Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag: Die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung des öffentlichen Rechts [1 ed.] 9783428475544, 9783428075546

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Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag: Die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung des öffentlichen Rechts [1 ed.]
 9783428475544, 9783428075546

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RALPH MEIERMANN

Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M i c h a e I K I o e p f e r , Trier

Band 26

Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag Die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung des öffentlichen Rechts

Von

Ralph Heiermann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Heiermann, Ralph: Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag : die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung des öffentlichen Rechts I von Ralph Heiermann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 26) Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07554-4 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-07554-4

Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1991/92 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover als Dissertation angenommen. Neue Rechtsprechung und Literatur wurde noch bis Februar 1992 berücksichtigt. In diesem Rahmen konnten auch erst die Bodenschutzgesetze Baden-Württembergs und Sachsens verarbeitet werden, die nach Abschluß des Manuskripts im Sommer 1991 verkündet wurden. Herr Prof. Dr. Franz-Joseph Peine -jetzt FU Berlin - hat die Arbeit betreut und das Erstgutachten erstellt. Für die schnelle Erstellung des Gutachtens und die hervorragende Betreuung möchte ich auf diesem Wege danken. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Georgios Magoulas, der das Zweitgutachten erstattete. Die Abfassung der Arbeit wäre nicht ohne die Unterstützung meiner Eltern und von Frau Christa Müller möglich gewesen. Dank schulde ich auch meinem Freund und Kollegen am Institut fiir Völkerrecht der Universität Göttingen, Herrn Dr. Uwe Allner, für das Korrekturlesen des Manuskripts sowie Frau Doris Ruhr für die Druckgestaltung. Herr Prof. Dr. Michael Kloepfer und das Verlagshaus Duncker & Humblot haben dankenswerterweise die Veröffentlichung in der vorliegenden Schriftenreihe ermöglicht. Göttingen, Februar 1992

Ralph Heiermann

Inhaltsverzeichnis EiDleitung...................................................................................................... 21 1. DefinitioD des Schutzobjektes Bodeu uud Bestimmuug der Ziele des Bodeuschutzes .. 26 1.1. 1.2. 1.2.1.

Definition des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Ziele des Bodenschutzes.................................. ... .............................. .. 28

Herkömmliche Bestimmung der Ziele nach den Bodenfunktionen - anthropozentrischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Exkurs: Die besondere Rolle der Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformatorfunktion 34

1.2.2. Bestimmung der Ziele nach den Bodeneigenschaften - ökozentrischer Ansatz . . . 36 Kritik am anthropozentrischen Ansatz. .................................. 36 1.2.2.1. 1.2.2.2. Ökozentrischer Ansatz - Schutz der Bodeneigenschaften.... . ... .... 38 l. Geflihnlung des Bodeos durch Schadstoffeintrag ....................................... ....... 40 2.1. 2.2. 2.2.1.

2.2.2.

40 42 42 42 43 44 44 45 46 46 47 47 47 Polycyclische, aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) .. . ........ .. . 48

Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Schadstoffarten und ihre Eintragswege .. .. ... ... ... .... ..... ... . ... .... Anorganische Schadstoffe ..... ........................ .. .................................... Eintrag von Säurebildnern durch saure Niederschläge .... .. .... ..... 2.2.1.1. Schwermetalle ................................................................ 2.2.1.2. Radioaktive Stoffe ......................... . ..................... .... . ....... 2.2.1.3. Phosphate und Nitrate ..................................................... . 2.2.1.4. 2.2.1.5. Streusalze (Chloride) .............................................. .. ...... . Organische Schadstoffe .... .. ........ .. ..................... .. ................... .. ....... .. . Hexachlorcyclohexan (HCH) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. . 2.2.2.1. 2.2.2.2. Hexachlorbenzol (HCB) .......................................... .. ...... . Polychlorierte Biphenyle (PCB) .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . 2.2.2.3. Polychlorierte Dibcnzodioxinc (PCDD) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 2.2.2.4.

2.2.2.5.

3. Die Gefabreubekämpfung auf rechtlicher Ebene.......................... ................ .... . 49 3 .1. 3.2. 3 .2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4.

Zielsetzung................. .. .......................... ... ............ .. ....... .... ......... .. . 49 Instrumente zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag ..................... .. .. . 51 Planung............................................................................. . ...... .. ... 52 Staatliche Eigenvomahme ..................................... . ................. .. .. .. ...... Indirekte Verhaltenssteuerung ............... .. .... ...... ................. .... .. ... ... .. .... Direkte Verhaltenssteuerung ........... .. .......... . ............................ .... .. ...... Ge- und Verbote ............................................................. 3.2.4.1.

53 54 58 59

8

Inhaltsverzeichnis 3.2.4.1.1. 3.2.4.1.2. 3.2.4.1.3. 3.2.4.1.4.

3 .2.5.

3.2.4.2. 3.2.4.3. 3.2.4.4. 3 .2.4.5. Auswahl 3.2.5.1. 3.2.5.2.

Direkte Ge- und Verbote ......... ... ... ...................... ... ... ..... ... Verbote mit Erlaubnisvorbehalt.... ... ... ...................... ... ... .... . Planfeststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). ................................ . Anzeige- und Anmeldepflichten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Überwachungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersagungskompetenzen .................................... ... .... ..... Individuelle Umweltpflichten ........................................ .. .. . der Instrumente zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag.......... Allgemeines ... ............. . ......... .... .. ...................... ...... .. .. .. Beurteilung der einzelnen Instrumente ..................... .. ........ .. .

59 59 61 62 63 64 64 66 66 66 69

4. Derzeitige rechtliche RegelUDgen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen - Direkte VerhalteosstenerUDg................... .............................................................. .. 78 4.1. 4.2. 4.2.1.

Allgemeines und Gliederung des Bodenschutzrechts .. .. ................ .. .. .. ..... ... Schutz des Bodens vor Kontamination mit Schadstoffen als Folge direkten Auftrags auf den Boden . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . (Ab-)Lagerung von schadstofthaltigen Abfällen und (Rest-)Stoffen ...... ...... .. .. 4 .2.1.1. Regelung durch das Abfallgesetz .. .. .. .. ........ ......... ... . .. ... .... ... 4.2.1.1.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.1.2. Boden als Schutzgut des Abfallgesetzes ....... ............ . .. .. ..... .. .. 4 .2 .1.1.3 . Schädliche Beeinflussung des Bodens .. .... ....... ...... ...... .. .. .. .... 4.2.1.1.4. Abfallbegriff.. ........ .. ........ ...... .... ............ ... ....... ....... . ...... 4.2.1.1.4.1. § I I Ab!G: Subjektiver und objektiver Abfallbegriff .. .. .. ... . .. .. .. 4.2.1.1.4.2. § 1 12 Ab!G: Erweiterter Abfallbegriff............ ...... .. ... ... . ... ... 4.2.1.1.4.3. §§ Sa, Sb Ab!G: Altöle .................. ... ....... ........... ....... ...... . 4.2.1.1.4.4. §I 111 Ab!G: Ausgenommene Stoffe .......................... .. .. ... ...

78 81 81 82 82 82 85 85 85 90 91 92

4 .2 .1.1.4.5. § 2 II Abtu: Sonderabfälle .. ..... ... ....... .... .. ..... ............. .... ... 95 4 .2 .1 .1 .5. 4.2.1 .1.5.1 . 4.2.1.1.5.2. 4.2.1.1.6. 4.2 .1.1. 7. 4.2 .I. I. 7 .I.

4.2.1.1. 7 .2.

Abfallagerung und -ablagerung sowie Abfallverwertung als Maßnahmen der Entsorgung .. . . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. 96 Definition .. ................. ... .... ....... ...... ....... ..... ... .. ... ... ... ... . 96 Untersagung unzulässiger (Ab-)Lagerung ................. . ..... ... .. .. 97 Deponien und Abfallagerstätten als Abfallentsorgungsanlagen . . . . . 99 Instrumente des Abfallgesetzes .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . 101 Zulassungspflicht für Abfallentsorgungsanlagen . . .. . .. . . . .. .. .. . . .. . I 01 a) Planfeststellung und Genehmigung ................... .... ... ....... 101 b) Nebenbestimmungen zum Zulassungsbescheid ...... .... ...... .. . 103 Pflichten bei der Stillegung von Abfallentsorgungsanlagen ........ 103

4.2.1.1.7.3. Überwachung der Lagerung und Ablagerung.............. .. ..... .... 105 4.2.1.1.8.

Altanlagen .. .. . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . 106

4.2.1 .2.

Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz ...... .... .. ... .. 108

4.2 .1.2.1. 4.2.1.2.2.

Boden als Schutzgut des Bundesimmissionsschutzgesetzes ... ...... 108 Lagerung von Reststoffen im Zuge der weiteren Verwertung bzw. späteren Beseitigung . . .. . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. .. . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 109

Inhaltsverzeichnis 4.2.1.2.3. 4 .2.1.2.4. 4 .2.1.3. 4.2.1.3.1. 4.2.1.3.2. 4.2.1.3.3. 4.2.1.3 .4. 4 .2.1.3.4.1.

Lagerung von Stoffen, die für die Produktion benötigt werden oder Endprodukt sind............. ......... .......................... .. .... Bestimmung der Gefahrenschwelle bei dem Eintrag von Schadstoffen in den Boden................. ... ... ...................... . ....... .. Regelung durch das Wasserhaushaltsgesetz ..................... .... .. Boden als Schutzgut des Wasserhaushaltsgesetzes ........ .. .... ... .. Begriff des Grundwassers ........... .. .... .................... ... .. ..... .. Jedermannpflicht nach§ Ia 0 WHG .... ........................ ... ... . Erlaubnispflicht für Gewässerbenutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Ab-)Lagerung schädlicher Stoffe als "echte" Benutzung des Grundwassers gemäß § 3 I WHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.2.1.3.4.2. (Ab-)Lagerung schädlicher Stoffe als "unechte" Benutzung des Grundwassers gemäߧ 3 0 Nr. 2 WHG .................. .. .......... 4.2.1.3.5. Pflicht zur Reinhaltung des Grundwassers nach§ 34 WHG .. ... .. Die Lagerung schädlicher Stoffe nach §§ 19g ff. WHG ..... ..... .. 4.2.1.3.6. 4.2.1.3.7. Überwachung ..... .... .... . .......... ... .... ......... ..... ... .... .... ..... .. 4.2.1.3.8. Das Verhältnis der wasserhaushaltsrechtlichen Vorschriften zu anderen Normen ........... .. ........... ............... .. ... ..... .. .. ....... Regelung durch das Tierkörperbeseitigungsgesetz.. ....... ... ....... 4.2.1.4. Boden als Schutzgut des Tierkörperbeseitigungsgesetzes. ... ....... 4.2.1.4.1. 4.2.1.4.2. Regelung der Beseitigung nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz .... .... ...... ...... ................. ... ..... ..... ... .... .... .... .. .. .... ... 4.2.1.4.3. Instrumente des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .2 .1.5. 4.2.1.5.1. 4 .2.1.5.2. 4 .2.1.5.3. 4.2. 1.5.4. 4.2.1.6. 4 .2.1.6.1. 4.2.1.6.2. 4 .2.1.6.3. 4.2.1.7.

9 116 117 120 120 121 121 123 123 124 125 127 131 131 133 133 133 135

Regelung durch die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten ... 136 Boden als Schutzgut der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten ....... .. ...... ..... .... .. ....... .. .. .. ......... ..... .... ....... . .. ... .... ... 136 Anwendungsbereich der Verordnung .. .......... ............ ..... .. .... 136 Betreiberpflichten .................... ... .. . ...................... . ... ... .... 137 Zulassung und Überwachung der Anlagen ............ ................ 138 Regelung durch die Gefahrstoffverordnung .... ..... .. ... .. . .. . ... ... . 139 Boden als Schutzgut der Gefahrstoffverordnung .... ...... .... ... ... . 139 Gefahrstofflagerung und -aufbewahrung .......... . .. . ...... . .. .. .. .... 139 Verhältnis zur Verordnung über brennbare Flüssigkeiten ... ... .... 141 Regelung durch das Bundesberggesetz .... .. .... ............ .... .... ... 141 Boden als Schutzgut des Bundesberggesetzes. .. ........... .. .. ... .. .. 141

4.2.1.7.1. 4.2.1.7.2. Lagerung und Ablagerung anfallender Abfälle .. .. ......... ... ....... 143 4 .2.1.7.2.1. Die Regelung des§ 55 I Nr. 6 BBergG ... .... ..... ... .... . ....... .... .. 143 4.2 .1.7 .2.2. Nachträgliche Bestimmungen im Betriebsplan nach § 56 I 2 BBergG .. ... ... .......... .... ... ...... .. ... ... ............... .. .. . .. ... .. .. ... 147 4 .2.1.7.2.3. Erlaß von Ordnungsverfiigungen .. ... ... ................. .. ... . ...... ... 147 4 .2.1.7.3. Lagerung und Ablagerung bodengefährdender Stoffe, die keine Abfälle sind .... .... .. ............... ... .... ... .. ... ............. .... .... ..... 148 Regelung durch das Atomgesetz.... . .. ..... ... ... .............. . ... ... .. 149 4.2.1.8. 4.2.1.8.1. Boden als Schutzgut des Atomgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.2 .1.8.2.

Radioaktive Stoffe .... ..... .. .. .... .... . ... ....... .... .. .... . ............. .. 151

Inhaltsverzeichnis

10

Lagerung von Kernbrennstoffen .............................. . ... ..... . . Lagerung sonstiger radioaktiver Stoffe ................................ . Lagerung und Ablagerung radioaktiver Reststoffe und Abfälle .. . Regelung durch das Bundesnaturschutzgesetz ........................ Boden als Schutzgut des Bundesnaturschutzgesetzes .. .. .. .. .. .. .. .. (Ab-)Lagerung bodengefährdender Stoffe als EingritTin Natur und Landschaft nach § 8 BNatSchG .................................. .. 4.2.1.9.2.1. Voraussetzungen nach§ 8 1 BNatSchG .. ........................ .. ....

162 162

4.2.1.9.2.2. Rechtsfolgen eines Eingriffs .............. .. .................... .. ........ 4.2.2. Störungen bei Herstellungs-, Bearbeitungs- und Verarbeitungsprozessen .... .. .. 4.2.2.1. Regelung durch die Störfallverordnung ................................ 4.2.2.1.1. Boden als Schutzgut der Störfallverordnung ................ .. .. .. ....

166 170 171 171

4.2.1.8.3. 4.2.1.8.4. 4.2.1.8.5. 4.2.1.9. 4.2.1.9.1. 4 .2.1.9.2.

4.2.2.1.2. 4.2.2.1.3.

Störfall ......................................... .............................. . 171 Instrumente der Verordnung ........................................ .. ... 172

4.2.2.2. Regelung durch die Strahlenschutzverordnung .............. .. .. .. .. . 4.2.2.2.1. Boden als Schutzgut der Strahlenschutzverordnung ................. 4.2.2 .2.2. Störfall und Unfall .... ...... .. .. .... .. .... .. ...... .. .... .. .. ...... .. .. .. .. . 4.2.2.2.3. Instrumente der Verordnung ............................................. 4.2.3. Beförderung bodengefabrdender Stoffe ........ .. .. .. .............................. .. ... 4.2.3.1. Regelung durch das Gefahrgutbeförderungsgesetz, die Gefahrgutverordnung Straße und die Gefahrgutverordnung Eisenbahn . . 4.2.3.1.1. Boden als Schutzgut des Gesetzes und der Verordnungen ........ . 4.2.3.1.2. Geltungsbereich der Vorschriften .................. .. ................... 4 .2 .3.1.3. Begriffsbestimmungen ............................................ .... .... . 4.2.3.1.4. Instrumente .. .. ........................... .. ............................. .... 4.2.3.2. 4.2.3.3 . 4.2.3.3.1. 4 .2.3 .3 .2. 4.2.3.4. 4.2.3.5.

4.2.4.

153 157 158 161 161

174 174 174 175 176 177 177 178 180 181

Beförderungsvorschriften im Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Abfallgesetzliche Beförderungsregelungen ............................ 186 Beförderungsgenehmigung nach§ 12 AblU .................... .. .. .. 186 Ein-, Aus- und Durchfuhrgenehmigung nach§ 13 AblU .. .. .. .... 190 Regelung der Beförderung durch die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Regelung der Beförderung gefahrlieber Stoffe durch das Wasserhaushaltsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

4.2.3.5.1. Pipelines ........ .... .................... .... ...... .... .... .. ...... .. ......... . 194 4 .2.3.5.2. Abwasserkanäle ... ....... ... ...... .... ........ ... .......... ... . .. .... ... .... 196 Der Einsatz von Düngemitteln ...... .. .............. .. .............. .......... .. .......... 199 4.2.4.1. 4.2.4.2.

Regelung durch das Düngemittelgesetz ............ ........ .... .... .. .. 200 Regelung durch § 8 BNatSchG (Eingriffsregelung und Landwirtschaftsldausel) .................. ...... ...... ... ...................... .... .... 203

4.2.4.3 .

Regeluna durch§ 15 Abtu und die dazu eraangenen Rechtsverordnungen ... ... .. ... ... ....................... ... ..... ........... .... . .. ... . 204 Anwendungsbereich .................... .. .............. .......... .... ..... 204 Klärschlamm, Abwasser, Fäkalien und ähnliche Stoffe .. .... ....... 205

4 .2.4.3.1 . 4.2.4.3.2.

Inhaltsverzeichnis 4.2.4.3.3. 4.2.4.3.4. 4.2.4.4. 4.2.4.4.1. 4.2.4.4.2. 4 .2.4.4.3.

4.2.5.

Jauche, Gülle und Stallmist ........ .. ....... .................. .. ....... ... Unberührtheit wasserrechtlicher Vorschriften . .. ......... ............ Regelung durch das Wasserrecht .. ... . ...................... ... ... .... .. Jedennannpflicht nach § Ia II WHG ................. .. .... ... ... .... .. Erlaubnisbedürftigkeit nach§ 3 WHG .................. ... ... ... .... .. Düngeraulbringung als (Ab-)Lagerung von Stoffen i.S.d. § 34 II 1 WHG .... ... .. .. .................... .. ............................. ....... .. Der Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln ......... .............. ...... .... .... .. .. .

208 211 211 212 212 215 216

4.2.5.1.

Regelung durch das DDT-Gesetz .... ... ............... .... .... .... .... . 217

4 .2 .5.2. 4.2.5.2.1. 4.2.5.2.2.

Regelung durch das Pflanzenschutzgesetz .... ... ......... ... . ......... Boden als Schutzgut des Gesetzes .... . .. .... ..... ..... ........ ......... . Schutz des Bodens durch das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das loverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln .. ......... .. ..... .. Die Regelung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln .. . ...... Vemältnis zu anderen Gesetzen ..................... ......... ... . ... ... .

219 222 223 226

4.2.5.3. Regelung durch das Wasserrecht. .. . .. ............ ... ........ ... .... .... 4.2.5.4. Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Abfallrecht. .. ... .... . Altlasten .................... ... ........................ ... .... .................. ...... .... .... . 4.2.6.1. Problemstellung ..................... .. ............................. .. .. .... . 4.2.6.2. Altlastenbegriff .. .. ...................... ....................... ........ .. ..

226 227 227 227 229

4.2.5.2.3. 4.2.5.2.4. 4.2.5.2.5 .

4.2.6.

II

218 218

4.2.6.3.

Abfallrechtliche Regelung der Sanierung .... .................. .... .... 231

4.2.6.4. 4.2.6.5 . 4.2.6.6. 4.2.6.7. 4.2.6.7.1. 4.2.6.7.2.

Wasserrechtliche Regelung der Sanierung .................. .... ...... . 234 Möglichkeiten der Sanierung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ..... ...................... ....... .. ........ .. .... .......... ... ..... .... . 236 Sanierungsmöglichkeiten nach dem Bergrecht .................... .... 238 Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht .................. .... .. .. .... 239 Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherneil .. .. .. ........ . 239 Adressaten (Störereigenschaft) .. .. ............. .. ........................ 242

4.2.6.7.2.1 . 4 .2.6.7.2.2. 4.2.6.7.3. 4.2.6.7.4. 4.2.6.7.5.

Vemaltensstörer ............. .. ... ............. ....... .... .... .. ... ... .. .. .. Zustandsstörer........ ...... ......... ............. .. .. .. . ............ .. . ... .. Störerauswahl ...................... .. . .... ................................. . Interner Störerausgleich ............. ...... .................... .... .. . ... .. Rechtsnachfolge .... .. ... .. ........ .. ....... .... .. .... .... ...... .... .. ......

243 246 247 248 249

4 .2.6.7.6. Umfang der Anordnungen ........ .. .............. ......... .. .. .......... . 4.2.6.7.7. Resümee ..... .... ..... .. .... ... ............. ... ........ ...... ........ .... ..... 4.3 . Schutz des Bodens vor Immissionenaufgrund von Luftverunreinigungen .. ..... 4.3.1. Anlagen im Bereich von Gewerbe, Industrie, Haushalten, Landwirtschaft, Energie- und Entsorgungswirtschaft ............................................. .. .. ... . 4 .3.1.1. Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die dazu ergangenen Durchführungsvorschriften ................. ... .... ...... .. 4.3 .1 .1.1. Betreibergrundpflichten bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 5 I Nr. I und 2 BlmSchG .... .. .............. .. ............ .... .

250 250 251 252 253 254

12

Inhaltsverzeichnis 4.3.1.1.2.

Betreibergrundpflichten bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 I Nr. 1 und 2 BlmSchG .................. . ...... .... . 262

4 .3 .1.1.3. 4 .3.1.1.4.

Überwachung der Anlagen ........ ....... .................... ........... . Immissionsschutz durch produktbezogene Nonnen ...... . .. .... ... .. Regelung durch das Abfallgesetz .... . ... ....................... . ... . .. .. Abfallverbrennung als Entsorgungshandlung ............ .. ...... .... . Zulassung von Abfallverbrennungsanlagen ................ ... ........ Weitere Instrumente des Abfallgesetzes ........................... .... .

268 268 270 270 271 274

Regelung durch das Atomgesetz ...... ........ ......... ...... . .. .. .. ..... Anlagengenehmigungspflicht gemäß § 7 AtG ............... .... .... . Anlagenbegriff ......... ............. . .. ..... ............ ........... .... .... . Voraussetzungen der Genehmigung nach§ 7 U AtG .... . .. .. .. .... . Genehmigung atomarer Zwischen- und Endlager ..... .... ........ ... Genehmigung von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen ......... ... ..... . .................. .. . ............. . ............... .... ... ..

274 274 275 275 277

4.3.1.2. 4 .3.1.2.1. 4.3.1.2.2. 4 .3.1.2.3. 4.3.1.3. 4.3.1.3.1. 4.3.1.3.1.1. 4.3.1.3.1.2. 4.3 .1.3 .2. 4.3 .1.3 .3.

278

4.3.1.3.4.

4.3.2.

Weitere Instrumente des Atomgesetzes .. ............... ... .... .... ... .. 279 4 .3 .1.4. Regelung durch das Bundesberggesetz .. .. ............... .. ........ .. .. 279 4.3.1.5. Regelung durch das Tierkörperbeseitigungsgesetz ...... ............. 281 Verkehr ................... ....... ..................... .. .. .. ..................... .. .... ... .. ... 282 4.3.2.1. 4.3.2.1.1.

Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz ... ... .. .. .... .. . Anforderungen zur Emissionsbegrenzung bei Fahrzeugen nach § 38 BlmSchG ...................... .... .... .. .................... .. ... .. ... 4.3 .2.1.2 . Verkehrsbeschränkungen aus Immissionsschutzgründen ...... ..... 4.3.2.1.2.1. Smog-Verordnungen nach§ 40 I BlmSchG .......... .. ...... .. .. .. .. . 4 .3 .2.1.2.2. Verkehrsbeschränkungen im Einzelfall nach§ 40 U BlmSchG ... 4.3 .2.1.3. Anforderungen an Treibstoffe .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. 4 .3.2.2 . Regelung durch das Straßenverkehrsgesetz und die darauf beruhenden Verordnungen (StVZO, StVO) .............................. .. . 4 .3.2.2.1. 4.3.2.2.2.

283 283 284 284 285 286 286

Anforderungen an die Beschaffenheit von Fahrzeugen nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ....... .................. ... ... .. . 287 Anforderungen an das Fahrvernahen nach der StraßenverkehrsOrdnung ..... ................ .. ........ .... .............. ... ..... ... ... ....... 287

4.3.2.3 . Schienenverkehrsrechtliche Regelungen des Immissionsschutzes . 4.3.2.4. Luftverkehrsrechtliche Bestimmungen des Immissionsschutzes .. . 4.3.2.5. Regelung durch das Benzinbleigesetz .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. . .. .. .. .. .. . 4.4. Stoffbezogene Gesetze mit bodenschützendem Regelungsinhalt ............... .. .. . 4.4.1 . Chemikaliengesetz .. ... ... .... .. ... ................... .. ............ .... .. . .. ...... .. .. .... .. 4.4.2. Wasch- und Reinigungsmittelgesetz .. ...... ........... .. .. .. ................. .... .. .. .. ..

288 288 290 290 291 292

S. Handlungsbedarf im Rahmen der direkten Verhaltenssteuerung ............... .. .. .. .. .. 293

5 .1. 5 .2. 5.3.

Allgemeines.............. ..... ... ... .................. .... .... .. ... ... ........... ........... .. 293 Schutz des Filter-, Puffer-, Speicher- und Transformationsvermögens .. ... .. .... 295 Festlegung von Sanierungs-, Belastungs- und Vorsorgewerten ...... ..... .. ... .. .. . 295

5.4.

Weiterer Regelungsbedarf.. .. .......... .. ... ......... ..... ...... .. ............... ... .... ... 299

Inhaltsverzeichnis

5 .5. 5.6. 5. 7. 5.8.

Regelungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungskompetenz des Bundes ......................... ............... .. ......... .... .. Bodenschutzrecht und Grundeigentum .. ...... ...... .... ...... ... ............... .... .... Die neuen Bodenschutzgesetze Baden-Württembergs und Sachsens ...... ....... ..

13 307 311 314 317

Literaturverzeichnis .............................................. ........................................ . 323

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abtu

andere Auffassung

AbtKlärV AbfNachwV

Klärschlammverordnung

Abi. Abs./Abse. AbwAG

Amtsblatt Absatz/Absätze Abwasserabgabengesetz

a.E. a.F.

alte(r) Fassung

AGAbtu

Ausführungsgesetz zum Abfallgesetz

AgrarR Alt.

Agrarrecht Alternative

Anm.

Anmerkung

Abfallgesetz Abfallnachweis-Verordnung

am Ende

Art.

Artikel

AT AtG AtVfV Aufl. Bad.-Württ.

Allgemeiner Teil

Bay.

Atomgesetz Atomrechtliche Verfahrensverordnung Auflage Baden-Württemberg Bayem/Bayerische(r)(s)

BayNatSchG

Bayerisches Naturschutzgesetz

BayVBI.

Bayerische Verwaltungsblittcr

BB BBA

Biologische Bundesanstalt

BBahnG

Bundesbahngesetz

BBergG

Bundesberggesetz

Betriebsberater

Bd.

Band

Bearo. Bek. her.

Bearbeiter Bekanntmachung berichtigt

BeriASOG

Berliner Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz

Beschl.

Beschluß

BGB BGBI. I

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt, Teil 1

BGH BhnSchG

Bundesgerichtshof Bundesimmissionsschutzgesetz

Abkürzungsverzeichnis

15

BlmSchV

Verordnung zur Durchführung des BlmSchG

BMI

Bundesminister des Ionern

BMU

Bundesminister fiir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz

BodSchG

Bodenschutzgesetz

B/PIR BR

Bischof/Pelzer!Rauschning

Brem.

Bremen/Bremische(r)(s)

Bundesrat

Bsp(e).

Beispiel(e)

bspw.

beispielsweise

BT

Bundestag

BVerfU

Bundesverfassungsgericht

BVerfUE

Bundesverfassungsgericht, amtlicher Entscheidungsband

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Bundesverwaltungsgericht, amtlicher Entscheidungsband

BWaldG

Bundeswaldgesetz

BWVPr.

Baden-Württembergische Verwaltungspraxis

BzBIG

Benzinbleigesetz beziehungsweise

bzw.

•c

Grad Celsius

ca.

circa

d. dass.

der/des

DB

Der Betrieb

DDR

Deutsche Demokratische Republik

dasselbe

DDT

Dichlordiphenyltrichloräthan

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

dies.

dieselbe(n)

DIN

Deutsches Institut fiir Nonnung

Diss.

Dissertation

DMG

Düngemittelgesetz

DMV

Düngemittelverordnung

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DtZ

Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift

DVBI.

Deutsches Verwaltungsblatt

EG

Europäische Gemeinschaften

EGAB

Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachseo

ErI.

Erläuterung(en)

EStG

Einkommensteuergesetz

ET

Energiewirtschaftliche Tagesfragen

16 etc. EWG f./ff.

FAZ

FCKW

FluglännG FlurbG Fn. FStrG GBettJG GBI. geänd. GewArch GewO GG GGVE GGVS GMBI. GülleV GVBI. GIWIC ha Halbs.

HAZ

Hbg. HCB

HCH HdUR HDWC Hess. h.L . h.M. Hrsg.lhrsg. v.

AbküJZUngsveneichnis et cetera Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fluorchlorkohlenwasserstoffe Fluglärmgesetz Flurbereinigungsgesetz Fußnote Fernstraßengesetz Gesetz über die Beförderung geflihrlicher Güter Gesetzblatt geändert Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Gefahrgutverordnung Eisenbahn Gefahrgutverordnung Straße Gemeinsames Ministerialblatt Gülleverordnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gieseke/Wiedemann/Czychowslci (Kommentsr zum WHG) Hektsr Halbsatz Hannoversche Allgemeine Zeitung Harnburg Hexachlorbenzol Hexachlorhexan Handwörterbuch des Umweltrechts Handbuch des Deutschen Wasserrechts, Teil C Hessische(r)(s) herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber/herausgegeben von

i.d.F. i.d.R. lliK insb.

in der Fassung in der Regel Industrie- und Handelskammer insbesondere

i.R.d. i.S.d. i.S.v. iur. i.V.m.

im Rahmen der/des(sen)

IzR

im Sinne de(s)(r) im Sinnevon juristisch(e) in Verbindung mit Informationen zur Raumentwicklung

Abkürzungsverzeichnis Jura

17

Juristische Ausbildung

JZ

Juristenzeituni

Kap.

Kapitel

kg

Kilogramm

KJ km2

Kritische Justiz

KISN I LAb tu Lfg. lit. Lit. LKW LuftBauO LuftVG

Kunig/SchwermerNersteyl (Kommentar zum Abtu)

m3

Kubikmeter

M/D/H ME

Maunz!Dürig/Herzog (Kommentar zum GG) Musterentwurf einer Smog-Verordnung von 1987

mg

Milligramm

Mio.

Million(en)

Quadratkilometer Liter Landes-Abfallgesetz Lieferung Buchstabe Literatur Lastkraftwagen Bauordnung für Luftfahrtgerät Luftverkehrsgesetz

m.N.

mit Nachweisen

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NatschG Bin.

Naturschutzgesetz Berlin

NBauO

Niedersächsische Bauordnung

Nds.

Niedersachsen

NdsNatSchG

Niedersächsisches Naturschutzgesetz

NdsSOG n.F.

Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung neue(r) Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr(n).

Nummer(n)

NRW

Nordrhein-Westfalen

NuR

Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Rechtsprechungsreport der NVwZ

NWG

Niedersächsisches Wassergesetz

NWVBL

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

p.a.

per aMum (pro Jahr)

PAH 2 Heiermann

Polycycli&ehe aromatische Kohlenwasserstoffe

18

AbküJZUngsverzeichnis

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

PCB

Polychlorierte Biphenyle

PCDD

Polychlorierte Dibenzodioxine Polychlorierte Dibenzofurane

PCDF PCP PCf

Pentachlorphenol Polychlorierte Terphenyle

PflSchO PilSehR

Pflanzenschutzgesetz Pflanzenschutzrecht

PHmV

Pflanzenschutzmittel-Höchstmengenverordnung

PKW

PenonenkraflNvagen

POR PISN

Polizei- und Ordnungsrecht Preußisches Oberverwaltungsgericht Piens/SchulteNitzthum (Kommentar zum BBergO)

RdL

Recht der Landwirtachaft

Rdn.

Randnummer

Rheinl.-Pfalz

Rheinland-Pfalz

RIW

Rspr.

s.

Recht der Internstionalen Wirtachaft Rechtaprechung Seite, Satz

SchiHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

s.o.

Sieg/Leifermann!Teninger (Kommentar zur OewO) siehe oben

sog. Sp.

sogenannt(e)(n)(s) Spalte

SRU

Rat von Sachverständigen fiir Umweltfragen Strafgesetzbuch

PrOVO

stur

StOB StriSchV StVO StVO StVZO s.u. S/Z/D

Strahlenschutzverordnung Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten

l.

Sieder/Zeitler/Dahme (Kommentar zu WHO) Tonne(n)

TA

Technische Anleitung

TCDD TelwegO

Tetrachlordibenzodioxin Telegraphenwegegesetz

TierKBO

Tierkörperbeseitigungsgesetz

TrinkwV

Trinkwasserverordnung

TU

Technische Universität

Tz.

Textziffer

u.a.

u.ä.

unter anderem, und andere und ähnliche(s)(n)

UBA

Umweltbundesamt

Abkürzungsve!Zeichnis

19

UGB

Umweltgesetzbuch

UPR

Umwelt- und Planungsrecht

Urt.

Umil

usw.

UTR

und so weiter Schriftenreihe der Forschungsstelle für Umwelt- und Technikrecht an der Universität Trier

u.U.

unter Umständen

UVP UVPG(E)

Umweltverträglichkeitsprüfung

us

V

United States

(Entwurf eines) Bundesgesetz(es) über die Umweltverträglichkeitsprüfung Verordnung

V.

von/vom

VA

Verwaltungsakt

VAwS

Verordnung über Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (Anlagenverordnung)

VBlBW

Verwaltungsblätter Baden-Württemberg

VbF

vc

Verordnung über brennbare Flüssigkeiten Vinylchlorid (Chlorethen)

VDI

Verband Deutscher Ingenieure

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche Volume (Band)

Vol. Vorb.

Vorbemerkung

VR

Verwaltungsrundschau

VVDStRL

Veröffentlichungen des Verbandes Deutscher Staatsrechtslehrer

VwV

Verwaltungsvorschrift

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WaStrG

Wasserstraßengesetz

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung

WRMG

Wasch- und Reinigungsmittelgesetz

z.B.

zum Beispiel Zeitschrift für Bergrecht

Ztu

Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht

ZfW

Zeitschrift für Wasserrecht

zm

Ziff.

Ziffer

zit.

zitiert

ZRP z.T.

zumTeil

zugl.

zugleich

Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Seit inzwischen mehreren Jahrzehnten wird uns beinahe täglich aufs neue über die verschiedenen Medien vor Augen geführt, wie wir unseren Lebensraum, die Erde, Schritt für Schritt zerstören. Das Tempo der Zerstörung hat dabei weltweit nicht etwa im Laufe der letzten Jahre abgenommen, sondern ist im Gegenteil weiter gestiegen, und das obwohl die Informationen über die Folgen der Umweltzerstörung immer ausführlicher und präziser geworden sind. Mahner und Propheten, die es genug gab und gibt, mußten und müssen sich trotzdem erstaunlicherweise oft genug den Vorwurf der Panikmache gefallen lassen. I Noch in den sechziger Jahren, einer Zeit der Wachstumseuphorie, paßte es auch nicht in die allgemeine Stimmung, wenn man Kritik am Wachstum der Wirtschaft auf Kosten der Umwelt übte.2 Die kritischen Stimmen wurden einfach überhört. 3 Die Aufmerksamkeit galt nur den unbestreitbaren positiven Seiten des rasanten technischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Selbst wenn heute Politiker aller Parteien und selbst große Wirtschaftsunternehmen (siehe Chemie-Industrie) den Umweltschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben, vermißt man doch häufig die Umsetzung dieser Bekenntnisse in die Realität. Umweltschutz ist zwar ein wesentliches Ziel jeder Politik geworden, aber eben nur eines von mehreren, die sich meist nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Der Umweltschutz konkurriert mit den Zielen Senkung der Arbeitslosigkeit, Erhalt/Ausbau der Wettbewerbslahigkeit einer Branche/der nationalen Wirtschaft u.a. Die Verwirklichung des Umweltschutzes wird damit zur Kostenfrage. Je mehr er kostet, desto geringer ist die Chance der Realisierung. Es gilt weiterhin der Grundsatz, daß Ökonomie vor Ökologie geht. Oft werden Übergangsregelungen zugunsten der betroffenen Wirtschaftszweige geVgl. die Nachweise bei Kimminich, Umweltschutz - Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit,

2

3

s. 166.

Vgl. auch Tesdorpf, Landschaftsverbrauch, S. 6; Leidig, Bodenschutz im Rechtssystem,

s. 55.

Leidig, ebenda.

22

Einleitung

troffen (Beispiele: Rauchgasentschwefelung4, Drei-Wege-KatalysatorS). International sind die Ergebnisse der Umweltrechtssetzung meist noch dürftiger (Beispiel: Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen6). In der Bundesrepublik Deutschland ist allerdings, hauptsächlich seit den siebziger Jahren, ein umfangreiches Regelwerk zum Schutz der Umwelt entstanden. 7 Es konzentriert sich bis heute weitgehend auf die beiden Umweltmedien Luft und Wasser. Für das dritte Umweltmedium, den Boden, stellte die Bundesregierung erst 1985 eine Schutzkonzeption vor, in der sie der Sorge Ausdruck gab, daß bis zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Vorkehrungen zum Schutz des Bodens getroffen worden waren. 8 Dieser späte Zeitpunkt der Erkenntnis erstaunt ein wenig, weil der Handlungsbedarf auf diesem Gebiet schon weit früher auf der Hand lag. Schon 1961 hatte die "Grüne Charta von der Mainau• die Versehrnutzung der Umwelt und die Gefährdung unserer Lebensgrundlagen aufgezeigt: "Die Grundlagen unseres Lebens sind in Gefahr geraten, weil lebenswichtige Elemente der Natur verschmutzt, vergiftet und vernichtet werden... Voraussetzung für unser Leben ist, neben gesunder Nahrung, die gesunde Landschaft, Boden, Luft, Wasser und ihrer Tier- und Pflanzenwelt. Diese lebenswichtigen Elemente werden übermäßig und naturwidrig beansprucht. Immer häufiger werden lebendiger Boden vernichtet, Oberflächen- und Grundwasser verdorben, Luft verunreinigt, Pflanzen- und Tierwelt gestört und offene Landschaft verunstaltet. •9 Zehn Jahre nach der "Grünen Charta • stellte die Bundesregierung in ihrem Umweltprogramm von 197110 fest: "Zunehmender Flächenbedarf, ungeordnete Verstädterung und Industrialisierung steigern die Belastung unserer Umwelt derart, daß die natürlichen 4

Vgl. § 36 13.BimSchV (Großfeuerungsanlagenverordnung).

5 Vgl. Richtlinie 83/151/EWG, ABI. 1983 L 197/1.

6

7

8

In Kraft seit dem 1. 1.1989, Text abgedruckt in: Bumenne, Bd. V, 985:22/A/1. Wichtige Regelungen auf Bundesebene: Wasaemaushaltagesetz (1957) i.d.F. von 1990, Trinkwasserverordnung von 1975, Bundes-Immissionsschutzgesetz (1974) i.d .F. von 1990, Technische Anleitung Luft (1974) i.d.F. von 1986, Bundesnaturschutzgesetz (1976) i.d.F. von 1990, Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 - seit der 4. Novelle 1986: Abfallgesetz, i.d.F. von 1990, Chemikaliengesetz (1980) i.d.F. von 1990.

Bodenschutzl::onzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 5. Zitiert nach: Geschieht genug für die natürliche Umwelt - 20 Jahre "Grüne Charta von der Mainau", Heft 34 des deutschen Rates für Landespflege, 1980, S. 292. 10 in: Umweltplanung, Materialien zum Umweltprogramm der Bundesregierung 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums deslnnem, Band 1, S. 7 (BT-Drucksache VI/2710).

9

Einleitung

23

Lebensgrundlagen überfordert sind. Die Selbstreinigungskraft von Boden, Wasser und Luft reicht in vielen Fällen nicht mehr aus ... Das ganze Ausmaß der Gefahren wurde daher unterschätzt." Trotz des damals festgestellten Handlungsbedarfs vergingen weitere 14 Jahre bis zur Veröffentlichung der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung 1985. Völlig unbeachtet blieb auch bis in die achtziger Jahre die Europäische Bodencharta von 1972.11 Sie formuliert in Form einer Empfehlung für die Mitgliedstaaten in zwölf Artikeln eine europäische Bodenschutzpolitik. Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß der Boden eines der kostbarsten Güter der Menschheit ist ("Soil is one ofhumanity's most precious assets"). In Art. 6 stellt die Charta die Forderung auf, daß der Boden vor Verunreinigung geschützt werden müsse.12 Dieser Forderung sind die Mitgliedstaaten des Europarates bisher, wie die fortschreitende Bodenverschmutzung leider zeigt, in nicht ausreichendem Maß nachgekommen. Luftverunreinigungen durch Schwefeldioxid und Stickstoffoxide haben z.B. dazu geführt, daß in den letzten 25 Jahren die Bodenversauerung in der Bundesrepublik regional um das Zehnfache zugenommen hat.13 Damit können auch Auswirkungen auf das Grundwasser nicht ausgeschlossen werden.l4 Daneben gibt es allein in den alten Bundesländern 48377 Verdachtsflächen für Altlasten, d.h. alte Deponien und sonstige Lagerstätten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 sowie schadstoffbelastete alte Industriestandorte; nicht dabei berücksichtigt sind andere kontaminierte Böden, beispielsweise 11 Resolution 72 (19) (Europcan Soil Charter) des Europarates vom 30. 5.1972, abgedruckt

in: European Yearbook Vol. XX (1972), Den Haag 1974, S.345 ff. (Englisch/Französisch) 12 Art. 6: "Soil must be protected against pollution. Certain chemical fertilisers and pesticides, used without discemment or control, may accumulate in cultivated land and may thus contribute to the pollution of soil, groundwater, water courses and air. lf industry or agriculture discharges toxic residues or organic wastes that could endanger the land and the water, those responsible must provide for adequate treatment of water or the disposal ofwastes in suitable places, as wellas for the restoration ofthe dumping areas after use." Art. 6: "Der Boden muß vor Verunreinigung geschützt werden. Bestimmte chemische Düngemittel und Pestizide, die unbedacht oder unkontrolliert eingesetzt werden, können sich in kultiviertem Land anreichern und so zur Venchmutzung des Bodens, des Grundwassers, der Wasserläufe und der Luft beitragen. Wenn Industrie oder Landwirtschaft giftige Rückstände oder organische Abtälle in den Boden einbrinaen, die Land und Wasser getährden können, müssen die dafür Verantwortlichen für eine angemessene Behandlung des Wassera oder die Deponierung der Abtälle an geeigneten Orten sowie auch für die Wiedemeratcllung der Deponiegebiete nach ihrer Benutzung sorgen." 13 BMU, Maßnahmen zum Bodenschutz verabschiedet, Umwelt1988, 31. 14 Ebenda.

24

Einleitung

durch defekte Versorgungsleitungen oder Abwässerkanäle.15 Der Auftrag z.B. von Cadmium auf den Boden liegt in der Bundesrepublik bei 3,6 g (in ländlichen Gebieten) bis zu 108 g/ha-a (in Ballungsgebieten).16 Günter Schönhard17 von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft empfiehlt Schrebergärtnern in Ballungsgebietenaufgrund der dortigen hohen Schadstoffbelastung der Böden schon jetzt, den Anbau bestimmter Pflanzenarten (z.B. Wurzelgemüse) zu vermeiden und besondere Bearbeitungsrichtlinien für Obst und Gemüse (waschen, schälen etc.) zu beachten. Diese Maßnahmen sollen mögliche gesundheitliche Schäden bzw. Risiken für den Menschen durch eine bestehende Belastung mindern. Nach der Einschätzung der 1980 dem Präsidenten der Vereinigten Staaten vorgelegten Studie "Global 2000" sind die meisten Fälle von Bodenverschlechterung, zumindest in der Theorie, reversibeJ.18 In Betracht gezogen werden aber in diesem Zusammenhang nur die Wüstenausbreitung, die Versumpfung, Versatzung und Alkalisierung, die Auswirkungen der Waldvernichtung, allgemeine Erosion und Humusverlust sowie Landeinbußen aufgeund von Urbanisation und Expansion der Dörfer.19 Die Studie nennt auch die Voraussetzungen für eine Reversibilität der Bodenverschlechterungen: Bei ausreichend großen Verbindlichkeiten wie Zeit, Kapital, technischem Wissen und politischem Willen, könne der größte Teil der Bodenverschlechterung verlangsamt, aufgehalten oder sogar wiedergutgemacht werden. Das Problem bestehe darin, daß praktisch die erforderliche Zeit und das Wissen, die politischen und wirtschaftlichen Kosten sowie die Kosten der Ressourcen, die darin enthalten sind, jeden Fall von Bodenverschlechterung irreversibel machen. 20 Die Handlungsmaxime aller Verantwortlichen muß nach dem bisher Gesagten lauten, Bodenverschlechterungen weitestgehend zu verhindern. Diese Erkenntnis ist zwar, wie die kurze und keineswegs vollständige Aufzählung der Studien, Chartas und anderen Materialien zum Problembereich Bodenverschmutzung zeigt, nicht neu. Sie tritt uns jedoch immer drohender vor Augen, da der Handlungsbedarf bisher nur zu einem kleinen Teil umgesetzt worden ist. Gerade weil Bodenverschlechterungen, besonders die Verunreinigung mit Schadstoffen, nur unter Einsatz äußerst ressourcen- und kostenintensiver Methoden wiedergutzumachen sind, müssen sie von vornherein 15 16 17 18 19 20

SRU-Sondergutachten Altlasten, Tz. 64; Umweltbericht 1990, S. 165. Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 58. Städte- und Gemeindebund 1987, 20 (21). Global 2000, S. 600.

s . 599 f. s. 600.

Einleitung

25

vermieden werden. Man darf nicht erst dann handeln, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es demgemäß, die Möglichkeiten des Schutzes des Bodens vor Verunreinigung mit Schadstoffen auf der rechtlichen Ebene darzustellen, insbesondere eine Darstellung des bestehenden rechtlichen Instrumentariums und seiner Wirksamkeit für den Bodenschutz zu liefern sowie weiteren Handlungsbedarf aufzuzeigen. Die Arbeit beschränkt sich dabei auf die Instrumente des öffentlichen Rechts. Sie behandelt nicht die zivil- und strafrechtlichen Möglichkeiten des Bodenschutzes, die auf dem Gebiet des Bodenschutzes eine eher flankierende Rolle spielen. 21 Voraussetzung für eine derartige Untersuchung ist, neben einer Definition des Schutzobjektes Boden und der Ziele des Bodenschutzes, eine Übersicht über die Ursachen der Gefährdung und die Wege des Schadstoffeintrags. Diese Abschnitte werden unter den beiden ersten Gliederungspunkten behandelt. Anschließend folgt unter Gliederungspunkt 3 die Entwicklung der Ziele der Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene, an denen dann das bestehende rechtliche Instrumentarium gemessen wird. Unter Gliederungspunkt 4 folgt die Darstellung der bodenschützenden Rechtsvorschriften, die der direkten Verhaltenssteuerung dienen. Sie werden nach Schadstoffeintragspfaden und Problembereichen differenziert behandelt. Unter Gliederungspunkt 5 werden der gesetzgebensehe Handlungsbedarf in bestimmten Problembereichen aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten kurz erörtert. Dort werde ich auch auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf diesem Gebiet und die eigentumsrechtliche Problematik eingehen.

21 Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (147); Stonn, DVBI. 1985, 317 (320); siehe auch speziell zum Verhältnis Verwaltungsrecht- Strafrecht: Hansmann, NVwZ 1989, 913 ff.

1. Dermition des Schutzobjektes Boden und Bestimmung der Ziele des Bodenschutzes 1.1. Definition des Bodens Voraussetzung für eine Untersuchung der rechtlichen Schutzmöglichkeiten für den Boden ist eine Definition des Schutzobjekts, die als Ausgangspunkt für rechtliche Schutzmaßnahmen brauchbar ist. Eine rechtlich allgemeinverbindliche Begriffsbestimmung ist für den Boden noch nicht erfolgt. Sie wird sich jedoch nach den Erkenntnissen der Bodenkunde (Pedologie) richten müssen, der Wissenschaft, die die Entstehung, Entwicklung und Eigenschaften der Böden, ihre räumliche Verbreitung sowie ihre Nutzung für Land- und Forstwirtschaft untersucht1• Böden können bodenkundlieh sowohl strukturell oder entwicklungsgeschichtlich als auchfunktionell definiert werden. 2 Nach ihrer Entwicklungsgeschichte "sind Böden Naturprodukte, deren heutige Gestalt und Eigenschaften als das Ergebnis von häuftg sehr langen Entwicklungszeiten anzusehen sind". 3 Strukturell ist Boden "ein überall an der Erdoberfläche auftretendes, durch Verwitterung der Gesteine hervorgegangenes, mechanisches Gemenge von Gesteins- und Mineralbruchstücken und deren Umbildungsprodukten, vermischt mit einer mehr oder minder großen Menge sich zersetzender oder schon zersetzter organischer Bestandteile"4 •

Er ist als Bindeglied zwischen der Gesteins-, Wasser- und Lufthülle der Erde nicht nur von unmittelbarer Bedeutung für die darin lebenden Kleinorganismen und wurzelnden Pflanzen, sondern mittelbar auch für die Organismen, die auf oder über dem Boden leben. 5 Boden kann daher nicht als scharf abgrenzbarer Naturfaktor behandelt werden, sondern bezeichnet ein GrenzScheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 1; Meyen Großes Taschenlexilcon, Band 3, Stichwort: Bodenkunde; ähnlich schon Blanck, Bodenlehre, S. 2. 2 3 4

5

Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 103; zu den venchiedenen Bodendefinitionen vgl. auch: Stahr, Bodenfunktionen, S. 153 ff. Cebulla, ebenda. Blanck, Bodenlehre, S. 22; ähnlich Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 104. Hübler/Bachmann, Regionalisierung, S. 62.

1.1. Definition des Bodena

27

phänomen, in dem sich Litho-, Hydro-, Atmo- und Biosphäre ( = Pedosphäre) durchdringen und überlagern. 6 Bei funktioneller Betrachtungsweise ist Boden, als oberste Schicht der Erdkruste, der Lebensraum für die auf oder in ihm lebenden Organismen. 1 Jede der verschiedenen Definitionen von Boden ist bei Berücksichtigung des jeweiligen Standpunktes der Betrachtung richtig. 8 Die Formulierung einer Definition fiir Boden hängt danach von der jeweiligen individuellen Konzeption ab. 9 Für einen umfassenden rechtlichen Bodenschutz, der diese unterschiedlichen Aspekte des Umweltmediums Boden berücksichtigt, kann als Ausgangspunkt daher folgende Definition zugrundegelegt werden:

Boden ist die oberste, von Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen Organismen belebte Verwitterungsschicht der Erdkruste.10 Aufbauend auf dieser Definition ist die Bedeutung des Begriffs Boden im rechtswissenschaftliehen Sinn nach Stormll und Ziegler12 jeweils aus dem Zusammenhang der Normen zu gewinnen, in dem er gebraucht wird, da der Zweck der Norm den Inhalt des Begriffs Boden eingrenzen könne. Storm und Ziegler kommen daher zu dem Schluß, daß auch der unbelebte Teil der obersten Schicht der Erdkruste von bodenschützenden Normen erfaßt werden kann.13 Brugger14 sieht den unbelebten Teil der Erdkruste vom Bodenschutzrecht erfaßt, soweit er durch menschliche Aktivitäten berührt wird. Aufgabe des Bodenschutzrechts kann es nur sein, den Boden vor den verschiedenen schädlichen anthropogenen Einflüssen zu schützen, die nicht nur auf den belebten Teil der Erdkruste einwirken, sondern auch auf den unbelebten. Denn Einwirkungen auf den unbelebten Teil der Erdkruste haben wiederum Auswirkungen auf den belebten Teil. Die sich in der Erdkruste 6 1

8 9 10

11 12 13 14

Hübler!Bachmann, S. 63. Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 1; ähnlich Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 104. Mückenhausen, Bodenkunde, S. 188. Mückenhausen, ebenda. Vgl. zu den Definitionen des Bodens im rechtswissenschaftliehen Schrifttum: Storm, DVBI. 1985, 317 (320); den., in: HdUR 1, Sp. 268; den., Jura 1987, 352 (353); Brugger, BWVPr. 1986, 98 (99); Ziegler, BWVPr. 1987, 145; Book, IzR 1985, 55; dies., Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 5 f. DVBI. 1985, 317 (319); den., Jura 1987,352 (353); den., in: HdUR 1, Sp. 268. BWVPr. 1987, 145. Ziegler, ebenda; Storm, DVBI. 1985, 317 (319); den., Jura 1987, 352 (353); den., in: HdUR 1, Sp. 268. BWVPr. 1986, 98 (99).

28

1. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

synergistisch abspielenden physikalischen und chemischen Prozesse beschränken sich nicht nur auf jeweils einen Teil. Bodenschutz kann demnach nur als Schutz des Bodens in seiner Gesamtheit verstanden werden.l5 Dieser umfassend verstandene Bodenschutz erfaßt auch die bebauten Flächen.l6 Angesichts der Notwendigkeit, versiegelte Flächen zu revitalisieren, müssen auch sie mitbeachtet werden.l7

1.2. Ziele des Bodenschutzes 1.2.1. Herkömmliche Bestimmung der Ziele nach den Bodenfunktionen - anthropozentrischer Ansatz Die Bestimmung der Ziele des Bodenschutzes erfolgt im rechtswissenschaftliehen Schrifttum fast ausschließlich nach den Funktionen, die der Boden für den Menschen hat.18 Dieser Ansatz für den Bodenschutz folgt aus einer den Menschen in den Mittelpunkt stellenden (anthropozentrischen) Denkweise, die darauf zurückzuführen ist, daß der Umweltschutz und das Umweltrecht insgesamt bis heute von der Anthropozentrik beherrscht werden.19 Das ist insofern nicht überraschend, als der Handlungsadressat von Rechtsnormen der Mensch ist, der stets in Gegenüberstellung zu den Handlungsobjekten erscheint.20 So betont z.B. Storm, daß Umweltschutz, auch dort wo unsere Rechtsordnung Umweltgütern einen Eigenwert einräume, nie 15 So auch Erbguth, UPR 1984, 241 (242}; Peine, in: UTR 3, S. 205; Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 12; in diesem Sinne ist wohl auch Brugger, ebenda, zu verstehen. 16 Andersjedoch wohl Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 487 f. 17 Erbguth, UPR 1984, 241 (242}; Peine, in: UTR 3, S. 205. 18 Vgl. z.B. v.Lersner, NuR 1982, 201 ff.; Erbguth, UPR 1984, 241 ff.; ders., NuR 1986, 137 ff.; Storm, in: HdUR 1, Sp. 266 ff.; ders., Jura 1987, 352 ff.; Schott, IzR 1985, 27 ff.; Brugger, BWVPr. 1986, 98 ff.; Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 7 ff.; dies. IzR 1985, 55 ff.; Peine, S. 201 ff.; Ziegler, BWVPr. 1987, 145 ff.; Smollich, JA 1988, 592 ff.; Schlabach, VWBIBW 1989, 281 ff. 19 Vgl. Steiger, Begriffund Geltungsebenen, S. 8 m.w.N. 20 Vgl. Bosselmann, KJ 1985, 345 (348}; siehe auch Frank, DVBI. 1989, 693, der darauf hinweist, daß Umweltschutz im geltenden Recht maßgeblich durch die polizeirechtliche Tradition des 19. Jahmunderts geprägt worden ist. Der Umweltschutz dient nach dieser Tradition dem Schutz von Leib und Leben der Bürger vor den Gefahren der technischen Entwicklung. Diese klassischen polizeirechtlichen Schutzgüter erfuhren im 19. Jahmundert ihre spezialrechtliche Ausprägung in den konzessionsrechtlichen Bestimmungen des gerade enstehenden Gewerberechts. Der Beginn dieser Entwicklung ist in zwei Generalklauseln des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten zu sehen (Teil I, Titel 8, § 78 und Teil 0, Titel 20, § 1543 }, die eine Einschränkung der KonzeBBionserteilung für Fabriken vorsahen, wenn sie Straßen und öffentliche Plätze verengten, verunreinigten oder sonst verunstalteten bzw. wenn ihr Betrieb mit besonderer Feuergefahr verbunden war und sie deshalb in Städten, Flecken und Dörfern und übemaupt in der Nähe von leicht entzündlichen Gebäuden nicht geduldet werden sollten.

1.2. Ziele des Bodenschutzes

29

Selbstzweck sei, sondern immer um des Menschen willen erfolge. 21 Inwieweit dieser anthropozentrische Ansatz dem Bodenschutz dienlich ist, wird im Anschluß erörtert22. Es lassen sich insgesamt vier wesentliche Funktionen des Bodens für den Menschen feststellen. 23 Boden ist:

1. ProdukJionsgrundlage für Biomasse, also für regenerierbare Rohstoffe,

wie Holz, Baumwolle, Seide etc., sowie für Futter- und Nahrungsmittel. Daraus resultiert auch sein Regenerationspotential für den Naturhaushalt. 2. Filter, Speicher, Transformator und Puffer für den natürlichen Stoffhaushalt (Regelungsfunktion). Stoffe, die in den Boden gelangen, werden von ihm festgehalten. Auf diese Art und Weise wird etwa das Regenwasser gefiltert, so daß Schadstoffe vom Grundwasser ferngehalten werden. Diese Funktionen dienen auch der Versorgung der Pflanzen mit den lebensnotwendigen Nährstoffen. 3. Baugrund. Boden ist der Standort für Siedlungen, Gewerbe-, Industrie-, Freizeit- und sonstige Einrichtungen. 4. Rohstofflager (Bodenschätze, fossile Energieträger). Die Bundesregierung nennt in ihrer Bodenschutzkonzeption von 198524 und in ihrem Bericht an den Bundestag ("Maßnahmen zum Bodenschutz") von 198825 als weitere Funktionen des· Bodens:

- Lebensraum und -grundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen; Teil des Naturhaushalts mit seinen Wasser- und Stoffk:reisläufen; Prägendes Element der Natur und Landschaft; Erholungsraum; Archiv der Natur- und Kulturgeschichte; Entsorgungsfläche für Abfälle. 26

21 In: HdUR 1, Sp. 269; ders., DVBl. 1985, 317 (319); ders., Jura 1987, 352 (353); ebenso Zieg1er, BWVPr. 1987, 145. Vgl. auch Breuer, Umweltschutzrecht, S. 609 f. 22 S.u. 1.2.2. 23 Vgl. in der rechtswissenschaftliehen Literatur nur: v.Lersner, NuR 1982, 201 (202); Erbguth, UPR 1984, 241 ; Stonn, DVBI. 1985, 317 (319); Book, IzR 1985, 55 ff.; dies., Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 7 ff.; Peine, in: UTR 3, S. 204; Brugger, BWVPr. 1986, 98 (99); Ziegler, BWVPr. 1987, 145; Smollich, JA 1988, 592 (593); Schott, IzR 1985, 27; Draeger, Rechtswissenschaftliche Aspekte, S. 133; Schlabach, VBIBW 1989, 281. 24 BT-Drucksache 10/2971, S. 5. 25 BT-Drucksache 1111625, S. 6. 26 Vgl. auch Bodenschutzprogramm Baden-Württemberg 1986, Anlage 28- Bodenschutzkonzept- S. 5; Umweltbericht Niedersachsen 1988, S. 30.

30

I. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

Nach dem Umweltbericht 1990 des BMU27 sind dem Boden als Bestandteil des Naturhaushalts drei zentrale ökologische Funktionen zuzuordnen, nämlich die: -

-

Regelungsfunktion (sie entspricht der oben genannten Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformatorfunk:tion); Produktionsfunktion (sie entspricht der oben genannten Funktion als Produktionsgrundlage für Biomasse); Lebensraumfunktion (Gewährung von Lebensraum für die Bodenorganismen). 28

In der Literatur wird z. T. noch die Funktion als KlimastabilisatoTl-9 (Böden bestimmen über ihre unterschiedlichen Wasserund Wärmekapazitäten den Tages- und Jahresgang der Luftfeuchtigkeit und auch der Temperatur mit)30

und als Quelle (in Böden werden Stoffe freigesetzt, die in den anderen Teilen des Ökosystems nicht oder nur in ganz geringen Mengen vorhanden sind, z.B. der für Pflanzen wichtige Stickstoft)31 hinzugefügt. Die Auflistung der verschiedenen Bodenfunktionen wird indes i.d.R. nicht gleichzeitig als Konkretisierung der Ziele des Bodenschutzes verstanden. Die Gleichsetzung der Ziele mit allen Funktionen wird zwar von Storm32 so vertreten und findet sich auch in der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung33, gegen sie spricht aber - selbst bei einem rein anthropozentrischen Ansatz, wie ihn Storm vertritt34 -,daß sich beispielsweise die erste und die dritte Funktion (Produktionsgrundlage für Biomasse - Baugrund) gegenseitig ausschließen35. Daneben beeinträchtigt die Nutzung als Baugrund auch die Filter-, Speicher-, Transformator- und Pufferfunktion des Bodens. Kolli27 s. 210. 28 So auch schon SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 548 ff.; SRU-Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 672 ff.

29 So Book, Bodenschutz durch Räumliche Planung, S. 9 f.; vgl. auch Olschowy, Natur- und Umweltschutz, S. 239 f. 30 Stahr, Bodenfunktionen, S. 154. 31 Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 106; Stahr, S. 151 32 AgrarR 1983, 233 (233 f.); DVBI. 1985, 317 (319); Jura 1987, 352 (353). 33 BT-Drucksache 10/2977, S. 5 f . 34 S.o. Fn. 21. 35 So Peine, in: UfR 3, S. 204; Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 123 - dem ist voll zuzustimmen.

1.2. Ziele des Bodenschutzes

31

sionen zwischen dieser Funktion sowie der Funktion als Produktionsgrundlage fiir Biomasse auf der einen Seite und der Nutzung als Rohstofflager auf der anderen Seite lassen sich ebenfalls nicht vermeiden. Der Schutz des Bodens in seiner Funktion als Rohstofflager kann nämlich nur im Sinne eines ungehinderten, gesicherten und möglicherweise noch gesteigerten Rohstoffabbaus verstanden werden.36 Werden Rohstoffe, wie Kies, Sand, Ton, Braunkohle, Torf oder Ölschiefer ausgebeutet, liegt es auf der Hand, daß der Boden etwa die Funktion als Produktionsgrundlage fiir Biomasse wenigstens zeitweise nicht erfüllen kann. 37 Welche der verschiedenen Bodenfunktionen durch den Bodenschutz erfaßt werden sollen, ist daher letztlich eine Frage der Wertung38, da alle Funktionen fiir den Menschen ihre spezifische Wichtigkeit haben. Ausschlaggebend ist, daß die Funktionen Rohstofflager und Baugrund gleichzeitig große Gefährdungspotentiale fiir die ökologischen Funktionen als Produktionsgrundlage fiir Biomasse und als Filter, Speicher, Transformator und Puffer beinhalten. Die Funktionen des Bodens als Baugrund und Rohstofflager sind daher nicht Gegenstände des Bodenschutzes, sondern der Bodennutzung, die eine eigenständige rechtliche Regelung erfährt. 39 Der Schutz des Bodens umfaßt nach dieser in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Argumentationslinie40 folglich von den vier erstgenannten Funktionen nur die Funktionen Produktionsgrundlage fiir Biomasse sowie die Filter-, Speicher-, Transformator- und Pufferfunktion, da deren natürliche Funktionsfähigkeit durch menschliche Aktivitäten gefährdet ist, während andere Funktionen erst durch den Menschen aktiviert werden (Baugrund, Rohstofflager). Bodenschutz bedeutet - nach diesem ökologisch beeinjlußten anthropozentrischen Ansatz, der in der Literatur überwiegt - die Erhaltung der natarlichen, ökologischen Funktionen des Bodens im Naturhaushalt.41 Nur sie sind

36 37 38 39

Draeger, Rechtswissenschaftliche Aspekte, S. 134. Peine, in: UfR 3, S. 204. Draeger, Rechtswissenschaftliche Aspekte, S. 134. So deutlich Erbguth, UPR 1984, 241 (242); Draeger, ebenda 40 Vgl. nur v .Lersner, NuR 1982, 201 (202); Erbguth, 241; Storm, DVBI. 1985, 317 (319); Book, IzR 1985, 55 ff.; dies., Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 7 ff.; Peine, in: UfR 3, S. 204; Brugger, BWVPr. 1986, 98 (99); Zieg1er, BWVPr. 1987, 145; Smollich, JA 1988, 592 (593); Schott, IzR 1985, 27; Draeger, S. 133; Schlabach, VBIBW 1989, 281. 41 So Erbguth, 241 (242); Draeger, a.a.O, S. 134 ; Peine, ebenda; Book, IzR 1985, 55 f. ; dies., Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 11; Smollich, ebenda; Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (146); unklar insoweit Brugger, 98 ff.

32

1. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

Ausprägungen der Bedeutung des Bodens in seiner Eigenschaft als Element des Naturhaushalts und des Naturkreislaufs. 42 Den so verstandenen Bodenschutz, der keine grundsätzliche Abkehr vom anthropozentrischen Ansatz des Bodenschutzes enthält- es sollen die ökologischen Funktionen des Bodens jar den Menschen geschützt werden - könnte man nach Breuer43 auch als "ressourcenökonomischen" oder "ökologischen Interessenschutz" bezeichnen. Von diesem Bodenschutzbegriff aus betrachtet, der die Verantwortung des Menschen für die Natur stärker berücksichtigt44, stellt auch die von der Bundesregierung ferner aufgeführte Funktion als Lebensgrundlage und -raum für Menschen, Pflanzen und Tiere45 ein Schutzgut des Bodenschutzes dar. Die Quellenfunktion wiederum ist als Teilaspekt der Funktion Produktionsgrundlage für Biomasse anzusehen. Die Funktion des Bodens als Klimastabilisator fällt danach ebenfalls in den Schutzbereich des Bodenschutzes. Die von der Bundesregierung46 darüber hinaus aufgeführte Funktion als Teil des Naturhaushalts mit seineo Wasser- und Stoffkreisläufen beschreibt dagegen einen strukturellen Aspekt47, nicht aber eine schützenswerte ökologische Funktion. Dieser strukturelle Aspekt ergibt sich erst daraus, daß der Boden, als eines der drei Umweltmedien Luft, Wasser und Boden, wesentliche Funktionen im Naturhaushalt erfüllt. Auch die Funktion als prägendes Element der Natur und Landschaft48 beschreibt keine ökologische Funktion, sondern eine ästhetische, die nicht vom Bodenschutz im ökologischen Sinn erfaßt werden kann. Mittelbar wird allerdings auch diese Funktion geschützt, da der Boden nur dann Natur und Landschaft prägt, wenn er noch seine ökologischen Funktionen erfüllen kann. Dieselbe Problematik wie bei den Funktionen des Bodens als Baugrund und als Rohstofflager stellt sich auch bei der von der Bundesregierung49 angeführten Nutzung als Entsorgungsfläche für Abfälle. Sie ist ebenfalls keine 42 43 44 45

Draeger, cbenda. Umweltschutzrecht, S.

610.

Vgl. zum Verantwortungsprinzip Bosselmann, NuR 1987, 1 (4) Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksachc 10/2977, S. 5; Maßnahmen zum Bodenschutz, BT-Drucksachc 11/1625, S. 6. 46 Ebenda.

47 Draeger, Rechtswissenschaftliche Aspekte, S. 133. 48 Bundesregierung, Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/ 2977, S. 5; Maßnahmen zum Bodenschutz, BT-Drucksache 11/ 1625, S. 6. 49 Ebenda.

1.2. Ziele des BodelliiChutzes

33

natürliche, ökologische Funktion des Bodens, sondern eine erst durch menschliche Tätigkeit aktivierte, die die natürlichen Bodenfunktionen, insbesondere die Filter-, Speicher-, Transformator- und Pufferfunktion gefährdet. Sie kann daher nicht von einem ökologisch verstandenen Bodenschutz erfaßt sein. Sie stellt vielmehr, wie auch etwa die Nutzung als Baugrund, einen Aspekt der Bodennutzung dar. Die Funktion des Bodens als ErholungsraumSO hat für den Boden als Teil des Naturkreislaufs und-haushaltsebenfalls keinen eigenen Wert. Sie betrifft eine Möglichkeit der Bodennutzung durch den Menschen, die erst aus dessen ökologischen Funktionen erwächst. Diese Nutzung erfährt ihren Schutz auch durch die Regelungen des Bodennutzungsrechts. Die letzte von der BundesregierungSl zusätzlich aufgeführte Funktion des Bodens, ist die als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Diese Funktion ist für die ökologische lntaktheit des Umweltmediums Boden nicht von Bedeutung. Sie ist weder eine ihrer Bedingungen noch hat ihre Nutzung (durch geologische oder archäologische Untersuchungen) nennenswerten negativen Einfluß auf die Aufgaben des Bodens im Naturhaushalt Der Schutz der Archivfunktion kann demnach nicht von den Regelungen des Bodenschutzes erfaßt sein. Zusammenfassend erstreckt sich der Schutz des Bodens nach dem heute überwiegend vertretenen ökologisch orientierten Ansatz, wie er hier dargestellt wurde, auf folgende Bodenfunktionen: 1. Filter, Puffer, Transformator und Speicher (Regelungsfunktion); 2. Produktionsgrundlage filr Biomasse (Produktionsfunktion); 3. Lebensraum und -grundlage filr Menschen, 7iere Pflanzen und Bodenmikroorganismen (Lebensraumfunktion); 4. Klimastabilisator. Bodenschutz wird im Hinblick auf die genannten Funktionen nicht nur auf die Erhaltung, d.h. die Abwehr von Beeinträchtigungen beschränkt, sondern auch i.S.v. Pflege und Entwicklung durch Gestalten, Verbessern, Wiederherstellen und Vorsorge verstanden, damit Beeinträchtigungen erst gar nicht entstehen können. 52

50 Ebenda. 51 Ebenda. 52 Stonn, in: HdUR 1, Sp. 269; ihnlieh ders., AgrarR 1983, 233; ders., Jura 1987, 352 (353); Smollich, JA 1987, 592 (593). 3 Heiermann

34

1. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

Exkurs: Die besondere Rolle der Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformatorfunktion Für das Thema dieser Arbeit besonders wichtig sind die Funktionen des Bodens als Filter, Speicher, Puffer und Transformator, da besonders sie durch die Kontamination des Bodens mit Schadstoffen betroffen sind.

Böden bilden im Stoffhaushall der Okosphitre ein natürliches Reinigungssystem, das emittierte Schadstoffe aufzunehmen, zu binden und -je

nach Art der Schadstoffe und Eigenschaften der Böden - in mehr oder minder hohem Maß aus dem Stoffkreislauf der Ökosphäre zu entfernen vermag. 53 Staub- und gasförmige Schmutz- und Schadstoffe, die aus der Luft mit den Niederschlägen zu einem beträchtlichen Teil in die Böden eingeschwemmt werden, werden im Boden festgebalten, so daß aus den einsiekemden Niederschlägen nach der reinigenden Bodenpassage in der Regel sauberes, für eine Trinkwassergewinnung geeignetes Wasser entsteht. 54 Suspendierte Schmutzund Schadstoffpartikel werden durch diese Filterung mechanisch im Boden gebunden. Selbst feinste Partikel ( < 0,2 1-'m) können so in feinporenreichen Böden aus dem Sickerwasser herausgefiltert werden. 55 Nutzt man diese Filterwirkung bewußt oder unbewußt, muß man sich darüber im klaren sein, daß die bei der Filterung zugeführten Stoffe nun Bestandteile des Bodens sind und nicht nur die Filterleistung für die Zukunft beeinträchtigen können, sondern ganz allgemein den Boden verändern. 56 Unter der Pufferwirkung von Böden versteht man ihre Fähigkeit, gasförmige und gelöste Schadstoffe durch Sorption zeitweise an die Bodenaustauscher zu binden oder nach Reaktion mit bodeneigenen Substanzen chemisch zu fällen und so weitgebend zu immobilisieren. 57 Je nach Art und Menge des Schadstoffs sowie den verschiedenen Eigenschaften der Böden treten in der Pufferwirkung sehr große Unterschiede auf. 58 Böden mit hohen Gehalten an organischer Substanz und Ton sowie Eisen-, Aluminium- und Manganoxiden besitzen i.d.R. eine hohe, sandreiche Böden eine niedrige Pufferkapazität 59 Bei Pufferungsprozessen wird ein Stoff i.d.R. auch bei stoßweiser Zufuhr zunächst fast vollständig im Boden zurückgehalten und nachfolgend mehr

53 Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 273. 54 Scheffer/Schachtschabel, ebenda. 55 Scheffer/Schachtschabel, ebenda.

56 Slahr, Bodenfunktionen, S. 156; Cebulla, Ökologische Aspekte, S. lOS. 57 Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 274; Slahr, ebenda; Cebulla, ebenda; zur Sorption vgl. inab. Mückenhauaen, Bodenkunde, S. 232 ff. 58 Slahr, ebenda; Scheffer/Schachtschabel, ebenda. 59 Scheffcr/Schachtschabcl, ebenda.

1.2. Ziele des Bodenschutzes

35

oder weniger kontinuierlich in geringer Konzentration wieder abgegeben. 60 Die Pufferungsfunktion von Böden wird z.B. bei der Ausbringung von Düngesalzen genutzt, die, selbst wenn sie in flüssiger Form aufgebracht werden, den Pflanzen für eine längere Zeit eine bessere Versorgung ermöglichen. Neben der Filterwirkung wirkt sich auch die Pufferwirkung des Bodens günstig auf die Reinhaltung des Grundwassers aus, da auf den Boden gelangende Schadstoffe nach mehrfacher Sorption und Desorption meist in wesentlich geringerer Konzentration und zeitlich verzögert in das Grundwasser gelangen. 61 Die Folge der Pufferwirkung ist, daß ein Stoff seine konzentrationsabhängige, möglicherweise negative Wirkung nur dann zeigt, wenn bei einer übermäßigen Stoffzufuhr die Pufferkapazität des Bodens im Hinblick auf diesen Stoff oder auf einen sich ähnlich verhaltenden Stoff überschritten wird. 62 Für die Belastbarkeit eines Bodens mit organischen Abfall- und Schadstoffen ist vor allem die Aktivität der Mikroorganismen entscheidend. Diese bestimmt die Transfonnatoifunklion des Bodens. 63 Die mikrobielle Transformation organischer und z.T. auch anorganischer Schadstoffe führt zu Stoffen anderer Aggregatzustände und anderer chemischer Zusammensetzung, die meist keine Schadstoffwirkung mehr besitzen. In Einzelfällen können jedoch auch Metabolite gebildet werden, die eine größere Toxizität als die Ausgangsstoffe aufweisen. 64 Bedeutende Transformationen laufen bei der Bildung sekundärer Mineralien (Bsp.: Umwandlung VonFeldspäten in Tonmineralien) sowie auch beim Abbau der in und auf dem Boden befindlichen organischen Reste von toten Pflanzen und Tieren ab. 65 Diese Umwandlung von Pflanzen- und Tierleichen zu Humus und wieder pflanzenverfügbaren Nährstoffen zeichnet die meisten Böden als effektive Recyclingsysteme aus und macht verständlich, warum es Abfall im anthropogenen Sinn in natürlichen Systemen nicht gibt. 66 Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften können Böden Speicher für Wasser, Nährstoffe und energiereiche organische Verbindungen sein. 67 Bei der Auffüllung der Speicher spielen häufig Filter- und Pufferprozesse eine Rolle, während bei der Abgabe der gespeicherten Stoffe Pufferungs- und Transformationsprozesse überwiegen. Durch physikalische

°

6 Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 105; Stahr, Bodenfunktionen, S. 156. 6 1 Stahr, ebenda. 62 Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 105. 63 Brümmer, in: Olschowy, Natur- und Umweltschutz, S. 114. 64 Scheffer/Schacht.schabel, Bodenkunde, S. 274. 65 Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 106. 66 Cebulla, ebenda. 67 Cebulla, ebenda.

36

1. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

Kräfte oder chemische Bindungen können die entsprechenden Stoffe bei der Speicherung im Boden gehalten werden. 68 Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Prozesse ergibt sich eine weitgehende Konstanz der Lebensbedingungen der Pflanzen hinsichtlich ihrer Nährstoff- und Wasserversorgung. 69 Die Grenzen der Speicherkapazitäi: bestehen einerseits darin, daß bei besonderer Anspannung bestimmte Stoffe fast völlig aus dem Boden entfernt werden können und damit nachfolgend Mangelzustände eintreten (z. B. Nährstoffentzug durch Ernten von Kulturpflanzen). Andererseits können bei Änderung der Umweltbedingungen im Boden gespeicherte Stoffe momentan freigesetzt werden und dabei Schadwirkungen verursachen (z.B. Sulfide).70

1.2.2. Bestimmung der Ziele nach den Bodeneigenschaften ökozentrischer Ansatz 1. 2. 2.1. Kritik am anthropozentrischen Ansatz

Die Erhaltung der Umwelt steht in unserer Rechtsordnung in einem Konkurrenzverhältnis mit anderen gesellschaftlichen Belangen, insbesondere solchen wirtschaftlicher Art. Eine Abwägung zwischen den einzelnen Belangen fiillt meistens zu Lasten des Umweltschutzes aus.71 Solange Eingriffe in die natürliche Umwelt nicht auch schädliche Auswirkungen für den Menschen haben, geschieht zu ihrem Schutz regelmäßig nichts. Den zweifelhaften Ruhm, zuerst von schützenden rechtlichen Regelungen erfaßt worden zu sein, haben Luft und Wasser nur deshalb erlangt, weil die negativen Folgen ihrer Versehrnutzung für den Menschen schneller spürbar wurden als die Folgen der Bodenverunreinigung. Bodenverunreinigungen kann man -anders als Luft- und Wasserverschmutzung- normalerweise nicht mit den menschlichen Sinnen wahrnehmen. Die Schwermetallbelastung von Wurzelgemüse aus dem Boden eines städtischen Schrebergartens etwa kann man nicht schmecken. Sie wirkt sich auch nicht unmittelbar ertragsmindernd aus, sondern man muß sie chemisch nachweisen. Die fortschreitende Erschöpfung des Filter- und Puffervermögens des Bodens durch Düngung oder aufgrundsonstiger Ursachen läßt sich ebenfalls nur durch aufwendige Untersuchungen feststellen. Schlimmstenfalls - und das ist wohl die Regel - wird sie erst erkannt, wenn der Boden diese Funktion nicht mehr erfüllt. Eine Reaktivierung der Bodenfunktionen durch eine Bodensanierung ist aber, jedenfalls in einem großflä68 69 10 71

Stshr, Bodenfunktionen, S. 157. Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 106. Stshr, Bodenfunktionen, S. 157; Cebulla, ebenda. Vgl. Soell, Naturschutzrecht, S. 494; Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S. 94; Draeger, Rechtswissenschaftliche Aspekte, S. 136.

