. 47v: 116478 cap. VIII, fol. 48v: 81333 cap. VIII, fol. 50v: 126528 cap. VIII, fol. 51r: 81333, 127531, 143616, 144621 cap. VIII, fol. 51v: 126528 cap. X, fol. 68r: 107432, 171748 cap. XI–XV: 81327, 99 cap. XI: 77306 cap. XII: 30, 100, 104420, 131552, 138589, 139592, 156682 cap. XII, fol. 95v: 100406 cap. XII, fol. 96r: 100406 cap. XII, fol. 96v: 104420 cap. XII, fol. 97v: 48154 cap. XII, fol. 100v–102v: 131552 cap. XII, fol. 102v: 48154 cap. XII, fol. 110v: 60216, 138585 cap. XII, fol. 116v: 131552 cap. XII, fol. 121v–122r: 81327 12. Mare Liberum Ad Principes, fol. 4v–5r: 139592 Ad Principes, fol. 5r: 3171 cap. I, S. 1–2: 104420 13. Meletius 1,7: 200889 1,9–11: 70268 3,29: 70268 3,50: 200889 4,83–84: 123511 14. Observationes iuridicae contra pacem cum Archiduce Alberto fol. 308r–313r: 100403 15. Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas 34–63: 70268 89–94: 70268 16. Parallelon Rerumpublicarum cap. IV: 92 cap. IV, S. 40: 78314 cap. VI: 75, 78–92

cap. VI, num. 1: 78314 cap. VI, num. 3: 84345 cap. VI, num. 7: 78314 cap. VI, num. 10: 84345 cap. VI, num. 11: 80 cap. VI, num. 15: 82, 86352 cap. VI, num. 41–42: 87357 cap. VI, num. 45: 87357 cap. VI, num. 54: 84, 88361 cap. VI, num. 55–56: 85 cap. VI, num. 56: 87 cap. VI, num. 58: 84346 cap. VI, num. 61–62: 88 cap. VI, num. 62–63: 89 cap. VII: 78, 92–94 cap. VII, S. 102: 78313, 91 f. 17. Philosophorum sententiae de fato 166: 133560 189: 133558 246: 133559 344: 133557 18. Theses LVI fol. 287r–v, Thesen 1–20: 153 fol. 287r, Thesen 1–3: 158 fol. 287r, Thesen 1–5: 153 fol. 287r, Thesen 1–8: 154 fol. 287r, These 1: 157683, 158, 159 fol. 287r, These 1, Randnotiz: 157683, 160, 176 fol. 287r, These 1 oder Thesen 1–2, Randnotiz: 161 fol. 287r, Thesen 2–3: 162703 fol. 287r, Thesen 2–5: 175 f. fol. 287r, These 2: 159, 162 fol. 287r, Thesen 3–4: 159 fol. 287r, Thesen 3–5: 128535, 2291020, 3041380 fol. 287r, These 3: 162, 163 f., 166 f., 173, 177 fol. 287r, These 3, Randnotiz: 163 f., 166, 169, 173755 fol. 287r, These 4: 165, 166 f., 170, 173–175, 177 fol. 287r, These 4, Randnotiz: 163710, 167 f., 169, 175, 197 fol. 287r, These 5: 165, 167 fol. 287r, Thesen 6–7: 153 fol. 287r, Thesen 6–9: 173

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister  fol. 287r, These 6: 167733, 168739 fol. 287r, These 7: 167733, 168739 fol. 287r, These 8: 153, 168739 fol. 287r, These 9: 153, 167733 fol. 287r–v, These 10–13: 154 fol. 287v, Thesen 14–16: 154, 172754 fol. 287v, Thesen 14–20: 154 fol. 287v, These 14: 164, 166, 169 f., 172–175 fol. 287v, These 14, Randnotiz: 170 fol. 287v, These 15: 172 fol. 287v, These 15, Randnotiz: 172753 fol. 287v, These 16: 163710, 164, 166, 169 f., 172, 173–175, 203902 fol. 287v, These 17, Randnotiz: 162703 fol. 287v, These 19: 162703 fol. 288r–289r, Thesen 21–45: 153 fol. 288r, These 21: 2871292 fol. 288r, These 23: 162703 fol. 289v–290v, Thesen 46–56: 153

II. Antike und byzantinische Quellen 1. Talmud Bava Kama 10,4: 296 2. Septuaginta Ps. 15,4 (14,4): 197874 3. Vulgatbibel Gen. 9,26: 159 Gen. 25,23: 159 Ex. 22,3: 172753 Num. 30,4–6: 356, 358 Num. 30,5: 208, 3661682 Neh. 9,8: 346, 3481583 1 Macc. 7,18: 321 1 Macc. 7,32: 321 Ps. 12 (11): 118 Ps. 15 (14): 196–198 Ps. 15,4 (14,4): 165, 197 Prov. 1,2: 3571637 Prov. 6,1–2: 357 Prov. 6,1: 3571637 Prov. 6,2: 3571637 Prov. 6,16–17: 3571637

Prov. 20,28: 321 Mt. 23,23: 321 Rom. 1,31: 58, 122, 124, 198880 1 Cor. 1,7–9: 3481586 1 Cor. 1,9: 348 1 Cor. 1,19: 346, 348 1 Cor. 10,13: 346, 3481583 1 Thess. 5,24: 200889, 346 f., 3481583 2 Thess. 3,3: 346, 3481583 2 Tim. 2,13: 200889, 346 f., 3481583 Hebr. 6,9: 199 Hebr. 6,10: 198 f., 3481587, 3491588 Hebr. 6,17–18: 3481587 Hebr. 6,18: 200889, 346 f., 3481582, 1583, 1587 Hebr. 10,23: 198, 346 f., 3481583 1 Petr. 3,21: 215946 4. Vorjustinianische Rechtsquellen Gai. Inst. 3,89: 42114, 44123, 2271009 Epit. Gai. 17,4: 361 Paul. sent. 2,14,1: 361 Paul. sent. 5,7,1: 361 XII Tab: 172753 5. Justinianische Rechtsquellen C. 2,3: 3631667 C. 4,35,21: 137–139, 192846 C. 6,50,1: 3241465 C. 6,50,9: 3241465 D. 1,1,1,3–4: 3689 D. 1,1,10 pr.–1: 93375 D. 1,3,1: 2881294 D. 1,3,2: 3689, 286 D. 1,5,4 pr.: 3341511 D. 1,5,4,1–2: 138587, 589 D. 1,6–7: 133, 139 D. 1,6,1 pr.: 135, 140 D. 2,1: 3631667 D. 2,14: 3631667 D. 2,14,1: 42114, 130, 219 D. 2,14,1 pr.: 56, 118, 120494, 189828,832, 190835, 297, 2981344 D. 2,14,1,2: 2481115 D. 2,14,1,3–4: 180, 184 D. 2,14,1,3: 182791, 186809 D. 2,14,7: 42114, 44122

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

| 423

424 | 

Quellenregister

D. 2,14,7 pr.–2: 50162 D. 2,14,7,2: 42112, 270, 3171437 D. 2,14,7,4–5: 42112 D. 2,14,7,4: 3171437 D. 2,14,45: 44122 D. 4,4,1: 189832, 208 D. 4,4,1 pr.: 210 D. 4,2,21,5: 144621 D. 5,3,25,11: 111 f., 3241465 D. 13,5,1: 219 D. 13,5,1 pr.: 118, 120494, 189832, 297–299 D. 15,1,41: 3231461 D. 19,5,5: 171748 D. 19,5,5,1: 42113 D. 19,5,8: 44122 D. 19,5,15: 44122 D. 24,3,2 pr.–1: 133556 D. 33,10,7 pr.: 122 D. 39,3,9,2: 118, 120494 D. 39,5,1: 321 D. 44,4,2,3: 42111 D. 44,7,1 pr.: 109 D. 44,7,1,1–15: 42114 D. 44,7,2: 42114 D. 44,7,32: 109 D. 44,7,38: 122 D. 45,1: 3631667 D. 45,1,5 pr.: 185803 D. 45,1,5,1: 181787, 182791, 184802 D. 45,1,126,2: 44130 D. 46,1,16,3–4: 44130 D. 46,1,16,4: 3231461 D. 46,1,56,2: 52173 D. 46,3,5,2: 56 D. 46,3,80: 57200 D. 47,2,55 (54): 144 D. 47,10,1,5: 118487, 120494 D. 50,1,54: 214 D. 50,12: 235, 2471113 D. 50,12,2,1: 133556 D. 50,12,3: 2351053 D. 50,12,3 pr.: 2351053 D. 50,16,19: 42114, 49, 62, 269 f., 273 D. 50,17,1: 100408 D. 50,17,35: 57 D. 50,17,54: 210

D. 50,17,84 pr.: 300 D. 50,17,84,1: 52, 56, 297, 299 f. D. 50,17,206: 252 Inst. 1,1 pr.: 3371531 Inst. 1,2 pr.: 3689 Inst. 1,2,11: 205 f. Inst. 1,3: 137 Inst. 1,3,1–2: 138 Inst. 1,3,1: 3341511, 1513 Inst. 1,8: 133, 139 Inst. 1,8 pr.: 135, 140 Inst. 2,1,40: 65, 118 f., 141, 192, 219, 297 Inst. 3,13 pr.: 2421083 Inst. 3,13,2: 42114, 44123, 2271009 Inst. 3,14,1: 270 Inst. 3,15: 3631667 6. Basiliken B. 28,8,2: 133556 B. 54,13,2: 133556 7. Literarische Autoren Apul. Plat. 2,7 [229]: 113, 128, 297 Aristot. eth. Nic. 3,6 [1113a17–18]: 113 Aristot. eth. Nic. 5,3 [1129b]: 2321035 Aristot. eth. Nic. 5,5–8 [1130b–1133b]: 106426 Aristot. eth. Nic. 5,5 [1131a2–3]: 109 Aristot. eth. Nic. 5,6–7 [1131a–1132b]: 104421 Aristot. eth. Nic. 5,6–7 [1131a9–1132b20]: 109 Aristot. eth. Nic. 5,7 [1132b11–20]: 106431 Aristot. eth. Nic. 5,11 [1136b13–14]: 118 Aristot. pol. 1,2 [1253a7–9]: 104 Aristot. pol. 1,2 [1253a14–18]: 122, 193848 Aristot. pol. 1,6 [1255a6]: 2881294 Aristot. pol. 3,13 [1283a38]: 104 Aristot. pol. 6,2 [1317b10–13]: 137 Aristot. rhet. 1,5,7 [1361a19–22]: 137 Aristot. rhet. 1,6,2 [1362a25–26]: 113 Aristot. rhet. 1,13 [1373b29–31]: 118487 Aristot. rhet. 1,15,21 [1376b9–10]: 286, 2881296 Aristot. top. 1,8 [103b15–16]: 183794 Cic. fin. 3,67: 3689 Cic. fin. 5,67: 93376 Cic. leg. 1,17: 3071395 Cic. leg. 1,45: 3689 Cic. nat. deor. 3,38: 93376