1.2. Ziele des Bodenachutzes

37

ehig verseuchten Gebiet12, ein nahezu undurchführbares Vorbaben.73 Bodenschutz, der sich ausschließlich darauf konzentriert, Bodenfunktionen für den Menschen zu erhalten, muß deshalb zwangsläufig scheitern. Daran ändert auch das Vorsorgeprinzip des Umweltrechts nichts, denn wann die Böden bei fortwährendem Schadstoffeintrag ihre verschiedenen Funktionen, insbesondere die ökologisch bedeutsamste74 als Filter, Puffer, Transformator und Speicher, nicht mehr erfüllen können, läßt sich nicht vorbersagen.75 Diebesonderen Probleme liegen darin, daß die konkrete Kennzeichnung, also beispielsweise die Quantifizierung von Bodenleistungen oder Funktionsverlusten, wegen des Fehlens von Bewertungsmaßstäben nicht erfolgen kann und daß bei meist durch viele Faktoren bestimmten Leistungen der verschiedenen Böden, zumindest bis jetzt, keine eindeutigen Zuweisungen hinsichtlich der Ursachen von Leistungs- und Funktionsverlusten möglich sind. 76 Die Vielzahl der unterschiedlichen Bodentypen und der verschiedenen Belastungen erlaubt es nicht, allgemein gültige Grenzwerte als Maßstab zur Vorsorge gegen Funktionsverluste festzulegen. Zudem müßte bei jeder Grenzwertfestsetzung auch die aktuelle jeweilige Belastungssituation berücksichtigt werden, die wegen ihrer Komplexität schwer zu erfassen ist. 77 Auch die belastbarkeitsbestimmenden Merkmale der Böden selbst ändern sich langfristig auf natürliche Weise oder auch kurzfristig durch menschliche Einwirkung. 78 Die Eigenschaft vieler Böden, stoffliche Einwirkungen durch den Menschen aufgrund von Filter-, Puffer- und Transformationsprozessen zu kompensieren, bat zur Folge, daß auch nach dem Eintrag von Säurebildnern (Schwefeldioxid, Stickoxide) und anderen Schadstoffen organischer und anorganischer Natur in Böden bestimmte Funktionen weiter unverändert erfüllt werden. 79 Das beißt jedoch nicht, daß die Böden in solchen Fällen auch in ihren Eigenschaften, etwa hinsichtlich der Puffer- und Filterkapazität, unverändert bleiben: Vielmehr ist bei Stoffeintrag davon auszugehen, daß diese Stoffe, soweit sie im Boden zurückgehalten werden, zu dessen Bestandteilen werden und nicht nur die Filter- und Pufferkapazität vermindern, sondern ihn insgesamt verändern.80 Solche negativen Veränderungen werden u.a. auch 72 Man denke nur an die sauren Böden z.B. im Erzgebirge, im Oberpfälzer Wald, im Fichtelgebirge, im Harz oder an die radioaktiv verseuchten Böden um Tschernobyl in der Ukraine und in Weißrußland. 73 Vgl. auch Global 2000, S. 600; Kuntze, Bodenkunde, S. 515. 74 SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 550. 15 Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 124. 76 Cebulla, ebenda. 77 Cebulla, S. 120. 78 Cebulla, S. 119. 79 Cebulla, S. 123. 80 Stahr, Bodenfunktionen, S. 156.

38

1. Definition des Schutzobjektes Boden und Zielbestimmung

und gerade durch Stoffeinträge bewirkt, die die Böden unter landwirtschaftlichen Gesichtspunkten "verbessern" sollen. Gemeint ist hier die Düngung, die dem Boden häufig mehr Stoffe zuführt, als er durch Ernten verliert. Selbst wenn die Düngung quantitativ optimal erfolgt, führt sie auch zum Eintrag von Schadstoffen in den Boden (Bspe.: Cadmium in Phosphatdünger, Nitrate in Stickstoffdünger) und zum Rückgang bestimmter Bodentypen sowie der auf sie angewiesenen Tier- und Pflanzenarten. Es ist daher ökologisch sehr problematisch, wenn man wie Storm81 zum Bodenschutz auch das "Gestalten" und "Verbessern" rechnet. Von seinem anthropozentrischen Ansatz her gesehen, erscheint es allerdings, wenn auch nur für eine kurze Zeitspanne, folgerichtig. Die Beeinträchtigung und die allgemeine Veränderung der Böden bleiben bei einem grundsätzlich anthropozentrisch verstandenen Bodenschutz, wie er in der Bundesrepublik vorherrscht, regelmäßig so lange unbeachtet, wie sie ihre Funktionen noch erfüllen. 82 Eine Vorhersage, wieviel Schadstoffeintrag der Boden noch ohne Funktionseinbußen "ertragen" kann, läßt sich aber, wie schon dargelegt wurde, gar nicht treffen. Bodenschutz als Funktionsschutz setzt daher meistens erst ein, wenn aufgrund des Funktionsverlustes durch die Überlastung mit Schadstoffen z.B. die Qualität und/oder Quantität der Bodenerträge oder -Ieistungen nachläßt, d.h. wenn es zu spät ist, um (irreversible) Schäden zu verhindern. Eine Effektivierung des Bodenschutzes ist daher nur möglich, wenn man davon Abstand nimmt, weiter nur Bodenfunktionsschutz zu betreiben. Notwendig, weil aus naturwissenschaftlicher Sicht unumgänglich, ist eine wirklich ökologische Ausrichtung des Bodenschutzes: Die primäre Schutzintention muß sich auf den Boden selbst und seine natürlichen Eigenschaften beziehen und nicht auf den Erhalt der Verund Entsorgungsfunktionen. 83 Hieraus ergibt sich die Forderung nach einer Abkehr vom anthropozentrischen Bodenschutz hin zu einem ökozentrischen und damit allgemein einer Abwendung vom anthropozentrischen Umweltschutzrecht hin zu einem ökozentrischen Umweltrecht. 84

1. 2. 2. 2. Okozentrischer Ansatz - Schutz der Bodeneigenschaften Aus der Kritik an dem vorherrschenden anthropozentrischen Bodenschutzverständnis85, hat sich die Forderung nach einer Umorientierung auf einen 81 82 83 84

in: HdUR 1, Sp.

269; ähnlich dera., AgrarR 1983, 233; dera., Jura 1987, 352 (353).

Vgl. Kuntzc, Bodenkunde, S. 515; prominentestes Beispiel ist das Waldsterben. Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 125. Vgl. Kimminich, Umweltschutz -Prüfstein der Rcchtalllaatlichkeit, S. 108; zur Kritik an der Anthropozcntrik des Umweltrcchta insgesamt: dera., S. 106 ff.; Bosselmann, K1 1985, 345 (352 ff.); dera., KJ1986, 1 ff. 85 S.o. 1.2.2.1.

1.2. Ziele des Bodenschutzes

39

ökozentrischen Bodenschutz ergeben, dessen Ziel der Schutz des Bodens selbst und seiner Eigenschaften ist. Ökozentrischer Bodenschutz bedeutet danach den Schutz der Naturpotentiale der Böden. Die Objekte des Bodenschutzes sind die ökologischen Eigenschaften, aus denen (fiir den Menschen) bestimmte Funktionen erst etwachsen. Die wichtigsten vom Bodenschutz erfaßten Eigenschaften sind die als:

Lebensraum und -grundlage für Flora, Fauna und Mikroorganismen (biotisches Potential); Filter, Puffer, Transformator und Speicher (abiotisches Potential); Klimastabilisator (abiotisches und biotisches Potential); Diese Eigenschaften korrespondieren mit den ökologischen Funktionen der Böden86. Der entscheidende Unterschied im Vergleich zur Bestimmung der Bodenschutzziele über die Funktionen liegt darin, daß der Boden selbst den Maßstab des Schutzes bildet. Ziel ist nicht mehr nur die Erhaltung der Bodenfunktionen, die auch noch erfüllt werden können, wenn sich die Eigenschaften durch anthropogene Einflüsse bereits stark verändert haben, sondern insgesamt die Vermeidung von Beeinträchtigungen und, soweit dies möglich ist, deren Rückgängigmachung, damit die verschiedenen Potentiale der Böden weitestgehend bewahrt werden. Nur so kann effektiver Bodenschutz betrieben werden87, der dann auch wirklich verhindem kann, daß mit den verschiedenen Bodeneigenschaften früher oder später auch die verschiedenen Funktionen der Böden verloren gehen.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Abhängigkeit zwischen dem biotischen und dem abiotischen Potential eine wichtige Rolle. Sie bedingt, daß der Schutz des einen ohne den Schutz des jeweils anderen nicht möglich ist. 88 Der Eintrag von Schadstoffen ist besonders für die Eigenschaften der Böden als Filter, Speicher, Puffer und Transformator von besonderer Relevanz. Ihre Kapazität wird vom jeweiligen Eintrag direkt beeinflußt. Hinsichtlich der Prozesse der Filterung, Pufferung, Speicherung und Transformation und ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt kann ich auf das oben89 bereits dazu Gesagte vetweisen.

86 S.o. 1.2.1.

87 S.o. 1.2.2.1. 88 Stahr, Bodenfunktionen, S. 162. 89 S.o. 1.2.1.

2. Gerährdung des Bodens durch Schadstoffeintrag 2.1. Begriffsbestimmung Gefährdungen des Bodens durch den Eintrag von Schadstoffen sind "Einwirkungen chemischer Elemente oder chemischer Verbindungen [ ... ], die geeignet sind, die natürliche Beschaffenheit des Bodens nachteilig zu verändern". So lautet die Definition, die Storm1 in Anlehnung an den alten § 3 S. 1 Nr. 3 lit. n ChemG2 aufführt. InteressanteiWeise liefert Storm, eigentlich der Protagonist des anthropozentrischen Bodenschutzes3 , mit dieser Begriffsbestimmung eine ökozentrisch orientierte Definition des Begriffs der Bodengefährdung durch Schadstoffeintrag und zielt damit auf den Schutz der Eigenschaften, der Potentiale der Böden. Er läßt nämlich den letzten Halbsatz des von ihm zur Definitionsbildung herangezogenen § 3 S. 1 Nr. 3 lit. n ChemG, der dieser Norm ihr anthropozentrisches Gepräge gab, in seiner Begriffsbestimmung wegfallen. Dieser letzte Halbsatz lautet: • ... daß dadurch erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit herbeigeführt werden". Zwar hat Storm in seiner Definition das Wort "nachteilig" vor "zu verändern" eingefügt, diese Einfügung kann sich nach dem Wortlaut jedoch nur auf "Boden • selbst beziehen. Dem vorherrschenden ökologisch orientierten anthropozentrischen Bodenschutzverständnis eher entsprechende Definitionen liefern dagegen Book4 und Brugge..S. Brugger sieht den Eintrag von Stoffen in den Boden dann als problematisch an, "wenn dadurch Bodeneigenschaften nachteilig beeinflußt und Funktionen des Bodens nachhaltig beeinträchtigt werden •. Nach Book sind Gefährdungen der Bodenqualität dadurch gekennzeichnet, daß der Boden in seiner Beschaffenheit so verändert ist, daß er in der Wahrnehmung seiner natürlichen Funktionen gestört wird. Ich lege der Untersuchung im folgenden die eingangs genannte Definition von Storm zugrunde, die am besten mit dem ökozentrischen Bodenschutzverständnis korrespondiert. 1

2 3 4 5

in: HdUR 1, Sp. 269; ders., DVBI. 1985, 317 (319); den., Jura 1987, 352 (353). Fassung vom lS. 9.1986, BGBI. I, S. 1505. Siehe Stonn, ebenda. Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 16. BWVPr. 1986, 98 (100).

2.1. Begriffsbestimmung

41

Stoffliche Einwirkungen auf den Boden können sowohl Beeinträchtigungen der Bodengüte (Bodenqualität), z.B. wegen der Toxizität der Stoffe oder deren Persistenz, als auch der Bodenmenge (Bodenquantität) und -vielfalt, z.B. durch Versauerung oder Auswaschung, verursachen. 6 Der Schadstoffeintrag kann unmittelbar (direkter Auftrag) sowie auch mittelbar (über Luft und Wasser) erfolgen. Inwieweit ein in den Boden gelangter Stoff Schadstoffwirkung entfaltet, hängt von der einwirkenden Dosis ab. 7 Geringe Mengen der Spurenelemente Bor (B), Mangan (Mn), Kupfer (Cu), Zink (Zn), Molybdän (Mo), sind für die Ernährung der Pflanzen unentbehrlich. Bereits bei einem relativ geringen Überschuß können sie allerdings schon toxisch wirken. 8 Diese und andere in der Pflanzensubstanz vorhandenen Spurenelemente, wie Kobalt (Co), Selen (Se), Jod (J) u.a., sind für die menschliche und tierische Ernährung ebenfalls erforderlich. Andere Elemente hingegen, wie z.B. Cadmium (Cd), Quecksilber (Hg) oder Blei (Pb), besitzen keine ernährungsphysiologische Funktion. Während sie in ganz geringen Konzentrationen Pflanzen, Tiere und Menschen nicht schädigen, treten bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte Schadwirkungen auf. In gleicher Weise wirken sämtliche organischen und anorganischen Stoffe. 9 Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß es sehr schwierig ist, allgemeingültige Bodengrenzwerte für Schadstoffe festzulegen, da die verschiedenen Bodentypen (Podsole, Schwarzerden, Braunerden etc.) auf den Eintrag von Schadstoffenjeweils unterschiedlich reagieren.

6

7 8 9

Vgl. zu den verschiedenen Differenzierungsmöglichkeiten bei der Bestimmung der Schutzrichtungen des Bodenschutzes (z.B. nach Gefährdung der Bodengüte, -qualität, -vielfalt bzw. Gefährdung der Bodenfläche, -substanz und -struktur oder nach den menschlichen Gefährdungshandlungen: stoffliche Einwirkungen - nichtstoffliche Einwirkungen): Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 14, m.w.N. Vgl. Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 271; sie zitieren in diesem Zusammenhang Paracelaus (1493 - 1541): "Dolus facit veneuum• -Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist. Scheffer/Schachtschabel, ebenda. Scheffer/Schachtschabel, ebenda; vgl. die Angaben und Werte für die wichtigsten organischen und anorganischen Stoffe in: Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, BTDrucksache 10/2977, S. 55 ff.

42

2. Gefährdung des Bodens durch Schadstoffeintrag

2.2. Die einzelnen Schadstoffarten und ihre Eintragswege 2.2.1. Anorganische Schadstoffe Alle in anorganischen Schadstoffen enthaltenen Elemente sind auch natürlicherweise in den Böden enthalten, wenn auch normalerweise in geringer Konzentration. Durch menschliche Tätigkeit werden jedoch manche Verbindungen in so großen Mengen emittiert, daß der Stoffhaushalt der Böden lokal und teilweise auch überregional verändert werden kann. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Emission von Säurebildnern (Schwefeldioxid, Stickoxide) und Schwermetallen (z.B. Cadmium, Blei, Quecksilber, Nickel und Zink).10 2. 2.1.1. Eintrag von Saurebildnern durch saure Niederschlage

Saure Depositionen haben ihre wesentliche Ursache in Emissionen von Schwefeldioxid (S02) und Stickstoffoxiden (NOx) durch Industrie, Kraftwerke, Straßenverkehr und häusliche Feuerungsanlagen, die in der Atmosphäre z.T. zu Schwefel- und Salpetersäure oxidiert und über die Niederschläge dem Boden zugeführt werden. Die Säurezufuhr über längere Zeiträume bewirkt zunächst eine Freisetzung von z.B. Calcium, Magnesium, Kalium und Natrium. Der Verlust dieser basischen Bodenbestandteile und weiterer Säureeintrag bewirken zunächst eine Versauerung der Böden und schließlich, daß diese wichtigen Pflanzennährstoffe für die Ernährung der Pflanzen nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Weitergehende Folge ist die Freisetzung u.a. von Aluminium-Ionen (Al3 +), die an Pflanzen- und Gewässerschäden beteiligt sind. Die Bodenversauerung bewirkt auch, daß Schwermetallverbindungen, die normalerweise wenig mobil sind, gelöst und mobilisiert werden und damit von den Pflanzen aufgenommen werden können.ll Mobilisierte Cadmium-, Mangan- und Eisenionen können- höher konzentriert- auch auf Tiere giftig wirkenl2. Die Schädigung von Mikroorganismen, ausgelöst durch die beschriebenen Prozesse, hat zusätzliche, erhebliche negative Auswirkungen auf die Stoffumsetzung in den Böden und auf die Vegetation. Die erhöhte Zufuhr von Stickstoffverbindungen verändert das Nährstoffangebot für die Pflanzen und verursacht dadurch eine Verschiebung des

10

Scheffer/Schachtschabel, S. 279. 11 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucbache 10/2977, S. 21. 12 Zur Gefährdung des Bodens durch Schwennetalle siehe 2.2.1.2.

2.2. Schadatoffarten und ihre Eintragswege

43

Artenspektrums. Daneben werden die Böden durch Auswaschungs- und Verlagerungsvorgänge auch verdichtet.13

2. 2.1. 2. Schwermetalle

Schwermetalle, wie beispielsweise Cadmium (Cd), Blei (Pb), Quecksilber (Hg), Thallium (Tl), Kupfer (Cu), Nickel (Ni) und Arsen (As), bilden besonders wegen ihrer Persistenz eine besondere Gefahrenquelle. Sie sind in Böden nicht oder nur in langen Zeiträumen abbaubar. Mit fortschreitendem Eintrag reichem sie sich dort kontinuierlich an. Überschreiten die Werte bestimmte Belastungsgrenzen, kann die Belastung zu deutlichen Beeinträchtigungen der Bodenflora und -fauna, bis hin zu akuten Gefährdungen auch des Menschen über die Nahrungskette und das Grundwasser fiihren. 14 Zu den Schwermetallen, die schon in geringer Konzentration toxische Wirkung haben, gehört vor allem Cadmium. Es kann bei Menschen und Tieren Nierenfunktionsstörungen, Knochendeformationen (ltai-Itai-Krankheit) und Bluthochdruck hervorrufen. Mit der Atemluft aufgenommen, kann es Lungenemphyseme auslösen. Es bestehen auch Anzeichen, daß es kanzerogene Wirkung hat.15 Bei Pflanzen fiihrt es zu Wachstumsstörungen.16 Eine ähnlich starke toxische Wirkung hat Quecksilber. Organische Quecksilberverbindungen schädigen bestimmte Gehirnzentren und das Zentralnervensystem und können zur Erblindung, Bewegungsunfähigkeit und u.U. auch zum Tod führen. Anorganische Quecksilberverbindungen können vor allem Nierenschäden hervorrufen. 17 Blei, das eine deutlich geringere Toxizität als Cadmium und Quecksilber aufweist, kann beim Menschen zu Anämien führen, bei Pflanzen zu Wachstumsschäden an Wurzeln und oberirdischen Pflanzenteilen, bei Mikroorganismen zu einer Hemmung ihrer Aktivität.18 Der Eintrag von Schwermetallen erfolgt auf allen drei Eintragswegen, d.h. über die Luft, über die Oberflächengewässer und durch direkten Auftrag. Die Hauptquellen, aus denen Schwermetalle in den Boden gelangen, sind: -

Emissionen aus Kraftwerken, Feuerungsanlagen und Industrieanlagen,·

13 14 15 16 17 18

Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache Bodenschutzkonzeption, ebenda.

10/2977, S. 21 .

Scheffer/Schachlllchabel, Bodenkunde, S. 283. Scheffer/Schachlllchabel, S. 289. Scheffer/Schachtschabel, S. 293. Scheffer/Schachtschabel, S. 289/293.

44

2. Getährdung des Bodens durch Schadstoffeintrag

Straßenverkehr (der Kraftfahrzeugverkehr ist immer noch der gr6ßte Bleiemittent, ca. zwei Drittel der Bleiemissionen gehen aufihn zurack),· - Dange- und Pflanzenschutzmittel (sowohl Handels- als auch Wirtschaftsdanger enthalten z. T. Schwermetalle, etwa Cadmium in Phosphaten, Kupfer in Schweinegalle),· Klärschliimme; - Altlasten,· Flasse, Sedimente (Flasse ftJhren große Mengen verschiedener Stoffe mit sich. Darunter sind Schwermetalle und andere persistente Stoffe. Sie k6nnen bei Obeiflutungen in die aberfluteten Flt:tchen eingetragen werden und speziell bei landwirtschaftlich genutzten Böden zu Problemen Jahren. Ähnlich verhtilt es sich bei dem Auftrag von Baggergut aus belasteten Gewässern).1 9 2.2.1.3. Radioaktive Stoffe Zu den natürlichetweise im Boden seit jeher vorhandenen radioaktiven Stoffen sind durch die oberirdischen Atomwaffenversuche in den 40er, SOer und frühen 60er Jahren sowie durch den Super-GAU von Tschernobyl im April 1986 zusätzlich erhebliche Mengen an Spaltprodukten aus der Atmosphäre in die Böden gelangt. Die besondere Gefährlichkeit radioaktiver Stoffe in Böden rührt daher, daß sie sich dort akkumulieren. Diese Akkumulation führt über die Nahrungskette und die Strahlung aus dem Boden auch zu einer Strahlungsexposition des Menschen. Welche Auswirkungen ein kerntechnischer Unfall auf Böden, Gewässer, Vegetation, Menschen und Tiere hat, haben die Verwüstungen um Tschernobyl und die immer noch starke Radioaktivität des Bodens mit ihren Folgen in der Ukraine, Weißrußland und auch im Baltikum sowie Nordschweden gezeigt.

2. 2.1.4. Phosphate und Nitrate Phosphate und Nitrate werden den Böden hauptsächlich in Düngern zugeführt, um auf landwirtschaftlich genutzten Flächen den erntebedingten Nährstoffentrug auszugleichen und optimale Ernteergebnisse zu erzielen. Phosphate werden eingebracht, weil die im Boden vorhandenen Phosphorverbindungen überwiegend eine nur geringe Löslichkeit aufweisen. Durch Ausschwemmung von Phosphaten infolge Überdüngung oder Erosion können 19 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 18/27.

2.2. Schadstoffarten und ihre Eintragswege

45

Phosphate in Gewässer gelangen und zu deren Belastung durch Eutrophierung beitragen, die die biologische Selbstreinigungskraft der Gewässer beeinträchtigt. Die Erhöhung des Nitratangebotes in den letzten 30 Jahren20 hat zwar eine Steigerung der Getreideerträge auf ca. das Doppelte bewirkt, andererseits aber auch eine Nitratauswaschung und Verunreinigung des Grundwassers mit Nitraten herbeigeführt. Verstärkt wird dieser Effekt durch Überdüngung der Flächen, sei es mit Handels- oder Wirtschaftsdüngern (Jauche, Gülle, Mist). Allerdings kann auch die standort- und nutzungsspezifische Düngung zu Nitratbelastungen des Grundwassers führen, die eine unmittelbare Verwendung als Trinkwasser nicht zulassen. Lokal wird der EG-Trinkwassergrenzwert von 50 mg/1 bereits überschritten. 21 Im menschlichen Körper bilden sich über Lehensmittel und/oder Trinkwasser aufgenommene Nitrate in krebserregende Nitrosamine um, die besonders für Kleinkinder gefährlich sind. 22

2.2.1.5. Streusalze (Chloride) Ein weiterer, jahreszeitlich bedingter Belastungspfad ist die Streusalzanwendung. Als Auftaumittel wird vorwiegend Natriumchlorid (NaCl) eingesetzt. Besonders belastet sind hierdurch die innerstädtischen Bereiche und ca. 5 - 20 m breite Streifen und Mittelstreifen überörtlicher Straßen. 23 Die Böden werden dort in ihrer chemischen und physikalischen Beschaffenheit nachteilig verändert und so in ihren biologischen Funktionen geschädigt. 24 Während die in den Boden gelangenden Chiaridionen von den Pflanzen aufgenommen werden und dort zu Wurzelfunktions- und Wurzelwachstumsstörungen sowie Schäden in den Blättern führen, entsteht ein Überangehot an Natriumionen. Andere wichtige Pflanzennährstoffe im Boden werden verdrängt. 25 Darüber hinaus werden Gasaustausch und Wasserleitfähigkeit des

20 Allein von 1950 - 1980 ist die Aufwandmenge an Stickstoff je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche in der Bundearepublik um daa Vierfache gestiegen, vgl. Harbeck, SchlHA 1988, 2 (4); im Zeitraum seit Anfang der 70cr Jahre von < 80 Ieg/ha Landwirtschaftsfläche bia zum Beginn der 80cr Jahre auf ca. 120 kglha Landwirtschaftsfläche p.a., vgl. UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 184. 21 Bodenschutzlconzeption, BT-Druclcsache 10/2977, S. 24 f. 22 Bodenschutzlconzeption, S. 72 f.; vgl. auch das Trinkwassennemorandum des Deutschen Bundes für Vogelschutz. 23 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 30. 24 Bodenschutzprogramm Baden-Württemberg, S. 27. 25 BUND-Positionen 5, Bodenschutzprogramm, S. 22.

46

2. Gefährdung des Bodens durch Schadstoffeintrag

Bodens beeinträchtigt26, die Pflanzen bekommen zusätzliche Probleme bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme27. Es finden wesentliche Veränderungen im Artenspektrum und der Zahl der Mikroorganismen im Boden statt. Gefährdungen des Trinkwassers sind langfristig nicht auszuschließen. 28

2.2.2. Organische Schadstoffe Weltweit werden zur Zeit ca. 3()()()() verschiedene Chemikalien industriell hergestellt. Jährlich kommen 1000 - 1500 neue Substanzen hinzu. Hauptsächlich handelt es sich um organische Stoffe.29 Von vier Mio. bekannten chemischen Verbindungen sind mindestens 5000, möglicherweise sogar über 50000 umweltrelevant Von der US-Environmental Protection Agency werden 650 als prioritäre Gefahrstoffe bezeichnet, von der OECD werden 115 als Risikostoffe genannt. 30 Die besondere Gefährlichkeit von Chemikalien im Boden beruht u.a. auf ihrem Einfluß auf die in den Böden stattfmdenden kommunikativen Abläufe. Die im Boden lebenden Mikroorganismen verständigen sich nur durch chemische Signale, so daß der Eintrag organischer Verbindungen diese kommunikativen Abläufe und in der Folge das Ökosystem Boden erheblich beeinträchtigen kann. 31 Die potentiellen Gefahrstoffe lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Einige wichtige werden nachfolgend vorgestellt.

2. 2. 2.1. Hexachlorcyclohexan (HCH) HCH in der Form des r-Isomeres ist der Wirkstoff des Insektizides Lindan, das in der Bundesrepublik seit 1984 nicht mehr hergestellt wird. Bis dahin wurden in der Bundesrepublik jährlich ca. 150 - 250 t dieses Insektizides verbraucht. 32 Bei der Produktion von Lindan fielen weitere, nicht insektizid wirkende HCH-Isomere an, die wegen der früher oft unsachgemäßen Lagerung (z.T. auf offenen Halden) in starkem Maße in die Umwelt gelangt sind. 33 Die HCH-Isomere sind im Boden hoch persistent und reichem sich 26 27 28 29 30

Bodenschutzkonzeption, BT-Druckaache 10/2977, S. 30. BUND-Positionen 5, Bodenschutzprogramm, S. 22. Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 30.

Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 303. Kuntze, Bodenkunde, S. 530.

3 1 BUND-Positionen 5, Bodenschutzprogramm, S. 17.

32 Bodenschutzkonzeption, BT-Druckaache 10/2977, S. 88. 33 Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 305.

2.2. Schadetoffarten und ihre Eintragswege

47

dort teilweise sehr stark an. Sie sind krebserregend, werden im Körper akkumuliert und wirken toxisch für Menschen und Tiere. 34 2.2.2.2. Hexachlorbenzol (HCB)

HCB findet als Fungizid (Behandlungsmittel gegen Pilzerkrankungen bei Pflanzen -in der Bundesrepublik als Pflanzenschutzmittel seit 1981 verboten), Flammschutzmittel und bei organischen Synthesen Anwendung. Beträchtliche Mengen können sich als Verunreinigungen in anderen Chemikalien finden. 35 HCB ist im Boden hoch persistent und in hohem Maße pflanz.enverfügbar. Bei chronischer Einwirkung über Nahrung oder Luft schädigt es Leber, Lunge und Schilddrüse. HCB ist krebserregend.36 2.2.2.3. Polychlorierte Biphenyle (PCB)

Seit Beginn der Produktion polychlorierter Biphenyle vor ungefähr 50 Jahren sind weltweit über eine Mio. Tonnen dieser Substanzen produziert worden. Sie werden als Transformatorenöle, Wärmeüberträger u.a. verwendet.37 Wegen ihrer vom Chlorierungsgrad abhängigen Persistenz ist ihre technische Verwendung weitgehend auf geschlossene Systeme beschränkt. 38 Daß sie trotzdem weltweit verbreitet sind, könnte auf eine durch UV-Licht bewirkte Umwandlung von DDT in PCB zurückzuführen sein. Immerhin wurden bis 1972 ca. 2,8 Mio. Tonnen DDT als Insektizide verwendet.39 Auch die toxischen Wirkungen von PCB sind vom Chlorierungsgrad abhängig. Die akute Toxizität ist gering. Sie wirken jedoch chronisch toxisch auf Leber und Haut. Ihre krebserregende Wirkung wird vermutet. Eine besondere Gefahr beruht auf der Akkumulation von PCB im Fettgewebe. 40 2. 2. 2. 4. Polychlorierte Dibenzodioxine (PCDD)

Sie entstehen als unerwünschte Nebenprodukte bei der Herstellung vieler chlorierter Verbindungen, etwa PCB, bzw. sind als Verunreinigungen in ih34 35 36 37 38 39

Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 88 f. Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 305.

Bodenschutzk:onzeption, BT-Drucksache 1012977, S. 90. Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 306. Kuntze, Bodenkunde, S. 530. Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 306.

40 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S.

76 f.

48

2. Gefährdung des Bodens durch Schadstoffeintrag

nen enthalten oder entstehen bei deren Verbrennung. 41 Von den 75 Dioxinisomeren ist bisher nur das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD "Seveso-Dioxin") toxikologisch erfaßt, da die Analytik dieser Stoffgruppe sehr schwierig ist. 42 TCDD ist im Boden hoch persistent, reichert sich in der Nahrungskette und in Lebewesen an und wirkt hoch toxisch auf Menschen und Tiere (Chlorakne, Schädigungen des Immunsystems, Leber- und Hautveränderungen, Kanzerogenität [wird vermutet}).43 2.2.2.5. Polycyclische, aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) P AH entstehen vor allem bei der Verbrennung organischer Substanzen (Kohle, Öl, Kraftstoffe, Holz) in Kraftwerken, Kokereien, Kraftfahrzeugen und auch bei Wald-, Moor- und anderen offenen Bränden. 44 Polycyclische Aromate werden in starkem Maße im Boden gebunden, sind aber schwer löslich und für Pflanzen nur in geringem Umfang verfügbar45, so daß für Menschen und Tiere die Aufnahme über die Luft wohl eine größere Rolle spielt46. Einige polycyclische Aromate sind krebserregend. 47

41 Bodenschutzkonzeption, S. 82. 42 Kuntze, Bodenkunde, S. 531. 43 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 82 f. 44 Scheffer/Schachtschabel, Bodenkunde, S. 307. 45 Scheffer/Schachtschabel, ebenda.

46 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 78. 47 Bodenschutzkonzeption, ebenda.

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene 3.1. Zielsetzung Die Bekämpfung der Gefährdung des Bodens durch Schadstoffe wird auf der rechtlichen Ebene wesentlich durch zwei Faktoren geprägt: Auf der einen Seite durch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der verschiedenen Gefahrdungen und auf der anderen Seite durch die ethische und politische Frage nach den Zielen des Bodenschutzes. Soll Bodenschutz anthropozentrisch verstanden werden, soll er also wegen der essentiellen Funktionen des Bodens für das menschliche Leben erfolgen, soll er in diesem Rahmen ein ressourcenökonomischer und ökologisch orientierter Schutz sein oder soll er ökozentrisch ausgerichtet sein und den Boden um seiner selbst willen schützen. Über die Gefährdungsfaktoren herrscht im wesentlichen Einigkeit. Sie sind lokalisiert, wenn auch ihr Gewicht innerhalb der Gesamtbelastung z. T. unterschiedlich beurteilt wird. Die Ziele des Bodenschutzes werden nahezu einhellig von einem ressourcenökonomisch und ökologisch orientierten anthropozentrischen Ansatz her definiert1• In neuerer Zeit wird diese Anthropozentrik, die im Umweltrecht insgesamt vorherrscht, zunehmend kritisiert. 2 Ich habe bereits oben dargestellt, daß sich der anthropozentrisch ausgerichtete Umweltschutz schon deshalb als untauglich erwiesen hat, das Problem der Umweltverschmutzung zu lösen, weil es trotz der bisherigen Bemühungen nicht gelungen ist, die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Zerstörung entscheidend zu vermindem. 3 (Teil-)Erfolge in bestimmten Bereichen erscheinen im Verhältnis zu den ungelösten Problemen sehr bescheiden. Umweltschutz und damit auch Bodenschutz muß, um effektiv zu sein, aus den oben genannten Gründen4 ökozentrisch verstanden werden. Der 1

S.o. 1.2.1.

2

Z.B. Soell, Naturschutzrecht, S. 494 f.; Bosselmann, KI 1985, 345 ff.; ders., KI 1986, 1 ff.; Kimrninich, Umweltschutz- Prüfstein derRechtsstaatlichkeit, S. 106 ff.; Frank, DVBI. 1989, 693 (695 f.). Bosselmann spricht in seiner Einführung zur Übersetzung des Buches von Christopher D. Stone: "Should Trees Have Standing" -deutscher Titel: "Umwelt vor Gericht"- von der Umweltpolitik etwa der Bundesrepublik als "seichter Ökologie" (S. 13). S.o. 1.2.2.1.

3

4

4 Heiennann

so

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

Boden selbst muß Maßstab seines Schutzes sein, nicht nur seine Funktionen für den Menschen. Nur wenn seine sämtlichen Eigenschaften Schutzobjekte des Bodenschutzes sind, kann auch, soweit keine Vollzugsdefizite entstehen, letztlich gewährleistet werden, daß künftige Generationen seine Eigenschaften ebenfalls noch nutzen können. Die Vertreter einer anthropozentrischen Sichtweise müßten sich daher eigentlich das ökozentrische Bodenschutzverständnis zu eigen machen. Es ist schließlich, unabhängig davon, ob man einem anthropozentrischen oder ökozentrischen Umweltschutzverständnis anhängt, für niemanden vorhersagbar, was sich in einer ungewissen Zukunft als "nützlich" erweisen wird. Gerade auch im Interesse der Menschen sollte man daher bei der Behandlung der Natur konservativ sein.s Versteht man Umweltpolitik nur als Schutz der Funktionen der Natur, kann dieses Funktionsinteresse zu einem bloßen Ressourceninteresse verkommen, das den ökologiseben Gesamtzusammenhang ignoriert. 6 Stone7 beschreibt diese Vemetzung treffend mit dem Satz: "Die Menschheit unterscheidet sich aber von dem Rest der Natur etwa in der Weise, wie sich das menschliche Gehirn von den Lungen unterscheidet". Die Vemetzung bedingt, daß die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen. Belastungen des einen Mediums können nicht vorbersebbare Auswirkungen auf die anderen haben. Die Unmöglichkeit, Auswirkungen von Eingriffen in Ökosysteme sicher zu prognostizieren- das gilt speziell für den Boden-, muß im Verhältnis des Bodenschutzes und des Umweltschutzes insgesamt zu anderen gesellschaftlichen Belangen beachtet werden. Das gilt insbesondere gegenüber ökonomischen Interessen, da der größte Teil der beeinträchtigenden Eingriffe vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Zielsetzungen erfolgt. Für den Bodenschutz bzw. den Umweltschutz insgesamt ergibt sich aus dem bisher Gesagten die Forderung nach Einräumung der Stellung im Recbtssystem, die ihm aufgrund der Wichtigkeit für die Existenz von Leben auf der Erde und den Gefahren, denen der Boden ausgesetzt ist, zukommt. Das Umweltrecht muß instrumentell so ausgestattet werden, daß die Vemetzung und die Wechselwirkungen Mensch- Umwelt beachtet werden. Rechtliche Regelungen des Bodenschutzes müssen daher u.a. so ausgestattet sein, daß neuestewissenschaftliche Erkenntnisse umgebend zur Grundlage für Entscheidungenaufgrund dieser Normen werden. Letztlich ist auch an eine Relativierung der Objektstellung der Umwelt im Recht zu denken8. 5 6 1 8

Stone, Umwelt vor Gericht, S. 68. Bosselmann, KJ 1986, 1 (6). Umwelt vor Gericht, S. 78. Bosselmann, KJ 1985, 345 (361).

3.2. InstrumeDle zum Schutz vor Schadstoffeintrag

51

Ein Konzept zum Schutz des Bodens vor den Gefahren, die durch den Eintrag von Schadstoffen drohen, muß darauf gerichtet sein, die erkannten, nachgewiesenen und möglichen Gefahren i.S.d. Vorsorgeprinzips zu vermeiden bzw. Schäden9 soweit wie technisch möglich, rückgängig zu machen. Zusammenfassend spiegeln diese Punkte grob den "Soll-Zustand" eines Bodenschutzrechts wieder, an dem das bestehende rechtliche Instrumentarium zu messen ist. Zunächst ist festzustellen, welche umweltrechtlichen Instrumente zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag grundsätzlich zur Verfügung stehen und wie sie in ihrer Effektivität zu beurteilen sind.

3.2. Instrumente zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag Das Instrumentarium zum Schutz der Umwelt -und damit auch des Umweltmediums Boden - unterscheidet sich nicht grundlegend von den staatlichen Mitteln und Regelungstechniken in anderen Bereichen. 10 Die Vielzahl der verschiedenen Instrumente, von denen hier nur die wichtigsten kurz dargestellt werden sollen, kann in unterschiedlicher Weise unterteilt werden. Wählt man als Differenzierungskriterium die Rechtsform, kann man zwischen Normen und Einzelakten unterscheiden. Bei einer Differenzierung nach dem Regelungsgehalt bietet sich die Unterscheidung in Eingriffs-, Leistungs- und Planungsrecht an. Nach dem rechtlichen Inhalt lassen sich die verschiedenen Instrumente in Gestaltungs- (Planungs-) und sonstige Ermessensentscheidungen sowie gebundene Entscheidungen einteilen. Wählt man das Kriterium der Intensitllt des Eingriffs, führt dies zu einer Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr, Planung und Bewirtschaftung. Ich lege dieser Arbeit im Hinblick auf die nachfolgende Darstellung des bestehenden rechtlichen Instrumentariums zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen und die Untersuchung der Effektivität dieser Regelungen die Unterscheidung nach der Wirkungsweise zugrunde. Das hat den Vorteil, daß 9

D.h. aus ökozentrischer Sicht bereits Veränderungen der Bodeneigenschaften -wobei unerhebliche Veränderungen ausscheiden müssen, da eine totale Veränderungssperre nicht erforderlich ist und auch nicht praktikabel wäre. Nicht primär juristisch lösbar ist die Frage, wo die Grenze zwischen "unerheblichen" und "erheblichen" Veränderungen zu ziehen ist. 10 Vgl. Kloepfer, in: UTR 3, S. 3 f.

52

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

sich bereits aus dieser Einteilung nach der Wirkungsweise der Instrumente Schlußfolgerungen für den weiteren wünschenswerten Entwicklungsweg des Bodenschutzrechts ergeben. Bei einer Differenzierung nach der Wirkungsweise der staatlichen Regelung kann man die Instrumente des Umweltschutzes in vier Obergruppen unterteilen11 : Planung; Staatliche Eigenvomahme; Indirekte Verhaltenssteuerung; Direkte Verhaltenssteuerung.

3.2.1. Planung Planung als Instrument des Schutzes, der Pflege, der Gestaltung, Bewirtschaftung und Sanierung der Umwelt enthält sowohl Elemente des Instrumententyps "Direkte Verhaltenssteuerung" als auch des Typs "Indirekte Verhaltenssteuerung" . 12 Als zukunftsgerichtete Gestaltung der natürlichen Umwelt soll sie komplexe Ursachen- und Problemzusammenhänge erfassen und Umweltbelange mit den vielfältigen kollidierenden anderen Zielen und Interessen koordinieren.13 Planung hat auf dem Gebiet des Umweltschutzes vor allem durch die erfolgte Akzentverschiebung vom rein anthropozentrischen zum ökologisch orientierten Umweltschutz an Bedeutung gewonnen.1 4 Denn mit der Planung besitzt der ökologisch orientierte Umweltschutz ein Instrument, das in "hervorragender Weise geeignet" ist15, zur Verwirklichung des Vorsorgeprinzips beizutragen. Der Begriff der (Umwelt)Planung ist insgesamt sehr vielschichtig. So fällt darunter die strategische Umweltplanung des Staates, die weitgehend gesetzesunabhängig ist, nämlich die politische und technologisch-wirtschaftliche (Umwelt)Planung sowie die Finanzplanung. Sie versucht die zukünftige Ent11 Vgl. zur KlassifiZierung: Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S.

12 13 14 15

105 f.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 6 Rdn. 6 ff.; Beispiele unterschiedlicher Einteilungen: Siebert, Analyse, S. 11 ff.; Schachel, NuR 1982, 206 ff.; Hartkopf/ Bohne, Umweltpolitik, S. 175 ff. ; Kloepfer, S. 1 ff.; ders., Umweltrecht, § 4 Rdn. 1 ff.; Breuer, Umweltschutzrecht, S. 630 ff.; vgl. auch Schröder, UPR 1989, 49 (51 ff.). Rehbinder, S. 112. Siehe zu den Instrumententypen unten 3.2.3. u. 3.2.4. Rehbinder, ebenda. Breuer, Umweltschutzrecht, S. 630. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rdn. 1; ähnlich Schmidt-Aßmann, Raumplanungsrecht, S. 123; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 5.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

53

wicklung zu antizipieren, zu programmieren und zu steuern. Für die Umwelt ist jedoch hauptsächlich die raumbezogene Planung relevant.16 Diese läßt sich grob in die umweltschutuelevante und die umweltschutzrpezijische Planung untergliedern. Als umweltschutzrelevante Planung kann man diejenige Planung bezeichnen, in die der Umweltschutz als abwägungserheblicher Belang mit einfließt. Umweltschutzspezifische Planungen sind solche, deren unmittelbarer Hauptzweck der Umweltschutz ist. Zu den umweltschutuelevanten Planungen zählt die Raum- und Ortsplanung und im Bereich der Fachplanungen z.B. die Fernstraßenplanung (nach dem FStrG), die Flughafenplanung (nach dem LuftVG), die Eisenbahntrassenplanung (nach dem BBahnG) sowie die Planungen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG), Wasserstraßengesetz (WaStrG), Telegraphenwegegesetz (TelwegG) und dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG).

Umweltschutzrpezijische Planungen sind vorgesehen im Immissionsschutzrecht (z.B. §§ 44, 46, 47, 49, 50 BlmSchG), im Wasserschutzrecht (z.B. §§ 18a, 19, 27, 31, 36 WHG), im Atomrecht (§ 9b AtG), im Naturschutz- und Landschaftspflegerecht (z.B. §§ 5 ff., 12 ff. BNatSchG) und im Abfallrecht (z.B. §§ 6, 7 ff. AbfG).

3.2.2. Staatliche Eigenvornalune In bestimmten Bereichen des Umweltschutzes verwirklicht der Staat seine Umweltschutzzielsetzungen durch Eigenvomahme von Umweltschutzmaßnahmen. Der klassische Bereich der eigenen staatlichen Umweltschutztätigkeit ist die Abfall- und Abwasserentsorgung (§ 3 II AbfG, § 9a AtG, § 18a II WHG). Daneben bestehen aber auch zahlreiche staatliche Einrichtungen, die der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Forschung auf dem Gebiet des Umweltschutzes dienen17 sowie solche, die die Öffentlichkeit mit umweltbezogenen Informationen versorgen. Die Gründe für die staatliche Eigenvomahme auf dem Gebiet der Entsorgung liegen in dem Gefährdungspotential von Abfällen und Abwässern, besonders aber auch in Wirtschaftlichkeits- und Praktikabilitätserwägungen. 18 16 Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S. 112. 17 Z .B. das Umweltbundesamt, Einrichtungen der Hochschulen (wie etwa der Fachbereich 14 - Landschaftsentwicklung - der TU Berlin oder die Forschungsstelle fiir Umwelt- und Technikrecht an der Universität Trier), die Bundesforschungsanstalt fiir Umwelt- und Naturschutz. 18 Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S. 114 f.

54

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

3.2.3. Indirekte Verbaltemsteuerung Hauptsächlich zur Ergänzung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums bedient sich der staatliche Umweltschutz der indirekten Verhaltenssteuerung, in erster Linie durch ökonomische Instrumente. Mit ihrer Hilfe sollen bei den potentiellen Umweltverschmutzern Anreize geschaffen werden, die Umweltbelastungen m reduzieren.l9 Die ökonomischen Anreize beruhen auf dem Grundgedanken, das Eigeninteresse der Wirtschaftssubjekte und die Mechanismen des Marktes in den Dienst des Umweltschutzes zu stellen. 20 Die unterschiedlichen ökonomischen Instrumente lassen sich prinzipiell in zwei verschiedene Kategorien untergliedern: Die gemeinlastorientierten Anreize, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Allgemeinheit die Kosten für die Umweltschutzmaßnahmen trägt (Gemeinlastprinzip) und die verursacherorientierten Anreize. Dort bleibt die Kostenlast für Umweltbelastungen beim Verursacher (Verursacherprinzip). Ökonomische Instrumente nach dem Gemeinlastprinzip sind Subventionen, mit deren Hilfe die Umweltnutzer m Vermeidungsaktivitäten (Substitution umweltschädigender Einsatzgüter, Verbesserung des Produktionsverfahrens und der Produkte) sowie zur Beseitigung eingetretener Belastungen angehalten werden sollen. 21 Ökonomische Instrumente nach dem Verursacherprinzip sind Abgaben, Umweltzertifikate (in Form von Emissions- bzw. Verschmutzungslizen.zen) und KompensationsltJsungen. Abgaben stellen ein umweltpolitisches Instrument dar, das über eine Beeinflussung der betrieblichen Kostenstrukturen ein umweltfreundlicheres Verhalten der betreffenden Produzenten gewährleisten soll. 22

Die UmwelttJkonomit?-3 sieht eine Ursache der Umweltverschmutzung im Marktversagen, das darauf zurückzuführen sei, daß viele Umweltgüter als sogenannte öffentliche Güter keinen Preis haben, der die wesentliche Informationsgrundlage für die Marktteilnehmer sei. Der fehlende Preis führe zu einem verschwenderischen Umgang mit Umweltgütern und dazu, daß die 19 20 21 22 23

Schröder, UPR 1989, 49 (56). Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 194. Schachel, NuR 1982, 206. Siebert, Analyse, S. 19. Baumol/Oates, Standards, S. 254 ff.; Siebert, Instrumente, S. 288 f.; Bonus, Emissionsrechte, S. 297 ff.; ders., Umweltpolitik, S. 39; Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 55 f. m.w.N.; Schwarzer, UPR 1985, 305 (306 f.) m.w.N.; Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 197 m.w.N.; Breuer, Verwaltungsrechtliche Prinzipien, S. 38.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

55

Nachfrage nach umweltbelastenden Produkten oder Aktivitäten nicht entsprechend dem Güterverzehr gesteuert werde. Es komme zu einer sog. Fehlallokmion von Ressourcen. Umweltgüter sollten deshalb nach einem in der Literatur geäußerten Vorschlag24 mit künstlichen Knappheitspreisen in Form von Umweltabgaben belegt werden, um einen schonenderen Umgang mit ihnen zu bewirken. Die Abgabe stellt quasi das Entgelt für die Inanspruchnahme der Umweltgüter dar.25 Andere26 sehen in diesem Instrument die Möglichkeit, die durch die sog.

negativen externen EffekJe (Umweltschäden) wirtschaftlicher oder sonstiger Betätigung entstandenen sozialen Kosten dem Verursacher aufzubürden, d.h. sie zu internalisieren (Pigou'sches Verfahren). Ein Beispiel für soziale Ko-

sten sind die Wohlfahrtsverluste, die in gesteigerten Ausgaben der privaten und öffentlichen Hände im Rahmen der Gesundheitsfürsorge, etwa aufgrund umweltverschmutzungsbedingter Atemwegserkranlrungen, liegen. Im Zuge der Internalisierung müßten diese sozialen Kosten, auch externe Kosten genannt, dann in den Kalkulationen der Unternehmen Berücksichtigung finden.27 Ewringmann/Schafhausen28 bspw. halten aus Gründen gezielterer Steuerung demgegenüber nur solche Abgabenmodelle für sinnvoll und praktikabel, die beim umweltbelastenden Tatbestand selbst ansetzen und auf seine Vermeidung abzielen, statt beim "Opfer" Umwelt anzuknüpfen. Sie befürworten dementsprechend Emissionsabgaben und Abgaben auf solche Produkte, die selbst eine Umweltbelastung darstellen.29 Beispiele für Abgabenregelungen im Umweltschutz sind Ausgleichsabgaben, z.B. nach§ 8 BNatSchG, § 12 II NdsNatSchG, Abwasserabgaben nach § 1 ff. AbwAG.

24 Z.B. Benkert/Zimmermann, NuR 1979, 96 (98); Schachel, NuR 1982, 206 (207) m.w.N.; Meßenchmidt, S. 56 m.w.N.; Hansmeyer, ZfU 1988, 231 (234 ff.); Siebert, ebenda. 25 Kritisch dazu Ewringmann/Schalhausen, Abgaben, S. 55 ff. (61 ff.). 26 So etwa Hansmeyer, Ökonomische Aspekte, S. 80 ff.; siehe dazu auch: Siebert, Instrumente, S. 293 u. BaumoVOates, Standards, S. 255 f./262; Ewringmann/Schalbausen, S. 29 - sie halten diesen Ansatz für falsch, da die sozialen Kosten für die Umweltpolitik nicht operationalisierbar seien. 27 Hansmeyer, S. 83; die jährlich in Deutachland auf Bodenbelastungen zurückzuführenden Kosten belaufen sich auf eine Summe von ca. 22 bis 60 Milliarden Deutsche Mark (BMU, Umwelt 1991, Sonderteil Heft 9: Kosten der Umweltvenchmutzung- Nutzen des Umweltschutzes, S. 12). 28 Abgaben, S. 64 ff. 29 Ewringmann!Schalhausen, S. 77.

56

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rec:htlicher Ebene

Von Umweltzertijiknten in Form von Emissions- bzw. Versehtnutzungslizenzen verspricht man sich teilweise einen besseren Schutz insbesondere der Gewässer und der Luft vor Schadstoffen sowie die Vermeidung oder Einschränkung der Produktion umweltschädlicher Erzeugnisse. 30 Dem Prinzip nach bilden Umweltzertifikate eine Kombination aus Emissionsverboten und Emissionsbesteuerung.31 Der Staat vergibt das Recht auf bestimmte, nach Art und Umfang genau spezifizierte Umweltnutzungen in einem übertragbaren Wertpapier und macht diese Umweltnutzungen vom Besitz einer ausreichenden Zahl der Nutzungszertifikate abhängig. Zur Ermittlung der zulässigen Zahl von Lizenzen müssen für einen eingegrenzten Raum Umweltqualitätsziele festgelegt werden - etwa bestimmte Immissionsgrenzwerte -, die entsprechende Gesamtbelastung -also z.B. die Emissionsmengen - errechnet und die Lizenzen nach dieser zulässigen Gesamtbelastung aufgeteilt werden. Wer eine umweltschädliche Anlage betreiben oder solche Produkte verkaufen will, muß an einer staatlichen Umweltbörse eine entsprechende Mindestanzabl solcher Lizenzen erwerben. Die Effektivität und Effizienz eines derartigen Umweltzertifikationsmodells wird überwiegend angezweifelt. 32 Die Bedenken ergeben sich speziell aus den ungelösten technisch-praktischen Problemenaufgrund des erforderlichen Prüf- und Überwachungsaufwandes, des notwendigen Ausbaus des Staatsapparates, der negativen soziopolitischen Nebenwirkungen für die Umweltpolitik und der Unmöglichkeit, die für den Lizenzhandel vorgesehenen Regionen sinnvoll abzugrenzen. 33 Größere Chancen werden den sog. Kompensationslösungen eingeräumt34, die bereits in § 7 III BlmSchG und der TA-Luft (Ziff. 2.2.1.1, lit. b; 2.2.3.2; 4.2.10) eine Realisierung gefunden haben. Das Kompensationsmodell in der TA-Luft läuft darauf hinaus, daß eine Mehrheit von Anlagenbetreibern mit sich überschneidendem oder berührendem Einwirkungsbereich die Befugnis erhält, emissionsmindernde Vorsorgepflichten, die eigentlich jedem einzelnen Emittenten obliegen, dadurch zu erfüllen, daß ein oder mehrere Betreiber in einem solchen Umfang nachrüsten, 30 Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 242 f.; Hansmeyer, Ztu 1988, 231 (236 f.); Bonus, Emissionsrec:hte, S. 303 ff.; den., Umweltpolitik, S. 42 ff. 31 Siebert, Analyse, S. 77. 32 Malunat, NuR 1984, 1 (3 f.); Kirchhof, in: HdUR 1, Sp. 22; Siebert, S. 77 f.; Schachel, NuR 1982, 206 (208); Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 253; Kloepfer, in: UTR 3, S. 19; Schröder, UPR 1989, 49 (57); Meßersehmidt, Umweltabgaben, S. 99; Bender/Sparwasser, Umweltrec:ht, Rdn. 95 ; Hansmeyer, Ztu 1988, 231 (239 f.). 33 Hartkopf/Bohne, S. 244/253; die Bedenken werden im einzelnen dargestellt u.a. bei Malunat, ebenda.

34 Siehe z.B. Kloepfer, in: UTR 3, S. 19 f.; Schröder, UPR 1989, 49 (57).

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

57

der die Immissionsbelastung stärker eindämmt, als die Summe aller einzelnen ~achrüstungen. 35 ~eben den ökonomischen Instrumenten zur indirekten Verhaltenssteuerung hat auf diesem Gebiet das Instrument der Absprache zunehmend an Bedeutung gewonnen. Charakteristisch für dieses Instrument ist der Verzicht des Staates auf einseitige rechtliche Regelungen bei der Verwirklichung umweltpolitischer Ziele zugunsten einer Einigung zwischen den Umweltnutzern und dem Staat.

Die Absprache (bspw. auch als Selbstbeschränkungsabkommen, freiwillige Vereinbarung oder gentlemen's agreement bezeichnet) ist damit eine deutliche Auspriigung des Kooperationsprinzips im Umweltrecht. 36 Standardformen von Absprachen im Bereich des Umweltschutzes sind die normvertretenden Absprachen und die normvollziehenden Absprachen. 37 Unter normvertretenden Absprachen sind solche Verhandlungslösungen zu verstehen, die den Erlaß von Gesetzen oder Rechtsverordnungen zur Regelung der betreffenden Materie verhindem sollen. 38 Sie wirken also normabwendend. Der Staat droht den ~ormenerlaß für den Fall an, daß sich die jeweils angesprochenen Stellen nicht freiwillig auf ein bestimmtes Verhalten einigen. Bedeutsam ist für solche Fälle vertikaler Vereinbarungen, etwa zwischen dem Staat und Unternehmen einer Branche, daß der Staat an seinen Verzicht auf den Erlaß der Norm aus verfassungsrechtlicher Sicht nur politisch - d.h. faktisch - gebunden sein kann, nicht aber rechtlich. 3 9 Auch für die beteiligten Unternehmen handelt es sich bei einer entsprechenden Vereinbarung nur um ein gentlemen's agreement, das sie rechtlich nicht bindet.40 Beispiele für solche normvertretenden Absprachen sind Verständigungen zwischen Bundesregierung und Industrie über den Verzicht auf weitere Einwegbehältnisse, die Verwendung von FCKW in Spraydosen, die Verminderung des Cadmium- bzw. Asbestgehalts in bestimmten Produkten.41 ~ormvollziehende Absprachen dienen entweder der Vorbereitung rechtsförmlicher Entscheidungen in Form von Verwaltungsakten oder sollen ihren Erlaß unnötig machen. Sie finden hauptsächlich in Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren für geplante, genehmigungsbedürftige Vorhaben und Ver-

35 Schröder, ebenda. 36 Hartkopf/Bohne, Umwe1tpo1itik, S. 220 f.; Hoppe/Beckmann, Umwe1trecht, § 9 Rdn. 24 ff.; Kloepfer, in: UTR 3, S. 20; ders., Umwe1trecht, § 4 Rdn. 232. 37 Vgl. Kloepfer, S. 21; Hartkopf/Bohne, S. 222 ff. 38 Hartkopf!Bohne, S. 223. 39 Becker, DÖV 1985, 1003 (1010); Oebbecke, DVBl. 1986, 793 (794 f.) . 40 Vgl. Hoppe/Beckmann, Umwe1trecht, § 9 Rdn. 32. 41 Kloepfer, in: UTR 3, S. 21 f.; Hartkopf/Bohne, Umwe1tpolitik, S. 224.

58

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

waltungsverfahren Anwendung, die sich auf bestehende Umweltnutzungen beziehen (z.B. Betrieb von gewerblichen Anlagen). 42 Die zunehmende Attraktivität von Absprachen im Umweltschutz beruht vor allem darauf, daß einerseits Konflikte vermieden, beseitigt oder vermindert werden können, daß umweltpolitische Entscheidungssituationen in ihrer Komplexität reduziert werden, die Kalkulierbarkeit des Entscheidungsverhaltens der Partner erhöht wird, eine flexible Anpassung der Vereinbarungen an neue Entwicklungen möglich ist und sie schließlich auch zur Aufwandsund Kostenminderung für staatliche und private Akteure beitragen. 43 Auf der anderen Seite bleibt die Verwirklichung der Umweltschutzziele durch Absprachen hinter den Möglichkeiten zurück, die sich aus rechtlichen Regelungen ergeben. Das folgt zum einen daraus, daß für die Wirtschaftsverbände und die einzelnen Unternehmen kein Anlaß besteht, freiwillige Umweltschutzmaßnahmen durchzuführen, wenn sie keine staatlichen Zugeständnisse erwarten können. Zum anderen ergibt es sich aus der bereits erwähnten rechtlichen Unverbindlichkeit von Absprachen, deren Folge ist, daß der Staat ihre Einhaltung nicht erzwingen kann. 44

3.2.4. Direkte Verhaltenssteuerung Die direkte Verhaltenssteuerung durch staatliche Befehle in bezug auf umweltbeeinträchtigende Aktivitäten etwa der Wirtschaft, ist der vorherrschende Instrumententyp des rechtlichen Umweltschutzes4S. Durch gesetzliche Maßnahmen soll das Verhalten der Umweltnutzer zwingend und unmittelbar gelenkt werden. Diese Maßnahmen lassen sich nach ihrem rechtlichen Inhalt untergliedern in: Ge- und Verbote; Anzeige- und Anmeldepflichten; Überwachungsbefugnisse; Untersagungskompetenzen; Individuelle U mweltpflichten. 46

42 Hartkopf!Bohne, S. 222. 43 Hartkopf!Bohne, S. 228. 44 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 261; Hartkopf/Bohne, S. 229. 45 Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S. 106. 46 So weitgehend auch Kloepfer, in: UTR 3, S. 8; ders., Umweltrecht, § 4 Rdn. 33 ff.

3.2. Instrumenie zum Schutz vor Schadstoffeintrag

59

Historisch begründet sind diese Maßnahmen im Gewerberecht und im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, das das umweltrechtliche Instrumentarium stark geprägt hat und auch heute noch ergänzend Anwendung findet. 47 3.2.4.1. Ge- und Verbote 3. 2.4.1.1. Direkte Ge- und Verbote Direkte gesetzliche Gebote, wie etwa das der umweltverträglichen Produktverwendung (z.B. § 1 II WRMG), haben überwiegend Appellcharakter. Soweit sie nicht sanktionsbewehrt sind, stellen sie kein besonders effektives Instrument der direkten Verhaltenssteuerung dar. 48 Bei den Verboten kann man generelle und abstrakte Verbote sowie Verbote mit Erlaubnisvorbehalt unterscheiden. Generelle und abstrakte Verbote in Form von Gesetzen oder Rechtsverordnungen bieten sich an, wenn der Staat ein umweltbelastendes Verhalten ausnahmslos verhindem will. 49 Beispiel für ein solches generelles und abstraktes Verbot ist§ 1 I DDT-Gesetz. Diese Norm verbietet es, DDT, seine Isomere sowie Erzeugnisse, die unter Zusatz von DDT als Wirkstoff hergestellt werden, herzustellen, einzuführen, auszuführen, in den Verkehr zu bringen, zu verwenden oder anzuwenden. Regelungen in Form von generellen und abstrakten Verboten tragen regelmäßig der besonderen Schwere einer Umweltbelastung bzw. eindeutigen, in sich nicht differenzierungsbedürftigen Sachlagen Rechnung, bei denen eine einzelfallbezogene, u. U. abwägende Entscheidung nicht erforderlich ist.so 3. 2. 4.1. 2. Verbote mit Erlaubnisvorbehalt Eine Schlüsselstellung innerhalb des Instrumententyps der direkten Verhaltenssteuerung nehmen die Verbote mit Erlaubnisvorbehalt ein. S 1 Sie verbieten bestimmte, potentiell umweltbelastende Tätigkeiten generell und abstrakt und machen die Ausübung dieser Tätigkeit von einer vorhergehenden

47 Vgl. Drcwa/Wac:keNogel/Martena, Gefahrcnabwehr, S. 158 ff.; siehe auc:h Brcuer, Ver· waltungarcc:htlic:he Prinzipien, S. 13. 48 Klocpfer, Umweltrcc:ht, § 4 Rdn. 119. 49 Klocpfer, § 4 Rdn. 116. SO Klocpfer, ebenda. SI Brcuer, Umweltac:hutzrcc:ht, S. 637; dera., Verwaltungarcc:htlic:he Prinzipien, S. 14.

60

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

staatlichen Überprüfung und Erlaubnis abhängig. 52 Die auf diese Weise konstruierte Genehmigungspflicht ist das Fundament einer als Genehmigungsoder Planfeststellungsverfahren ausgestalteten Eröffnungskontrolle potentiell umweltgefährlichen Verhaltens.53 Die Erlaubnisse sind dementsprechend in erster Linie personenunabhängige Realkonzessionen für umweltbelastende Anlagen. 54 Ihrem Inhalt nach kann es sich bei Verboten mit Erlaubnisvorbehalt um prliventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt oder um repressive Verbote mit Genehmigungsvorbehalt handeln. Priiventive Verbote55 betreffen sozial erwünschte, unvermeidbare oder doch wenigstens sozial unschädliche Betätigungen, die durch das Verbot nicht verhindert, sondern nur einer vorbeugenden behördliche Kontrolle unterworfen werden sollen, um festzustellen, ob sie ausnahmsweise gegen materiell-rechtliche Vorschriften verstoßen. 56 Materiell gewährt die Erlaubnis nur das, was dem Antragsteller grundrechtlich ohnehin zusteht. Sie kann daher nach h.M. grundsätzlich nur als gebundene Entscheidung der Verwaltung ergehen. 57 Präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt sind beispielsweise in den § § 4 BlmSchG, 12 AbfG, 11 PflSchG enthalten. Repressive Verbote mit Genehmigungs-/BefreiungsvorbehaJt58 betreffen dagegen sozial unerwünschte Handlungen und Vorhaben, die prinzipiell nicht gestattet sein sollen und nur ausnahmsweise von den Behörden für zulässig erklärt werden können. Die Genehmigungserteilung ist regelmäßig in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt, da auf sie i.d.R. auch kein grundrechtlich geschützter Anspruch besteht. Obwohl im Umweltrecht noch die präventiven Verbote vorherrschen, dürfte wegen der Verknappung der Umweltgüter der Trend in Zukunft zu den repressiven Verboten bzw. zu Mischformen gehen. 59

52 Hankopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 190. 53 Kloepfer, in: UTR 3, S. 8; ders., Umweltrecht, § 4 Rdn. 33 ff. 54 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 39.

55 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdn. 51 ff. und Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rdn. 25 bspw. bezeichnen sie als Kontrollerlaubnisse.

56 Hankopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 191. 57 BVcrfGE 49, 89 (144 ff.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdn. 51 ff.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rdn. 25. 58 Maurer, ebenda; Hoppe/Beckmann, § 8 Rdn. 26 bapw. bezeichnen sie als Ausnahmebewilligungen. 59 Kloepfer, in: UTR 3, S. 9.

3 .2. Instrument.e zum Schutz vor Schadstoffeintrag

61

Repressive Verbote mit Genehmigungs-/Befreiungsvorbehalt finden sich z.B. in den§§ 7, 8 WHG, § 9 BWaldG, § 31 BNatSchG. Eine Mischung aus diesen beiden Verbotstypen bildet u.a. die Anlagengenehmigung im Atomrecht (§ 7 AtG). Trotz präventiver Zielsetzung (vgl. § 1 AtG) räumt § 7 II AtG den Genehmigungsbehörden ein Versagungsermessen ein, dessen Rechtfertigung sich aus den Risiken beim Umgang mit spaltbaren Materialien ergeben soll6o. Die Genehmigungsbehörden haben nach einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts61 allerdings nur einen engen Spielraum bei dem in § 7 II AtG eröffneten Versagungsermessen. Eine entscheidende Verfeinerung erlabet die Erlaubnisausgestaltung im Umweltrecht durch die Möglichkeit, ihnen Nebenbestimmungen (§ 36 VwVfG) hinzuzufügen. Die Entscheidung der Verwaltung ist damit nicht nur auf die Entscheidung, die Erlaubnis zu erteilen oder sie zu versagen reduziert, sondern es werden ihr weitere Handlungsalternativen - auch zur nachträglichen Veränderung der Erlaubnis- zur Verfügung gestellt, die ihre Entscheidungen flexibler machen. 62

3. 2. 4.1. 3. Planfeststellungsverfahren

Das Planfeststellungsverfahren ist ein spezielles Genehmigungsverfahren, das der Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeil raumbedeutsamer Vorhaben unter Abwägung und Ausgleichung der Interessen des Trägers des Vorhabens und der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einem Verfahren dient. 63 Charakteristisch für Planfeststellungsbeschlüsse ist, daß sie alle für das Vorhaben erforderlichen weiteren Entscheidungen (Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen etc.) ersetzen und gleichzeitig rechtsgestaltend alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen regeln(§ 75 I VwVfG). Soweit gemäß § 75 II 1 VwVfG ein Planfeststellungsbeschluß unanfechtbar geworden ist, sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlage oder auf Unterlassung ihrer Benutzung, von Ausnahmen abgesehen, ausgeschlossen. Der Planfeststellungsbeschluß hat damit eine umfassende Konzentrations- und Gestaltungswirkung. 64 60 BVerfUE 49, 89 (145 ff.). 61 BVerfUE 49, 89 (146 f.). 62 Kloepfer, in: UTR 3, S. 9 m.w.N. 63 Hoppe/Beckmann, Umwe1trecht, § 8 Rdn. 29. 64 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 79.

62

3. Die Gefahrenbekimpfung auf rechtlicher Ebene

Planfeststellungen enthalten sowohl Elemente des Instrumententyps Planung als auch der Erlaubnisvorbehalte. Der Ablauf des Verfahrens trägt planungsrechtliche Züge.65 Nach ihrer Rechtsnatur haben sie als Einzelfallregelungen mit Außenwirkung jedoch Verwaltungsaktcharakter. 66 Die sich hieraus ergebenden Einordnungsprobleme (Planung - Direkte Verhaltenssteuerung) sollen hier nicht erörtert werden. 67 Planfeststellungsverfahren sind z.B. in § 9b AtG, §§ 8 ff. LuftVG, §§ 7 ff. AbfG, § 14 WaStrG vorgesehen. 3. 2.4.1. 4. Umweltvertrllglichkeitsprüfung (UVP) Die frühzeitige, umfassende Überprüfung der Umweltverträglichkeit verschiedener umwelterheblicher Vorhaben und ihrer Ergebnisse bei allen behördlichen Entscheidungen soll das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung68 gewährleisten (§ 1 UVPG)69. Das UVP-Gesetz dient der Umsetzung der vom Rat der europäischen Gemeinschaften am 27. Juni 1985 verabschiedeten Richtlinie des Rates über die Umweltvertrllglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten10. Die Umsetzung erfordert nicht, daß ein neues Verwaltungsverfahren geschaffen wird, sie kann und soll vielmehr i.R.d. bestehenden Verwaltungsverfahren durchgeführt werden (Art. 2 II UVP-Richtlinie). Die UVP umfaßt deshalb nach dem Gesetz auch nur als unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines umwelterheblichen Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen sowie auf Kultur- und sonstige Sachgüter (§ 2 I UVPG). Sie ist u.a. bei Entscheidungen über Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung, Planfeststellung und sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeil von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden- mit Ausnahme von Anzeigeverfahren - zu berücksichtigen, außerdem bei der Linienbestimmung und bei be65 Siehe z.B. Bender/SpatwaSIIer, Umweltrecht, Rdn. 121 ff. 66 Breuer, Umweltschutzrecht, S. 633 . 67 Siehe dazu z.B. Wahl, DVBI. 1982,51 ff. m.w.N. 68 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. 6. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) vom 12. 2.1990, BGBI. I, S. 205, geind. durch Art. 3 des Driuen Gesetzes zur Änderung des BlmSchG vom II. 5.1990, BGBI. I, S. 870. 69 Die verschiedenen Vorhaben sind in der Anlage zu§ 3 UVPG aufgeführt. 70 85/337/EWG- Abi. L 175/40.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

63

stimmten Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren sowie in bestimmten Fällen bei Bebauungsplänen (§ 2 III UVPG). Nach ihrer Aufgabenformulierung sollen also mit Hilfe der UVP schädliche Auswirkungen eines Projekts vermieden, gemindert oder ausgeglichen werden, indem sie vor dessen Verwirklichung einer systematischen Prüfung mit bestimmten verfahrensmäßigen und inhaltlichen Mindestanforderungen unterzogen werden. 11 Nach Einschätzung des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen12 kann die UVP nur dann ein effektives Mittel zur besseren Berücksichtigung von Umweltbelangen bei umwelterheblichen Vorhaben sein, wenn materielle Bewertungsmaßstäbe entwickelt, Kriterien für die Bestimmung des Stellenwertes betroffener Umweltbelange erarbeitet sowie Methoden und Techniken zur Beurteilung der Auswirkungen eines Projekts auf die natürliche Umwelt festgelegt werden. In einer Übergangszeit müsse der Bewertungsrahmen, den die UVP eigentlich voraussetze, jeweils von Fall zu Fall geschaffen werden.73

3.2.4.2. Anzeige- und Anmeldepflichten Anzeige- und Anmeldepflichten sind in formeller wie auch in materieller Hinsicht das mildeste Instrument des Umweltrechts zur Kontrolle umweltrelevanten Verhaltens. 74 In den umweltrechtlichen Vorschriften erscheinen sie als Auskunfts-, Offenbarungs-, Informations-, Anmelde-, Kennzeichnungs-, Mitteilungs-, Anzeige- oder Nachweispflichten. Je nach Ausgestaltung der Pflicht kann es sich um eine Eröffnungs- oder um eine Befolgungskontrolle handeln. 75

Eröffnungskontrollen sind der Vornahme der umwelterheblichen Vorhaben einmalig vorgeschaltet und sollen der Verwaltung Informationen über möglicherweise umweltgefährdende Sachverhalte liefern, so daß sie entsprechend reagieren kann. Sie erfüllen damit eine ähnliche Aufgabe wie die Erlaubnisvorbehalte. Sie werden diesen vom Gesetzgeber häufig vorgezogen, weil sie einfacher und praktikabler erscheinen und den Adressaten weniger stark belasten. 76 Beispiele für Eröffnungskontrollen durch derartige Anzeige- und An11 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rdn. 59.

12 73 14 15 76

SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. SRU, Tz. 126.

121 ff.

Breuer, Umweltachutzrecht, S. 637. Breuer, ebenda; Bosselmann, in: HdUR 1, Sp. 1034 f . Siehe z.B. den "Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz)", BT-Druclcaache 8/3319, S. 17.

64

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

meldepflichtenfinden sich in§§ 4 ff. ChemG, § 14 I PflSchG, § 10 I AbfG, §§ 16 II, 17a, 19e II WHG. Der Befolgungskontrolle dienen umweltrechtliche Anzeige- und Anmeldepflichten dann, wenn sie die laufende Überwachung umweltrelevanter Tätigkeiten bezwecken, etwa durch die Verpflichtung nach § 16 I BlmSchG zur regelmäßigen Mitteilung über Abweichungen vom Inhalt eines Genehmigungsbescheides. Andere Beispiele für derartige Informationspflichten finden sich in § 11 III AbfG, § 16 ChemG. 3. 2. 4. 3. Vberwachungsbefugnisse Die umweltrechtlichen Überwachungsbefugnisse dienen ebenfalls der Kontrolle umweltbedeutsamer Tätigkeiten. Sie sollen die Befolgung der umweltrechtlichen Vorschriften und der auf sie gestützten Verfügungen sichern, indem sie den zuständigen Fachbehörden eine hinreichend breite und fundierte Informationsbasis verschaffen77. Neben schlicht-hoheitlichen Mitteln (z.B. Informationssammlung durch die Landesämter für Wasserwirtschaft, Immissionsschutz oder Bodenforschung sowie durch die Landesverwaltungsämter) stehen Befugnisse der Behörden zum Betreten und Besichtigen von Betrieben, zur Akteneinsicht, zur Entnahme von Stichproben und zum Verlangen von Auskünften. Solche Befugnisse sind z.B. in den §§ 26 ff., 44 ff. BimSchG, § 11 II, IV AbfG, § 21 ChemG, § 21 WHG, § 19 AtG normiert.

3. 2. 4. 4. Untersagungskompetenzen Verfügungen aufgrund von Untersagungsennächtigungen und Ermächtigungen zu anderen repressiven Verfügungen werden getroffen, um umweltgefährdende/-beeinträchtigende oder rechtswidrige Sachverhalte zu beseitigen. Sie sind die ultima ratio des umweltrechtlichen Instrumentariums, das eigentlich darauf ausgerichtet ist, solche Sachverhalte von vomherein zu vermeiden. Die Ermächtigungsgrundlagen für derartige repressive Verfügungen liegen sowohl in Spezialnormen des Umweltrechts als auch im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht.

11 Breuer, Umweltschutzrecht, S. 642.

3.2. Instrumenl.c zum Schutz vor Schadstoffeintrag

65

Die Ermächtigungen lassen sich danach unterscheiden, ob sie repressive Verfügungen gegen erlaubnisfreie oder erlaubnispflichtige Betlitigungen betreffen.78 Ermächtigungen zum repressiven Einschreiten bei erlaubnisfreien Betätigungen existieren nur in geringer Zahl. Sie sind u.a. in §§ 24 S. 1, 25 I BlmSchG, § 23 ChemG, § 19 II WHG, §§ 9, 15 II AbfG, § 8 BNatSchG festgelegt sowie auch in den subsidiär anwendbaren Generalklauseln der Polizeigesetze der Länder (z.B. § 11 NdsSOG). Das repressive Vorgehen gegen erlaubnispflichtige Betätigungen wird maßgeblich davon beeinflußt, ob eine Erlaubnis erteilt worden war oder nicht. Im Fall des Fehlens der Erlaubnis, also im Fall formeller Illegalität, kann sich der Umweltnutzer nach Rspr. und h.M. 79 nicht wie im Baurecht darauf berufen, daß die Anlage bzw. seine Betätigung materiell genehmigungstahig sei. Der Grund für diese Abweichung vom Baurecht liegt in der spezifischen Sozialrelevanz des Umweltschutzes sowie der regelmäßigen Irreversibilität von Schädigungen und Belastungen der Umwelt. 80 Unnötige oder schikanöse Untersagungsverfügungen werden durch das Verhältnismäßigkeilsprinzip verhindert. 81 Ist für das Vorhaben bzw. die Anlage eine Erlaubnis erteilt worden, kommt es für den Erlaß repressiver Verfügungen entscheidend darauf an, ob die Erlaubnis rechtmtißig oder rechtswidrig ist. Im Fall der Rechtswidrigkeit muß vor Erlaß einer Stillegungs-, Beseitigungs- oder Untersagungsverfügung - z.B. nach § 20 BlmSchG, § 19 III 2 Nr. 3 AtG- die Erlaubnis erst durch Raclmahme (§ 48 VwVfG oder Spezialvorschrift des § 17 II AtG) beseitigt werden. Ist die Erlaubnis dagegen rechtmäßig, muß sie vor Erlaß einer Untersagungsverfügung durch Widerruf beseitigt werden (z.B. nach § 21 I BlmSchG, § 17 III AtG, §§ 7 I, 12 WHG). Im übrigen sind in den Fällen formell legaler Betätigungen oder Anlagen teilweise Ermtichtigungen zum Erlaß nachtrtiglicher Anordnungen vorgesehen (z.B. § 17 I 1 BlmSchG). 78 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht,

§ 8 Rdn. 123 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 109 ff. bezeichnet Untersagungsermichtigungen, die in Verbindung mit Erlaubnisvorbehalten auftreten - also bei erlaubnispflichtigen Tätigkeiten - als "quasi-akzessorische Untersagungsermichtigungen" und solche, die selbständige Verwendung tinden-die also nicht an das Fehlen von erforderlichen Genehmigungen anknüpfen - als "selbständige Untersagungsermächtigungen•.