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister  Cic. off. 1,7–8: 3251468 Cic. off. 1,15: 93373 Cic. off. 1,20: 93374 Cic. off. 1,23: 118, 130, 189829, 297, 3101407 Cic. off. 1,32: 53177 Cic. off. 1,39: 82335 Cic. off. 1,40: 90368, 370 Cic. off. 2,40: 270 Cic. off. 2,64: 270 Cic. off. 3,13–15: 3251468 Cic. off. 3,99–115: 82335 Cic. off. 3,101: 83338, 86351 Cic. off. 3,104: 83339 Cic. off. 3,105: 86351 Cic. off. 3,107–108: 89363 Cic. off. 3,107: 85348, 89364 Cic. off. 3,108: 89365 Cic. off. 3,110–111: 83338 Cic. off. 3,110: 86351 Cic. off. 3,111: 83339 Cic. off. 3,113: 82336, 89363, 90368 Cic. rep. 3,19: 3689 Demosth. 25,65: 3689 Don. comm. Ter. 102,2: 357 Hor. carm. 1,24,6–7: 2971341 Ov. met. 2,51: 357 Plat. Alk. 1 [109a–b]: 146631 Plat. leg. 11 [920d]: 118 Plat. rep. 1,5 [331c–d]: 128, 189830, 191836, 297 Plat. rep. 1,5 [331c]: 128536 Plat. rep. 1,5 [331d]: 128536 Plat. rep. 1,5 [331e–333a]: 191836 Plat. rep. 2,20 [382b]: 144 Plat. rep. 3,19 [413a6]: 145 Plut. Cat. Ma. 5,2: 3211454 Plut. de stoic. rep. 9 [1035c]: 119491 Ps.-Acro in Hor. carm. 3,29,59: 357 Ps.-Acro in Hor. epist. 2,2,174: 3331505 Ps.-Acro in Hor. sat. 2,3,213–217: 3331505 Sen. benef. 3,14–15: 112457 Sen. benef. 3,14,3: 111 Sen. benef. 5,21,1: 361 Sen. benef. 6,7,3: 3689 Sen. epist. 19,1: 361 Varro ling. 6,42,1: 270 Xen. mem. 4,4,24: 111

| 425

III. Mittelalterliche Quellen 1. Glossen zum Corpus Iuris Civilis C. 2,3,14 solemnem ordinem: 45131 D. 2,14,1,3 consensum: 45131 D. 2,14,7,4 causa: 44125 D. 2,14,7,4 igitur: 44125 D. 2,14,7,5 quinimmo: 44124, 126 D. 2,14,17,1 tolluntur: 45131 D. 44,4,2,3 sine causa: 44129 D. 46,3,95,4 iusto pacto: 45131 D. 50,17,84,1 is natura: 45131 2. Corpus Iuris Canonici X. 1,2,1: 321 X. 1,35,1: 45134 X. 5,41: 100408 VI. 13: 100408 3. Autoren und Werke Aquinas, STh Ia qu. 3 a. 3 resp.: 183795 Aquinas, STh Ia qu. 21 a. 1 resp.: 106426 Aquinas, STh Ia qu. 22 a. 2 ad 5: 131550 Aquinas, STh Ia–IIae qu. 1 a. 1 resp.: 131550 Aquinas, STh Ia–IIae qu. 6 a. 2 ad 2: 131550 Aquinas, STh Ia–IIae qu. 91 a. 1 resp.: 187817 Aquinas, STh Ia–IIae qu. 93 a. 1 resp.: 187817 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 32: 3261475 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 58 a. 2: 2321035 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 61 a. 1 resp.: 106426 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 61 a. 2 resp.: 106426 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 61 a. 2 ad 2: 106426 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 62: 110445 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 resp.: 2321036, 3101407, 3261475 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 80 ad 3: 123512, 2321036, 3101407 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 1: 3041382 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 1 resp.: 64242, 167731, 3671689 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 3 resp.: 3101407 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 88 a. 3 ad 1: 3101407, 3261475 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 106 a. 5–6: 3261475 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 109 a. 3: 122 Aquinas, STh IIa–IIae qu. 110 a. 1 resp.: 3101407

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

426 | 

Quellenregister

Aquinas, STh IIa–IIae qu. 110 a. 3 ad 5: 123512, 2351046, 3101407 Baldus, Super Tribus Libris Codicis ad C. 2,4,43: 321 Baldus, Super Tribus Libris Codicis ad C. 3,34,2: 321 Baldus, Super Quarto et Quinto Libris Codicis ad C. 4,6,10: 321 Baldus, Super Quarto et Quinto Libris Codicis ad C. 5,11 num. 1: 46139 Baldus, Super Quarto et Quinto Libris Codicis ad C. 5,11 num. 2: 47145 Baldus, Super Sexto Libris Codicis ad C. 6,23,3: 321 Baldus, Super Sexto Libris Codicis ad C. 6,50,1: 322 Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus ad D. 1,3,31: 321 Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus ad D. 2,14,1: 321 Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus ad D. 2,14,1 num. 1: 346 Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus ad D. 2,14,27,2 num. 16: 46144 Baldus, Tomus Primus in Digestum Vetus ad D. 5,3,25,11: 322 Baldus, Tomus Secundus in Digestum Vetus ad D. 12,6,19: 321, 3221458 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,1 pr. num. 1: 2351053 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,4 num. 1: 46139 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,5: 45136 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,5 num. 1–2: 45136 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,5 num. 12–16: 45136 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,7,5 num. 20–21: 45138 Bartolus, In Primam Digesti Veteris Partem, ad D. 2,14,27,2 num. 16–17: 46144 Bartolus, In Primam Digesti Novi Partem, ad D. 41,2,17 num. 4: 138590 Maimonides, Dalālat al-ḥā’irīn 3,54: 321

IV. Neuzeitliche Quellen (außer Hugo Grotius) Connan, Commentariorum Iuris Civilis 1,6,4: 51167 f. Connan, Commentariorum Iuris Civilis 1,6,10: 218952 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 1,6,12–13: 53174 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 1,6,12: 53176, 54180 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 2,3,2: 188818 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,1,4: 49160 f., 2691211 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,1,5: 50162, 51168, 53175–177, 2831275 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,1,6: 51168, 52171–173, 2991353 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,1,7: 53174, 54178–180 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,2,2: 50163 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 5,2,3: 50163 Connan, Commentariorum Iuris Civilis 7,6,4–6: 2841280 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis 2,4,8: 213938 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis 2,4,11–12: 3241466 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis 2,4,21: 204909, 3631668 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis 2,4,25: 63240 Covarruvias, Relectio in cap. quamvis pactum de pactis 2,4,27: 63240 Duaren, In eundem Titulum de Pactis Commentarius, ad D. 2,14,7 pr.–1: 204909 Heineccius, Elementa Iuris Naturae ac Gentium 1,390: 54181 Wilhelm Grotius, Disputatio Iuridica Trigesima Secunda, De Verborum Obligationibus, These 1: 182 Wilhelm Grotius, Disputatio Iuridica Trigesima

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Quellenregister  Secunda, De Verborum Obligationibus, These 1 a): 187813 Hobbes, De Cive, 2,3–5: 159695, 2441094 Hobbes, De Cive, 2,4–5: 75295 Hobbes, De Cive, 2,9–10: 2811265 Hobbes, De Cive, 2,9: 159695 Hobbes, Leviathan 14: 75295, 159695, 162703, 2441094, 2811265 Hobbes, Leviathan 15: 86353 Kant, Metaphysik der Sitten §§ 18–19: 75297 Kant, Metaphysik der Sitten § 19: 17 Lessius, De Iustitia et Iure 2,3,2,11: 209919 Lessius, De Iustitia et Iure 2,4,1,1: 131550, 209919 Lessius, De Iustitia et Iure 2,4,1,2: 64245 Lessius, De Iustitia et Iure 2,7,4,15–16: 109444 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17: 61226 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,1,1–2: 61229 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,1,1–3: 2731227 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,1,4: 62230 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,1,5: 62230, 232, 2731228 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,3,14: 62234 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,4,19–20: 63236, 209918, 920 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,4,19: 62234 f., 3641674 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,4,20: 210924, 3641674 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,4,21–22: 63238 Lessius, De Iustitia et Iure 2,17,4,21: 63237, 204909 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18–28: 61227 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,1: 62232 f., 2731227 f. Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,2–3: 63242 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,2: 167731, 3671689 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,4: 167731 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,5: 63242 f., 3101407, 3161434 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,6–7: 3721712 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,1,6: 64245 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,2,16: 62232, 2351053, 2731228 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,5,28–33: 63246 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,6,34: 63240 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,6,37: 63240

| 427

Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,6,39–40: 63240 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,52: 64244 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,53–56: 64245 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,53: 3161434 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,55: 64244, 3041384, 3161434 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,56–57: 3261474 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,57: 3161434 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,58: 3721712 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,60: 3731718 Lessius, De Iustitia et Iure 2,18,8,61: 3721712 Lessius, De Iustitia et Iure 2,24,1,5: 3161434 Molina, De Iustitia et Iure 2,252–261: 61226 Molina, De Iustitia et Iure 2,252,3: 62232, 2351053 Molina, De Iustitia et Iure 2,252,4: 61229, 2731227 Molina, De Iustitia et Iure 2,252,6: 61230, 2731228 Molina, De Iustitia et Iure 2,252,7: 61231 Molina, De Iustitia et Iure 2,255,2: 62232, 63239 Molina, De Iustitia et Iure 2,255,7: 63237, 204909 Molina, De Iustitia et Iure 2,257,1–2: 62234 Molina, De Iustitia et Iure 2,257,1: 62235, 63237 f., 204909, 2411080 Molina, De Iustitia et Iure 2,258,9: 63237, 204909, 3271478 Molina, De Iustitia et Iure 2,262–575: 61227 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,1–2: 63242 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,1: 62233, 64243, 2411080, 2731227 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,2–3: 64245 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,3: 64244, 2411080 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,5: 64244 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,8–11: 2411080 Molina, De Iustitia et Iure 2,262,11: 64245 Molina, De Iustitia et Iure 2,263,1: 62232, 2731228 Molina, De Iustitia et Iure 2,263,11–12: 63239 Molina, De Iustitia et Iure 2,263,13: 63239 Molina, De Iustitia et Iure 2,266,8–21: 64246 Molina, De Iustitia et Iure 2,266,9: 64247, 141607, 192847 Molina, De Iustitia et Iure 2,266,10: 63239 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 4: 75296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 22– 23: 75296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 44: 75296