79 BVerwG, Urt. vom 10. 2.1978, NJW 1978, 2311; OVG Hamburg, Urt. vom 29. 6.1978, DVBI. 1979, 235 (236); VGH Mannheim, Urt. vom 14. 9.1976, DÖV 1977, 332; Breucr, Umweltschutzrecht, S. 641; Hoppe/Beckmann, § 8 Rdn. 128; Kloepfer, § 4 Rdn. 111. 80 Hoppe/Beckmann, ebenda; Kloepfcr, ebcnda; Breuer, ebenda. 81 Kloepfer, ebenda. 5 Heiennann

66

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

3. 2. 4.5. Individuelle Umweltpflichten

Individuelle Umweltpflichten der Bürger können materiellen oder formellen, d.h. verfahrensbezogenen Charakter haben. 82 Materielle Umweltpflichten geben dem Umweltnutzer ein bestimmtes umweltpflegliches Tun, Dulden oder Unterlassen auf. 83 Beispiele sind die Pflichten in den §§ 1a II WHG (Unterlassungspflicht); § 11 BNatSchG, § 11 BWaldG, §§ 28 ff. WHG (Pflege-, Erhaltungs- und Bewirtschaftungspflichten); §§ 13 ff. ChemG, § 20 PflSchG (Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten); § 7 I Nr.3 BimSchG, §§ 19i, 19k WHG (Eigenüberwachungspflichten) usw. Einen besonderen Fall einer Eigenüberwachungspflicht stellt die Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten für Umweltschutz dar (z.B. §§ 53 ff. BimSchG, §§ 21a ff. WHG, §§ lla ff. AbfG). Er hat als Betriebsangehöriger die Aufgabe, innerhalb des Betriebes die Einhaltung der Umweltschutznormen zu überwachen und den Umweltschutz als ein weiteres Unternehmensziel einzubringen (z.B. §54 I BimSchG). Umweltrechtliche Ausgleichspflichten84 schließlich verlangen den Ausgleich für eine erhebliche. Belastung oder eine sonstige Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt85, beispielsweise als Wiederherstellungs- oder Rekultivierungspflicht nach § 10 II AbfG, § 8 II BNatSchG, § 11 I 2 BWaldG oder als Geldleistungspflicht nach §§ 8, 9, 12 FluglärmG. Anzeige- und Anmeldepflichten86 sind in erster Linie verfahrensbezogen. Sie bilden regelmäßig formelle Nebenpflichten der materiellen Umweltpflichten. 87

3.2.5. Auswahl der Instrwnente zwn Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag 3.2.5.1. Allgemeines

Die hier erfolgte Darstellung der verschiedenen Instrumente, die für den Schutz des Bodens vor dem Eintrag von Schadstoffen grundsätzlich zur Verfügung stehen, enthält noch keine Aussage darüber, welcher Instrumententyp den größtmöglichen Schutz des Bodens vor Schadstoffen gewährleisten kann. 82 83 84 85 86

Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 120. Storm, Umweltrecht, Tz. 107. Kloepfer, in: UTR 3, S. 13. Ebersbach, in: HdUR 1, Sp. 992.

S.o. 3.2.4.2. 87 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 122.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

67

Es geht zwar schon aus der Einteilung der Instrumententypen hervor, daß das Hauptaugenmerk auf die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung88 zu richten ist, weil sie rein tatsächlich den wichtigsten Instrumententyp im Umweltrecht repräsentieren. Eine Auswahlentscheidung zugunsten dieses Instrumententyps im Bodenschutzrecht ergibt sich daraus allerdings noch nicht. Eine Auswahl nach diesem Kriterium kann keinen optimalen Bodenschutz garantieren. Prinzipiell ist die Entscheidung über den Einsatz der verschiedenen Instrumente im Bodenschutz, wie im Umweltschutz insgesamt, eine staatliche. Ihre Grenzen findet diese staatliche Entscheidung in der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des jeweiligen Instruments und seines Gebrauchs. Der Gesetzgeber hat in diesem Rahmen einen weiten Ermessensbzw. Gestaltungsspielraum, so daß nur evidente Fehlgebräuche die rechtlichen Grenzen überschreiten. 89 Die verschiedenen Auswahlkriterien, die bei der Auswahlentscheidung des Staates eine Rolle spielen können90, lassen sich in zwei Bewertungsmaßstäben zusammenfassen: 1. Eignung, die umweltpolitischen Ziele zu verwirklichen (Effektivität); 2. Verhältnis von Zielverwirklichung und den daraus resultierenden Kosten (Effizienz). 91 Ergibt die Analyse der verschiedenen in Frage kommenden Instrumente eine gleich große Effektivität zweier Instrumente, ist dasjenige vorzuziehen, welches die größere Effizienz aufweist. Das gleiche gilt für das effektivere Instrument im Vergleich zu einem gleich effizienten. Eine Auswahl allein unter den Gesichtspunkten der Effektivität und Effizienz scheidet dann aus, wenn Effektivität und Effizienz bei den zur Auswahl stehenden Instrumenten jeweils unterschiedlich zu beurteilen sind. Dann müssen zusätzliche Auswahlfaktoren herangezogen werden. 92 Die Durchführung solcher Effektivitäts- und Effizienzanalysen ist allerdings wegen ungelöster praktischer und methodischer Probleme bisher weder

88 S.o. 3.2.4. 89 Vgl. zuletzt BVerfUE 69, 150 (160). 90 Siehe bspw. die Zusammenstellung im SRU-Umweltgutachten 1974, Tz. 592 ff. und bei Siebert, Analyse, S. 111 ff. 91 SRU, Tz. 593 f.; SRU-Umweltgutachten 1978, Tz. 1790; Bonus, Umweltpolitik, S. 37. 92 Vgl. Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 237. Siehe zu den Beurteilungskriterien insb. auch Ewringmann/Schafhausen, Abgaben, S. 80 ff.

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3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

im Umweltschutzbereich noch in anderen Bereichen befriedigend gelöst worden.93 Die Probleme ergeben sich z.B. aus einer unzureichenden Datenbasis und zu vage formulierten politischen Zielen, die oft auch in einem unklaren, gelegentlich widersprüchlichen Verhältnis zueinander stehen. Oft fehlen geeignete naturwissenschaftliche oder sozialempirische Meßmethoden. Die kausale Zurechnung konkreter Wirkungsbeziehungen zu bestimmten Instrumenten stößt auf kaum überwindbare methodische Schwierigkeiten. Die Vielgestaltigkeit der Ursachenfaktoren kollektiven Verhaltens, auf dessen Beeinflussung politische Instrumente abzielen, machen die empirisch genaue Ermittlung des Beitrags eines einzelnen Instruments zu den umwelterheblichen Entscheidungen von Unternehmen, Verbänden, Kommunen und anderen Organisationen unmögich. 94 Diese Probleme führen dazu, daß eine Effektivitäts- und Effizienzbeurteilung umweltpolitischer Instrumente im Normalfall nur auf Sekundärfaktoren gestützt werden kann, die nach allgemeiner Lebenserfahrung Rückschlüsse auf den Umfang der Effektivität und Effizienz des jeweiligen Instruments zulassen. 95 Solche Sekundärfaktoren sind etwa Annahmen über Interessenlage und Interessenabhängigkeit der Umweltnutzer und der staatlichen Stellen, über die praktische Durchsetzbarkeil bestimmter umweltpolitischer Vorstellungen, über den Einfluß von Organisations-, Verfahrens- und Personalstrukturen auf Entscheidungsprozesse u.ä. 96 Die vorliegende Arbeit kann und soll keine empirische Untersuchung der verschiedenen Instrumente, die ffir den Schutz des Bodens nutzbar gemacht werden (sollen), auf ihre Effektivität und Effizienz hin bieten. Sie soll nur eine kurze Bewertung der einzelnen Instrumente geben und dadurch einen groben Überblick über deren Leistungsfähigkeit verschaffen. Ich greife deshalb bei der Beurteilung auf bereits vorliegende Untersuchungen97 und Schlußfolgerungen, die aus ihnen gezogen werden können, zurück. Die Beurteilung eines umweltpolitischen Instruments wird angesichts der aufgeführten Schwierigkeiten letztlich immer ein Werturteil sein -so auch hier-, das in Abhängigkeit von der individuellen Gewichtung der einzelnen 93 Vgl. Thieme, Verwaltungslehre, Rdn. 492; Derlien, Die Erfolgskontrolle staatlicher Planung, S. 181 ff. (Kunfassung); Dieckmann, DÖV 1980, 737 ff.; König, Die Verwaltung 13 (1980), 57 ff. 94 Hartkopf/Bohne, Umwcltpolitik, S. 238. 95 Thieme, Vcrwaltungslehre, Rdn. 492, Hartkopf/Bohnc, ebcnda. 96 Hartkopf/Bohne, ebenda. 97 Es konnten wegen der bewußt knapp gehaltenen Darstellung bei weitem nicht alle berücksichtigt werden.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

69

Entscheidungskriterien im Entscheidungsprozeß steht. Ich habe bei der Bewertung der umweltpolitischen Instrumente zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag der ökologischen Effektivität das größte Gewicht beigemessen. Diese Entscheidung ergibt sich aus dem ökozentrischen Bodenschutzverständnis. Sie ergibt sich ferner daraus, daß sich eine heute vielleicht effizientere Umweltschutzlösung bereits in wenigen Jahren als höchst ineffizient erweisen kann, weil bestimmte Umstände nicht bedacht wurden oder auch nicht bedacht werden konnten. Niemand kann sicher ausschließen, daß das heute teurere, aber vielleicht sicherste oder umweltschonendste Verfahren nicht nur die bestehende Umwelt für die Zukunft sichert, sondern dadurch auch zukünftige soziale Kosten, die weit über die heutigen Mehrkosten eines effektiveren Umweltschutzes hinausgehen (Bspe.: Kosten für Umweltsanierungen -soweit überhaupt durchführbar-, Heilungskosten für Erkrankte etc.), vermieden werden. Ein drastisches Beispiel sind die durch die sog. neuartigen Waldschäden entstandenen Kosten, die durch eine halbherzige Luftreinhaltepolitik und eine Politik der hohen Schornsteine (mit-) verursacht worden sind. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung umweltpolitischer Instrumente wird demzufolge hier ihre Effektivität sein. Ob die effektivste Lösung schließlich im konkreten Fall durchgesetzt werden kann, hängt von den tatsächlichen Umständen und auch davon ab, ob sie im Einklang mit den Grundrechten der Umweltnutzer (insb. Art. 14 I, 12 I, 2 I GG) und dem rechtsstaatliehen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. Die Bewertung der Effektivität und Effizienz der einzelnen Instrumente erfolgt in dieser Arbeit im Vergleich zur Effektivität und Effizienz der klassischen Instrumente des Umweltschutzes, den ordnungsrechtlichen Instrumenten der direkten Verhaltenssteuerung. Die inzwischen hinzugekommenen "neuen" Instrumente des Umweltschutzes können in ihrer Wirksamkeit nur an ihnen gemessen werden, da ein abstrakter Maßstab zur Ermittlung der Effizienz und Effektivität (umwelt-) politischer Instrumente nicht existiert.

3.2.5.2. Beurteilung der einzelnen Instrumente Das Instrument der staatlichen Eigenvornahme, insbesondere in Form der staatlichen Abfall- und Abwasserentsorgung, gewährleistet zwar i.d.R. eine sichere, umwelt- und besonders bodenschützende Entsorgung. Die Produzenten öffentlich zu entsorgender Stoffe werden aber, sofern nicht sämtliche Kosten auf sie abgewälzt werden, durch die staatliche Eigenvomahme nicht gerade zu einem ressourcenschonenden Verhalten angehalten.98 Zu einem 98

Vgl. dazu auch SRU-Umweltgutachten 1978, Tz. 1770.

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3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

solchen Verhalten kann den Abfallproduzenten allerdings der Ausschluß seines Abfalls von der öffentlichen Entsorgung gemäß § 3 III AbfG zwingen. Dadurch wird er selbst entsorgungspflichtig (§ 3 IV AbfG) und muß den Abfall unter Beachtung der auch für ihn geltenden Grundsätze der§§ 2 I; 3 II 3, 4 AbfG in eigener Regie entsorgen. So kann durchaus erreicht werden, daß stark abfallerzeugende Produktionsverfahren im Sinne einer Ressourcenschonung verändert werden. Insgesamt kann das Instrument der staatlichen Eigenvomahme nur als ein bedingt effektives Mittel zur Verwirklichung von Umweltschutzzielen angesehen werden. 99 Unter den Instrumenten der indirekten Verhaltenssteuerung werden Subventionen ebenfalls als wenig geeignet angesehen, zur Verwirklichung umweltpolitischer Ziele beizutragen, u.a. deshalb, weil sie durch unerwünschte Ankündigungseffekte charakterisiert sind. Bei der Ankündigung von Subventionen werden seitens der Umweltnutzer alle Anstrengungen zur Reduzierung der Umweltbelastungen unterbleiben, bis die Subventionierung in Kraft tritt.lOO Deckt sie nur einen Teil der Kosten bei der Einführung umweltschonender Verfahren, dürfte die Kooperationsbereitschaft der Umweltnutzer gering sein.101 Subventionen in Form von Abschreibungserleichterungen oder Investitionskrediten stellen nicht sicher, daß das vorgegebene Umweltziel erreicht wird, und wenn ja, daß es mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erreicht wird. So kann bei Sonderabschreibungen der Effekt eintreten, daß zwar bezogen auf eine vorgegebene Produktionsmenge mehr Schadstoffe zurückgehalten werden, aber infolge von Produktionssteigerungen letztendlich größere Schadstoffmengen an die Umwelt abgegeben werden als vorher.l02 Gegen Subventionen wird vor allem eingewendet, daß sie das umweltschädigend hergestellte Produkt fördern, indem sie es im Vergleich zu umweltschonend hergestellten verbilligen. Es wird also mit der Subventionierung das Gegenteil ihres Zwecks erreicht.l03 Die Effektivität und Effizienz von Umweltzertifikatslösungen wird - wie bereits obenl04 festgestellt wurde- ·Überwiegend verneint. Sie erscheinen wegen der ungelösten technisch-praktischen Probleme (wie sollen z.B. die Umweltregionen sinnvoll abgegrenzt werden, um die Massierung von Zertifikaten in einer Region zu verhindern), wegen des erforderlichen Prüf- und 99 Schachel, NuR 1982, 206. 100 Siebert, Analyse, S. 14. 101 Schachel, NuR 1982, 206. 102 Siebert, Analyse, S. 14 f. 103 Vgl. Siebert, S. 15.

104 3.2.3.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

71

Überwachungsaufwandes, wegen des notwendigen Ausbaus des Staatsapparates sowie wegen negativer soziapolitischer Nebenwirkungen (z.B. Marktmißbräuche durch marktzugangsverschließendes Horten von Zertifikaten) als umweltpolitisch ungeeignet.105 Den sog. Kompensationslösungen, wie sie in § 7 III BlmSchG und der TA-Luft (Ziff. 2.2.1.1, lit. b; 2.2.3.2; 4.2.10) schon Eingang gefunden haben, werden dagegen größere Realisierungschancen eingeräumt. 106 Sie sind jedoch, wie viele Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung, von der Konstruktion her nur darauf ausgerichtet, die Einhaltung des ordnungsrechtlichen Rahmens zu unterstützen. Sie sind in der bisher im Bundesimmissionsschutzgesetz und der TA-Luft realisierten Form nur auf eine regionale Wirkung ausgerichtet, nicht aber auf weiträumig summierte Immissionsbelastungen.107 Ihre Effektivität wird dadurch gemindert. Punktuell kann durch den Einsatz von Kompensationslösungen durchaus eine Verbesserung des Schutzes des Bodens vor Schadstoffen erreicht werden.108 Inwieweit eine Effektivierung des Kompensationsmodells mit der Einfügung des Satzes 3 in § 7 III BlmSchG durch das dritte Änderungsgesetz zum Bundesimmissionsschutzgesetz vom 11. 5.1990109 erreicht wird, der Kompensationen mit Anlagen in Nachbarstaaten der Bundesrepublik ermöglicht, bleibt abzuwarten.110 Die grundsätzlich regionale Ausrichtung der Kompensationslösungen ist dadurch jedenfalls aufgehoben worden. 11l

Absprachen sind wegen ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit und wegen des Tauschprinzips, welches sie charakterisiert, generell ineffektiver als rechtliche Regelungen.112 Wegen des geringeren Aufwandes für alle Beteiligten und den seltener auftretenden Vollzugssschwierigkeiten sind sie aber dann ein effektives Instrument der Umweltpolitik, wenn es um die Erhaltung des Status quo der Umwelt geht oder um die Unterstützung laufender wirtschaftlich-

105 Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 242 ff./253; Kloepfer, in: UTR 3, S. 19; Schachel, NuR 1982, 206 (208); Siebert, Analyse, S. 77 f.; vgl. auch Malunat, NuR 1984, 1 (3 f.); Schröder, UPR 1989, 49 (57); Kirchhof, in: HdUR 1, Sp. 22; SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 161 ff.; a.A.: Bonua, Umweltpolitik, S. 42 ff. 106 Kloepfer, S. 19 f.; Schröder, ebenda. 107 Schröder, 57 f. 108 SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 155 f. 109 BGBI. I, S. 870. 110 Zur Bewertung der Novellierung in dieser Hinaicht: Goßler, UPR 1990, 255 ff. 111 Siehe dazu BT-Drucbache 11/6633, S. 32. 112 SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 167; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 261; Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 229; aiehe bereite oben 3.2.3.

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3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

technischer Entwicklungen.ll3 Die generelle Vorzugswürdigkeit von Absprachen in derartigen Fällen ist daraus jedoch nicht abzuleiten. Der Versuch, die Umweltprobleme prinzipiell über A~sprachen mit den Umweltnutzern zu lösen, würde dazu fiihren, daß der Staat seine umweltpolitischen Ziele nicht mehr im vollen Umfang durchsetzen könnte. Denn wenn Absprachen, verbunden mit der Abschwächung staatlicher Zielvorgaben zum Regelfall würden, erschiene im Laufe der Zeit jedes Beharren des Staates auf bestimmten Umweltschutzzielen als ein Vertrauensbruch, der den Widerstand der Umweltnutzer verstärken würde.ll4 An die Stelle unverkürzter Zielformulierungen würden, wegen der größer werdenden Abhängigkeit von den umweltnutzenden Unternehmen, von vornherein verkürzte und verwässerte Zielvorgaben treten, die der Verwaltung noch als kompromißfähig für die Umweltnutzer erscheinen.ll5 Eine so verstandene Verwaltungsvereinfachung würde effektiven Umweltund Bodenschutz unmöglich machen. Im Ergebnis stellen Absprachen daher nur ein punktuell effektives Instrument des Umwelt- und Bodenschutzes dar.

Umweltabgaben werden in bezug auf ihre Effizienz i.d.R. positiv beurteilt.l16 Nur in Ausnahmefällen, etwa bei akuten und hoch schädlichen Umweltbelastungen, die sofortige Maßnahmen erfordern, sollen ordnungsrechtliche Maßnahmen eine höhere Effizienz aufweisen.ll7 Die Effizienzvorteile der Abgabe resultieren daraus, daß Umweltbelastungen dort verhindert bzw. reduziert werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Der Umweltnutzer, dessen Aufwendungen zur Verminderung der Umweltbelastung geringer sind als die Höhe der Abgabe, wird die Belastung (z.B. Schadstoffemissionen) soweit minimieren, wie die Reduzierung der Belastung um eine Einheit weniger kostet als der Preis der Abgabe je Schadenseinheit beträgt. ll8 Den Effizienzvorteilen der Abgabe steht die Ungenauigkeit ihres Lenkungseffekts und damit ihre mangelnde ökologische Effektivität im Vergleich zum Instrumentarium der direkten Verhaltenssteuerung gegenüber. 119 Im ll3 Hartkopf/Bohne, S. 245 f.; so wohl auch v.Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente, s. 23. 114 HartkopYBohne,S.246. 115 Hartkopf!Bohne, ebenda. 116 Siehe nur Baumoi/Oates, Standards, S. 262; SRU-Umweltgutachten 1978, Tz. 1797; SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 158; Sichert, Analyse, S. 119; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rdn. 8; Ewringmann/Schathausen, Abgaben, S. 77 Cf. 117 SRU-Umweltgutachten 1978, ebenda. 118 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rdn. 8. 119 Schachel, NuR 1982, 206 (208); SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 159; Kirchhof, in: HdUR I, Sp. 25; Ha1111meyer, Ztu 1988, 231 (240); Bonus, Umweltpolitik, S. 42.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

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Fall emer zu niedrigen Ansetzung der Höhe der Abgabe, kann das formulierte umweltpolitische Ziel nicht erreicht werden, weil die Umweltnutzer, statt die Umweltbelastung zu verringern, die Abgabe zahlen. Die Abgabe bliebe ökologisch ineffektiv. Wird die Abgabe andererseits zu hoch angesetzt, ist sie zwar effektiv, fiihrt aber zu der Gefahr einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Untemehmen.120 Die verhaltenslenkende Wirkung von Abgaben setzt derartig komplexe marktwirtschaftliehe Entscheidungspro:resse bei Produzenten und Konsumenten voraus, daß der Staat sie nicht unmittelbar beeinflussen kann.121 Eine Ersetzung der bestehenden Ge- und Verbote durch Emissionsabgabelösungen, beispielsweise auf dem Gebiet der Luftreinhaltung, würde bedeuten, daß die Entscheidung über Art und Ausmaß der Luftreinhaltungsmaßnahmen vollständig auf die Emittenten übertragen würde und Luftreinhaltungsziele nur noch nach Maßgabe des im einzelnen nicht vorhersehbaren Verhaltens der Emittenten erreicht werden könnten.l22 Umweltabgaben können deshalb mangels ausreichender Effektivität nicht ein System umweltrechtlicher Ge- und Verbote und rechtlich normierter ökologischer Mindeststandards ersetzen. Sie können allenfalls zusätzliche Anreize zur Verringerung bzw. völligen Vermeidung von Umweltbelastungen bieten.l23 Von den unterschiedlichen Formen der Planung kommt für den Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag unmittelbar nur die raumbezogene Planung in Betracht. Sie wird einerseits als grundsätzlich sehr gut geeignetes Mittel zur Verwirklichung des Vorsorgeprinzips im Umweltrecht angesehen. l24 Für die Lösung komplexer Probleme des Umweltschut:res soll deshalb der planenden Verwaltung im Vergleich zur Eingriffs- und Leistungsverwaltung mit ihrem ordnungsrechtlichen Instrumentarium eine besondere Bedeutung zukommen.125 Die Umweltplanung hat aber auf der anderen Seite gerade wegen der an sie gestellten Forderung, komplexe Umweltprobleme für die Zukunft zu lösen, mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen, die die Planungseuphorie 120 121 122 123

Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rdn. 8. Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 240; vgl. auch Hansmeyer, ZfU 1988, 231 (239 f.). Schröder, UPR 1989, 49 (57). Benkert/Zimmermann, NuR 1979, 96 (103); Kloepfer, DÖV 1975, 593 (596); ders., in: UTR 3, S. 18; Schachel, NuR 1982, 206 (208); Meßerschmidt, Umweltabgaben, S. 65 f.; v.Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente, S. 21; Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, S. 240; Schröder, ebenda; Breuer, Verwaltungsrechtliche Prinzipien, S. 41; Hansmeyer, ZfU 1988, 231 (241); Hartkopf, ZfU 1988, 209 (211); Grüter, in: UTR 10, S. 48; Meyer-Renschhausen, ZfU 1990, 43 (63); wohl auch Kirchhof, in: HdUR 1, Sp. 26; a.A. wohl SRU-Umweltgutachten 1978, Tz. 1797; Feldbaus, in: UTR 2, S. 37. 124 Siehe nur Schmidt-Aßmann, Raumplanungsrecht, S. 123; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rdn. 5; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rdn. 1. 125 Hoppe, VVDStRL 38 (1980), S. 231 ff.; Steiger, ZRP 1971, 133 (137); Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 25.

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3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

der siebziger Jahre etwas gedämpft haben. Ich will hier nur auf die Kostspieligkeit und Langwierigkeit von Planerstellungen, die Schnelligkeit der Veralterung zugrundegelegter Daten126 und die schwierige Prognostizierbarkeit von Umweltentwicklungen hinweisen127. Diese Praktikabilitätsschwierigkeiten der Planung bestehen insbesondere für staatliche Globalsteuerungsmodelle aller umweltbezogenen Aktivitäten sowie für eine isolierte Gesamtplanung des Umweltschutzes, so daß es im deutschen Recht die Tendenz zu Fachplanungen gegeben hat.128 Im Hinblick auf das Bodenschutzproblem sieht Book129 die besonderen Vorteile planenscher Verfahren in der ihnen eigenen -eben schon genannten - Gestaltung komplexer Interessengeflechte, der Ausrichtung auf die Zukunft und der planensehen Gestaltungsfreiheit Im Bereich der Bodengefährdung durch Schadstoffe sei eine planensehe Abwägung zwischen den Bedürfnissen der modernen lndustriegesellschaft, deren Schadstoffemissionen nicht völlig vermieden werden könnten, und den Interessen, die auf einen möglichst schadstofffreien Boden angewiesen sind, sowie den ökologischen Faktoren notwendig.130 Sie sieht aufgrund der Zukunftsgerichtetheit der Planung auch die Möglichkeit, langfristige Auswirkungen bodenbeanspruchender Maßnahmen abzuschätzen und in der planerischen Entscheidung zu berücksichtigen, um der Bodengefährdung frühzeitig entgegenzuwirken. So könne eine weitere Verschlechterung des "Status quo Zustandes des Bodens" verhindert werden. 131 Durch die planensehe Gestaltungsfreiheit sieht sie eine Berücksichtigung der örtlichen, zeitlichen und sachlichen Besonderheiten und damit eine flexible Entscheidungstindung im Bereich des Bodenschutzes gewährleistet.132 Gegen diese Einschätzung ergeben sich einige Bedenken. Book trennt nicht exakt genug zwischen den beiden Hauptgefährdungen, denen Böden ausgesetzt sind, dem Flächenverbrauch und der Bodenverunreinigung durch Schadstoffeintrag. Der Schutz des Bodens vor quantitativem Verbrauch lastet maßgeblich auf dem Instrument der raumbezogenen Planung. Der durch die Planung zu leistende Schutz wird allerdings dadurch eingeschränkt, daß ökologische Faktoren nur Belange unter vielen darstellen, die in der planensehen Entscheidung zu berücksichtigen sind. Sie genießen in der Planung 126 v.Lersner, Ve!Waltungsrechlliche Instrumente, S. 20. 127 Kloepfer, Umwe1trecht, § 4 Rdn. 6 m.w.N.; siehe insb. auch Rehbinder, Allgemeines Umweltrecht, S. 113. 128 Breuer, Umweltschutzrecht, S. 632 m.w.N. 129 Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 26 ff.; dies., lzR 1985, SS ff. 130 Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 27. 131 Book, s. 28. 132 Book, s . 28 f.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

75

keine Prioritli/)33 Insofern ist deshalb nicht erkennbar, daß die durch die planensehe Gestaltungsfreiheit garantierte flexible Entscheidungstindung dem Bodenschutz generell zum Vorteil gereichen soll, da der Schutz des Bodens von jedem anderen zu berücksichtigenden Belang in den Hintergrund gedrängt werden kann. Das gilt erst recht im Bereich des Bodenschutzes vor Schadstoffen. Hier ist der Stellenwert der Planung insgesamt niedriger zu veranschlagen als bei dem Schutz des Bodens vor Flächenverbrauch. Auch die Zukunftsgerichtetheit der Planung ändert nichts an der Tatsache, daß es nahezu unmöglich festzustellen ist, wie lange die verschiedenen Böden an den unterschiedlichen Orten bei fortdauerndem, regelmäßig quantitativ und in der Schadstoffzusammensetzung variierendem Schadstoffeintrag noch in der Lage sein werden, ihre Aufgaben im Naturkreislauf zu erfüllen. l34 Gerade in der Planung offenbaren sich die Folgen des Problems, verläßliche Prognosen zu stellen, die die Grundlage der Planungsentscheidungen werden sollen. Fehlerhafte bzw. unsichere Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Schadstoffeinträge und der Belastbarkeit der Böden führen zur Fehleinschätzung der Bodenschutzbelange und in der Folge zu einer falschen Gewichtung im Prozeß der Abwägung mit konkurrierenden Belangen. Ferner ist damit zu rechnen, daß sich die negativen Auswirkungen solcher fehlerhaften oder unsicheren Prognosen im Abwägungsvorgang fortpflanzen und durch die grundsätzlich langfristige Auslegung der Planung noch verstärken. Der Schutz des Bodens vor Schadstoffen hat folglich mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen, die durch die Wesensmerkmale der Planung noch verstärkt werden und die Tauglichkeit dieses Instruments zur Verminderung bzw. Vermeidung von Schadstoffeinträgen stark einschränken. Die raumbezogene Planung ist lediglich eine Flächennutzungssteuerung und kann daher prinzipiell den Eintrag von Schadstoffen nicht verhindern. Ein gewisser Schutz kann nur über die Fachplanungen erreicht werden, wie etwa durch die Festsetzung von Schutzgebieten nach §§ 12 ff. BNatSchG oder nach § 49 BlmSchG. Solche Schutzgebietsausweisungen können jedoch nur den punktuellen Eintrag verhindern, d.h. sie wirken immer nur partiell, niemals flächendeckend.l35 Die Konsequenz ist, daß Verhaltensweisen, die Bodenverunreinigungen hervorrufen können und deswegen im Schutzgebiet verboten sind, einfach nur räumlich verlagert werden. Indem Schutzgebietsausweisungen zudem überwiegend dilatorischen Charakter haben, weil sie mit ihrem Schutz erst bei den Schadstoffwirkungen greifen, sind sie aus der Sicht des 133 Erbguth, NuR 1986, 137 (138) speziell tür Belange des Bodenschutzes; Schröder, UPR 1989, 49 (56); Hoppe, VVDSIRL 38 (1980), S. 279 f. 134 Vgl. zu diesen Problemen nur Cebulla, Ökologische Aspekte, S. 115 ff. 135 Erbguth, UPR 1984, 241 (248).

76

3. Die Gefahrenbekämpfung auf rechtlicher Ebene

Bodenschutzes als wenig effektiv anzusehen.136 Die eigentlichen Ursachen für den Schadstoffeintrag werden durch sie nicht beseitigt. Um effektiv zu sein, muß der Bodenschutz bei der Produktion und auch beim Vertrieb schädlicher Stoffe ansetzen. Dort verlangen Schutzmaßnahmen auch den vergleichsweise geringsten Aufwand.137 Zweckmäßig kann dieser Schutz nur durch die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung erfolgen, also durch die klassischen ordnungsrechtlichen Mittel (wie Ge- und Verbote, Erlaubnisvorbehalte usw. 138) z.B. im Immissionsschutz-, Chemikalien-, Pflanzenschutz- und Wasserrecht.139 Für die Zukunft könnte in diesem Zusammenhang die Umweltverträglichkeitsprüfung140 als Instrument der direkten Verhaltenssteuerung besondere Bedeutung erlangen, da sie bei der Bewertung der Umweltverträglichkeit bestimmter Vorhaben auch die Wechselwirkungen zwischen Luft, Wasser und Boden berücksichtigt(§ 2 UVPG). Als Ergebnis dieser kurzen Bewertung der Instrumente zum Schutz des Bodens vor Verunreinigung mit Schadstoffen läßt sich festhalten: Die wichtigste Rolle zur Verwirklichung dieses Bodenschutzziels spielen die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung. Diese Einschätzung ergibt sich aus der im Verhältnis zu den anderen dargestellten Instrumenten größeren Effektivität der ordnungsrechtlichen Instrumente. Mit ihrer Hilfe kann der Staat unmittelbar auf das Verhalten der Produzenten von Schadstoffen Einfluß nehmen und damit die Ursachen der Schadstoffeinträge in Böden bekämpfen. Der Wert speziell der Abgabe als Instrument der indirekten Verhaltenssteuerung liegt darin, daß sie über festgelegte Emissionsstandards hinaus zusätzliche Anreize zur Reduzierung von Umweltbelastungen bieten kann. Dies gilt auch für Kompensationslösungen und sehr bedingt für Subventionen. Umweltzertifikationsmodelle haben sich wegen der bisher ungelösten praktischen Probleme als umweltpolitisch ungeeignet herausgestellt. Absprachen sind lediglich dann als effektiv anzusehen, wenn nicht mehr als die Erhaltung eines bestimmten Status quo des Bodens oder die Unterstützung laufender wirtschaftlich-technischer Entwicklungen erreicht werden soll. Ihr Einsatz kommt also nur punktuell in Betracht. Die staatliche Eigenvomahme kann in den Fällen ein effektives Instrument sein, in denen besonders gefährliche Beeinträchtigungen des Bodens verhindert oder beseitigt werden müs136 137 138 139

Erbguth, ebenda; siehe auch Schröder, UPR 1989, 49 (56). v.Lersner, NuR 1982, 201 (201 f.). S.o. 3.2.4.

So im Ergebnis auch Erbguth, UPR 1984, 241 (248); v.Lersner, NuR 1982, 201 (201 f.); vgl. auch Schröder, UPR 1989, 49 (59); Feldbaus, in: UTR 2, S. 38 - beide speziell zum Immissionsschutzrecht.

140 S.o. 3.2.4.1.4.

3.2. Instrumente zum Schutz vor Schadstoffeintrag

77

sen, wo es also auf sicheres und schnelles Tätigwerden ankommt (Bsp.: Die Entsorgung radioaktiver Abfälle). Die räumliche Planung kann effektiven Schutz nur gegen örtlich begrenzten Schadstoffeintrag in den Boden über die Ausweisung von Schutzgebieten gewähren.

4. Derzeitige rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen - Direkte Verhaltenssteuerung 4.1. Allgemeines und Gliederung des Bodenschutzrechts Nach der Beurteilung der verschiedenen Instrumente, die für den Bodenschutz nutzbar gemacht werden (können), soll jetzt das derzeitige Regelwerk zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag dargestellt werden. Aufgrund des Ergebnisses der Beurteilung der verschiedenen Instrumententypen werden nur die Normen der direkten Verhaltenssteuerung, also das ordnungsrechtliche Instrumentarium dargestellt. 1 Bodenschützende Normen finden sich in einer Vielzahl verschiedener Gesetze. Dieses Fehlen eines einheitlichen Bodenschutzgesetzes läßt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Einer ist die späte Erkenntnis, daß das Umweltmedium Boden dringend eines wirksamen Schutzes bedarf und sein Schutz als bloßer Annex anderer Schutzziele nicht ausreichend ist.2 Gewichtiger wiegt daneben, daß Bodenschutz nicht sektoral betrieben werden kann, sondern aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung und Abhängigkeit von Luft, Wasser, Boden sowie Flora und Fauna sehr stark mit dem Schutz dieser Teile der natürlichen Umwelt zusammenhängt. Dementsprechend weist auch beinahe die gesamte Umweltgesetzgebung einen mehr oder minder starken, vor allem auch entwicklungsfähigen und -bedürftigen Bezug zum Bodenschutz auf. 3 Ferner mag auch eine Rolle spielen, daß es keine einheitliche Gesetzgebungsgrundlage für den Schutz des Bodens gibt. Allein für den Bund ergeben sich aus dem Grundgesetz mehrere Rechtsgrundlagen für diesen Regelungsgegenstand. Zu nennen sind hier u.a. Art. 74 Nr. 11, lla, 12, 17, 18, 19, 20, 24 und Art. 75 Nr. 3 und 4 GG. Allerdings liegt es bei dieser Aufsplitterung der Kompetenzgrundlagen nahe, in ihr eher die Folge der engen Vernetzung der verschiedenen Umweltbereiche zu sehen, als die Ursache für die Vielzahl der bodenschützenden Normen. Man könnte nämlich ein einheitli-

2 3

Mit den Möglichkeiten der Planung als Instrument des Bodenschutzes beschäftigt sich Book, Bodenschutz durch räumliche Planung. Vgl. auch Tesdorpf, Landschaftsverbrauch, S. 6; Leidig, Bodenschutz im Rechtssystem,

s. I.

Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 23 .

4.1. Allgemeines und Gliederung des Bodenschutzrechts

79

ches Bodenschutzgesetz nach dem Muster des Chemikaliengesetzes grundsätzlich auch auf mehrere Kompetenzgrundlagen stützen. 4 Für die systematische Untergliederung der bestehenden Normen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag bieten sich mehrere Unterscheidungen an. So lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsnatur der Regelungen verfassungsrechtliche, einfachgesetzliche und untergesetzliche Normen unterscheiden. 5 Gebräuchlicher als diese formale Differenzierung, die über die Feststellung der Rechtsnatur hinaus wenig Aussagekraft hat, ist eine nach der Art und Weise der Berücksichtigung der Bodenschutzziele in den einzelnen Normen. Sie gibt auch darüber Auskunft, welches Gewicht Bodenschutzbelangen bei Entscheidungen aufgrund des Gesetzes jeweils beigemessen wird. Regelungen, die den Boden vor Schadstoffeintrag schützen, lassen sich danach in solche unterteilen, die den Boden unmittelbar oder mittelbar schützen sowie danach, ob der Schutz relativ oder absolut ist. 6

Unmittelbar bodenschatzend sind solche Regelungen, die den Schutz des Bodens als pnmares oder als sekundäres Ziel neben anderen (§ 2 I BNatSchG) bzw. beispielhaft (§ 2 I 2 Nr. 3 AbfG) nennen oder ihn "mediatisieren" 7, indem er ausdrücklich genannt wird, aber über den Schutz vor Gefahren und Nachteilen für die Allgemeinheit erfolgt. In diesem Sinne unmittelbar bodenschützend sind Normen auch dann, wenn sie den Boden über Begriffe wie Umwelt, natürliche Lebensgrundlagen, Natur und Landschaft, Naturgüter oder Naturhaushalt erfassen. 8 Mittelbarer Bodenschutz liegt dann vor, wenn der Boden über andere Werte und Güter mitgeschützt wird, ohne selbst Schutzgut zu sein.9 Beispiel für eine derartige Vorschrift ist§ la II WHG. Die Reinhaltung der Gewässer verhindert auch die Bodenverunreinigung über diesen Eintragspfad. Die Reinhaltung des Grundwassers ist ohne den Schutz des Bodens nicht möglich. Der Bodenschutz durch mittelbar bodenschützende Normen ist daher quasi ein unbeabsichtigtes "Abfallprodukt" des eigentlichen Normzwecks. 4 Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 18.

5

Auf diese Einteilung weist z.B. Ziegler, BWVPr. DVBI. 1985, 317 (320)

1987, 145 (147) hin; siehe auch Storm

6 Storm, AgrarR 1983, 233 ff.; ders., DVBI. 1985, 317 (320); ders., in: HdUR I, Sp. 266 ff.; ders., Jura 1987, 352 ff.; Erbguth, UPR 1984, 241 ff.; Ziegler, 145 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 21. 7 Storm, DVBI. 1985, 317 (320), der das Bsp. des alten§ 3 Nr. 3 lit. n ChemG vor der Novellierung 1990 nennt. 8

Storm, ebenda.

9 Storm, ebenda; ders., AgrarR 1983, 233 (234); ders., in: HdUR 1, Sp. 270; ders., Jura 1987, 352 (354).

80

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

ErbgutbiO kritisiert die Unklarheit dieser Differenzierung nach unmittelbarem und mittelbarem Bodenschutz. Es werde nicht deutlich, was darunter im einzelnen zu verstehen sei. Nach seiner Ansicht könne nur die allgemein für das Umweltrecht betonte Unterscheidung zwischen Regelungswerken mit Umweltschutz als alleinigem oder Primärziel und solchen mit Umweltschutz neben anderen Zielen gemeint sein. Folgerichtig legt er seiner weiteren Untersuchung nur die Untergliederung der Normen in solche, die Bodenschutz als primäres Ziel verfolgen und solche, die ihn neben anderen verfolgen, zugrunde.11 Daß die Kritik Erbguths nicht berechtigt ist und seine Aufgliederung das Bodenschutzrecht - i.S.d. Normen, die den Boden vor Gefährdung und Beeinträchtigung seiner Qualität und Quantität schützen können - nicht erschöpfend erfaßt, ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen zur Differenzierung nach unmittelbar und mittelbar bodenschützenden Vorschriften. Erbguths Untergliederung erfaßt nur die unmittelbar bodenschützenden Regelungen. Weiterhin ist zwischen relativ und absolut bodenschatzenden Normen zu unterscheiden. Im Gegensatz zu absolut bodenschützenden Regelungen, die dem Bodenschutz Vorrang verleihen (Bsp.: § 4 AbfKlärV}, stellt der Schutz des Bodens bei relativ bodenschützenden Normen nur einen unter mehreren in der Abwägung zu berücksichtigenden Belangen dar (etwa § I V 2 Nr. 7, S. 3 BauGB). Eine weitere Untergliederungsmöglichkeit ergibt sich aus den verschiedenen Eintragspfaden, über die Schadstoffe in den Boden gelangen: Über die Luft, über das Wasser i.S.v. Oberflächengewässer und durch direkten Eintrag. Im wesentlichen gelangen Schadstoffe jedoch durch die Luft und auf direktem Weg in den Boden. Der indirekte Eintrag von Schadstoffen aus verschmutzten Oberflächengewässem, hervorgerufen durch Überschwemmungen, spielt daneben eine sehr geringe Rolle und wird daher hier nicht behandelt.l2 Aus praktischen Erwägungen werde ich die bodenschützenden Vorschriften nach den verschiedenen Eintragspfaden, die sie betreffen, behandeln, dort wiederum getrennt nach den verschiedenen wichtigen bodengefährdenden Sachverhalten. Dabei lassen sich Überschneidungen nicht vermeiden. Ich werde deshalb, soweit dies möglich ist, jeweils verweisen. 10 UPR 1984, 241 (243). 11 Erbguth, ebenda. 12 Vgl. dazu Scholz, Bodenschutz zwischen Datenschwemme und Informationadeflzit, S. 11.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

81

Die Darstellung des Bodenschutzrechts nach dem Muster Eintragspfad bodengefährdender Sachverhalt beinhaltet schließlich die Einordnung der jeweiligen Norm als unmittelbar bzw. mittelbar bodenschützend.

4.2. Schutz des Bodens vor Kontamination mit Schadstoffen als Folge direkten Auftrags auf den Boden 4.2.1. (Ab-)Lagerung von schadstotlbaltigen Abfällen und (Rest-)Stoffen Dieser Problembereich umfaßt die endgültige Deponierung - • Ablagerung" - von Abfällen, die Schadstoffe enthalten sowie auch die -nicht endgültige - Lagerung von schädlichen Stoffen, die zukünftig einer (weiteren) wirtschaftlichen oder sonstigen Verwertung bzw. Ablagerung zugeführt werden sollen. Es kann sich um Abialle bzw. (Rest-)Stoffe in fester oder flüssiger Form und um gefaßte gasförmige Stoffe handeln. Derartige Deponien und andere Lagerstätten bergen enorme Risiken für den Boden, da die Gefahr des Einschwemmens von Schadstoffen durch Sickerwässer besteht und auch die Gefahr von Verwehungen, die die Schadstoffe weiträumig verteilen. Besondere Gefahrenquellen bilden solche Deponien, auf denen sog. Sondermüll entsorgt wird oder wurde.13 Nach den Angaben in der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung14 wurden 1981 bei Lagerung und Transport wassergefährdender Stoffe im Bundesgebiet etwa 1500 Schadensereignisse registriert, bei denen rund 7300 m3 wassergefährdende Stoffe freigesetzt wurden. Etwa 30% aller Untälle bei der Lagerung führten zu Bodenverunreinigungen, in 5% der Fälle wurde das Grundwasser in Mitleidenschaft gez.ogen.15

13 Das Aufkommen sog. Sonderabfälle i.S.v. § 2 ll Abtu aus dem produzierenden Gewerbe und Krankenhäusern nahm allein von 1984- 1985 von 3746,4 Mio. t auf3984,3 Mio. t zu. Quelle: UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 433 (mit gensuer Aufschlüsselung). Zu beachten ist, daß das UBA angibt, daß es verschiedene Erfassungsmethoden für derartige Abtälle gibt, die auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen! 14 BT-Drucksache 10/2977, S. 29. 15 Bodenschutzkonzeption, ebenda. 6 Heiermann

82

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

4. 2.1.1. Regelung durch das Abfallgesetz 4. 2.1.1.1. Allgemeines Das wichtigste Regelwerk im Bereich der Entsorgung potentiell bodengefährdender Stoffe stellt das Abfallgesetz16 dar. Auf ihm wird deshalb innerhalb dieses Problembereichs das Hauptaugenmerk ruhen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Abfallbeseitigungsgesetz17, dessen Gegenstand ausschließlich die umweltgerechte Einsammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen war, d.h. nur die Abfallbeseitigung, regelt es darüber hinaus eine Bewirtschaftung des Abfalls.18 Es normiert die Gebote der Abfallvermeidung und der Abfallverwertung, die Vorrang vor der Ablagerung des Abfalls haben (§ 1a, § 3 II 2 AbfG). Dementsprechend spricht das Abfallgesetz nicht mehr von Abfallbeseitigung, sondern von Abfallentsorgung (§ 1 II AbfG). 4. 2.1.1. 2. Boden als Schutzgut des Abfallgesetzes § 2 I 2 AbfG normiert als abfallrechtliche Grundpflicht, daß Abfälle so zu entsorgen sind, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. § 2 Abs. I 2 AbfG definiert das Ziel des Gesetzes und liefert das entscheidende Kriterium für fast alle Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes.19 Die Ziffern 1 -6 des§ 2 I 2 AbfG konkretisieren den Begriff des Wohls der Allgemeinheit durch die beispielhafte Aufzählung von Schutzgütem, die unter diesen Begriff fallen.20 So ist das Wohl der Allgemeinheit nach Nr. 3 dann beeinträchtigt, wenn die Entsorgung Gewässer, Boden und Nutzpflanzen schädlich beeinflußt. Der Boden wird also ausdrücklich als Schutzgut des Gesetzes aufgeführt. Das Abfallgesetz ist demnach dem unmittelbaren Rodenschutzrecht zuzuordnen. Die beispielhafte Erfassung der Schutzgüter über den unbestimmten

Rechtsbegrif~1 "Wohl der Allgemeinheit" bedeutet, daß die Aufzählung der

16 Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 27. 8.1986, BGBI. I, S. 1410, ber. S. 1501, zuletzt geind. durch Anlage I, Kap. XD, Sachgebiet D Abschnitt D des Einigungsvertrages vom 31. 8.1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes vom 23. 9.1990, BGBI. D, S. 885. 17 Gesetz über die Beseitigung von Abiallen vom 7. 6.1972, BGBI. I, S. 873. 18 Bartels, Abfallrecht, S. 10. 19 Hösellv.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 4. 2 Kunig, in: KJSN, § 2 Abtu, Rdn. 23 f.; Franßen, Abfallrecht, S. 423; Hoschützky/Kreft, § 2 Abtu, Anm. 1.1. 21 Str., a.A.: Ermessensbegriff; siehe zum Streitstand Hösel/v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 5;

°

Hoschützky!Kreft, § 2 Abtu, Anm. 1.1.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

83

Regelbeispiele in den Ziffern 1 - 6 diesen Begriff inhaltlich nicht erschöpft und auch andere, in § 2 I 2 AbfG nicht genannte öffentliche Interessen einzubeziehen sind. 22 Aus der Beispieltechnik folgt auch, daß es sich bei den Ziffern 1 - 6 nicht um vom Wohl der Allgemeinheit loszulösende, absolute Geund Verbote handelt.23 Kaum eine Abfallentsorgungsanlage kann schließlich so betrieben werden, daß die in den Ziffern 1 - 6 geschützten Belange unbeeinträchtigt bleiben. Absolute Verbote würden folglich die Abfallentsorgung lahmlegen. Das Abfallgesetz verhindert demnach nicht generell jede schädliche Beeinflussung des Bodens durch die (Ab-)Lagerung schädlicher Stoffe. Der Schutz des Bodens ist vielmehr ein Belang unter mehreren, die i.R.d. Abwägung innerhalb des § 2 I AbfG zu berücksichtigen sind, um das Allgemeinwohl im konkreten Fall zu ermittelo.24 Der Schutz, den das Abfallgesetz dem Boden bietet, ist folglich nur ein relativer Schutz. Hösel/v.Lersner25 ziehen aus der unvermeidbaren schädlichen Beeinflussung der Böden durch Abfallentsorgungsanlagen den Schluß, daß der Zweck der Schutmorm nur das Verbot schädlicher Beeinflussung einer Abfallentsorgungsanlage benachbarter Böden durch die Anlage sei. Dem ist mit Kunig26 entgegenzuhalten, daß § 2 I 2 Nr. 3 AbfG zwar- aus den eben genannten Gründen - keine Totalsperre für die Abfallentsorgung sein kann, man aber deshalb nicht den Deponieboden von vornherein aus dem Schutz ausklammem darf. Die Berücksichtigung dieses Sachzwangs erfolgt vielmehr innerhalb der Abwägung des § 2 I 2 AbfG, so daß § 2 I 2 Nr. 3 AbfG insoweit als Gebot aufzufassen ist, den Bodenverbrauch auch unter der Anlage zu minimieren.27 Unter Bodenverbrauch versteht Kunig28 hier die Belastung des Bodens mit Schadstoffen. Aus § 2 I 2 Nr. 3 AbfG ergibt sich das Gebot, den Boden so wenig wie möglich zu belasten. Dieses Gebot findet Berücksichtigung in der Abwägung 22 Kunig, in: KJSN, § 2 Abtu, Rdn. 23 f.; Hösel/v.Lersner, Rdn. 7; Franßen, Abfallrecht, s. 423. 23 BVerwGE 70, 242 (245 f.), BayObLG, Beseht. vom 6. 4.1984, NUR 1984, 246 (247); Geister, NJW 1982, 11 (14); v.Lersner, in: HdUR 1, Sp. 4; ihnlieh Franßen, S. 424, der allerdings bei der Gefährdung der menschlichen Gesundheit (Nr. 1) in jedem Fall eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit annimmt.

24 Vgl. BVerwG, 244; Hösel/v.Lersner, § 2 Ablti, Rdn. 7, 17; Hosehützky!Kreft, § 2 Abtu, Anm. 1.1; Kunig, in: KJSN, § 2 Abtu, Rdn. 20, 31. 25 Rdn. 17. 26 Rdn. 31; so im Ergebnis auch Franßen, Abfallrecht, S. 424; wohl auch Hoschützky!Kreft, Anm. 1.2.4. 27 Kunig, ebenda. 2 8 Ebenda.

84

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

zwischen den verschiedenen Interessen i.R.d. der Abfallentsorgung.29 In die Abwägung können auch andere, nicht in § 2 I 2 AbfG genannte, öffentliche Interessen einzubeziehen sein30, u.a. kommunalwirtschaftliche oder solche aUgemein wirtschaftspolitischer Art. Erst durch die Abwägung aller im konkreten Fa11 widerstreitenden Interessen wird letztendlich das Allgemeinwohl in diesem speziellen Fa11 bestimmt.31 Das führt dazu, daß eine den Boden gefährdende Deponie genehmigt werden kann, wenn dies etwa aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich wäre und diese Gründe so schwer wiegen, daß sie die Bodenschutzbelange zurückdrängen. Obwohl die Schutzgüter, die in§ 2 I 2 AbfG genannt werden, nicht in einer strikten Wertehierarchie stehen so11en32, wird teilweise die Auffassung vertreten, daß das Gesetz durch die beispielhafte Aufführung von Schutzgütern zumindest zu erkennen gebe, welchen es eine besondere Bedeutung beimißt33. Durch die Hervorhebung dieser Schutzgüter werde der Umweltschutz der "wesentliche, ja der konstitutive Teil dessen, was der Komplexbegriff 'Wohl der Allgemeinheit' umschreiben so11, und damit für die abfa11rechtliche Planung nicht nur ein abwägungserheblicher Belang, sondern ein planungsrechtlicher l..eitsatz•34. Die Abwägung sei daher durch die Ziffern 1 - 6 programmiert und nicht ganz den jeweiligen Umständen des Ein.zelfa11s überlassen35. In dieser Auslegung kann möglicherweise der Beginn einer Umorientierung im Verständnis des Begriffs "Wohl der Allgemeinheit" gesehen werden, weg von einer a11einigen Ein.zelfallbetrachtung, hin zu einer genereUen Höherrangigkeit ökologischer Belange in der Abwägung.

29 30 31 32

Vgl. BVerwGE 70, 242 (244).

Kloepfer, JZ 1980, 781 (782); v.Leraner, NuR Franßen, Abfallrecht, S. 424.

1981, I

(3 f.).

So deutlich BVerwG, Beseht. vom 20. 7.1979, DÖV 1980, 133 (134); Hösel/v.Leraner, § 2 AbfU, Rdn. 7; Kunig, in: KISN, § 2 AbfU, Rdn. 24. 33 Kunig, ebenda; ihnlieh Hoachützky/Kreft, § 2 AbfU, Anm. 1.2; Franßen, Abfallrecht, S. 423 f.; anders Hösellv.Leraner, ebenda. 34 Franßen, S. 423. 35 Kunig, in: KISN, § 2 AbfU, Rdn. 24.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

85

4.2.1.1.3. Schildliehe Beeinflussung des Bodens

Eine schildliehe Beeinflussung des Bodens i.S.d. Abfallgesetzes liegt nach allgemeiner Auffassung36 vor, wenn sein Gebrauchs- und Verbrauchswert herabgesetzt wird. Es handelt sich um eine eindeutig anthropozentrische Definition dieses Begriffs. Hösel/v.Lersner37 sehen eine Minderung des Gebrauchs- und Verbrauchswertes des Bodens beispielhaft in einer Beeinträchtigung seiner Fruchtbarkeit durch eine Deponie verwirklicht. Kunig38 weist jedoch darauf hin, daß der Begriff des Bodens umfassend sei, also nicht nur die Fruchtbarkeit, sondern darüber hinaus alle tJkologischen Eigenschaften und Funktionen schütze. Kunig muß sich allerdings entgegenhalten lassen, daß diese "ökologische Interpretation" -so begrüßenswert sie auch istschwer mit der, auch von ihm vertretenen, anthropozentrischen Definition des Begriffs der schädlichen Beeinflussung als "Gebrauchs- und Verbrauchswertherabsetzung" in Einklang zu bringen ist. Im Ergebnis ist Kunig wegen des vom Gesetz bezweckten Umweltschutzes zuzustimmen. Eine Schädigung des Bodens in diesem Sinne ist daher nach dem herrschenden Bodenfunktionsschutzverständnis jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Störung seiner natürlichen Funktionen39 eintritt. 40 Eine schädliche Beeinflussung setzt, ungeachtet des Wortlauts des § 2 I 2 Nr. 3 AbfG, nicht notwendig den Eintritt eines Schadens voraus. Es genügt, wenn die Gefahr einer derartigen Beeinflussung besteht. 41 4. 2.1.1. 4. Abfallbegriff 4. 2.1.1. 4.1. § 1 I AbfG: Subjektiver und objektiver Abfallbegriff

Gemäß § 1 I AbfG sind Abfälle bewegliche Sachen (1), deren sich der Besitzer entledigen will (2) oder deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist (3). Durch die Alternativen (2) und (3) wird der Abfallbegriff des § 1 I AbfG in einen subjektiven (2) und einen objektiven Abfallbegriff (3) unterteilt, deren gemeinsames Merkmal ist, daß es sich jeweils um bewegliche Sachen handeln muß. 36 VGH Bad.-Württ., Urt. vom 10.11.1986, UPR 1987, 235 (237); Hösel/v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 16; Kunig, Rdn. 29. 37 Rdn. 18. 38 In: K/SN, § 2 Abtu, Rdn. 30. 39 S.o. 1.2.1. 40 Dazu unten im einzelnen: 4.2.1.2.4. 41 VGH Bad.-Württ., Beseht. vom 14. 3.1974, RdL 1976, 38 (39); OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. vom 21. 2.1984, DÖV 1984, 897 (897 f.); Kunig, in: KISN, § 2 Abtu, Rdn. 33; Hösell v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 18.

86

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

(1) Der abfallrechtliche Begriff der beweglichen Sache stimmt grundsätzlich mit dem in § 90 BGB überein. 42 Danach sind unter diesen Begriff alle körperlichen, also im Raum abgrenzbaren Gegenstände, unabhängig von ihrem Aggregatzustand subsumierbar. Nicht gefaßte gasförmige Stoffe sind deshalb (und nicht erst wegen§ 1 III Nr. 4 AbfG, der damit überflüssig ist) keine beweglichen Sachen i.S.d. Abfallgesetzes. 43 Bei Grundstücksbestandteilen kommt es nicht auf die zivilrechtliche Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen sowie zwischen Bestandteilen und Scheinbestandteilen an, sondern darauf, ob die Sache tatsächlich bewegt werden kann oder ob sie fest mit dem Grundstück verbunden ist. 44 Mit Schadstoffen verseuchter Boden wird deshalb erst dann zu Abfall, wenn er ausgebaggert worden ist. 45 Umgekehrt mangelt es Ablagerungen nicht deshalb an der Abfalleigenschaft, weil sie mit Erde abgedeckt worden sind. Diese werden dadurch noch nicht zu festen Bestandteilen des Bodens. 46 Abweichendes gilt erst für langjährig verfüllte, wverwachsenew Ablagerungen. 47

(2) Nach dem subjektiven Abfallbegriff des § 1 I S. 1, 1. Alt. AbfG sind Abfälle die beweglichen Sachen48, deren sich der Besitzer entledigen will. Der abfallrechtliche Besitzerbegriff stimmt nicht mit dem zivilrechtliehen überein. 49 Er verlangt, im Gegensatz zum zivilrechtliehen Besitzerbegriff, nicht einen auf den Besitz gerichteten Willen, sondern läßt, wie bei der Zu-

42 OLG Koblenz, Beschl. vom 26. 1.1983, GewArch 1983, 349 (350); BayObLG, Beschl. vom 12.11.1985, NVwZ 1986, 511 mit dem Hinweit auf einige Ausnahmen; Bartels, Abfallrecht, S. 16 "prinzipiell"; Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151); a.A. wohl: Hoschützky/Kreft, § I AbfG, Anm. 1.1; Franßen, Abfallrecht, S. 409; Altenmüller, DÖV 1978, 27 (28 f.) -Sie eind der Auffassung, daß die Übertragung des zivilrechtliehen Abfallbegriffs nicht paßt. Sie kommen allerdings hinsichtlich der einzelnen Gegenstände, die unter den Abfallbegriff fallen, nicht zu anderen Ergebnissen. 43 Schwermer, in: KJSN, §I AbfG, Rdn. 4, 7 f. 44 Altenmüller, DÖV 1978, 27 (29); ihm folgend Höeel/v.Lenner, § I AbfG, Rdn. 5; Bartela, Abfallrecht, S. 17. 45 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151); Altenmüller, ebenda; Franßen, Abfallrecht, S. 409; Schwermer, in: KJSN, § I AbfG, Rdn. 5; andere Fluct, NuR 1989, 409 (410). 46 Schwermer, ebenda. 47 Schink, DVBI. 1985, 1149 (115 1). 48 Siehe eben (I). 49 So die Rspr. und die h.M.: BVerwGE 67, 8 (12); BGH, Urt. vom 14. 3.1985, NVwZ 1985, 447 (447 f.); Schink, DVBI. 1985, 1149 (1152); Altenmüller, DÖV 1978, 29 (32); Hösel/v.Lenner, § I AbfG, Rdn. 6; Bartele, Abfallrecht, S. 18; Schwermer, in: KJSN, § 1 AbfG, Rdn.9; a.A.: BayVGH, Beschl. vom 8. 3.1978, BayVBI. 1979, 176 (177); OLG Celle, Beschl. vom 18. 8 .1978, NJW 1979, 227.

4.2. Schutz des Bode1111 vor direktem Schadstoffeintrag

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standshaftung im Polizei- und Ordnungsrecht, die tatsächliche und rechtliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache ausreichen. 50 Wegen der grundsätzlichen Verpflichtung des Besitzers, Abfälle dem Entsorgungspflichtigen zu überlassen (§ 3 Abs. I AbfG), hat diese Definition Auswirkungen z.B. für den Grundstückseigentümer/-besitzer, auf dessen Grundstück ohne oder gegen seinen Willen Müll geworfen wird ("wilder Müll"). Nach der Rechtsprechung51, die ein Mindestmaß an Sachherrschaft über die in den Machtbereich des Grundstückseigentümers gelangten Sachen für erforderlich hält, wird Besitzer von solchem wilden Müll nur, wessen Grundstück nicht der Allgemeinheit frei zugänglich ist (Bsp.: umzäuntes Stadtgrundstück). Bei Grundstücken, z.B. in Wald und Flur, die jedermann betreten dürfe, fehle es an einem solchen Mindestmaß an Sachherrschaft, so daß der Grundstückseigentümer/-besitzer nicht als Besitzer im abfallrechtlichen Sinne angesehen werden könne. Im Einzelfall müsse die Verkehrsauffassung berücksichtigt werden. Nach dem subjektiven Abfallbegriff kann der Besitzer einer beweglichen Sache frei darüber entscheiden, ob er sich ihrer entledigen will oder nicht. Die entsorgungspflichtige Körperschaft (§ 3 II 1 AbfG) muß im Fall der Entledigung regelmäßig diese Sache ordnungsgemäß entsorgen (§ 2 AbfG). Es kommt daher für den subjektiven Abfallbegriff in keiner Weise darauf an, ob die Sache noch einen wirtschaftlichen Wert hat oder nicht. 52 Es steht zur freien Disposition des einzelnen, seine Sachen durch Entledigung einem abfallrechtlichen Regime zu unterwerfen. Entledigung ist eine Handlung, durch die der Besitzer seine Sachherrschaft und- wenn er auch Eigentümer ist- das Eigentum aufgeben will. 53 Es scheiden allerdings nach allgemeiner Auffassung54 solche Handlungen aus, bei denen im Rahmen von Rechtsgeschäften einem anderen Vorteile eingeräumt (Leihe oder Schenkung) werden oder der Besitzer selbst als Verkäufer oder Vermieter einen anderen wirtschaftlichen Vorteil aus der Entledigung zieht, als die Entledigung selbst. Entledigen ist also immer als "sich von der Sache befreien• zu verstehen; die Überlassung an einen Dritten fällt daher nicht 50 5l

BVerwG, ebenda; da11., Urt. vom 2. 9.1983, DÖV 1984, 635 (636); dass., Urt. vom 19. 1.1989, NuR 1989, 304 (305); BGH, 448; Bartela, ebenda; Höael/v.Lersner, ebenda; Schwenner, ebenda; Franßen, Abfallrecht, S. 408 f.

BVerwG, ebenda; BGH, ebenda; VG München, Urt. vom 3. 6. 1986, NuR 1987, 90; ao auch die Literatur: Schwenner, ebenda; Höael/v.Lenner, ebenda. 52 Franßen, Abfallrecht, S. 409 f.; Hoachützky!Kreft, § 1 Abtu, Anm. 1.1; Tettinger, GewArch 1988, 41 (43). 53 HöaeUv.Leraner, § 1 Abtu, Rdn. 6.

54 OVG Müllllter, Urt. vom 8.12.1982, GewArch 1983, 247; Höael/v.Lersner, ebenda; Bartels, Abfallrecht, S. 19 f.; Schwenner, in: KJSN, § 1 Abtu, Rdn. 14 f.; Franßen, Abfallrecht, S. 409; Altenmüller, DÖV 1978, 27 (31).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

darunter (Bsp.: Reststoffe aus industrieller Produktion werden vom Betrieb durch Vermittlung der IHK an einen anderen zur weiteren Verwertung verkauft oder unentgeltlich überlassen [sog. Abfallbörse]).55 Der in diesem Zusammenhang bestehende Streit, ob auch das "wilde Abladen" von Müll, das nicht auf eine Entsorgungsmaßnahme des Abfallgesetzes gerichtet ist, als ein "Entledigen" i.S.d. subjektiven Abfallbegriffs anzusehen ist56, braucht hier nicht dargestellt zu werden, da jedenfalls solche wild abgelagerten Stoffe, die bei Nichtentsorgung Schutzgüter der in § 2 I AbfG genannten Art beeinträchtigen würden, also insbesondere auch bodengetährdende Schadstoffe, vom objektiven Abfallbegriff erfaßt werden. Der Entledigungswille muß durch den Besitzer in irgendeiner Weise geäußert werden.57 Typisch ist dafür z.B. das Einwerfen in Mülltonnen, das Bereitstellen zur Abholung, nicht dagegen das Einwerfen leerer Flaschen oder alter Batterien in entsprechende Container, da dadurch diese Stoffe dem Wirtschaftskreislauf als Rohstoffe erhalten werden sollen. Nicht entledigen kann sich der Besitzer solcher Reststoffe, die er gemäß § 5 I Nr. 3 BimSchG, § 2 TII AbfG schadlos verwerten muß. In diesen Fällen ist der Entledigungswille unbeachtlich. 58

(3) Abfall i.S.d. objektiven Abfallbegriffs (§ 1 Abs. I 1, 2. Alt. AbfG) sind bewegliche Sachen59, deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schutzes der Umwelt, geboten ist. § 1 I 1, 2. Alt. AbfG schränkt die dem Abfallbesitzer in der 1. Alt. gewährte Dispositionsfreiheit insoweit ein, als unabhängig von dessen Willen eine bewegliche Sache als Abfall behandelt wird, wenn das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Umwelt, eine geordnete Entsorgung erfordert. Der Schutz der Umwelt ist damit der zentrale Bezugspunkt des objektiven Abfallbegriffs. 60

Bewegliche Sachen, die für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr verwendbar sind, werden selbst dann Abfall, wenn sich der Besitzer ihrer gar nicht entledigen will. Voraussetzung ist lediglich, daß die Sache in ihrem aktuellen Zustand eine Gefahr für eines der in § 2 I 2 AbfG genannten 55 Schwermcr, ebenda; Höscl/v.Lcrsner, ebenda. 56 Vgl. stau aller Schwermcr, Rdn. 15 m.w.N.

57 Franßen, Abfallrecht, S. 410. 58 Feldbaus, UPR 1983, 356 (358); Franßen, cbenda; Schwcrmcr, in: KJSN, § I AbfG, Rdn. 17; Höscllv.Lcrsner, § 1 AbfG, Rdn. 8; Hoschützky/Kreft, § I AbfG, Anm. 1.1. 59 S.o. (1). 60 So auch Schwermer, in: KJSN, § 1 AbfG, Rdn. 24.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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Schutzgüter, etwa den Boden oder sonst für das Allgemeinwohl darstellt und diese Gefahr nur durch eine geordnete Entsorgung, d.h. nach Maßgabe der Vorschriften des Abfallgesetzes, beseitigt werden kann.61 Der objektive Abfallbegriff ist daher von großer Bedeutung für den Bodenschutz. Die Gebotenheil der geordneten Entsorgung setzt danach neben der Gefährdung eines gesetzlichen Schutzgutes auch voraus, daß diese nicht auf andere Art und Weise abgewendet werden kann. Andere Möglichkeiten bestehen z.B. dann, wenn im Zuge der weiteren Verwertung potentiell umweltgefährdende Produktionsreststoffe gelagert werden. Zu beachten ist hier besonders, daß Reststoffe - d.h. solche Stoffe, deren Produktion nicht Betriebszweck der Anlage ist62 -, soweit sie in genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz anfallen, dem Verwertungsgebot des § 5 I Nr. 3 BlmSchG unterliegen, auf den § la I 2 AbfG ausdrücklich Bezug nimmt. Können solche Stoffe umweltunschädlich verwertet werden und ist dies auch beabsichtigt, findet das Abfallrecht mangels Gebotenheil der Entsorgung keine Anwendung. 63 Stellt sich dort die Art und Weise der Lagerung als umweltgefährdend, insbesondere boden- und wassergefährdend dar, kommt nur eine Verfügung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz in Betracht, um dem Besitzer die umweltgerechte Lagerung aufzugeben. 64 Sind keine speziellen Normen einschlägig, ist für derartige Verfügungen auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zurückzugreifen. 65 An den Grad der Gefährdung, der eine geordnete Entsorgung gebietet, sind um so geringere Erfordernisse zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. 66 Wird festgestellt, daß die Gefährdung oder Beeinträchtigung tatsächlich nur durch Entsorgungsmaßnahmen nach dem Abfallgesetz aus der Welt geschafft werden kann, ist i.R.d. Gebotenheil der Entsorgung noch deren Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die betroffenen privaten und öffentlichen Interessen sind gegeneinander abzuwägen. 67 61 BVerwG, Urt. vom 2. 9.1983, DVBI. 1984, 225 (226); Altenmüller, DÖV 1978, 27 (30 f.); Bartels, Abfallrecht, S. 24 62 Ähnlich Stich/Porgcr, § 5 BlmSchG, Anm. 21; Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (623). 63 Schwcrmcr, in: KJSN, § 1 AbfG, Rdn. 28; Tettinger, Gew.Arch 1988, 41 (43); Altenmüller, DÖV 1978, 27 (31); Kutscheidt, cbcnda; a.A.: VGH Kassel, Beseht. vom 21. 4. 1986, NuR 1987, 35. 64 S.u. 4.2.1.2.2. 65 Franßcn, Abfallrecht, S. 411. 66 BVerwG, Beseht. vom 13. 5.1983, DÖV 1983, 1011 -für §8m2 Nr. 3 AbfG; Schwermcr, in: KJSN, § 1 AbfG, Rdn. 26; Bartels, Abfallrecht, S. 24 f. 67 OVG Berlin, Urt. vom 13. 6.1980, Gew.Arch 1980, 279 (280); OVG Münster, Urt. vom 22. 3.1977, DÖV 1978, 48 (49); BayObLG, Beseht. vom 6. 4.1984, NuR 1984, 246

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

In der Praxis erhält der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders dann Bedeutung, wenn eine Sache begrifflich Abfall im objektiven Sinne ist, aber für den Eigentümer/Besitzer noch von Wert oder Nutzen ist. Wird diese Sache gegen den Willen des Eigentümers/Besitzers entsorgt, ist dessen Eigentümerpositionbetroffen und der Schutzbereich des Art. 14 Abs. I 1 GG berührt.

Diese Eigentumsbeschränkung durch den objektiven Abfallbegriff stellt sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums daJ-68 , deren Grenzen sich aus dem Verhältnismäßigkeilsprinzip ergeben. Beruft sich also ein Abfallbesitzer darauf, daß die zu entsorgende Sache noch einen Wert verkörpere, d.h. Verwertungsmöglichkeiten bestehen, ist ihm aus diesem Grund für die Verwertung eine Frist zu setzen, bevor sie als Abfall entsorgt werden kann- es sei denn, es ist Gefahr im Verzug. 69 Befinden sich die verwertbaren Sachen jedoch ungeordnet in als Abfall zu entsorgenden Stoffen, kommt es auf die Verwertbarkeit einzelner Teile nicht an.7o Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich keine festen Kriterien aufstellen lassen, die eine sichere Einordnung unter den objektiven Abfallbegriff ermöglichen. Für die Auslegung des objektiven Abfallbegriffs kommt es vielmehr entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Besondere Bedeutung kommt dabei auf der einen Seite dem Verwertungsgebot des § 1a li AbfG und auf der anderen Seite der Entsorgungsfunktion des Abfallrechts zu. 71 4. 2.1.1.4. 2. § 1 I 2 AbfG: Enveiterter Abfallbegriff Gemäß § 1 I 2 AbfG sind ferner solche beweglichen Sachen, die der Besitzer der entsorgungspflichtigen Körperschaft oder dem von dieser beauftragten Dritten überläßt, auch im Fall der Verwertung Abtälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe oder die erzeugte Energie dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden.

68 69 70 71

(247); Bartels, S. 26 f.; Höaellv.I.emer, § 1 Abtu, Rdn. 10; Schink, DVBl. 1985, 1149 (1153). Barte1s, S. 26. Schwermer, in: KJSIV, § 1 Abtu, Rdn. 30; Höael/v.I..enner, § 1 Abtu, Rdn. 9. OVG Lüneburg, Beschl. vom 7. 6.1975, GewArch 1975, 277 f.; BayObLG, Beschl. vom 6. 4.1984, NuR 1984, 246 (247); Höae1/v.I..enner, ebends. Höaellv.I.ersner, ebenda; eine Zusammenstellung der verschiedenen Entscheidungen liefern bspw.: Höae1/v.I..ersner, Rdn. 12; Schwermer, in: KJSIV, § 1 Abtu, Rdn. 35.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

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Unabhängig von einem Entledigungswillen des Besitzers werden damit auch die Stoffe als Abfall erfaßt, die der entsorgungspflichtigen Körperschaft zur Verwertung übergeben wurden, etwa durch Einwurf in Batterie-, Altglasoder Altpapiercontainer. Diese Erweiterung des Abfallbegriffs soll verhindern, daß verwertbare Bestandteile des Hausmülls in Abhängigkeit von der Entledigungsabsicht des Besitzers (subjektiver Abfallbegrift) und einer vorher vorgenommenen Sortierung ständig zwischen "Abfall" und "Wirtschaftsgut" schwanken. 72

4.2.1.1.4.3. §§ 5a, 5b AbfG: Altöle Durch § Sa AbfG werden sämtliche Altöle, auch wenn sie keine Abfälle i.S.d. § 1 I AbfG sind, den Vorschriften des Abfallgesetzes unterworfen. Dies dient dazu, die in der Vergangenheit aufgetretenen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Abfall und Wirtschaftsgut zu beseitigen und eine einheitliche Überwachung der Altölentsorgung zu garantieren. 73 Erfaßt werden also auch die Altöle, die einem wirtschaftlichen Unternehmen zur Verwertung überlassen werden. 74 Altöl sind nach § Sa I 2 AbfG gebrauchte flüssige oder halbflüssige Stoffe, die ganz oder teilweise aus Mineralöl oder synthetischem Öl bestehen, einschließlich ölhaltiger Rückstände aus Behältern, Emulsionen und Wasser-ÖlGemische. Gebraucht ist ein Öl immer dann, wenn es nach der Produktion bereits ein erstes Mal eingesetzt wurde, unabhängig von der Intensität des Gebrauchs oder seines Verschmutzungsgrades. 75 Nach Abs. II finden auf Altöle, die der Verwertung in hierfür genehmigten Anlagen i.S.d. § 4 I BimSchG zugeführt werden, nur §§ 11, lla - f, 12 und 14 I AbfG Anwendung. § Sb AbfG verpflichtet gewerbsmäßige Verkäufer von Motor- und Getriebeölen, in geeigneter Weise auf die Pflicht zur geordneten Entsorgung hinzuweisen und eine Annahmestelle für Altöle einzurichten oder nachzuweisen, die die gebrauchten Öle bis zur Menge der im Einzelfall abgegebenen Öle kostenlos annehmen muß. Sie muß über Einrichtungen verfügen, die einen fachgerechten Ölwechsel ermöglichen. 12 Begründung zum Entwurf einer 4. Novelle des Abfallbeaeitigungsgesetzes, BT-Drucksache 10/2885, s. 13. 73 Sackes, DVBI. 1987, 333 (336). 74 Bartels, Abfallrccht, S. 184. 15 Veratcyl, in: KJSN, § 5a Abtu, Rdn. 12.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Aufgrund des § Sa II 2, III und des § Sb, S. 4 AbfG ist die Altölverordnung vom 27.10.198776 ergangen, die die Aufarbeitung und Entsorgung von Altölen im einzelnen regelt.

4.2.1.1.4.4. § 1 111 AbfG: Ausgenommene Stoffe § 1 III AbfG nimmt ausdrücklich und abschließend die in den Ziffern 1 - 8 genannten Stoffe aus dem Regelungsbereich des Abfallgesetzes heraus. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß eine ordnungsgemäße Entsorgung dieser Stoffe bereits durch andere Gesetze geregelt sei. 77 Soweit die Sondernormen allerdings die Entsorgung des jeweiligen Stoffes nicht abschließend oder unvollkommen regeln, sollen nach Hösellv.Lersner78 und Bartels79 die Regelungen des Abfallgesetzes ergänzend und konkretisierend herangezogen werden, sofern der Stoff den Abfalltatbestand des § 1 I AbfG erfüllt.

Im Hinblick auf die (Ab-)Lagerung von Stoffen, die zu Bodengefährdungen bzw. -schädigungen führen können, ist zu den Ziffern 1 - 8 des § 1 III AbfG folgendes anzumerken: Nach Nr. 1 gilt das Abfallgesetz u.a. nicht für Stoffe, die nach dem Pflanzenschutzgesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung zu beseitigen sind. Von dem in diesem Problembereich in Betracht kommenden § 3 I Nr. 6 PflSchG werden jedoch nur Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und sonstige Gegenstände erfaßt, die Träger bestimmter Schadorganismen sein können. Reste von Pflanzenschutzmitteln werden dagegen vom Abfallgesetz erfaßt. 80 Vom abfallrechtlichen Regime ausgenommen sind nach Nr. 1 auch Stoffe, die nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz zu beseitigen sind. Das sind nach § 4 i.V.m. § 1 TierKBG Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse die von Tieren stammen. Nicht unter das Tierkörperbeseitigungsgesetz fallen die von § 6 II Nr. 3 und § 7 II TierKBG erfaßten Tierkörperteile und tierischen Erzeugnisse. Für sie gilt das Abfallgesetz. 81

76 BGBI. I, S. 2335. 77 Begründung zum Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Druclc:sache VI/2401, S. 11; siehe auch BT-Druclc:sache 10/5656, S. 54. 78 § 1 AbfG, Rdn. 21. 19 Abfallrecht, S. 30.

80 Schwenner, in: KISN, § 1 Abtu, Rdn. 59; Bartels, S. 31; Hösel/v.Lersner, § 1 AbtG, Rdn. 22. 81 Hoschützlc:y!Kreft, § 1 Abtu, Anm. 3.1.1.; Höse1/v.Lersner, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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Nr. 2 schließt die Anwendbarkeit des Abfallgesetzes für Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe i.S.d. Atomgesetzes aus. 82 Die Legaldefinition dieser Begriffe enthält § 2 I Nr. 1, 2 AtG. Keine radioaktiven Stoffe i.S.d. Gesetzes sind radioaktive Abfallstoffe nach § 2 li AtG. Sie unterfallen damit dem abfallrechtlichen Regime. Stoffe nach Abs. li sind solche radioaktiven Abtälle, die nicht an Landessammelstellen für die Zwischenlagerung bzw. Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung nach § 9a III AtG abzuliefern sind und für die wegen ihrer geringfügigen Aktivität keine besondere Beseitigung gemäß § 9a II 2 AtG bestimmt, angeordnet oder genehmigt worden ist. Diese Ausnahmen von der Ablieferungs- und Beseitigungspflicht sind in§ 3 I,§ 4 IV Nr. 2e, § 45 und§ 46 StrSchV geregelt.83 Keine radioaktiven Abfälle i.S.d. Atomgesetzes sind radioaktiv kontaminierte Sachen (abgesehen von den Anlagenteilen, die in§ 9a I AtG ausdrücklich genannt werden), da im Katalog der Begriffsbestimmungen der Anlage I der Strahlenschutzverordnung radioaktive Abfälle als "radioaktive Stoffe" be-

zeichnet werden, mithin auf § 2 I AtG verwiesen wird. 84 Daraus folgt, daß radioaktiv kontaminierte Sachen ebenfalls nach dem Abfallgesetz entsorgt werden. Sie werden nicht vom Ausschluß des§ 1 III Nr. 2 AbfG erfaßt.