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

428 | 

Quellenregister

Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 55: 75296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 73: 75296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 108–109: 75296 Pothier, Traité des Obligations, tom. 1 num. 112: 75296 Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium 3,5,9–10: 54182 Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium 3,5,9: 51169 Pufendorf, De Iure Naturae et Gentium 5,2,3: 204909 de Soto, De Iustitia et Iure 3,2,2: 2321035 de Soto, De Iustitia et Iure 3,5,3: 63240 de Soto, De Iustitia et Iure 4,1,2: 131550 de Soto, De Iustitia et Iure 4,5,1: 131550, 209918–920, 210924 de Soto, De Iustitia et Iure 4,5,3: 213935 de Soto, De Iustitia et Iure 6,2,1: 61229, 62230, 2711223, 2731227 de Soto, De Iustitia et Iure 7,1,2: 3041385, 3671689 de Soto, De Iustitia et Iure 7,2,1: 64242–244, 65246 de Soto, De Iustitia et Iure 8,1,1: 64242, 3041385 Suárez, De Legibus 1,2,5: 3321498 Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis 2,2,10–21: 3051386 Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis 2,2,12: 3051386 Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis 2,2,21: 2351053, 3051386

Suárez, De Libertate Divinae Voluntatis 2,2,23: 2381062 Suárez, De Statu Perfectionis et Religionis 8,5,4: 209920 Vázquez, Controversiae Illustres 1,3,1: 3221458 Vázquez, Controversiae Illustres 1,17,4–5: 137, 138586 Vázquez, Controversiae Illustres 1,17,5: 140599, 2881294 Vázquez, Controversiae Illustres 1,17,6–7: 138588 Vázquez, Controversiae Illustres 1,28,12: 2881294 Vázquez, Controversiae Illustres 1,44,5: 2881294 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 29: 209918, 920 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 32: 213935 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 34: 209918 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 62 a. 1 num. 35–36: 213935 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 88 a. 1 num. 5: 64246 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 103 a. 4: 216947 Vitoria, Commentarii in IIam–IIae, qu. 103 a. 4 num. 3: 216947 Vitoria, De Indis, rel. I num. 20: 131550 Wesenbeck, Paratitla, ad D. 2,14, num. 3: 2351053 Wesenbeck, Paratitla, ad D. 2,14, num. 9: 56192–195, 57196 f., 201 f., 58203 f., 207, 204909

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Personenregister Es wird auf das Quellenregister verwiesen. Dort enthaltene Verweise werden hier nicht erneut aufgeführt. Accursius: 42115, 45132, 51169 Acro, Helenius: 357 Alberti, Valentin: 3531613 Alciat, Andrea: 50, 51169 Alexander von Aphrodisias: 134 Althusius, Johannes: 166728 Ambrosius von Mailand: 325, 327 Apuleius von Madauros: 107438, 128 f., 297, 2981347, 3161434, 358 Aquin, Thomas von: 64, 106, 109 f., 113, 123, 150, 226, 232, 268, 304, 3101407, 3721712 Aristoteles: 2119, 26, 49, 50165, 93 f., 104–106, 107438, 110, 113, 118 f., 120494, 134565, 138, 139593, 150, 183, 222959, 226, 232, 268, 270, 272, 285, 2881294, 1296, 337 Arminius, Jacobus: 69, 134 f., 3531615 Atilius Regulus, Marcus: 82 f., 86, 88, 90, 204, 3701701 Augustinus: 134, 199882, 887, 3041385, 3541622 Azpilcueta, Martín de (Dr. Navarrus): 167731 Baldus de Ubaldis: 43, 47, 58204, 60, 61221, 114470, 212932, 2711223, 346 Barbeyrac, Jean: 20, 73, 3131420, 3141425, 3161436, 3241465, 332, 3331505, 3341511, 3381534, 3401544, 3411549, 346, 3481586, 3621666, 3651675, 376 Bartolus de Saxoferrato: 42115, 43, 46, 138, 140, 160699, 192846, 298, 3611657 Beriga, Pacius de: 48152 Bertius, Petrus: 76300, 304 Blaeu, Johannes: 345 Boecler, Johann Heinrich: 2014–16 Budé, Guillaume: 50165 Bullinger, Heinrich: 216947 Cajetan, Tommaso de Vio: 65, 2411080, 2521135 Calvin, Jean: 199882, 887, 3491593, 3531615 Le Caron, Louis: 51169, 2831272 Castro, Paolo de: 43 Cato der Ältere: 321

Chrysippos von Soloi: 119491 Cicero, Marcus Tullius: 26, 49, 54, 82 f., 86, 89 f., 92 f., 99400, 103, 107438, 118 f., 122, 129, 189–191, 204, 219, 222959, 266, 297, 3041385, 3061393, 307, 3381532, 358, 369 f. Cocceji, Heinrich / Samuel: 2021, 3161436 Connan, François de: 24, 26, 47149 f., 48–56, 57197, 58 f., 62, 94, 110, 116, 138585, 188, 190, 192, 203 f., 213, 216–219, 229, 269 f., 279, 282–288, 296 f., 299 f., 3131421, 345, 358, 360, 376, 379 f. Covarruvias y Leyva, Diego de: 43117, 63237, 241, 81328, 167731, 231, 2521135, 3241466, 3641674 Cujas, Jaques (Cuiacius): 47149 f. Demosthenes: 126527, 285, 2881294 Donatus, Aelius: 357 Doneau, Hugues (Donellus): 47149, 48152, 160699 Le Douaren, François (Duarenus): 51169 Dumoulin, Charles: 166728 Epiktet: 134 Euripides: 89365 Eustathios von Thessalonike: 356–358 Faber, Antonius (Favre, Antoine): 47149, 48155, 138585 Felden, Johann von: 2013, 2841278, 2951334, 3491591, 3621666 Florentinus: 137 f., 334 Gaius: 49160, 2421085, 361 Gerson, Jean: 138 Gothofredus, Dionysius: 191841 Graswinckel, Theodorus Johannes: 3491591, 3621666 Groenewegen van der Made, Simon van: 2118 Gronovius, Johann Friedrich: 2015, 2351053, 3421550, 3531612, 3621665, 3671687 Grootenhuys, Jan ten: 99399 Grotius, Jan: 59213 Grotius, Wilhelm: 30, 43120, 47150, 55, 59213,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

430 | 

Personenregister

60, 67254, 72 f., 177–188, 191, 195862, 214, 217–219, 222 f., 2751233, 2841277, 285 Grynaeus, Samuel: 134 Hedinger, Johann Reinhard: 2012 f., 2691207 Heineccius, Johann Gottlieb: 2121, 51169, 54, 71273, 2741230, 2751232, 2761236, 2871289, 2881297, 2961339, 3261477, 3441563, 3511601, 3641672 Henniges, Heinrich: 2012, 2921319, 3091404, 3141425, 3201450, 3381534, 3401544, 3531612 Hermogenian: 44122, 109 Hobbes, Thomas: 11, 75, 97389, 391 Hogerbeets, Adriaen: 55189 Horaz: 160699, 297, 299, 333, 356–358 Hotman, François: 47149 Irnerius: 42115 Julian, Publius Salvius: 44130, 3231461 James I. Stuart: 68260, 196 Jason de Mayno: 43 Jungius, Joachim: 182789 Justinian: 137, 205, 224979, 225980 Kant, Immanuel: 17, 75 Karneades von Kyrene: 86353, 282 f. Keessel, Dionysius Godefridus van der: 2118, 224974 Kulpis, Johann Georg von: 2012, 2691207 Labeo, Marcus Antistius: 49161, 122, 269 f., 2711223 Leo XIII. (Papst): 71273 Lessius, Leonardus (Lennaert Leys): 26, 43117, 61–65, 109 f., 114470, 209 f., 213, 2481115, 2711223, 273, 278, 3101407, 3261474, 3501594, 3621664, 3701700, 3721710, 384 Lingelsheim, Georg Michael: 76305, 99402 Ludwig XIII.: 70 Luther, Martin: 199882, 3491593 Machiavelli, Niccolò: 2831276 Maimonides, Moses: 321, 323, 328 Marcian, Aelius: 3689, 286 Melanchthon, Philip: 215946, 2731227, 3531615 Mendoza y Mendoza, Francisco Lopez de: 85, 86, 88, 283 Merula, Paulus: 225980 Meulen, Wilhelm van der: 2021 Molina, Luis de: 26, 43117, 61–65, 114470, 141, 194860, 2411080, 2481115, 2711223, 273, 278, 289, 3621664, 384