Nach § 1 III Nr. 3 AbfG unterliegen solche Abfälle nicht den abfallrechtlichen Vorschriften, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen in den der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben anfallen. Ausgenommen sind hiervon §§ Sa, 12, 14 I i.V.m. § Sa AbfG und der sich hierauf beziehenden Bußgeldvorschriften. Bergbauabfälle werden damit rechtlich nach dem Bundesberggesetz behandelt. Von der Ausnahme der Ausnahme des§ 1 III Nr. 3 AbfG werden besonders gefährliche Abfälle und Reststoffe, wie Bohremulsionen, PCB u.ä. erfaßt. Sie sind nach dem Abfallgesetz zu entsorgen. 85 Nach § 1 III Nr. 5 AbfG sind Stoffe ausgenommen, die in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden. 86 Abfallstoffe, die nach den wasserrechtlichen Vorschriften nicht in Gewässer eingeleitet werden dürfen, unterliegen dem abfallrechtlichen Regime. 87

82 83 84 85 86 87

Zum Atomgesetz s.u. 4.2.1.8. Vgl. dazu Haedrich, § 2 AtG, Rdn. 6.

Schwenncr, in: KJSN, § 1 AbfG, Rdn. 61; zweifelnd Czajka, NVwZ 1987, 556 (559). Höscl/v.Lersner, § 1 Abtu, Rdn. 24. Dazu unten 4.2.1.3.4.1. Schwermcr, in: KJSN, § 1 AbfU, Rdn. 74; zum Verhältnis AbfU- WHG s.u. 4.2.1.3.1. a.E.

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4 . Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Boden& vor Schadatoffen

Nach § 1 III Nr. 6 und 7 AbfG findet das Abfallgesetz auf solche Stoffe keine Anwendung, die durch gemeinnatzige Sammlungen (Nr. 6) bzw. gewerbliche Sammlungen (Nr. 7) einer ordnungsgemäßen Verwertung zugeführt werden. Es wird dadurch klargestellt, daß derartige privatwirtschaftliche Sammlungen weiterhin außerhalb des Abfallrechts erlaubt sind. Im Gegensatz zu Abs. I 2, der bei Übergabe an den Entsorgungspflichtigen oder den Beauftragten den Entledigungswillen und damit die Abfalleigenschaft fingiert, unterstellt Abs. III in N r. 6 und 7 die Verwertungsabsicht Die Zuführung zur Verwertung i.S.d. Nm. 6 und 7 liegt bereits in der Überlassung des Stoffes an die gemeinnützige oder gewerbliche Sammlung. Ein Stoff der vorher Abfall war, verliert seine Abfalleigenschaft folglich mit der Überlassung an die sammelnde Organisation. 88 Voraussetzung ist allerdings nach beiden Ziffern, daß die Verwertung ordnungsgemäß erfolgt. Das heißt jedoch nicht, daß der Altstoff wieder zu Abfall wird, wenn die Verwertung bspw. Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes widerspricht, da das die Rechtssicherheit, die die Nm. 6 und 7 schaffen sollen, wieder aufheben würde. 89 Anders als bei den gemeinnützigen Sammlungen muß bei den gewerblichen Sammlungen die Verwertung zusätzlich der entsorgungspflichtigen Körperschaft nachgewiesen werden. Darüber hinaus besteht als zweite Einschränkung der Vorbehalt des Entgegenstehens überwiegender öffentlicher Interessen. Bei Nichterfüllung dieser Voraussetzungen kann die Behörde die Stoffe als Abfall behandeln und das Fehlen einer Genehmigung nach § 12 AbfG ahnden bzw. eine bestehende Genehmigung einschränken oder widerrufen. Von den Ausnahmen der Nm. 6 und 7 sind Abfälle ausgenommen, die besondere Probleme aufwerfen. Aufgeführt sind solche nach § 2 II (sog. Sonderabtälle), § 2 III (Reststoffe), § 5 (Autowracks), § 5a (Altöle) sowie die von § 15 AbfG erfaßten Stoffe. Eine wichtige Ausnahme von der Geltung des Abfallrechts macht § 1 III Nr. 8 AbfG für Kampfmittel. Diese bergen besondere Gefahren für Boden und Wasser sowie Fauna, Flora und Menschen. 90

88 Höaellv.Lenner, §I AbfG, Rdn. 28. 89 Höael/v .Lenner, ebenda, wollen dies vielmehr als Hinweis auf die Anwendbarkeit des objektiven Abfallbegriffs ventanden wisaen. 90 Bsp.: Sperrung eines Teils dea Truppenübungsplatzes in Munster wegen Veraeuchung mit chemischen Kampfmitteln im Januar 1990.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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Der Begriff "Kampfmittel" erfaßt auch Kampfstoffe, also vor allem explosive und chemisch oder biologisch wirkende Stoffe. 91 Für die Beseitigung dieser Kampfmittel gilt unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht. 92 Es können auch speziellere Tatbestände des Wasserrechts einschlägig sein.93 Hier ist jedoch die zeitliche Geltung des WHG zu beachten. Nur soweit durch die Behandlung von Kampfmitteln Abtälle entstehen, die dem Kampfmittelbegriff nicht mehr unterliegen, sind diese nach Abfallrecht zu beseitigen. 94

4.2.1.1.4.5. § 2 Il AbfG: Sonderabfti.lle Der Begriff "Sonderabtälle" hat sich in der Praxis für Abtälle nach § 2 II AbfG eingebürgert. 95 Nach § 2 Abs. II AbfG sind dies nur Abtälle aus gewerblichen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen, die eine der in Satz 1 aufgeführten gefahrliehen Eigenschaften besitzen. Sie müssen gesundheits-, Iuft- oder wassergetährdend, explosibel oder brennbar sein oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten oder hervorbringen können. Die Gefahr muß nach Art, Beschaffenheit oder Menge in besonderem Maße vorliegen. Das ist der Fall, wenn die für Hausmüll bestimmten Maßnahmen und Überwachungsinstrumente nicht ausreichen, um eine Beeinträchtigung des Allgemeinwohls (§ 2 I AbfG) auszuschließen. 96 Bei der Beurteilung ist nicht nur auf die Schutzgutgefähdung bei geordneter Entsorgung abzustellen, sondern auch auf unsachgemäßen Umgang mit derartigen Abtällen.97 Zu den öffentlichen Einrichtungen ziblen neben Post, Bahn, öffentlichen Energieversorgern, Krankenhäusern etc., auch z.B. staatliche Forschungseinrichtungen, Museen und Schulen. Auch Bundeswehr- und Grenzschutzeinrichtungen können darunter fallen. 98 Welche Abfallarten im einzelnen durch § 2 II 1 AbfG erfaßt sind, ist nach § 2 II 2 AbfG durch Verordnung99 fest91 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines 2. Gesetzes zur Änderung des Abfellbeseitigungsgesetzes vom 3. 4.1980, BT-Drucksache 8/3887, S. 9. 92 Siehe auch Peine, DVBI. 1990, 733 (736). 93 Brandt/Schwarzer, Bodensanierung, S. 76; siehe auch unten 4.2.1.3. 94 Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drocksache 8/3887, S. 12. 95 So Bartels, Abfallrecht, S. 38; Kopp, GewArch 1985, 12 (14). 96 Bartels, S. 39. 97 Höael/v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 31. 98 Hösel/v.Lersner, Rdn. 29. 99 Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach § 2 ß Abtu ordnung- vom 3. 4.1990, BGBI. I, S. 614.

- Abfallbestimmungs-Ver-

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

gelegt worden. Zu beachten ist, daß nicht alle Stoffe, die in der Verordnung aufgeführt werden, Abtälle sind. Die Abfalleigenschaft nach § 1 AbfG muß gesondert geprüft werden, ehe entschieden wird, ob es sich um Sonderabfälle handelt.100 Die zusätzlichen Anforderungen an die Entsorgung von Sonderabfällen, von denen § 2 II 1 AbfG spricht, ergeben sich aus § 4 Abs. III, § 6 I 4, § 6 III, § 11 III, § lla I 2 AbfG. 4.2.1.1.5. Abfallagerung und-ablagerungsowie Abfallverwertung als Maßnahmen der Entsorgung 4.2.1.1.5.1. Definition

§ 1 II AbfG definiert als Maßnahmen der Abfallentsorgung die Abfallverwertung und die Ablagerung von Abfällen mit den jeweils dazugehörigen Phasen des Einsammelns, Behandelns und Lagerns. Sie unterliegen dem abfallrechtliche Instrumentarium. Unter Abfallverwertung ist nach der Legaldefinition des Gesetzes, das Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen zu verstehen. Sie umfaßt danach die Rückgewinnung von Stoffen (Recycling) und die energetische (thermische) Verwertung durch Verbrennen. Ein Vorrang des Recyclings vor der energetischen Verwertung besteht nicht.IOI Abfallablagerung ist das Lagern von Stoffen auf oder unter dem Erdboden, mit dem Ziel, sich ihrer auf Dauer zu entledigen. Es ist auch durch pflichtwidriges Unterlassen möglich, nämlich durch Verletzung der Überlassungspflicht nach§ 3 I AbfG.102 Lagern ist als Maßnahme, die zeitlich vor der Verwertung bzw. dem Ablagern des Abfalls angesiedelt ist, nur das Zwischenlagern von Stoffen.l03 Es umfaßt jedoch nicht das Sammeln und Bereitstellen von Abfällen durch den Besitzer in Vorbereitung der Entsorgung nach § 3 I AbfG. Mülltonnen und -container sind deshalb keine Einrichtungen zum Lagern von Abfällen i.S.d. § 4 I AbfG, die der Zulassung nach§ 7 AbfG bedürfen.l04 Das gilt auch für 100 Kunig, in: KISN, § 2 Abtu, Rdn. 45; ~iehe dazu auch Hösel/v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 42. 101 Schwenner, in: KJSN, § 1 Abtu, Rdn. 39 f. 102 Franßen, Abfallrecht, S. 415; Schwermer, Rdn. 41; Schink, DVBI. 1985, 1149 (1154),

der allerdings zur Voraussetzung macht, daß das Unterlassen zweckgerichtet ist. Zu dem Streit siehe gleich beim "Lagern•. 103 Barte1s, Abfallrecht, S. 44; Hösel/v.Lersner, § 1 Abtu, Rdn. 18. 104 BayObLG, Beschl. vom 23. 8.1983, GewArch 1983, 398; Hösel/v.Lersner, ebenda; Schwermer, in: KISN, § 1 Abtu, Rdn. 48

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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das Ansammeln von gewerblichen Abfällen in Betrieben.1 OS Gerade in diesen Fällen kann jedoch dann ein Lagern i.S.d. Abfallgesetzes vorliegen, wenn eine frühere oder andere Beseitigung der Abfälle als die, für die sie bereitgestellt werden, zur Wahrung des Allgemeinwohls geboten ist, also der objektive Abfallbegriff erfüllt wird.106 Auch das Liegenlassen von Abfällen auf einem Grundstück kann unter den eben genannten Voraussetzungen ein Lagern i.S.d. § 1 II AbfG sein. Strittig ist aber, ob das pflichtwidrige Unterlassen (Überlassungspflicht nach § 3 I AbfG) ausreicht107 oder ob darüber hinaus ein zweckgerichtetes Verhalten erforderlich ist10'A': Nach der Auffassung, die ein pflichtwidriges Unterlassen für das Lagern genügen läßt, lagert auch deljenige Abfälle, auf dessen Grundstück gegen seinen Willen Müll geschüttet wurde, sofern er Besitzer des Abfalls geworden ist. Soweit ein zweckgerichtetes Verhalten gefordert wird, kommt ein Lagern durch Unterlassen nur in Betracht, wenn der Grundstücksbesitzer von der Lagerung weiß und sie vermeiden kann. Er muß sie also wissentlich dulden, oder es muß ihm bewußt sein, daß er Stoffe liegen läßt, die er einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuführen müßte109. Als Lagern und nicht als Teil der Beförderung ist auch die Zwischenlagerung zwischen zwei Beförderungsabschnitten anzusehen.llO

4. 2.1.1. 5. 2. Untersagung unzuliissiger (Ab-)Lagerung Gemäß § 4 I AbfG ist die Behandlung, Lagerung und Ablagerung nur in den dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlagenlll erlaubt (AnlagenlOS Bartels, Abfallrecht, S. 4S. 106 Hösel/v.Lersner, § 1 AbfG, Rdn. 18; siehe auch BayObLG, Beseht. vom lS. 9.1981, NuR 1982, 114. l07 So z.B. OLG Frankfurt, Beseht. vom 1. 2.1974, NJW 1974, 1666 f.; Schwermer, in: KISN, § 1 AbfG, Rdn. 48; Franßen, Abfallrecht, S. 41S; Eckert, NVwZ 198S, 388 (389). 108 So BVerwG, Urt. vom 16.11.1973, DÖV 1974, 207 (208) zum Lagern in §§ 26 II, 34 II WHG; BayObLG, Beseht. vom 8.10.1973, NJW 1974, 1S7 f.; Hösellv.Lersner, § 1 AbfG, Rdn. 18; Barte1s, Abfallrecht, S. 44 f.; Brosche, DVBI. 1977, 23S (239); Schink, DVBI. 198S, 1149 (11S4). 109 Hösel/v.Lersner, ebenda; Bartels, ebenda. 110 Bartels, Abfallrecht, S. 42 f.; Hösel/v.Lersner, § 1 AbfG, Rdn. 16. Zu dem Problem, ob die Aufbewahrung von Müll in Müllumschlagstationen als Abfallagerung anzusehen ist und ob solche Stationen genehmigungspflichtige Anlagen zur Lagerung i.S.d. § 4 I AbfG sind, siehe z.B. Kunig, in: KISN, § 4 AbfU, Rdn. 23; Bartels, S. SO f. 111 Siehe dazu 4.2.1.1.5. 7 Heiermann

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

zwang). Die VeJWertung und Behandlung ist daneben auch in Anlagen nach S. 2 möglich. Eine Ausnahme enthält§ 4 II AbfG. Bei Verstoß gegen das Gebot des § 4 I AbfG kann die zuständige Behörde diese unzulässigen Müllbeseitigungsmaßnahmen untersagen. Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung ist § 4 I AbfG, soweit keine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlagell2 existiert. Eine zusätzliche Ermächtigungsgrundlage soll neben § 4 I AbfG nicht erforderlich sein.113 Drews/Wacke/Vogei/Martens114 sehen in den Fällen, in denen der Gesetzgeber ein Verhalten gebietet oder verbietet, ohne der Behörde zugleich die Befugnis zu erteilen, durch den Erlaß von Verfügungen auf die Normbefolgung hinzuwirken -also auch im Fall des § 4 I AbfG -, die polizeirechtliche Generalermächtigung als Grundlage für Verfügungen zur Konkretisierung der gesetzlichen Ge- und Verbote an.JIS Sie sehen den Vorzug dieser Konstruktion darin, daß sie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes besser gerecht werde.ll6 Das gleiche wie für die Untersagung einer unzulässigen Abfall(ab-)lagerung gilt auch für die Anordnung der Beseitigung unzulässig (ab-)gelagerten Abfalls und der davon ausgehenden Bodenverunreinigung (Beseitigungsanordnung).117 Sowohl bei einer Beseitigungs- als auch bei einer Untersagungsverfügung kommt es nicht darauf an, ob eine "Anlage", die bei einer entsprechenden Zulassung als Abfallentsorgungsanlage anzusehen wäre, zulassungsfähig ist.ll8 Es ist jedoch der Verhältnismäßigkeilsgrundsatz zu beachten119, so daß z.B. die Beseitigung verbotswidrig gelagerter Abfälle nicht verlangt werden kann, wenn die Zulassung der Anlage innerhalb kurzer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu eJWarten ist.l20 ll2 Eine solche landesrechtliche Ennächtigungsgrundlage findet sich z.B. in Bad.-Württ.

§

20 I LAbfO

113 So deutlich Kunig, in: KJSN, § 4 Abtu, Rdn. 25; vgl. zu dem Problem allgemein: BVerwGE 41, 106 (108 f.); 41, 277 (279); siehe auch Drescher, Anm. zu BVerwG, Urt. vom 29. 11.198S, DVBI. 1986, S60 f., in: DVBI. 1986, 727 ff. 114 Gefahrenabwehr, S. ISS . 11S So auch Götz, POR, Rdn. 448. 116 Drews/WackeNogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. ISS; siehe auch BVerwG, Urt. vom 29.11.198S, DVBI. 1986, S60 f.; Brandt/Dieckmann/Wagner, Altlasten, S. 23 f. 11 7 Vgl. Hösel/v.Lersner, § 4 AbfO, Rdn. 20; Knopp, BB 1990, S1S (S19); Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 81. 118 Kunig, in: KJSN, § 4 AbfO, Rdn. 26; Hösel/v.Lersner, ebenda. 11 9 Kunig, ebenda. 120 Hösel/v.Lersner, § 4 AbfO, Rdn. 20.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadetoffeintrag

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4. 2.1.1. 6. Deponien und Abfallagerstiltten als Abfallentsorgungsanlagen Als Abfallentsorgungsanlagen sind nach § 4 I 1 AbfG solche Anlagen und Einrichtungen anzusehen, deren Zweck die Behandlung, Lagerung und Ablagerung121 von Abfällen ist.122 Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Anlage oder Einrichtung als Abfallentsorgungsanlage ist demnach ihre Zweckbestimmung.123 Der Anlagenbegriff ist weit auszulegen124 und setzt nicht das Vorhandensein baulicher Anlagen oder technischer Einrichtungen voraus 125. So ist ein Grundstück dann als Abfallentsorgungsanlage anzusehen, wenn der Nutzungsberechtigte das Grundstück oder einen Teil des Grundstücks zur Lagerung, Ablagerung oder Behandlung bestimmt hat und es entsprechend nutzt. 126 Es ist nicht erforderlich, daß die Nutzung ausschließlich zur Abfallentsorgung erfolgt, das Grundstück kann auch noch anderen Zwecken dienen. 127 Andererseits darf es nicht nur gelegentlich oder unwesentlich zur Behandlung, Lagerung oder Ablagerung von Abfällen genutzt werden, sondern der Entsorgungszweck muß das typische Merkmal der Grundstücksnutzung sein, d.h. die Lagerung, Ablagerung oder Behandlung muß das Grundstück prägen. 128 Hier kommt es besonders auf eine gewisse Intensität (Dauer und Umfang) an.129 Diese ist z.B. erreicht, wenn auf ein Grundstück immer wieder oder in einer einmaligen Aktion in erheblichem Umfang Abfälle verbracht werden.l30 Die bloße Lagerung von Abfällen auf einem Grundstück reicht nach alledem noch nicht aus, um von einer Abfallentsorgungsanlage zu sprechen. Eine solche liegt mangels Zweckbestimmung danach auch nicht vor, wenn Dritte ohne Einwilligung des Grundstückseigentümers Abfälle ablagern und der Eigentümer das Grundstück auch nicht generell zur Abfallentsorgung bestimmt 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130

Zu den Begriffen s.o. 4.2.1.1.4. Bartela, Abfallrecht, S. 50; Kunig, in: KJSN, § 4 AbfG, Rdn. 11. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rdn. 44. BVerwGE 66, 301 (303); BayVGH, Beschl. vom 27.11.1985, NVwZ 1986, 492 (493); Kunig, in: KJSN, § 4 AbfG, Rdn. 11; Bartels, Abfallrecht, S. 48; Hösel/v.Lersner, § 4 Abtu, Rdn. 4. BVerwG, ebenda; dass., Urt. vom 30. 3.1990, UPR 1990, 306; Hösel/v.Lersner, ebenda; Bartels, ebenda; Kunig, ebenda. Bartels, S. 49 m.w.N. BVerwGE 66, 301 (303). BVerwG, ebenda; Hoppe!Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rdn. 44. BayVGH, Beschl. vom 27.11.1985, NVwZ 1986, 492 (493); Franßen, Abfallrecht, S. 426; Bartels, Abfallrecht, S. 49. Hart!, BayVBI. 1979, 170.

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4 . Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

hat. Hier handelt es sich dann um eine unzulässige Abfallentsorgung außerhalb einer Anlage.131 Zur Feststellung der Zweckbestimmung eines Grundstücks als Abfallentsorgungsanlage muß nach Ansicht des Bayerischen VeiWaltungsgerichtshofs132 ferner hinzutreten, daß das Grundstück als Anlage betrieben wird. Das setze eine regelmäßige und planmäßige Tätigkeit voraus, bei der die einzelnen Vorgänge durch einen irgendwie gearteten gemeinsamen wirtschaftliche Zweck miteinander verbunden seien. Kennzeichnend sei hierfür i.d.R., daß die Art der Abfallentsorgung konkret benannt werden könne, etwa als Betrieb einer Hausmülldeponie.133 Die bloße Ansammlung von Abfällen auf einem Grundstück aufgrund einer Sammelleidenschaft genüge diesen Anforderungen regelmäßig nicht.134 Das BundesveJWaltungsgericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt.135 Es führt aus, daß es keinen einleuchtenden Grund gebe, weshalb eine - die sonstigen Merkmale der Anlage erfüllende - Lagerung von Abiallen und Autowracks aufgrund einer "Sammelleidenschaft" rechtlich anders beurteilt werden solle, als die gleiche Tätigkeit, mit der (auch) wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Anlagen zur Lagerung sind z.B. Zwischenlager in Industriebetrieben, in denen Abfälle vor der Endablagerung zusammengefaßt werden.136 Das bloße Sammeln und Bereitstellen von Abiallen für die spätere Abfuhr ist jedoch -wie oben137 bereits erörtert wurde- kein Lagern. Bei der Beurteilung der Zwischenlagerung von Rückständen aus industrieller Produktion auf dem Gelände eines Industriebetriebes ist entscheidend, ob es sich um Abialle nach dem Abfallbegriff des § 1 I AbfG handelt. Nur dann sind sie auch dem abfallrechtlichen Instrumentarium unteJWorfen. Zwischengelagerte Rückstände, deren geordnete Entsorgung nicht aus Allgemeinwohlgründen geboten ist, die also nicht den objektiven Abfallbegriff erfüllen138, unterliegen dem Anlagenzwang des § 4 I AbfG solange nicht, solange sich der Besitzer ihrer nicht entledigen will (subjektiver Abfallbegriff). Das hat folgende überraschende Konsequenz, auf die Hösel/v.Lersner139 hinweisen: Ist der Besitzer für seine Anlage zur Zwischenlagerung im Besitz 131 132 133 134 135 136 137 138 139

Bartels, Abfallrecht, S. 49 m.w.N.; s.o. 4.2.1.1.5. a.E. Beschl. vom 27.11.1985, NVwZ 1986, 492 (493). BayVGH, 494. BayVGH, ebenda.

Urt. vom 30. 3.1990, UPR 1990, 306.

Kunig, in: K!SN, § 4 AbfG, Rdn.

4.2.1.1.5. S.o. 4.2.1.1.4.1. § 4 AbfG, Rdn. 8.

23.

4.2. Schutz dea Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

101

einer Genehmigung nach § 7 li Abtu, sind die Rückstände, die er unter Beachtung etwaiger Auflagen nach § 8 AbfG lagert, so lange keine Abfälle, wie er, der Besitzer, sie nicht als Abfall behandelt sehen will. Die zuständige Behörde kann sie nämlich nicht als Abfall i.S.d. objektiven Abfallbegriffs behandeln, sofern sie in einer nach § 7 Abtu genehmigten Anlage gelagert werden140. Sie stellen dort ex definitione keine Gefährdung des Allgemeinwohls, speziell der Umwelt dar. Anlagen zur Abfalldeponierung sind Abfallverbrennungs- und Abfallzersetzungsanlagen, wenn dabei keine Verwertung erfolgt, sowie insbesondere alle Arten von Deponien.141 4. 2.1.1. 7. Instrumente des Abfallgesetzes 4. 2.1.1. 7.1. Zulassungspflicht jar Abfallentsorgungsanlagen

a) Plalifeststellung und Genehmigung

Wesentliches Instrument des Abfallgesetzes ist die in § 7 (entsprechend in § 5 I) statuierte Zulassungspflicht für Abfallentsorgungsanlagen.142 Errichtung und Betrieb einer nicht zugelassenen Abfallentsorgungsanlage sind nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig.143 Die zuständige Behörde kann im Fall des Betriebes ohne die nach § 7 AbfG erforderliche Zulassung die Beseitigung verlangen, sofern ein rechtmäßiger Zustand nicht auf andere Weise hergestellt werden kann.144 Abfallentsorgungsanlagen werden nach § 7 AbfG im Wege der Planfeststellung zugelassen. Sie ist erforderlich für die Errichtung von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen, deren Betrieb sowie auch für deren wesentliche Änderung. Nach Abs. I 2 ist bei der Planfeststellung die Umweltverträglichkeit der Anlage zu prüfen. In Fällen, in denen mit Einwendungen gegen die Anlage nicht zu rechnen ist, bei unbedeutenden Anlagen, bei Versuchsanlagen 140 Hösel/v.Lersner, ebenda. 141 Kunig, in: KISN, § 4 Abtu, Rdn. 24. 142 Die TA-Abfall vom 10. 4.1990, GMBI. S. 170, geänd. durch VwV vom 17.12.1990, GMBI. S. 866, ber. GMBI. 1991, S. 136 und S. 469, enthält als Konkretisierung der An-

forderungen des Allgemeinwohls in den Nm. 4, 6 - 8 detaillierte Zulassungsbestimmungen in bezug auf die in Anhang C aufgeführten, besonders überwachungsbedürftigen Abfälle. Zu beachten ist auch die speziell dem Grundwasserschutz dienende • Allgemeine AbfaliVwV über Anforderungen zum Schutz des Grundwassers bei der Lagerung und Ablagerung von Abfällen" vom 31. 1.1990, GMBI. S. 74. 143 Hösel/v.Lersner, § 7 Abtu, Rdn. 3. 144 So ausdrücklich z.B. § 11 AGAbtu Hbg.; anders, z.B., in Nds.: § 7 Abtu, § 25 I LAbtu Nds. i.V.m. NdsSOG.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Boden~ vor Schadstoffen

oder wesentlichen Änderungen einer Anlage/des Betriebes, kann gemäß § 7 II AbfG auf Antrag oder von Amts wegen ein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden. Zweck des Zulassungsverfahren ist es, sicherzustellen, daß das Wohl der Allgemeinheit durch die Abfallentsorgungsanlage nicht beeinträchtigt wird, insbesondere die umweltgerechte Abfallentsorgung gewährleistet ist.145 Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung146 sieht § 7 II AbfG unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens vor. Voraussetzung ist, daß es sich entweder um eine unbedeutende Anlage, eine Versuchsanlage oder die wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage bzw. ihres Betriebes handelt oder mit Einwendungen nicht zu rechnen ist. Eine Definition des Begriffs Runbedeutende Anlagew findet sich im Abfallgesetz nicht. Es nennt in § 7 II 2 AbfG in Form einer unwiderleglichen Vermutung147 nur zwei Beispiele für unbedeutende Anlagen. Darüber hinaus gilt grundsätzlich, daß Abfallentsorgungsanlagen, die nach Spalte 1 des Anhangs zur 4. BlmSchV im förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahren genehmigungsbedürftig sind, nicht als unbedeutend klassifiziert werden können.148 Das gilt nach Schwermer149 auch für Abfallentsorgungsanlagen, für die nach der UVP-Richtlinie der EG150 fakultativ oder obligatorisch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist. § 7 II 3 AbfG bestimmt dementsprechend, daß Satz 1 Nr. 1 und 2 nicht für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Verbrennung, zur chemischen Behandlung oder zur Ablagerung von Abfällen i.S.d. § 2 II AbfG gilt, wenn hiervon erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen können. Wann sonst eine unbedeutende Anlage i.S.d. Gesetzes vorliegt, kann nur im Einzelfall entschieden werden,l51 Entscheidend ist, ob durch die Anlage

145 Bartels, Abfallrecht, S. 90. 146 Begründung zum Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drucksache Vl/2401, S. 14.- Sehr zweifelhaft, da die Genehmigung keine Konzentrationswirkung hat und deshalb vor der Realisierung des Vorhaben~ die nach anderen Gesetzen erforderlichen ErlaubniSIC und Genehmigungen einzuholen sind. Im Fall des § 4 I BlmSchG schließt die Genehmigung nach § 13 BlmSchG die abfallrechtliche Genehmigung nach § 7 11 AbfG ein. Siehe Franßen, Abfallrecht, S. 434; Schwermer, Rdn. 53; vgl. auch OVG Münster, Urt. vom 18. 2.1986, NVwZ 1988, 179 (181). 147 Hösellv.Lersner, § 7 AbfG, Rdn. 17. 148 Schwermer, in: KJSN, § 7 AbtU, Rdn. 55; Hösel/v.Lersner, Rdn. 16. 149 Ebenda. 150 85/337/EWG, Abi. L 175/40. 151 Hösellv.Lersner, § 7 AbfG, Rdn. 16.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

103

erbebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 2 I AbfG und damit auch schädliche Beeinflussungen des Bodens1S2 zu befürchten sind.1S3

b) Nebenbestimmungen zum Zulassungsbescheid

Soweit es zur Wahrung des Allgemeinwohls und damit auch zum Schutz der Umwelt erforderlich ist, können Planfeststellungsbeschluß und Genehmigung unter Befristungen, Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Bedingungen und Auflagen nach Abs. I haben in erster Linie die Funktion, Versagungsgründe nach § 8 III 2 Nr. 1 AbfG auszuräumen.IS4 Das Beifügen einer derartigen Nebenbestimmung ist dabei der Normalfall, da die in § 2 I AbfG genannten Schutzgüter durch Abfallentsorgungsanlagen regelmäßig gefährdet oder beeinträchtigt werden. Gemäß § 8 I 3 AbfG ist auch nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses oder nach Erteilung der Genehmigung die Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen über Anforderungen an die Abfallentsorgungsanlage zulässig. Dies führt dazu, daß derBetreiberder Anlage nicht auf den Bestand der einmal erteilten Zulassung vertrauen kann. Die Einschränkung des Vertrauensschutzes durch den Auflagenvorbehalt ist jedoch dadurch gerechtfertigt, daß eine Veränderung der Umstände, etwa durch das Auftreten zuvor nicht erkennbarer Gefahren oder durch die Entwicklung in Wissenschaft und Technik, andere Anforderungen an den umweltgerechten Betrieb solcher Anlagen stellen kann. ISS 4. 2. 1.1. 7. 2. Pflichten bei der Stillegung von Abfallentsorgungsanlagen

Zur Vermeidung schädlicher Spätfolgen, vor allem durch Abfalldeponien1S6, ist nach§ 10 I AbfG der Inhaber einer ortsfesten Abfallentsorgungsanlage verpflichtet, die beabsichtigte Stillegung unverzaglich der zuständigen Behörde anzuzeigen.

IS2 S.o. 4.2.1.1.3. lS3 Bartels, Abfallrecht, S. 98. lS4 Schwermer, in: KISN, § 8 Abtu, Rdn. 11. Zu ihrem Inhalt siehe inab. die Nm. 6 - 8 der TA-Abfall. ISS Begründung zum Entwurf eines Abfallbeaeitigungageaetzea, BT-Druclcaache VI/2401, S. 14. Zu den rechtlichen Anforderungen an Nebenbestimmungen zum Zulassungsbescheid im einzelnen siehe Bartels, Abfallrecht, S. 106 f.; Schwermer, in: KISN, § 8 Abtu, Rdn. 14, 24; Höael/v.Lersner, § 8 Abtu, Rdn. 11. lS6 Schwermer, § 10 Abtu, Rdn. 2.

104

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Von§ 10 AbfG werden "Uraltanlagen", d.h. Anlagen, die bereits vor dem 11. 6.1972 stillgelegt worden sind, nicht erfaßt)57 Anzeigepflichtig und möglicher Adressat von Verfügungen nach Abs. I ist der Inhaber der Anlage, d.h. der Betreiber)58 Für den Begriff "unverzüglich" gilt die zivilrechtliche Legaldefinition in § 121 I 1 BGB. Unverzüglich bedeutet danach ohne schuldhaftes Zögem.159 Der als Soll-Vorschrift ausgestaltete § 10 II AbfG gibt der zuständigen Behörde die Befugnis, den Inhaber zu verpflichten, auf seine Kosten das Gelände, das für die Abfallentsorgung verwandt worden ist, zu rekultivieren und sonstige Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit, also z.B. auch Bodenverunreinigungen zu verhüten. Solche Maßnahmen können auch erst mehrere Jahre nach der Stillegung angeordnet werden, wenn die Deponie grob ordnungswidrig betrieben wurde.160 Die Rekultivierung dient regelmäßig dem Ziel, Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes wieder rückgängig zu machen.l 61 Erforderliche Vorkehrungen zur Verhütung von Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls sind Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Auswaschungen in den Boden und das Grundwasser, Abwehungen etc. Sicherungsmaßnahmen können bspw. sein: Abdeckungen, Abdichtungen zum Grundwasser, Ableitung und Reinigung der Sickerwässer, aber auch das Ausgraben bestimmter gefährlicher Abfälle aus der stillgelegten Deponie und ihre Zuführung zu einer für solche Abfälle geeigneten Anlage.162 Die Regelung in § 10 II AbfG ist nicht abschließend 163, z. T. finden sich in den Landesgesetzen weitergehende bzw. detailliertere Regelungen164. § 10 III AbfG dehnt die Anzeigepflicht nach Abs. I auch auf die Inhaber von Anlagen aus, in denen Sonderabfälle i.S.d. § 2 II AbfG anfallen.

151 Papier, DVBI. 1985, 873; Hösel/v.Lersner, § 10 Abtu, Rdn. 15. 158 Schwermer, in: KISN, § 10 Abtu, Rdn. 7. 159 Hösel/v.Lersner, § 10 Abtu, Rdn. 5. 160 BVerwG, Beschl. vom 14. 4.1986, NVwZ 1986, 640.

161 162 163 164

Keneler!Kippels, Umweltrecht, S. 190. Hösel/v.Lersner, § 10 Abtu, Rdn. 13; Knopp, BB 1990, 515 (579). Hösel/v.Lersner, Rdn. 16. Art. 19 Abtu Bay.; § 13 AG Abtu Brem.; § 10 AG Abtu Hbg.; §§ § 15 LAbtu NRW; § 20 LAbtu Rheinl.-Pfalz.

16 ff. Abtu Hess.;

4.2. Schutz dee Bodene vor direktem Schadstoffeintrag

105

4. 2.1.1. 7. 3. Oberwachung der Lagerung und Ablagerung Die Lagerung und Ablagerung sowie auch alle anderen Entsorgungsmaßnahmen unterliegen der Überwachung durch die zuständigen Behörden (§ 11 I 1 AbfG). Zweck der Überwachung ist die Sicherstellung des Vollzugs der Vorschriften des Abfallgesetzes.165 Soweit dies zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schutzes der Umwelt166 erforderlich ist, können sie die Überwachung auch auf stillgelegte Abfallentsorgungsanlagen und Grundstücke erstrecken, auf denen vor Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes am 11. 6.1972 Abtalle (ab-)gelagert worden sind bzw. angefallen sind(§ 11 I 2 AbfG). Es werden also auch die sog. "Uraltanlagen" erfaßt, die schon vor dem 11. 6.1972 stillgelegt wurden. Die TA-Abfall enthält in Nr. 5 konkretisierende Anforderungen an die Organisation und das Personal von Abfallentsorgungsanlagen sowie an die Information und Dokumentation. I.R.d. allgemeinen Überwachung normiert § 11 N AbfG bestimmte Auskurifts- und Duldungspjlichlen für die in den Ziffern 1 - 6 genannten Personengruppen (u.a. Abfallbesitzer, Inhaber von Abfallentsorgungsanlagen, Grundstücksbesitzer).

§ 11 11 AbfG statuiert eine Nachweispflicht des Abfallbesitzers gegenüber der zuständigen Behörde für die Abtalle, die nicht mit den in Haushaltungen anfallenden Abfiillen entsorgt werden. Es kommt daher nicht allein darauf an, ob die Abtalle gemäß § 3 Abs. III AbfG von der Entsorgung durch die entsorgungsptlichtige Körperschaft ausgeschlossen wurden. Es ist auch detjenige nachweisptlichtig, der seine Abtälle, auch wenn sie nicht von der Entsorgung ausgeschlossen worden sind, in einer eigenen oder beauftragten Sonderabfallentsorgungsanlage beseitigt.l67 Die Nachweispflicht entsteht erst mit dem Verlangen der Behörde, und zwar durch Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsakts.168 Vorschriften über die Bestellung eines oder mehrerer Betriebsbeauftragter {ar Abfall zur innerbetrieblichen Überwachung der Anlagen enthalten die §§ lla- f AbfG. Durch § 2 111 AbfG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für bestimmte Stoffe, die keine Abfiille i.S.d. Abfallgesetzes

165 166 167 168

Franßen, Abfallrccht, S. 448. S.o. 4.2.1.1.2. Höee1/v.Lenner, § 11 Abtu, Rdn. 14. Bartels, Abfallrccht, S. 119; Kunig, in: KJSN,

§ 11

Abtu, Rdn. 12.

106

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

sind, sondern als Reststoffel69 verwertet werden sollen, die Überwachung, Genehmigungs- und Kennzeichnungspflicht in entsprechender Anwendung des § 11 I 1, II, IV, V, der §§ 12, 13 I Nr. 1, 2, 4lit. b, c und Nr. 5, Abs. III- VI sowie der §§ 13a, b AbfG anzuordnen, wenn von ihnen bei einer unsachgemäßen Behandlung, Beförderung oder Lagerung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit ausgehen kann.

Die Ermächtigung wird durch die Bestimmung von Stoffen in der Reststoftbestimmungsverordnung170 umgesetzt.

4. 2.1.1. 8. Altanlagen

Das Zulassungsverfahren für ortsfeste Abfallentsorgungsanlagen gilt nicht für Anlagen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes am 11. 6.1972 betrieben wurden oder mit deren Errichtung vor diesem Tage bereits begonnen worden war. Für diese Anlagen gilt § 9 AbfG. Die Vorschrift gewährt einen sachlich begrenzten, zeitlich unbegrenzten Bestandsschutz.l71 Wesentliche Änderungen der Anlage sind gemäß § 7 I oder Abs. II AbfG zulassungsbedürftig. 172 Nach § 9 S. 1 AbfG kann die zuständige Behörde für diese Anlagen Befristungen, Bedingungen und Auflagen anordnen. Das bedeutet nicht die nachträgliche Beifügung von Nebenbestimmungen zu einer vorhandenen Gestaltung, sondern den Erlaß nachträglicher Anordnungen i.S.d. § 17 BimSchG, also den Erlaß selbständiger Verwaltungsakte. 173 Die Befugnis des Satz 1 dient dazu, notwendige Anpassungen bestehender Anlagen an die Standards des Abfallgesetzes zu ermöglichen. 174 Die nachträglichen Anordnungen sind daher nur dort erlaubt, wo sie zur Wahrung des Allgemeinwohls bzw. zur Verhütung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte anderer erforderlich sind.l75 Die Schutzrichtung des § 9 S. 1 AbfG entspricht

169 Siebe zu dem Begriff oben: 4.2.1.1.4.1. (3) zum objektiven Abfallbegriff. 170 Verordnung zur Bestimmung von Reststoffen nach § 2 m Abtu (RestBestV) vom 3. 4.1990, BGBI. I, S. 631. 171 Kloepfer, Umweltrecbt, § 12 Rdn. 131. 172 Begründung zum Entwurf eines Abfallbeseitigungagesetzes, BT-Drucksacbe VI/2401, s. 15. 173 Scbwermer, in: KJSN, § 9 Abtu, Rdn. 15; Hösel/v.Lersner, § 9 Abtu, Rdn. 18; FranSen, Abfallrecbt, S. 442 f. 174 Scbwermer, Rdn. 16. Zum Inhalt siebe Nr. 9 TA-Abfall. 175 Hösel/v.Lersner, § 9 Abtu, Rdn. 19; Scbwermer, ebenda.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

107

damit der des§ 8 I 3 AbfG, der nachträgliche Nebenbestimmungen zu Zulassungsbescheiden zuläßt.176 Darüber hinaus ist erforderlich, daß das angestrebte Ziel, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend, nicht mit einer milderen, den Betroffenen weniger belastenden Anordnung erreicht werden kann.177 Die Anordnungen daifen wirtschaftlich unvertretbar sein, da das Wohl der Allgemeinheit dem wirtschaftlichen Interesse des Belreibers vorgeht.178 Eine im Ermessen der Behörde stehende Voll- oder Teiluntersagung nach Satz 2 kommt nur dann in Betracht, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit vorliegt, die durch Anordnungen nicht zu verhindem ist. Betriebsuntersagungen müssen sich nur im Hinblick auf den Schutz des Eigentums nach Art. 14 I 1 GG i.R.d. Sozialbindung des Eigentums halten. Sie dürfen keine enteignende Wirkung entfalten, da § 9 S. 2 AbfG keine Enteignungsentschädigungsregelung enthält (Art. 14 III 2 GG). Diesem Umstand hat der Gesetzgeber mit der Normierung der Voraussetzung der "erheblichen" Beeinträchtigung Rechnung getragen. Der Gesetzgeber sichert dem Betreiber so das Maß an Bestandsschutz, das er im Einzelfall unter Vertrauensschutzgesichtspunkten im Hinblick auf Art. 14 I 1 GG beanspruchen kann.179 Für die Feststellung der Erheblichkeil der Beeinträchtigung ist demnach durch Abwägung zu ermitteln, ob im konkreten Fall dem beeinträchtigten Allgemeinwohl auf der einen oder dem Bestandsschutzinteresse des Anlagenbetreibers auf der anderen Seite das größere Gewicht beizumessen ist.180 Hierbei ist besonders auch auf die Amortisierung des vom Anlagenbelreibers eingesetzten Kapitals abzustellen, die den Bestandsschutz im Laufe der Zeit bis auf Null reduziert.181 Für die tendenzielle Erheblichkeil von Bodenverunreinigungen spricht, daß sie weitgehend irreversibel sind, viele Schadstoffe im Boden weitgehend persistent sind und sich dort akkumulieren. 176 S.o. 4.2.1.1.6.1. b); Begrundung zum Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes, BTDrucksache VI/2401, S. 15. 177 Hösellv.Lersner, § 9 Abtu, Rdn. 19. 178 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1155); Schwermer, in: K/SN, § 9 Abtu, Rdn. 18; Hösellv.Lersner, ebenda; a.A.: Franßen, Abfallrccht, S. 443; ihm folgend Kloepfer, Umweltrccht, § 12 Rdn. 131 -Sie argumentieren damit, daß ansonsten die Anordnung einer Untersagung gleichkomme. 179 Schwermer, Rdn. 26. 180 Schwermer, Rdn. 27 unter Berufung auf VGH München, Urt. vom 28.10.1982, NuR 1984, 27 (27 f.); FranSen, Abfallrecht, S. 443; anders: OVG Lüneburg, Urt. vom 11. 3. 1980, DÖV 1981, 304; Hösellv.Leraner, § 9 Abtu, Rdn. 21 -Sie stellen auf Störungender öffentlichen Sicherheit und Ordnung ab, die nicht andera als durch Untersagung zu beheben sind. 181 Franßen, S. 444.

108

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

Von § 9 Abtu werden nur Altanlagen erfaßt, die nach früherem Recht formell oder materiell legal waren.182 Alle anderen Altanlagen werden nach den für "neue" Anlagen geltenden Bestimmungen des Abfallgesetzes behandelt. Ihr weiterer Betrieb kann bereits wegen formeller Illegalität nach § 4 I Abtu bzw. nach den sonst einschlägigen Gesetzen untersagt werden.183 4.2.1.2. Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz184 4. 2.1. 2.1. Boden als Schutzgut des Bundesimmissionsschutzgesetzes § 1 BlmSchG normiert als Zweck des Gesetzes den Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen, des Bodens, des Wassers, der Atmosphttre sowie der Kultur- und sonstigen Sachgüter vor schttdlichen Umwelteinwirkungen und, soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch den Schutz vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt werden, sowie die Vorbeugung vor dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen.

Mit der expliziten Erfassung des Bodens als Schutzgut in der Neufassung des Gesetzes vom 11. 5.1990 ist das Bundesimmissionsschutzgesetz nun unzweifelhaft dem unmittelbaren Bodenschutzrecht zuzurechnen. Dies war vor der Novellierung des Gesetzes durch das dritte Änderungsgesetz vom 11. Mai 1990 strittig gewesen, da der Boden nicht ausdrücklich als Schutzgut erwähnt wurde. § 1 BlmSchG normierte bis dahin nur den Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen Sachen als Zweck des Gesetzes, weshalb von Teilen der Literatur die Auffassung geäußert wurde, das Gesetz sei nur dem mittelbaren Bodenschutz zuzurechnen.185 Demgegenüber stand die sich immer mehr durchsetzende Auffassung, daß das Bundesimmissionsschutzgesetz unmittelbar den Boden schütze, da der Boden als jeweiliger Bestandteil von Grundstücken, die unter den Begriff "andere Sachen" zu subsumieren sind, unter die Schutzzweckbestimmung des Gesetzes falle.186 182 BVeiWGE 66, 298 (299); Schwermer, in: KJSN, § 9 AbfG, Rdn. 32; Franßen, S. 442; unklar Hösel/v.Lersner, § 9 Abtu, Rdn. 20. 183 Schwermer, ebenda; s.o. 4.2.1.1.4.2. 184 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräuache, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BimSchG) vom 15. 3.1974, i.d.F. d. Bek. vom 14. 5.1990, in Kraft seit dem 1. 9.1990, BGBI. I, S. 8701880; zuletzt geänd. durch Art. 4 des Gesetzes vom 10. 12.1990, BGBI. I, S. 2634. 185 So Storm, AgrarR 1983, 233 (235); Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (149); Bodenachutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 51, wohl auch Etbgutb, UPR 1984, 241 (243). 186 Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (180); ihr folgend: OVG Münster, Urt. vom 10.11.1988, NVwZ-RR 1989, 638; Peine, in: UTR 3, S. 230 f.; Schlabach,

4.2. Schutz des BodeDB vor direktem Schadstoffeintrag

109

Die Auffassung, daß der Boden bereits über den Begriff wandere Sachenw vom Gesetzeszweck erfaßt war, liegt auch der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes zugrunde.187 Denn dort wird deutlich festgestellt, daß die ausdrückliche Aufnahme des Bodens, des Wassers, der Atmosphäre und der Kulturgüter in den Schutzgüterkreis des § 1 nur eine klarstellende Funktion dahingehend hat, daß der Schutz des Menschen und seiner gesamten Umwelt Gesetzeszweck ist. 188 Festzuhalten ist daher, daß der Boden bereits vor der Novellierung durch das dritte Änderungsgesetz unmittelbar vom Schutzzweck des Bundesimmissionsschutzgesetzes erfaßt war. Der novellierte Wortlaut des § 1 bedeutet in diesem Zusammenhang einen kleinen Schritt hin zu einem ökologisch orientierten Umwelt- und Bodenschutz. Für Schadstoffbelastungen des Bodens ergibt sich aus dem Gesetzeszweck die Konsequenz, daß sie, soweit sie durch Immissionen bzw. durch auf andere Weise herbeigeführte Gefahren189 aus einer zu genehmigenden Anlage beeinflußt werden, unmittelbar genehmigungsrelevant sind.l 90

4. 2.1. 2. 2. Lagerung von Reststoffen im Zuge der weiteren Verwertung bzw. spliteren Beseitigung

§ 5 I Nr. 3 BlmSchG normiert ein Vermeidungs- und Verwertungsgebot für Reststoffe. Genehmigungsbedaiftige Anlagen sind danach so zu errichten und zu betreiben, daß Reststoffe vermieden werden, es sei denn, sie werden ordnungsgemliß und schadlos verwertet oder, soweit Vermeidung und Verwertung technisch nicht möglich oder unzumutbar sind, als Abflille ohne Beeintrlichtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt. § 5 I Nr. 3 BimSchG ist als Betreibergrundpflicht bei der Errichtung und während der gesamten Betriebszeit der Anlage zu beachten; bei Änderung der Sachlage (z.B. bei neuen Reststoffvermeidungs- oder -verwertungsmöglichkeiten oder bei neuen Erkenntnissen über die Schädlichkeit einer zunächst

187 188 189 190

VBIBW 1989, 281 (282 f.); mit anderer Bcgriindung: Klocpfer, Umweltrecht, § 14 Rdn.42 BT-Druckaache 11/6633, S. 43. BT-Drucbache, ebenda und S. 33; so auch schon Klocpfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 42. Dazu unten 4.2.1.2.2. Vgl. Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (181).

110

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

praktikablen Verwertung) kann sich die Pflicht auch inhaltlich ändern (dynamische Pflicht).191 Die verschiedenen Pflichten nach §SI Nr. 3 BimSchG stehen in einem Rangverhältnis. In erster Linie hat der Betreiber der Anlage als Adressat des §SI BimSchG Reststoffe zu vermeiden bzw. zu verwerten. Nur falls das technisch unmöglich oder unzumutbar ist, dürfen die Reststoffe unter den genannten Voraussetzungen beseitigt werden. Reststoffvermeidung und -Verwertung sind gleichrangig192, d.h. der Anlagenbetreiber hat die Wahl, ob er die Entstehung der Reststoffe verhindem oder ob er die anfallenden Reststoffe verwerten will.193 Unter Reststoffen sind die Stoffe zu verstehen, die bei der Produktion als nicht angestrebte Nebenprodukte anfallen.194 Ordnungsgemäße und schadlose Verwertung ist die vom Anlagenbetreiber oder einem von ihm Beauftragten unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und technischen Richtlinien und ohne Schädigung der Umwelt erfolgende Zuführung der Reststoffe zu einerneuen Nutzung, die die bloße Beseitigung überflüssig macht. 195 Soweit die anfallenden Reststoffe, unabhängig davon, ob sie wiederverwertet oder als Abfall beseitigt werden sollen, sich noch im Bereich der genehmigungsbedürftigen Anlage befinden, sind ihre Lagerung, Behandlung oder sonstige Beseitigung Teil des Betriebes der Anlage, da unter "Betrieb" die Betriebsweise insgesamt, also die Art und Weise der Nutzung der Anlage zu verstehen ist. 196 Ohne Auswirkungen ist es auch, wenn der Betreiber verwertungsfähige Reststoffe als Abfall beseitigen will, also der Entledigungswille geäußert wird, und damit eigentlich der subjektive Abfallbegriff des § 1 I AbfG erfüllt ist. Dieser Entledigungswille ist wegen § S I Nr. 3 BimSchG unbeachtlich.197 Der ordnungsgemiiß und schadlos verwertbare Reststoff erfüllt mangels Gebotenheit der Entsorgung auch nicht den objektiven Abfallbegriff des 191 Hanamann, NVwZ 1990, 409. 192 Stich/Porger, § 5 BlmSchG, Anm. 20; Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (622 f.); Feldbaus, § 5 BlmSchG, Anm. 1; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 25 Rdn. 41; a.A.: Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rdn. 51, der einen Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung sieht. 193 Siehe auch die Regelung in§ 7 17.BimSchV (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfille und andere brennbare Stoffe vom 23.11.1990, BGBI. I, S. 2545) zur Behandlung von Restatoffen. 194 Feldbaus, Anm. 9; ähnlich: Hansmann, NVwZ 1990, 409 (410). 195 Stich/Porger, § 5 BlmSchG, Anm. 21. 196 Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (623). 197 Fluck, NuR 1989, 409 (411); Feldbaus,§ 5 BlmSchG, Anm. 9; s.o. 4.2.1.1.3.1.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

111

§ 1 I AbfG.J98 Lagerung, Behandlung oder sonstige Beseitigung sind demnach gemäß §§ 4, 6, S BimSchG genehmigungspflichtig.199 Sie unterliegen der immissionsschutuechtlichen Überwachung. 200 Die materiellen Anforderungen ergeben sich aus den§§ 6, 7 BimSchG. Der Umgang mit Reststoffen darf insbesondere keine schädlichen Umwelteinwirkungen, aber auch keine sonstigen Gefahren hervorrufen. Dazu gehören auch Wasser- und Bodenverunreinigungen. 201 Zur Sicherstellung der Erfüllung der Belreiberpflichten u.a. aus §SI Nr. 3 BimSchG kann die zuständige Behörde entsprechende nachträgliche Anordnungen erlassen (§ 17 BimSchG).202 Die Sicherstellung der Pflichtenerfüllung erfolgt regelmäßig jedoch bereits durch die Einfügung besonderer Anforderungen (z.B. an die Lagerungsvorrichtungen) in die Genehmigung. Bei diesen Anforderungen wird es sich nicht um Nebenbestimmungen zur Genehmigung nach§ 12 BimSchG handeln, sondern um inhaltliche Beschrtinkungen der Genehmigung2°3 bzw. sog. modifizierende Aujlagen204, die im Gegensatz zu den "echten" Auflagen nicht selbständig anfechtbar sind. Sowohl modifizierende Auflagen als auch Inhaltsbeschränkungen sind nicht vollstreckungsfähig.205 Werden sie nicht beachtet, wird eine Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben, denn die Anlage wurde nicht in dieser Form genehmigt. In einem solchen Fall kann die zuständige Behörde von ihrer Untersagungsermächtigung nach § 20 II BimSchG Gebrauch machen. Nachträgliche Anordnungen sind Weisungen zur Beschaffenheit und Lage der Anlage, zur Art und Weise des Anlagenbetriebs und zu sonstigen Handlungen206, die auch Gegenstand von Auflagen nach § 12 I BimSchG sein

198 199 200 201 202 203

S.o. 4.2.1.1.3.1. Vgl. OVG Saarlouis, Beseht. vom 21.12.1984, UPR Sellner, lmmissionsschutzrccht, S. 67.

1985, 247.

Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (623); Feldbaus, § 5 BbnSchG, Anm. 6 i.V.m. § 4 BbnSchG, Anm. 10. Dazu allgemein: Stich/Porgcr, § 17 BlmSchG, Anm. 12; Schmatz/Nöthlichs, § 17 BlmSchG, Anm. 6; speziell bei§ 5 Abs. I Nr. 3: Hanamann, NVwZ 1990, 409 (414). Vgl. etwa BVcrwGE 69, 37 (39) = GewArch 1984, 170.

204 Vgl. etwa Sellncr, lmmissionaschutzrccht, S. 158 - Auf das Problem, ob solche Anforderungen Inhaltsbeschränkungen oder modifiZierende Auflagen darstellen, soll nicht weiter eingegangen werden, da es für die Rechtsfolgen ohne Belang ist. Zur Einordnung: Schmatz!Nöthlichs, § 12 BlmSchG, Anm. 4. 205 Schmatz!Nöthlichs, ebenda. 206 Jarsss, § 17 BbnSchG, Rdn. 15.

112

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

können2°7. Der Anwendungsbereich des § 17 BlmSchG ist insofern enger als der des § 12 I BlmSchG, als nachträgliche Anordnungen auf die Durchsetzung der Belreiberpflichten aus § 5 BlmSchG und aus den dazu nach § 7 BimSchG erlassenen Verordnungen beschränkt sind. 208 Die zuständige Behörde kann also dem Anlagenbelreiber nach § 17 I BimSchG aufgeben, die anfallenden Reststoffe in einer bestimmten Art und Weise zu lagern.209 Fraglich ist, ob aufgrunddes § 17 I BimSchG dem Anlagenbelreiber auch aufgegeben werden kann, Bodenverunreinigungen, die von direktem Eintrag bodenschädigender Stoffe bei der Lagerung herrühren, zu beseitigen. Eine solche Bodensanierungsverfügung in Form einer nachträglichen Anordnung ist (bei noch andauerndem Betrieb der Anlage) nach Kutscheidt210 und Fluck211 möglich. Ein Rückgriff auf die polizeirechtliche Generalklausel käme danach insoweit nicht in Betracht. Mit einer auf § 17 I 2, V BimSchG i.V.m. § 14 I BerlASoG gestützten Anordnung der Bodensanierung auf Nachbargrundstücken beschäftigt sich ein Beschluß des VG Berlin vom 12.12.1986212. Im entschiedenen Fall war dem Belreiber einer Batteriefabrik durch nachträgliche Anordnung aufgegeben worden, den durch Bleiimmissionen aus der Fabrik verseuchten Boden auf den an das Betriebsgelände grenzenden Grundstücken zu sanieren. Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid gab das VG statt. Es lehnte die Anwendbarkeit des § 17 I BimSchG mit der Begründung ab, daß § 17 I 2 BimSchG nur den Erlaß betriebsbezogener Anordnungen zum Schutz der Umgebung vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die vom Betrieb einer genehmigten Anlage ausgehen, ermögliche.213 Um derartige anlagenbezogene Belreiberpflichten ging es nach Ansicht des Gerichts in dem zu entscheidenden Fall nicht, da der Gegenstand des umstrittenen Bescheides nicht eine solche auf den Betrieb der Antragstellerio bezogene Regelung war, sondern es vielmehr um die Verunreinigung des Bodens auf den Nachbargrundstücken

207 Sellner, lmmisionaschutzrecht, S. 260; Feldbaus, § 17 BlmSchG, Anm. 10; Pütz/Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 95 f. 208 Feldbaus, ebenda. 209 Siehe dazu auch§§ 3 ff. 12.BimSchV (Störfallverordnung) zur Störfallvorsorge und Störfallabwehr und die dazu ergangenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften (1. StörfaiiVwV vom 26. 8.1988, GMBI. S. 398 und 2. StörfaiiVwV vom 27. 4.1982, GMBI. S. 205); zur StörfaiiV s.u. 4.2.2.1. 210 NVwZ 1986, 622 (623). 211 NuR 1989, 409 (412). 21 2 NVwZ 1987, 1015. 213 VG Berlin, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

113

ging, für deren Beseitigung der Belreiber in Anspruch genommen werden sollte. Das VG hielt demnach § 17 BimSchG für nicht anwendbar, weil die Anordnung nicht anlagenbezogen war. Die in erster Linie hier von dem Belreiber verletzte Pflicht ist die aus § 5 I Nr. 1 BimSchG. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. § 5 I Nr. 1 BimSchG steuert nach dem Zweck des Gesetzes die von der Anlage ausgehenden Umweltgefährdungen, die Vorschrift ist also anlagenbezogen.214 Sie soll die genannten Umweltgefährdungen von vomherein verhindern. Der Sicherstellung dieser Belreiberpflicht dient u.a. § 17 BimSchG. Wie weit der Anlagenbezug räumlich reicht, hängt vom Einzelfall ab, nämlich davon, welche Anlagenteile zur Anlage und welche Verfahrensschritte zum Betrieb, d.h. zur Art und Weise der Nutzung der Anlage gehören. Das bestimmt sich nach § 1 II 4.BimSchV. Der Anlagenbezug endet damit vor den Toren der Betriebsstätte.21S Mit ihm endet auch die immissionsschutzrechtliche Überwachung und die Möglichkeit der Behörde, nachträgliche Anordnungen zu treffen. § 5 I Nr. 1 BimSchG verpflichtet den Belreiber nur, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß es zu Schadstoffkontaminationen des Bodens erst gar nicht kommen kann. Die Vorschrift normiert ausschließlich diese Vermeidungspjlicht, nicht auch eine Beseitigungspflicht. Die Behörde kann daher nicht nach § 17 I BimSchG die Sanierung der Böden anordnen, in denen sich durch die Verletzung der Betreiberpflciht aus § 5 I Nr. 1 BimSchG schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren manifestiert haben.216 Dafür muß sie auf die polizeirechtliche Generalklausel zurückgreifen.217 Sie kann dem Betreiber über § 17 I BlmSchG nur Maßnahmen aufgeben, die die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage selbst ändem218, also betriebsintern ansetzen219. 214 Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (623); Fluck, NuR 1989, 409 (412); Tettinger, GewAtch 1988, 41 (43). 21 5 Tettinger, cbenda.

216 So auch Fluck, NuR 1989, 409 (413). 217 Siehe dazu VGH Bad.-Württ., Beachl. vom 14.12.1989, UPR 1990, 310 ff. 1991, 78 ff. 218 Feldbaus, § 17 BlmSchG, Anm. 10. 8 Heiermann

= NVwZ

114

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadlloffen

Hieraus ergibt sich jedoch, daß § 17 I BimSchG die Ermächtigungsgrundlage für eine Verfügung sein kann, die dem Anlagenbelreiber die Sanierung des Bodens (auf seinem Betriebsgelände) aufgibt, der bei der Reststofflagerung durch den Eintrag von Schadstoffen verseucht wurde. Denn § 5 I Nr. 3 BimSchG normiert für den Belreiber über die Reststoffvermeidung hinaus auch eine Verwertungs- und -beseitigungspflicht für angefallenen Reststoffe. Dabei ist es anders als im Abfallrecht unerheblich, daß die Reststoffe durch den Eintrag in den Boden ihre Eigenschaft als bewegliche Sache verloren haben. 220 Sie verlieren dadurch nicht ihre Eigenschaft als Reststoff und unterliegen weiter dem Verwertungsgebot.221 Die zuständige Behörde kann nach § 17 I BimSchG die Anordnungen treffen, die die Ordnung wiederherstellen. 222 Steht also in einem solchen Fall ein Verstoß gegen die Belreiberpflicht der ordnungsgemäßen und schadlosen Reststoffverwertung aus § 5 I Nr. 3 BimSchG fest- zur Verwertung gehört auch die Teilhandlung des Lageros -, kann die zuständige Behörde dem Belreiber im Wege der nachträglichen Anordnung vorschreiben, die Vorrichtungen zur Reststofflagerung zu ändern und Bodenverunreinigungen zu beseitigen223. Gegenüber der Pflicht aus§ 5 I Nr. 1 BimSchG ergibt sich weiter die Besonderheit, daß es ohne Auswirkungen ist, daß die Reststoffe den Bezug zur Anlage verlieren, wenn sie deren Bereich verlassen, da Nr. 3 nicht anlagenbezogen, sondern produktionsbezogen ist. 224 Das ergibt sich daraus, daß § 5 I Nr. 3 BimSchG das Abfallaufkommen bei industriellen Produktionsprozessen soweit wie möglich senken soll. 225 Die Durchsetzung der Reststoffverwertungs- und -beseitigungspflicht durch nachträgliche Anordnungen ist deshalb noch möglich, wenn die Reststoffe auf das Grundstück eines Nachbarn oder sonstigen Dritten verbracht wurden, falls dieser nicht die tatsächliche Sachherrschaft an den (ab-)gelagerten Reststoffen erwirbt226.227

219 Beisp.: Verwendung anderer Lagerungsvorrichtungen. 220 Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (623). 221 Fluck, NuR 1989, 409 (412), siehe dort (410) auch türdie Abfallbeseitigungspflicht aus 222 223 224 225 226

§ 5 I Nr. 3 BlmSchG. Feldbaus, WiVerw 1984, 1 (12).

Siehe auch Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (623); Fluck, NuR 1989, 409 (412). Kutacheidt, ebenda; Tettinger, GewArch 1988, 41 (43 f.); Fluck, ebenda. Feldbaus, UPR 1985, 385 (387).

S.o. 4.2.1.1.3.1. (2) zum Problem der Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers tür "wilden Müll". 227 Fluck, NuR 1989, 409 (413); siehe auch das Beispiel bei Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (623 f.) .

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

115

Der Betreiber hat gemäß § 5 III Nr. 2 BlmSchG auch nach Einstellung des Betriebes sicherzustellen, daß vorhandene Reststoffe ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder als Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden. Die Erfüllung dieser Pflicht kann die zuständige Behörde nach§ 17 I, IVa BimSchG während eines Zeitraums von zehn Jahren nach Einstellung des gesamten Betriebes durch nachträgliche Anordnungen gegenüber dem früheren Betreiber228 sicherstellen. § S III BimSchG soll insbesondere gewährleisten, daß keine Gefährdungen oder Bodenverunreinigungen durch die auf dem Betriebsgrundstück lagemden Reststoffe eintreten. 229 Mögliche weitergehende Pflichten der Belreiber aufgrund anderer z.B. abfall- oder wasserrechtlicher-Vorschriftenbleiben unberührt.230 Erweisen sich Reststoffvermeidung und -verwertuog als technisch unmöglich oder unzumutbar, sind die Reststoffe als Abfälle ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit zu beseitigen(§ 5 I Nr. 3 BimSchG). Werden sie dann auf dem Gelände des Betriebes zwischengelagert, bedarf die Lagerstätte als Abfallentsorgungsanlage der Genehmigung nach § 7 AbfG. 231 Abzugrenzen ist hier vom bloßen Bereitstellen der Abfälle für die spätere Abfubr.232 Die Überwachung der Beseitigung der Reststoffe als Abfall, auch hinsichtlich der Einhaltung der abfallrechtlichen Vorschriften, obliegt der zuständigen Immissionsschutzbehörde. 233 Für nicht genehmigungsbedarftige Anlagen ist keine Reststoffvermeiduogs- und -verwertuogspflicht normiert. Nach dem in § 1 BimSchG festgelegten Gesetzeszweck dient das Gesetz auch nur dem Schutz vor Gefahren ausschließlich hierunter sind Bodenverunreinigungen durch direkten Eintrag von Schadstoffen subsumierbar234 -, soweit sie von genehmigungsbedaiftigen Anlagen ausgehen. Nach § 22 I Nr. 3 BlmSchG sind diese Anlagen aber so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. § 22 I Nr. 3 BimSchG verweist damit auf die abfallrechtlichen Spezialvorschriften. 235 Die zuständige Immissionsschutzbehörde 228 Siehe dazu Sellner, NVwZ 1991, 305 (309). 229 Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BlmSchG, BT-Drucksache, 1114909, s. 15. 230 Regierungsentwurf, ebenda. 231 S.o. 4.2.1.1.5. 232 Siehe dazu insgesamt oben 4.2.1.1.5. 233 Kutscheidt, NVwZ 1986, 622 (624); vgl. auch Sellner, Immissionsschutzrecht, S. 67. 234 Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der Legaldefinition des § 3 I BlmSchG nur Immissionen!

235 Jarass, § 22 BlmSchG, Rdn. 9.

116

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

kann zur Durchsetzung dieser Pflicht Anordnungen nach § 24 BlmSchG treffen.

4.2.1.2.3. Lagerung von Stoffen, diejardie Produktion benötigt werden oder Endprodukt sind Die Lagerung bodengefährdender Stoffe, die Einsatzstoff in der Produktion sind bzw. selbst deren Endprodukt darstellen, ist Teil des Betriebes einer Anlage.236 Gemäß § 5 I Nr. 1 BlmSchG trifft den Belreiber einer genehmigungsbedaiftigen Anlage die Pflicht, diese so zu errichten und zu betreiben, daß schildliehe Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beliistigungen jar die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. 237 Zu den schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren zählen auch Verunreinigungen des Bodens.23 8 Daß es zur Manifestation solcher Gefahren und Umwelteinwirkungen nicht kommt, ist schon bei der Genehmigung dieser Anlagen zu beachten. 239 Nachträgliche Anordnungen zur Gefahrenabwehr können aufgrund von § 17 BimSchG ergehen. 240 Aus § 5 III Nr. 1 BimSchG folgt für den Betreibernach Einstellung des Betriebes die Abs. I Nr. 1 entsprechende Pflicht, sicherzustellen, daß von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können. Hierdurch sollen insbesondere Gefährdungen durch die auf dem Betriebsgrundstück lagemden Erzeugnisse oder Einsatzstoffe oder durch Bodenverunreinigungen verhindert werden. 241 Die zuständige Behörde kann diese Pflicht mittels nachträglicher Anordnungen nach § 17 I BimSchG während eines Zeitraums von zehn Jahren nach der Einstellung des Betriebes durchsetzen 236 Vgl. Ku18cheidt, NVwZ 1986, 622 (623) für die Reststoffiagerung; vgl. auch Pütz/Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 37; s.o. 4.2.1.2.2. 237 Siehe auch die Regelung des§ 3 V 17.BimSchV (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe vom 23.11.1990, BGBI. I, S. 2545) über emissionsbezogene Anforderungen an Anlieferung und Zwischenlagerung der Einsatzstoffe. 238 Feldbaus,§ 5 BlmSchG, Anm. 6 i.V.m. § 4 BlmSchG, Anm. 10; s.o. 4.2.1 .2.2. 239 Siehe dazu oben 4.2.1.2.2. 240 Siehe dazu- insbesondere zu ihrem Umfang- oben 4.2.1.2.2. 241 Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BlmSchG, BT-Drucksache ll/4909, s. 15.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

117

(§ 17 IVa BimSchG). Weitergehende Pflichten aufgrund anderer - z.B. abfall- oder wasserrechtlicher-Vorschriftenbleiben unberührt.242 Zu beachten ist insbesondere, daß § 5 I Nr. 1 BimSchG die von der Anlage ausgehenden Umweltgetihrdungen steuert, die Vorschrift ist also (anders als § 5 I Nr. 3 BimSchG) anlagenbezogen, d.h. ihr Geltungsbereich ist auf die mit dem Betrieb der Anlage zusammenhängende Lagerung von Stoffen etc. beschränkt. 243 Diesen Zusammenhang verlieren die Stoffe, wenn sie den Bereich der Anlage verlassen. 244 Die immissionsschutzrechtliche Überwachung der Lagerung solcher Stoffe endet also vor den Toren der Betriebsstätte. 245 Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen existiert keine dem§ 5 I Nr. 1 BimSchG entsprechende Pflicht. Es gilt das gleiche, was bereits oben246 zur Reststofflagerung in nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gesagt wurde: Der Schutz vor dem Austreten von Stoffen, die den Boden ohne Umweg über die Luft verunreinigen, ist nur für genehmigungsbedürftige Anlagen Gesetzeszweck. § 22 I Nr. 1 BimSchG normiert dementsprechend nur die Pflicht, diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der Definition des § 3 I BimSchG aber nur Immissionen, d.h. physische Einwirkungen durch unwägbare Stoffe i.S.d. § 906 BGB247.

4. 2.1. 2. 4. Bestimmung der Gefahrenschwelle bei dem Eintrag von Schadstoffen in den Boden

§ 6 BimSchG macht die Erteilung einer Anlagengenehmigung von der Sicherstellung der Erfüllung der Grundpflichten aus § 5 BimSchG abhängig. Als Einwirkungsobjekt von Immissionen, und damit von schädlichen Umwelteinwirkungen, sowie sonstigen Gefahren, also etwa Verunreinigungen durch direkten Eintrag248, ist der Boden und sein Schutz für die Genehmigung einer Anlage von unmittelbarer Relevanz. Schädliche 242 Regierungsentwurf, ebenda. 243 Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (623); siehe auch Tettinger, GewArch 1988, 41 (43); Fluck, NuR 1989, 409 (412). 244 Tettinger, ebenda; Kutacheidt, ebenda.

245 246 247 248

Tettinger, ebenda; eingehend dazu oben 4.2.1.2.2.

4.2.1.2.2.

Schmatz/Nöthlichs, § 3 BlmSchG, Anm. S.o.

4.2.1.2.2.

2.

118

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Umwelteinwirkungen sind nach § 3 I BimSchG nur die Immissionen, welche Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet sind. Die Geeignetheit, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen hervorrufen zu können, müssen auch die sonstigen Gefahrenquellen besitzen. 249 Wann eine Bodenverunreinigung eine schädliche Umwelteinwirkung oder sonstige Gefahr eine Gefahr, d.h. die objektive Wahrscheinlichkeit eines Schadens250 hervorrufen kann, hängt wesentlich von der Beantwortung der Frage ab, wie stark die Versehrnutzung des Bodens für die Annahme eines Schadens sein muß. Als Schaden ist jede erhebliche Beeinträchtigung, vor allem jede fortdauernde Funktionsstörung eines Rechtsgutes anzusehen.251 Für die Erheblichkeit ist das Interesse eines repräsentativen verständigen Bürgers an einem vor Umweltgefahren geschützten Lebensraum maßgebend. 252 Im Hinblick auf Verunreinigungen, d.h. Beeinträchtigungen des Bodens durch Schadstoffeinträge, sind die weitgehende Irreversibilität der Beeinträchtigungen und die Akkumulation von Schadstoffen zu berücksichtigen, die tendenziell auf die Erheblichkeit hindeuten. 253 Als Schaden wird danach zumindest die schadstoffbedingte Störung der Funktionsfähigkeit des Bodens angesehen, durch die eine bisherige Nutzung langfristig ausgeschlossen wird. 254 Erfaßt werden nicht nur Funktionsstörungen, die zur Folge haben, daß angebaute Pflanzen überhaupt nicht mehr wachsen, sondern auch Schadstoffbelastungen, die die Iebensmittel- oder futtermittelrechtliche Verkehrsunfähigkeit der Anbauprodukte nach sich ziehen. 255 Es ist ferner unerheblich, daß die Pflanzen möglicherweise besonders schadstoffempfmdlich sind und andere und weniger empfindliche Nutzungen denkbar sind oder ob potentielle Nutzungen durch die Bodenbeeinträchtigung ausgeschlossen werden und deshalb deren Erheblichkeit zu bejahen ist. 256 249 Jarass, § 5 BlmSchG, Rdn. 18, vgl. auch OVG Milnster, Urt. vom 10.11.1988, NVwZRR 1989, 638 (639). 250 Regierungsentwurf eines Bundes-Immissionsschutzgesetzes, BT-Drucksache 7/179, s. 29. 251 Jarass, § 3 BlmSchG, Rdn. 15. 252 Feldbaus,§ 3 BlmSchG, Arun. 10. 253 Lilbbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (182); Feldbaus, Arun. 7 a.E. für die Speicherung von Schadstoffen in Nutztieren und -pflanzen.

254 I.ilbbe-Wolff, ebenda; Peine, in: UTR 3, S. 231; Schlabach, VBIBW 1989, 281 (282).

255 I.ilbbe-Wolff, ebenda. 256 I.ilbbe-Wolff, 183.

4.2. Schutz des Bodene vor direktem Schadstoffeintrag

119

Vor Inkrafttreten des dritten Änderungsgesetzes zum Bundesimmissionsschutzgesetz257 bestand nach der den Boden als wesentlichen Grundstücksbestandteil über den Begriff "andere Sachen" unmittelbar vom Schutzzweck des Gesetzes erfaßt ansehenden Auffassung258 das Problem, wann die Erheblichkeit von Bodenbeeinträchtigungen hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten anzunehmen war, die allgemein oder für das betroffene Grundstück unüblich sind. Insbesondere war, wie Lübbe-Wolff2S9 dargelegt hat, problematisch, welches Gewicht der von Rentabilitäts- und Üblichkeitsgesichtspunkten unabhängigen freien Nutzungswahl des Eigentümers und seinem Interesse an der ökologischen Integrität seines Grundstücks zukam. Sie gelangte zu dem Ergebnis, daß es dem Erheblichkeitskriterium am ehesten entspräche, dieses Interesse nicht per se, sondern nur nach Maßgabe eines objektivierten Urteils über das Gewicht der auf dem Spiel stehenden ökologischen Belange für erheblich zu halten. 260 Durch die Novellierung wird nun ausdrücklich klargestellt, daß der Boden selbst Schutzgut des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist, also nicht nur als Bestandteil von Grundstücken Schutz als Eigentumsobjekt über den Begriff der "anderen Sachen" nach der alten Fassung des Gesetzes genießt. Der Schutz des Bodens ist damit unabhängig von einem, wenn auch objektivierten, Werturteil über Eigentümerinteressen, so daß sich das von Lübbe-Wolff aufgedeckte Problem so nicht mehr stellt. Nach dem Gesetzeszweck ist es nun eindeutig, daß die ökologische Integrität des Bodens geschützt wird. Als Schaden i.S.d. Bundesimmissionsschutzgesetzes ist dementsprechend nach dem herrschenden Bodenfunktionsschutzverständnis, über Nutzungsausfiille hinaus, jede Störung der natürlichen Funktionen des Bodens26l anzusehen. Geblieben ist allerdings angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Bodentypen und der in unterschiedlicher Menge auf sie einwirkenden vielfältigen Schadstoffe das schier unüberwindliche tatsächliche Problem, vorherzusagen, wann im Einzelfall diese abstrakt vorgegebene Schadensschwelle erreicht sein wird262.

257 258 259 260 261 262

BGBI. I

1990, S. 870.

S.o. 4.2.1.2.1. NVwZ 1986, 178 (183). Lübbe-Wolff, 184. S.o. 1.2.1. S.o. 1.2.2.1.

120

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen 4.2.1.3. Regelung durch das Wasserhaushaltsgesetz263 4. 2.1. 3.1. Boden als Schutzgut des Wasserhaushaltsgesetzes

§ 1 a WHG normiert als Grundsatz des Gesetzes, daß Gewtisser als Bestandteil des Naturhaushalts so zu bewirtschaften sind, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen einzelner dienen und dasjede vermeidbare BeeintriJchtigung unterbleibt. Bewirtschaftung bedeutet nicht nur die haushälterische Zuteilung vorhandener Ressourcen und die Verteilung von Nutzungsrechten, sondern auch und gerade die planende Vorsorge für einen auf Dauer geordneten Wasserhaushalt.264 Der Wasserhaushalt ist so zu ordnen, daß Wasser stets in geeigneter Güte in der benötigten Menge und am richtigen Ort für die jeweiligen Bedürfnisse zur Verfügung steht.265 I.R.d. Bewirtschaftung sind die Gewässer nicht isoliert zu betrachten, sondern auch in ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt zu würdigen. Insbesondere sind dabei auch die beiden anderen Umweltmedien Luft und Boden einzubeziehen. 266 Das ergibt sich schon daraus, daß Schadstoffe über den Eintragsweg Luft - Boden schließlich auch das Grundwasser erreichen können. Schutzgut des Wasserhaushaltsgesetzes sind jedoch ausschließlich die Gewässer.267 Der Boden wird daneben nicht als Schutzgut erwähnt, er wird auch nicht etwa über das Wohl der Allgemeinheit, dem die Bewirtschaftung der Gewässer zu dienen hat, mediatisiert. Das Wasserhaushaltsgesetz schützt aber, vor allem über den Grundwasserschutz, den Boden gleichsam mit. Es ist deshalb dem mittelbaren Bodenschutz zuzuordnen. 268 Gerade der Schutz des Grundwassers vor Schadstoffkontamination ist ohne den Schutz des Bodens undenkbar. Trotz der nur mittelbaren Erfassung des Bodenschutzes durch das Wasserhaushaltsgesetz, spielen seine Vorschriften daher für den Schutz des Bodens vor Schadstoffverunreinigung eine große Rolle. Die Belastungskapazität des Grundwassers läßt sich wegen dessen fehlender Selbstreinigungskraft erst aus der Verbindung von Bodenschutz und Grundwasserschutz bestimmen: Es kommt auf das Filter- und Pufferver263 Gesetz zur Ordnung des Wa~&erhaushalta i.d.F. d. Bek:. vom 23. 9.1986, BGBI. I, S. 1529, ber. S. 1654, geänd. durch Art. 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichk:eitsprüfung vom 12. 2.1990, BGBI. I, S. 205. 264 Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rdn. 40. 265 Vgl. nur S/Z/D, § 1a WHG, Rdn. 4. 266 S/Z/D, Rdn. 4a. 267 S/Z/D, ebenda. 268 Storm, AgrarR 1983, 233 (235); ders., DVBI. 1985, 317 (320); Bodenschutzk:onzeption, BT-Druck:sache 10/2977, S. 51; Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (149); Smollich, JA 1988, 592 (601); Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 22; unklar insoweit Book:, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 147.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

121

mögen der belebten Bodenzone und der Deckschichten an. 269 Grundwasserschutzrecht stellt sich deshalb praktisch als Bodenschutzrecht dar.270

4. 2.J. 3. 2. Begriff des Grundwassers Im Hinblick auf den Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag durch das Wasserhaushaltsgesetz spielt der Grundwasserschutz durch das Gesetz die entscheidende Rolle. Gemäß § 1 I Nr. 2 WHG ist das Grundwasser neben den oberirdischen Gewässern (Nr. 1) und den Küstengewässern (Nr. 1a) ein Gewässer i.S.d. Gesetzes. Der Begriff "Grundwasser" ist extensiv auszulegen und erfaßt das gesamte unterirdische Wasser, unabhängig davon, in welcher Tiefe es sich befindet, ob es fließt oder sich gespannt in Höhlen befindet271, soweit es nicht in Rohren, Leitungen oder auf ähnliche Weise künstlich gefaßt ist272 . Die Herkunft des Grundwassers spielt keine Rolle, so daß darunter auch das unter die Erdoberfläche gesickerte aber noch nicht bis zum Grundwasser vorgedrungene Bodenwasser fällt. 273

4.2.J.3.3. Jedennannpjlicht nach §Ja II WHG Nach §Ja II WHG ist jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder sonstige nachteilige Veränderungen seiner Eigenschaften zu verhüten. Der Begriff "Maßnahmen • wurde bewußt gewählt, um den Anwendungsbereich der Vorschrift möglichst weit zu ziehen.274 Darunter fallen auch Lager- und Ablagervorgänge sowie insgesamt zweckgerichtete Verhaltensweisen mit denen Verunreinigungen eines Gewässers verbunden sein können,

269 270 271 272 273 274

Salzwedel, in: HdUR I, Sp. 717. Salzwedel, ebenda.

BVerwG, Urt. vom 7. 6.1967, DVBI. Brcuer, Wasserrccht, S. 47. S/Z/D, § I WHG, Rdn. 12. S/ZID, § Ia WHG, Rdn. 10.

1968, 32 (33).

122

4. Rechtliche Regeluqen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

z.B. die Beförderung wassergefährdender Stoffe insbesondere mit Tankfahrzeugen, die Verwendung von Auftaumitteln bei der Straßenunterbaltung.275 Eine Verlinderung der Wassereigenschaften ist bei einer Änderung der physikalischen, chemischen oder biologiseben Beschaffenheit gegeben. 276

Nachteilig ist die Veränderung, wenn der Verbrauchswert des Wassers für Menschen, Tiere oder Pflanzen herabgesetzt wird. 277 Es reicht die minimalste Verschlechterung aus. 278 Verunreinigung ist als Unterfall der nachteiligen Veränderung zu verstehen.279 Verunreinigt ist Wasser, wenn es äußerlich merkbar unnatürlich verändert ist.280 Daraus, daß die Verunreinigung einen Unterfall der nachteiligen Veränderung bildet, ist zu entnehmen, daß auch die Verunreinigung für das Wasser nachteilig sein muß.281 Ein Schaden bzw. eine Nutzungsbeeinträchtigung braucht nicht einzutreten. 282 Für die nach den Umstanden anzuwendende erforderliche Sorgfalt kommt es auf das im konkreten Fall objektiv Gebotene an, also nicht auf die übliche Sorgfalt. 283 Die Vorschrift dient der Verhütung von Verunreinigungen und nachteiligen Veränderungen. Mit Verhütung ist nicht nur die Vermeidung der (erstmaligen) Beeinträchtigung des Wassers gemeint, sondern auch das Unterbinden einer andernfalls andauernden und damit darüber hinausgebenden Beeinträchtigung. 284 Im Fall einer durch eine Maßnahme bereits eingetretenen Wasserverunreinigung und der Besorgnis weiterer Verunreinigungen durch diese Maßnahme normiert § la n WHG deshalb die Pflicht diese weiteren Beeinträchtigungen zu verhindem (bei einem Tankwagenunfall etwa Umfüllen des Tankinhalts, Ausbaggern und Fortschaffen verseuchten Erdreichs, um weiteres Eindringen in den Boden zu verhindern). 285 Die Wiederherstellung des früheren Zustands kann nicht angeordnet werden. 286 Rechtsgrundlage für 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286

G/W/C, § la WHG, Rdn. 15; S/ZID, Rdn. 16 f. HDW C, § 1a WHG, Rdn. 10; S/ZID, § 24 WHG, Rdn. 10. OVG Münster, Urt. vom 26. 3.1963, ZfW 1963, 375 (377); HDW C, ebenda. S/ZID, § 24 WHG, Rdn. 10. BVerwG, Urt. vom 16. 7.1965, ZfW 1965, 113. G/W/C, § 26 WHG, Rdn. 25; SIZID, § 26 WHG, Rdn. 14. G/W/C, ebenda. S/Z/D, § 26 WHG, Rdn. 14. G/W/C, § 1a WHG, Rdn. 17. S/ZID, § 1a WHG, Rdn. 21. S/ZID, ebenda; siehe dazu auch unten 4.2.6.7.6. G/W/C, § 1a WHG, Rdn. 13; S/ZID, ebenda.

4.2. Schutz dea Bode1111 vor direktem Schldstoffeintrag

123

derartige Verfügungen ist§ la li WHG i.V.m. der Befugnisnorm des jeweiligen Landeswassergesetzes287. Zu beachten ist, daß § la WHG durch die nachfolgenden Regelungen konkretisiert wird. 4. 2.1. 3. 4. Erlaubnispflicht ftJr Gewllsserbenutzungen

Gemäß § 2 I WHG bedarf jede Benutzung der Gewässer einer behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung, soweit sich nicht aus dem Gesetz selbst oder den landesrechtliehen Bestimmungen etwas anderes ergibt. Die Voraussetzung eines behördlichen Genehmigungsaktes für Gewässerbenutzungen bedeutet ein repressives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt288. Das ergibt sich zum einen aus§ 2 II WHG, der klarstellt, daß die Gewässerbenutzungen dem Grundeigentum entzogen sind und zum anderen aus den §§ 3, 6 WHG. Gewässerbenutzungen sind grundsätzlich untersagt und nur im Einzelfallaufgrund einer Erlaubnis oder Bewilligung zulässig. 4.2.1.3.4.1. (Ab-)Lagerung schiidlicher Stoffe als "echte" Benutzung des Grundwassers gemllß § 3 I WHG

Der Begriff der Benutzung i.S.d. § 3 WHG erfaßt nur die unmittelbare und zweckbestimmte Einwirkung auf ein Gewässer.289 Voraussetzung ist also immer ein zweckgerichtetes Verhalten, das auch in einem Unterlassen liegen kann. Mit dem Untätigbleiben muß planvoll darauf abgezielt werden, den Benutzungstatbestand zu verwirklichen. 290 Von den sog. "echten" Benutzungen, die in § 3 I WHG aufgeführt sind, kommt für den hier interessierenden Problembereich nur Abs. I Nr. 5 in Betracht. Erlaubnispflichtige bzw. bewilligungspflichtige Benutzung eines Gewässers ist danach auch das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser. Einleiten von Stoffen ist das Zuführen jeder flüssigen, schlammigen oder gasförmigen Materie291, das wenigstens objektiv darauf gerichtet ist, daß die 287 Zu11mmenstellung bei Breuer, Wa118Crrecht, S. 350 f.; in Nds. verweist § 169 NWG auf das allg. Polizei- und Ordnungsrecht.

288 Siehe dazu oben 3.2.4.1.2. 289 S/ZfD, § 3 WHG, Rdn. 3; vgl. auch HDW C, Rdn. 2. BVerwG, Urt. vom

§

3 WHG, Rdn. 2; G/W/C, § 3 WHG,

290 16.11.1973, DVBI. 1974, 297 (298 f.). 291 G/W/C, § 3 WHG, Rdn. 47.

124

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

in den Boden verbrachten Stoffe in das Grundwasser gelangen. 292 Auf eine Schädlichkeit des eingeleiteten Stoffes kommt es nicht an. 293 Das Einbringen fester Stoffe wird von Nr. 5 nicht erfaßt.

In das Grundwasser wird auch dann eingeleitet, wenn bei den örtlichen Bodenverhältnissen mit dem Eindringen des Stoffes über den Boden in das Grundwasser zu rechnen ist294: Das zielgerichtete Verregnen und Versickernlassen etwa von Betriebsabwasser ist in diesen Fällen ein Einleiten nach Nr. 5. Auch die Verrieselung und Versickerung des in einer Kleinkläranlage (vor-)gereinigten Abwassers fällt unter Nr. 5.29S § 3 I Nr. 5 WHG gilt grundsätzlich nicht für die Anlage von Halden und Kippen, aus denen Sickerwasser in den Boden und das Grundwasser gelangt; es fehlt hier am zweckgerichteten Verhalten, es sei denn es werden Siekerschächte oder Drainagen angelegt, um das Sickerwasser dem Grundwasser zuzuführen. 296

Festzuhalten ist, daß die (Ab-)Lagerung von schädlichen Stoffen, da sie nicht wenigstens objektiv darauf gerichtet sein wird, das Stoffe in das Grundwasser gelangen, von § 3 I Nr. 5 WHG nicht erfaßt wird. Die bloße Verursachung einer Einschwemmung in das Grundwasser genügt nicht. Sie muß vielmehr auch zu diesem Zweck erfolgen. Ist das Merkmal des Einleitens nicht gegeben, unterfallen abgelagerte Stoffe, soweit sie den Abfallbegriff erfüllen297, dem Abfallgesetz (vgl. § 1 Abs. III Nr. 5 AbfG).

4.2.1.3.4.2. (Ab-)Lagerung schlldlicher Stoffe als "unechte" Benutzung des Grundwassers gemiJß § 3 II Nr. 2 WHG Den Benutzungen nach Abs. I gleichgestellt sind nach § 3 li Nr. 2 WHG auch Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen. Die von § 3 li WHG erfaßten Maßnahmen müssen wie die "echten" Benutzungen zweckgerichtet sein, die Zielrichtung auf eine Gewässernutzung ist

292 OVG Münster, Urt. vom 28.10.1988, ZfW 1989, 226 (227 f.); G/W/C, Rdn. 46. 293 VGH Bad.-Württ., Urt. vom 7. 3.1980, ZfW 1981, 29 (31 f.) 294 OVG Lüneburg, Urt. vom 21.10.1971, ZfW-5onderheft ll Nr. 8, 43. 29S BVerwG, Urt. vom 6. 7.1984, RdL 1985, 26. 296 Scheier, ZfW 1981, 142 (144); G/W/C, § 3 WHG, Rdn. 48; S/Z/0, § 3 WHG, Rdn. l9a. 297 S.o. 4.2.1.1.4.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

125

aber anders als bei Abs. I nicht erforderlich. 298 Sickert bei einem Tankwagenunfall Öl in den Boden, so liegt deshalb mangels Zweckgerichtetheit eine Benutzung auch nach Abs. II Nr. 2 nicht vor.299 Durch den Begriff "schädliche Veränderungen" werden jegliche Beeinträchtigungen der Wassergüte erfaßt.300 Sie sind dauernd, wenn sie sich auf unübersehbare Zeit erstrecken.301 Ob sie nicht nur unerheblich sind, kann nur im konkreten Fall ermittelt werden, da es hierbei auch auf die Beschaffenheit des Gewässers ankommt. 302 Für die "Geeignetheit" kommt es auf die nicht nur ganz entfernte Möglichkeit einer schädlichen Veränderung an.303 Maßnahme i.S.d. § 3 II Nr. 2 WHG ist z.B. wegen der Sickerwassergefahr, die (Ab-)Lagerung boden-und wassergefährdender Stoffe.304 Für die Erlaubnis zu einer solchen Benutzung müssen die Voraussetzungen des § 34 II 1 WHG erfüllt sein, etwa für das Lagern von Kunstdünger auf dem Feld oder von Streusalz am StraßenrandlOS. Erfolgt die Lagerung in besonderen Anlagen, gelten die speziellen Regelungen in§§ 19g- 191 WHG.

4.2.1.3.5. Pflicht zur Reinhaltung des Grundwassers nach§ 34 WHG Maßstab für das Erlaubnisverfahren im Fall einer "echten" Benutzung des Grundwassers durch die Einleitung von Stoffen ist§ 34 I WHG. Geht es um erlaubnispflichtige Tatbestände i.S.d. § 3 II Nr. 2 WHG, die sich als Lagerung oder Ablagerung von Stoffen darstellen, ergibt sich der Maßstab aus § 34 II 1 WHG. Die Erlaubnis für das Einleiten306 von Stoffen ist nach der strengen Vorschrift des § 34 I WHG schon dann zu versagen, wenn schädliche Verunreinigungen oder sonstige nachteilige Veränderungen307 zu besorgen sind. Diese Besorgnis ist bereits dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines entsprechenden Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden 298 299 300 301 302 303 304

Breuer, Wasserrecht, S. 94; S/ZID, § 3 WHG, Rdn. 25. G/W/C, § 3 WHG, Rdn. 70. S/Z/D, § 3 WHG, Rdn. 29. G/W/C, § 3 WHG, Rdn. 69. S/Z/D, § 3 WHG, Rdn. 29. Breuer, Wasserrecht, S. 95. Vgl. Schink, DVBI. 1986, 161 (163), Breuer, S. 96; SIZID, § 3 WHG, Rdn. 29; GIWIC, § 3 WHG, Rdn. 73; HDW C, § 3 WHG, Rdn. 15. 305 Breuer, S. 97. 306 Zum Begriff oben 4.2.1.3.4.1. 307 Zu beiden Begriffen s.o. 4.2.1.3 .3.

126

4. Rechtliebe Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Prognose nicht von der Hand zu weisen ist.308 Wenn auf der Grundlage des § 34 WHG zu entscheiden ist, ist von einer konkreten Betrachtungsweise auszugehen.309 Maßgeblich ist das Urteil der für die Wasserwirtschaft Verantwortlichen. 310 Für die Lagerung und Ablagerung von Stoffen gilt nach Abs. II 1 der gleiche strikte Maßstab wie nach Abs. I. Eine Besorgnis für die Reinhaltung des Grundwassers kann sich aus der Örtlichkeit der (Ab-)Lagerung, aus der Art der (ab-)gelagerten Stoffe und aus der Art und Weise der (Ab-)Lagerung ergeben.311 Der Stoffbegriff des Abs. II 1 umfaßt auch feste Stoffe.312 Zu beachten ist, daß Abs. II 1 nicht die Lagerung in Anlagen einschließt, die in den §§ 19g - 191 WHG eine spezielle Regelung erfahren hat. Für die Abfall(ab-)lagerung gilt§ 4 I AbfG. Mangels Zweckgerichtetheit fallen Unfälle bei denen grundwassergefährdende Stoffe in den Boden eindringen nicht unter Abs. II t.313 Als Ablagerung ist aber z.B. das Liegenlassen der Bleikugeln aus abgeschossenen Schrotpatronen auf Tontaubenschießanlagen anzusehen.314 Lagerung i.S.d § 34 II 1 WHG ist z.B. bei am Straßenrand liegendem Streusalz oder bei losem Kunstdünger auf Feldern gegeben.315 Pflichtiger i.S.d. § 34 II 1 WHG ist jedermann. Wer entgegen Abs. li 1 Stoffe (ab-)lagert, ohne geeignete Vorkehrungen zu treffen, die die genannten Beeinträchtigungen des Grundwassers verhindem können, kann mit ordnungsrechtlichen Mitteln dazu gezwungen werden. Ermächtigungsgrundlage für Ordnungsverfügungen ist § 34 II 1 WHG i.V.m. der Befugnisnorm des

308 BVerwG, Urt. vom 12. 9.1980, DÖV 1981, 104. 309 BVerwG, ebenda. 310 OVG Hamburg, Urt. vom 27. 4.1983, ZfW 1984, 368 (372); G/W/C, § 26 WHG, Rdn. 28 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, NJW 1986, 2524. 311 SIZID, § 34 WHG, Rdn. 18. 312 S/Z/D, Rdn. 14. 313 BVerwG, Urt. vom 16.11.1973, ZfW 1974, 296 (298); G/W/C, § 34 WHG, Rdn. 15; Götz, POR, Rdn. 335; SIZID, Rdn. 26a; Stortz, ZfW 1974, 302 (303); a.A.: Schink, DVBI. 1986, 161 (164); Striewe, ZfW 1986, 273 (271), die darauf hinweisen, daß in diesen Fillen daM ein Ablagern, und zwar durch Unterlassen vorliegen könne, weM etwa i.F.d. Tankwagenunfall1 der Halter nichb unternehme, um die Gefahr für das Grundwasser zu beseitigen; 10 auch ~~ehon Stortz, 305. 314 G/W/C, ebenda; zum Ausmaß der Bodenbelastungen aufSportiiChießplätzen siehe BMU, Umwell1990, 123 f. 315 G/W/C, Vorb. zu §§ 19g - 191 WHG, Rdn. 4.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

127

jeweiligen Landeswassergesetzes316. Wer Adressat der Verfügung ist, bestimmt sich nach den polizeirechtlichen Reaeln. Mit der Verfügung können dem (Ab-)Lagernden z.B. eine bestimmte Art und Weise der Lagerung oder bestimmte Vorsorgemaßnahmen aufgegeben werden. 317 Zu beachten ist der Vorsorgecharakter der Vorschrift, die sich als Konkretisierung des § 1a II WHG darstellt.318 Bei den im Wege der Ordnungsverfügung aufgegebenen Maßnahmen darf es sich danach nur um solche handeln, die Gefahren verhindern. Die Wiederherstellung des früheren Zustandes kann daher nicht angeordnet werden.319 Soweit aber von verseuchtem Boden weitere Gefahren ausgehen (durch die Ausweitung der Verunreinigung), kann z.B. die Auskofferung des kontaminierten Erdreichs verfügt werden. 320 Sind Vorkehrungen .zur Verhütung von Beeinträchtigungen i.S.d. Abs. II 1 nicht möglich, muß die (Ab-)Lagerung unterbleiben. 321 Die .zuständige Behörde kann sie untersagen.

4.2.1.3.6. Die Lagerung schlidlicher Stoffe nach§§ 19gff. WHG Spezielle Anforderungen für Anlagen .zur Lagerung und den sonstigen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen enthalten die §§ 19g - 191 WHG, die die §§ 26 II, 32b, 34 II WHG verdrängen. 322 Werden bei der Lagerung die §§ 19g - 191 WHG beachtet, kommt auch die Vorschrift des § 3 II Nr. 2 WHG über die Runechten RBenut.zungen nicht in Betracht. 323 Bei den §§ 19g - 191 WHG handelt es sich lediglich um Rahmenregelungen, die den Ländern Raum .zur weiteren Ausfüllung belassen, ihnen speziell die Möglichkeit strengerer Regelungen geben. 324 Solche landesrechtliehen Ausfüllungsregelungen finden sich teilweise in den Landeswassergesetzen325,

316 Zusammenstellung bei Breuer, Wasserrecht, S. 350 f.; in Nds. verweist§ 169 NWG auf das allg. Polizei- und Ordnungsrecht. 317 Striewe, ZfW 1986, 273 (275). 318 GIW/C, § 1a WHG, Rdn. 13. 319 S.o. 4.2.1.3.3. a.E.; Striewe, ZfW 1986, 273 (280). 320 Schinlc, DVBI. 1986, 161 (165). 321 S/Z/D, § 34 WHG, Rdn. 26. 322 Breuer, Wasserrecht, S. 331; GIW/C, Vorb. zu §§ 19g - 191 WHG, Rdn. 4; S/Z/D, § 19g WHG, Rdn. 13; Salzwedel, in: HdUR 1, Sp. 721; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. vom 6. 5. 1987, ZfW 1988, 278 (280). 323 GIW/C, ebenda; Salzwedel, ebenda. 324 Salzwedel, Sp. 722; ebenso: VGH Bad.-Württ., Urt. vom 6. 5.1987, ZfW 1988, 278 (280); Breuer, Wasserrecht, S. 329 f.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

in erster Linie jedoch in den Verordnungen über Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (Anlagenverordnungen VAwS)326, die auf einem Musterentwurf der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAW A) beruhen. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß dieser Verordnungen ist in den Landeswassergesetzen normiert.327 Die VAwS haben nach dem 1. 1.1987328 insoweit ihre Geltung verloren, als sie dem Bundesrecht widersprechen (Art. 31 GG). Nach§ 19g I 1 WHG müssen Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und im Bereich öffentlicher Einrichtungen so beschaffen sein und so eingebaut, aufgestellt, unterhalten und betrieben werden, daß eine Verunreinigung der Gewässer oder eine sonstige nachteilige Veränderung ihrer Eigenschaften nicht zu besorgen329 ist. Die §§ 19g - 191 WHG erfassen nur Anlagen zur Lagerung, nicht solche zur Ablagerung. Solche Anlagen können aber nach dem Abfallrecht zulassungsbedürftige Abfallentsorgungsanlagen sein. 330 Die wasserrechtlichen Anlagen erfassen also nur das Aufbewahren zur späteren (Wieder-) Verwendung. Werden wassergefährdende Stoffe bspw. in verrotteten Tanks endgültig abgelagert, wird dies nicht von den §§ 19g - 191 WHG erfaßt.331 Hier gilt zum Schutz des Grundwassers weiter§ 34 II 1 WHG332, der i.R.d. § 2 AbfG zu berücksichtigen ist. Der Anlagenbegriff ist weit gefaßt. Darunter ist jede zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen bestimmte ortsfeste oder ortsbewegliche, aber ortsfest benutzte Einrichtung zu verstehen, z.B. auch Lagerhallen, Behälter (Tanks, Container usw.), für eine gewisse Dauer abgestellte Tankfahrzeuge etc. 333 Erfaßt wird jeweils die gesamte technische Funktionseinheit und damit auch Anlagenteile, die zur Erfüllung der entsprechenden Funktion vorhanden sind, also bspw. Rohrleitungen, die der Betüllung eines Lagerbehälters dienen. 334 325 Z.B. § 161 - 167 NWG. 326 So der Titel der Nds. VAwS vom 17. 4. 1985, GVBI. S. 83. 327 In Niedersachsen: § 167 NWG. 328 Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Wassemaushaltsgesetzes vom 25. 7.1986, BGBI. I, S. 1165. 329 Zum Begriff der Besorgnis siehe bereits oben 4.2.1.3.5. 330 S.o. 4.2.1.1.7.1. 331 OVG Münster, Beschl. vom 8.11.1982, ZfW 1983, 180 (181). 332 G/W/C, Vorb. zu §§ 19g- 191 WHG, Rdn. 4. 333 G/W/C, § 19g WHG, Rdn. 2; siehe z.B. auch§ 2 Nds. VAwS. 334 S/Z/D, § 19g WHG, Rdn. 64 f.

4.2. Schutz des BodeDB vor direktem Schadstoffeintrag

129

Zu den Begriffen "Verunreinigung" und "nachteilige Veränderung" der Eigenschaften der Gewässer siehe bereits oben. 335 Was unter dem Begriff "im Bereich der gewerblichen Wirtschaft" zu verstehen ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Oiesekel Wiedemann/Czychowski336, Holtmeier337 und Roth338 verstehen hierunter die Gesamtheit der Betriebe gemäß § 1 GewO. Sieder/Zeitler/Dafune339 rechnen hierunter alle natürlichen und juristischen Personen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieben i.S.d. § 15 EStG haben. Einigkeit besteht darüber, daß die Landwirtschaft ausgeschlossen ist. 340 Offentliehe Einrichtungen sind solche in öffentlicher Rechtsträgerschaft, bspw. Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen, Einrichtungen der Daseinsvorsorge. 341 Nicht ganz so strengen Anforderungen wie Anlagen nach Abs. I unterliegen Anlagen nach Abs. II. Danach müssen u.a. Anlagen zum Lagern und Abfilllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften nur so beschaffen sein und so eingebaut, aüfgestellt, unterhalten und betrieben werden, daß der bestmögliche Schutz der Gewässer vor Verunreinigung oder sonstiger nachteiliger Veränderung ihrer Eigenschaften erreicht wird. 342 Für alle Anlagen nach Abs. I und II gilt gemäß Abs. III, daß sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen müssen. 343 § 19g IV WHG enthält eine Unberahrtheitsklausel für die landesrechtliehen Vorschriften über das Lagern wassergefährdender Stoffe in Wasserschutz-, Quellenschutz-, Überschwemmungs- oder Plangebieten. Wassergeftihrdende Stoffe sind nach der weiten Legaldefinition des § 19g V WHG feste, flüssige und gasförmige Stoffe, insbesondere die in Satz 1 beispielhaft aufgeführten, soweit sie geeignet sind, nachhaltig die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern.

335 4.2.1.3.3. 336 § 19g WHG, Rdn. 4.

337

Ztw 1988, 210 (216). 338 HDW C, § 19g WHG, Rdn. 8. 339 § 19g WHG, Rdn. 62e. 340 Vgl. dazu: Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drucksache

10/5727, s. 21.

341 S/Z/D, § 19g WHG, Rdn. 62e; G/W/C, § 19g WHG, Rdn. 4. 342 Siehe dazu G/W/C, Rdn. 9; SIZID, Rdn. 84; Anforderungen des Baurechts finden sich in den Landesbauordnungen und den dazugehörigen Durchfiihrungsvorschriften, z.B. in § 42 n, m NBauO. 343 Siehe dazu auch z.B. § 3 Nds. VAwS. 9 Heiermann

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodeßl vor Schadstoffen

Eine nähere Bestimmung und Einordnung der Stoffe entsprechend ihrer Gefährlichkeit erfolgt durch die Verwaltungsvorschriften nach Abs. V 2344. Gemäß § 19g VI 1 WHG gelten die §§ 19g - 191 WHG nicht für Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen von Abwasser und Stoffen, die hinsichtlich der Radioaktivität die Freigrenzen des Strahlenschutzrechts überschreiten. Nach § 19g VI 2 WHG finden § 19g I und die §§ 19h - 191 WHG auf Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften keine Anwendung. Für die Anlagen nach § 19g I und II WHG schreibt§ 19h WHG eine Eignungsfeststellung vor, soweit sie nicht einfacher oder herkömmlicher Art sind. Werden diese Anlagen, Anlagenteile und Schutzvorkehrungen serienmäßig hergestellt, kann eine Bauartzulassung erfolgen, die inhaltlich beschränkt, befristet und unter Auflagen erteilt werden kann. Bei der Erforderlichkeil baurechtlicher Prüfzeichen oder gewerberechtlicher Bauartzulassungen entfällt nach § 19h I 5 WHG die Eignungsfeststellung bzw. Bauartzulassung. Die Anforderungen der wasserrechtlichen Vorschriften sind aber zu berücksichtigen. Ausnahmen vom Eignungsfeststellungserfordernis regelt Abs. II. Die Details der Eignungsfeststellung und Bauartzulassung sind in den VAwS der Länder345 geregelt.346 Landesrechtlich ist auch eine Anzeigepflicht für Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen von wassergefährdenden Stoffen normiert. 347 Die Funktionsfähigkeit der Anlage wird durch verschiedene Belreiberpflichten garantiert. Prinzipiell hat der Belreiber nach § 19i I WHG mit dem Einbau und der Aufstellung sowie der Instandhaltung, -setzung und Reinigung Fachbetriebe i.S.d. § 191 WHG zu beauftragen. Nach § 19i li WHG hat der Belreiber die Sicherheitseinrichtungen selbst zu überwachen, die Anlagen sind durch zugelassene Sachverständige auf ihren ordnungsgemäßen Zustand hin zu überprüfen. Die zuständige Behörde kann den Abschluß eines Überwachungsvertrages mit einem Fachbetrieb nach § 191 WHG anordnen. Nach§ 19i lll WHG kann die zuständige Behörde dem Belreiber ferner Maßnahmen zur Beobachtung der Gewässer und des Bodens sowie die Bestellung eines Gewässerschutzbeauftragten (§§ 21a ff. WHG) aufgeben. 344 Katalog wassergefährdender Stoffe, Bek. d. BMI vom 1. 3. 1985, GMBI. S. 175, geänd. durch Belt. d. BMI vom 8. S. 1985, GMBI. S. 369 und dessen Erste Fortschreibung, Bek. d. BMU vom 26. 4.1987, GMBI. S. 294, her. S. 421, 551. 345 Z.B. §§ 6 ff. Nds. VAwS. 346 Siehe auch S/Z/D, § 19h WHG, Rdn. 3 ff.; G/W/C, § 19h WHG, Rdn. 1 ff.. 347 Z.B. § 167 I Nr. 1 NWG i.V.m. § 5 Nds. VAwS.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

131

Anlagenbelreiber i.S.d. § 19i WHG ist der für den Betrieb Verantwortliche, d.h. derjenige, der die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt hat, Nutzen aus der Anlage zieht und Anordnungsbefugnisse gegenüber Beschäftigten besitzt. 348 Besondere Pflichten beim BeftJllen und Entleeren von Anlagen zur Lagerung wassergefährdender Stoffe ergeben sich aus § 19k WHG. Ergänzende Regelungen zu den §§ 19i und 19k WHG enthalten die l..ändervorschriften.349

4.2.1.3. 7. tlberwachung Die staatliche Überwachung der Anlagen, Einrichtungen und Vorgänge nach dem Gesetz ist durch die Vorschriften des § 21 WHG geregelt, der durch die Landeswassergesetze ausgefüllt wird. Die Eigenaberwachung durch die Anlagenbelreiber ist in den §§ 21a if. WHG (Gewässerschutzbeauftragte) und den Landeswassergesetzen geregelt. 4.2.1.3.8. Das Verhiiltnis der wasserhaushaltsrechtlichen Vorschriften zu anderen Normen Bestimmungen über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sind auch in Vorschriften außerhalb des Wasserrechts festgelegt. Ob sie gleichrangig nebeneinander treten oder einander ausschließen, ist den jeweiligen Vorschriften zu entnehmen bzw., soweit diese keine entsprechenden Regelungen treffen, nach den allgemeinen Regeln der Gesetzeskonkurrenz zu entscheiden. 350 Bei materiellen Bestimmungen ist der gegenseitige Ausschluß die Ausnahme, i.d.R. sind die Vorschriften wegen unterschiedlicher Zielsetzung nebeneinander anwendbar.351 So bezieht sich die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung auf die Sondernutzung als solche, also auf die jeweilige Handlung der Gewässerbenutzung. 352 Die Zulässigkeil von Anlagen, die der Gewässerbenutzung dienen oder ihrer bedürfen, wird jedoch abgesehen vom Sonderfall des § 3 II Nr. 1 WHG- nicht im wasserrechtlichen Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren entschieden, sondern durch einen anderen Verwaltungsakt, etwa durch eine Anlagengenehmigung nach 348 349 350 351 352

Breuer, Wasaerrecht, S. 339. Z.B. § 172 NWG, §§ 18, 19 Nda. VAwS. S/Z/D, § 19g WHG, Rdn. 15. S/Z/D, ebenda; vgl. auch G/W/C, Vorb. zu§§ 19g- 191 WHG, Rdn. 6. Breuer, Wasaerrecht, S. 66.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

den §§ 4 ff. BimSchG oder nach § 7 AtG, eine Bauerlaubnis oder eine außerwasserrechtliche Planfeststellung. 353 Für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren trifft § 13 BimSchG hier eine ausdrückliche Regelung. Danach schließt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch die wasserrechtliche Eignungsfeststellung nach§ 19h I 1 WHG ein. Die wasserrechtlichen Anforderungen müssen dort geprüft werden. 354 Eine formelle Ersetzungswirkung bestimmt auch § 19h I 5 WHG. Für andere anlagenbezogene Genehmigungen und Erlaubnisse, für die eine derartige beschränkte Konzentrationswirkung nicht vorgesehen ist, ist nach den genannten Grundsätzen außerdem eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich.355 So ist nach § 6 Nr. 2 BimSchG die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung davon abhängig, daß u.a. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Wird also eine erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis nicht erteilt, ist die Genehmigung schon aus diesem Grund zu versagen. Generell bestimmt § 2 II BimSchG, daß das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht gilt, soweit sich aus wasserrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder zum Schutz der Gewässer etwas anderes ergibt. Auch für Planfeststellungen ergibt sich keine Konzentrationswirkung im Hinblick auf wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen. § 14 I WHG normiert hier lediglich die Zuständigkeit der jeweiligen Planfeststellungsbehörde. Soweit es sich um gewerbliche Anlagen handelt, sind die nach § 24 III GewO erlassenen Rechtsverordnungen wegen der unterschiedlichen Zielsetzung neben dem Wasserrecht anwendbar. Insbesondere ist hier die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten356 zu nennen. Kollisionen der wasserrechtlichen Bestimmungen ergeben sich mit dem Abfallrecht, da das Abfallgesetz, wie das Wasserhaushaltsgesetz, auch den Schutz der Gewässer vor schädlicher Beeinflussung bezweckt (§ 2 Abs. I Nr. 3 AbfG).

353 Breuer, ebenda. 354 Piitz/Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 37. 355 Vgl. Breuer, Wasserrecht, S. 66; Breuer, S. 68 ff. nimmt auch ausführlich zur Koordina-

tion der anlagenbezogenen Zulassungsakte und der wasserrechtlichen Erlaubnisse und Bewilligungen Stellung; siehe auch BVerwG, Beschl. vom 22.11.1979, DÖV 1980, 178. 356 Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfiillung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (VbF), s.u. : 4.2.1.5.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

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Nach h.M.357 gehen die abfallrechtlichen Vorschriften den wasserrechtlichen Normen als speziellere Regelungen vor. Das hat zur Folge, daß bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen, namentlich von Deponien, nicht der strenge Besorgnisgrundsatz358 des Wasserhaushaltsgesetzes gilt, sondern nur der weniger strenge Grundsatz, daß Abfälle so zu entsorgen sind, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 2 I 2 AbfG)359. Der Grundwasserschutz ist danach nur ein Aspekt des Allgemeinwohls. 360

4. 2.1.4. Regelung durch das 1ierkiirperbeseitigungsgesetz361 4. 2.1. 4.1. Boden als Schutzgut des 1ierkiirperbeseitigungsgesetzes § 3 I Nr. 2 1ierKBG statuiert den Grundsatz, daß 1ierkörper, Tierkörperteile und Eneugnisse so zu beseitigen sind, daß Gewlisser, Boden und Futtermittel durch Erreger abertragbarer Krankheiten oder toxische Stoffe nicht verunreinigt werden. Schutzgut des Tierkörperbeseitigungsgesetzes ist ausdrücklich auch der Boden, so daß das Gesetz dem unmittelbaren Bodenschutz zuzuordnen ist.

4. 2.1. 4. 2. Regelung der Beseitigung nach dem 1ierkiirperbeseitigungsgesetz Beseitigung i.S.d. Gesetzes umfaßt nach der Legaldefinition des § 1 II TierKBG das Abliefern, Abholen, Sammeln, Befördern, Lagern, Vergraben, Verbrennen, Behandeln und Verwerten von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen. 362 Die einzelnen aufgeführten Maßnahmen sind allerdings nur dann Beseitigungsmaßnahmen, wenn sie der Beseitigung - d.h. primär der Vernichtung und Unschädlichmachung- des anfallenden Materials und 357 BVerwG, Urt. vom 20. 1.1984, NJW 1984, 2427 (2428); Franßen, Abfallrecht, S. 424; Höael/v.Lersner, § 2 Abtu, Rdn. 16; Salzwedel, ZfW 1983, 84 (89); Schink, DVBI. 1986, 161 f.; Striewe, ZfW 1986, 273 (274); Hoschützky!Kreft, § 2 Abtu, Anm. 1.2.3; G/W/C, § 26 WHG, Rdn. 15 m.w.N. (nach G/W/C, Vom. zu§§ 19g- 191 WHG, Rdn. 6 sollen die abfallrechtlichen Vorschriftenjedoch nicht den§§ 19g- 191 WHG vorgehen); wohl auch HDW C, § 26 WHG, Rdn. 5; a.A.: S/Z/D, § 26 WHG, Rdn. 2b; Kloepfer, NuR 1987, 7 (20); Staupe, UPR 1988, 41 (42). 358 S.o. 4.2.1.3.5. 359 Siehe dazu oben 4.2.1.1.2. 360 Siehe zu dem Problem, ob durch das Abtu als Iex specialis der Besorgnisgrundsatz des WHG relativiert wird: Brandt/ Schwarzer, Bodensanierung, S. 72. 361 Geaetz über die Beaeitigung von Tierkörpem, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnisaen (TierKBG) vom 2. 9. 1975, BGBI. I, S. 2313, her. S. 2610. 362 Kritik an der Legaldefinition: Fertig, DÖV 1987, 533 ff.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

der ihm innewohnenden Gefahr dienen. 363 Das ergibt sich u.a. daraus, daß die Tierkörperbeseitigung eine seuchenhygienische, dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier dienende öffentliche Aufgabe ist. 364 Steht dagegen die Verwertung im Vordergrund und ist die Gefahrenbeseitigung dafür nur eine notwendige Voraussetzung, kann nicht von Beseitigung gesprochen werden. 365 Für den Gebrauch des Beseitigungsbegriffs im Tierkörperbeseitigungsgesetz gilt, daß überall dort, wo der Begriff ausdrücklich verwendet wird, die von ihm formal nach § 1 II TierK.BG umfaßten Maßnahmen auch der Beseitigung im oben genannten Sinne dienen. 366 Daraus folgt, daß die ausschließlich auf privater Initiative beruhende Verarbeitung von ausgewählten Tierkörperteilen in Spezialbetrieben, etwa zum Zweck der Produktion, keine Beseitigung i.S.d. Tierkörperbeseitigungsgesetzes ist, da § 6 II TierK.BG den Begriff "Beseitigung" nicht enthält.367 Das hat allerdings nicht die Unanwendbarkeit des Tierkörperbeseitigungsgesetzes zur Folge: Zu beachten sind insbesondere die § 17 IV (behördliche Überwachung), § 13 S. 1 (getrennte Verwahrung), § 10 III (sichere Beförderung) TierK.BG.368 In diesen Fällen handelt es sich dann auch bei der Lagerung von Tierkörperteilen nicht um eine Beseitigung i.S.d. Gesetzes. Anders verhält es sich beim "Vergraben", das als Ablagerung der Beseitigung dienen wird (dazu § S li TierK.BG. Der Grundsatz der unschädlichen Beseitigung nach § 3 TierK.BG wird durch die Bestimmungen über Einrichtung, Betrieb usw. von Tierkörperbeseitigungsanstalten in der Tierkörperbeseitigungsanstalten-Verordnung369 konkretisiert. So muß z.B. nach § 2 III der Verordnung der Boden von Dunggruben und Fahrzeugwaschplätzen befestigt und flüssigkeitsundurchlässig sein. Was unter die Begriffe "Tierkörper", "Tierkörperteile" und "Erzeugnisse" im einzelnen zu subsumieren ist, ergibt sich aus den Begriffsbestimmungen in § 1 Abs. I TierK.BG. Die Beseitigung von Tierkörpem, Tierkörperteilen und Erzeugnissen erfolgt nach§§ S Abs. I, 6 I, 7 I TierK.BG grundsätzlich in den

363 Fertig, 534. 364 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 7/3225, S. 15. 365 Fertig, DÖV 1987, 533 (534). 366 Fertig, ebenda. 367 Fertig, ebenda. 368 Fertig, 537 f. 369 Vom 1. 9.1976, BGBI. I, S. 2587; geänd. durch Art. I der Verordnung vom 6. 6.1980, BGBI. I, S . 667.

4.2. Schutz dee Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

Tierkörperbeseitigungsanstalten. TierKBG definiert .

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Der Begriff ist in § 1 Abs. I Nr. 4

Keine Erzeugnisse sind nach § 1 I Nr. 3 TierKBG tierische Exkremente, sie unterfallen daher den abfallrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 15 I AbfG. Aus dem sachlichen Geltungshereich des Tierkörperbeseitigungsgesetzes herausgenommen sind auch die in § 6 Il Nr. 3, 7 Il TierKBG genannten Tierkörperteile und Erzeugnisse, die in Gaststätten und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung in geringen Mengen oder in Haushaltungen anfallen. Soweit der Abfallbegriff (§ 1 I 1 AbfG)370 erfüllt ist, finden dann die Vorschriften des Abfallgesetzes Anwendung3 71, da andernfalls sämtliche häusliche Abfälle tierischen Ursprungs der geordneten Entsorgung entzogen würden312. Einen Vorrang des Atomgesetzes normiert § 2 ITierKBG für Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse, die radioaktive Stoffe enthalten oder die durch radioaktive Stoffe verunreinigt sind, soweit sie nach dem Atomgesetz und den aufgrund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu beseitigen sind. 4. 2.1. 4. 3. Instrumente des Gesetzes

Zur Durchführung der Bestimmungen des Gesetzes werden gegenüber dem Besitzer von Tierkörpern verschiedene Pflichten normiert. Gemäß § 9 TierKBG unterliegt er gegenüber der Tierkörperbeseitigungsanstalt bzw. dem Beseitigungspflichtigen (§ 4) in den aufgeführten Fällen der Pflicht zur unverzüglichen Meldung. § 11 I TierKBG normiert die Pflicht zur unverzüglichen Ablieferung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen, soweit die Beseitigung in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt vorgeschrieben ist. Eine Ausnahme hestimmt Abs. II.

Nach § 13 TierKBG hat der Besitzer die Pflicht zur sicheren und getrennten Verwahrung der Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse bis zur Abholung durch den Beseitigungspflichtigen oder bis zur Ablieferung. Die Befolgung der durch das Tierkörperbeseitigungsgesetz normierten Pflichten kann von der zuständigen Behörde mittels Ordnungsverfügungen durchgesetzt werden. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist, mangels einer Er370

S.o. 4.2.1.1.4.1. 371 Hoschützky/Kreft, § 1 Abtu, Anm. 3.1.1.

372 Höeel/v.Lersner, § 1 Abtu, Rdn. 22.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

mächtigungsnorm im Tierkörperbeseitigungsgesetz, die polizeirechtliche GeneralklauseL 373 Die zuständige Behörde kann auf dieser Grundlage insbesondere eine nach §§ 5 I, 6 I, 7 I TierKBG unzulässige Lagerung und Ablagerung untersagen bzw. die Beseitigung unzulässig (ab-)gelagerter Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse anordnen. 4. 2.1. 5. Regelung durch die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten374 4.2.1.5.1. Boden als Schutzgut der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß dieser Verordnung ist § 24 GewO. Zweck der Ermächtigung ist nach Abs. I der Schutz der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren durch Anlagen, die mit Rücksicht auf ihre Gefährlichkeit einer besonderen Überwachung bedürfen. Die Verordnung dient demnach in erster Linie dem Arbeitsschutz. Dafür werden spezielle Anforderungen an die Errichtung, Änderung und den Betrieb von Anlagen zur Lagerung, Abfüllung oder Beförderung brennbarer Flüssigkeiten gerichtet. Über den bezweckten Schutz der Beschäftigten und Dritter hinaus, wird dadurch auch der Boden geschützt, so daß die Verordnung dem mittelbaren Bodenschutz zuzurechnen ist. 4.2.1.5.2. Anwendungsbereich der Verordnung Die Verordnung regelt die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Lagerung, Abfüllung oder Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (§ 1 VbF). Der Anlagenbegriff ist, wie sich aus §§ 1 und 2 VbF ergibt, weit zu verstehen. Darunter fallen ortsfeste und ortsbewegliche Einrichtungen. Anlagen sind auch Behälter zur Lagerung brennbarer Flüssigkeiten, also bspw. Tanks. Derartige Anlagen werden jedoch nur dann von der Verordnung erfaßt, wenn sie gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dienen und in ihrem Gefahrenbereich Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dies ergibt sich aus dem als Ausschlußnorm formulierten § 1 II VbF.

373 Siehe zur vergleichbaren Rechtslage im Abfallrecht oben 4.2.1.1.5.2. und unten 4.2.6.7.6 . 374 Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (VbF) vom 27. 2. 1980, BGBI. I, S. 173, zuletzt geänd. durch Anlage I, Kap. Vill, Sachgebiet B, Abschnitt ß Nr. 3 des Einigungsvertrages vom 31. 8.1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes vom 23. 9.1990, BGBI. ß, S. 885.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

137

Anlagen, die nicht von der Verordnung erfaßt werden, sind in § 1 III und IV VbF (Anlagen der Bundesbahn, der Bundeswehr und des Bergwesens) aufgeführt. Für verschiedene Behälter, die nach § 1 VbF vom Anwendungsbereich der Verordnung eigentlich erfaßt werden, bestimmt § 2 I VbF einen Anwendungsausschluß. Einen weiteren Anwendungsausschluß für bestimmte Fälle des Umgangs mit brennbaren Flüssigkeiten an Arbeitsstätten und in Laboratorien enthält § 2 II VbF. Eine Legaldefinition des Begriffs wbrennbare Flüssigkeiten w ist in § 3 I VbF normiert. Diese sind danach Stoffe mit Flammpunkt, die bei 35 oc weder fest noch salbenförmig sind, bei 50 oc einen Dampfdruck von 3 bar oder weniger haben und zu einer der nachstehenden Gefahrklassen gehören. 4. 2.1.5. 3. Belreiberpflichten

Grundsätzlich müssen Anlagen nach dieser Verordnung gemäß § 4 I VbF nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet und betrieben werden. Wie die Anforderungen im einzelnen aussehen, ergibt sich aus Anhang II zu § 4 I VbF. Die zuständige Behörde kann im Einzelfall aus besonderen Gründen sowohl Ausnahmen davon zulassen, wenn die Sicherheit auf andere Weise gewährleistet ist (§ 6 VbF), sie kann nach § 5 VbF an diese Anlagen zur Abwendung besonderer Gefahren für Beschäftigte oder Dritte aber auch weitergehende Anforderungen stellen. Eine Reihe unzulässiger Lagerungsarten ergibt sich aus § 11 VbF. Danach ist u.a. die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten in Durchgängen und Durchfahrten unzulässig. § 21 VbF normiert für den Anlagenbetreiber die Pflicht, die Anlage in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten, ordnungsmäßig zu betreiben, ständig zu überwachen, notwendige Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten unverzüglich vorzunehmen und die den Umständen nach erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Gemäß § 21 II VbF darf eine Anlage nicht betrieben werden, wenn sie Mängel aufweist, durch die Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können. Der Betreiber hat unverzüglich Maßnahmen zur Beseitigung oder Minderung des gefährlichen Zustandes zu ergreifen.

Neben diesen materiellen Pflichten unterliegt der Betreiber Anzeigepflichten nach § 8 (Anzeige der Inbetriebnahme, Abs. IV), § 22 (Anzeige der Betriebsunterbrechung) und § 23 VbF (Unfall- und Schadensanzeige). Im Hinblick auf Bodenverunreinigungen ist bei § 23 VbF besonders der Fall des un-

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

beabsichtigten Austretens brennbarer Flüssigkeiten aus Behältern oder Leitungen in einer Menge von mehr als zehn Litern je Stunde zu nennen. Die Erfüllung der Betreiberpflichten kann mittels einer Anordnung nach § 24a GewO durchgesetzt werden.

4.2.1.5.4. Zulassung und Oberwachung der Anlagen

In Form eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt sieht § 9 111 VbF eine Erlaubnispflicht für die in § 9 I VbF bestimmten Anlagen mit höherem Gefahrenpotential vor. Sie ist nach Abs. IV 1 zu erteilen, wenn die in den Antragsunterlagen angegebene Bauart und Betriebsweise der Anlage den Anforderungen der Verordnung entsprechen. Die Erlaubnis kann inhaltlich beschränkt und mit Nebenbestimmungen versehen werden (Abs. IV 2). Die nachträgliche Aufnahme, Ergänzung oder Änderung von Auflagen ist zulässig (Abs. IV 3). Erlaubnispflichtig ist nach § 10 VbF auch die wesentliche Änderung der Beschaffenheit oder des Betriebes einer erlaubnisbedürftigen Anlage. Zusätzliche Voraussetzung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage i.S.d. Verordnung ist bei der Verwendung von Einrichtungen nach § 12 I VbF gemäß § 12 II VbF, daß diese Einrichtungen der Bauart nach zugelassen sind. Einrichtungen nach § 12 I VbF, die im Hinblick auf den Bodenschutz insbesondere von Bedeutung sind, sind z.B. Überfüllsicherungen, Leckanzeigegeräte und Tanks, deren tragende Wandungen nicht ausschließlich aus Metall bestehen. Die regelmäßige und die außerordentliche Überprüfung von bestimmten Anlagen durch Sachverständige ist in den §§ 13 - 18 VbF geregelt. Gemäß § 24b GewO haben Anlageneigentümer, Betreiber und Hersteller bestimmte Duldungs- und Mitwirkungspflichten bei der Überprüfung. Die Erfüllung dieser Pflichten kann mit Hilfe einer Anordnung der zuständigen Behörde nach § 24a GewO durchgesetzt werden. 375 Nach § 25 I GewO kann die zuständige Behörde die Stillegung oder Beseitigung einer Anlage anordnen, wenn die Anlage ohne die nach der Verordnung erforderliche Erlaubnis oder Sachverständigenprüfung errichtet, betrieben oder geändert wird. Der zuständigen Behörde ist sowohl Entschließungs- als auch Auswahlermessen eingeräumt. 376 Die Stillegungsanordnung ist i.d.R. bereits bei lediglich formeller Rechtswidrigkeit des Anlagenbetriebs 315 SILIT, § 24a GewO, Rdn. 2. 376 SILIT, § 25 GewO, Rdn. 4.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

139

zulässig. 377 Für eine Beseitigungsanordnung müssen Errichtung, Änderung oder Betrieb auch materiell rechtswidrig sein. 378 Die Verordnung ist selbständig neben dem Bundesimmissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz anwendbar, da die jeweiligen Regelungen eine unterschiedliche Zielsetzung haben. 379

4. 2.1. 6. Regelung durch die Gefahrstoffverordnungl80 4. 2.1. 6.1. Boden als Schutzgut der Gefahrstoffverordnung Nach § 1 der im wesentlichen auf die Ermächtigungen in§§ 13 III, 14 Il, 17 I, 19 und 25 ChemG gestützten Gefahrstoffverordnung dient diese dazu, durch besondere Regelungen aber das lnverlrehrbringen von gefiihrlichen Stoffen und Zubereitungen und aber den Umgang mit Gefahrstoffen einschließlich ihrer Aufbewahrung, Lagerung und Vernichtung den Menschen vor arbeitsbedingten und sonstigen Gesundheitsgefahren und die Umwelt vor stoffbedingten Schlidigungen zu schatzen, soweit nicht in anderen Rechtsvorschriften besondere Regelungen getroffen sind. Eine Bestimmung des Begriffs "Umwelt" enthält weder das Chemikaliengesetz noch die Gefahrstoffverordnung. Mittelbar - wenn auch unvollkommen - ergibt sich der Inhalt des _Umweltbegriffs im Chemikalienrecht allerdings aus dem Gefahrenmerkmal des§ 3a II ChemG. Als Umwelt ist danach die natürliche Beschaffenheit von Wasser, Boden oder Luft, von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen sowie des Naturhaushalts anzusehen. Der Boden ist folglich ausdrückliches Schutzgut des Chemikaliengesetzes und der Gefahrstoffverordnung. Beide Gesetze zählen daher zum unmittelbaren Bodenschutzrecht.

4. 2.1. 6. 2. Gefahrstoßlagerung und -aujbewahrung Pflichten, die auch das Lagern und Aufbewahren von Gefahrstoffen betreffen, finden sich im dritten Abschnitt der Verordnung (§§ 14 ff.), der den Umgang mit solchen Gefahrstoffen regelt. "Umgang" bedeutet nach der Begriffsbestimmung des § 15 li GefStoftv das "Herstellen oder Verwenden im 377 BayVGH, Urt. vom 9.11.1978, GewArch 1979, 17. 378 BayVGH, ebenda. 379 G/W/C, Vorb. zu §§ 19g - 191 WHG, Rdn. 6; S/Z/D, § 19g WHG, Rdn. 23; S/Uf, § 24 GewO, Rdn. 5; beachte aber§ 13 BlmSchG; siehe auch oben 4.2.1.3.7. 380 Verordnung über gefährliche Stoffe (GetstoftV) vom 26. 8. 1986, BGBl. I, S. 1470, zuletzt geind. durch Art. 1 der 3. ÄnderungsV vom 5. 6.1991, BGBl. I, S. 1218.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Sinne des § 3 Nr. 5 und 8 des Chemikaliengesetzes" (jetzt Nr. 7 und 10). "Verwenden" umfaßt nach dieser Legaldefinition auch die Aufbewahrung und Lagerung. Vom Anwendungsbereich des dritten Abschnitts sind nach § 14 III GefStoftv der Umgang mit Gefahrstoffen in den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben- ausgenommen Tagesanlagen und Tagebaue des Bergwesens-, in Haushalten und soweit sprengstoffrechtliche und atomrechtliche Vorschriften bestehen ausgenommen. Welche Stoffe Gefahrstoffe i.S.d. Verordnung sind, ergibt sich aus § 15 I GefStoftv.

Aufbewahren ist das Besitzen und Zurverfügunghalten für eine gewisse Dauer.381 Lagern ist nach § 15 lla das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförderung ein, wenn diese nicht innerhalb von 24 Stunden nach ihrem Beginn oder am darauffolgenden Werktag erfolgt (Abs. Ha 2). § 17 I GejStoffVnormiert für den Arbeitgeber, der mit Gefahrstoffen umgeht, die allgemeine Schutzpflicht, die zum Schutz des menschlichen Lebens, der Gesundheit und der Umwelt erforderlichen Maßnahmen nach den Vorschriften der Verordnung einschließlich ihrer Anhänge und nach den für ihn geltenden Arbeitsschutzvorschriften zu treffen (S. 1). Im übrigen sind u.a. die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen Erkenntnisse zu beachten (S. 2). Ausnahmen von Satz 1 und 2 sind nach § 36 I, II GefStoftv möglich. Maßnahmen zur Abwehr unmittelbarer Gefahren sind nach Abs. II unverzüglich zu treffen.

Nach § 16 GefStoffV bestehen für den mit Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen umgehenden Arbeitgeber bestimmte Ermittlungspjlichten, nach § 18 GejStoffVbestimmte Oberwachungspflichten. § 19 GefStoffV normiert sicherheitstechnische Anforderungen an das Arbeitsveifahren, für die der Stand der Technik maßgeblich ist. Nach § 20 I GefStoffV hat der Arbeitgeber eine Betriebsanweisung zu erstellen, in der die beim Umgang mit Gefahrstoffen auftretenden Gefahren für Mensch und Umwelt sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln festgelegt werden und auf die sachgerechte Entsorgung entstehender gefährlicher Abfälle hinzuweisen ist. Abs. II regelt die Schutzunterweisungen von Arbeitnehmern, die beim Umgang mit Gefahrstoffen beschäftigt werden.

Zentrale Vorschrift für die Aufbewahrung und Lagerung von Gefahrstoffen ist § 24 GefStoffV. Bei der Lagerung und Aufbewahrung darf weder die 3S1 Rehbinder, in: RIKIK, § 3 ChemG, Rdn. 139; KleinJTöpner, Chemikaliengesetz, S. 97.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

141

menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährdet werden. Es sind geeignete und mmutbare Vorkehrungen zu treffen, um den Mißbrauch oder einen Fehlgebrauch nach Möglichkeit zu verhindem (S. 2). Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder mr sofortigen Verwendung müssen die mit der Verwendung verbundenen Gefahren erkennbar sein (S. 3). Nach Abs. II 1 dürfen diese Stoffe nicht in Behältnissen aufbewahrt oder gelagert werden, die eine Verwechselung des Inhalts mit Lebensmitteln möglich machen. Bestimmte Stoffe und Zubereitungen dürfen nur so aufbewahrt und gelagert werden, daß sie dem unmittelbaren Zugriff durch Betriebsfremde nicht mgänglich sind (Abs. 111) bzw. sind so unter Verschluß m lagern und aufmbewahren, daß nur sachkundige Personen oder deren Beauftragte Zugang haben (Abs. IV). Die Erfiillung der P~ichten aus der Verordnung kann die mständige Landesbehörde im Einzelfall durch eine Anordnung nach § 23 I ChemG durchsetzen.

4. 2.1. 6. 3. Verhdltnis zur Verordnung aber brennbare Flüssigkeiten Die Gefahrstoffverordnung findet neben der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten382 Anwendung.383 Beide Verordnungen haben unterschiedliche Regelungsbereiche, sind aber in weiten Teilen miteinander verflochten. 384

4.2.1. 7. Regelung durch das Bundesberggesetz385 4. 2.1. 7.1. Boden als Schutzgut des Bundesberggesetzes Nach § 1 Nr. 1 BBergG ist es Zweck des Gesetzes, zur Sicherung der Rohstoffversorgung, das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschlitzen unter Beracksichtigung ihrer Standortgebundenheit und des Lagerstättenschutzes bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern. Das Bundesberggesetz verpflichtet ausdrücklich mm sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden und ist folglich insoweit dem unmit382 S.o. 4.2.1.5. 383 Kleinfföpner, Chemikaliengeactz, S. 132 384 Kleinfföpner, ebenda 385 Vom 13. 8.1980, BGBI. I, S. 1310, zuletzt geänd. durch das Gesetz vom 12. 2.1990, BGBI. I, S. 215.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

telbaren Bodenschutzrecht zuzuordnen. Zu beachten ist allerdings, daß das Gesetz nach§ 1 Nr. 1 in erster Linie der Ordnung und Förderung des Aufsuchens, Gewinnens und Aufbereitens von Bodenschätzen zur Sicherung der Rohstoffversorgung dient, und der Bodenschutz nur in diesem Rahmen bezweckt wird, also nur als Nebenzweck, der bei Erreichung des Hauptzwecks zu beachten ist. Die Aufnahme der Worte •bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden• in den Text des § 1 Nr. 1 durch das Änderungsgesetz vom 12. 2.199()386 stellt daher nicht mehr als ein Korrektiv zu dem eigentlich bodengefährdenden Hauptzweck des§ 1 Nr. 1 BBergG dar. Vor der Änderung des Gesetzes vom 12. 2.1990 wurde der Boden nicht ausdrücklich in § 1 erwähnt, so daß der Schluß naheliegt, das Gesetz sei in der alten Fassung allenfalls mittelbar bodenschützend gewesen. Nach dem unverändert gebliebenen § 1 Nr. 3 ist es jedoch auch Zweck des Gesetzes, die Vorsorge gegen Gefahren, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben, zu verstärken und den Ausgleich unvermeidbarer Schäden zu verbessern. Bereits beim Bundesimmissionsschutzgesetz, in dem bis zur Novellierung im Mai 1990 der Boden ebenfalls nicht ausdrücklich als Schutzgut aufgeführt war, hatte sich weitgehend die Auffassung durchgesetzt, daß der Boden durch den Begriff der •anderen Sachen• in § 1 BlmSchG als Schutzgut erfaßt sei, und zwar als notwendiger Bestandteil von Grundstücken, die unter den Sachbegriff fallen. 387 Diese Auffassung wurde im Ergebnis durch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes bestätigt. 388 Die Rechtslage bei der Zweckbestimmung im Bundesberggesetz ist insofern mit der beim Bundesimmissionsschutzgesetz vergleichbar.389 Zu den Sachgütern Dritter nach § 1 Nr. 3 BBergG gehören auch Grundstücke.390 Der Boden wird als jeweiliger Grundstücksbestandteil dementsprechend vom Sachgüterbegriff des § 1 Nr. 3 erfaßt. Er ist also schon vor der Gesetzesänderung vom 12. 2.1990 selbständiges Schutzgut des Bundesberggesetzes gewesen. Das Gesetz war schon in seiner alten Fassung dem unmittelbaren Bodenschutzrecht zuzurechnen. 386 BGBI. I, S. 215. 387 So Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (180); ihr folgend OVG Münster, Urt. vom 10.11.1988, NVwZ-RR 1989, 638; Peine, in: UTR 3, S. 230 f.; Schlabach, VBIBW 1989, 281 (282 f.); mit anderer Bearündung: Kloepfer, Umweltrecht § 14 Rdn. 42. 388 BT-Drucbache 11/6633, S. 43. 389 Vgl. auch P/SN, § I BBergG, Anm. S. 390 PISN, Anm. IS.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

143

4. 2.1. 7. 2. LAgerung und Ablagerung anfallender Abfdlle 4. 2.1. 7. 2.1. Die Regelung des § 55 I Nr. 6 BBergG

Die einzige Vorschrift des Bundesberggesetzes, die Bestimmungen über die Lagerung und Ablagerung von Bergbauabfällen trifft, ist §55 I Nr. 6 BBergG. Danach ist die Zulassung eines Betriebsplans i.S.d. §52 zu erteilen, wenn die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden. Nach§ 51 BBergG besteht die Betriebsplanpflicht, d.h. Betriebe, die Bodenschätze aufsuchen, gewinnen und aufbereiten, dürfen nur aufgrund von Betriebsplänen errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen worden sind. Diese Betriebsplanpflicht des Unternehmers ist eines der wichtigsten Instrumente der präventiven und laufenden Betriebskontrolle durch die Bergbehörde.391 Es existieren im wesentlichen vier verschiedene Betriebsplanarten, die in § 52 I und II, § 53 I BBergG aufgeführt sind: Der Hauptbetriebsplan für die Errichtung und Führung eines Betriebes(§ 52 I 1), der Rahmenbetriebsplan, der nach §52 II Nr. 1 auf Verlangen der Behörde für einen bestimmten längeren Zeitraum aufzustellen ist, der Sonderbetriebsplan, der nach §52 II Nr. 2 auf Verlangen der Behörde für bestimmte Teile des Betriebes oder für bestimmte Vorhaben aufzustellen ist, und der Abschlußbetriebsplan, der bei Einstellung des bergrechtliehen Betriebes aufzustellen ist. Für den Abschlußbetriebsplan gilt§ 55 I Nr. 6 gemäß §55 II BBergG mit den Maßgaben nach Ziff. 1 - 3 entsprechend. Insbesondere muß der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch der Einstellung des Betriebes sichergestellt sein. In allen vier Plänen können Regelungen über die Abfallbeseitigung, also auch über die Lagerung und Ablagerung von Abfällen, getroffen werden. Entscheidende Bedeutung hat jedoch der Hauptbetriebsplan, da er die unabdingbare Voraussetzung für die Errichtung und Führung eines Bergbaubetriebes ist.392 Seine Zulassung ist ein Vetwaltungsakt aufgrundeines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt.393 Die Bergbehörde kann dementsprechend schon bei der Planung auf eine optimale Abfallentsorgung hinwirken.394

391 392 393 394

P/SN,

§51 BBergG, Arun. l.

Hopf, ZfB 131 (1990), 150 (151). Siehe P/SN, § 56 BBergG, Arun. 8. Hopf, ZfB 131 (1990), 150 (151).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

Allerdings ist §55 I Nr. 6 BBergG ausfüllungsbedürftig, da über die Anforderung ordnungsgemäßer Beseitigung anfallender Abialle hinaus keinerlei nähere Bestimmungen getroffen werden. Zu beachten ist insbesondere das Verhältnis zum Abfallrecht. So ist der Begriff "Abfall" in §55 I Nr. 6 genauso definiert, wie in § 1 I AbfO. 39S Es gilt also der subjektive und der objektive Abfallbegriff. 396 Wann Abialle vom Anwendungsbereich des Bergrechts und wann von dem des Abfallrechts erfaßt werden, ergibt sich aus § 1 III Nr. 3 AbfO sowie aus § 2 BBergG. Das Abfallgesetz gilt nach § 1 III Nr. 3 AbfO, mit Ausnahme von §§ 5a, 12 und § 14 i. V.m. § 5a sowie der einschlägigen Bußgeldvorschriften, nicht für Abtälle, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen in den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben anfallen. Der sachliche Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes erstreckt sich nach § 2 I Nr. 1 BBergG u.a. auf das Befördern, Lagern und Ablagern von Nebengestein und sonstigen Massen- den Bergbauabtällen397 -, soweit es im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten von Bodenschätzen steht. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist anband des bergrechtliehen Betriebsplans nach § 51 BBergG zu beurteilen (Bsp.: Restmaterialien werden einem Dritten zur Weiterverarbeitung übergeben, dieser will sich ihrer entledigen oder sie müssen wegen ihrer Beschaffenheit - z.B. besonders schadstoffhaltige Stoffe- als Abfall entsorgt werden; hier ist eine Zuordnung zum Betriebsplan nicht mehr möglich, daher greift das Abfallgesetz ein).398 Die aufgrund des § 2 IV BBergG entstehende Lücke im Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes hinsichtlich des Verladens, Beförderns und des Abladens von Nebengestein und sonstigen Massen im öffentlichen Verkehr, wird durch die Genehmigungspflicht nach § 12 AbfO geschlossen, die nach § 1 III Nr. 3 AbfO auch dort besteht. Dem Abfallrecht und nicht dem Bergrecht unterlallt nach § 1 III Nr. 3 AbfO auch die Entsorgung von Altölen. Es wird die Anwendbarkeit des § 5a und des § 5a i.V.m. § 14 AbfO bestimmt.399 Die Aufnahme dieser Ausnahme von der Ausnahme des§ 1 III Nr. 3 AbfO erwies sich speziell deshalb 39S 396 397 398 399

PISN, § SS BBergG, Anm. S8; Hopf, Siehe dazu oben 4.2.1.1.4.1.

1S4.

Schwermer, in: KISN, § 1 AbfU, Rdn. 65. Schwermer, ebenda; Bartels, Abfallrecht, S. 32. Siehe zur Altölentsorgung oben 4.2.1.1.4.3.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

145

als notwendig, weil die Abgrenzung Bergrecht - Abfallrecht problematisch ist und kein einleuchtender Grund für eine Sonderbehandlung des Bergbaus bestand; Altöle, Bohremulsionen, PCB u.ä., die nicht bergbauspezifisch sind, aber beim Umgang mit Bodenschätzen unmittelbar anfallen, sollten wegen ihrer Gefährlichkeit den spezifischen Instrumenten des Abfallrechts unterworfen werden. 400 Im Rahmen dieser genannten Einschränkungen unterfallen Abfälle, die in den der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben anfallen, dem §55 I Nr. 6 BBergG. Abfälle sind dort anfallende Materialien dann, wenn sie den objektiven oder subjektiven Abfallbegriff erfüllen, da die Definition des Abfallbegriffs - wie eben bereits gesagt - im Bundesberggesetz keine andere ist, als die in § 1 I AbfG. 401 Der Abfallbegriff wird jedoch noch durch das Abgrabungsgesetz eingeschränkt. Die Qualifizierung als Bodenschatz nach diesem Gesetz(§ 1) schließt die Abfalleigenschaft aus.402 Bodenschätze sind danach alle selbständig verwertbaren Bodenbestandteile, auch wenn sie sich nicht mehr an ihren originären Lagerstätten befinden. 403 Für Bergehalden ergibt sich daraus die Konsequenz, daß darin enthaltene Bestandteile, etwa an Kohle und Wegematerial, als Bodenschätze qualifiziert werden können, selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Haldenaufschüttung nur industrielle Abfallprodukte darstellten. 404 In Abhängigkeit vom Marktwert kann das Haldenmaterial seine Abfalleigenschaft wieder verlieren, wenn seine wirtschaftliche Bedeutung steigt.405 I.d.R. wird es sich nämlich nicht um Material handeln, das den objektiven Abfallbegriff erfüllt. 406 Bei den Abfällen nach §55 I Nr. 6 BBergG muß es sich um "anfallende" handeln. Das Merkmal ist erfüllt, wenn sie in den der Bergaufsicht unterstebenden Betrieben i.R.d. technischen Betriebsablaufs entstehen: Z.B. Kraftwerksasche, Flotationsabgänge, Kalkschlämme aus Kokereien, Bleischlämme, verbrauchte Hydraulikflüssigkeiten, Rückstandssalze und beim Abbruch von Betriebsanlagen entstandener Bauschutt. 407 Auf andere Abfälle

400 Höael/v.Leraner, § 1 Abtu, Rdn. 24; Backes, DVBI. 1987, 333 (334). 401 PISN, § 55 BBergG, Anm. 58; Hopf, ZtB 131 (1990), 150 (154); Boldt/Weller, §55 BBergG, Rdn. 29; zum Abfallbegriff s.o. 4.2.1.1.4. 402 VG Gelscnkirchen, Urt. vom 1. 7.1977, ZtB 119 (1978), 230 (236); PISN, Anm. 60. 403 Hopf, ZtB 131 (1990), 150 (155). 404 VG Gelaenkirchen, Urt. vom 1. 7. 1977, ZtB 119 (1978), 230 (236). 405 VG Gelaenkirchen, ebenda; P/SN, §55 BBergG, Anm. 60. 406 Schulte, ZtB 128 (1987), 178 (202). 407 PISN, §55 BBergG, Anm. 59. 10 Heiermann

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

ist das Abfallrecht anwendbar - das gilt auch, wenn fremde Abfälle auf einem Gelände gelagert werden, das der Bergaufsicht untersteht. 408 Die Eigenschaft des Abfalls als i.S.d. § 55 I Nr. 6 BBergG betriebsplanpflichtig "angefallen" geht nicht dadurch verloren, daß er vorübergehend für eine Zwischenbehandlung das Gelände des Bergbaubetriebes verläßt oder das Betriebsgelände endgültig verlassen soll, es sei denn es greift § 2 IV BBergG ein. 409 Hausmüllähnliche Abfälle, in erster Linie solche aus Kantinen, Kauen und Verwaltungsgebäuden von Bergbaubetrieben sind nicht nach § 1 III Nr. 3 AbfG von der Anwendung des Abfallgesetzes ausgeschlossen, denn sie fallen nicht beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen an. 410 Für sie besteht daher auch keine Betriebsplanpflicht nach § 51 I BBergG. Das folgt aus § 51 I selbst. Danach müssen Betriebspläne für Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebe erstellt und zugelassen werden. Bei den "anfallenden Abfällen" i.S.d . §55 I Nr. 6 BBergG kann es sich also nur um solche aus diesen Betrieben handeln. Auch aus der Empfehlung des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesberggesetzes geht hervor, daß §55 I Nr. 6 eingefügt werden sollte, weil das Abfallgesetz Abfälle, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen anfallen, nicht erfasse. 411 Die anfallenden Abfälle müssen "ordnungsgemllß beseitigt" werden. "Beseitigung" umfaßt nach der Begrifflichkeit des Abfallrechts die Ablagerung von Abfällen, d.h. die Lagerung mit dem Ziel dauernder Entledigung, und die hierzu erforderlichen Maßnahmen des Einsammelns, Beförderns, Behandelns und (Zwischen-)Lagerns412 (zu beachten ist die Ausnahme des § 2 IV BBergG). Dieser Beseitigungsbegriff gilt auch für das Bundesberggesetz.413 Der Begriff "ordnungsgemäß" ist ebenfalls in Anlehnung an § 2 I AbfG auszulegen. 414 Das Lagern und Ablagern von Nebengestein und sonstigen Massen hat demnach so zu erfolgen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht 408 Hopf, ZtB 131 (1990), ISO (156). 409 P/SN, § SS BBergG, Anm. 62. 410 Boldt/Weller, § SS BBergG, Rdn. 30; Schulte, ZtB 128 (1987), 178 (202). 411 SR-Drucksache 260/1/77, S. 32. 41 2 Vgl. statt aller: Bsrtels, Abfallrecht, S. 39/41; zum Begriff des Lagems und Ablageros s.o. 4.2.1.1.5.1. 413 Vgl. P/SN, § SS BBergG, Anm. 57; Boldt/Weller, § SS BBergG, Rdn. 32. 414 Schulte, ZtB 128 (1987), 178 (182/202); Hopf, ZtB 131 (1990), ISO (158); P/SN, Anm. 70; Boldt/Weller, Rdn. 31; Bsrtels, Abfallrecht, S. 32; Schwermer, in: KISN, § I Abtu, Rdn. 68; Hösellv.I..ersner, § I Abtu, Rdn. 24.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

147

beeinträchtigt wird, insbesondere nicht dadurch, daß der Boden schädlich beeinflußt wird. 415

4. 2.1. 7. 2. 2. Nachtrltgliche Bestimmungen im Betriebsplan nach § 56 I 2 BBergG Erweist sich der Betriebsplan hinsichtlich der Abfallbeseitigung als unzureichend, etwa weil neue Gefahren auftreten, hat die zuständige Bergbehörde die Möglichkeit, nachträgliche Auflagen in den Betriebsplan aufzunehmen, sie zu ändern oder zu ergänzen (§ 56 I 2 BBergG). Die Zulässigkeil nachträglicher Auflagen ist an drei Voraussetzungen geknüpft. Nach § 56 I 2 muß die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar sein, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar sein und sie muß schließlich zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 I Nr. 2 - 13 und Abs. II BBergG erforderlich sein. 4 16 Hinsichtlich nachträglicher Nebenbestimmungen trifft § 56 BBergG für den bergrechtliehen Betriebsplan eine abschließende gesetzliche Regelung. 417 Die für die Aufnahme von Nebenbestimmungen bei derErteilungder Zulassung maßgebliche Bestimmung ist§ 36 VwVfG. 4 18

4. 2.1. 7. 2. 3. Erlaß von Ordnungsveifagungen Wird während der Laufzeit eines Betriebsplans gegen Anforderungen nach §55 I Nr. 6 BBergG verstoßen, hat die Bergbehörde nach § 71 I 1 BBergG die Möglichkeit, die entsprechenden Maßnahmen anzuordnen, also Ordnungsverfügungen zu erlassen, um die Durchführung des Bestimmungen sicherzustellen. Nach§ 71 I 2 BBergG kann die Behörde darüber hinaus auch solche Verfügungen erlassen, die über die im Betriebsplan normierten Anforderungen oder die, die sich aus einer Rechtsverordnung ergeben, hinausgehen, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. Über den Sachgüterbegriff ist auch der Boden als jeweiliger wesentlicher Grundstücksbestandteil erfaßt. 419 Zeigen sich während 415 Dazu oben 4.2.1.1.3. 416 Zu den Voraussetzungen siehe z .B.: P/SN, §56 BBergG, Anm. 103 ft'. 417 Vgl. Boldt/Weller, §56 BBergG, Rdn. 16; Hopf, ZfB 131 (1990), ISO (161). 418 P/SN, §56 BBergG, Anm. 44; Boldt/Weller, Rdn. 13. 4 19 S.o. 4 .2.1.7.1.

148

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

der Laufzeit eines Betriebsplans Gefahren für diese Schutzgüter, z.B. durch in Übereinstimmung mit dem Betriebsplan gelagerte Bergbauabfälle, kann die Bergbehörde folglich die erforderlichen Maßnahmen, etwa auch die Beseitigung von Bodenverunreinigungen, anordnen. Strittig ist nur, ob sie dabei, wenn sich die Anordnung rechtlich oder tatsächlich als nachträgliche Auflage zum zugelassenen Betriebsplan darstellt, in Anwendung des Gedankens aus § 56 I 2 BBergG, die technische und wirtschaftliche Vetretbarkeit für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art zu berücksichtigen hat. 420 Nach § 71 li BBergG hat die Behörde die Möglichkeit, den Betrieb ganz oder teilweise einstellen zu lassen, bis der ordnungsgemäße Zustand wiederhergestellt ist. § 71 III BBergG ermöglicht die Anordnung der erforderlichen Abschlußmaßnahmen, wenn eine Betriebsstilllegung ohne zugelassenen Abschlußbetriebsplan erfolgt ist. § 72 I BBergG ermöglicht die Untersagung nicht erlaubter Betriebe und Tätigkeiten schlechthin.

Diese Spezialermächtigungen schließen einen Rückgriff auf die polizeirechtliche Generalklausel grundsätzlich aus. 421 Die Eingriffsbefugnis der Bergaufsicht endet gemäß § 69 II BBergG nach Durchführung des Abschlußbetriebsplans oder entsprechender Anordnungen der zuständigen Behörde zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, daß durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Von diesem Zeitpunkt an ist das Bundesberggesetz auch zur Lösung bergbaulicher Altlastenprobleme ungeeignet. 422

4. 2.1. 7. 3. Lagerung und Ablagerung bodengeftihrdender Stoffe, die keine Abflille sind Inwieweit die Lagerung und Ablagerung von diesen Stoffen durch das Bundesberggesetz erfaßt wird, ergibt sich aus § 2 I Nr. 1 BBergG. Danach gilt das Gesetz für die Lagerung und Ablagerung von Bodenschätzen, Neben42° Dafür: P/SN, § 71 BBergG, Anm. 18; dagegen: Hopf, ZtB 131 (1990), 150 (162). 421 Boldt!Weller, § 71 BBergG, Rdn. 3; P/SN, Anm. 15. 422 Brandt/Schwatzer, Bodensanierung, S. 77.