Moritz von Nassau: 69, 98395 Mynsinger von Frundeck, Joachim: 191841 Navarrus siehe Azpilcueta, Martín de Nicolaus de Tudeschis siehe Panormitanus Obrecht, Ulrich: 2121 Oldenbarnevelt, Johan van: 67255, 68 f., 71273, 76, 100403, 196 Oñate, Pedro de: 141 Origenes: 134 Osiander, Johann Adam: 2014, 167731 Ovid: 357 f. Panaitios von Rhodos: 92 Panormitanus, Abbas (Nicolaus de Tudeschis): 56194, 57196, 63241 Papinian, Aemilius: 44122, 2881294 Paul V. (Papst): 100405 Paulus, Iulius: 42113, 44130, 52171, 173, 57, 100408, 118 f., 120494, 122, 144621, 171748, 296 f., 360 f. Pedius, Sextus: 180, 184 f. Platon: 112457, 118, 119491, 126, 128, 144–146, 201–204, 222959, 237, 261, 2881294 Plutarch: 321 Pomponius, Sextus: 52173, 57199, 181, 182791, 183–186, 219, 2521133, 3651681 Pothier, Robert Joseph: 75 Pufendorf, Samuel von: 11, 20, 54, 3501596 Quintilian, Marcus Fabius: 99400 Ramus, Petrus (Ramée, Pierre de la): 26, 182789, 225, 269, 274 Reigersberg, Marie: 56, 60, 222 Richelieu, Armand-Jean du Plessis: 2831276, 382 Rittershausen, Conrad: 60 Salomo: 3441563, 356–358 Savigny, Friedrich Carl von: 75 Scheffer, Johannes Gerhard: 2016, 3181441 Scheltinga, Gerlach: 2021 Schneidewin, Johann: 55189 Seneca: 111 f., 119491, 146633, 181, 2761237, 361 Simon, Johann Georg: 2012 Simonides von Keos: 128 f., 189–191, 219, 297, 310, 358 Socrates: 119491 Soto, Domingo de: 43117, 60 f., 64 f., 138, 141, 209 f., 213, 222959, 268, 2711223, 273, 304 f., 3701700, 3721708 Struve, Georg Adam: 2012

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Personenregister  Suárez, Francisco: 3793, 41, 60217, 69266, 102412, 199886, 209, 304, 3051386, 332, 3481582, 3501600 Summenhart, Conradus: 160699 Sylvius, Cornelius: 178777, 191841, 195862 Tertullian, Quintus Septimius: 134 Tesmarus, Johann: 2121 Theophrast: 112457, 201–204, 237, 261, 366 Thomas von Aquin siehe Aquin, Thomas von Thukydides: 2831276 Ulpian, Domitius: 3689, 42111 f., 114, 44122, 49161, 50162, 56, 57199, 93375, 111–113, 118 f., 120494, 146633, 180, 182, 184–186, 189 f., 192, 208916, 210, 219, 2351053, 2481115, 269 f., 2701223, 297, 2991352, 3171437, 3231461 Urban VIII. (Papst): 71273 Vázquez de Menchaca, Fernando: 26, 3690, 41, 43117, 48155, 131552, 137 f., 140, 150, 160 f., 176, 2881294, 298, 322, 324

Velthemius, Valentin: 2121 Vitoria, Francisco de: 41, 43117, 63236, 65, 102412, 141, 156, 161, 209, 213 Voet, Johannes: 2021 Vossius, Gerardus: 60, 69266, 102412, 134569 Vultejus, Hermann: 48152, 60, 191841 Welwod, William: 3461574 Wesenbeck, Maetthaeus (van Wesembeke, Matthias): 47149, 48, 54–60, 124, 190, 191841, 192, 222959, 2411080, 2831271, 2851283, 3271478 Wolf, Conrad: 191841 Wtenbogaert, Johannes: 134569 Xenophon: 111 f., 119491 Zasius, Ulrich: 47149, 114470 Ziegler, Caspar: 2012, 2351053, 2691207, 2711223 Zwingli, Huldrych: 199882, 3491593

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

| 431

Sachregister

ἀντίδωρα siehe Gegengeschenke αὐτεξούσιος: 131–134, 135573, 139 f., 148, 163711, 339 ἐξουσίαν: 133, 338 ἐπερώτημα – als Stipulation: 215 – als Taufe: 215 συναλλάγμα siehe Synallagma a posteriori siehe Methode Grotius’ a priori siehe Methode Grotius’ acceptatio siehe Annahme actus aliis utiles: 269, 274, 277 f., 3021369 – beneficus cum mutua obligatione: 271–274 – beneficus merus: 271–274, 276, 376 – communicatorius: 271 – compositus: 271, 274 – diremtorius: 271 – mixtus per accessionem: 271 – mixtus principaliter: 271 – permutatorius: 271 f., 274, 278 – simplex: 271 f., 274 aequalitas / aequalis: 74, 104, 109444, 115, 139593, 168, 170, 172 f., 233, 243, 267, 275, 279 f., 282 aequitas / aequus: 49160, 51168, 58, 78314, 111, 118 f., 189, 190835, 192, 208, 2521133, 2921322, 296, 2991352 f., 321, 323, 330, 3661682 – naturalis: 119, 189, 190835, 192, 208, 3661682 Akademie siehe Schulen (philosophische) Alter Bund: 199 f., 347, 3481582, 349 f., 354, 376, 379 f., 387 alterum non laedere siehe Rechtsgrundsätze animus deliberatus / determinatus: 360–368 Annahme / Annahmeerfordernis: 199, 62 f., 83, 113, 167, 174 f., 186, 227, 235 f., 244 f., 247 f., 250, 255 f., 261, 273, 2771240, 313 f., 3141425, 3281482, 347, 367, 379 appetitus societatis: 79319, 2961338 aptitudo: 3201451, 3241467, 331 f., 3331503, 337 f., 3391539, 340 Arbeitsweise Grotius’ – Ergänzungen: 48154 f., 55189, 71272, 96383, 99401 f., 103416, 104418, 105, 106430, 107484, 108440, 128,

132555, 134, 138589, 145–147, 153662, 154, 159–161, 163713, 164, 175 – Ergänzungen in De Iure Belli ac Pacis: 2911312, 297–299, 3301490, 334, 357, 383 f. – Hervorhebungen: 128534, 132, 133555, 304 – Rand für Ergänzungen: 154 – Streichungen: 96383, 97393, 103416, 104418, 105422, 109441, 132, 133555, 153662, 161702, 167732, 168 f., 175 – Übernahme von Zitaten: 120494, 139, 146, 176, 190, 198, 219 f., 298 f., 322, 324, 334, 347, 376 – Übersetzungen: 132–134, 139, 146, 148, 189832, 196, 197874, 234, 239, 243, 3481587 Arglist: 2865, 37, 80 f., 84 f., 88, 90 f., 95, 124, 265, 370, 378, 385 Arminianer: 122, 3531616, 382 Arminius – Berufung als Professor in Leiden: 69263 – Nachruf: 69263 Art (species): 180–186, 216 f., 272 f., 3051385 assertio: 281, 301, 303–305, 308 f., 311–313, 3161435, 327 f., 340–345, 358, 366–368, 380 Auftrag: 54180, 138 f., 192846, 271–273 Auslegung: 18, 82336, 89 f., 144, 265, 275, 277 f., 2941326, 369, 3701699, 371–375, 377 Austauschgerechtigkeit siehe iustitia Barmherzigkeit (misericordia): 233, 315, 329, 337 Belagerung von – Brouck: 84 f., 90367 – Emmerich: 85, 197 – Snaaskerke: 85347, 89 f., 197 bellum – iusta causa / Kriegsgrund: 2865, 78310, 97393, 98394, 110447, 130540, 142 f., 146, 149650, 151, 170 f., 226, 263, 278, 315 – iustum / gerechter Krieg: 98394, 128534, 149649, 263, 329 – privatum / privater Krieg: 2865, 97 f., 128534, 151, 164, 263 f., 319, 329 – publicum / öffentlicher Krieg: 97 f., 128534, 263 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sachregister  belofte: 147, 234–240, 243–245, 247, 250, 261, 2671200, 281, 303, 3041379, 3091403, 314 f., 318, 327, 376, 379 f. benefacienti benefaciendum: 106 f., 110447 benefacta repensanda: 102, 105 f., 109–112, 116, 118, 128, 130, 142 f., 171, 232, 299 beneficium siehe Wohltat Bereicherungsrecht: 116476, 226–228, 251–254, 2551145, 258, 260, 262, 265, 2781246 – siehe condictio – und Restitutionslehre: 101 f., 109, 150 f., 170, 172, 2271010, 2511129 Beschneidung: 215 f. Beständigkeit (constantia): 25, 53, 82, 189 f., 3101407, 315 f., 329, 3361523 Bibel – siehe Alter Bund – siehe Neuer Bund – Grotius’ Umgang mit Bibelquellen siehe Methode Grotius’ Bibliothek Grotius’ – im Exil: 43118, 120, 146636, 2981348 – Inventur von 1619: 43118, 120, 47149, 59213, 70, 141606, 218, 222959 Biographie Grotius’ – Haft (1619–1621): 43118, 55, 60, 69 f., 222 f., 225980, 2321035, 2521135, 3481587, 381 – Laufbahn (juristische): 29, 31, 43117, 68, 94, 98, 179781, 382 – Laufbahn (politische): 31, 68 f., 195862 f., 382 – Promotion (1598): 67, 94 – Prozess und Verurteilung (1618/1619): 69, 381 – Reise nach England (1613): 68260, 196 – Reise nach Frankreich (1598): 67255, 68260, 76, 264 – Tod: 71 bona fides: 26, 53175, 56192, 79315, 322, 81, 206 Bund (biblisch) – siehe Alter Bund – siehe Neuer Bund Bündnisvertrag: 78, 84, 88, 91, 94, 123, 124517, 143616, 266, 285–287, 2941326, 3391541 causa des Vertrags: 42, 44, 46, 51169, 170, 52172 f., 54178, 57198, 58207, 61221, 94, 184800, 193, 212932, 2591164, 2671202, 270, 2771240, 284 f., 296, 2991352, 300–302, 361, 3621664, 3641672

| 433

causa vitiosa: 2771240, 2941326, 3011367 clausula rebus sic stantibus: 3011367 commodatum siehe Leihe condictio – causa data, causa non secuta: 42, 63, 114 – indebiti: 297, 317, 320, 324 – ob turpem vel iniustam causam: 3011367 consensus – der Parteien: 2441, 165, 169739, 174, 208, 210923, 2351053, 296, 361 – des Versprechenden: 2441, 136580, 162, 167, 174, 3041385, 3741722 – des Versprechensempfängers: 165–169, 172–174, 186 – hominum: 117480, 2871292, 3061393 – omnium: 120, 122, 126, 131, 135575, 136–138, 190, 2881294, 380 constantia siehe Beständigkeit contractus – Abgrenzung zu beneficium: 329 f. – Abgrenzung zu promissum: 49 f., 61 f., 247, 259, 265–282, 3001360, 328, 376 – gratuitus / lucrativus siehe Vertrag, einseitig verpflichtender – innominatus siehe Innominatkontrakt – mixta siehe Vertrag, gemischter – nominatus siehe Nominatkontrakt – onerosus siehe Vertrag, gegenseitiger Contraremonstranten: 68260, 69, 195, 220 conventio siehe Übereinkunft creditor siehe Gläubiger creditum: 113, 115, 225 f., 2301023, 239, 316, 333–336, 343 credulitas siehe Leichtsinn damnum siehe Schaden Dankbarkeit (gratia): 232 f., 243, 260 f., 315, 3241465, 3261475, 329 f., 3361523, 339 f. Datierung von – De Iure Praedae: 98–100, 138589 – Parallelon Rerumpublicarum: 76300 – Theses LVI: 155–157, 161, 165723 debitor siehe Schuldner debitum: 38 f., 52172, 110447, 129 f., 143614, 146632, 151, 172752, 226, 2751234, 315 f., 320, 3261474, 333–336, 338–340, 3431555 Definition: 180–186, 3041385, 308

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

434 | 

Sachregister

deliberatio: 58204, 59, 64, 212, 304 f., 360–362, 3631668, 364–368 Deliktsrecht: 49, 102413, 108–110, 156676, 170 f., 206, 226–228, 2321034, 239, 241, 251–253, 255, 260, 2801256, 3021369, 332, 336, 370, 374 f. – siehe Schaden depositum siehe Verwahrung determinatio voluntatis: 167, 311 f., 341, 367 f. Dichotomie: 224 f., 240, 265, 269 Dienstvertrag: 49161, 50162 f., 54180, 108–110, 114, 211927, 258 f., 270, 290 f. differentia siehe Unterschied dingliches Recht siehe dominium do ut des, do ut facis, facio ut des: 44125, 170 f., 254 dolus malus siehe Arglist Dominikaner: 60217, 102412 dominium – actionum suarum: 131, 138–142, 149 f., 157, 160, 193 f., 202 f., 209921, 212, 246, 291, 294, 298, 334, 375, 377–381, 384 – ius pignoris / Pfandrecht: 333, 3351515 – Meum et Tuum: 103417, 208, 2961338 – plenum / Eigentum: 131552, 194, 208 f., 212, 249, 333 f., 3351515, 3651677 – ususfructus / Nießbrauch: 333, 3341509, 3351515 donatio siehe Schenkung Doppelverkauf: 275, 293 Durchsetzbarkeit: 28, 39100, 40, 83, 97 f., 106, 125519, 148, 157, 170, 201, 203 f., 2361055, 238 f., 241, 243, 245, 247, 250, 260, 301, 3141424, 316, 319, 328, 330, 333, 338–340, 344, 349, 368, 379 Ehe: 154, 2801260, 301 f. Ehrbarkeit (honestas): 51, 53176, 64, 86351, 92 f., 203, 283, 2991353, 320 f., 323 f., 326–328, 330, 3381534, 3511603, 366–368 Eid: 63, 240, 64242, 82 f., 86, 89363, 90, 237 f., 2471113, 265–267, 270, 277, 2931324, 3041385, 3101405, 328, 3721710, 376 – als bloße Bekräftigung: 237 f., 266, 376 Eigentum siehe dominium Einrede: 44, 45132, 52, 127, 152, 187813, 238 f., 317, 319, 324, 327 f. einseitig verpflichtender Vertrag siehe Vertrag, einseitig verpflichtender

einseitiges Leistungsversprechen siehe Vertrag, einseitig verpflichtender Eklektizismus: 19, 120, 355 emptio venditio siehe Kaufvertrag entgeltlicher Vertrag siehe Vertrag, gegenseitiger Entscheidungsfreiheit siehe Willensfreiheit Erlösungsversprechen: 199, 347 error siehe Irrtum etiamsi daremus-Argument: 3511601 Eudämonie: 325 Ewiges Gesetz siehe lex aeterna ex intima philosophia siehe Methode Grotius’ exceptio siehe Einrede facilitas siehe Leichtsinn facultas: 102, 131552, 137, 139593, 140599, 163711, 214, 2751231, 2931323, 2951334, 301 f., 3201451, 3241467, 330–343, 368 – siehe ius proprium fidelitas: 74, 128 f., 297, 315 f., 3261474, 329, 3361523, 339 f., 378 fidem frangere: 45, 47 fides: 25 f., 28, 31, 37 f., 51169, 52171, 64, 74 f., 78–95, 101–103, 112457, 115 f., 118 f., 120494, 499 , 121, 123–129, 131, 135574, 143–148, 150–152, 157, 160, 163 f., 166, 169, 172–176, 189–191, 194, 196, 197874, 198, 201, 203 f., 210926, 219, 221, 2281011, 229, 232, 234, 2351046, 237, 239, 243 f., 247, 250, 261, 265 f., 2781246, 2931324, 296–299, 304, 306, 3101407, 313, 315 f., 3261474, 329, 3361523, 3381534, 339 f., 3481583, 357, 3591645, 369 f., 3731718, 376, 378–381, 385 – bellica: 2865, 81332, 84 – humana: 56, 118 f., 189828, 190 – publica: 79 Fool’s Argument: 86353 Forderungsrecht: 202, 205, 207, 219, 230 f., 236 f., 239–243, 245 f., 249–252, 254 f., 257, 260, 261 f., 279, 291, 314, 318, 326–328, 330, 334–336, 343, 366–368, 378–380 – siehe creditum – siehe inschuld – siehe ius cogendi – siehe ius exigendi – siehe ius proprium – siehe Klagerecht

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sachregister  Formerfordernis: 212–214, 262, 267, 2841277, 361, 363–365, 373, 379, 385 – als Einschränkung des Naturrechts: 36, 62 f., 209, 211–213, 220 f., 267, 360, 363–366, 379, 385 – iusta causa: 209–213, 365 f., 373, 379 – zum öffentlichen Wohl: 53, 210, 212, 3651675 – zum Schutz Minderjähriger: 210 f., 213, 221 – zum Schutz vor Leichtsinn: 53, 211 f., 214, 360, 373 – zur Vermeidung einer Überlastung der Gerichte: 54, 63, 202, 204 f., 213, 220, 300 fortitudo siehe Tapferkeit forum – conscientiae: 60218, 62234, 213937 – externum: 97, 201, 203, 241, 329 freigiebiger Vertrag siehe Vertrag, einseitig verpflichtender freigiebiges Versprechen siehe Vertrag, einseitig verpflichtender Freigiebigkeit: 53176, 64, 232, 2711223, 321, 329, 3301490, 337 Freiheit – siehe Handlungsfreiheit – siehe libertas – siehe particula libertatis – siehe statusrechtliche Freiheit – siehe sui iuris – siehe Willensfreiheit Friedensberatungen: 71274, 81332, 84, 94 Frömmigkeit (pietas): 86 f., 3361523, 339 f. Furcht: 82, 86352, 114621, 201, 277, 3641672 Gattung (genus): 108, 180–186, 216–218, 272 f., 308 – nächsthöhere (proximum): 180–186, 308 Gegengeschenke: 111–113, 133555 Gehorsam (observantia): 3361523, 338–340 Geltungsgrund: 17–20, 24, 28 f., 31 f., 36, 38, 49, 53, 75, 79, 91, 131, 173 f., 177, 191, 2321034, 243, 250, 254, 256, 265 f., 268, 277, 281 f., 284 f., 288, 298 f., 309, 340, 344, 368, 378–382, 384 – in den Theses LVI: 166 – siehe oorzaken van verbintenissen – siehe pactorum origo – siehe radix obligandi

| 435

Gelübde: 64, 198, 208, 2471113, 304 f., 328, 356, 3571635, 3661682, 367 f. Gemeines Recht: 27, 35, 46, 51, 55–58, 60, 61221, 63, 114470, 143, 179781, 204, 213, 217 f., 222964, 223 f., 227, 229, 241, 247, 2541140, 256, 258, 2591164, 260, 283, 298, 3001354, 305, 314, 319, 3271478, 363, 371, 376, 382 genus siehe Gattung Gerechtigkeit – siehe iustitia – ausgleichender 25 f., 94, 106, 109 f., 219 f., 251 f., 257, 3251469, 326, 380 f. – austauschende: 20, 25 f., 37, 75, 190, 250, 257, 300, 337, 381, 385 f. – verteilende: 104, 337 Geschäftsfähigkeit: 62, 213, 221, 277, 338 f., 3641672, 366 Gesellschaftsvertrag (Staat): 29, 36, 195, 2881296, 295, 385 Gesellschaftsvertrag (societas) (Zivilrecht): 49161, 50162, 2701213, 271 Glaubenstreue: 87, 95, 195 Gläubiger: 17, 28, 39, 42, 74 f., 97–99, 106, 108 f., 113–116, 125519, 127532, 142, 145626, 146–148, 150, 152, 157, 163710, 164, 171748, 174 f., 186, 194, 197870, 201–203, 205, 207, 219, 221, 229, 241, 246, 248–250, 254–258, 260 f., 286, 291–294, 298–301, 3121414, 315, 318, 320, 3221459, 323, 3381532, 366, 377 f., 380 f., 385 f. Gnadenlehre/-streit: 199, 220, 347, 3491589 Gott: 24, 35 f., 38, 87, 103 f., 117, 119491, 122, 124 f., 131 f., 134–136, 147, 153 f., 158 f., 165, 167–169, 195 f., 198–201, 204, 206, 208, 219 f., 233 f., 305, 3131417, 329, 346–354, 356, 3571637, 376 f., 379 f., 387 Gotteskindschaft des Menschen: 117, 122, 198, 201, 206, 219, 3521607 f., 353, 3541622, 379 Göttliches Recht: 35 f., 87358, 117, 135, 158 f., 162, 187817, 198 f., 206, 3131417, 350–355, 3561629, 3571637 gradus loquendi de rebus futuris – als Gattung von assertio, pollicitatio und promissum: 2941332, 303, 308, 314, 319, 327, 340 f., 3421550, 344 f., 354, 359, 3651676, 367, 371, 376 f.