4.2. Schutt dea Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

149

gestein und sonstigen Massen, soweit sie im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten steht. Problematisch ist die Definition der Begriffe "Nebengestein" und "sonstige Massen", da ihr Inhalt im Gesetz nicht bestimmt wird. Der Gesetzgeber knüpft aber bei der Begriffswahl offensichtlich an den bergbautechnischen Sprachgebrauch an. Unter Nebengestein wird man daher - in Abgrenzung zum Begriff "Bodenschätze"- das Gestein zu verstehen haben, in das eine Lagerstätte eingebettet ist und das keine gewinnbaren Mineralien fübrt.423

Sonstige Massen sind danach die bei bergbaulicher Tätigkeit daneben anfallenden Erd-, Stein- und Felsmassen. 424 Schließlich sind, wie sich aus dem Zusammenhang mit §55 I Nr. 6 BBergG und§ 1 III Nr. 3 AbfG ergibt, darunter Bergbauabfälle in dem durch diese Normen abgesteckten Rahmen insgesamt zu verstehen. 425 Andere Stoffe, wie etwa Produktionsstoffe (chemische Stoffe zur Behandlung der Bodenschätze etc.) oder Reststoffe, können nicht darunter subsumiert werden, sie sind nicht Nebengestein oder sonstige Massen, also Abraum, bzw. sind keine anfallenden Abfälle. Die Lagerung dieser Stoffe bestimmt sich nach anderen Umweltgesetzen (BimSchG u.a.). Erfaßt wird die Lagerung und Ablagerung von Bodenschlltzen. Sie können selbst bodenschädigende Stoffe sein bzw. solche enthalten. Für ihre (Ab-) Lagerung sind insbesondere die (den Betriebsplan betreffenden) Bestimmungen in§ 55 I Nr. 3-5, 1, 8 BBergG von Bedeutung. Diese weisen allerdings keinen Bezug zum Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag auf. 4.2.1.8. Regelung durch das Atomgesetz426 4. 2.1. 8.1. Boden als Schutzgut des Atomgesetzes

§ 1 AtG formuliert als Zweck des Gesetzes, u.a. die Forschung, die Entwicklung und die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu fördern (Förderzweck) sowie Leben, Gesundheit und Sachgater vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen 423 Vgl. Der Große Brockhaus, Bd. 8, Stichwort: "Nebengestein". 424 Vgl. Der Große Herder, Bd. 6, Stichwort: "Massen". 425 S.o. 4.2.1.7.2.1. 426 Geaett über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutt gegen ihre Gefahren (Atomgeaett - AtG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. 7.1985, BGBI. I, S. 1565, zuleiZt geänd. durch Art. 1 des GeaeiZes vom 5.11 .1990, BGBI. I, S. 2428.

150

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

zu schatzen und durch Kernenergie oder ionisierende Strahlen verursachte Schiiden auszugleichen (Schutzzweck).

Dem Schutzzweck wird inzwischen nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur427 Vorrang gegenüber dem Förderzweck eingeräumt. Problematisch ist, ob der Boden unmittelbar zu den "Sachgütem" i.S.d. Gesetzes zählt. Mit dem Schutz der Sachgüter ist jedenfalls der Schutz von Sachen nach § 90 BGB bezweckt. 428 Fischerhof'29 sieht hierin gleichzeitig auch die Auslegungsgrenze des Sachgüterbegriffs. Sachgüter der Allgemeinheit, wie etwa Luft und Wasser seien nicht erfaßt, da der Gesetzgeber den Begriff "Gemeinschäden• nicht in das Gesetz aufgenommen habe und auch nirgends von "Sach-" oder "Rechtsgütem der Allgemeinheit" spreche. Nach dieser Auffassung kommt ein unmittelbarer Schutz des Bodens - entsprechend der überwiegenden Auffassung zum Schutz des Bodens durch das Bundesimmissionsschutzgesetz vor seiner Neufassung vom 11. 5.199o430 - nur über den Schutz als Bestandteil von Grundstücken, die Sachen i.S.d. § 90 BGB sind, in Betracht. 431 Demgegenüber ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, daß die Bundesregierung bei der Vorlage des Entwurfs des Atomgesetzes davon ausging, daß der Schutz der Sachgüter sich auch auf die Sachgüter der Allgemeinheit bezieht, da sie die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf geforderte Einbeziehung von Vorschriften über den Schutz der Allgemeinheit vor Gemeinschäden in den Entwurf'32 mit der Begründung ablehnte, bei richtiger Auslegung beziehe sich der Schutz der Sachgüter auch auf Sachgüter der Allgemeinheit433. Nach dieser Auslegung wird der Boden an sich unmittelbar durch das Atomgesetz geschützt, nicht nur als Bestandteil von Grundstücken, d.h. als Sache in ihrer Beziehung zum Berechtigten. Das gegen eine solche Auslegung von Fischerhor'34 vorgebrachte Wortlautargument sowie sein Vergleich mit dem § 1 BlmSchG 427 BVerwG, Urt. 16. 3.1972, DVBl. 1972, 678 (680); BVertUE 53, 30 (58); Haedrich, § 1 AtG, Rdn. 8 m.w.N.; Winters, Atomrecht, S. 15; differenzierend: Degenhart, Kemenergierecht, S. 33 f.; Pelzer, in: HdUR 1, Sp. 143; Fischerhof, Bd. 1, § 1 AtG, Anm. 5; Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 39 ff. 428 Fischerhof, Anm. 9. 429 Ebenda. 430 S.o. 4.2.1.2.1. m.N. 431 Diesen Schluß zieht auch Fischerhof, Bd. 1, § 1 AtG, Anm. 9. 432 BT-Drucbache 3/759, S. 49. 433 BT-Druckaache, S. 58; so auch Mattern!Raisch, § 1 AtG, Rdn. 7. 434 Bd. 1, § 1 AtG, Anm. 9.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrsg

151

a.F. 435 greifen demgegenüber nicht. Im Gegensatz zu § 1 BlmSchG a.F., der ausdrücklich vom Schutz "anderer Sachen" sprach, ist hier vom Schutz der Sachgilter die Rede. Dieser Begriff läßt schon vom Wortlaut her eine andere Auslegung zu, als die i.S.d. § 90 BGB.436 Eine Auslegung des Sachgüterbegriffs, die die verschiedenen Umweltmedien Luft, Wasser und Boden an sich als Allgemeingüter umfaßt, wird auch dadurch gestützt, daß z.B. § 7 II Nr. 6 AtG eine Anlagengenehmigung davon abhängig macht, daß überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Umwelt, der Wahl des Standorts nicht entgegenstehen. Das Gesetz soll die Lebensgrundlagen des Menschen, die natürliche Umwelt schützen437, der Sachgüterschutz ist daher nicht nur als Eigentumsschutz zu verstehen. Das Atomgesetz bezweckt mit dem Sachgüterschutz folglich unmittelbar auch den Schutz des Bodens, es ist unmittelbar bodenschiltzend. 4. 2.1. 8. 2. Radioaktive Stoffe

Stoffe, von denen aufgrund der von ihnen ausgehenden ionisierenden Strahlen Gefahren u.a. für den Boden ausgehen, werden im Atomgesetz als radioaktive Stoffe bezeichnet (§ 2 I AtG). Allein sie sind Gegenstände des Atomrechts. Sie werden in zwei Gruppen unterteilt: in Kernbrennstoffe(§ 2 I Nr. 1 AtG) und sonstige radioaktive Stoffe (§ 2 I Nr. 2 AtG). Kernbrennstoffe sind nach Nr. 1 besondere spaltbare Stoffe in Form von Plutonium 239 und Plutonium 241, Uran 233, mit den Isotopen 235 oder 233 angereichertes Uran, jeder Stoff, der einen oder mehrere der vorerwähnten Stoffe enthält sowie Uran und uranhaltige Stoffe der natürlichen Isotopenmischung, die so rein sind, daß durch sie in einer geeigneten Anlage (Reaktor) eine sich selbst tragende Kettenreaktion aufrechterhalten werden kann (sog. naturreines Uran)438. "Mit den Isotopen 235 oder 233 angereichertes Uran" ist Uran, das die Isotope 235 oder 233 oder diese beiden Isotope in einer solchen Menge enthält, daß das Verhältnis der Summe dieser beiden Isotope zum Isotop 238 größer ist als das in der Natur auftretende Verhältnis des Isotops 235 zum Isotop 238 (§ 2 Abs. I Nr. 1, S. 2 AtG). 435 Ebenda. 436 Auch filr die Auslegung des Sachbegriff• in§ 1 BlmSchG a.F. war die Gleichsetzung mit 437 438

dem Sachbegriff in § 90 BGB schon nicht unbestritten. Siehe nur: Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 42. Siehe Mattem!Raisch, § 1 AtG, Rdn. 7; BT-Drucklache 3/759, S. 49. Haedrich, § 2 AtG, Rdn. 3.

152

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Sonstige radioaktive Stoffe nach § 2 I Nr. 2 AtG sind Stoffe, die ohne Kernbrennstoffe zu sein, ionisierende Strahlen spontan aussenden. Das sind im wesentlichen Erze, Mineralien und sonstige chemische Verbindungen und Legierungen, die Uran oder Thorium enthalten sowie natürliches, nicht nuldearreines Uran. 439 Sie enthalten so viele neutronen-absorbierende Stoffe wenn auch in kleinen Beimengen-, daß eine Kettenreaktion nicht in Gang gesetzt werden kann. 440 Wichtig für die Defmition des Begriffs •radioaktive Stoffe• und der Unterbegriffe •Kernbrennstoffe• und •sonstige radioaktive Stoffe• ist, daß auch die jeweiligen radioaktiven Reststoffe und radioaktive Abfiille radioaktive Stoffe i.S.d. Abs. I sind. Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus § 2 II AtG441 sowie aus Anlage 1 zur Strahlenschutzverordnung. Radioaktive Reststoffe, z.B. bestrahlte Kernbrennstoffe -abgebrannte Brennelemente-, werden, wie sich aus§ 9a I AtG ergibt, erst dann zu radioaktiven Abfällen, wenn ihre Verwertung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht schadlos möglich, wirtschaftlich nicht vertretbar oder mit den in § 1 Nr. 2 -4 AtG bezeichneten Zwecken unvereinbar ist. Dies gilt nach § 9a I AtG auch für abgebaute oder ausgebaute radioaktive Anlagenteile. Die Abfalleigenschaft nach dem Atomgesetz ist damit an objektive Kriterien gebunden. Es wird ein objektiver Abfallbegriff zugrundegelegt, der mit einem Verwertungsvorrang gekoppelt ist. 442 Radioaktive Reststoffe können deshalb, abgesehen von radioaktiven Anlagenteilen, nur radioaktive Stoffe i.S.d. § 2 I AtG sein. 443 Radioaktiv kontaminierte Sachen, d.h. solche, die radioaktive Stoffe enthalten oder durch radioaktive Stoffe verunreinigt sind, können folglich keine radioaktiven Reststoffe oder Abfälle sein, da sie selbst keine radioaktiven Stoffe i.S.d. § 2 I AtG darstellen. 4 44 Dies gilt dann natürlich auch für radioaktiv verseuchten Boden. 445 Die Beseitigung radioaktiver Bodenverunreinigungen kann daher nicht durch die atomrechtlichen Instrumente erreicht werden, sondern allenfalls über das Abfall-, Wasser- oder Polizeirecht. Etwas anderes gilt nur für die in § 9a I AtG genannten Anlagenteile.

439 BT-Drucksache 31759, S. 19; Hacdrich, ebenda. 440 BT-Drucksache, ebenda.

441 Hacdrich, § 2 AtG, Rdn. 5. 442 Schwcrmer, in: KJSN, § 1 AbtU, Rdn. 62. 443 B/PIR, Beseitigung, S. 48. 444 B/PIR, ebenda; Schwenner, in: KJSN, § 1 AbtU, Rdn. 61. 445 Siehe auch Knopp, NVwZ 1991, 42 (43).

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

153

Aus dem Begriff der radioaktiven Stoffe werden durch § 2 II AtG auch solche radioaktiven Abialle herausgenommen, die nicht an Anlagen nach § 9a III AtG abzuliefern sind und für die wegen ihrer geringfagigen Aktivitiil keine besondere Beseitigung zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen nach § 9a II 2 AtG bestimmt, angeordnet oder genehmigt worden ist. Die entsprechenden Ausnahmen von der Ablieferungs- und Beseitigungspflicht sind in § 3 I, § 4 IV 1 Nr. 2e, § 45, § 46 StrlSchV geregelt. 446 Diese Stoffe werden, wie auch radioaktiv kontaminierte Sachen, nach dem Abfallgesetz entsorgt. 447

4.2.1.8.3. Lagerung von Kernbrennstoffen Die Lagerung von Kernbrennstoffen448 wird durch verschiedene atomrechtliche Normen reglementiert. Nach § 5 I AtG sind Kernbrennstoffe staatlich zu verwahren. Hierbei ist die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen zu treffen und der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter zu gewährleisten. Die Vorschrift dient der Erfüllung der Schutzzwecke des § 1 Nr. 2 und 3 AtG sowie der Erfüllung der internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik (§ 1 Nr. 4 AtG). Zuständig für die Verwahrung ist gemäß § 23 I Nr. 1 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz. Die insbesondere für die Verwahrung verlangte, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen beinhaltet, daß die Vorkehrungen getroffen werden müssen, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten werden. 449 Im Zweifelsfall gehen die wissenschaftlichen Kriterien den technischen Standards vor. 450 Kann die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehaltene Vorsorge tech-

446 Haedrich, § 2 AtG, Rdn. 6; Schwermer, in: KJSN, § 1 AbfO, Rdn. 63.

447 448 449 450

Schwermer, Rdn.

61, 63; siehe auch BIPIR, Beaeitigung, S. 48 (SO).

Zum Begriff s.o. 4.2.1.8.2. BVerfOE 49, 89 (136).

Kloepfer, Umwe1trecht, § 8 Rdn.

30.

154

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

nisch noch nicht verwirklicht werden, so darf bspw. eine Anlagengenehmigung nach § 7 AtG nicht erteilt werden. 451 Eine Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung ist nach § 5 II AtG nur ausnahmsweise erlaubt, wenn eine Genehmigung nach § 6 AtG besteht oder Kernbrennstoffe in einer nach § 7 AtG genehmigten Anlage oder aufgrund einer Genehmigung nach § 9 AtG bearbeitet, verarbeitet oder sonst verwendet werden oder wenn sie nach § 4 AtG berechtigt befördert werden. Wer Kernbrennstoffe in seinem unmittelbaren Besitz hat, ohne über eine Genehmigung nach § 5 II AtG zu verfügen, hat sie gemäß § 5 III unverzüglich der Verwahrungsbehörde abzuliefern. Die private Aufbewahrung von Kernbrennstoffen ist nach § 6 11 AtG zu genehmigen, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt werden. § 6 AtG gewährt einen Rechtsanspruch bei Vorliegen der Voraussetzungen (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Auch hier wird u.a. gefordert, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen getroffen ist ( § 6 II Nr. 2 AtG).

Für die betriebsbedingte Lagerung von Kernbrennstoffen ist regelmäßig keine Genehmigung nach § 6 AtG erforderlich, da eine solche Lagerung vor dem Einsatz im Betrieb oder vor dem Transport zu anderen Anlagen i.d.R. durch die Betriebsgenehmigung nach § 7 oder § 9 AtG gedeckt ist. 452 Erst die darüber hinausgehende private Lagerung auf dem Betriebsgelände einer kerntechnischen Anlage oder außerhalb davon, ist nach § 6 AtG zu beurteilen.453 Die von einer Anlagengenehmigung nach § 7 AtG - der eine Mischung aus repressivem Genehmigungsvorbehalt und präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darsteUt454 - mit umfaßte betriebsbedingte Lagerung von Kernbrennstoffen auf dem Anlagengelände ist ebenfalls an die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb gebunden (§ 7 II Nr. 3 AtG). 455 Der Genehmigung dürfen nach Abs. II Nr. 6 überwiegende öffentliche Interessen, ins-

451 BVer«iE 49, 89 (136); siehe zum Begriff "Stand von Wisaenachaft und Technik" insbesondere auch: Marburger, Atomrechtliche Schadenavoraorge, S. 21 ff. 452 Haedrich, § 6 AtG, Rdn. 2. 453 Haedrich, ebenda. 454 S.o. 3.2.4.1.2.

4.2. Schutz dea Bodena vor direktem Schadetoffeintrag

155

besondere im Hinblick auf die Umweltauswirkungen, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen. Dem Antrag auf Erteilung einer Anlagengenehmigung nach § 7 AtG sind Unterlagen beizufügen, die eine Aufstellung der vorgesehenen Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens enthalten(§ 3 I Nr. 8 AtVtv). Als eine betriebsbedingte Lagerung, die von der Anlagengenehmigung eingeschlossen ist, ist z.B. eine kurzfristige Lagerung einzusetzender Brennelemente auf dem Betriebsgelände des Reaktors anzusehen, bei der die erforderlichen Untersuchungen und Messungen stattfinden.456 Neben Kernkraftwerken fallen auch Anreicherungsanlagen, Brennelementefabriken und Wiederaufbereitungsanlagen unter § 7 AtG. 457 Fällt eine Lagerung von Kernbrennstoffen weder unter § 6 noch unter § 7 AtG, wird sie vom Auffangtatbestand des § 9 AtG erfaßt. 458 § 9 I 1 AtG bestimmt eine Genehmigungspflicht für den, der Kernbrennstoffe außerhalb der in § 7 bezeichneten Art bearbeitet, verarbeitet oder sonst verwendet. Einer Genehmigung bedarf nach Satz 2 ferner, wer von dem in der Genehmigungsurkunde festgelegten Verfahren für die Bearbeitung, Verarbeitung oder sonstige Verwendung wesentlich abweicht oder die in der Genehmigungsurkunde bezeichnete Betriebsstätte oder deren Lage wesentlich verändert. Die Genehmigungsvoraussetzungen nach Abs. II entsprechen nach dem Wortlaut im wesentlichen denen des§ 7 II AtG. Nach Abs. li Nr. 6 darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, der Wahl des Ortes der Verwendung von Kernbrennstoffen nicht entgegenstehen. Die Genehmigung nach § 9 AtG erlaßt nur den Vorgang der Verwendung von Kernbrennstoffen. Die entsprechende Anlage selbst bedarf keiner atomrechtlichen Genehmigung. Ihre Errichtung und ihr Betrieb unterliegen dem Baurecht, Immissionsschutzrecht, Wasserrecht, Gewerberecht etc. Für die Abstimmung der Behörden untereinander gilt § 7 IV AtG. In Abgrenzung zu den von § 6 und § 7 erfaßten Lagerungsvorgängen gehört zur Verwendung nach § 9 AtG auch eine betriebs- oder tätigkeitsbedingte459 Lagerung von Kernbrennstoffen460, die außerhalb von Anlagen 455 Siehe dazu unten 4.3.1.3.2.

456

Fiacherhof, Bd. 1, § 6 AtG, Anm. 1.

451 Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rdn. 21.

458

459 460

Vgl. Wintere, Atomrecht, S. 31; Fiacherhof, Bd. 1, § 9 AtG, Anm. 3; Haedrich, § 9 AtG, Rdn. 1. Siehe dazu die Ausführungen eben zu§ 7 AtG. Haedrich, § 9 AtG, Rdn. 1.

1S6

4 . Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

nach § 7 I AtG stattfindet. Geht die Lagerung über das betriebsbedingte oder tätigkeitsbedingte Maß hinaus, ist § 6 AtG einschlägig. 461 Unter§ 9 AtG fällt danach etwa der labormäßige Umgang mit Kernbrennstoffen, auch zur experimentellen Wiederaufarbeitung von bestrahlten Kernbrennstoffen und zu Forschungszwecken.462 Bei der Lagerung müssen die Schutzvorschriften in den §§ 28 ff. StrlSch V (Strahlenschutzgrundsätze, Unfall- und Störmaßnahmen etc.) beachtet werden. Ferner ist nach § 46 I StrlSch V, falls die Möglichkeit des Entweichens radioaktiver Stoffe in die Luft, das Wasser oder den Boden besteht, dafür zu sorgen, daß eine unkontrollierte Ableitung vermieden wird, die abgeleitete Aktivität so gering wie möglich ist, die Ableitung überwacht und nach Art und Aktivität spezifiziert der zuständigen Behörde mindestens jährlich angezeigt wird. § 46 StrlSchV insgesamt dient dazu, die in § 45 StrlSchV vorgegebenen Dosisgrenzwerte einzuhalten und zu überwachen. Speziell zum Schutz des Bodens bestimmt § 46 VI StrlSch V, daß bei Tätigkeiten nach den §§ 6, 7 oder 9 AtG oder nach §§ 3, 4 I, 16, 17 StrlSchV also auch bei der Lagerung - dafür zu sorgen ist, daß radioaktive Stoffe nicht in den Boden gelangen, es sei denn, daß dies in einer Genehmigung zugelassen ist. Sowohl von der Genehmigungspflicht nach § 9 als auch von der nach § 6 und§ 7 AtG sind nach§ 10 AtG Ausnahmen möglich. Alle drei Genehmigungen können gemäß § 17 I 2 AtG zur Erreichung der in § 1 AtG genannten Gesetzeszwecke inhaltlich beschriinkt und mit Auflagen verbunden werden. Soweit es zur Erreichung der in § 1 Nr. 2 und 3 AtG bezeichneten Zwecke erforderlich ist, sind nachtriigliche Auflagen zulässig (§ 17 I 3 AtG). Mit Ausnahme der Anlagengenehmigung nach§ 7 AtG können sie auch befristet werden (§ 17 I 4 AtG). § I 7 II - IV AtG enthält Rücknahme- und Widerruftbestimmungen. Eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß von Ordnungsverfügungen zur Sicherstellung des Vollzugs der atomrechtlichen Vorschriften enthält § 19 Ili AtG. § 19 II AtG gewährt den Beauftragten der Aufsichtsbehörde bzw. anderer zugezogener Behörden und den zugezogenen Sachverständigen bestimmte Zutritts- und Prüfungsrechte sowie einen Auskunftsanspruch. Weitere Überwachungsvorschriftenenthalten die§§ 32 ff. StrlSchV.

461 Haedrich, ebenda; a.A.: Winten, Atomrecht, S. 31 f. 462 Fiacherhof, Bd. 1, § 9 AtG, Anm. 3.

4.2. Schutt des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

157

4.2.1.8.4. lAgerungsonstiger radioakliver Stoffe

Die Lagerung sonstiger radioaktiver Stoffe i.S.d. § 2 Abs. I Nr. 2 AtG463 ist im wesentlichen in der Strahlenschutzverordnung geregelt, die in §§ 3 ff. genehmigungs-und Überwachungsvorschriften für den Umgang mit radioaktiven Stoffen enthält. Nach § 1 I Nr. 1 StrlSchV zählt zum "Umgang" auch die Lagerung. Gemäß § 3 I StrlSch V besteht eine Genehmigungspflicht für die Lagerung sonstiger radioaktiver Stoffe. Die Genehmigung ist nach § 6 I StrlSchV zu erteilen, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hier wird ebenfalls u.a. gefordert, daß gewährleistet ist, daß bei dem Umgang die Einrichtungen vorhanden und die Maßnahmen getroffen sind, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Schutzvorschriften- siehe insbesondere §§ 28 ff. StrlSchV- eingehalten werden(§ 6 I Nr. 5). Die Genehmigung fiir den "Umgang im Zusammenhang mit der Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen • richtet sich nach § 6 II StrlSchV. § 3 II StrlSchV eröffnet die Möglichkeit, die Genehmigungen nach §§ 6, 7, 9 AtG und§ 16 StrlSchV, die keine Ermächtigungen für die Genehmigung des Umgangs mit sonstigen radioaktiven Stoffen enthalten, auch auf diesen Umgang zu erweitern. Soweit eine derartige Erweiterung erfolgt, ist eine Genehmigung nach § 3 I StrlSchV nicht mehr erforderlich. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht regelt § 4 StrlSch V. Bei der Lagerung sind insbesondere noch die §§ 28, 46 und 47 StrlSchV zu beachten. 464 Nach § 48 StrlSch V kann die zuständige Behörde zu Kontrollzwecken eine Umgebungsüberwachung anordnen. Für radioaktive Stoffe, deren Aktivität die Freigrenzen der Anlage IV Tabelle IV 1 Spalte 4 StrlSchV überschreitet, normiert § 74 StrlSch V weitere Anforderungen an die Lagerung. Insbesondere müssen sie, solange sie nicht bearbeitet, verarbeitet oder sonst verwendet werden, in geschützten Räumen oder Schutzbehältern gelagert werden. Genehmigungen nach §§ 3 und 16 StriSchV können nach§ 17 AtG inhaltlich beschränkt, mit (nachträglichen) Auflagen versehen, teilweise befristet sowie zurückgenommen bzw. widerrufen werden. 465 Eine Ermächtigungs463 Zum Begriff oben 4.2.1.8.2. 464 S.o. 4.2.1.8.3. 465 Siehe dazu oben 4.2.1.8.3. a.E.

158

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

grundJage für Ordnungsverfügungen enthält § 19 Abs. 111 AtG. 466 Besondere Kontrollbefugnisse ergeben sich aus § 19 II AtG. 467 Daneben ergeben sich Überwachungsbefugnisse aus den§§ 32 ff. StriSchV.

4.2.1.8.5. Lagerung und Ablagerung radioaktiver Reststoffe und Abflllle Nach dem Atomgesetz besteht für denjenigen, bei dem radioaktive Reststoffe468 anfallen, ein Verwertungsgebot für diese Stoffe: § 9a I AtG verpflichtet vorrangig zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe - in erster Linie sind dies abgebrannte Brennelemente, aber auch andere radioaktive Reststoffe aus Forschungseinrichtungen sowie der Radioisotopenanwendung in Medizin und Industrie469 - und ausgebauten oder abgebauten radioaktiven Anlagenteilen, die in Anlagen, in denen mit Kernbrennstoffen umgegangen wird, beim Umgang mit radioaktiven Stoffen außerhalb solcher Anlagen oder in Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen anfallen, entsprechend den in § 1 Nr. 2-4 AtG bestimmten Zielen. Die Vorschrift weist insofern Ähnlichkeit mit§ 5 I Nr. 3 BimSchG auf. Nur wenn die Verwertung nicht mit den in§ 1 Nr. 2-4 AtG bezeichneten Zwecken des Atomgesetzes vereinbar oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik unmöglich oder wirtschaftlich unvertretbar ist, müssen diese Stoffe als radioaktive Abflllle geordnet beseitigt werden (§ 9a I Nr. 2 AtG). In diesem Fall trifft den Besitzer der radioaktiven Abfälle nach § 9a II AtG eine Pflicht zur Ablieferung an die Landessammelstellen für die Zwischenlagerung bzw. an die Anlagen zur Sicherstellung und die Endlager des Bundes nach Abs. III. Die Frage der Endlagerung ist in der Praxis wegen der Standortprobleme (Gorleben) noch ungelöst. Die Ablieferungspflicht wird durch die§§ 81 ff. StriSchV konkretisiert. Die Ablieferung selbst ist als Teil der Beseitigung anzusehen. 470 Zu den weiteren Handlungen, die unter den Beseitigungsbegriff fallen, gehören auch die Lagerung und Ablagerung (Endlagerung) radioaktiver Abfälle. 471 Auch die Verwertung schließt die dazu erforderliche Lagerung der zu verwertenden radioaktiven Reststoffe ein. 472 466 467 468 469 470 471 472

Dazu: ebenda. Dazu: ebenda. Zum Begriff s.o. 4.2.1.8.2. Haedrich, § 9a AtG, Rdn. 31. B/PIR, Beaeitigung, S. 55. BIPIR, S. SI, 10; Dauk, System, S. 137 f. B/PIR, S. SI.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

159

§ 9a II 2 AtG läßt von der Ablieferungspflicht allerdings Ausnahmen durch die entsprechenden Rechtsverordnungen oder aufgrund von Anordnungen oder Genehmigungen nach dem Atomgesetz oder den darauf beruhenden Rechtsverordnungen zu. 473 Zu den Ausnahmen bestimmt § 83 I StrlSchV im einzelnen: Die Ablieferungspflicht bezieht sich nicht auf die radioaktiven Abfälle, deren Beseitigung nach § 4 IV 1 Nr. 2e StrlSchV nicht genehmigungsbedürftig ist(§ 83 Abs. I Nr. 1 StrlSchV). Diese radioaktiven Abfälle gelten nach § 2 II AtG auch nicht als radioaktive Stoffe. Sie fallen deshalb auch nicht unter § 1 III Nr. 2 AbfG -für ihre Lagerung und Ablagerung gilt also das Abfallrecht.474 Die Ablieferungspflicht gilt nach § 83 I Nr. 2 StrlSchV auch nicht für solche radioaktiven Abfälle, deren Ableitung nach den §§ 45 und 46 StrlSchV zulässig ist. Sie bezieht sich auch nicht auf radioaktive Abfälle, deren andetweitige Beseitigung oder Abgabe angeordnet oder genehmigt worden ist(§ 83 I Nr. 3). Die Genehmigung andetweitiger Beseitigung ist nach § 3 I StrlSchV möglich. Handelt es sich um radioaktiven Abfall, der keine Kernbrennstoffe enthält, ist der Umgangsgenehmigungstatbestand des § 3 I 1. Alt StriSchV einschlägig; handelt es sich um kembrennstoffhaltige Abfälle ist der Beseitigungsgenehmigungstatbestand des § 3 I 2. Alt. StrlSchV anzuwenden. 475 Gemäß § 3 li StrlSchV kann eine Genehmigung nach den§§ 6, 7, 9 AtG, § 16 StriSchV auf eine nach § 3 I genehmigungsbedürftige Beseitigung erstreckt werden. Die Genehmigung nach§ 3 I ist dann überflüssig. Wichtig ist dies für die Zwischenlagerung anfallender radioaktiver Abfälle. 476 Nach § 83 I 2 StrlSchV ruht die Ablieferungspflicht, solange eine anderweitige Zwischenlagerung angeordnet oder genehmigt worden ist. Eine abweichende Regelung enthält auch § 19 III 2 Nr. 2 AtG. Danach kann die Aufsichtsbehörde anordnen, daß radioaktive Stoffe bei einer von ihr bestimmten Stelle aufbewahrt oder vetwah.rt werden. § 86 StrlSchV bestimmt, daß bis zur Inbetriebnahme von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, die

473 474 475 476

Eingehend dazu: Dauk, System, S.

S.o. 4.2.1.1.4.4. Dauk, System, S. Siehe Dauk, S.

137. 124.

120 ff.

160

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dee Boden~ vor Schadstoffen

nach § 81 StrlSchV abzuliefernden radioaktiven Abfälle vom Ablieferungspflichtigen zwischenzulagern sind.

In jedem Fall hat die Beseitigung radioaktiver Abfälle nach § 9a I Nr. 2 AtG geordnet zu erfolgen, d.h. nach Maßgabe der Vorschriften des Atomgesetzes, der Strahlenschutzverordnung und behördlicher Anordnungen. 477 Insbesondere sind die Strahlenschutzgrundsätze (§§ 28 StrlSchV) und die §§ 44 ff. StrlSchV (Dosisgrenzwerte etc.) zu beachten.478 Für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung der Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung nach § 9a III AtG ist gemäß § 9b I AtG ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben, in dessen Rahmen nach Abs. II eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Errichtung und Betrieb der in § 9a III genannten Landessammelstellen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes bedürfen der Genehmigung nach§ 9 AtG oder nach§ 3 StrlSchV (§ 9c AtG). Die für die anschließende schadlose Verwertung bzw. geordnete Beseitigung erforderlichen Anlagen zur Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente in Form der sog. anlageninternen Abklingbecken479 sind als Grundvoraussetzung für jede Reaktoranlage nach § 7 II Nr. 3 AtG anzusehen. 480 Sie sind daher ein Teil der nach § 7 I AtG genehmigungsbedürftigen Anlage. Auch die Genehmigungsfähigkeit sog. anlageninterner Kompaktlager nach § 7 I AtG wird inzwischen überwiegend bejaht. 481 Die durch den Abstand zwischen den Brennstäben ermöglichte Abschirmung bei der Normallagerung wird bei Kompaktlagern durch Lagergestelle und Trennplatten erreicht, die eine engere Lagerung der Brennstäbe erlauben. 482 Hinsichtlich der Instrumente zur Durchsetzung der atomrechtlichen Bestimmungen kann auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen werden. 483 Hinzuzufügen ist, daß der Planfeststellungsbeschluß nach § 9b AtG zur Erreichung der in § 1 AtG genannten Zwecke inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden kann (§ 9b III 1 AtG). Soweit es zur Erreichung der in § 1 Nr. 2 - 4 AtG genannten Zwecke erforderlich ist, sind nachträgliche Auflagen zulässig(§ 9b III 2 AtG). 477 Fiecherhof, Bd. 1, § 9a AtG, Rdn. 6; Rabben, Ent10rgung, S. 38; Dauk, S. 76. 478 Siehe dazu oben 4.2.1.8.3. 479 Dort werden die ausgedienten Brennelemente bie zum Erreichen der Transportfihigkeit, d.h. für die Mindestabklingphaae- etwa aechs Monate bis zwei Jahre-, zwiechengelagert. 480 Rabben, Ent10rgung, S. 63; Fiecherhof, ET 1980, 499; Kimminich, ET 1982, 502 (505). 481 Siehe hierzu Haedrich, § 6 AtG, Rdn. 7 m.w.N. und insbesondere Rabben, S. 66 ff. m.w.N.; Degenhart, ET 1983, 230 (237 f.). 482 Fiecherhof, ET 1980, 499; Rabben, S. 64, 67. 483 S.o. 4.2.1.8.3. und 4.2.1.8.4.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

161

4.2.1.9. Regelung durch das Bundesnaturschutzgesetz484 4. 2.1. 9.1. Boden als Schutzgut des Bundesnaturschutzgesetzes

Nach § 1 BNatSchG sind Natur und Landschaft im besiedelten und unbesiedelten Bereich so :zu schilt:zen, :zu pflegen und :zu entwickeln, daß die Leistungsflihigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsflihigeit der Naturgilter, die Pflanzen- und 1ienvelt sowie die Vielfab, Eigenart und SchiJnheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlagen des Menschen und als Voraussetzung jar seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind. Der Boden wird von den Begriffen "Naturbausbalt" und "Naturgüter" mit umfaßt. 485 Die Formulierung des § 1 BNatSchG weist auf den anthropozentrischen Charakter des Gesetzes hin: es gebt im wesentlichen um die nachhaltige Sicherung der Lebensgrundlagen des Menschen. Bereits aus der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf gebt aber hervor, daß der Naturschutz die "ideellen Werte von Natur und Landschaft" einschließen soll. 486 Anders als bei Erlaß des Reichsnaturschutzgesetzes haben bei Erlaß des Bundesnaturschutzgesetzes gleich- oder vorrangig ökologische Gesichtspunkte neben eher ästhetischen gestanden. 487 Das Naturschutzrecht schützt daher auch schon jetzt Natur und Landschaft "an sicb" 488 und macht so zumindest einen ökologisch orientierten Bodenschutz möglicb489. 490 Die in § 1 genannten Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden durch die in § 2 aufgeführten Grundsätze konkretisiert. In Bezug auf den Boden besteht nach § 2 I Nr. 4 der Grundsatz, daß der Boden :zu erhalten ist,· ein Verlust seiner natilrlichen Fruchtbarkeit ist :zu venneiden. Boden stellt demnach ein durch das Bundesnaturschutzgesetz unmittelbar geschiltztes Gut dar. Er ist insbesondere gegen Erosion durch Wind und Wasser sowie gegen Vergiftung durch Pestizide und Herbizide, aber auch gegen Überdüngung zu

484 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege- BNaiSchG, i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. 3.1987, BGBI. I, S. 889, zuletzt geänd. durch Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. 6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12. 2.1990, BGBI. I, S. 212. 485 Bcmatzky/Böhm, § 1 BNaiSchG, Rdn. 7 f.; Kolodziejcokf Recken, § 1 BNaiSchG, Rdn. 11 f.; Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (147); Lorz, § 1 BNaiSchG, Anm. 2a, b. 486 BT-Drucksache 7/886, S. 28. 487 Erbguth, NuR 1986, 137 (139). 488 Kloepfer, Umwe1trecht, § 10 Rdn. 7. 489 Erbguth, NuR 1986, 137 (139); ihm folgend: Ziegler, BWVPr. 1987, 145 (147). 490 Siehe insb. auch: Erbguth, UPR 1984, 241 (244 f.); Peine, in: UTR 3, S. 232 f.; Smollich, JA 1988, 592 (594 f.). 11 Heicrmann

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

schützen; Mutterboden darf nicht mit unbelebtem ("totem") Boden und Abfällen überdeckt werden. 491 Der Grundsatz der Erhaltung des Bodens und der Vermeidung eines Verlustes seiner Fruchtbarkeit ist -wie auch die anderen Grundsätze- nicht absolut zu verwirklichen, sondern nach § 2 I 1 BNatSchG soweit es im Einzelfall zur Verwirklichung der Ziele erforderlich, möglich und unter Abwägung aller Anforderungen nach§ 1 ß BNatSchG angemessen ist. § 1 II BNatSchG normiert das Gebot, die Anforderungen des § 1 I untereinander und gegen die sonstigen Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft abzuwägen. Daraus folgt, daß die Interessen des Bodenschutzes und des Naturschutzes und der Landschaftspflege insgesamt nicht von vornherein vorrangig sind, sondern ihre Schutzwürdigkeit sich erst aus der Abwägung ergibt, m die auch private Belange einzubeziehen sind492.

4.2.1.9.2. (Ab-)Lagerung bodengeftihrdender Stoffe als Eingriff in Natur und Landschaft nach § 8 BNatSchG Als wichtige Fortentwicklung des Naturschutzrechts wird die rahmenrechtliche Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG angesehen, 493 die durch die entsprechenden Landesvorschriften ausgefüllt wird494. Der am Verursacherprinzip ausgerichtete§ 8 BNatSchG495 unterwirft Eingriffe in Natur und Landschaft, neben den Anforderungen nach den jeweiligen Spezialgesetzen, allgemeinen naturschutzrechtlichen Erfordernissen.

4.2.1.9.2.1. Voraussetzungen nach§ 8 I BNatSchG § 8 I BNatSchG legt fest, was überhaupt unter Eingriffen in Natur und Landschaft zu verstehen ist, nämlich Verlinderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundstacken, die die Leistungsfllhigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeintrllchtigen können. Erfaßt werden zwei Handlungstypen, die zur Beeinträchtigung der Schutzgüter führen können: Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundstücken. § 8 VIII ermächtigt die Länder, die Regelung des Abs. I ein491 492 493 494

Bernstzlcy!Böhm, § 2 BNatSchG, Rdn. 3d. Soell, Naturachutzrecht, S. 498; Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rdn. 8. Pielow, NuR 1979, 15; Breuer, NuR 1980, 89 (89 f.); Gassncr, NuR 1984, 81. Z.B. §§ 7 ff. NdsNatSchG. Hier wird aus Raumgründen exemplarisch nur die Rahmenregelung des § 8 BNatSchG dargestellt. 495 Ronellenfitsch, NuR 1986, 284 (285 m.w.N.); Pielow, 16; Breuer, 90; Gassner, ebenda.

4.2. Schutz des BodeDB vor direktem Schadstoffeintrag

163

zuschränken aber auch auszudehnen. 496 Die Länder haben von dieser Ermächtigung z.T. Gebrauch gemacht, meist in Form von "Positivlisten", die Handlungen nennen, die stets als Eingriffe anzusehen sind,497 selten in Form von "Negativlisten", die Bestimmungen treffen, welche Vorhaben keine Eingriffe sind. Allgemein ist zu den beiden Handlungstypen folgendes anzumerken: Die Gestalt von Grundjlilchen ist die äußere Erscheinungsform der Erdoberfläche. 498 Sie wird nicht nur bestimmt durch die Formen, Konturen und Zusammensetzung der "nackten" Erdoberfläche, sondern auch durch die gegebenenfalls aufstehenden Pflanzenbestände, die Existenz und Form von Wasserläufen oder durch bauliche Anlagen verschiedener Art. 499

Verlinderung ist nicht im engen naturwissenschaftlichen Sinn zu verstehen, sondern nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Gesetzesziele - normale Veränderungen des Aussehens eines Ackers im Lauf mehrerer Jahre, bedingt durch Ackerarbeiten und Fruchtwechsel, sowie der Ersatz von Weidezäunen oder auch der Ersatz eines Gebäudes durch ein anderes mit ähnlichem Baukörper, sind daher nicht als Veränderungen i.S.d. Gesetzes anzusehen. SOO Eine Verlinderung der Nutzung von Grundjlilchen liegt vor, wenn der Rahmen der bisherigen Nutzungsart verlassen, z.B. ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück der Nutzung als Campingplatz oder Sportgelände zugeführt wirdSOl oder eine unbebaute Grünfläche bebaut wirdS02. Nicht erfaßt sind vor allem die Vorgänge, die i.R.d. fortbestehenden Nutzung eines Grundstücks ökologisch relevante Veränderungen auf oder in einem Grundstück bewirkenS03, z.B. der Schadstoffeintrag i.R.d. landwirtschaftlichen Düngung und Pflanzenbehandlung. 496 BerDBtzky/Böhm, § 8 BNatSchG, Rdn. 19. 497 Kritisch dazu: Ehrlein, VBlBW 1990, 121 (122), der ausführt, daß die Positiv- und Negativlisten nur widerlegliehe Vermutungen enthalten; 10 auch Ronellenfitsch, NuR 1986, 284 (286, Fn. 24) und BVerwG, Urt. vom 27. 9.1990, NVwZ 1991, 364 (36S) = DVBI. 1991, 209 (210). 498 Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 3; Breuer, NuR 1980, 89 (91); Pielow, NuR 1979, lS. 499 Kolodziejcok/Recken, ebenda; Pielow, ebenda. soo Kolodziejcok/Recken, Rdn. 4. SOl Breuer, NuR 1980, 89 (92); Kolodziejcok/Recken, Rdn. S. S02 BerDBtzky!Böhm, § 8 BNatSchG, Rdn. 4; Pielow, NuR 1979, 1S S03 Gassner, NuR 1984, 81 (82 f.). Anden: Rösgen, AgrarR 1983, 141 (147); Burmeister, Schutz, S. 46, hält Rösgen entgegen, daß seine Auffassung nicht mehr von § 8 Vßl gedeckt sei, der nicht dazu diene, die grundlegende Eingriffsdefinition entgegen ihrem Wortlaut auszudehnen.

164

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Auch soweit keine entsprechenden Landesregelungen bestehen, sind dementsprechend Ablagerungen von Abftllen, Bergbauhalden und die Anlegung von Zwischenlagerstillten unter diese beiden Handlungstypen zu subsumieren.S04 Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundstücken müssen die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können, um Eingriffsqualität zu haben. Der Begriff der "Leistungsfahighdt des Naturhaushalts" wird überwiegend ökologisch interpretiert und bedeutet die Funktionsfähigkeit der Vielzahl von jeweils voneinander abhängigen Ökosystemen und Teil-Ökosystemen, die durch Wechselwirkungen zwischen Lebensraum und Besiedlung geprägt sind. SOS Zu diesen Ökosystemen gehört auch der Boden. Das "Landschaftsbild" wird definiert als optisch wahrnehmbare Erscheinung von Natur und Landschaft, sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren Elementen. S06 Mögliche Beeinträchtigungen, d.h. StörungenS07 bzw. HerabsetzungenSOS, müssen "erheblich" oder "nachhaltig" sein. S09 Erheblich ist eine Beeinträchtigung dann, wenn sie von einiger Größe und einigem Gewicht ist, d.h. wenn ein Vorhaben je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls Einzelelemente oder den Gesamtzusammenhang von Natur und Landschaft in nicht unerheblicher Weise stört oder schädigt.S10

S04 Bcmatzky/Böhm, § 8 BNatSchG, Rdn. 3 f.; Gassner, 82; Lorz, § 8 BNatSchG, Anm. 3. SOS BsyVGH, Bcschl. vom 7. 6.1977, NuR 1980, 2S f.; Lorz, § 1 BNatSchG, Anm. 2a; Burmeister, Schutz, S. 47 m.w.N. in Fn. 148. Anders: Pielow, NuR 1979, 1S, der

S06

meint, daß der Begriff primär nur die Umweltfaktoren Pflanzen- und Tietwelt erfasse. Die übrigen kämen nur inaoweit in Betracht, als sie von unmittelbarem Einfluß auf die Primärfaktoren und nicht Gegenstand eines beaonderen gesetzlichen Schutzes (BimSchG, WHG) seien. Noch enger: Breuer, NuR 1980, 89 (92): Nur wenn eine tragende ökologische Funktion des Naturltaushalbi bedroht sei, die nicht von anderen Phänomenen des Naturltaushalta ersetzt werde und sie die Lebensgrundlagen des Menschen bzw. Natur und Landschaft als Voraussetzung seiner Erltolung tangiere, könne ein Eingriff vorliegen. Ähnlich: Riedlein/Weidinger/Graß, Art. 6 BsyNatSchG, Arun. 7 f. Vgl. Lorz, § 8 BNatSchG, Arun. 3; Breuer, ebenda; Pielow, ebenda. Weiter: Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 7 - sie stellen auf die sinnliche Wahrnehmung insgesamt ab. Breuer, ebenda.

S07 SOS Lorz, § 8 BNatSchG, Anm. 3. S09 Zu beachten ist, daß § 7 I NdsNatSchG das Merkmal "nachhaltig" nicht enthält. Es aoll jedoch nach Hosch, UPR 1983, 142 (144, Fn. 11), im Begriff "erlteblich" enthalten sein.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

165

Hinsichtlich des Naturhaushalts soll das der Fall sein, wenn die Veränderung nach Art, Umfang oder Schwere nicht als völlig unwesentlich angesehen werden kann.Sll Nach Kolodziejcok/Recken512 muß die Funktionsfähigkeit so herabgesetzt werden, daß dies ohne weiteres und ohne komplizierte Untersuchungen feststellbar ist. Nach dem von Kolodziejcok/Recken genannten Kriterium erreicht eine Bodenverunreinigung durch (ab-)gelagerte Stoffe regelmäßig erst dann Eingriffsqualität, wenn sie zu Schädigungen der Vegetation führt, denn erst dann ist normalerweise die Herabsetzung der Funktionsfähigkeit des Bodens ohne weiteres und ohne komplizierte Untersuchungen feststellbar. Mit dem Grundsatz der Bodenerhaltung in § 2 Abs. I Nr. 4 BNatSchG, wonach ein Verlust der natürlichen Fruchtbarkeit zu vermeiden ist, läßt sich diese Auslegung wohl nicht vereinbaren. Hinsichtlich des Landschaftsbildes gilt, daß die Beeinträchtigung erheblich ist, wenn sie auch fiir jeden normalen, ungeschulten Beobachter wahrzunehmen ist.S13 Nach einer engeren Auffassung sollen Beeinträchtigungen erst dann erheblich sein, wenn die Funktionen von Natur und Landschaft als Lebensgrundlage für den Menschen und seine Erholung in nicht unwesentlichem Ausmaß gestört oder gefährdet werden.S14 Auf die Dauer der Beeinträchtigung kommt es nicht entscheidend an.S1S Für vorbelastete Gebiete ergibt sich nach der Rechtsprechung516 die Besonderheit, daß dort die Erheblicbkeitsschwelle höher liegen soll als in unbelasteten. Zusammenfassend läßt sich zum Erheblicbkeitsmerkmal festhalten, daß es unklar bleibt, welche Beeinträchtigungen als erheblich einzustufen sind. Letztlich werden subjektive Kriterien des jeweiligen Sachbearbeiters in der Naturschutzbehörde entscheidend sein. S 11

510 VG Karlaruhe, Urt. vom 9.11.1978, NuR 1980, 34 (35); OVG Münster, Urt. vom 3. 11.1980, NuR 1981, 106 (107); Friedlein/Weidinger/Graß, Art. 6 BayNatSchG, Anm. 9. Sll VGH Bad.-Württ., Urt. vom 18. 9.1980, NuR 1981, 132 (133). 512 Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 9. 513 Kolodziejcok/Recken, ebenda. 514 Breuer, NuR 1980, 89 (92); Fickert, BayVBI. 1978, 681 (685). Dazu kritisch: Burmeiater, Schutz, S. 73. S1S Burmeister, S. 51 m.w .N., S2. 516 VGH Bad.-Württ., Urt. vom 24. 6.1983, NuR 1983, 276 (278); mit weiteren Nachweisen über unveröffentliche Entscheidungen: Burmeiater, S. 51; a .A.: BayVGH, Urt. vom 4.11.1981, NuR 1982, 108 f. ; kritisch auch: Gaßner/Siederer, Eingriffe, S. 47. 517 Burmeister, S. 54.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodene vor Schadstoffen

Nachhaltig ist ein Eingriff, wenn er nicht nur vorübergehende Wirkungen entfaltet.518 Nach Kolod.ziejcok/Recken519 wird man von einer nachhaltigen Beeinträchtigung i.d.R. auch nur dann sprechen können, wenn diese Beeinträchtigung auch ohne diesen zeitlichen Gesichtspunkt von einer gewissen Erheblichkeit ist. Nach dem Wortlaut des § 8 I BNatSchG ist es nicht erforderlich, daß Beeinträchtigungen tatsächlich eintreten, die Möglichkeit des Eintritts reicht aus. Dementsprechend fordern Lorz520 und Pielow521 die Eignung erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen herbeizuführen. Kolodziejcok/Recken522 fordern ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit, Breuer523 und Gaßner/Siederer524 die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Eine letzte Begrenzung des Eingriffstatbestandes ergibt sich aus der Systematik des Umweltrechts. § 8 BNatSchG soll sich wegen seines "lückenfüllenden Charakters" nicht auf Belastungen anderer Umweltgüter beziehen, die einen spezialgesetzlichen Schutz genießen - wie insbesondere die Luft durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die Gewässer durch das Wasserhaushaltsgesetz und die Landeswassergesetze -, sondern nur auf unmittelbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes durch Veränderungen der Nutzung oder der Gestalt von Grundflächen.S25 Mittelbare Beeinträchtigungen der Natur, etwa durch den Schadstofftransport über das Medium Luft über große Entfernungen, deren Folge faktische Eingriffe in den Boden und andere Ökosysteme sind, werden daher vom Eingriffstatbestand des § 8 BNatSchG nicht erfaßt. 526

4. 2.1. 9. 2. 2. Rechtsfolgen eines Eingriffs Gemäß § 8 I/ 1 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, vermeidbare Beeintrllchtigungen von Natur und Landschaft zu un518 Bematzky/Böhm, § 8 BNatSchG, Rdn. 5; vgl. auch: Pielow, NuR 1979, 15 (16); Kolodziejcok/Recken, § 8 BNaiSchG, Rdn. 10. 519 Ebenda. 520 § 8 BNaiSchG, Anm. 3. 521 NuR 1979, 15 (16). 522 § 8 BNatSchG, Rdn. 6. 523 NuR 1980, 89 (92). 524 Eingriffe, S. 32. 525 Breuer, NuR 1980, 89 (92); Pielow, NuR 1979, 15; Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 12; Schomerus, DefiZite, S. 128 f.; Ronellenfitsch, VerwArch 77 (1986), 177 (180); Bickel, DÖV 1989, 937 (938 f.). 526 Vgl. Schomerus, S 129; anders tür das Bin. NaiSchG : Gaßner/Siederer, Eingriffe, s. 48.

4.2. Schutz dea Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

167

terlassen sowie unvenneidbare Beeintrilchtigungen innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen, soweit es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege etforderlich ist. Nach Satz 2 ist weitere Voraussetzung, daß jar den Eingriff in anderen Rechtsvorschriften eine behördliche Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung, Planfeststellung, sonstige Entscheidung oder eine Anzeige an eine Behörde vorgeschrieben ist. Die Regelung ist auch dann anwendbar, wenn der Eingriff illegal, d.h. ohne die erforderliche Entscheidung nach Abs. II vorgenommen wurde. Kommt die nach Satz 3 zuständige Behörde bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit des illegalen Eingriffs zu dem Ergebnis, daß dieser ausgleichspflichtig ist, kann sie immer noch die entsprechenden Maßnahmen fordern. 527 Hätte der Eingriff nach Abs. III untersagt werden müssen, kann die Wiederherstellung des früheren Zustands angeordnet werden. 528 § 8 II 1 BNatSchG bietet der zuständigen Behörde eine spezielle Ermächtigungsgrundlage, die es ihr insbesondere ermöglicht, durch Nebenbestimmungen das naturschädigende Ausmaß des Eingriffs so gering wie möglich zu halten.529 Der Begriff der "Vermeidbarkeit der Beeinträchtigung" knüpft nämlich an die konkrete Ausführung eines Vorhabens an, das nach den spezialgesetzlichen Regelungen zulässig ist, nicht an eine abstrakte Sicht530, da bei rein tatsächlicher Betrachtungsweise alle Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vermeidbar sind, wenn man das ursächliche Vorhaben ersetzt oder ersatzlos streicht531. Die Beeinträchtigung ist danach vielmehr dann vermeidbar, wenn sie unterlassen werden kann, ohne das Ziel des jeweiligen Vorhabens in Frage zu stellen, etwa durch entsprechende Änderungen in der Durchführung. § 8 II 1 BNatSchG enthält ein Schadensminimierungsgebot.532

Sind solche Änderungen und Vorkehrungen tatsächlich und rechtlich möglich, ist der Verursacher des Eingriffs von der zuständigen Behörde prinzipiell auch zu ihrer Vomahme zu verpflichten; die Behörde hat dabei aller527 Bernatzky/Böhm, 528 529 530

531 532

§ 8 BNatSchG, Rdn. 15; Lorz, § 8 BNatSchG, Anm. 4; Brandt/ Schwarzer, Bodenaanierung, S. 75. Bernatzky/Böhm, ebenda. Ehrlein, VBIBW 1990, 121 (122). VGH Bad.-Wünt., Urt. vom 30. 7.1985, DVBI. 1986, 364 (367); Gassner, NuR 1984, 81 (84); Breuer, NuR 1980, 89 (93); Ronellenfitsch, NuR 1986, 284 (287); Gaentzsch, NuR 1986, 89 (91); Gaßner/Siederer, Eingriffe, S. 51 ff. mit Beisp.; Ehrlein, 122 f.; a.A. wohl: Paetow, NuR 1986, 144 (147). Breuer, ebenda; Schink, NWVBL 1991, 73 (75). Anders: Burmeister, Schutz, S. 91 ff.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

dings-wie generell im öffentlichen Recht- den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.533 Zuständige Behörde ist nach Satz 3 die Fachbehörde, in der über das den Eingriff auslösende Vorhaben entschieden wird. Zur Verhinderung naturschutzrechtlicher Vollzugsdefizite ist in § 8 V 1 BNatSchG eine Beteiligung der Naturschutzbehörden vorgeschrieben, die allerdings für Entscheidungen aufgrund eines Bebauungsplans entfällt. 534 Liegt ein unvermeidbarer Eingriff vor, ist der Verursacher nach § 8 11 1, 2. Alt. BNatSchG zum Ausgleich zu verpflichten. Zur Verhinderung unangemessener Verzögerungen hat ibm die Behörde hierfür eine nach dem Einzelfall zu bestimmende535 angemessene536 Frist zu setzen. Nach Abs. li 4 gilt ein Eingriff als ausgeglichen, wenn nach seiner Beendigung keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Da im naturwissenschaftlieben Sinn kein Eingriff ausgleichbar ist, weil ein ökologisch identischer Zustand nicht hergestellt werden kann, wird gefordert, daß Ausgleichsmaßnahmen in dem betroffenen Landschaftsraum einen Zustand schaffen müssen, der in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Faktoren des ökologiseben und optischen Beziehungsgefüges den früheren Zustand fortführt (funktioneller Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich). 537 Die Ausgleichspflicht besteht nach dem Gesetz allerdings nur, soweit es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Das bedeutet, daß die Ausgleichsmaßnahmen einerseits so weit geben müssen, wie es zur Verwirklichung der Ziele und Grundsätze in §§ 1, 2 BNatSchG erforderlich ist, andererseits aber nicht außer Verhältnis zum erreichbaren Ausgleichsziel stehen dürfen, wobei es nicht auf die wirtschaftliche Situation des Eingreifers ankommt. 538 Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 18; siehe auch die Nachweise in Fn. 530. Vgl. Ronellentillleh, NuR 1986, 284 (288). Ronellentillleh, ebenda. Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 20. 531 BVerwG, Urt. vom 27. 9.1990, DVBI. 1991, 209 (212) = NVwZ 1991, 364 (367); Breuer, NuR 1980, 89 (95); Ebrlein, VB1BW 1990, 121 (123); Schink, NWVBL 1991, 73 (76); ihnlieh im Ergebnis: Pie1ow, NuR 1979, 15 (17); Ronellentillleh, NuR 1986, 284 (287); Lon, § 8 BNatSchG, Anm. 4; Bematzky/ Böhm, § 8 BNatSchG, Rdn. 8; Kolodziejcok/Recken, § 8 BNatSchG, Rdn. 21; Gauner, NuR 1984, 81 (84); siehe dazu auch: Burmeiater, Schutz, S. 104 ff. 538 Ebrlein, ebenda; siehe auch Gaßner/Siederer, Eingriffe, S. 66.

533 534 535 536

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

169

Wird aufgrund eines Fachplans in Natur und Landschaft eingegriffen, sind gemäß § 8 IV BNatSchG die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen im Fachplan selbst oder in einem landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen. Sind Beeinträchtigungen durch einen Eingriff nicht vermeidbar oder nicht im erforderlichen Maße auszugleichen, ist der Eingriff nach § 8 Ill BNatSchG zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen. In die Abwägung sind nicht nur die öffentlichen Belange einzubeziehen, sondern auch die eventuellen privaten, wirtschaftlich bestimmten Interessen an der Vomahme des Eingriffs.539 Es handelt sich hierbei um eine "echte" planensehe Abwägung, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. 540 Welcher Belang im Einzelfall Vorrang hat, kann nur situationsbedingt entschieden werden.541 Das führt zu der Konsequenz, daß insbesondere bei Großprojekten, bei denen Ausgleichsmaßnahmen oft tatsächlich nicht möglich sind, die Verursacherhaftung ganz entfällt, weil die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege dort nur ausnahmsweise den anderen öffentlichen und privaten Belangen vorgehen werden. 542

Wegen dieser auf§ 8 III BNatSchG beruhenden mißlichen Lage haben die Länder von der durch § 8 IX BNatSchG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht, weitergehende Vorschriften zu Abs. II und III zu erlassen. Es werden Regelungen über Ersatzmaßnahmen und Ausgleichsabgaben, aber z.T. auch zur Stärkung der Belange des Naturschutzes getroffen.543

22. 1991, 209 (213)

539 Kolodziejcok/Rccken, § 8 BNatSchG, Rdn. 540 BVerwG, Urt. vom 27. 9.1990, DVBI. 541 Schink, NWVBL 1991, 73 (16).

= NVwZ

1991, 364 (367).

542 Pielow, NuR 1979, 15 (17); siehe zu diesem Problem insbesondere: VGH Bad.-Württ., Urt. vom 30. 7.1985, DVBI. 1986, 364 (367); Roncllenfit.sch, VerwArch 77 (1986), 177 (191). 543 Siehe dazu: Gaßner/Sicderer, Eingriffe, S. 90 ff.; Ehrlein, VBlBW 1990, 121 (124); zu den Ausgleichsabgaben: BVerwGE 74, 308 ff.

170

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

4.2.2. Störungen bei Herstellungs-, Bearbeitungs- und Verarbeitungsprozessen Dieser Problembereich umfaßt betriebliche Störfälle und Unfälle, hier das Austreten bodengefährdender Stoffe aus Betriebsvorrichtungen, die zu Verunreinigungen des Bodens führen können. Die Gefahr, die von derartigen Schadensereignissen ausgeht, wird beispielhaft durch das spektakuläre Unglück von Seveso 1976, bei dem der Boden in weitem Umkreis der Anlage mit Dioxin verseucht wurdet, sowie durch den Sandoz-Unfall1986 in Basel verdeutlicht. Regelungen, die für die Störfallvorsorge und Störfallabwehr bei Herstellungs-, Bearbeitungs- und Verarbeitungsprozessen relevant sein können, finden sich im Bundesimmissionsschutzgesetz, im Wasserhaushaltsgesetz, in der Gefahrstoffverordnung, im Bundesberggesetz und im Atomgesetz. Die entsprechenden Regelungen wurden bereits oben bei der Behandlung des Problembereichs (Ab-)Lagerung von schadstofthaltigen Abfällen und (Rest-) Stoffen dargestellt. 2 Herstellungs- und/oder Be- und Verarbeitungsprozesse sind dort entweder wie Lagerungsvorgänge als Teil des "Betriebs" anzusehen3 oder sind vom Begriff "Umgang" erfaßt4 bzw. werden zusammen mit Lagerung und Ablagerung aufgeführt5 . Insofern erübrigt sich eine erneute Darstellungen dieser Vorschriften. Anmerkungen sollen hier nur zu den Störfallvorschriften der Störfallverordnung und der Strahlenschutzverordnung gemacht werden. 6

1 2 3 4

s

6

Besonders stark auf einer Fläche von 73 ba, Feldbaus, WiVerw 1981, 191 (192). BhnSchG: 4.2.1.2.; WHG: 4.2.1.3.; GetstoftV: 4.2.1.6.; BBergG: 4.2.1.7.; AtG: 4.2.1.8. Siebe die Ausführungen zum BhnSchG. Siehe die Ausführungen zum WHG und der GefStoftV. Siehe die Ausführungen zum BBergG und AtG. Zu einer vergleichenden Risikobewertung im Atom- und im Immissionsscbutzrecbt: Breuer, NVwZ 1990, 211 ff.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

171

4. 2. 2.1. Regelung durch die Stöifallverordnung7 4. 2. 2.1.1. Boden als Schutzgut der Stöifallverordnung

Die auf Grundlage von§ 7 I BimSchG i.V.m. § 120e I GewO erlassene Verordnung gilt nach § 1 I für nach dem BimSchG genehmigungsbedürftige Anlagen in denen Stoffe nach Anhang Il, Ill oder IV zur Verordnung im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs entstehen können. Nur Anlagen, in denen nur so geringe Mengen dieser Stoffe vorhanden sein oder entstehen können, daß der Eintritt eines Störfalls offensichtlich ausgeschlossen ist, fallen nicht unter diese Verordnung. Die in Anhang II, II und IV genannten Stoffe sind in erster Linie toxische und leicht entzündliche sowie explosionsgefährliche Stoffe. Die von der Stärfallverordnung erfaßten Anlagen sind demzufolge mit einem erhöhten Getährdungspotential ausgestattete. 8 Der Anwendungsbereich der Verordnung ist also recht eingeschränkt. Zweck der Störfallverordnung ist es vorrangig, Störfälle, die nach der Definition des § 2 I StörfallV eine ernste Gefahr hervorrufen müssen, zu verhindem bzw. ihre Folgen zu minimieren. Was eine ernste Gefahr i.S.d. Verordnung ist, bestimmt § 2 II. Dort wird ausdrücklich auch eine Schädigung von Gewässern, Böden, Tier- oder Pflanzenbeständen mit einbezogen9 , falls durch eine Änderung ihres Bestandes oder ihrer Nutzbarkeit das Gemeinwohl beeinträchtigt würde. Die Störfallverordnung ist demnach dem unmittelbaren Bodenschutzrecht zuzuordnen. 4. 2. 2.1. 2. Stöifall

Der Störfallbegriff erfährt seine Legaldefinition in § 2 I StörfallV. Danach ist ein Störfall eine Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs, bei der ein Stoff nach Anhang II, III oder IV durch Ereignisse wie größere Emissionen, Brände oder Explosionen sofort oder später eine ernste Gefahr hervorruft.

7

8 9

Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (StörfallVcrordnung - StörfallV) 12. BlmSchV - i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. 5.1988, BGBI. I, S. 625, geänd. durch Art. 1 d. Verordnung vom 28. 8.1991, BGBI. I, S. 1838, ber. S. 2044. Feldhaus, WiVerw 1981, 191 (195). Zur Schadenschwelle beim Boden s.o. 4.2.1.2.4.

172

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Der Begriff der ernsten Gefahr wird in § 2 Il definiert. Die Definition erfaßt u.a. Bodenschädigungen, falls durch eine Veränderung des Bestandes oder der Nutzbarkeit der Böden das Gemeinwohl beeinträchtigt würde.lO Klarzustellen ist, daß sich das Freiwerden i.S.d. § 2 Abs. I nicht nur auf das Freiwerden in der Luft bezieht, sondern auch das Freiwerden in Wasser und Boden meint.11 Zum bestimmungsgemäßen Betrieb gehört nicht nur der "Normalbetrieb", sondern auch sonstige Betriebsvorgänge, wie An- und Abfahrbetrieb, Probebetrieb und Instandhaltungsarbeiten.12

4.2.2.1.3. lnstrumente der Verordnung Die Verordnung statuiert für den Betreiber einer Anlage verschiedene Pflichten, die vornehmlich aus § 5 BimSchG abgeleitet sind und grundsätzlich für bereits bestehende und für neu zu genehmigende Anlagen gelten. 13 Nach den§§ 3-5 StöifallV, die materielle Sicherheitspflichten normieren, muß der Anlagenbelreiber die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen treffen, um Störfälle zu verhindem (§§ 3 I, 4). Darüber hinaus ist Vorsorge zu treffen, daß die Auswirkungen dennoch eintretender Störralle so gering wie möglich gehalten werden(§§ 3 Abs. III, 5). § 6 StöifallV normiert zusätzliche Anforderungen in Form von Oberwachungs-, Prafungs- und Wartungspflichten (Abs. I) sowie Pflichten zur Erstellung und Aufbewahrung bestimmter schriftlicher Unterlagen und Verzeichnisse (Nachweispflichten, Abse. II, III). Die Pflicht zur Erstellung eines Verzeichnisses nach Abs. III bezieht sich auf die in einer Anlage zum Lagern von Stoffen nach Anhang II gelagerten Stoffe. Nach § 12 StöifallV besteht eine Anzeigepflicht für vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung genehmigte Anlagen und solche, die aus Anlaß einer Änderung der Verordnung erstmals von ihrem Anwendungsbereich erfaßt werden.

Meldepflichten bestehen nach § 11 StöifallV nicht nur für Störralle und sog. Beinahe-Störralle, wie nach der ursprünglichen Fassung der Verordnung14 vorgesehen, sondern bereits für Betriebsstörungen, bei denen durch Stoffe nach Anhang II Schäden außerhalb der Anlage eingetreten sind oder 10 Zum Störfallbegriff im einzelnen: Feldhaus, Wi.Verw 1981, 191 (196 ff.); Breuer, WiVerw 1981, 219 (232). 11 Feldhaus, 197. 12 Feldhaus, 197 f. 13 Feldhaus, 199. 14 Siehe Hansmann, NVwZ 1988, 1000 (1003).

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

173

Gefahren für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft (also nicht nur Gemeingefahren) nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können (§ 11 II Nr. 2). Nach den §§ 7-9 StöifallVhat der Belreiher einer Anlage nach Anhang I (§ 1 ll StörfallV) eine Sicherheitsanalyse15 anzufertigen und fortzuschreiben, die ständig gesichert bereitzuhalten und in einer Ausfertigung bei der Überwachungshehörde zu hinterlegen ist.

Ausnahmen von den genannten Pflichten sind nach § 10 StöifallV möglich.16 Entscheidend für die Pflichtenabgrenzung des Belreihers ist § 3 II StörfallV. Danach sind bei Erfüllung der Pflicht nach § 3 I nicht nur die betrieblichen Gefahrenquellen, sondern auch umgehungshedingte, wie Erdhebenoder Hochwassergefahren, und Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen. Die Grenze der Zurechenharkeit liegt nach § 3 II, 2. Hs. StörfallV dort, wo diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernanftigerweise ausgeschlossen werden können.17 Die meisten Pflichten der Störfallverordnung, insbesondere die materiellen Sicherheitspflichten, sind so allgemein gehalten, daß sie durch einen Verwaltungsakt konkretisiert werden müssen. 18 Ist dies nicht bereits im Genehmigungsbescheid geschehen, wie bei Anlagen, die bereits vor Inkrafttreten der Verordnung bestanden, erfolgt sie regelmäßig in Form einer nachträglichen Anordnung gemäß § 17 I BimSchG .19 Die Störfallverordnung wird durch zwei Verwaltungsvorschriften ausgefüllt.20

15 Siehe dazu: Adams/Krieshammer, DB 1989, Beilage 15, S. 16 ff. 16 Eingehend zu den Pflichten siehe: Feldbaus, WiVerw 1981, 191 (199 tT.); Breuer, WiVerw 1981, 219 (231 ff.); Hansmann, ebenda; Uth, StörfallV, zu§§ 3 ff. 17 Siehe dazu nur: Feldbaus, 201 f. 18 Feldbaus, 206.

19 Feldbaus, ebenda. 20 1. StörfallVwV vom 26. 8.1988, GMBl. S. 398, und 2. StörfallVwV vom 27. 4.1982, GMBI. S. 205.

174

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen 4.2.2.2. Regelung durch die Strahlenschutzverordnung21 4. 2. 2. 2.1. Boden als Schutzgut der Strahlenschutzverordnung

Die Strahlenschutzverordnung beruht auf den Ermächtigungen in § 10 - 12 und 54 I 1, 2, Abse. II 1, III AtG. Nach§ 12 I Nr. 7, 10 AtG sind zur Erreichung der in § 1 AtG bezeichneten Zwecke Bestimmungen zu Meldepflichten bei sicherheitstechnisch bedeutsamen Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb, speziell bei Unfällen und sonstigen Schadensfällen, sowie zur Gewährleistung des Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter in der Strahlenschutzverordnung ergangen. Die Bestimmungen dienen, wie sich aus diesem Verweis auf die Zwecke des § 1 AtG ergibt, auch dem Schutz der Sachgüter und damit des Bodens22. Sie sind daher ebenfalls als unmittelbar bodenschatzend anzusehen. 4.2.2.2.2. StiJrfall und Unfall

Die Strahlenschutzverordnung gebraucht in den einschlägigen Regelungen den Begriff des "Störfalls" und den des "Unfalls". Diese sind voneinander abzugrenzen. StiJrfall wird in Anlage I zur Strahlenschutzverordnung als Ereignisablauf definiert, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind.

Diese Definition beruht auf dem kerntechnischen Sicherheitskonzept, das an dem außerordentlichen Gefährdungspotential von Atomkraftwerken orientiert ist. 23 Der Störfallbegriff des Atomrechts ist danach viel enger als der im Immissionsschutzrecht, der sämtliche Fälle eines technischen Versagens der Anlage mit den Folgen nach§ 2 I StörfallV24 erfaßt. Unfall ist nach der Definition in Anlage I zur Strahlenschutzverordnung ein Ereignisablauf, der für eine oder mehrere Personen eine die Grenzwerte

2 1 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenachutzverordnung - StriSchV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. 6.1989, BGBI. I, S. 1321, ber. S. 1926, zuletzt geänd. durch Anlage I, Kap. XII, Sachgebiet B, Abschnitt II, Nr. 2 des Einigungsvertrages vom 31. 8.1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes vom 23. 9.1990, BGBI. II, S. 885. 22 S.o. 4.2.1.8.1. 23 Breuer, WiVerw 1981, 219 (226).

24 S.o. 4.2.2.1.2.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

175

der Anlage X Tabelle X 1 Spalte 2 übersteigende Strahlenexposition zur Folge haben kann.

In Abgrenzung zu den Störfällen fallen bietUnter auch Scbadensereignisse, deren Möglichkeit bei der Auslegung einer kerntechnischen Anlage nicht berücksichtigt zu werden braucht, weil ihre VerhindetUDg außerhalb der anlagenspezifischen und atomrechtlich erforderlichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge liegt. 25 4.2.2.2.3. Instrumente der Verordnung Eine Pflicht zur Verhinderung von Unfällen durch Auslegung kerntechnischer Anlagen, wie sie in bezug auf Störfälle besteht, existiert nicht. Ebensowenig besteht fiir Unfälle eine § 28 III StrlScbV entsprechende Vorschrift. § 28 III StrlSchV legt höchstzulässige Strahlenbelastungen im Störfall fest. Sowohl fiir Störfälle als auch fiir Unfälle regelt die Strahlenschutzverordnung aber in den §§ 36 - 38 verschiedene Betreiberpflicbten, deren Zweck die Verhinderung bzw. Minimierung und Beseitigung der Unfall- oder Störfallfolgen ist. Gemäß § 36 StrlSch V besteht die Pflicht bei Unfällen und Störfällen unverzüglich, d.b. ohne schuldhartes Zögern26, alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, damit die Gefahren fiir Leben, Gesundheit und Sacbgüter auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Es müssen alle geeigneten und erforderlichen Strahlenschutzmaßnahmen i.S.d. Strahlenschutzgrundsätze des§ 28 veranlaßt werden, um Auswirkungen zu minimalisieren. 27 Satz 2 normiert die Pflicht zur Anzeige jedes Unfalls, Störfalls oder sonstigen sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignisses. § 37 und § 38 StrlSch V normieren Vorbereitungspflichten fiir den Betreiber. Durch sie wird die Schadensbekämpfungspflicht nach§ 36 erweitert. Nach § 38 I 1 muß derBetreiberdas zurStörfall-und Unfallbekämpfung innerhalb des Kontrollbereichs und des betrieblichen Überwachungsbereichs erforderliche Personal und die erforderlichen Hilfsmittel vorhalten. Deren Einsatzfähigkeit bat er der zuständigen Behörde nachzuweisen. § 38 I 2 erlaubt ersatzweise den Nachweis des Anspruchs auf Einsatz einer fiir die Er-

25 Winters, Atomrecht, S. 24; Breuer, WiVerw 1981, 219 (227). 26 Veith, StriSchV 1989, S. 176. 27 Veith, ebenda.

176

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

ffillung dieser Aufgaben geeigneten Einrichtung. Hier ist insbesondere an den kerntechnischen Hilfszug in Karlsruhe zu denken.28 Nach § 38 II 1 sind der für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörde sowie öffentlichen und privaten Hilfsorganisationen die für die Beseitigung von Unfall- und Störfallfolgen notwendigen Informationen und die erforderliche Beratung zu gewähren. Das gleiche gilt auch für die Planung der Beseitigung von Unfall- oder Störfallfolgen (Satz 2). § 37 S. 1 StrlSchV verpflichtet den Belreiber zur Planung der Brandbekämpfung gemeinsam mit den landesrechtlich zuständigen Behörden.

Zur Durchführung u.a. der §§ 36 - 38 StrlSchV kann die zuständige Behörde nach § 32 I StrlSch V die erforderlichen Schut-unaßnahmen anordnen.

4.2.3. Beförderung bodengefährdender Stoffe Diese Problemfeld erfaßt die besonderen Risiken der Beförderung gefährlicher Stoffe, soweit sie die Möglichkeit von Bodenverunreinigungen in sich birgt. Behandelt wird daher der Transport auf Straße und Schiene sowie die Beförderung in Rohrleitungen. Bei den Gefahrguttransporten ist insbesondere der Anteil von Mineralölprodukten, speziell von Benzin, besonders hoch. Das kann vor allem auf den starken Anstieg des Kraftfahrzeugbestandes zurückgeführt werden.29 Durch die fortschreitende Arbeitsteilung in der Wirtschaft werden daneben große Mengen von in der chemischen Industrie erzeugten Säuren und Laugen zu anderen Betrieben transportiert. 30 Wie groß das Gefahrenpotential allein beim Transport von Gefahrgütern i.S.d. Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter mit den beiden klassischen Verkehrsmitteln Eisenbahn und Lastkraftwagen ist, verdeutlichen die Zahlen der jährlichen Transportmengen gefährlicher Güter: 39,6 Mio. t bei der Bahn und 41,4 Mio. t beim Straßenfernverkehf3 1. Dabei belegen Risikoanalysen für Gefahrguttransporte, daß bezogen auf die Fernverkehr-Gefahrgutmengen der Bahntransport ca. 14 mal weniger unfallbehaftet ist. 32

28 Veith, S. 178. 29 Vgl. Lorcnz, GewArch 1983, 14. 30 Lorcnz, ebenda. 3 1 Zahlen für das Jahr 1986: UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 69. 32 UBA, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

177

Bei derartigen Transporten wurden im Jahr 1984 insgesamt 555 Unfälle registriert, davon entfielen 55 % auf den Straßenverkehr, 30% auf den Schiffsverkehr und nur 5% auf den Schienenverkehr. 33 Bei Lagerungs- und Transportunfällen wurden im Jahr 1981 im Bundesgebiet rund 7300 m3 wassergefährdende Stoffe freigesetzt, darunter Mineralölprodukte mit einer Gesamtmenge von 4900 m3 (67%).34 Bei den Transportunfällen führten ca. 15% zu Boden- und 1,5% zu Grundwasserverunreinigungen. 35 Auf nationaler Ebene finden sich die grundlegenden Bestimmungen für die Gefahrgutbeförderung im Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter und den darauf beruhenden Verordnungen. Regelungen sind aber auch in anderen Gesetzen enthalten, z.B. im Abfallgesetz, im Atomgesetz und der Strablenscbutzverordnung, im Wasserbaushaltsgesetz und den Landeswassergesetzen. Regelungen über die Beförderung wassergefährdender Stoffe in Rohrleitungen treffen die Wassergesetze. Zu beachten ist, daß der Gefahrgutbegriff der Gefahrgutbeförderungsvorscbriften nicht alle gefährlichen und potentiell bodenschädigenden Stoffe erfaßt. Die Beförderungsregelungen in anderen Gesetzen können daher auch andere Schadstoffe erfassen, die keine Gefahrgüter sind. 4.2.3.1. Regelung durch das Gefahrgutbeförderungsgesetz36 , die Gefahrgurverordnung Straße3 1 und die Gefahrgutverordnung Eisenbahn38 4.2.3.1.1. Boden als Schutzgut des Gesetzes und der Verordnungen

Zweck des Gesetzes wie auch der auf ihm beruhenden Gefahrgutverordnungen Straße und Eisenbahn ist es, das Risiko, das mit Gefahrguttranspor-

33 Angaben nach Hole, dargestellt bei: Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rdn. 138. 34 Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, BT-Drucbache 10/2977, S. 29. 35 Bodenschutzkonzeption, ebenda. 36 Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (GBefGG) vom 6. 8.1975, BGBI. I, S. 2121, zuletzt geänd. durch Art. 36 des Dritten Rechtshereinigungsgesetzes vom 28. 6.1990, BGBI. I, S. 1221. 37 Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf Straßen (GGVS) vom 22. 7.1985, BGBI. I, S. 1550, zuletzt geänd. durch die 3. Straßen-Gefahrgutänderungsverordnung vom 18. 6.1990 BGBI. I, S. 1326. 38 Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahnen (GGVE) i.d.F. d. Bek. vom 10. 6.1991, BGBI. I, S. 1224. 12 Heiermann

178

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

ten verbunden ist, so gering wie möglich zu halten, um nicht zuletzt auch die Umwelt vor dem Freiwerden gefährlicher Güter bei Unfällen zu schützen. 39 § 2 I GBefGG, der die allgemeine Legaldefinition des Begriffs "gefährliche Güter" enthält, die in den Verordnungen für die einzelnen Verkehrsträger konkretisiert wird, führt als Schutzgüter die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Allgemeinheit, die wichtigen Gemeingüter, Leben und Gesundheit von Menschen sowie Tiere und andere Sachen auf. Als Beispiel für ein wichtiges Gemeingut nennt die Begründung zum Entwurf des Gesetzes40 das Wasser, dessen Reinheit beim Freiwerden gefährlicher Güter infolge eines Unfalls u.U. erheblich beeinträchtigt werden kann. Man wird auch den Boden als wichtiges Gemeingut ansehen müssen41, da sein Schutz vor Verunreinigung angesichts seiner wichtigen ökologischen Funktionen42 ebenfalls im Interesse des Lebens in der Gemeinschaft dringend erforderlich ist. 43 Wegen der schwachen Selbstreinigungskraft des Bodens und der grundsätzlichen Geeignetheil von Bodenverunreinigungen, die Lebensgrundlage der Menschen zu gefährden, ist seine Reinhaltung ebenso geboten, wie die des Wassers. Das Gefahrgutbeförderungsgesetz schützt daher den Boden als wichtiges Gemeingut unmittelbar. Diese Einordnung gilt entsprechend für die das Gesetz konkretisierenden Gefahrgutverordnungen Straße und Eisenbahn.