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

436 | 

Sachregister

– assertio siehe assertio – pollicitatio siehe pollicitatio – promissum siehe promissum gratia siehe Dankbarkeit Grotius’ – Arbeitsweise siehe Arbeitsweise Grotius’ – Bibliothek siehe Bibliothek Grotius’ – Biographie siehe Biographie Grotius’ – Kenntnis siehe Kenntnis Grotius’ – Methode siehe Methode Grotius’ – Patriotismus siehe Patriotismus Grotius’ – Werke siehe Werke Grotius’ Handlung – siehe actus – begünstigende Handlung: 271–274, 276, 376 – fremdnützige Handlung: 269, 274, 277 f., 3021369 – als Oberbegriff für Versprechen und Vertrag: 49161, 244, 269 f. – supererogatorische Handlung: 25, 39, 83 f., 317, 324, 3251469, 327 f., 340 Handlungsfreiheit: 132, 134 f., 138–140, 160, 214, 250, 259, 290, 355, 381, 385 f. – Übertragung von: 20, 74, 140–143, 147–151, 158–160, 168, 193–195, 200, 208 f., 214, 219–221, 244, 246 f., 249 f., 256 f., 285 f., 289 f., 293 f., 311, 341–344, 349, 368, 377, 379–381, 385 f. – Verdinglichung: 133, 142 f., 194, 214, 248–250, 380 – Verzicht auf: 127, 141–143, 150 f., 159, 162 f., 166–168, 200, 244, 2931324, 311 f., 367 f. – siehe Willensfreiheit Handlungslehre: 132–135, 140, 269 honestas siehe Ehrbarkeit honeste vivere siehe Rechtsgrundsätze imago dei siehe Gotteskindschaft des Menschen Index Librorum Prohibitorum siehe Indizierung indicium voluntatis siehe Willensäußerung Indizierung: 71, 100405 Innominatkontrakt: 42, 44125, 47, 50, 52171, 62, 114, 171 f., 227–229, 252, 254, 2991353 Irrtum: 44, 124, 149650, 277, 279 f., 2811262, 2841280, 373–375, 377 iuramentum siehe Eid

ius – ad bellum / Recht zum Krieg siehe bellum, iusta causa / Kriegsgrund – civile / Staatliches Recht: 58204, 127, 128534, 206 f., 211928 f., 228, 2881293, 3131417, 320, 3501597, 3511604, 363, 3641672, 366, 373 – cogendi / Zwangsrecht: 201, 203, 207, 219, 299, 3161433, 325, 336, 368 – commune siehe Gemeines Recht – consilium mutandi / Recht auf Willensänderung: 143 f., 234 f., 310–312, 367 – divinum voluntarium siehe Göttliches Recht – exigendi / Forderungsrecht: 202, 205, 207, 219, 299, 366–368 – gentium: 36 f., 51167–169, 52, 56, 57196, 198, 84, 111 f., 125522, 128534, 135575, 187 f., 201 f., 205, 214–219, 2651187, 2831274, 2871291, 296 f., 2991353, 3061393, 356, 3591642 – humanum voluntarium: 350, 352 – imperfectum: 331 f., 338 – in bello / Recht im Krieg: 2865, 84, 149650, 265 – naturae siehe Naturrecht – objektives Recht: 37, 40104, 83, 97, 127, 148 f., 162, 239, 319, 328 – perfectum: 3241467, 331 f. – proprium: 49160, 311–316, 318 f., 336 f., 340–344, 361 f., 366, 368 – Rechtsübertragung: 25, 27, 74 f., 141 f., 157, 166, 200, 202900, 207–209, 245 f., 249, 261, 264, 268, 272, 276, 279, 290, 2931323, 294, 297 f., 301, 3021369, 311, 313, 344, 349, 355, 358, 367, 373, 376 f., 380 f., 385 f. – Rechtsverzicht: 115, 127, 141–143, 150 f., 153, 157, 163, 166–168, 200, 202900, 251, 2861287, 2931324, 311–313, 3651675, 367 f. – romanum siehe Römisches Recht – subjektives Recht: 25 f., 28 f., 38–40, 96, 147–149, 151, 153, 155, 157 f., 161 f., 170 f., 174, 224 f., 230, 237, 239, 251, 257, 260, 264, 2811262, 308, 319, 3221460, 3241467, 3261474, 1476, 328, 331, 337 f., 340, 368 3711703, 373 f., 375 f., 379 f., 385 – voluntarium: 158689, 349–352 iusiurandum siehe Eid iusta causa

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sachregister  – zur Begrenzung der Vertragsfreiheit siehe Formerfordernis – für einen gerechten Krieg siehe bellum iustitia – siehe Gerechtigkeit – assignatrix: 104, 105423 – attributrix: 105, 337, 3381534, 3391539 – commutativa: 93–95, 106, 108–110 – compensatrix: 31, 37, 74, 94378, 101, 104 f., 108–110, 111450, 116, 119490, 150, 164, 170 f., 174, 190, 229, 233, 243, 378 f., 385 f. – correctiva: 109442 – distributiva: 93 f., 106, 199887 – expletrix: 31, 37, 94378, 337, 3381534, 3391539, 378, 380, 385 f. – immutabilis: 346, 3481587, 352 f. Kanonisches Recht: 19, 41, 45–47, 49, 58, 59 f., 61221, 100408, 168736, 245, 2771240, 3501594, 3621664 Kapitulationsbedingungen: 81332, 84346, 85347, 89 f., 91, 197 Kaufvertrag: 49161, 50162 f., 54180, 108, 109444, 110445, 114, 257 f., 270, 272, 275, 2761237, 2841280, 293 f., 3391541 Kenntnis Grotius’ – spätscholastischer Autoren: 43117, 60217, 102, 138, 156680, 160 f., 176, 381 – des gemeinen Rechts: 43117, 179781, 29 f., 43117, 66 f., 94, 222 f., 2591164, 382 – des römischen Rechts: 29 f., 66 f., 94, 139, 179, 184 f., 222 f., 298, 362 f. Kepos siehe Schulen (philosophische) Klagerecht: 40 f., 44, 56 f., 97 f., 126 f., 149, 201 f., 238, 299 f., 360, 362 Kollisionsrecht, intertemporales: 2861287 Konsens siehe consensus Kundgabe / Kundgabeerfordernis: 64 f., 116–118, 127, 144, 162 f., 186, 248 f., 362, 368, 371 f., 376 Leichtsinn: 53, 144, 163711, 211 f., 214, 360, 373 Leihe: 49161, 108–110, 114 f., 257 f., 271 f. lex – I: 107 – II: 107, 171 – III: 107, 118 f., 143, 147637 – IV: 103417, 107, 143

| 437

– V siehe malefacienti malefaciendum und malefacta corrigenda – VI siehe benefacienti benefaciendum und benefacta repensanda – aeterna: 187, 198, 201894, 3521608, 353 – Falcidia: 320, 3241465 – Verhältnis zu den regulae siehe regula liberalitas siehe Freigiebigkeit libertas: 31, 74, 102, 115 f., 121, 128534, 131552, 133 f., 136, 137, 139593, 140599, 141603, 142–144, 147–151, 157, 160–162, 163711, 165, 176, 192, 193852, 855, 194, 197, 198880, 200, 208 f., 210923, 212, 214, 219 f., 246, 249, 333 f., 339, 342, 3731719, 378 f., 381 liberum arbitrium: 102, 121502, 125, 131, 134 f., 140, 143 f., 200 locatio conductio siehe Dienstvertrag Lüge: 122–124, 147, 191, 206, 239, 2401073, 3041385, 310 f. malefacienti malefaciendum: 106 malefacta corrigenda: 102413, 104418, 105 f., 109–111, 145626, 171, 232 mandatum siehe Auftrag Mare Liberum – Zeitpunkt der Veröffentlichung: 100403 Meineid: 82336, 89–91, 123, 310, 370 mendacium siehe Lüge Mennoniten: 98397 mensura crediti: 113–116, 130, 174 Methode Grotius’: 31, 120, 197, 240, 305–308, 382–384 – a posteriori: 180, 182789, 305–307, 358 f., 387 – a priori: 305–307, 3561630, 387 – ex intima philosophia: 112458, 120499, 137, 202, 307 – ex principia: 307 – humanistische: 30, 119 f., 362 f., 382 – laudatissimis nationibus: 112458, 120499, 137, 307 – sacra auctoritate: 120499, 197, 202, 307, 345 – sapientibus viris: 112458, 120499, 137, 185804, 202 f., 296, 307, 345 – secundum principia: 182, 307 f. – Umgang mit Bibelquellen: 120494, 499, 124, 161, 197, 198880, 202, 215, 2771240, 307, 344–355, 379

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

438 | 

Sachregister

metus siehe Furcht Minderjährigenschutz: 210 f., 213, 221 misdaed-schuld: 231 f., 239, 241, 255 misericordia siehe Barmherzigkeit Moralphilosophie/-theologie: 29, 35, 39 f., 53, 59, 60219, 64, 71271, 77, 83, 97, 98397, 125–127, 140600, 167, 191, 204, 220, 225, 261, 267, 269, 296, 302, 308, 316, 338 f., 367 f., 370, 379, 381, 385 – siehe Pflicht, moralische nationes laudatissimae siehe Methode Grotius’ naturalis obligatio: 45 f., 48, 51 f., 57, 62 f., 111–113, 192, 202, 218, 241, 2831272, 1274, 300, 3161435, 317, 319 f., 322–325, 327 f., 330, 335, 338 f., 3641672, 368, 384 Naturrecht: 23 f., 35–37, 51, 54, 56–58, 60–63, 66, 69263, 72, 78310, 79, 83 f., 97–101, 103, 112, 114470, 117, 119, 124 f., 128534, 129, 135, 162, 176, 179, 187 f., 189832, 191 f., 198, 201 f., 205–221, 224, 226, 229 f., 2321034, 235, 238 f., 241–243, 2451099, 247, 250, 252, 255, 2591164, 260, 263, 267, 269 f., 278 f., 2811262, 282–286, 288, 2921317, 2951336, 2961338, 297, 300 f., 303, 305 f., 311, 313, 315, 319, 323, 325–327, 329 f., 340, 350–356, 3571637, 358–366, 3671688, 373, 3741723, 375–377, 379, 381 f., 385–387 – Erlaubnis: 205–208, 363 f. – Gebot: 37 f., 81, 101, 103, 108, 109444, 112, 125, 173, 189 f., 200 f., 233, 275, 328, 3481587, 350–352, 355, 359, 363 f., 368 – Konkretisierung durch staatliches Recht: 36, 62 f., 207–214, 220, 2591164, 267, 2891298, 360, 363–366, 376, 379 – unveränderliches: 201, 204–206, 346, 3481587, 3501600, 352 f., 360, 363 f. – Verbot: 25, 2865, 37 f., 63, 101, 108, 125519, 126526, 191, 265, 311, 315 f., 351 f., 359, 363, 378, 385 – Verhältnis zum göttlichen Recht: 35 f., 87358, 117, 135, 187 f., 198 f., 350–354, 3561629 Naturzustand: 36, 97391, 296 – erste und zweite Natur: 26, 36, 295 f. Nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse se haberet siehe Rechtsgrundsätze Neuer Bund: 199, 347, 349 f., 354, 376, 379 f., 387

Nießbrauch siehe dominium Nominatkontrakt: 41, 44, 50, 62, 227 f., 254, 270, 286, 361 objektives Recht siehe ius Obliegenheit: 40, 238 obligatio siehe Pflicht – als Rechtsgeschäft: 241 f. – naturalis siehe naturalis obligatio onevenheid: 31, 74, 226–229, 2321034, 243, 251, 253, 255–262, 267, 272, 279, 3301489, 378, 380 oorzaken van verbintenissen: 254, 257–259 pacta sunt servanda siehe Rechtsgrundsätze pactorum origo: 101, 116, 128, 164, 304, 378 pactum – nudum: 44–47, 51 f., 56–58, 62 f., 130, 192, 203, 205–214, 217, 220, 2351053, 2411080, 2871289, 299, 3001354, 3051386, 3131421, 317, 3271478, 359–366, 371, 376, 379 f. – vestitum: 43121, 44–46, 50, 51169, 61221, 62, 2691207, 361 particula libertatis: 290, 2931324, 341–343, 349, 368, 386 Patriotismus Grotius’: 76305, 77, 78314, 382 perfidia: 79–81, 83–85, 87357, 88–91, 123, 124517, 3091404, 378 Peripatos siehe Schulen (philosophische) periurium siehe Meineid Pfandrecht siehe dominium Pflicht – im engeren / weiteren Sinne: 3897, 225, 230–232, 237 f., 240–242, 2431089, 245, 271, 281, 315, 327 – mit korrespondierendem Recht: 25, 38–40, 74 f., 83, 125519, 170, 173, 175, 201 f., 205, 2301023, 238, 240–242, 249, 254 f., 2561154, 257, 259, 2811262, 3141424, 315, 318, 323 f., 326, 3271481, 328, 335, 338, 340, 379 – ohne korrespondierendes Recht: 25, 38–40, 74 f., 83, 125519, 148, 173, 175, 242, 315, 318 f., 323 f., 326, 328 f., 335, 338 f., 380 – moralische: 17, 25, 39 f., 53, 83 f., 112, 125, 127, 191, 203 f., 238, 2391069, 267, 2831274, 3141424, 316, 319 f., 323, 3241466, 326, 328–330, 378 – rechtliche: 39 f., 45 f., 53, 83 f., 112, 125–127,

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sachregister  127, 151, 177, 201–204, 238, 241, 261, 276, 2831274, 284, 319, 328, 378 Pflichtteilsverzicht: 63 pietas siehe Frömmigkeit poena siehe Strafe pollicitatio: – als Angebot: 62 f., 235 f., 2471113, 3041385, 3051386 – als formloses Versprechen: 46, 235 f., 2661191 – als Selbstbindung: 147, 234–236, 2661191, 2671200, 270, 281, 301, 303 f., 308, 311–321, 327–329, 3381534, 339–345, 3481587, 3491590, 354, 358, 366–368, 3711702, 379 f. Positives Recht: 29, 35 f., 37, 54, 97, 125, 126527, 149650, 151, 179780, 187 f., 195, 209, 213, 216 f., 220, 229, 238, 241–243, 2471113, 248, 253, 256, 258, 286 f., 2921317, 346, 349–352, 379, 385 potestas – an sich selbst siehe libertas – disponendi: 209 – dominica: 333, 343 – imperii: 156676, 205910 – parentum: 133, 135571, 339 – patria: 333, 339 praecepta iuris siehe Rechtsgrundsätze Prädestinationslehre/-streit: 69266, 70, 102412, 134 f., 143, 195, 199 f., 220, 347, 354, 381 Preis: 108, 113, 257 promissio / promissum: 46, 50162, 51168 f., 52172, 53176 f., 54180, 61–64, 89, 126528, 147, 165 f., 169 f., 179, 181, 183 f., 186, 197, 198, 201894, 211929, 226, 2351053, 242 f., 265–268, 2691207, 270, 2711223, 272–279, 2801256, 281 f., 2841277, 2871289, 2901306, 2931323, 2941332, 2991353, 300 f., 303–305, 308 f., 311 f., 3141424 f., 3161434, 318 f., 3261475, 327 f., 3391536, 1541, 340–346, 348 f., 3521608, 353 f., 356 f., 358, 3591648, 360 f., 363, 365, 367–369, 373, 374, 376 f., 379 f. – Abgrenzung zu contractus siehe contractus – als Rechtsübertragung: 75, 197870, 246, 249 f., 341–344, 347, 379 f. – als Teil der Stipulation: 181–183, 362–365 – favorabile: siehe Vertrag, einseitig verpflichtender – imperfectum siehe pollicitatio und belofte – mixtum: siehe Vertrag, gemischter – odiosum: siehe Vertrag, gegenseitiger

| 439

– perfectum: 3141424, 341, 3691695 propositum: 64, 304 f., 3671687 quire: 156682 radix obligandi: 211 f. Ramismus: 182789, 224 f., 269, 274 Recht siehe ius Rechtsgrundsätze – alterum non laedere: 93375, 118 f., 143 – honeste vivere: 93375 – lex posteriori derogat legi priori: 2861287 – Nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse se haberet: 210, 214, 255–257 – pacta sunt servanda: 18, 45, 56194, 58207, 80, 82–84, 90, 118 f., 189, 190835, 296, 3631668, 3641672 – suum cuique tribuere: 92–95, 103, 129 – venire contra factum proprium: 315 f. – volenti non fit iniuria: 118, 120494 Rechtsquellen: 36, 101409, 350, 354, 363 – siehe ius Rechtsübertragung/-verzicht – siehe Handlungsfreiheit – siehe ius – siehe Willensfreiheit Redlichkeit: 37 f., 81, 3571637 regula – I: 112456, 117, 119491, 121, 124 f., 127, 135–137, 158691, 187817, 198 f. – II: 107438, 112456, 117, 121, 124 f., 127, 135–137 – III: 2339, 101–103, 112453, 116–119, 120494, 121, 123–127, 128534, 129 f., 136, 142–152, 157 f., 160, 163, 165, 176 f., 189 f., 194, 197 f., 229, 232, 234, 239, 257, 287, 298 f., 304, 315, 3161434 – IV: 117, 121, 124–127, 135574, 136, 287 – V: 117, 121, 124–127, 135574, 136 – VI: 117, 121, 124–127, 135574, 136 – VII: 117, 121, 124–127, 135574, 136 – VIII: 117, 121, 124–126, 136 – IX: 101409, 116478 – Bedeutung: 100408, 101 – fidei siehe regula III – Verhältnis zu den leges: 101 Remonstranten: 68260, 69, 134, 195, 220 Restitutionslehre: 50, 61, 101 f., 109, 141, 2271010, 2511129

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

440 | 

Sachregister

– Lessius: 109444 – Thomas von Aquin: 110445 Reuerecht: 46 f., 63, 114–116, 143 Rhetorik: 26, 99400, 100408, 139592, 182789, 3061391, 3071397, 357 Römisches Recht: 19, 26 f., 30, 35, 3895, 41 f., 44, 45132, 47–51, 53–57, 63, 72, 87358, 100408, 105, 112456, 458, 114, 133562, 161, 166, 171, 179, 191–193, 203 f., 206 f., 211–218, 222964, 241 f., 252, 2591164, 267 f., 270, 2771240, 283, 2841277, 2881293, 290 f., 297 f., 3001354, 3011367, 3131417, 314, 317, 319, 323, 333, 343, 345, 360, 362–366, 371, 376, 379 f., 385 sacra auctoritas siehe Methode Grotius’ Santa Catharina: 98 f., 381 Schaden: 53, 106, 108–111, 116476, 144, 147, 171, 196, 278, 280, 3721712, 3741723, 3751725 Schädigungsverbot siehe Rechtsgrundsätze Scheinerklärung: 90 f., 124, 144 f., 373–375 Schenkung: 46, 49161, 62, 65, 111 f., 141, 168, 186, 193, 227, 2351053, 248, 250, 253, 255 f., 258–261, 271 f., 289, 3161435, 339, 384 Schöpfung: 103 f., 119491, 126, 135–137, 153, 199, 201 – soziale Interaktion: 104 – ungleiche Verteilung der Ressourcen: 104420 schuld – eng genoemen siehe Pflicht im engeren Sinne – ruim genoemen siehe Pflicht im weiteren Sinne Schuldner: 17, 28, 39, 44, 74, 99, 106, 108 f., 113–116, 126 f., 129, 142 f., 147 f., 149650, 151 f., 163, 168 f., 174 f., 185806, 186, 197, 202, 207, 221, 229, 240 f., 249, 255, 260 f., 283, 291, 293, 298, 301, 3121414, 315, 3161433, 355, 3631667, 368, 370, 377 f., 381, 385 f. Schulen (philosophische) – Akademie: 112455, 119 – Kepos: 112455 – Peripatos: 112455, 119 – Stoa: 23, 26, 112455, 112, 119, 134, 187817, 290 f., 320, 325, 352, 3721710 Schwebende Unwirksamkeit: 3011367, 3641672 Seelenheil: 35, 61221, 199, 325, 3271478 Selbsthilfe, kriegerische siehe bellum privatum significatio voluntatis siehe Willensäußerung Sittenwidrigkeit: 3011367