4.2.3.1.2. Geltungsbereich der Vorschriften

Nach § 1 GBefGG gilt das Gesetzftlr die Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahn-, Straßen-, Wasser- und Luftfahrzeugen, und zwar unabhängig davon, ob sie gewerblich oder nicht gewerblich ist und ob sie auf öffentlichen oder nicht öffentlichen Wegen erfolgt44• Das Gesetz findet nach§ 1 I 2 keine Anwendung auf die Beförderung 1. innerhalb von Betrieben, in denen gefährliche Güter hergestellt, bearbeitet, verarbeitet, gelagert, verwendet oder vernichtet werden, soweit sie auf einem abgeschlossenen Gelände stattfindet, 45

39 40 41 42 43

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 7/2517, S. 9.

s . 10.

So auch Peine, in: UrR. 3, S. S.o.

1.2.1. Exkurs.

219.

Siehe zum Stellenwert des Gemeingutes Boden BVerfUE 21, 73

44 BT-Drucksache 7/2517, S.

9.

(82 f.).

45 Dort können die Regelungen dem Gewerberecht überlassen bleiben, weil betriebsinterne Beförderungen nicht immer den gleichen Sicherbeilsvorschriften unterworfen werden müssen: Begründung zum Regierungsentwurf, S. 9 f.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

179

2. im Bereich der Deutschen Bundespost, 46 3. im grenzüberschreitenden Verkehr, wenn und soweit auf den betreffenden Beförderungsvorgang Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften oder zwischenstaatliche Vereinbarungen oder auf solchen Vorschriften oder Vereinbarungen beruhende innerstaatliche Rechtsvorschriften unmittelbar anwendbar sind, es sei denn, diese Vereinbarungen nehmen auf innerstaatliche Rechtsvorschriften Bezug, 47 4. mit Bergbahnen48 Unberührt bleiben von dem Gesetz nach § 1 II Gefahrgutvorschriften, die aus anderen Gründen als aus solchen der Sicherheit der Beförderung erlassen worden sind, und auf örtlichen Besonderheiten beruhende Sicherheitsvorschriften des Bundes, der Länder oder der Gemeinden. Entsprechend dieser Eingrenzung des Geltungsbereichs des Gefahrgutbeförderungsgesetzes bestimmt die Gefahrgutverordnung Straße in § 1 ihre Geltung für die Beförderung gefährlicher Güter mit Straßenfahrzeugen und die Gefahrgutverordnung Eisenbahn in § 1 ihre Geltung für die Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahnen. § 1 II - IV GGVS unterscheiden zwischen innerstaatlicher und grenzüberschreitender Beförderung. Für die innerstaatliche Beförderung gelten die Vorschriften der Anlagen A und B. Für die grenzüberschreitende Beförderung gelten die Regeln des ADR-0bereinkommens49, deren deutsche Übersetzung ebenfalls in den Anlagen A und B enthalten ist. Abs. IV führt innerstaatliche Vorschriften auf, die ausnahmsweise auch für den grenzüberschreitenden Straßentransport gelten.

Auch § 1 II - IV GGVE trennt zwischen innerstaatlicher Beförderung gefährlicher Güter, für die die Vorschriften in der Anlage zur GGVE gelten, und der grenzüberschreitenden Beförderung, die den ruoso_Regeln unter46 Die Beförderung gefahrlieber Güter ist bereits durch die postrechtlichen Regelungen stark eingeschränkt: Begründung zum Regierungsentwurf, S. 10. 47 Hierdurch erfolgt eine Klarstellung des Verhältnisses dieses Gesetzes zum EG-Recht und entsprechenden zwischenstaatlichen Übereinkommen: Begründung zum Regierungsentwurf, ebenda. 48 Hier fehlt dem Bund nach Art. 74 Nr. 23 GG die Gesetzgebungskompetenz: Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucksache 7/2517, S. 18. 49 Accord europeen relatif au transport des marchandises dangereuses par route, ADR Europäisches Übereinkommen für die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 30. 9.1957; Zustimmungsgesetz in BGBI. 1969 ll, S. 1489. 50 Reglement concernant le transport international ferroviaire des marchandises dangereuses, RID- Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter. Sie ist die Anlage I zu Anhang B des Internationalen Übereinkommens über den Eisenbahnverkehr vom 9. 5.1980 (Convention relativ aux transports internationaux ferroviaires, COTIF); Zustimmungsgesetz in BGBI. 1985 ll, S. 666.

180

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bode1111 vor Schadstoffen

liegt, deren amtliche deutsche Übersetzung sich aus den in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Vorschriften ergibt. Für den grenzüberschreitenden Verkehr gelten die Vorschriften der GGVE nur, soweit es ausdrücklich bestimmt ist. Die Vorschriften der Anlage zur Verordnung in der für die innerstaatlichen Beförderungen anzuwendenden Fassung, die auch für grenzüberschreitende Beförderungen gelten, sind in § 1 IV GGVE aufgeführt. 4. 2. 3.1. 3. Begriffsbestimmungen

Legaldefinitionen der beiden wesentlichen Begriffe des Gefahrgutbeförderungsrechts, "gefährliche Güter" und "Beförderung", enthält§ 2 GBefGG. "Gefährliche GiJter" sind nach § 2 I GBefGG solche Stoffe und Gegenstände, von denen aufgrundihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der Beförderung Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und andere Sachen ausgehen können.

Die Konkretisierung dieser allgemeinen Definition erfolgt in den Verordnungen für die jeweiligen Verkehrsträger. Diese verweisen auf besondere Anlagen, die die gefährlichen Güter aufführen und in unterschiedliche Klassen einteilen.51 Die Klassifizierung dient dazu, festzustellen, ob ein Gefahrgut überhaupt und, wenn ja, unter welchen Bedingungen es befördert werden darf. 52 Die sehr elastische Definition53 des Gesetzes erlaubt jedoch auch die Erfassung gefährlicher Güter, die nicht in den bestehenden Gefahrklassen aufgeführt sind54 . "Beförderung" umfaßt nach § 2 11 GBefGG nicht nur den Vorgang der Ortsveränderung, sondern auch die Übernahme und die Ablieferung des Gutes sowie zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung, Vorbereitungs- und Abschlußhandlungen (Verpacken und Auspacken der Güter, Beund Entladen), auch wenn diese Handlungen nicht vom Befördererausgeführt werden.

"Beförderer" beim Straßentransport ist nach § 2 I Nr. 2 GGVS, wer das Fahrzeug für die Ortsveränderung des Gutes verwendet. Bei dem Transport 51 Siehe § 2 I Nr. 1 GGVS, § 2 I Nr. 1 GGVE. 52 Klocpfer, Umweltrccht, § 13 Rdn. 155. 53 Schröttcr, NJW 1982, 1186. 54 Klocpfer, Umweltrccht, § 13 Rdn. 154.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

181

mit der Eisenbahn ist gemäß § 2 I Nr. 3 GGVE die Eisenbahn der Beförderer. 4.2.3.1.4. Instrumente Das Gefahrgutbeförderungsgesetz enthält in den §§ 3, 5 II, III, V, 6, 7 I 2, 12 II Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen. Auf ihnen beruhen auch die beiden hier relevanten Gefahrgutverordnungen Straße und Eisenbahn. Die Ermächtigungen des Verordnungsgebers zum Erlaß der konkretisierenden Bestimmungen für die Gefahrgutbeförderung wird so zum Kernstück des Gesetzes. 55 Vor dem Erlaß der Verordnungen soll nach § 4 GBefGG eine Anhörung von Sachverständigen und der beteiligten Wirtschaft erfolgen. 56 Die Verwaltungszuständigkeiten zur Wahrnehmung der Aufgaben des Gesetzes regelt § 5 GBefGG. § 9 GGVS und § 9 GGVE regeln die Zuständigkeiten zur Durchführung der Verordnungen. Sowohl nach der Gefahrgutverordnung Straße als auch nach der Gefahrgutverordnung Eisenbahn ist grundsatzlieh nur die Beförderung zugelassener GefahrgUter erlaubt: § 3 GGVS bestimmt, daß gefährliche Güter auf der Straße nur transportiert werden dürfen, wenn sie nach den Bestimmungen der Anlage A zur Beförderung zugelassen sind. Dies hat der Betörderer anband der Begleitpapiere zu überprüfen. § 3 GGVE regelt entsprechend, daß gefährliche Güter mit Eisenbahnen nur befördert werden dürfen, wenn sie nach der Anlage zur Beförderung zugelassen sind. Der Betörderer hat die Pflicht, dies anband der Beförderungspapiere zu überprüfen. Aufgrund des § 6 GBefGG sind jeweils Gefahrgutausnahmeverordnungen (hier: Straßen-Gefahrgutausnahmeverordnung, Eisenbahn-Gefahrgutausnahmeverordnung) ergangen, die Ausnahmen von diesem Grundsatz regeln. Darüber hinaus ermöglichen auch § 5 GGVS und § 5 GGVE unter den Voraussetzungen der Abse. li - IV die Zulassung von Ausnahmen von den je-

55 Kloepfer, Rdn. 156. Kloepfer bescheinigt diesem Verfahren des Gesetzgebers im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie und das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 I GG wegen der Besonderheiten der Regelungsmaterie (Notwendigkeit, die komplizierten und umfangreichen Einzelregelungen durch verhältnismäßig kurzfristig erfolgende Revisionen dauernd weiter zu entwickeln) noch verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit. 56 Dazu Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 7/ 2517, S. 12. Zu diesem Zweck wurde ein Gefahrgut-Verkehrs-Beirst gegründet, siehe Geschäftsordnung für den Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesminister für Verkehr (Kloepfer, Umweltschutz, Nr. 571).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

weiligen Verordnungen für Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller. Die durch die Gefahrgutausnahmeverordnungen zugelassenen allgemeinen Ausnahmen betreffen im wesentlichen einzelne Güter, deren Gefährlichkeit unter bestimmten Bedingungen eine Beförderung erlaubt und zum anderen die Beförderung auf der Straße i.V.m. einem anschließenden oder vorausgehenden (ausnahmsweise zulässigen) Eisenbahn- oder Seeschiffahrtstransport57 bzw. die Beförderung mit der Eisenbahn i.V.m. einem anschließenden oder vorausgehenden (ausnahmsweise zulässigen) Seeschiffahrtstransport. Sonderregelungen gelten nach§ 5 V GGVS/§ 5 V GGVE für die Bereiche Verteidigung, Polizei, Feuerwehr und Kampfmittelbeseitigung sowie nach § 8 GGVS für NATO-Truppen beim Straßentransport. § 7 I GBefGG gestattet dem Bundesverkehrsminister umgekehrt die zusätzliche Beschränkung der Gefahrgutberorderung durch Einzelmaßnahmen der Gefahrenabwehr, soweit sich die geltenden Sicherheitsvorschriften als unzureichend zur Einschränkung der von der Beförderung ausgehenden Gefahren herausstellen. Weitere Voraussetzung ist, daß eine Änderung der Vorschriften im nach § 3 vorgeschriebenen Verordnungsverfahren nicht abgewartet werden kann, also ein Eilfall vorliegt. Abs. II eröffnet die gleichen Möglichkeiten für neu zur Beförderung gelangende Güter, die bisher nicht von den Beförderungsvorschriften erfaßt wurden und bei deren Beförderung sich Gefahren i.S.d. § 2 I GBefGG herausstellen, etwa für den Boden als wichtiges Gemeingut. Die Geltung der Anordnungen nach Abs. I und li ist gemäß § 7 III auf ein Jahr beschränkt. § 4 I - VII GGVS und § 4 I - V GGVE regeln Sicherheitspjlichten, die, den verschiedenen Phasen der Beförderung i.S.d. § 2 II GBefGG entsprechend, unterschiedliche Personen treffen. Wortgleich bestimmen § 4 I GGVS und § 4 I GGVE, daß die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten, die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen haben, um Schadensfälle zu verhindem und bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten. Spezielle Vorschriften für den Straßentransport besonders gefährlicher Gater nach Anlage B Anhang B.8 Randnummer 280001 Listen I und li treffen die §§ 7, 7a GGVS. Solche Güter sind nach § 7 li GGVS grundsätzlich auf der Autobahn zu befördern, soweit dies nicht unzumutbar ist oder nach

57 Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rdn. 163.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

183

den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder nach Anhang B.8 Randnummer 280002 ausgeschlossen oder beschränkt ist. Für die Beförderung außerhalb der Autobahnen bedarf der Betörderer gemäߧ 7 III GGVS derErteilungeiner Fahrwegbestimmung, in der die Transportroute vorgeschrieben wird. Für die Erteilung ist die Straßenverkehrsbehörde zuständig. Weitere Beschränkungen des Straßentransports für Güter der Liste I zugunsten der Schiffs- und Bahnbeförderung, die weniger unfallträchtig sind, enthalten die Abse. IV - VII des § 7 GGVS. § 7a GGVS regelt die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des § 7 II - VII auf entzündbare flüssige Stoffe. Fahrwegbestimmungen sind nach § 7 GGVS nur für die dort genannten besonders gefährlichen Güter möglich. Nach der Straßenverkehrs-Ordnung besteht darüber hinaus die Möglichkeit eines straßenverkehrsrechtlichen Verbots für kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern (Zeichen 261 StVO) und für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung (Zeichen 269 StVO). Diese Verkehrsverbotszeichen erlauben es besonders gefährdete bzw. besonders gefahrenträchtige Streckenabschnitte für diese Gefahrguttransporte allgemein zu sperren und auf geeignetere Strecken umzuleiten. Dabei ist diese Möglichkeit nicht auf bestimmte Gefahrgüter beschränkt. Für festverbundene Tanks, Aufsetztanks und Gefäßbatterien sowie Tankcontainer schreibt§ 6 I GGVS ein Baumustenulassungsverfahren vor. Bestimmungen über die Pflichten zur Prüfung der genannten Behältnisse und die entsprechenden Prüfbescheinigungen enthalten die Abse. 11 - VI des § 6 GGVS. Weitere Pflichten für die an der Beförderung Beteiligten enthalten die Abse. VII und IX. Baumustenulassungsvorschriften, die dem § 6 I GGVS entsprechen, enthält auch § 6 GGVE für Tankcontainer und Kesselwagen beim Gefahrguttransprt mit der Eisenbahn.

Eine eigene Ermiichtigungsgrundlage, die der Überwachungsbehörde Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bei der Verletzung der Gefahrgutbeförderungsvorschriften hinsichtlich des Fahrzeugs und der Ladung gestattet, ergibt sich aus § 8 GBefGG. In Betracht kommt z.B. die Anweisung eines bestimmten Platzes für ein Fahrzeug bis zur Behebung des Mangels oder zur Beseitigung der Gefahr,S8 die Anordnung der Entleerung des Fahrzeugs, Re58 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 7/2517, S. 14.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des BodeOB vor Schadstoffen

paraturen etc. 59 Ein Rückgriff auf das unberührt bleibende allgemeine Polizeirecht ist damit nicht nötig. 60 § 9 GBefGG ermöglicht Oberwachungsmaßnahmen gegenüber den für die Beförderung Verantwortlichen. Den Verantwortlichenkreis begrenzt § 9 V GBefGG.

Spezielle Oberwachungsvorschriften für die Gefahrgutbeförderung mit der Eisenbahn enthält § 8 GG~. 4.2.3.2. Beförderungsvorschriften im Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung6 1

Gemäß § 4 I AtG ist die Beförderung von Kernbrennstoffen62 außerhalb eines abgeschlossenes Geländes, auf dem Kernbrennstoffe staatlich verwahrt werden oder eine nach §§ 6, 7 und 9 genehmigte Tätigkeit ausgeübt wird, genehmigungsbedürftig. Die Genehmigung wird dem Absender oder dell1ienigen erteilt, der es übernimmt, die Versendung oder Beförderung der Kernbrennstoffe zu besorgen. Die Genehmigungsvoraussetzungen, die weitgehend denen des § 7 AtG entsprechen, sind in § 4 II AtG abschließend aufgeführt. Nach Abs. II Nr. 3 muß gewährleistet sein, daß die Kernbrennstoffe unter Beachtung der für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefllhrlicher Güter"3 (diese bleiben nach Abs. VI 2 grundslitzlich unberührt) befördert werden oder, soweit solche Vorschriften fehlen, auf andere Weise die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Beförderung von Kernbrennstoffen getroffen ist. Die Genehmigung ist für den einzelnen Beförderungsvorgang zu erteilen; sie kann jedoch einem Antragsteller allgemein auf längstens drei Jahre erteilt werden, soweit die in § 1 Nr. 2 -4 bezeichneten Zwecke des Atomgesetzes nicht entgegenstehen. Die Möglichkeit der allgemeinen Genehmigung hängt davon ab, daß die in § 4 II Nr. 1 -6 genannten Voraussetzungen für alle in Betracht kommenden Beförderungsvorgänge vorliegen. 64 Für die Erteilung

59 Lorenz, GewArch 1983, 14 (19). 60 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 7/2517, S. 14. 61 Zum Atomgesetz s.o. ausführlich 4.2.1.8.; zur Strahlenschutzverordnung ausführlich oben 4.2.2.2. Zum Boden als Schutzgut siehe 4.2.1.8.1. und 4.2.2.2.1. 62 Legaldefinition dieses Begriffs in§ 2 I Nr. 1 AtG, dazu oben 4.2.1.8.2. 63 Dazu 4.2.3.1. 64 Haedrich, § 4 AtG, Rdn. 3.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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der Beförderungsgenehmigung ist nach § 23 I Nr. 3 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Soweit die Beförderung von Kernbrennstoffen innerhalb eines abgeschlossenen Geländes, auf dem Kernbrennstoffe aufgrund einer Genehmigung nach den §§ 6, 7, 9 AtG aufbewahrt oder verwendet werden, im Zusammenhang mit der Aufbewahrung oder Verwendung vorgenommen wird, ist eine Genehmigung nach § 4 AtG nicht erforderlich, da die Genehmigungen nach §§ 6, 7 und 9 AtG insoweit die Erlaubnis zur Beförderung einschließen.65 Eine Genehmigung nach § 4 AtG ist auch in den Fällen des § 9 I, II StrlSchV nicht notwendig. Bei grenzüberschreitender Beförderung ist zusätzlich zur Beförderungsgenehmigung nach § 4 AtG noch eine Aus- bzw. Einfuhrgenehmigung erforderlich (§ 3 AtG). Ist für die Beförderung von Kemmaterialien, das sind nach Anlage 1 Abs. I Nr. 5 zum Atomgesetz Kernbrennstoffe (ausgenommen natürliches und abgereichertes Uran) sowie radioaktive Erzeugnisse und Abfälle (dazu Anlage 1 Abs. I Nr. 4), keine Genehmigung nach§ 4 AtG erforderlich, muß nach § 4b der Betörderer vor Beginn der Beförderung der zuständigen Behörde die erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen nachweisen. Dies gilt nach § 4b II nicht für Kernmaterialien nach Anlage 2 zum Atomgesetz. Die Genehmigungspjlichtigkeit von Beförderungen sonstiger radioaktiver Stoffe, das sind Stoffe, die, ohne Kernbrennstoffe zu sein, ionisierende Strahlen spontan aussenden (§ 3 StrlSchV i.V.m. § 2 I Nr. 2 AtG), oder kernbrennstoffhaltiger Abfälle66 ergibt sich aus § 8 I StrlSch V für die Beförderung auf öffentlichen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Verkehrswegen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung nach 8 I normiert § 10 StrlSchV. Die Bestimmungen entsprechen weitgehend denen bei der Beförderung von Kernbrennstoffen, enthalten jedoch gewisse Erleichterungen, weil häufig die Beförderung kleinerer Mengen radioaktiver Stoffe in Betracht kommen wird und hierbei weniger strenge Maßstäbe als bei der Beförderung von Kernbrennstoffen anzulegen sind. 67 Die Genehmigung nach § 8 I GGVS wird von einer Genehmigung nach § 4 I AtG umfaßt, soweit es sich um denselben Beförderungsvorgang handelt und soweit eine solche Erstreckung erfolgt ist(§ 8 II StrlSchV). 65 Winten, Atornrecht, S. 35. 6 6 Legaldefinition in Anlage I zur Strahlenschutzverordnung. 67 Vgl. Veith, StriSchV 1989, S. 134.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea BodeDB vor Schadstoffen

Die genehmigungsfreie Beförderung regeln § 9 11 und Abs. III StrlSch V für Fälle der Beförderung unter den Voraussetzungen der Gefahrgutbeförderungsvorschriften68. Die Möglichkeit inhaltlicher Beschritnkungen der Beförderungsgenehmigungen sowie die Möglichkeit der Beifügung von Nebenbestimmungen richtet sich nach § 17 AtG; § 19 111 AtG enthält die Ermitchtigungsgrundlage jar Anordnungen zur Durchführung der atomrechtlichen Vorschriften; § 19 II AtG gewährt Zutritts- und Prajungsrechte sowie einen Auskunftsanspruch. 69

4.2.3.3. Abfallgesetzliche Beförderungsregelungen Wichtige Vorschriften über den Transport von Stoffen, deren Eindringen in den Boden zu Bodenverunreinigungen führen kann, enthält auch das Abfallgesetz10. Es statuiert in den §§ 12 und 13 Genehmigungspflichtenjar die Beförderung von Abfitllen. § 12 AbfG erfaßt die Abfallbeförderung im Bundesgebiet, § 13 AbfG den grenzüberschreitenden Verkehr mit Abfällen. Anlaß für die Einfügung des § 12 waren die Giftmüllaffären vor und während der Beratung des Gesetzes Anfang der siebziger Jahre, die durch das unkontrollierte Einsammeln und Befördern gewerblicher Abfälle entstanden waren.71 Die Vorschrift dient der Verhinderung von Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls i.S.d. § 2 I AbfG.

4.2.3.3.1. Beförderungsgenehmigung nach§ 12 AbfG § 12 I AbfG unterwirft die Einsammlung und Beförderung von Abfällen einer Genehmigungspflicht, wenn sie gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen erfolgt. Die Genehmigungspflicht gilt nach § 12 I 2 Nr. 1 AbfG nicht für die Einsammlung und Beförderung durch eine nach § 3 II entsorgungspflichtige Körperschaft bzw. durch einen von ihr beauftragten Dritten. Sie gilt nach Nr. 2 auch nicht für Erdaushub, Straßenaufbruch und Bauschutt, soweit diese nicht durch Schadstoffe verunreinigt sind, sowie für Autowracks und Altreifen. Nach Nr. 3 besteht die Genehmigungspflicht des Abs. I 1 auch nicht für die Einsammlung und Beförderung geringfügiger Abfallmengen im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, soweit die

68 69 70 71

Dazu oben 4.2.3.1.

Siehe dazu oben 4.2.1.8.3.

Dazu eingehend oben 4.2.1.1. Zum Boden als Schutzgut des Gesetzes s.o. Versteyl, in: KJSN, § 12 Abtu, Rdn. S.

4.2.1.1.2.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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zuständige Behörde auf Antrag oder von Amts wegen diese von der Genehmigungspflicht freigestellt hat. Die Genehmigungspflicht erstreckt sich nur auf Abfälle i.S.d. § 1 I AbfG. 72 Probleme können sich also dann ergeben, wenn der Stoff im Laufe des Transportvorgangs seine Abfalleigenschaft verliert (z.B. wenn der Beförderer die Schlacken, deren sich der Besitzer entledigen will, als verwertbares Wirtschaftsgut zum Straßenbau verwendet73). Hier verlangen es Sinn und Zweck des § 12 AbfG, nämlich die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Laufs der Abfälle von der Einsammlung bis zur Entsorgung, daß man auf das Vorliegen der Abfalleigenschaft bei Beginn des Einsammlungs- und Beförderungsvorgangs abstellt.74 Wenn umgekehrt ein Wirtschaftsgut zu einer Verwertungsanlage verbracht wird, die bei der Anlieferung stillsteht, so daß die Stoffe -mangels anderer Verwertungsmöglichkeiten- zu einer Abfallentsorgungsanlage weitertransportiert werden müssen, handelt es sich von diesem Zeitpunkt an um eine genehmigungsbedürftige Abfallbeförderung. 75 Auf Altöle findet § 12 AbfG gemäß § Sa I, II AbfG auch dann Anwendung, wenn sie keine Abfälle i.S.d. § 1 I AbfG sind oder der Verwertung in hierfür genehmigten Anlagen i.S.d. § 4 BimSchG zugeführt werden. Nicht definiert wird der Begriff der Beförderung im Gesetz. Hösellv.Lersner76 und Eckert77 sehen den Inhalt des Beförderungsbegriffs als identisch mit der Begriffsbestimmung "Beförderung" in § 2 II GBefGG78 an. Eine solche Deckungsgleichheit der Begriffe besteht jedoch aus zwei Gründen, auf die Bartels79 hinweist, nicht. Nach § 2 II GBefGG umfaßt die Beförderung über den Vorgang der Ortsveränderung hinaus auch die Übernahme und Ablieferung des Gutes sowie zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung, Vorbereitungs- und Abschlußhandlungen (Verpacken und Auspacken der Güter, Be- und Entladen), auch wenn diese Handlungen nicht vom Beförderer ausgeführt werden. Das Abfallgesetz trennt hingegen zwischen Einsammlung und Beförderung, so daß Abgrenzungsschwierigkeiten nicht ausbleiben, wenn man die Übernahme der Abfälle und das Beladen als Teil der Beförderung ansieht. Anders als nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz sind die Vorgänge des Übemehmens und Beladens als Einsammeln 72 Zum Abfallbegriff s.o. 4.2.1.1.4. 73 Hösel/v.Lersner, § 12 Abtu, Rdn. 6. 74 Hösel/v.Lersner, ebenda; Versteyl, in: KJSN, Rdn. 6.

75 Versteyl, ebenda. 76 § 12 Abtu, Rdn. 7.

77 NVwZ 1985, 388 (390). 78 S.o. 4.2.3.1.3. 79 Abfallrecht, S. 42 f .

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

und nicht als Befördern anzusehen. Genauso ist die Zwischenlagerung von Abfällen zwischen zwei Beförderungsabschnitten "Lagerung" i.S.d. Abfallgesetzes und nicht Teil der Beförderung. 80 Mit diesen Vorbehalten ist die Definition des § 2 II GBefGG auch auf das Abfallrecht übertragbar. 81

Gewerbsmiißig ist die Beförderung/Einsammlung, wenn sie auf eine Gewinnerzielung gerichtet ist und nicht nur einmalig erfolgt oder von nur kurzer Dauer ist. 82 Sie erfolgt im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, wenn sie, ohne selbst gewerbsmäßig zu sein, durch ein Unternehmen fiir dessen Zwecke erfolgt, das selbst im Bereich der Wirtschaft mit dem Ziel Gewinn zu erwirtschaften tätig ist. 83 Ein Beispiel hierfiir ist der Transport von Produktionsabfällen der Chemieindustrie im Werkverkehr. 84 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach § 12 I 2 Nr. 2, die fiir Erdaushub, Straßenautbruch und Bauschutt insofern beschränkt ist, als sie fiir diese Stoffe nur gilt, soweit sie "nicht durch Schadstoffe verunreinigt sind". Tatsächlich werden diese Stoffe allerdings wohl nie völlig frei von Schadstoffen sein. Es soll daher nicht auf eine abstrakt-objektiv wissenschaftliche Analysemethode abgestellt werden85, sondern nach dem Zweck des Gesetzes auf das Gefahrenpotential86 und unabhängig davon darauf, ob den Stoffen Schadstoffe beigemischt wurden87. Zum Begriff des Schadstoffs können die Kriterien der schädlichen Beeinflussung (u.a. des Bodens88) bzw. Umwelteinwirkung in § 2 I Nr. 3, 4 AbfG herangezogen werden. 89 Unter geringfiigigen Abfallmengen fiir die nach § 12 I 2 Nr. 3 bei Freistellung keine Beförderungs-/Einsammlungsgenehmigung erforderlich ist, können solche Mengen verstanden werden, die von Gewicht und Volumen her z.B. in einem PKW-Kofferraum transportierbar sind, wie etwa Laborproben oder Altmedikamente. 90

80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90

Siehe dazu auch oben 4.2.1.1.5.1. Bartels, Abfallrecht, S. 43.

Versteyl, in: KJSN, § 12 Abtu, Rdn. 8; Hösel/v.Lersner, § 12 Abtu, Rdn. 11. Hösellv.Lersner, Rdn. 12 m.w.N.; anders Versteyl, ebenda, der auf die Eneugung bzw. Erbringung wirtschaftlicher Güter oder Leistungen abstellt. Hösel/v.Lersner, ebenda. Versteyl, in: KISN, §

12 Abtu, Rdn. 13. 17; Versteyl, ebenda.

Hösel/v.Lersner, § 12 Abtu, Rdn.

Versteyl, ebenda; Hösel/v.Lersner, ebenda. Siehe dazu oben 4.2.1.1.3. Hösellv.Lersner, § 12 Abtu, Rdn. 17. Versteyl, in: K/SN, § 12 Abtu, Rdn. 15.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

189

Zu beachten ist bei der Ausnahme von der Genehmigungspflicht jar -beauftragte Dritte- nach Abs. I2 Nr. 1, daß sie dazu führen kann, daß auch Beförderer/Einsammler von gefährlichen Sonderabfällen keiner Genehmigung bedürfen, wenn diese Sonderabfälle nicht nach § 3 III AbfG von der Entsorgung ausgeschlossen wurden.91 Der den Antrag stellende Beförderer/Einsammler hat einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn kein Versagungsgrund nach§ 12 II AbfG vorliegt. Das geht aus der Formulierung "ist zu erteilen" hervor. Die Beförderungsgenehmigung nach § 12 AbfG ist als gebundene Erlaubnis ausgestaltet. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung ist, daß eine Beeintrllchtigung des Wohls der Allgemeinheit92 nicht zu besorgen93 ist. Insbesondere dürfen keine Tatsachen bekannt sein, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers oder der für die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes verantwortlichen Personen ergeben, die geordnete Entsorgung im übrigen muß sichergestellt sein. Für die Beförderung von Abfällen in ein Zwischenlager schreibt § 12 I 4 für den Antragsteller die Vorlage einer Bescheinigung des Anlagenbetreibers vor, aus der hervorgeht, daß das Zwischenlager für diese Abfälle zugelassen ist und keine Vermischung mit solchen Abfällen erfolgen wird, die aufgrund von Nebenbestimmungen nach § 8 I, Anordnungen nach § 9 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 14 I Nr. 2 getrennt gehalten werden müssen. Es soll also eine Vermischung mit besonders schadstoffhaltigen Abfällen vermieden werden. Die Zustllndigkeiten für die Genehmigungsecteilung sind in § 12 11 geregelt. 94 Gemäß § 12 I 5 kann die zuständige Behörde die Genehmigung unter Bedingungen erteilen und mit Auflagen verbinden, soweit dies zur Wahrung des Allgemeinwohls erforderlich ist. Nach § 12 I 6 kann die Genehmigung befristet und unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden. Eine zusätzliche Schranke für die Abfallbeförderung ergibt sich aus § 4 III AbfG. Danach dürfen Abfälle i.S.d. § 211- also die sog. Sonderabfälle- zum Einsammeln oder Befördern nur den nach § 12 hierzu Befugten überlassen 91 Hösel/v.Lersner, § 12 AbfG, Rdn. 13. 92 Zu diesem Begriff s.o. 4.2.1.1.2., speziell zum Bodenschutz durch das AbfG. 93 Der Besorgnisbegriff entspricht dem des WHG -s.o. 4.2.1.3.5. -, Versteyl, in: KJSN, § 12 Abtu, Rdn. 19. 94 Dazu im einzelnen Hösel/v.Lersner, § 12 Abfü, Rdn. 43; in Niedersachsen sind nach§ 2 I LAbfG die Landkreise bzw. kreisfreien Städte zuständig, bei Sonderabfällen siehe § 25 ill Nr. 5 Nds.AbfG.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

werden und dies auch nur dann, wenn eine Bescheinigung des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage vorliegt, aus der dessen Bereitschaft zur Annahme derartiger Abfälle hervorgeht. Die Verordnungsermitchtigung des § 12 111 ist durch Erlaß der AbfallbeftJrderungs-Verordnung95 umgesetzt worden, die Vorschriften über Antragsunterlagen, die Form der Genehmigung sowie über Gebühren und Auslagen enthält. Unabhängig von dieser Regelung sind die Beförderung betreffende Vorschriften auch in der Abfallnachweis-Verordnung96 vorhanden (Begleitscheine, Nachweisbücher, Anzeigepflichten). Das Verhältnis zu den GtifahrgutbtiftJrderungsvorschriften regelt § 12 IV. Danach bleiben diese Rechtsvorschriften97 unberührt. Dort vorgeschriebene Erlaubnisse, Bescheinigungen oder Genehmigungen werden nicht durch die Beförderungsgenehmigung nach § 12 I AbfG ersetzt.98 Besteht eine Genehmigungspflicht nach § 12 AbfG, müssen die Abfalltransportfahrzeuge nach § 13b AbfG besonders gekennzeichnet werden. Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß von Ordnungsverfügungen zur Sicherstellung der Erfiillung der abfallrechtlichen Pflichten i.R.d. Abfallbeförderung ist die polizeirechtliche Generalklausel, soweit nicht Ermächtigungsgrundlagen in den Landesabfallgesetzen99 existieren. 4.2.3.3.2. Ein-, Aus- und Durchfuhrgenehmigung nach§ 13 AbfG § 13 AbfG regelt den grenzüberschreitenden Verkehr mit Abfällen. Zusammen mit der Spezialvorschrift des § 13c fiir den grenzüberschreitenden Abfallverkehr innerhalb der EG erfaßt § 13 das Phänomen des sog. Abfalltourismus, der vor allem durch die Suche nach den 41 Fässern mit hochtoxischen TCDD-verseuchten Abfällen aus dem italienischen Seveso 1982/83 100 und den Streit um Fließ- und Grundwasserverunreinigungen durch die Deponie Schönberg in Mecklenburg-Vorpommem schlagzeilenträchtig wurde1°1. Diese Vorkommnisse waren auch der Grund fiir die Einbeziehung der Aus-

95

96 97 98

Verordnung über das Ein&ammeln und Betördem von Abiallen (AbfBefV) vom 24. 8.1983, BGBI. I, S. 1130, geind. durch § 19 Abfallverbringungs-Verordnung vom 18.11.1988, BGBI. I, S. 2126. (AbfNachwV) vom 2. 6.1978, BGBI. I, S. 668, geind. durch § 19 AbfallverbringungsVerordnungvom 18.11.1988, BGBI. I, S. 2126. S.o. 4.2.3.1. Begründung zum Regierungsentwurf einer 4. Novelle des Abtu, BT-Druck&ache

10/2885, s. 17. 99 Z.B. in Bad.-Württ. § 20 I LAbtu; vgl. hierzu auch oben 4.2.1.1.5.2. 100 Siehe dazu Schneider, UPR 1983, 252 ff.; Kunig, in: KJSN, § 13 Abtu, Rdn. 1, 10.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

191

fuhr und Durchfuhr von Abfällen in § 13 AbfG durch die 3. Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz. Zugrunde liegt der auch in § 2 I AbfG enthaltene Grundsatz, daß im Bundesgebiet angefallene Abfälle i.d.R. auch hier beseitigt werden müssen.l02 Gemäß § 13 I bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde, wer Abfälle in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringen will. Im Gegensatz zur Richtlinie 84/631/EWG werden von § 13 I nicht nur Sonderabfälle i.S.d. § 2 li erfaßt, sondern alle Abfälle i.S.d. § 1 I AbfG103. Die Erteilung der Genehmigung hängt davon ab, ob die Voraussetzungen des Abs. I 2 Nrn. 1 - 5 vorliegen. Nach Nr. 1 darf keine Allgemeinwohlbeeinträchtigungl04 zu besorgenlOS sein. Nach Nr. 2 dürfen sich keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers sowie der für die Beförderung verantwortlichen Personen ergeben. Neben den allgemeinen Voraussetzungen der Nm. 1 und 2 enthalten die folgenden Ziffern für die drei Verbringungsarten unterschiedliche zusiitzliche Bedingungen. § 13 II regelt die grenzüberschreitende Abfallverbringung mit dem Ziel der Entsorgung auf Hoher See, Abs. I/1 die Zustiindigkeit zur Erteilung der Genehmigung.

Abs. IV ermächtigt die zuständige Behörde zur Entnahme von Proben der beförderten Abfälle und zu ihrer Untersuchung. Die grenzüberschreitende Abfallverbringung darf nur über bestimmte Zollstellen erfolgen (Abs. VI). Die Zollbehörden wirken nach § 13a bei der Überwachung des Verbringens von Abfällen mit. Die Kennzeichnung der Abfalltransporte regelt § 13b AbfG. § 13 I 2 AbfG eröffnet der Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung ein Versagungsermessen. Selbst wenn die Negativvoraussetzungen des Abs. I 2 Nr. 1 - S nicht vorliegen, hat der Antragsteller also keinen Rechtsanspruch auf die Genehmigungserteilung.l06 Strittig ist jedoch, wie weit der Ermessensspielraum der Behörde gezogen ist, ob etwa der Hinweis auf die wirtschaftspolitische Unerwünschtheil der Abfall-

101 102 103 104 lOS

106

Siehe dazu Kunig, Rdn.

10.

Regierungsentwurf einer 3. Novelle des AbfO, BT-Druckaache Zum Abfallbegriff oben 4.2.1.1.4. Zu diesem Begriff s.o. 4.2.1.1.2., speziell zum Bodenschutz. Zum Besorgnisbegriff s.o. 4.2.1.3.S. und Kunig, in: KISN, § Siehe nur Schweer, DB 1986, 2371 (2373).

10/849, S. 1. 13 AbfO, Rdn. 17.

192

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

verbringung ausreichtl07 oder ob nur abfallwirtschaftliche Erwägungen einfließen dürfenlOB. Ausgefüllt wird§ 13 AbfG durch die auf den Verordnungsermächtigungen der§ 13 V, § 13c I, § 11 II, III AbfG beruhende Abfallverbringungsverordnungl09. Sie enthält nach den Abfallarten differenzierte Bestimmungen für die grenzüberschreitende Abfallverbringung. Abfälle werden unterteilt in gefährliche Abfälle (für deren Einordnung in§ 5 AbfVerbrV auf§ 2 II AbfG verwiesen wird; §52. Hs. AbfVerbrV bezieht auch Abfälle ein, die von einem von der Verbringung betroffenen EG-Mitgliedstaat als gefährlich angesehen werden), nicht-gefährliche Abfälle und nichteisenmetallhaltige Abfälle. Der erste Abschnitt (§§ 1 - 5) enthält allgemeine Bestimmungen über den Anwendungsbereich, die Zulässigkeit der Verbringung, Antrags- und Genehmigungsunterlagen, über die Möglichkeit von Sammetgenehmigungen und den Begriff der gefährlichen Abfälle, der zweite Abschnitt(§ 6) die Vorschriften für nicht gefährliche Abfälle, der dritte Abschnitt(§§ 7- 13) für die gefährlichen Abfälle und der vierte Abschnitt (§ 14) eine Anzeigepflicht für die Verbringung nichteisenmetallhaltiger Abfälle. Im fünften Abschnitt (§§ 15- 21) fmden sich die Schlußbestimmungen. Für den grenzüberschreitenden Abfallverkehr innerhalb der EG sieht die Verordnung in Umsetzung des§ 13c AbfG in den§§ 10 und 11 teilweise ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren vor; für das unbeschränkte Genehmigungsverfahren gilt die Erleichterung des§ 8 lit. a, 2. Hs. AbfVerbrV. Die Genehmigung nach§ 13 I AbfG ersetzt eine gegebenenfalls erforderliche Beförderungsgenehmigung nach§ 12 I AbfG.llO Die Beifügung von Nebenbestimmungen zur Genehmigung richtet sich nach§ 36 II VwVfG. Soweit keine Ermächtigungsgrundlage in den Landesabfallgesetzen111 besteht, muß für den Erlaß von Ordnungsverfügungen auf die polizeirechtliche Generalklausel zurückgegriffen werden. ll2

107 So z.B. Hösel/v.Lersner, § 13 Abtu, Rdn. 5; Kunig, in: KJSN, Rdn. 15; Hoschützky/ Kreft, § 13 Abtu, Anm. 1.1. lOB Franßen, Abfallrccht, S. 447; allgemein zu den Ermessenserwägungen Kunig, Rdn. 15 f. 109 Verordnung über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen (AbtverbrV) vom 18.11.1988, 8GB!. I, S. 2126, ber. S. 2418. 110 Hoschützky/Kreft, § 13 Abtu, Anm. 1.1; Kunig, in: KJSN, § 13 Abtu, Rdn. 14; Barte1s, Abfallrecht, S. 111; Hösel/v.Lersner, § 13 Abtu, Rdn. 9. 111 In Bad.-Württ. § 20 LAbtu. 112 Vgl. hierzu auch oben 4.2.1.1.5.2.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

193

4.2.3.4. Regelung der Beförderung durch die Verordnung aber brennbare Flilssigkeiten 113 Die Verordnung regelt nach § 1 VbF u.a. die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande. Die einzelnen Bestimmungen der Verordnung wurden bereits oben114 dargestellt, insofern kann daraufverwiesen werden. Hinzuzufügen ist, daß nach § 4 II VbF die in § 4 I aufgestellten Anforderungen für Transportbehälter und Fahrzeuge zur Beförderung brennbarer Flüssigkeiten als erfüllt gelten, wenn die Behälter und Fahrzeuge den verkehrsrechtlichen Vorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter entsprechen. Der weite Anlagenbegriff der Verordnung schließt auch Rohrleitungen zur Beförderung brennbarer Flüssigkeiten ein.

4.2.3.5. Regelung der Beförderung gefllhrlicher Stoffe durch das Wasserhaushaltsgesetz115 Das zum mittelbaren Bodenschutzrecht zählende Wasserhaushaltsgesetz116 enthält an mehreren Stellen Regelungen zur Beförderung wassergefährdender Stoffe. So ist nach § 1a II WHG jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder sonstige nachteilige Veränderungen seiner Eigenschaften zu verhindem.117 "Maßnahmen" in diesem Sinne sind auch Transporte wassergefährdender Stoffe, insbesondere mit Tankfahrzeugen.118 Gewässer ist auch das Grundwasser, dessen Schutz ohne den Schutz des Bodens unmöglich ist. Die Beförderung wassergefährdender Stoffe in Rohrleitungen ist in §§ 19a - f WHG für alle Gewässerarten geregelt, allgemeine Schutzbestimmungen enthält§ 26 Abs. II 2 WHG für oberirdische Gewässer, § 32b S. 2 WHG für Küstengewässer und § 34 II 2 WHG für das Grundwasser. Dort wird jeweils bestimmt, daß die Anforderungen des jeweiligen Abs. II 1 der §§ 26 und 34 bzw. Satz 1 des § 32b in gleicher Weise für die Beförderung von Flüssigkeiten und Gasen in Rohrleitungen gelten. Der für den Schutz des Bodens vor 113 114 115 116 117 118

S.o. ausführlich 4.2.1.5. 4.2.1.5. Dazu oben ausführlich 4.2.1.3. S.o. 4.2.1.3.1. Zu den einzelnen Merkmalen oben 4.2.1.3.3. G/W/C, § 1a WHG, Rdn. 15; S/ZID, § 1a WHG, Rdn. 16 f.; siehe insb. auch oben 4.2.1.3.3. zu Tankwagenunfällen und auch 4.2.1.3.4.2.

13 Heiermann

194

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

direktem Schadstoffeintrag relevante § 34 II 1 WHG wurde bereits oben11 9 dargestellt. 4.2.3.5.1. Pipelines

Die allgemeinen Regelungen der §§ 26 Il, 32b 34 II WHG werden durch die besonderen Pipeline-Bestimmungen der §§ 19a ff. WHG verdrängt; bei ihrer Beachtung kommt auch die Vorschrift des § 3 II Nr. 2 WHG nicht in Betracht.l 20 Neben den wasserrechtlichen Regelungen bleibt die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) anwendbar.121 Nach§ 19a I WHG unterliegen Errichtung und Betrieb von Rohrleitungsanlagen zum Befördern wassergefährdender Stoffe der Pflicht zur Genehmigung durch die Wasserbehörde. Die Genehmigungspflicht besteht nach § 19a III auch für die wesentliche Änderung einer Rohrleitungsanlage bzw. des Betriebes einer solchen Anlage. Ausgenommen sind nach§ 19a I 2 allerdings Rohrleitungsanlagen, die den Bereich des Werksgeländes nicht überschreiten oder die Zubehör einer Anlage zum Lagern wassergefährdender Stoffe sind. Für sie besteht jedoch die Pflicht zur Genehmigung nach § 19g Abs. I 2 WHG, der ausdrücklich werksinterne Rohrleitungsanlagen einschließt)22 Für Zubehör einer Anlage zum Lagern wassergefährdender Stoffe ergibt sich die Genehmigungspflicht nach § 19g I WHG aus der weiten Auslegung des Anlagenbegriffs, der auch Teile und Einrichtungen umfaßt, die bei engerer Auslegung als Zubehör bezeichnet werden könnten und i.R.d. § 19a WHG auch bezeichnet werden.123 Wassergefährdende Stoffe i.S.d. Abs. I sind gemäß § 19a II WHG Rohöle, Benzine, Dieselkraftstoffe und Heizöle sowie andere flüssige oder gasförmige Stoffe, die geeignet sind, Gewässer zu verunreinigen oder sonst in ihren Eigenschaften nachteilig zu verändern. Letztgenannte Stoffe sind enumerativ in der Verordnung über wassergefährdende Stoffe bei der Beför-

119 4.2.1.3.5. 120 Salzwedel, Wasacrrecht (1982), S. 614 f.; G/W/C, Vom. zu §§ 19g - 191 WHG, Rdn. 4; zu den Iandesrechtlichen Regelungen Breuer, Wasacrrecht, S. 329; siehe bspw. auch § 156 ff. NWG. 121 S.o. 4.2.1.3.7., 4.2.1.5. und 4 .2.3.4. 122 Zu §§ 19g ff. WHG oben eingehend 4.2.1.3 .6. 123 S/Z/D, § 19a WHG, Rdn. 25; G/W/C, § 19a WHG, Rdn. 8; siehe auch oben 4.2.1.3.6. zum Anlagenbegriffnach §§ 19g ff. WHG.

4.2. Schutz des BodenB vor direktem Schadstoffeintrag

195

derung in Rohrleitungsanlagen vom 19.12.1973124 aufgeführt. Zu berücksichtigen ist auch der Katalog wassergefährdender Stoffe125. Die Genehmigung nach § 19a I ist gemliß § 19b Il zu versagen, wenn durch Errichtung oder Betrieb der Anlage eine Verunreinigung der Gewässer126 oder eine sonstige nachteilige Veränderung ihrer Eigenschaften127 zu besorgen128 ist, die auch durch Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden kann. Bei Rohrleitungsanlagen, die die Grenzen der Bundesrepublik kreuzen, kann die Genehmigung auch versagt werden, wenn die Besorgnis durch Teile der Anlage begründet ist, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes errichtet oder betrieben werden. Bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.129 Maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Entscheidung ist der Gewässerschutz.130 Zum Schutz der Gewässer, insbesondere zum Grundwasserschutz, kann die Genehmigung unter Festsetzung von Bedingungen und Auflagen erteilt werden; § 4 I 2, II WHG (Schutz Dritter, insbesondere mögliche Auflagen) gilt sinngemäß (§ 19b 1 1). § 19b I 2 erlaubt die Befristung der Genehmigung. Nachträgliche Auflagen sind nach § 19b I 3 möglich, wenn eine Verunreinigung der Gewässer oder eine sonstige nachteilige Veränderung ihrer Eigenschaften zu besorgen ist. Unter den gleichen Voraussetzungen ist ein Wideruf der Genehmigung gegen Entschädigung nach § 19c erlaubt. Nach Abs. III bleibt die Festsetzung entschädigungsloser nachträglicher Auflagen gemäß § 19b I 3 unberührt. Daraus ergibt sich ein Vorrang nachträglicher Auflagen gegenüber dem teilweisen oder vollständigen Widerruf.13 1 Durch die Entschädigungsvoraussetzung wird ein weitgehender Investitionsschutz gewährleistet. § 19d WHG enthält eine Verordnungsermlichtigung für den Erlaß technischer Anforderungen an Errichtung und Betrieb der Anlagen (Nr. 1). Es können ferner Anzeigepflichten (Nr. 1a), Prüfungen der Anlagen (Nr. 2) und

124 125 126 127 128 129 130 131

BGBI. I, S.

1946, geänd. durch die Verordnung vom 5. 4. 1976, BGBI. I, S. 915.

Bek. d. BMI vom l. 3. 1985, GMBI. S. 175, geänd. durch Bek. d. BMI vom 8. 5. 1985, GMBI. S. 369; l. Fortschreibung d. Katalogs, Bek. d. BMU vom 26. 4.1987, GMBI. S. 294, ber. S. 421, 551. Zum Begriff der Gewässerverunreinigung oben 4.2.1.3.3. S.o. 4.2.1.3.3. Zur Besorgnis s.o.

4.2.1.3.5.

Siehe dazu Breuer, Wasserrecht, S . 332 f. m.w.N.; siehe auch Salzwedel, Wasserrecht (1982), S. 615 m.w.N.; ders. , Wasserrecht (1988), S. 761. BT-Drucksache IV/2369, S. 2. Breuer, Wasserrecht, S.

335.

196

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Pflichten zur Entrichtung von Gebühren und Auslagen (Nr. 3) geregelt werden. Trifft die Genehmigung nach § 19a I WHG mit gewerberechtlichen oder bergrechtliehen Entscheidungen zusammen, bestimmt § 19f I WHG eineformelle Konzentration. Die für die gewerberechtliche Erlaubnis zuständige Behörde bzw. die Bergbehörde entscheidet dann auch über die Erteilung der Genehmigung nach§ 19a WHG, ihren Widerruf, die Festsetzung nachträglicher Auflagen und über die Untersagung des Betriebes. Wichtig ist dies z.B. für Ölpipelines, die der Erlaubnis nach§ 9 I Nr. 4, 5, II VbF bedürfen.

Die Genehmigungsentscheidungen nach § 19f I sind gemäß § 19f II im

Einvernehmen mit der nach§ 19a I zuständigen Wasserbehörde zu treffen. § 19e WHG enthält eine Obergangsregelungjar bestehende Anlagen.

Die Ermächtigungsgrundlagen für den Erlaß von Ordnungsvertagungen zur Durchsetzung wasserrechtlicher Pflichten sind in den Landeswassergesetzen enthalten bzw. es wird dort auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht verwiesen132,133 Überwachungsvorschriften sind in § 21 WHG normiert sowie in§§ 21a ff. WHG (Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz).

4.2.3.5.2. Abwasserkanale Große Probleme bereitet bei der Beförderung schädlicher Stoffe auch das Abwasserkanalnetz, das in weiten Teilen der Bundesrepublik, insbesondere in den fünf ostdeutschen Ländern, aufgrund altersbedingter Undichtigkeiten, die zu Boden- und Grundwasserverunreinigungen führen können, dringend sanierungungsbedürftig ist. Nach§ 18a I 1 WHG ist Abwasser so zu beseitigen ("Beseitigen" ist nach Satz 2 auch das "Fortleiten"), daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeintrllchtigt wird. Gefordert wird also eine schadlose Abwasserbeseitigung.l34 In bezug auf Abwasseranlagen enthält das Wasserhaushaltsgesetz allerdings nur die sehr allgemein gehaltene Rahmenvorschrift des § 18b I WHG. Danach sind Abwasseranlagen unter Berücksichtigung der Benutzungsbedingungen und Auflagen fiir das Einleiten von Abwasser(§§ 4, 5 und 7a) nach den hierfür jeweils in Betracht kommenden Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben.

132 So in § 169 NWG. 133 Zussmmenstellung bei Breuer, Wasserrecht, S. 350 f. 134 GIW/C, § 18a WHG, Rdn. 9; BT-Druckssche 7/4546, S. 6.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

197

Abwasseranlagen sind z.B. Rohrleitungen, Gräben, Sammel- und Abjlußkantlle, Pump- und Förderanlagen, Kläranlagen, Klär- und Schlammteiche, Einleitungsbauwerke, Sickerschächte, Verrieselungs- und Verregnungsanlagen sowie Ablaufkühltürme. l35 Errichtung und Betrieb solcher Anlagen sind nach § 18b I daran auszurichten, was § 7a I mit den hierzu ergangenen/ergehenden Verwaltungsvorschriften als in Betracht kommende Regeln der Technik ausweist.136 Eine Anpassungsregelung für bereits vorhandene Anlagen, die § 18b I nicht entsprechen, enthält § 18b ll WHG. Vorhandene Anlagen nach Abs. II sind nicht nur solche, die bereits am 1.10.1976 bei Inkrafttreten der§§ 18a und b bestanden haben, sondern auch solche, die danach errichtet worden sind.137 Auch bei ihnen können die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen durchgesetzt werden.l38 Die Vorschrift enthält mithin ein Sanierungsgebot, das durch die Landesbestimmungen ausgefüllt wird.139

In den Landeswassergesetzen wird für Abwasseranlagen ein Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsverfahren vorgeschrieben. So bestimmt bspw. § 154 I NWG, daß der Bau und die wesentliche Änderung von Kanalisationsnetzen - also nicht bereits einzelner Kanalisationsleitungen - und überörtlichen Verbindungsleitungen der öffentlichen Abwasserbeseitigung sowie von Abwasserbehandlungsanlagen der Genehmigung bedürfen. Ausgenommen sind von dieser Genehmigungspflicht nur Anlagen zum Behandeln von häuslichem Abwasser, bei denen der Abwasseranfall acht Kubikmeter an einem Tag nicht übersteigt. Nach Abs. II handelt es sich bei der Erteilung um eine gebundene Entscheidung. Die Genehmigung darf nur versagt werden oder mit Bedingungen oder Auflagen versehen werden, wenn die Anlage den Wasserhaushalt beeinträchtigt (Nr. 1), den allgemein anerkannten Regeln der Abwassertechnik nicht entspricht (Nr. 2), einem Abwasserbeseitigungsplan oder einer anderen wasserwirtschaftliehen Planung widerspricht (Nr. 3), den Anforderungen nicht entspricht, die in einer Erlaubnis oder Bewilligung festgesetzt sind oder werden (Nr. 4), die Voraussetzungen einer sonstigen Genehmigung nach diesem Gesetz nicht erfüllt (Nr. 5). Die Genehmigung schließt nach § 154 III 1 NWG andere nach dem Gesetz erforderliche Genehmigungen sowie die Baugenehmigung ein. Nicht umfaßt ist allerdings die Erlaubnis für das Einleiten des Abwassers in ein Gewässer, 135 136 137 138 139

Breuer, Abwasaerbeaeitigung, in: HdUR 1, Sp. 69. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des§ 18b: Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rdn. 103. G/W/C, § !Sb WHG, Rdn. 12; S/Z/D, § 18b WHG, Rdn. 19. S/ZID, ebenda; G/W/C, Rdn. 13. Siehe z.B.: § 153 ll NWG; beachte auch die Bestimmungen in den Landesbauordnungen, z.B. § 42 ll NBauO.

198

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

weil diese Erlaubnis sich nicht auf die Anlage, sondern auf die Benutzung (das Einleiten) bezieht.140

Abwasserbehandlungsanlagen in kerntechnischen Anlagen i.S.d. § 7 AtG bedürfen nach der atomrechtlichen Genehmigung nicht noch der Genehmigung nach § 154 I NWG (§ 154 V NWG). Nach § 154 VI NWG unterliegen Anlagen, die in einem bergbehördlich geprüften Betriebsplan zugelassen werden, nicht der Genehmigungspflicht nach Abs. I. Bestimmungen über die Eigenaberwachung von Abwasserbehandlungsanlagen enthält § 155 NWG. Liegt beim Betrieb einer Abwasseranlage eine Gewässerbenutzung vor oder bat der Belreiber einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung gestellt, ist er verpflichtet eine behördliche Überwachung der Anlagen, Einrichtungen und Vorgänge zu dulden, die für die Gewässerbenutzung von Bedeutung sind(§ 21 I 1 WHG). Weitere Überwacbungsmaßnahmen sind nach§ 21 I 2, 3, 4 WHG möglich. Durch § 151 NWG wird der Fachminister ermächtigt, eine Genehmigungspflicht jar Einleitungen von Stoffen oder Stoffgruppen in öffentliche Abwasseranlagen zu normieren, während das Wasserhaushaltsgesetz eine Erlaubnispflicht für Einleitungen nur vorsieht, wenn sie in die Gewässer selbst erfolgen. Zur Durchsetzung der wasse"echtlichen Vorschriften kann sich die Wasserbehörde gemäß § 169 NWG der Instrumente des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts bedienen.l41 So haben die Wasserbehörden nach § 169 NWG u.a. ergänzende Maßnahmen nach dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr zur Verhatung von Zuwiderhandlungen oder zur Beseitigung von Folgen zu treffen. Es kann z.B. aufgrundder polizeirechtlichen Generalklausel die Sanierung undichter Abwasserleitungen angeordnet werden und z.B. auch die Auskofferung des verunreinigten Bodens, um (weitere) Grundwasserverunreinigungen zu verhindern.l42

Widerruf und Racknahme der Anlagengenehmigung richten sich nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht (§§ 48, 49 Vwl!{G).

140 Sander, Erl. zu§ 154 NWG, Rdn. 3. 141 Zu den Iandesrechtlichen Regelungen Breuer, Wasaerrecht, S. 350 f. 142 Vgl. Brandt/Schwarzer, Bodenaanierung, S. 76, und auch oben 4.2.1.3.3.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

199

4.2.4. Der Einsatz von Düngemitteln I.R.d. land- und forstwirtschaftliehen Bodennutzung wird der direkte Eintrag von Schadstoffen in den Boden zu einem großen Teil durch Düngung bewirkt. 143 Sie dient in erster Linie dazu, landwirtschaftlich genutzte Böden, denen durch die Pflanzenproduktion ständig Nährstoffe entzogen werden, langfristig fruchtbar zu erhalten. Die Düngung ist insofern auch ökologisch wichtig. Dient sie über die Ergänzung der entzogenen Nährstoffe binaus dazu, durch höhere Düngergaben eine Erhöhung des Nährstoffangebotes und dadurch Ertrags- und/oder Qualitätssteigerungen144 auf von Natur aus eigentlich nährstoffarmen Böden zu erreichen (Meliorationsdüngung zur "Bodenverbesserung"), sind langfristig negative Bodenveränderungen die Folge. Das gleiche gilt, wenn die Düngung als Entsorgung von landwirtschaftlich nicht benötigtem Wirtschaftsdünger bei sog. Dungüberschußbetrieben -in Gebieten mit Massentierhaltung - verstanden wird oder sonst unsachgemäß erfolgt (Oberdangung im landwirtschaftlichen Sinn). Die Überdüngung bewirkt häufig eine Überforderung des Regelungsvermögens, d.h. der Filter' Speicher-, Transformations- und Pufferkapazität des Bodens.14S Die Folgen sind in erster Linie Auswaschungen von Nitrat und anderen schädlichen Stoffen in das Grundwasser sowie generell ein Rückgang der früheren ökologischen Vielfalt der Böden und der auf sie angewiesenen Tier- und Pflanzenarten. 146 Im Sinne eines ökologischen Bodenschutzes wird man dementsprechend die Grenze zwischen der sinnvollen Düngung und der Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen dort zu ziehen haben, wo die Besorgnis 141 der Oberforderung des Filter-, Speicher-, Transformations- und Puffervermögens des Bodens besteht {Oberdangung im ökologischen Sinn).148 Die verschiedenen Düngemittel werden in der landwirtschaftlichen Praxis unterteilt in Handelsdanger und Wirtschaftsdanger.l 49 § 1 I Nr. 2 DMG

143 Der zweite große Faktor ist der Einsatz von Pflanzenbehand1ungs- und Insektenvernichtungsmiueln, dazu unten 4.2.S. 144 Siehe die Legaldefinition des Düngemittelbegriffs in§ 1 I Nr. I DMG. 14S Umweltbericht 1990, S. 214; siehe auch oben 1.2.1. und 1.2.2.1. 146 Umweltbericht, ebenda; Bodenschutzprogramm Baden-Würuemberg, S. 15 f.; zur Düngung insgesamt SRU..Sondergutachten Landwirt~~ehaft, Tz. 381 ff. 147 Zum Beaorgnismaßstab s.o. 4.2.1.3.5. 148 Vgl. dazu, insbeaondere zur Unterscheidung zwischen Überdüngung im landwirtschaftlichen und im ökologischen Sinn, Salzwedel, NuR 1983, 41 (41 f.).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

definiert als Wirtschaftsdanger tierische Ausscheidungen, Stallmist, Galle, Jauche, Kompost sowie Stroh und lihnliche Reststoffe aus der pflanzlichen Produktion. Als Handelsdanger werden solche Dünger bezeichnet, die gewerblich zum Zweck der Dangung hergestellt und durch Erwerb dem landwirtschaftlichen Betrieb zugejahrt werden. ISO KloepferlSI hält die Differenzierung zwischen Handels- und Wirtschaftsdünger für terminologisch nicht völlig geglückt, da selbstverständlich auch mit Wirtschaftsdünger Handel getrieben werden könne. Hierin ist ihm zuzustimmen. Allerdings besitzt die Unterscheidung trotzdem die notwendige Trennschärfe, da der Wirtschaftsdüngeranfall in landwirtschaftlichen Betrieben nicht zum Betriebszweck der Tierhaltung gehören wird, also keine zielgerichtete "Herstellung" stattfindet. Die unter den Wirtschaftsdüngerbegriff zu subsumierenden Stoffe fallen vielmehr als Reststoffe an, der Handel mit ihnen dient daher nur der Reststoffverwertung. Neben Handels- und Wirtschaftsdüngern werden in der Landwirtschaft auch Kliirschlämme zur Düngung eingesetzt. Auch hieraus können sich, wegen der z.T. sehr hohen Schadstoffbelastung der Schlämme, Probleme für den Boden ergeben. 4.2.4.1. Regelung durch das Dangemittelgesetz1S2

Nach § 2 I DMG dürfen Dangemirtel gewerbsmllßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie einem Düngemitteltyp entsprechen, der durch Rechtsverordnung 1S3 zugelassen ist. Voraussetzung für die Zulassung eines Düngemitteltyps durch die Verordnung ist nach § 2 II DMG insbesondere, daß die jeweiligen Dünger eines Typs bei sachgerechter Anwendung u.a. die Fruchtbarkeit des Bodens nicht schlldigen und den Naturbaushalt nicht gefährden dürfen. Soweit es zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit oder der Gesundheit von Menschen, Haustieren oder Nutzpflanzen oder zur Abwehr von Gefahren ftlr den Naturhaushalt erforderlich ist, kann gemäß § 5 I DMG durch die Verordnung eine Beschrllnkung bzw. ein Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Dangemirtel angeordnet werden. Hieraus ergibt sich die Zuordnung des Gesetzes zum unmittelbaren Bodenschutuecht. Neben dem Boden werden jedoch auch an149 SRU-Sondergutachten Landwirtachaft, Tz. 408. ISO Rösgen, AgrarR 1983, 141 (144). 151 Umweltrecht, § 14 Rdn. 26. 152 Vom 15.11.1977, BGBI. I, S 2134, geänd. durch Art. 11 des Gesetzes vom 12. 7.1989, BGBI. I, S. 1435. 153 Siehe die Düngemittelverordnung vom 9. 7.1991, BGBI. I, S. 1450.

4.2. Schutz dca Bodcna vor direktem Schadstoffeintrag

201

dere Güter geschützt und insbesondere wesentliche Ernteertrags- und Erntequalitätsverbesserungenbezweckt (§ 2 II 1 DMG). Eine wichtige Einschränkung des Anwendungsbereichs des§ 2 I DMG ergibt sich daraus, daß nur Handelsdanger, nicht jedoch insbesondere Wirtschaftsdanger erfaßt werden (§ 2 III Nr. 3 DMG). Sie unterliegen aber § 5 DMG. Es können also durch Verordnung Beschränkungen des Verkehrs auch mit Wirtschaftsdüngern festgelegt werden. Allgemein können Düngemittel i.S.d. Gesetzes nach der in § 1 I Nr. 1 normierten Legaldefinition nur solche Stoffe sein, "die dazu bestimmt sind, unmittelbar oder mittelbar Kulturpflanzen zugeführt zu werden, um ihr Wachstum zu fördern, ihren Ertrag zu erhöhen oder ihre Qualität zu verbessern". Die Anwendung der Düngemittel i.S.d. § 1 DMG hat gemäß § 1a I DMG nach guter fachlicher Praxis zu erfolgen. Zur guten fachlichen Praxis gehört nach § 1a li, daß die Düngung pflanzen- und bodenbedarfsgerecht (nach Art, Menge und Zeit) unter Berücksichtigung der im Boden verfügbaren Nährstoffe und organischen Substanz erfolgt sowie auf die Standort- und Anbaubedingungen ausgerichtet wird. Der Nährstoffbedarf der Pflanzen richtet sich gemäß § la li 2 nach ihrer Ertragsfähigkeit unter den jeweiligen Standort- und Anbaubedingungen sowie den Qualitätsanforderungen an die Erzeugnisse. Die Düngung nach guter fachlicher Praxis dient in diesem Rahmen der Versorgung der Pflanzen mit notwendigen Nährstoffen sowie der Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit, um insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen, preiswerten Erzeugnissen zu sichern(§ 1a I 2). Die Anforderungen an die Düngemittelanwendung ("gute fachliche Praxis") erwecken auf den ersten Blick den Eindruck, daß der Gesetzgeber sich weder für den Begriff der ökologischen Überdüngung noch für den der landwirtschaftlichen Überdüngung entschieden hat. So wird auf den Nährstoftbedarf der Pflanzen nach ihrer Ertragsfähigkeit sowie auf die Qualitätsanforderungen an die Erzeugnisse abgestellt. Dies deutet für sich genommen auf einen Überdüngungsbegriff im landwirtschaftlichen Sinn hin. Daneben soll die Düngung auf den Bedarf des Bodens sowie auf die Standort- und Anbaubedingungen ausgerichtet werden. Dies spricht für einen zugrundeliegenden ökologischen Überdüngungsbegriff. Man wird § la II DMG im Zusammenhang gesehen so zu verstehen haben, daß mit den Anforderungen an die gute fachliche Praxis die Düngung zur Verbesserung der Ernteerträge jedenfalls dort ihre Grenze findet, wo die Bodenfruchtbarkeit nicht mehr verbessert werden kann, sondern Überlastungen der Bodenfunktionen zu befürchten sind. Nur bei dieser Auslegung können alle Anforderungen, die§ la li stellt, Rechtswirklichkeit erlangen.

202

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Mit der Abstellung auf die unterschiedlichen Bodenverhältnisse und Anbaubedingungen sollen schließlich Nährstoffausträge oder -abschwem.mungen verhindert werden, 154 die bei Überlastung insbesondere der Regelungsfunktion des Bodens durch übermäßige Düngung eintreten155. Allein im Rahmen der so verstandenen guten fachlichen Praxis dient die Düngung der Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen sowie der Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit (§ la I 2 DMG). Eine weitere Stütze dieser Auslegung ergibt sich aus § 2 II DMG. Denn dort wird für die Typenzulassung vorausgesetzt, daß bei sachgerechter Anwendung die Düngemittel "die Fruchtbarkeit des Bodens und die Gesundheit von Menschen und Haustieren nicht schlidigen und den Naturhaushalt nicht gejahrden sowie geeignet sind, das Wachstum von Nutzpflanzen zu fördern, ihren Ertrag wesentlich zu erhöhen oder ihre Qualität wesentlich zu verbessern •. Für die Typenzulassung müssen die Anforderungen kumulativ erfüllt sein, es können also nur ökologisch unbedenkliche Dünger zugelassen werden. Die vom Gesetz vorausgesetzte Anwendung kann demnach nur eine 6kologisch unbedenkliche Düngung156 sein, da ansonsten die Erfüllung der gesetzlich normierten Anforderungen an die Düngemittel selbst sinnlos wäre. § la II formuliert ausschließlich die Grundsätze der guten fachlichen Praxis, die gemäß § la III durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen sind. Die entsprechende Düngemittel-Anwendungs-Verordnung wird zur Zeit erarbeitet.157 Von ihr wird wesentlich abhängen, inwieweit die allgemeinen Grundsätze in handhabbare und konkrete Anordnungen für den einzelnen Landwirt umgesetzt werden.158 Über die bereits erwähnte Typenzulassungspflicht (§ 2 Abs. I) und die Verkehrsbeschränkungsmöglichkeit (§ 5) hinaus, enthält das DMG zur Reglementierung des Inverkehrbringens insbesondere in § 3 eine Ermächtigung zum Erlaß von Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften im Verordnungsweg (ausgefüllt durch §§ 2 -7 DMV), eine Ermächtigung zur Festlegung von Toteranzen in§ 4 (ausgefüllt durch§ 6 DMV), eine Ermächtigung zum Erlaß von Vorschriften über Probenahmeverfahren und Analysemethoden in § 6 (ausgefüllt durch dieProbenahme-und Analyseverordnung-Düngemittet159), die Ermächtigung zur Errichtung eines wissenschaftlichen Beirates, der den Bundesminister in Düngemittelfragen berät, in § 7 (ausgefüllt 154 155 156 157 158 159

Siehe die Begründung der Bundesregierung zu§ 1a: BT-Drucksache 11/4087, S. 15. S.o. 4.2.4. Wie diese nur aussehen kann, wurde oben- 4.2.4.- festgestellt. Siehe Bodenschutz I, BT-Drucksache 11/8410 (neu), S. 23 (31.10.1990). Siehe zu der ähnlichen Problematik im Pflanzenschutzmittelrecht unten 4.2.5.2.4. Vom 19.12.1977, BGBI. I, S. 2882, zuletzt geänd. durch Art. 2 der Verordnung vom 15.11.1989, BGBI. I, S. 2020.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

203

durch die Verordnung über die Errichtung eines wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen16) und Überwachungsvorschriften in§ 8. 4. 2. 4. 2. Regelung durch § 8 BNatSchG (Eingriffsregelung und Landwirtschaftsklausel)161

Nach § 8 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft neben den spezialgesetzlichen allgemeinen naturschutzrechtlichen Anforderungen unterworfen (§ 8 Abse. II -IV). Dabei eröffnet § 8 VII BNatSchG der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung ein äußerst umstrittenes Privileg: Sie ist nicht als Eingriff i.S.d. Gesetzes anzusehen (sog. Landwirtschaftsklausel)162. Die Privilegierung setzt mithin voraus, daß begrifflich überhaupt ein Eingriff i.S.d. § 8 I BNatSchG vorliegt. Nach§ 8 I BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft Verlinderungen der Gestalt163 oder der Nutzung von Grundstacken164, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachteilig beeinträchtigen können. Der Einsatz von Dünge-, aber auch von Pflanzenschutz- bzw. Unkrautvernichtungsmitteln beinhaltet keine Gestalts- oder Nutzungsänderungen i.S.d. Gesetzes. 165 Bewirkt werden kann zwar eine Nutzungsintensivierung, nicht aber eine Änderung der Nutzungsart, die für die Bejahung einer Nutzungsänderung erforderlich ist.166 Der Eingriffstatbestand wird schon deshalb nicht erfüllt, obwohl durch den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, wie oben bereits ausgeführt wurde167, dauerhafte Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Bodens und des Naturhaushalts insgesamt bewirkt werden können. Mangels Eingriffsqualität kommt es auf die durch die Landwirtschaftsklausel in § 8 VII BNatSchG erfolgende Privilegierung der landwirtschaftlichen Bodennutzung somit gar nicht an.

160 161

Vom

19.12.1977, BGBI. I, S. 2885.

Siehe dazu im einzelnen oben 4.2.1.9.2., allgemein zum Schutz des Bodens durch das Naturschutzrecht 4.2.1.9.1. 162 Siehe dazu eingehend Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 206 ff.; in neuester Zeit Ehrlein, VBlBW 1990, 121 (122). 163 Zur Begriffsbestimmung s.o. 4.2.1.9.2.1.

164 165

Zur Begriffsbestimmung: ebenda.

Hennekc, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 191; Kolodziejcok/Recken, § Rdn. 32; Gassner, NuR 1984, 81 (83); Harfst, Problematik, S. 279.

166 S.o. 4.2.1.9.2.1. 167 4.2.4.

8 BNatSchG,

204

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodem vor Schadstoffen

Anders beurteilt dies Rösgen168, der § 8 VII BNatSchG offenbar als Fiktion ansieht- auch wenn er dies nicht ausdrücklich entscheidet-, da nach seiner Auffassung mit der Anordnung des Gesetzgebers, die landwirtschaftliche Bodennutzung sei nicht als Eingriff anzusehen, vorausgesetzt werde, daß auch die Nutzung als solche, und nicht nur die Änderung der Nutzungsart, einen Eingriff i.S.d. § 8 I darstellen könne. Die landwirtschaftliche Düngung könne damit unter § 8 Abs. I fallen.169 Die Konsequenz aus Rösgens Auffassung ist, daß es dann für die Privilegierung nach § 8 Abs. VII darauf ankommt, ob die Düngung bzw. Anwendung von Pflanzenschutzmitteln als landwirtschaftliche Bodennutzung im konkreten Fall ordnungsgemäß ist oder nicht. 170 Eine solche Fiktion könnte § 8 VII jedoch nur dann beinhalten, wennjede ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung die tatbestandliehen Voraussetzungen der Eingriffsdefinition erfüllen würde, denn unter einer Fiktion versteht man die im Gesetz festgelegte Annahme eines Sachverhalts, der in Wirklichkeit nicht besteht17l. Eine Bodennutzung kann jedoch auch dann vorliegen, wenn der Eingriffstatbestand noch nicht erfüllt ist. Auch kann den Begriffen der Landwirtschaft und der Ordnungsgemäßheil i.S.d. Gesetzes nicht entnommen werden, daß in ihnen gerade die Tätigkeiten und Maßnahmen nicht enthalten sein sollen, die unterhalb der Eingriffsschwelle liegen.112 Die Auffassung Rösgens ist daher abzulehnen. Der Einsatz von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln fällt nicht unter den Eingriffstatbestand des§ 8 I BNatSchG. Auf die Privilegierung durch die Landwirtschaftsklausel in§ 8 VII BNatSchG kommt es gar nicht an.

4.2.4.3. Regelung durch § 15 AbfG und die dazu ergangenen Rechtsverordnungen113 4. 2.4. 3.1. Anwendungsbereich § 15 I 1 AbfG erklärt die Vorschriften des § 2 I und des § 11 AbfG für entsprechend anwendbar, wenn Abwasser, Kliirschlamm, Pakalien oder ähnliche Stoffe auch aus anderen als den in § 1 I genannten Gründen - also zur 168 AgrsrR 1985, 141 (146). 169 Rösgen, ebenda. 170 Vgl. Rösgen, ebenda. 171 Crcifelds, Rcchtswörterbuch, Stichwort: Fiktion; aiehe auch Larcnz, Methodenlehre, S. 251: "Die juristische Fiktion besteht in der gewollten Gleichsetzung eines als ungleich Gewußten." 172 Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 274.

173 Zum Abfallgesetz siehe ausführlich oben 4.2.1.1.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

205

Düngung - auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht oder zu diesem Zweck abgegeben werden. Dies gilt nach § 15 I 2 auch für Jauche, Gülle oder Stallmist insoweit, als das übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung überschritten wird. Für die in Abs. I genannten Stoffe gelten die § 2 I und § 11 AbfG also, trotz fehlender Abfalleigenschaft nach § 1 I, analog. Die Autbringung der Stoffe fällt erst dann nicht mehr unter § 15 I, wenn sie ausschließlich mit Entledigungswillen erfolgt (subjektiver Abfallbegri.JJ) oder der objektive Abfallbegriff erfüllt ist, z.B. bei Klärschlamm, der die Grenzwerte der AbfKlärV überschreitet.174 Hier gelten die abfallgesetzlichen Vorschriften dann unmittelbar, für eine entsprechende Anwendung der §§ 2 I, 11 AbfG über § 15 AbfG besteht kein Raum mehr.m Die Besonderheit der Regelung des § 15 I besteht darin, daß - bis zum Beweis des Gegenteils- beim Handeln i.S.d. Norm von Düngung auszugehen ist, die einen (auch) vorhandenen Entledigungswillen nach § 1 I 1 1. Alt. AbfG überlagert.176

Keine Anwendung findet § 15 AbfG auf Handelsdünger111, da diese unter keinen der tatbestandliehen Stoffbegriffe subsumierbar sind. Sie sind insbesondere auch keine "ähnlichen Stoffe" i.S.d. Gesetzes178, da das voraussetzt, daß der entsprechende Stoff als Abfall anfällt, aber zur Wachstumsverbesserung geeignet ist179. Für die Reichweite der analogen Anwendung der § 2 I und § 11 AbfG unterscheidet § 15 I in Satz 1 und 2 zwischen den dort genannten Stoffgruppen. Diese Unterscheidung liegt auch der folgenden Darstellung zugrunde.