societas siehe Gesellschaftsvertrag (societas) societas humana: 87, 92 f., 103, 123511, 2781246, 2961338, 3711705, 372 Souverän: 265, 277, 2841277, 300 f. Souveränität: 153, 176, 3341509 species siehe Art Sprache: – als Gabe Gottes: 87, 122, 123511, 234 f. – als Instrument: 122, 123511, 192 f., 234 f., 3431557 – als sicheres Zeichen des Willens: 122, 165, 192, 234 f., 3431557, 360, 362 f., 371–376 statusrechtliche Freiheit: 132 f., 135, 139 f., 290, 2911312, 334, 386 – siehe sui iuris – Übertragung von: 290 – Verzicht auf: 140, 2911312 Stipulation: 41 f., 44, 46, 49161, 52173, 53 f., 130, 176–186, 187813, 188, 190, 195, 197, 206, 214–219, 221, 2271002, 228, 230, 253, 2691207, 2711223, 2751233, 2841277, 286 f., 308, 360–363, 365, 376, 379, 387 Stoa siehe Schulen (philosophische) Strafe: 58, 145626, 155, 169739, 2321034, 2781246, 320 Stufen, über Zukünftiges zu reden siehe gradus loquendi de rebus futuris subjektives Recht siehe ius sui iuris: 131–133, 135, 139 f., 147 f. Supererogation: 25, 39, 83 f., 317, 324 f., 327 f., 340 supererogatorische Handlung siehe Handlung suum cuique tribuere siehe Rechtsgrundsätze Synallagma: 49160 f., 50162 f., 52171 f., 54180, 2691207, 1210 , 270, 2711223, 2761236, 2991353, 337 Tapferkeit: 78, 91–93 Taufe: 215 f. Testament: 49161, 60218, 178, 211–213, 2931324, 3651675 toezegging: 147, 186, 226, 2271002, 228 f., 236, 240, 242–252, 254–262, 2661195, 267 f., 279, 281, 303 f., 318, 327, 376, 379 – uitdruckelick: 226–229, 248, 259, 267 f., 272 – doer wetduiding: 226–229, 247 f., 254, 258 f., 262, 267 f., 272 Treue – siehe fides

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

Sachregister  – siehe trouw-schuld – siehe Glaubenstreue – Treue zum gegebenen Wort: 17, 20, 27, 37 f., 88, 243, 247, 260, 299, 380 f., 385 f. – Versprechenstreue Gottes: 219, 344–355, 376 f., 379 f., 386 f. trouw-schuld: 31, 74, 231–243, 247, 261, 299, 378, 380 Tugend – siehe Barmherzigkeit (misericordia) – siehe Beständigkeit (constantia) – siehe Dankbarkeit (gratia) – siehe Ehrbarkeit (honestas) – siehe fides – siehe Freigiebigkeit (liberalitas) – siehe Frömmigkeit (pietas) – siehe Gehorsam (observantia) – siehe iustitia – siehe Tapferkeit (fortitudo) – siehe Wahrheit (veritas) – siehe Wohltätigkeit (benignitas) Tyrannenmord: 29, 153 Übereignung: 198847, 208 f., 247 f., 256, 272, 276, 2801260, 287, 289 f., 291, 293–295, 298, 301, 341 f., 344, 3651677, 386 – und Versprechen/Vertrag: 192847, 208 f., 247 f., 256, 2801260, 287, 289 f., 291, 293–295, 301, 341 f., 344, 386 Übereinkunft – conventio: 42, 44125, 49160 f., 50162 f., 53174, 56, 57196, 201, 211927, 221, 2351053, 3631668 – conventio verbis / verborum: 180–206, 212–214, 217, 228, 230, 239, 250, 2681203, 2851282, 308, 3561629, 3651680 – overkoming: 247, 2541140, 1142, 258 f., 2661195, 2671200 Überlastung der Gerichte siehe Formerfordernis Unabhängigkeitskrieg, spanisch-niederländischer: 68, 77 f., 98–100 – Waffenstillstandsverhandlungen und Mare Liberum: 100403, 2871288 Unmöglichkeit der Leistung: 255 f., 277, 3641672 Unmündige: 63, 210, 212, 256 Unterabsätze in De Iure Belli ac Pacis: 345 f., 3591648

| 441

Unterschied (differentia): 181–186, 217, 3041385, 308, 3651680 f. Unverletzlichkeit der Zeichen: 87, 94 f., 122–124, 234, 3431557, 371 f., 377 venire contra factum proprium siehe Rechtsgrundsätze Veränderlichkeit des Willens: 143 f., 146, 201, 234, 310–312, 367 Verbindlichkeit – durchsetzbare siehe Pflicht mit korrespondierendem Recht – natürliche siehe naturalis obligatio – nicht durchsetzbare siehe Pflicht ohne korrespondierendes Recht verbintenisse siehe Pflicht mit korrespondierendem Recht Verdienst: 82, 111, 134567, 199, 218, 225, 2371058, 2781246, 332 – siehe aptitudo Vereinigte Oostindische Compagnie: 98–100, 152, 264, 381 Vererblichkeit der Pflicht: 238 f. Verfügungsbefugnis: 63, 185806, 208–214, 220 f., 288 f., 291–293, 3651678 f., 3661682, 385 veritas siehe Wahrheit Versprechen – siehe belofte – siehe pollicatitio – siehe promissio – siehe promissum – siehe toezegging Versprechenstreue Gottes siehe Treue Vertrag – siehe contractus – siehe toezegging – siehe promissum – einseitig verpflichtender: 53 f., 61 f., 64 f., 73, 121, 141, 166, 186, 192, 203, 216, 2481115, 2661194, 2671202, 269, 271, 273, 275, 278, 283, 285 f., 289, 297, 300, 304, 360 f., 367, 376, 379 f. – gegenseitiger: 42, 44, 46, 151, 171 f., 2481115, 260, 2671202, 271 f., 275, 380 – gemischter: 271, 275 – Gesetz als Vertrag: 2551146, 287–289 – und Übereignung siehe Übereignung

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0

442 | 

Sachregister

Vertragstreue: 84 – als Gegensatz der Nichterfüllung: 80 f., 84 f., 88–90, 123 – von Häretikern: 86 f. – von Ungläubigen: 86355, 95 vestimenta pactorum siehe pactum Verwahrung: 54180, 109444, 211927, 115, 191836, 272 f. vinculum (fidei / iuris): 83339, 89363, 198, 2421083, 3441563, 356 f. viri sapientes siehe Methode Grotius’ volenti non fit iniuria siehe Rechtsgrundsätze Völkergemeinrecht: 36 f., 51 f., 56 f., 84, 87358, 111 f., 179, 187–189, 201, 214–219, 296 f., 3511604, 355 f., 358 f. Völkerrecht: 37, 47, 66, 72, 75, 79, 81, 84 f., 95 f., 104420, 195, 222, 263–265, 277, 286, 3391541, 3461574, 3501597, 382, 385 Völkerrechtlicher Vertrag: 265, 277, 2841277, 300 f. – siehe Bündnisvertrag – siehe Friedensberatungen – siehe Kapitulationsbedingungen – siehe Waffenstillstandsvereinbarung votum siehe Gelübde Waffenstillstandsvereinbarung: 68260, 84, 94, 99 f., 100403, 2871288 Wahnsinnige: 255 f. Wahrheit (veritas): 64, 123511, 128 f., 145, 164, 189–191, 232, 234 f., 297, 3041384, 309 f., 311, 379 – bezogen auf Vergangenheit und Gegenwart: 164 – bezogen auf die Zukunft: 164, 235 Wasserzeichen: 156 f. weldaed-schuld: 231–233, 235, 237–239, 241–243, 3301489

Werke Grotius’ – siehe Datierung von – siehe Indizierung – De Indis: 96, 99, 378 – Rezeption: 21, 71 f., 295, 3501596 Wert von Leistung und Gegenleistung: 107, 113–116 Willensäußerung: 101 f., 116–118, 121–125, 126527, 127–130, 135575, 136576–578, 143 f., 147, 152, 162–167, 173, 174757, 175, 186, 193, 203, 221, 234, 236, 239, 250, 257, 261, 2771240, 285, 294, 296, 312, 3141425, 315, 345, 372 Willensfreiheit: 25, 69266, 70, 74, 102 f., 121502, 125–127, 131, 134–136, 138–140, 143 f., 148, 150, 194–196, 200 f., 220, 261 f., 344, 3531616, 354 f., 377, 379, 381, 385 f. – siehe αὐτεξούσιος – siehe Handlungsfreiheit – siehe liberum arbitrium Wirksamkeitsvoraussetzung – siehe Formerfordernis – siehe Verfügungsbefugnis Wohl / Nutzen – der (wahren) Religion: 85 f. – des Versprechenden: 53, 197, 203, 283 – öffentliches: 82 f., 85 f. Wohltat (beneficium): 105–108, 111 f., 122, 168 f., 201, 203, 231–233, 235, 237–239, 241–243, 260, 320 f., 3241465, 329 f., 3531612 Wohltätigkeit (benignitas): 232, 321, 323, 3261475 Zeichen – siehe Sprache – siehe Unverletzlichkeit der Zeichen Zustimmung – siehe Annahme / Annahmeerfordernis – siehe consensus des Versprechensempfängers Zwangsrecht siehe ius cogendi

© 2022 Böhlau, ein Imprint der Brill-Gruppe https://doi.org/10.7788/9783412524944 | CC BY-NC-ND 4.0