4.2.4.3.2. Klärschlamm, Abwasser, Fiil«llien und ähnliche Stoffe Gemäß der Anordnung der analogen Anwendung des § 2 I AbfG für die Autbringung von Klärschlamm, Abwasser, Fäkalien und ähnlichen 174 Franßen, Abfallrecht, S. 412; Versteyl, in: K/SN, § 15 Abtu, Rdn. 5; Hoachützky/Kreft, § 15 Abtu, Anm. 1.1; Höael/v.I..eraner, § 15 Abtu, Rdn. 8; unklar insoweit Preusker, ZfW 1982, 261 (262), und Salzwedel, NuR 1983, 41 (42), die sich aber beide aufHöael/v.I..eraner, ebenda, berufen. 175 Franßen, ebenda; Versteyl, ebenda; siehe auch Hoachützky/ Kreft, ebenda, und Höael/v.I..eraner, ebenda. 176 Verateyl, ebenda. 177 Zum Begriff s.o.: 4.2.4. 178 Rösgen, AgrarR 1983, 141 (144). 179 Versteyl, in: KISN, § 15 AbfU, Rdn. 12; Höael/v.I..eraner, § 15 Abtu, Rdn.5.

206

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

StoffeniBO auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden, darf eine Verwendung dieser Stoffe das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigen, insbesondere nicht dadurch, daß der Boden schädlich beeinflußt wird181 (§ 2 I Nr. 3 AbfG). Wie die Entsorgung allgemein, unterliegt aufgrund der Regelung des § 15 I auch die Aufbringung bzw. Abgabe dieser Stoffe der Überwachung der zuständigen Behörde(§ 11 i.V.m. § 15 I AbfG). Die Behörde kann bspw. bestimmte Nachweise, Auskünfte und die Führung von Nachweisbüchern verlangen sowie auch den Zutritt zu Grundstücken.182 Besteht durch die aufzubringenden Stoffe oder durch Schadstoffkonzentrationen im Boden im Einzelfall die Besorgnis einer Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, kann die zuständige Behörde nach § 15 V 1 AbfG das Aufbringen von Klilrschlamm und der anderen in § 15 I 1 genannten Stoffe verbieten oder beschranken. Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ist nicht erforderlich. Da nach§ 2 I Nr. 3 AbfG der Schutz des Bodens vor schädlicher Beeinflussung ein Aspekt des Allgemeinwohls ist und die Eingriffsbefugnis den strengen Besorgnisgrundsatz183 zugrundelegt, ist damit ein Schutz des Bodens vor einer Überdüngung im ökologischen Sinn184 durch Klärschlamm und die anderen erfaßten Stoffe möglich.185 Durch § 15 II wird der BMU ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundeslandwirtschaftsminister und dem Bundesfamilienminister durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung des Allgemeinwohls, insbesondere bei der Erzeugung von Lebens- oder Futtermitteln, Vorschriften über das Aufbringen und die Abgabe der in Abs. I genannten Stoffe zu erlassen. Nach Abs. II 2 kann er Aufbringung und Abgabe nach Maßgabe von Merkmalen wie z.B. Schadstoffgehalt im aufzubringenden Stoff und im Boden (vor Aufbringung186) und natürlichen Standortverhältnissen (etwa der Bodenart187) beschränken oder verbieten (Abs. II 2 Nr. 1) bzw. von einer Untersuchung der aufzubringenden Stoffe und des Bodens abhängig machen (Abs. II 2 Nr. 2).

180 Zur Abgrenzung der Begriffe: Höae1/v.Leraner, Rdn. 4 ff.; Verateyl, Rdn. 8 IT. 181 Zum Begriff der achädlichen Beeinflusaung s.o. 4.2.1.1.3.; zur Relativität dieaes Schutzes s.o. 4.2.1.1.2. 182 Zur Überwachung: 4.2.1.1.7.3. 183 S.o. 4.2.1.3.5. 184 S.o. 4.2.4. l85 Siehe auch Salzwedel, NuR 1983, 41 (42). 186 Höael/v.Leraner, § 15 Abtu, Rdn. 21. 187 Höael/v.Leraner, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

207

Aufgrund dieser Ermächtigung ist 1982 die Klilrschlammverordnung188 erlassen worden.189 Sie dient unter dem Gesichtspunkt der Umweltvorsorge190 vorangigdem Schutz der Böden vor Schwermetalleinträgen und dadurch dem Schutz der auf ihnen erzeugten Nahrungs- und Futtermittel vor Beeinträchtigungen durch Schwermetalle.191 Sie bewirkt damit einen unmittelbaren und absoluten Bodenschutz.192 Die Verordnung gilt nach ihrem in § 1 festgelegten Anwendungsbereich fiir Belreiber der in Nr. 1 und 2 genannten Abwasserbehandlungsanlagen, die Klärschlamm zum Aufbringen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden abgeben und nach Nr. 3 fiir diejenigen, die ihn aufbringen. § 2 AbfKlärV enthält Begriffsbestimmungen fiir Klärschlamm, Rohschlamm und die seuchenhygienische Unbedenklichkeit. §§ 3 und 4 unterwerfen die Aufbringung des Klärschlamms Beschränkungen bzw. Verboten. Erstmals wurden Grenzwerte fiir Bodenbelastungen mit Schwermetallen festgelegt, bei deren Überschreiten die Aufbringung grundsätzlich untersagt ist (§ 4 IV). § 4 VII unterwirft die Aufbringung von Klärschlamm einer Genehmigungspflicht, wenn die Schadstoffgehalte im Klärschlamm mindestens einen der dort genannten Richtwerte überschreiten. Das Aufbringen von Rohschlamm sowie das Aufbringen von Klärschlamm auf Gemüse- und Obstanbauflächen ist absolut verboten (§ 4 Abs. I, II). Für die Aufbringung von Klärschlamm auf forstwirtschaftlich genutzte Flächen besteht ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (§ 4 V), auf Grünland in Naturschutzgebieten, Naturdenkmalen und Nationalparken bedarf sie der Genehmigung (§ 4 VI 1), in Landschaftsschutzgebieten kann sie auf Grünland ganz oder teilweise verboten werden (§ 4 VI 3). § 3 regelt die Boden- und Klärschlammuntersuchungen zur Einhaltung der Grenzwerte. Aufgrund der Ermächtigung des § 15 IV AbfG wird fiir die entsprechenden Meß- und Analyseverfahren, die in Anhang 1 zur AbfKlärV beschrieben werden, dort auf Bekanntmachungen sachverständiger Stellen (Deutsches Institut fiir Normung (DIN), Gesellschaft Deutscher Chemiker und Landwirtschaftliche Untersuchungsanstalten) verwiesen.193

188 AbOOärV vom 25. 6.1982, BGBI. I, S. 734. 189 Zur AbOOärV: Hoschützky!Kreft, § 15 Abtu, Anm. 2.2. Zu AbtKlärV und EGKlärschlamm-Richtlinie: OfTermann-Claas, DVBI. 1988, 328fT. 190 Hoschützlc:y/Kreft, Anm. 2.2.0. 191 Vgl. auch die amtliche Begründung, SR-Drucksache 56/82 vom 5. 2.1982, S. 15, Salzwedel, NuR 1983, 41 (42), Hoschützlc:y!Kreft, Anm. 2.1.1; Peine, in: UTR 3, S. 224. 192 Stonn, AgrarR 1983, 233 (235). 193 Zu§ 15 IV Abtu allgemein: Höselfv.I..crsner, § 15 Abtu, Rdn. 28fT.

208

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des RodeRB vor Schadstoffen

§ 5 AbfKlärV begrenzt die Menge des aufzubringenden Klärschlamms. Erst diese Mengenbegrenzung soll bei gleichzeitiger Begrenzung der Schadstoffe im Klärschlamm gewährleisten, daß eine Anreicherung von Schwermetallen im Boden erst über den Zeitraum von Jahrhunderten in die Nähe der in§ 4 IV gesetzten Werte gelangen Icann.l94 In § 6 AbfKlärV ist eine Pflicht des Betriebers einer Abwasserbehandlungsanlage zur Nachweisführung über die Abgabe von Klärschlamm vorgesehen. Sie hat auch Bedeutung für Haftungsfragen gegenüber dem Landwirt, dem Schäden durch die Aufbringung zu hoch belasteten Klärschlamms entstehen können.l 95

4.2.4.3.3. Jauche, Galle und Stallmist Für Jauche, Gülle und Stallmist196 gelten die Anordnungen des § 15 I 1 AbfG197 nach § 15 I 2 insoweit, als das abliche Maß der landwirtschaftlichen Dangung nicht aberschritten wird. Nach dieser Regelung fällt die landwirtschaftliche Düngung mit Wirtschaftsdüngern in diesem Rahmen also überhaupt nicht unter die Vorschriften des Abfallgesetzes, auch nicht in analoger Anwendung. Dem Ausnahmecharakter des Satzes 2 entsprechend, sollen deshalb die Begriffe Jauche, Gülle und Stallmist eng ausgelegt werden: Bereits die Vermischung mit den in Satz 1 genannten Stoffen entzieht ihnen den durch Satz 2 privilegierten Charakter, so daß die §§ 2 I und 11 entsprechend anwendbar sind.l 98 Bedeutsam ist dies etwa für die Vermischung von Jauche und Gülle mit häuslichen Abwässern oder z.B. Silosickerwasser.199 Neben dieser begrifflichen Grenze besteht für die Aufbringung von Wirtschaftsdünger die Beschränkung auf das abUehe Maß der landwirtschaftlichen Dangung. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird im Gesetz nicht definiert. Eine Definition findet sich auch nicht in Rechtsverordnungen des Bundes nach§ 15 II AbfG. Z.T. habenjedoch die Länder von der Ermächtigung in § 15 Abs. III Gebrauch gemacht und haben Gülleverordnungen erlas-

194 195 196 197 198

Hoschützky!Kreft, § 15 Abro, Anm. 2.2.6. Hoschützky!Kreft, Anm. 2.2.7. Zu den Begriffen siehe nur Hösel/v.Lersner, § 15 AbfG, Rdn. 15. S.o. 4.2.4.3.2. Bendel, AgrsrR 1972, 410 (412); Hösel/v.Lersner, § 15 Abro, Rdn. 15; Versteyl, in: KJSN, § 15 Abto, Rdn. 19. 199 Bendel, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

209

sen200. So sehen die Gülleverordnungen von Nds. und NRW Mengen- und Zeitbegrenzungen in Abhängigkeit von Standort- und insbesondere Bodenverhältnissen vor, deren Beachtung das übliche Maß indiziert201 (§§ 5, 6 Nds.GülleV, §§ 4, 5 GülleV NRW). Wie die Klärschlammverordnung dienen die Gülleverordnungen damit vorrangig dem Boden- und Grundwasserschutz. 202 Sie sind daher unmittelbar bodenschatzend und gewähren dem Boden, da Grundwasserschutz ohne Bodenschutz undenkbar ist203, absoluten Schutz. Problematisch bleibt, wie das "übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung" generell zu definieren ist, da in den meisten Bundesländern keine konkretisierenden Vorschriften bestehen und auch die genannten Verordnungen nur für die Autbringung von Gülle und Geflügelkot (Nds.) bzw. Gülle und Jauche (NRW) gelten. Nach dem Wortlaut kann sich die Üblichkeil nur auf die Autbringung der Stoffe zum Zweck landwirtschaftlicher Düngung beziehen. Die Grenze landwirtschaftlicher Düngung liegt dort, wo aus agrarwissenschaftlicher Sicht eine Steigerung der Ernteerträge bzw. ihrer Qualität nicht mehr erreicht werden kann. Wenn sich die Üblichkeil also schon nach dem Wortlaut nur auf eine Autbringung der Stoffe zur optimalen landwirtschaftlichen Bodennutzung beziehen kann, fällt eine Autbringung der Stoffe, die darüber hinausgeht, nicht mehr unter das übliche Maß landwirtschaftlicher Düngung. Selbst wenn die Autbringung im konkreten Fall ortsüblich sein sollte, etwa zur Entledigung von Kot und Harn aus der Massentierhaltung, kann sie demnach nicht als üblich i.S.d. § 15 I 2 angesehen werden. Dementsprechend wird in der Literatur zu einem großen Teil die Üblichkeil nach agrarwissenschaftliehen Kriterien bestimmt und so dem Privilegierungszweck des§ 15 I 2 AbfG Rechnung getragen. Das übliche Maß der Düngung umfaßt danach die Düngerautbringung, die für die Erzielung optimaler Ernteerträge erforderlich ist.204 Die Privilegierung durch § 15 I 2 entfiele also erst im Fall einer land-

200 201 202 203 204

Siehe die Gülleverordnungen von NRW vom 13. 3.1984, GVBI. S. 210, und von Nds. vom 9. 1.1990, GVBI. S. 9 - beide auch abgedruckt bei Hösel/v.l..ersner, Bd. 2, Nr. 5415 und 5215. Siehe dazu Hösel/v.I..ersner, § 15 AbfG, Rdn. 22.

Vgl. Hoschützky!Kreft, § 15 AbfG, Anm. 1.2.6; Versteyl, in: KJSN, § 15 AbfG, Rdn. Peine, in: UTR 3, S . 225: •...zielt weniger auf den Schutz des Bodens als auf den Schutz des Grundasscrs ab. •

20, anders: S.o.

4.2.1.3.1.

In diesem Sinne: OLG Saarbrücken, Beseht. vom 6. sel/v.I..ersner, § 15 AbfG, Rdn. 16; Salzwedel, NuR 261 (263); Bendel, AgrarR 1972, 410 (411).

14 Heiermann

6.1977, AgrarR 1978, 22 (23); Hö1983, 41 (43); Preusker, Ztw 1982,

210

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

wirtschaftlichen Überdüngung, nicht bereits bei ökologischer Überdüngung im oben205 dargelegten Sinne. Diese Auslegung verkennt jedoch, daß darüber hinaus die ökologischen Zwecke des § lS AbfG m beachten sind. Zweck des § lS AbfG, wie des Gesetzes insgesamt, ist die Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Umwelt und dort speziell auch des Bodens(§ 1 I, § 2 I, § 15 TI, V AbfG). Das Allgemeinwohl sah der Gesetzgeber nur bei einer sachgemäßen Düngung nicht gefährdet. 206 Die Grundsätze der Abfallentsorgung, wie sie sich aus dem Gesetz ergeben, zwingen folglich dam, die Privilegierung des § 15 I 2 insoweit einschränkend auszulegen, als das "übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung" nur die Düngung meint, die agrarwissenschaftlich und ökologisch sachgemäß ist.207 Soweit sich die landwirtschaftliche Düngung mit Jauche, Gülle und Stallmist in diesem Rahmen hält, sind mithin abfallrechtliche Regelungen nicht- auch nicht entsprechend- anwendbar.208 Bei Überschreiten des üblichen Maßes der landwirtschaftlichen Düngung gelten auch für Jauche, Gülle und Stallmist gemäß § 15 I 2 die Anordnungen des§ lS I 1 AbfG. Die§§ 2 I und 11 sind entsprechend anwendbar. Insoweit kann auf die obigen Ausfiihrungen209 verwiesen werden. Trotz des insoweit entgegenstehenden Wortlauts soll die Regelung des § 15 I 2 AbfG auch für die forstwirtschaftliche und gärtnerische Düngung gelten, da kein Grund vorliege, sie weniger m privilegieren und auch die Abgrenmng zwischen den Nutzungen nicht immer einfach sei.210 Die NichtNennung von Forst- und Gartenwirtschaft sei vielmehr ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers.211 Dieser Auffassung ist mmstimmen. Gemäß § 15 V 2 AbfG gilt § 15 V 1212 entsprechend für die Autbringung von Jauche, Gülle und Stallmist, wenn das übliche Maß der landwirtschaftli205 4.2.4. 206 BT-Drucbache Vl/2401, S. 20, 27. 207 So auch Rösgen, AgrarR 1983, 141 (145); Hoschützky!Kreft, § 15

Abtu, Anm. 1.2.6 sie gehen bei der Festlegung des üblichen Maßes allerdings von einer Abwägung zwischen dem Anspruch der Landwirtschaft auf Erzielung optimaler Erträge unter Einsatz hoher Düngergaben auf der einen und dem Anspruch der Allgemeinheit auf Emaltung des Grundnahrungsmittels Wasser auf der anderen Seite aus; lburg, ZfW 1986, 347 (352); Peine, in: UTR 3, S. 225; Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 31; ähnlich Heins, Pflanzenproduktion, S. 192 ff.

208 So auch Rösgen, 146. 209 4.2.4.3.2. 210 Hösel/v.Lersner, § 15 AbfG, Rdn. 17. 211 Hösel/v.Lersner, ebenda, unter Berufung aufBendel, 212 Dazu oben 4.2.4.3.2.

AgrarR

1972, 410 (410 f.).

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

211

chen Düngung überschritten wird und dadurch insbesondere eine schädliche Beeinflussung von Gewässern zu besorgen ist. Die Wasserbehörde kann danach, ohne auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zurückgreifen zu müssen, die Aufbringung dieser Stoffe beschränken oder verbieten und so eine Überdüngung im ökologischen Sinn213 verhindern.

4.2.4.3.4. Unberührtheit wasserrechtlicher Vorschriften § 15 VI AbfG bestimmt, daß die wasserechtliehen Vorschriften durch§ 15 unberührt bleiben, d.h. sie finden neben § 15 AbfG Anwendung. 214 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 15 AbfG, also etwa wenn sich die Aufbringung von Wirtschaftsdüngern nach Menge oder Zeitpunkt nur noch als Abfallentsorgung ansehen läßt, bestimmt sich das Verhältnis zwischen Wasserecht und Abfallrecht nach § 1 III Nr. S AbfG und den allgemeinen Regeln215. Daraus folgt, daß im Bereich des § 15 I AbfG gegebenenfalls der strenge Besorgnisgrundsatz des Wasserrechts gilt, während außerhalb seines Anwendungsbereichs nach der h.M.216 zum Verhältnis zwischen Abfall- und Wasserrecht nur das weniger strenge Abfallgesetz Anwendung findet.

4. 2.4.4. Regelung durch das Wasserrecht211 Im Unterschied zu den abfallrechtlichen Bestimmungen, die sich auf einzelne Düngemittel beziehen und unterschiedliche Anforderungen normieren, stellt das Wasserrecht allein auf die nachteilige Veränderung der Eigenschaften der Gewässer ab. Das Wasserrecht gilt damit für die landwirtschaftliche Bodennutzung insgesamt, also auch für den Einsatz von Düngemitteln, unabhängig davon, ob es sich um Klärschlamm, Wirtschafts- oder Handelsdünger handelt, und für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Landwirtschaft wird im Wasserrecht auch nicht in irgendeiner Art und Weise privilegiert. Ganz wesentlich für den Schutz des Bodens ist, wie oben218 bereits festgestellt wurde, der vom WHG bezweckte Grundwasserschutz.

213 214 215 216 217 218

S.o. 4.2.4. Siehe dazu Höse1/v.Lersner, § 15 AbfG, Rdn. 37. S.o. 4.2.1.3.8. S.o. 4.2.1.3.8. Zum WHG s.o. ausführlich 4.2.1.3. 4.2.1.3.1.

212

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

4.2.4.4.1. Jedennannpflicht nach §Ja 11 WH0219 Gemäß § la II WHG ist jedermann, und damit auch der einzelne Landwirt, verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten. Maßnahmen in diesem Sinne sind auch der Einsatz von Düngemitteln und von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. 220 Durch § la II sollen potentiell gewässerverunreinigende Maßnahmen nicht absolut verhindert werden, es wird vielmehr bei den entsprechenden Maßnahmen nur die nach den Umstdnden erforderliche Sorgfalt gefordert, um Verunreinigungen zu verhüten. Das Gesetz stellt dabei auf ein objektives Maß der Sorgfalt ab, nicht aufdie Person des Verpflichteten. 221 Dieses Maß ergibt sich in erster Linie aus dem landwirtschaftlichen Fachwissen und entsprechenden Merkblättern, Richtlinien etc. 222 An die Sorgfalt sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je wahrscheinlicher und größer der Schaden ist, der Wassergüte oder Wassermenge droht.223 § la II schließt damit Düngemaßnahmen, die sich agrarwissenschaftlich als Überdüngung darstellen aus, eine ökologische Überdüngung wird dadurch jedoch nicht von vomeherein verhindert. 224 Gegen Verstöße gegen§ la II WHG kann i.R.d. Gewässeraufsicht auf der Grundlage der Befugnisnormen in den Landeswassergesetzen eingeschritten werden.225

4. 2. 4. 4. 2. Erlaubnisbedürftigkeit nach § 3 WHG Nach § 2 i.V.m. § 3 WHG bedarf die Benutzung eines Gewässers einer behördlichen Erlaubnis (§ 7) oder Bewilligung (§ 8), die zu versagen sind, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist(§ 219 S.o. ausführlich 4.2.1.3.3. 220 G/W/C, § 1a WHG, Rdn. 15; S/Z/D, § 1a WHG, Rdn. 17; Preusker, ZfW 1982, 261 (265); Rösgen, AgrarR 1983, 141 (148); Peters, BWVPr. 1988, 169 (172); Salzwedel, NuR 1983, 41 (43). 221 S/Z/D, Rdn. 19. 222 Vgl. Salzwedel, NuR 1983, 41 (43). 223 G/W/C, § 1a WHG, Rdn. 17. 224 Siehe dazu insbesondere Nies, NVwZ 1987, 189 (191 f.). 225 Zusammenstellung bei Breuer, Wasserrecht, S. 350 f., in Nds. verweist § 169 NWG auf das allg. Polizei- und Ordnungsrecht. Siehe dazu unten 4.2.6.7., insb. 4.2.6.7.6.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

213

6). Welche Maßnahmen als Benutzungen anzusehen sind, bestimmt § 3 WHG. Die Düngung und auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könnten als "Einleiten von Stoffen in das Grundwasser" nach § 3 I Nr. 5 WHG226 anzusehen sein. Das erfordert eine Handlung, die darauf gerichtet ist, daß die dem Boden zugeführten Stoffe in das Grundwasser gelangen. 227 Das ist bei der Düngung, die darauf gerichtet ist, die zugeführten Nährstoffe im Boden für die Pflanzen verfügbar zu halten, nicht der Fall. Sie ist weder subjektiv noch objektiv auf eine Benutzung des Grundwassers gerichtet. 228 Dies gilt grundsätzlich auch für das Versprühen von Pflanzenschutzmitteln auf landund forstwirtschaftlich genutzten Flächen. 229 Anders ist die Lage bei einer Überdüngung im landwirtschaftlichen Sinn, d.h. einer Düngung, die über das zur optimalen landwirtschaftlichen Bodennutzung erforderliche Maß hinausgeht. Praktisch dürfte dies ohnehin nur bei der Aufbringung von Jauche und Gülle in Gegenden mit Massentierhaltung sein, d.h. dort, wo mehr Tierdung anfällt, als für die landwirtschaftlich sinnvolle Düngung notwendig ist (Dungüberschußbetriebe). In solchen Fällen zielt die Düngeraufbringung zumindest objektiv darauf ab, sich der Stoffe über den Boden und das Grundwasser zu entledigen. Ist die Aufbringung der Wirtschaftsdünger erkennbar zum Zweck der landwirtschaftlichen Düngung nicht mehr. erforderlich, kann man davon ausgehen, daß sie auch subjektiv nicht mehr zum Zweck der Bodenverbesserung, sondern zum Zweck der Entledigung der Stoffe über Boden und Grundwasser erfolgt. 230 Dann kann der einzelne Landwirt nämlich auch damit rechnen, daß die Stoffe das Grundwasser erreichen231. 232 226 Dazu bereits oben 4.2.1.3.4.1. 227 BVerwG, Urt. vom 16.11.1973, DVBI. 1974, 297 (298 f.); OVG Münster, Urt. vom 28.10.1988, ZfW 1989, 226 (227 f.); Salzwedel, NuR 1983, 41 (44); G/W/C, § 3 WHG, Rdn. 46; S/Z/D, § 3 WHG, Rdn. 19, 17; Breuer, Wasserrecht, S. 88 f. -Das BVerwG geht wohl vom Erfordernis einer subjektiven Zweckrichtung aus ("planvoll"). Das OVG Münater und Salzwedel lassen offen, ob die objektive Zweckrichtung ausreicht, d.h. ob auch Handlungen erfaßt werden, die nach ihrer objektiven äußerlichen Erscheinung und Eignung auf Zuführung des Stoffes gerichtet sind. In den drei letztgenannten Werken wird auf die objektive Zweckrichtung abgestellt. 228 Salzwedel, ebenda; Rösgen, AgrsrR 1983, 141 (149); SIZID, Rdn. 19a; G/W/C, Rdn. 49. 229 G/W/C, ebenda. 230 Vgl. OVG Münater, Urt. vom 28.10.1988, Ztw 1989, 226 (228). 231 S.o. 4.2.4. 232 Die Auffassung von Preusker, ZfW 1982, 261 (267), daß auch bei Düngung über das zur Bodenverbesserung übliche Maß hinaus kein Einleiten vorliege, ist deshalb, auch wenn man eine subjektive Zweckgerichtetheit verlangt, zu eng. Das gilt auch tür Rösgen, AgrarR 1983, 141 (149) und tür Breuer, Wasserrecht, S. 89, der, obwohl er die objektive

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Im Ergebnis kann sich daher die landwirtschaftliche Überdüngung als zumindest objektiv auf ein Einleiten von Stoffen in das Grundwasser gerichtetes Verhalten darstellen. Sie ist nach§ 2 I i.V.m. § 3 I Nr. 5 WHG erlaubnisbedürftig, aber wegen § 34 I WHG nicht erlaubnisfähig. Eine ökologische Vberdüngung233, die das Maß der landwirtschaftlichen Überdüngung im konkreten Fall nicht erreicht, kann demnach kein Einleiten i.S.d. § 3 I Nr. 5 WHG sein. Entsprechendes gilt fiir den Einsatz von Pflanzenbehandlungsund Schädlingsbekämpfungsmitteln. 234 Schon die ökologische Überdüngung mit Düngern oder KJärschlamm ist allerdings - und das ist unbestritten - als Einwirkung nach § 3 ll Nr. 2 WHG erlaubnisbedürftig.23S Dies ergibt sich einerseits daraus, daß § 3 II Nr. 2 keine gewässerbezogene Finalität fordert, sondern insgesamt überhaupt zweckgerichtete Maßnahmen genügen läßt. 236 Andererseits folgt es daraus, daß die ökologische Überdüngung geeignet ist, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizufiihren.237 Die fiir die Geeignetheil ausreichende nicht nur ganz entfernt liegende Möglichkeit238 der Beeinträchtigung der Wasserqualität, ist bei dieser Düngung, die nach Art und Maß die natürlichen Bodenfunktionen überfordert, gegeben. Sie ist jeweils von den natürlichen Rahmenbedingungen, wie Bodenbeschaffenheit, Grundwasserspiegel, Vegetation, KJima etc. abhängig.239 Zu beachten ist hierbei, daß aufgrund der natürlichen Bedingungen selbst eine Überdüngung im landwirtschaftlichen Sinne, d.h. also eine Düngeraufbringung, die zur Erzielung optimaler Ernteerträge nicht mehr erforderlich ist, zwar regelmäßig, aber nicht notwendig die Gefahr einer Überforderung der natürlichen Bodenfunktionen und der Wasserqualität nach sich ziehen muß. Die

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236 237 238 239

Zweckgerichtetheit für ausreichend hält, auch die landwirtschaftliche Überdüngung nicht als Einleiten i.S.d. § 3 Abs. I Nr. S WHG ansieht. S.o. 4.2.4. Siehe nur GIW/C, § 3 WHG, Rdn. 49. Preusker, Ztw 1982, 261 (267); Salzwedel, NuR 1983, 41 (45); Rösgen, AgrarR 1983, 141 (149); S/Z/D, § 3 WHG, Rdn. 29; ähnlich G/W/C, Rdn. 74; Breuer, AgrarR 1985, Beilage D, 2 (6 f.); dera., WaAerrecht, S. 98; Kerger, AgrarR 1991, 117 (118)- allerdings ohne die erforderliche Differenzierung zwischen Überdüngung im landwirtschaftlichen und ökologischen Sinne; v.Mutius, AgrarR 1985, Beilage D, 11 (13 f.) und Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, 985 (993), die aber auf den schwer realisierbaren Verwaltungavollzug hinweisen. Breuer, Wasserrecht, S. 94 m.w.N. S.o. 4.2.4. und Umweltbericht 1990, S. 214. OVG Münster, Beschl. vom 29.12.1971, Ztw 1973, 56 f.; Breuer, WaAerrecht, S. 95 ; Salzwedel, NuR 1983, 41 (44). Vgl. auch Salzwedel, ebenda.

4.2. Schutz des Bodens vor direklem Schadstoffeintrag

215

Grenze zur Überdüngung im ökologischen Sinn kann also im Einzelfall auch über der Grenze zur Überdüngung im landwirtschaftlichen Sinn liegen. 240 Die ökologische Überdüngung ist daher, wie bereits festgestellt wurde, eine erlaubnisbedürftige Einwirkung i.S.d. § 3 II Nr. 2 WHG. Die Erlaubnis darf jedoch wegen § 34 I WHG nicht erteilt werden. Entsprechendes gilt auch für den Einsatz von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. 241

4.2.4.4.3. Dangeraujbringung als (Ab-)Lagerung von Stoffen i.S.d. § 34 Ill WHG Gemäß § 34 II 1 WHG dürfen Stoffe nur so gelagert oder abgelagert werden, daß eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen ist. 242 Eine Lagerung kommt beim Einsatz von Düngemitteln nicht in Betracht, da dieser nicht zum Zweck der Zwischenlagerung und späteren Verwendung erfolgt. Aber auch ein Ablagern, d.h. eine Lagerung mit dem Ziel der dauerhaften Entledigung, kommt zumindest i.R.d. landwirtschaftlich ordnungsgemäßen Düngung nicht in Betracht, da hier der für die Anwendung der Norm wesentliche Hauptzweck nicht auf die dauerhafte Entledigung der Stoffe, sondern auf ihre Zufuhr zur Bodenverbesserung gerichtet ist. 243 Ist die Entledigungsabsicht des Landwirts bzw. des Aufbringenden Hauptzweck der Düngeraufbringung, liegt ein Ablagern vor, das, wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu besorgen ist244 , nach § 34 II 1 verboten ist. 245 Bei der Überdüngung im landwirtschaftlichen Sinn wird das regelmäßig der Fall sein. Entsprechendes gilt für den Einsatz von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. 246

So auch v.Mutius, AgrarR 1985, Beilage D, 11 (13 f.). Siebe nur 0/W/C, § 3 WHO, Rdn. 74; S/Z/0, § 3 WHO, Rdn. 29. Zu§ 34 D 1 WHO siebe bereits oben 4.2.1.3.5. BOH, Urt. vom 7. 6.1966, NJW 1966, 1570; OLG Karlsrube, Bcscbl. vom 19. 6.1984, Ztw 1985, 135 (138); Rösgen, AgrarR 1983, 141 (148); Prcusker, ZfW 1982, 261 (266); Salzwcdel, NuR 1983, 41 (43); 0/W/C, § 34 WHO, Rdn. 15. 244 Dazu 4.2.1.3.5. und 4.2.1.3.3. 245 Prcusker, Ztw 1982, 261 (266); Rösgen, AgrarR 1983, 141 (148); Salzwedel, NuR 1983, 41 (43); Breuer, AgrarR 1985, Beilage D, 2 (5); v.Mutius, AgrarR 1985, Beilage D, 11 (13); 0/W/C, § 34 WHO, Rdn. 15; vgl. auch OVO Münster, Urt. vom 28.10.1988, ZfW 1989, 226 (228). 246 Vgl. nur 0/W/C, § 26 WHO, Rdn. 20.

240 241 242 243

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

Schwierigkeiten beim Vollzug der Vorschriften dürften sich allerdings daraus ergeben, daß das Wissen um die Überdüngung und der auf Entledigung gerichtete Wille des einzelnen Landwirts, auf die es nach der Definition des Ablageros ankommt, kaum nachweisbar sein werden. 247 Preusker248 will daher die Entledigungsabsicht im Fall der Überdüngung im landwirtschaftlichen Sinn durch Klärschlamm und Fäkalien als gegeben annehmen. Hieran dürfte richtig sein, daß man bei Dungüberschußbetrieben im Fall einer nicht unerheblichen landwirtschaftlichen Überdüngung mit Wirtschaftsdünger nach der Lebenserfahrung von einer Autbringung zum Zweck der Beseitigung und nicht zur Düngung ausgehen kann. Im Wege des Anscheinsbeweises kann so der Behörde die Beweislast erleichtert und ein Verwaltungsvollzug der Vorschrift bei Überdüngung möglich gemacht werden. Die Begrenzung der Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises auf die Fälle der nicht unerheblichen landwirtschaftlichen Überdüngung wird man deshalb vornehmen müssen, weil sich die Autbringung von Wirtschaftsdüngern z.B. wegen der schwankenden Nährstoffgehatte249 nicht so optimal steuern läßt, wie die Autbringung von Handelsdüngern. In diesem vorgelagerten Bereich wird man deshalb gerade noch nicht generalisierend von einer hauptsächlich der Entledigung dienenden Autbringung sprechen können. Wird im Fall des Einsatzes von Düngern der Tatbestand des § 34 II 1 WHG erfüllt, ist das Konkurrenzverhältnis zwischen wasserrechtlichen und abfallrechtlichen Vorschriften zu beachten. 250

4.2.5. Der Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln Pflanzenbehandlungsmittel sind bodenfremde Stoffe, die dazu dienen, Schadorganismen an Kulturpflanzen oder nicht nutzbare Konkurrenten der angebauten Pflanzen in ihrer Entwicklung zu hemmen oder zu vernichten. 251 Verglichen mit dem Eintrag von Nährstoffen durch Düngung, ist der Eintrag von chemischen Pflanzenschutzmitteln quantitativ um Größenordnungen geringer. 252 Ihr Verhalten im Boden wird ganz entscheidend durch die Regelungsfunktion (Filterung, Speicherung, Pufferung, Transformation)253 247 So v .Mutius, AgrarR 1985, Beilage ß, 11 (13); vgl. auch Rösgen, AgrarR 1983, 141 (148). 248 ZfW 1982, 261 (266). 249 Vgl. SRU-Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 460. 250 Siehe dazu bereite oben 4.2.1.3 .8. a.E. 251 Umweltbericht 1990, S. 214. 252 SRU-Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 862. 253 Siehe dazu oben: 1.2.1. Exlrura.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

217

gesteuert, die dafür sorgt, daß Pestizide oder ihre Metaboliten unter Mitwirkung der Bodenmikroorganismen abgebaut oder aber im Boden festgelegt werden. 254 Problematisch sind die Anreicherung dieser Stoffe sowie ihre Auswirkungen auf die Bodenorganismen. So führt der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten von 1985255 aus, daß eine Anreicherung von Pestiziden im Boden zu einer allmählichen Erschöpfung oder sogar zum Verlust des Regelungsvermögens256 führen kann. Die vereinzelten Kontaminationen des Grundwassers ließen den SRU 1985257 befürchten, daß unter bestimmten Bedingungen selbst die übliche Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht mehr abgepuffert wird. Bereits zwei Jahre später räumte der Rat in seinem Umweltgutachten258 ein, diese Bedrohung im Gutachten von 1985 sogar noch unterschätzt zu haben. Durch Rückstände persistenter Pestizide in den Böden wird daneben in einzelnen Fällen auch eine Beeinträchtigung der Funktion des Bodens als Produktionsgrundlage für Biomasse259 bewirkt. 260 Sowohl die beabsichtigte Wirkung als auch die Nebenwirkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sind daher mit der Erhaltung eines vieltältigen Artenbestandes und der Vermeidung des Eintrags bodenfremder Stoffe häufig nicht vereinbar; Bodenschutz und (Kultur-)Pflanzenschutz stehen daher grundsätzlich im Widerspruch zueinander. 261

4.2.5.1. Regelung durch das DDT-Gesetz262 § 1 DDT-Gesetz verbietet es 1,1,1- Trichlor-2,2 bis (4-chlorphenyl) aethan und seine Isomeren (DDT) und Erzeugnisse, die unter Zusatz von DDT als Wirkstoff hergestellt werden (DDT-Zubereitungen), herzustellen, einzuführen, auszuführen, in den Verkehr zu bringen, zu erwerben und anzuwenden.

254 SRU-Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 862. 255 Ebenda. 256 Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformationskapazilit. 257 Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 862, 947, 959. 258 SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 945. 259 S.o. 1.2.1. 260 SRU-Umweltgutachten 1987, Tz. 607; siehe dort auch insgesamt zu den Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln (Tz. 606 • 610) und SRU-Sondergutachten Landwirtschaft, Tz. 935 ff. 261 Umweltbericht1990, S. 215; SRU, Tz. 607. 262 Gesetz über den Verkehr mit DDT, vom 7. 8.1972, BGBI. I, S. 1385, zuletzt geänd. durch§ 44 I Nr. 2 PflSchG, vom 15 . 9.1986, BGBI. I, S. 1505.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Das früher vielfach und auch heute noch in einzelnen Staaten als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzte DDT ist besonders gefährlich, weil es sich ubiquitär verbreitet, persistent ist und sich in der Nahrungskette anreichert.263 Schutzgut des Gesetzes ist die menschliche Gesundheit. Dies ergibt sich aus § 6 ll DDT-Gesetz. Mittelbar wird durch das umfassende Verbot von DDT aber auch der Schutz der Umwelt, hier auch des Bodens, vor diesem Stoff bewirkt. Das Gesetz ist demnach mittelbar bodenschiltzend. Ausnahmegenehmigungen sind nach § 1 II DDT-Gesetz nur für Forschungs-, Untersuchungs- und Versuchszwecke sowie zur Synthese anderer Stoffe möglich. 4.2.5.2. Regelung durch das Pjlanzenschutzgesetz264 4.2.5.2.1. Boden als Schutzgut des Gesetzes

Gemäß § 1 Nr.4 PflSchG ist es u.a. Zweck des Gesetzes, Gefahren abzuwenden, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier undfür den Naturhaushalt, entstehen können. Zum Naturhaushalt zählt nach der ausdrücklichen Begriffsbestimmung des § 2 I Nr. 6 auch der Boden. Das Gesetz ist danach unmittelbar bodenschatzend. Das Gesetz dient nach§ 1 Nr. 1 allerdings auch dem diesem Bodenschutzzweck widersprechenden Ziel26S des Schutzes von Pflanzen, insbesondere von Kulturpflanzen, vor Schadorganismen und nichtparasitären Beeinträchtigungen. Aus § 6 I und § 15 I Nr. 3a ergibt sich jedoch eine besondere Hervorhebung der Integrität der Gesundheit von Mensch und Tier sowie des Grundwasserschutzes. 266 Kloepfer267 , Drescher268 und Rehbinder269 ist daher zuzustimmen, daß zumindest der Schutz der Gesundheit und des Grundwas263 Rehbinder, in: HdUR 1, Sp. 328. 264 Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (PßSchG) vom IS. 9.1986, BGBI. I, S. 1SOS; zuletzt geänd. durch Art. 1S d. Gesetzes vom 28. 6.1990, BGBI. I, S. 1221. 265 S.o. 4.2.S. a.E. 266 Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rdn. 102. 267 Ebenda. 268 NuR 1989, 283 (284). 269 NuR 1987, 68.

4.2. Schutz dea Bodem vor direktem Schadstoffeintrag

219

sers gegenüber dem in § 1 Nr. 1 genannten (Kultur-)Pflanzenschutz als vorrangig anzusehen ist. Gegen einen generellen Vorrang des in § 1 Nr. 4 formulierten Schutzzwecks spricht schon die Gesetzgebungsgeschichte. 270 Aus der Vorrangigkeil des Grundwasserschutzes, die das Gesetz absolut grundwasserschatzend macht271, ergibt sich konsequenterweise ein zumindest faktischer Vorrang auch des Bodenschutzes. Denn Grundwasserschutz ist ohne Bodenschutz praktisch nicht möglich. 272 Dementsprechend bildet die Gefahr einer Überforderung des Regelungsvermögens des Bodens (Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformationsvermögen)273 die Grenze des rechtmäßigen Einsatzes von Pflanzenbehandlungsmitteln. 274 Aus der Erkenntnis der Gefahren des Pflanzenbehandlungsmitteleinsatzes275 resultiert die insgesamt stärkere ökologische Orientierung des Pflanzenschutzgesetzes. Ihm liegt seit der Neufassung von 1986 das Leitbild eines wintegrierten Pflanzenschutzes • zugrunde. Durch § 2 I Nr. 2 PflSchG ist dieser definiert als weine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschrllnkt wird•.

4.2.5.2.2. Schutz des Bodens durch das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel Wichtigstes Instrument des Gesetzes ist das in den §§ 11 ff. geregelte Zulassungsverfahren für PflanzenschutzmitteL Pflanzenschutzmittel dürfen nach § 11 I 1 PflSchG nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie von der Biologischen Bundesanstalt (BBA) zugelassen sind. Der Begriff des Pflanzenschutzmittels ist in § 2 I Nr. 9 legaldefiniert. Ausnahmen von der Zulassungspflicht regelt § 11 I 2 PflSchG; nach Abs. II kann die BBA in den dort in Nr. 1 - 3 genannten Fällen auch das Inverkehrbringen oder die Einfuhr von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln genehmigen. Nach § 15 I ist dem Antragsteller, das ist nach § 12 Abs. I der Hersteller oder Importeur, die Zulassung von der BBA zu erteilen, wenn der Antrag

270 271 272 273 274 275

Siehe inab. BT-Drucksache 10/4618, S. 41, 45. Siehe Preusker, in: HdUR 2, Sp.159. S.o. 4.2.1.3.1. S.o. 1.2.1. Exkurs und 1.2.2. So im Ergebnis auch Peine, in: UTR 3, S. 227; Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdn. 38. S.o. 4.2.5.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

den formellen Anforderungen des § 12 entspricht und die Prüfung des Pflanzenschutzmittels ergibt, daß es nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Technik hinreichend wirksam ist, die Erfordernisse des Schutzes von Mensch und Tier beim Verkehr mit gefährlichen Stoffen nicht entgegenstehen und es bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung oder als Folge einer solchen Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und auf das Grundwasser hat und keine sonstigen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt, hat, die nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vertretbar sind. Entscheidend für den Schutz des Bodens sind die Anforderungen des letzten Punktes. Die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels ist als bestimmungsgemäß anzusehen, wenn es entsprechend der aus der Gebrauchsanweisung ersichtlichen Zweckbestimmung angewendet wird, und sie ist sachgerecht, wenn sie guter fachlicher Praxis entspricht. 276 Zur guten fachlichen Praxis gehört nach § 6 I 2 die Berücksichtigung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes i.S.d. Definition des § 2 I Nr. 2 PflSchG. Daraus läßt sich ableiten, daß ein nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch vertretbarer Pflanzenschutz betrieben werden soU.277 Die Problematik der Anknüpfung an eine "bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung" ergibt sich allerdings bereits daraus, daß auch dann Grundwasserkontaminationen und Bodenschädigungen nicht mehr ausgeschlossen werden können. 278 Auswirkungen auf die Gesundheit und das Grundwasser, die durch das PflSchG absolut geschützt werden, müssen "schädlich" sein. Den Begriff der Schädlichkeit wird man in bezug auf das Grundwasser in Anlehnung an das Wasserrecht auslegen müssen, so daß darunter Verunreinigungen und sonstige nachteilige Veränderungen der Eigenschaften des Grundwassers zu verstehen sind. 279 Problematisch im Hinblick auf den strengen Besorgnisgrundsatz des Wasserrechts ist, ob die Schädlichkeit für das Grundwasser nachgewiesen werden muß oder ob die Besorgnis einer Grundwasserbeeinträchtigung für die Versagung der Zulassung genügt. Würde man den sehr schwierig zu führenden Nachweis fordern, könnte sich im Einzelfall die Situation ergeben, daß Pflanzenschutzmittel nach dem PflSchG zugelassen wären, aber von den Landwirten bei Beachtung der wasserrechtlichen Vorschriften nicht 276 Lorz, PflSchR, § 15 PflSchG, Anm. 2. a) cc). 277 BT-Drucksache 10/4618, S. 45; Drescher, NuR 1989, 283 (284). 278 S.o. 4.2.5. 279 Siehe dazu oben 4.2.1.3.3.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

221

aufgebracht werden dürften. 280 Ein solches Ergebnis widerspräche dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, so daß auch hier der strenge Besorgnisgrundsatz angelegt werden muß.281 Der weite Begriff der sonstigen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt (zu dem auch der Boden gehört-§ 2 I Nr. 6), wurde bewußt gewählt, um dem Vorsorgeprinzip bei der Zulassung noch stärker Rechnung zu tragen. 282 Es werden also grundsätzlich alle Bodenbeeinträchtigungen erfaßt. Eingeschränkt wird dies aber durch die Klausel, daß nur solche sonstigen Auswirkungen die Zulassungsecteilung hindern, die nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vertretbar sind. Die Entscheidung über die Vetretbarkeit verlangt von der BBA eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile des Pflanzenschutzmittels.283 Die Vetretbarkeit ist jedenfalls im Fall einer durch das Mittel zu erwartenden Allgemeinwohlbeeinträchtigung zu verneinen. 284 Unvertretbar können auch Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels sein, die bereits vor einer Erschöpfung des Filter-, Puffer-, Speicher- und Transformationsvermögens des Bodens eintreten.285 Daß nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unvertretbare Auswirkungen auf den Naturhaushalt nicht vorliegen dürfen, wenn die Zulassung erteilt wird, heißt nichts anderes, als daß unvertretbare Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein müssen. 286 Die BBA wird auch zu prüfen haben, ob die Zulassung zu versagen ist, wenn ein Pflanzenschutzmittel größere nachteilige Auswirkungen erwarten läßt als ein anderes, bereits zugelassenes Mittel mit gleichem Wirkungsspektrum.287 Mit Rehbinder288 ist gegen dieses Merkmal der wissenschaftlichen Vetretbarkeit einzuwenden, daß es zwar eine wissenschaftlich abgeleitete, aber letztlich praktisch-administrative Entscheidung über das akzeptable Risiko beim Pflanzenschutzmitteleinsatz ermöglicht, für die es im Gesetz keine handhabbaren Kriterien gibt. 280 281 282 283 284 285 286 287

Staupe, UPR

1988, 41 (44).

Staupe, ebenda. BT-Drucksache 10/4618, S.

48. 10/1262, S. 26. BT-Drucksache, ebenda; Lorz, PflSchR, § 15 PflSchG, Anm. 2. a) cc). Vgl. BVerwGE 81, 12 (16)- Urt. vom 10.11.1988- = NVwZ-RR 1990, 134 (135). BVerwGE 81, 12 (15) = NVwZ-RR 1990, 134. BT-Drucksache 10/1262, S. 26; zu den Abwägungsbelangen siehe auch BVerwGE 81, 12 (17) = NVwZ-RR 1990, 134 (135). 288 NuR 1987, 68 (69). BT-Drucksache

222

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Die Entscheidung der BBA ist voll gerichtlich überprüfbar, da man ihr nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen keinen Beurteilungsspielraum zubilligen kann. 289 Über das Vorliegen der Voraussetzungen entscheidet die BBA gemäß § 15 II im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheits- und dem Umweltbundesamt. Nach§ 15 III hat sie die Zulassung insbesondere mit den zum Schutz des Naturhaushalts vor schädlichen Auswirkungen erforderlichen Auflagen, speziell über die Fassung der Gebrauchsanleitung, zu versehen. Die BBA hat keinerlei Ermessensspielraum. Nach § 16 I ist die Zulassung auf eine 10jährige Laufzeit befristet; sie kann jedoch erneut erteilt werden. Die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens sind in der auf § 17 I beruhenden Pjlanzenschutunittelverordnung290 geregelt. § 15 V gibt der BBA das Recht, auch nach Zulassungserteilung vom Inhaber der Zulassung Angaben, Unterlagen und Proben nachzufordern, soweit neue Erkenntnisse, etwa über ökologische Gefahren, eine Überprüfung der Zulassung erfordern. Die Zulassung kann gegebenenfalls nach § 49 II 1 VwVfG widerrufen werden (vgl. § 16 II PflSchG). Ergänzend zur Nachforderungsmöglichkeit über § 15 V PflSchG normiert § 15 IV für den Antragsteller eine Pflicht zur unverzaglichen Anzeige von Änderungen gegenüber den Angaben und Unterlagen des Zulassungsantrags und § 19 I eine Pflicht zur jahrliehen Meldung über Art und Menge der Wirkstoffe der abgegebenen oder ausgeführten PflanzenschutzmitteL

4.2.5.2.3. Das Inverkehrbringen von Pjlanzenschutunitteln Im Hinblick auf den Bodenschutz sind in diesem Bereich die Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten nach § 20 PflSchG wesentlich. Dort wird in Abs. I auf die §§ 13 - 15 ChemG verwiesen. Diese verlangen insbesondere, daß gefährliche Stoffe so zu verpacken und zu kennzeichnen sind, daß bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung u.a. Gefahren für die Umwelt, also auch für den Boden, vermieden werden (§ 14 I ChemG). § 20 Abs. II PflSchG enthält zusätzliche, auf die Besonderheiten von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtete Anforderungen, die der Sicherstellung einer sachgerechten 289 BVerwGE 81, 12 (17) = NVwZ-RR 1990, 134 (135); so im Ergebnis auch Lorz, PflSchR, § 15 PflSchG, Anm. 2. a) cc). 290 Verordnung über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte vom 28. 7.1987, BGBI. I, S. 1754.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadetoffeintrag

223

Anwendung dienen. Z.B. sind nach Nr. 4 Art und Menge der enthaltenen Wirkstoffe anzugeben und nach Nr. 7 auch bestimmte Anwendungsverbote und -beschränkungen, darunter auch die nach der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung291. Anzugeben ist nach Nr. 6 auch die Gebrauchsanleitung entsprechend den Auflagen nach § 15 III PflSchG. Sie kann nach § 15 III 2 bindende Anwendungsbestimmungen enthalten. Nach § 21 PflSchG dürfen beim Vertrieb und in der Werbung keine der Gebrauchsanleitung widersprechenden Angaben über die Anwendung des Pflanzenschutzmittels verwendet werden. Die Abgabe im Einzelhandel darf nicht durch Automaten oder durch andere Formen der Selbstbedienung erfolgen (§ 22 I PflSchG).

4.2.5.2.4. Die Regelung der Anwendung von Pflanzenschutvnitteln Die Generalklausel des § 6 I 1 PflSchG bestimmt, daß Pflanzenschutzmittel nur nach guter fachlicher Praxis angewendet werden dürfen. Dazu gehören, wie Satz 2 klarstellt, die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes i.S.d. § 2 I Nr. 2292• Der Pflanzenschutz soll also gleichermaßen ökomomisch und ökologisch vetretbar betrieben werden. 293 Die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel soll auf das notwendige Maß beschränkt werden, d.h. es muß jeweils geprüft werden, ob die Anwendung dieser Mittel angesichts eines (drohenden) Schädlingsbefalls oder des vermutlichen Ausmaßes seiner Auswirkungen (Schadensschwelle) überhaupt erforderlich ist. 294 Sie dürfen nach § 6 I 3 PflSchG überhaupt nicht angewandt werden, soweit der Anwender damit rechnen muß, daß ihre Anwendung schiJdliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf Grundwasser oder sonstige erhebliche schtidliche Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt hat.

In bezog auf den Boden als Teil des Naturhaushalts bedeutet das nach dem herrschenden ökologischen Bodeq/imktionsschutzverständnis, daß eine Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel verboten ist, soweit der Anwender mit Beeinträchtigungen in erster Linie der Regelungsfunktion des Bodens295 rechnen muß. Solche Beeinträchtigungen sind wegen ihrer oft weitgehenden Irreversibilität als grundsätzlich erheblich anzusehen. Die so gezogene 291 Verordnung über Anwendungsverbote fiir Pflanzenschutzmittel vom 27. 7.1988, BGBI. I, s. 1196. 292 S.o. 4.2.5.2.1. a.E. 293 BT-Drucksache 10/4618, S. 45 . 294 BT-Drucksache, ebenda; Rehbinder, NuR 1987, 68 (10). 295 S.o. 1.2.1. Exkurs.

224

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

Grenze harmonisiert auch mit dem vom Gesetz bezweckten absoluten Grundwasserschutz296. Es wurde bereits oben297 dargelegt, daß eine Abschätzung, wann solche Beeinträchtigungen eintreten auch für Fachleute kaum möglich ist. In § 6 I 3 wird hierfür aber sogar auf den einzelnen Landwirt abgestellt. Es ist daher höchst zweifelhaft, ob durch diese insofern nicht handhabbare Norm eine nennenswerte Verbesserung im Hinblick auf auf die Situation des Bodenschutzes zu erwarten ist. Eine Gewährleistung des bezweckten Schutzes ließe sich am ehesten über eine Regelung dieses Bereichs entsprechend den Bestimmungen der Klärschlammverordnung298 erreichen, also insbesondere durch die Verpflichtung zu Bodenuntersuchungen und die Festlegung von Grenzwerten für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in den verschiedenen Bodenarten. Diese Grenzwerte müßten auch in Abhängigkeit von den jeweiligen Standortverhältnissen bestimmt werden. Diese Konkretisierung der Schadensschwelle in bezug auf den Boden kann nur mittelbar und unvollkommen durch die hinsichtlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit festgelegten Grenzwerte für bestimmte Stoffe in Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen und im Trinkwasser geschehen. 299 Ein handhabbarer Maßstab für die für den Naturhaushalt unschädliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ergibt sich daraus für den einzelnen Landwirt nicht.

§ 6 I 4 PflSchG bestimmt, daß soweit die Gebrauchsanleitung Anwendungsbestimmungen der BBA nach § 15 III 2 enthält, diese auch eingehalten werden müssen. Nach § 6 I 5 PflSchG kann die (landesrechtlich) zuständige Behörde, das sind die Pflanzenschutzämter und -dienste, die Pflichten der Sätze 1 - 3 durch Verwaltungsakt konkretisieren. Mögliche Anordnungen zur Durchsetzung der Pflichten sind z.B. das Einhalten von Wartezeiten, die Aufgabe der Verhinderung des Abdriftens und die Beseitigung von Pflanzenschutzmittelresten.300 Ein flächenbezogenes Anwendungsverbot enthält § 6 11 PflSchG. Danach dürfen Pflanzenschutzmittel auf Freilandflächen nur angewandt werden, soweit diese landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. Ihre Anwendung ist folglich auch in Parks, Haus- und Ziergärten 296 297 298 299 300

4.2.5.2.1. 1.2.2.1. und 4.2.5. S.o. 4.2.4.3.2. S.o.

Siehe dazu die Pflanzenschutzmiuel-Höchstmengenverordnung (PHmV) i.d.F. d. Bek. vom 16.10.1989, BGBI. I, S. 1861; Trinkwasserverordnung (TrinkwV) mit Anlagen vom 5.12.1990, BGBI. I, S. 2612, ber. 1991 I, S. 227. Lorz, PflSchR, § 6 PflSchG, Anm. 3.

4.2. Schutz des Bodena vor direktem Schadstoffeintrag

225

erlaubt. Dies erscheint nicht nlir aus ökologischen Gründen als nicht sinnvoll. Nicht erlaubt ist die Anwendung danach im allgemeinen auf Feldrainen, Böschungen, nicht bewirtschafteten Bodenteilen, Wegen und Wegrändern, die als Lebensstätten von Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben sollen.301 Die Anwendung .in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern und Küstengewässern ist gänzlich untersagt(§ 6 II 2 PflSchG). Von den Verboten des Abs. II kann die zuständige Behörde nach Abs. III Ausnahmen genehmigen, wenn der angestrebte Zweck vordringlich ist und mit zumutbarem Aufwand auf andere Weise nicht erzielt werden kann und übetwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Pflanzen- und Tierschutzes nicht entgegenstehen. Diese Regelung gilt in erster Linie für öffentliche Straßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen, Flughäfen und Militäranlagen.302 Generelle Anwendungsbeschrltnkungen und -verbote, insbesondere zum Schutz des Naturhaushalts - und damit auch des Bodens - vor Gefahren, können durch Rechtsverordnung normiert werden. Rechtsgrundlage ist § 7 I PjlSchG. Aufgrund dieser Ermächtigung ist die Pjlanzenschutz-Anwendungsverordnung303 ergangen. Sie differenziert nach der Gefährlichkeit der Stoffe und verbietet in § 1 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die einen der in der Anlage 1 aufgeführten 42 Stoffe enthalten, vollständig.

Für Pflanzenschutzmittel, die einen der neun in der Anlage 2 aufgeführten Stoffe enthalten, beschränkt § 2 die Anwendung auf bestimmte Verwendungen, die in Anlage 2 genannt werden (eingeschränktes Anwendungsverbot). § 3 I verbietet die Anwendung von sieben in Anlage 3 Abschnitt A aufgeführten Stoffen, soweit dies dort bestimmt wird (Anwendungsbeschränkungen). Die in der Anlage 3 Abschnitt B genannten 68 Stoffe dürfen nach § 3 II der Verordnung nicht in Heilquellen- und Wasserschutzgebieten angewandt werden. Nach Abs. III kann die Anwendung dieser Stoffe sowie der nach Anlage 2 Nr. 1 und 3 bis 8 auch in abgegrenzten Einzugsgebieten von Trinkwassergewinnungsanlagen oder Heilquellen oder sonstigen Gebieten zum Schutz des Grundwassers durch die zuständige Behörde verboten werden. Durch diese Bestimmungen wird auch der Boden mitgeschützt. Ein spezielles grundsätzliches Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel, die aus einem in Anlage 3 genannten Stoff bestehen oder einen solchen enthalten, bestimmt § 4 der Verordnung für Naturschutzgebiete, National301 302 303

Rehbinder, NuR

1987, 68 (70).

BT-Druckaache 10/1262, S. 33, 40 f.; Rehbinder, ebenda. Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel vom 27. 7.1988, BGBI. I, S. 1196; geänd. durch Art. 1 d. Verordnung vom 22. 3.1991, BGBI. I, S. 796.

15 Heiermann

226

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

parks und Naturdenkmale sowie für Flächen, die aufgrund des § 20c BNatSchG landesrechtlich geschützt sind. Über die genannten Anwendungsregelungen hinaus, sind insbesondere noch zu nennen: § 10 PflSchG, der persönliche Anforderungen u.a. an den Anwender stellt und die §§ 24 -30 PflSchG, die Bestimmungen über die Pflanzenschutzgeräte enthalten. 304 4.2.5.2.5. Verhliltnis zu anderen Gesetzen

Für das Verhältnis des PflSchG zu anderen Regelungen enthält § 8 PflSchG eine wichtige Klarstellung. Nach § 8 bleiben die Befugnisse der Länder, Vorschriften zu erlassen, die über § 6 II hinausgehen (Nr. 1) oder die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unter Verwendung bestimmter Geräte oder Verfahren (Nr. 2a) oder den Anbau bestimmter Pflanzenarten auf Grundstücken, deren Böden mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind (Nr. 2b), zu verbieten, zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen, unberührt. Nach § 8 Nr. 1 können die Länder also unabhängig von den pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen des § 6 II weitergehende Flächenbeschränkungen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln normieren. Solche weitergehenden Flächenbeschränkungen kommen vor allem nach landesrechtlichem Naturschutzrecht (Naturschutzgebietsverordnungen, Nationaiparkverordnungen etc.) und Wasserrecht (Wasserschutzgebietsverordnungen) in Betracht. Grundsätzlich bleibt im Hinblick auf seinen speziellen Schutzzweck das Wasserrecht auch ansonsten unberührt. 305 Die Aufbringung von Pflanzenschutzmitteln unterliegt demnach in bezug auf den Grundwasserschutz den strengen wasserrechtlichen Anforderungen. 4.2.5.3. Regelung durch das Wasserrecht306

Die Regelung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die für den Bodenschutz durch Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung relevanten wasserrechtlichen Bestimmungen in § 1a Il, § 3 und § 34 li 1 WHG wurde bereits oben307 (mit-)erläutert. Daraufkann ich hier verweisen. 304

Siehe dazu auch die Pßanzenschutz-Sachltundeverordnung vom 1752, und Drescher, NuR 1989, 283 (286 f.). Rehbinder, NuR 1987, 68 (10). Zum WHG s.o. ausführlich 4.2.1.3.

305 306 307 4.2.4.4.

28. 7.1987, BGBI.

I, S.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

227

4.2.5.4. Naturschutuechtliche Eingriffsregelung und Abfallrecht Von der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in § 8 BNatSchG wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht erfaßt, dies wurde bereits oben308 festgestellt. Eine Anwendung der abfallrechtlichen Bestimmungen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil Pflanzenschutzmittel im Zeitpunkt ihres Einsatzes nicht den Abfallbegriff erfüllen. Etwas anderes gilt nur für Reste von Pflanzenschutzmitteln. Sie sind nach den abfallrechtlichen Vorschriften zu entsorgen.309

4.2.6. Altlasten 4. 2. 6.1. Problemstellung Hauptsächlich seit Anfang der achtziger Jahre wurde mehr und mehr die ganze Tragweite des Altlastenproblems erkannt. Hatte man unter Altlasten in den siebziger Jahren im wesentlichen nur alte ungesicherte Abfallablagerungsplätze verstanden, so stellte sich nun heraus, das nicht nur diese Zeugnisse früherer unsachgemäßer Abfallbeseitigung zu Altlasten führen können, sondern auch andere Aktivitäten. Hinzu kommen insbesondere die Grundstücke stillgelegter Anlagen der gewerblichen Wirtschaft oder öffentlichen Einrichtungen (Altstandorte)310, von denen durch Verunreinigungen des Erdreichs eine Umweltgefährdung ausgehen kann.311 Weiterhin zählen dazu Altablagerungen von Munition, chemischen Kampfstoffen und Produktionsrückständen aus dem Bereich der Rüstungsindustrie und kontaminierte Flächen ehemaliger Rüstungsbetriebe (sog. Rüstungsaltlasten).312 Durch Altlasten betroffen ist vor allem die Regelungsfunktion des Bodens313 und in der Folge das Grundwasser. Die Überbeanspruchung der Regelungsfunktion führt zu Umweltveränderungen, die je nach örtlicher

308 4.2.4.2. 309 Höael/v.Leraner, § 1 AbfG, Rdn. 22 a.E. 310 Z.B. Standorte ehemaliger Produktionaanlagen, wie Gaswerke, Kokereien, Betriebe der Chemie und Petrochemie, Betriebe der Sprengstoff-, Kampfstoff-, Brandstoff- und Nebelstoffabrikation, Metallhütten, Veredelungsbetriebe, oder auch Eiaenbahnbetriebsstätten, Tankstellen u.a. (SRU-Sondergutachten Altlasten, Tz. 6). 311 SRU, Tz. 2. 312 SRU, Tz. 7. 313 S.o. 1.2.1. Exkurs.

228

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Situation und Exposition eine Gefährdung für den Menschen und für die belebte und unbelebte Umwelt darstellen.Jl4 Altablagerungen und Altstandorte werden demgemäß zur Altlast, wenn von ihnen Umweltgefährdungen ausgehen können, d.h. wenn Schadstoffe die Gesundheit des Menschen gefährden oder sein Wohlbefmden beeinträchtigen, Wasser, Böden, Luft, Pflanzen, Tiere und Ökosysteme schädlich beeinflussen.315

In den alten Bundesländern waren 1988 insgesamt 48377 altlastenverdächtige Flächen erfaßt.3 16 Der SRU rechnete allerdings in seinem Gutachten aufgrund der laufenden Erfassungsaktionen in den alten Bundesländern mit einer erheblichen Zunahme und sieht eine Zahl von insgesamt über 70000 altlastenverdächtigen Flächen als realistisch an3l7. Dazu kommen nach Angaben des Bundesumweltministers Klaus Töpfer allein 30000 altlastenverdächtige Flächen in den fünf neuen Bundesländern.318 Schon diese Zahlen machen deutlich, welches Ausmaß das Altlastenproblem allein für die Bundesrepublik hat. Die Schwierigkeiten der Lösung dieses Problems liegen dabei nicht nur auf dem technisch-naturwissenschaftlichen Gebiet319 (Probleme bei der Altlastenerfassung, z.T. noch sehr beschränkte und unbefriedigende Möglichkeiten der Sanierung), sondern auch auf dem juristischen (Verantwortlichkeit und Kostentragung für die Sanierung der kontaminierten Flächen). Dementsprechend sollen nachfolgend kurz320 die Rechtsgrundlagen für die Inanspruchnahme Einzelner zur Sanierung von Altlasten bzw. zur Kostentragung dargestellt werden. 314 SRU-Sondergutachten, Tz. 12. 315 SRU, Tz. 23. 316 SRU, Tz. 64; Umweltbericht 1990, S. 165; zu den bekanntesten Fällen zählen wohl die Altlastengebiete Bielefeld-Brake (ehemalige Schlamrndeponie), Dorstfeld-Süd in Dortmund (ehemaliges Bergwerka- und Kokereigelände) und die Deponien Georgswerder in Harnburg und Münchehagen im Landkreis Nienburg/Weser. 317 SRU, Tz. 68. 318 HAZ vom 16.11.1990, S. 2; inzwischen wird sogar mit rund 60000 Verdachtsflächen gerechnet- BMU, Umwelt 1991, 427 (428). 31 9 Dazu Stegmann, in: UTR 1, S. 2; zur Sanierung mit biologischen, chemischen und physikalischen Verfahren siehe auch Möhring, Keine Altlast ist wie die andere, FAZ vom 9. l. 1991, S. NI. 320 Zu diesem Problem ist seit Beginn der rechtawissenschaftlichen Diskussion ca. 1984 eine große Anzahl - siehe die Nachweise in der drittnächsten Fn. - von Gutachten, Aufsätzen, Dissertationen etc. erschienen, so daß ich mich hier gerade in bezug auf das allgemeine Polizeirecht, welches i.d.R. im Mittelpunkt der Untersuchungen steht, auf eine Darstellung in groben Zügen beschränken kann und will.

4.4. Stoffbezogene Gesetze mit Bodenschutzbezug

229

Zu beachten ist, daß mit der Sanierung ein großes Bündel von Maßnahmen verbunden ist, nämlich Bodenuntersuchungen, Vorbereitung und Anwendung der Sanierungstechniken321, Überwachungsmaßnahmen und gegebenenfalls die Rekultivierung. 322 4. 2. 6. 2. Altlastenbegriff

Mangels einer bundeseinheitlieben Definition des Begriffs Altlasten, sind seit Beginn der Altlastendiskussion unterschiedliche Versuche einer Bestimmung dieses Begriffs unternommen worden. 323 Die Bemühungen waren dabei im wesentlichen nicht von dem Zweck einer Eingrenzung des Problems getragen, sondern vielmehr von der Suche nach deskriptiven Kriterien geprägt. 324 Dementsprechend stellen die verschiedenen Definitionen auf frühere, handlungsbezogene Sachverhalte (z.B. Kippen, Lagern, Ablagern, Authalden), auf ehemalige Standorte (ortsbezogen: z.B. (Ab-)Lagerungsplätze, Gewerbe- bzw. Industriegrundstücke), auf die erfolgte Verunreinigung mit ihren belastenden Nebenwirkungen (wirkungsbezogen: z.B. Schadstoffanreicherungen im Boden und im Grundwasser) als Kriterien ab. 325 Eine Eingrenzung des Begriffs erfolgt insoweit, als mit dem Begriff "Altlast" nur räumlich enger begrenzte schadstoffkontaminierte Flächen umschrieben und nur Sachverhalte erfaßt werden, die in der Vergangenheit liegen, also zeitlich bereits abgeschlossen sind. Nicht erfaßt werden deshalb weiträumige und diffuse Belastungen, also etwa durch die allgemeine Luft321 Dazu Stegmann, in: UTR 1, S. S f. 322 Brandt/Schwarz.er, Bodensanierung, S. 18 f.; Paetow, NVwZ 1990, S10 (S11); siehe auch Herrmann, Flächensanierung, S. 20 ff. 323 Siehe nur: Papier, DVBI. 198S, 873; den., in: UTR 1, S. 60; den., Altlasten, S. 1; den., Jura 1989, SOS; Schink, DVBI. 198S, 1149 (1149 f.); den., DVBI. 1986, 161; den., VerwArch 82 (1991), 3S7 (3S9); Bodenschutzprogramm Bad.-Württ. 1986, S. 24; Kloepfer, in: UTR 1, S. 18 f.; den., NuR 1987, 7; Breuer, NVwZ 1987, 7S1 (752); Brandt!Lange, UPR 1987, 11 (12); Henkel, Altlasten, S. 3S; Brandt!Dieclcmann!Wagner, Altlasten, S. 4 f.; Brandt/Schwarz.er, S. 16 f.; Baumheier, VR 1988, 409; Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 (406 f.); Staupe, DVBI. 1988, 606 (607); Niemuth, DÖV 1988, 291 (291 f.); Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 14 f.; Paetow, S10 f. Eine gesetzliche Definition findet sich z.B. in § 16 ß, m Hess. Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, § 28 LAbfG NRW und § 18 LAbfG Nds.; siehe zur hessischen Regelung: Knopp, DÖV 1990, 683 ff. 324 So auch Ziehm, S. 1S. 325 SRU-Sondergutachten Altlasten, Tz. 53.

230

4 . Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

verschm.utzung, und umweltgefährdende Aktivitäten, die in der Gegenwart noch nicht abgeschlossen sind. Vom Altlastenbegriff werden daher Allablagerungen (stillgelegte (Ab-) Lagerungsorte) und Allstandorte (Grundstücke stillgelegter Anlagen und Nebeneinrichtungen, nicht mehr benutzte Kanal- und Leitungssysteme, sonstige Betriebsflächen auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde) erfaßt, von denen Umweltgeflihrdungen bzw. sonstige Allgemeinwohlbeeinträchtigungenausgehen oder zu erwarten {akute bzw. latente Gefahren im polizeirechtlichen Sinn) sind. 326 Kritisch ist die z. T weiter vorgenommene Unterteilung der Altlasten in echte und unechte und Uraltlasten zu sehen327. Echte Altlasten sollen danach Abfall-(ab-) Iagerungen sein, die vor dem lnkrafttreten des AbfG am 11. 6.1972 abgeschlossen waren, später (ab-)gelagerte Abfälle sind danach Neulasten. Unechte Altlasten sind dementsprechend Abfall(ab-)lagerungen, die sowohl vor als auch nach lnkrafttreten des AbfG vorgenommen wurden. Als Uraltlasten werden Belastungen durch Abfälle bezeichnet, die in einer Zeit abgelagert wurden, als weder die Beseitigung noch die Erzeugung von Abfällen von einer staatlichen Genehmigung abhängig waren. 328 Gegen diese Differenzierung, die den Altlastenbegriff weiter eingrenzen soll, spricht schon, daß sie für die Frage der Sanierung aus tatsächlicher, d.h. technisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine willkürliche Grenze zieht, die wenig sachdienlich ist. 329 Aus juristischer Sicht ist einzuwenden, daß auch hier die vorgeschlagene Abgrenzung keine klare Trennung bewirken kann. Dies zeigt bereits die Bestimmung des § 11 Abs. I 2 AbfG. Daneben kann die Trennung auch nur Aussagekraft für Altablagerungen haben, nicht aber generell für Altstandorte, für die es von vornherein auf die Geltung des Abfallgesetzes zum Teil nicht ankommt. Dieser Einwand gilt besonders für verunreinigten Boden, der vor seiner Auskofferung als unbewegliche Sache nicht dem Abfallbegriff unterfällt. Man sollte aus diesen Gründen den Altlastenbegriff neben den oben genannten Merkmalen nicht noch mit Abgrenzungen nach dem Inlcrafttreten der in Betracht kommenden gesetzlichen Grundlagen belasten. Die genannten

326 Ähnlich SRU, Tz. SB f.; BrandtJSchwarzer, Bodensanierung, S. 16 f. 327 So die Unterscheidung z.B. von Kloepfer, NuR 1987, 7; siehe auch Papier, DVBI. 198S, 873. 328 Papier, ebenda, nennt hier als weitere entscheidende Zäsur das Inkrafttreten des WHG am 1. 3.1960.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

231

Kriterien sind für eine klare Begriffsbestimmung vollkommen ausreichend. Das zeitliche Moment des Altlastenbegriffs wird durch das Abstellen auf die Beendigung des zur Umweltgefährdung führenden Verhaltens in der Vergangenheit erfaßt. Die Frage, inwieweit der Zeitpunkt auf das anzuwendende gesetzliche Instrumentarium Einfluß hat, muß im konkreten Fall geprüft werden.330 4. 2. 6. 3. Abfallrechtliche Regelung der Sanierung Das Abfallrecht kann nach seinem in § 1 AbfG festgelegten gegensttindlichen Geltungsbereich überhaupt nur Anwendung finden, wenn es sich bei der Altlast um Abfall i.S.d. Gesetzes handelt. Nach § 1 I AbfG muß es sich um bewegliche Sachen handeln, deren sich der Besitzer entledigen wollte oder deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Allgemeinwobls, insbesondere des Schutzes der Umwelt geboten ist.331 Das Abfallrecht kommt also überhaupt nur als Rechtsgrundlage für die Sanierung von Altablagerungen in Betracht. Bei solchen Altlasten ist aber insbesondere ein Tatbestandsmerkmal des Abfallbegriffs problematisch: unter den Begriff können nur bewegliche Sachen i.S.d. § 90 BGB332 subsumiert werden. Ein Einschreiten aufgrund des Abfallrechts ist damit ausgeschlossen, wenn es sich um Bodenverunreinigungen handelt, bei denen die abgelagerten Schadstoffe fest mit dem Grund und Boden verbunden, d.h. verwachsen sind. 333 Das ist etwa der Fall, wenn Abfälle bereits mit Erde bedeckt und mit größeren Sträuchern und Bäumen bewachsen sind,334 die bloße Abdeckung mit einer Erdschicht reicht also nicht aus. Das gleiche gilt für in den Boden eingedrungene Flüssigkeiten, sie sind mit dem Boden fest verbunden. 335 Dementsprechend findet das Abfallrecht nur dann Anwendung, wenn z.B. schadstoffhaltige Fässer oder sonstige Behälter noch vorhanden sind oder die Abfallstoffe nur lose gehäuft sind. 336 "Verwachsene" Abfälle oder mit Schadstoffen verseuchter Boden werden jedenfalls durch die Auskofferung im 329 So auch Paetow, NVwZ 1990, 510 (511); SRU-Sondergutachten Altlasten, Tz. 42; Niemuth, DÖV 1988, 291 (292). 330 Vgl. Paetow, ebenda; siehe auch Brandt/Lange, UPR 1987, 11 (12); Brandt/Dieckmann/ Wagner, Altlasten, S. 5; Brandt/Schwarzer, Bodensanierung, S. 17; so im Ergebnis auch Henkel, Altlasten, S. 34 f. 331 Zum Abfallbegriff siehe ausführlich oben 4.2.1.1.4. 332 S.o. 4.2.1.1.4.1. (1). 333 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151); Scheier, ZfW 1984, 333 (334). 334 Scheier, ebenda; Schink, ebenda; Henkel, Altlasten, S. 58; Paetow, NVwZ 1990. 510 (511). 335 BVerwG, Beschl. vom 30.10.1987, NVwZ 1988, 1126; Paetow, ebenda. 336 Henkel, Altlasten, S. 58.

232

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Zuge der Sanierung wieder zu beweglichen Sachen und unterfallen damit dem abfallrechtlichen Regime. 337 Zu beachten ist, daß der sachliche Anwendungsbereich des Abfallgesetzes durch § 1 III eingeschränkt wird, der die dort in den Ziffern 1 - 8 genannten Stoffe aus dem Geltungsbereich ausnimmt. 338 Gemäß § 4 I AbfG ist die Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen nur in dafür zugelassenen Anlagen erlaubt (Anlagenzwang). Danach unzulässige "wilde" Ablagerungen339 können von der zuständigen Behörde untersagt werden und es kann die Beseitigung der Ablagerung und der von ihr ausgehenden Gefahr (z.B. Bodenverunreinigung) angeordnet werden. Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungs- und Beseitigungsverfügung sind die Spezialregelungen in den Landesabfallgesetzen bzw., soweit dort keine vorhanden sind, § 4 I AbfG i.V.m. der polizeirechtlichen Generalklausel340.341 Ein behördliches Einschreiten auf dieser Grundlage scheidet allerdings dann aus, wenn die Ablagerung bereits vor Inkrafttreten des AbfG am 11. 6. 1912 beendet war. Hier steht das verfassungsrechtliche Verbot der echten Rückwirkung einer auf das AbfG gestützten Beseitigungsverfügung entgegen. Ein Einschreiten kommt dort allein auf wasserrechtlicher bzw. polizeirechtlicher Grundlage in Betracht. Etwas anderes gilt, wenn die Ablagerung bereits vor Inkrafttreten des AbfG illegal war. Der Verantwortliche kann sich dann nicht auf ein durch das Rückwirkungsverbot geschütztes Vertrauen berufen, er unterliegt dem § 4 I AbfG. 342 Adressat der Verfügung, und damit Sanierungsverantwortlicher, wird i.d.R. der Eigentümer bzw. Besitzer des Grundstücks als Besitzer von Altla-

337 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151); Henkel, ebenda; Paetow, NVwZ 1990, 510 (512); vgl. auch Knopp, BB 1990, 575 (576). 338 Dazu oben 4.2.1.1.4.4. 339 Zum (Ab-)Lagerungsbegriffs.o . 4.2.1.1.5.1. 340 So z.B. in Nds. 341 S.o. 4.2.1.1.5.2.; Niemuth, DÖV 1988, 291 (292). 342 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1154); Niemuth, ebenda. -Die an dieser Auffassung von Hernnann, Flächensanierung, S. 58, geäußerte Kritik, daß es auf eine zusätzliche Anwendung des § 4 I AbfG bei illegalen Altablagerungen (vor dem 11. 6.1972) gar nicht

mehr ankomme, da bereits Maßnahmen wegen der Störung der öffentlichen Sicherheit bzw. Verstößen gegen wasserrechtliche Vorschriften möglich sind, greift dagegen nicht. Die Frage nach einem Bcdürfnia der Anwendung hat nichts damit zu tun, daß § 4 I AbfG anwendbar ist. Das Abfallrecht stellt auch erheblich schärfere Anforderungen als das allgemeine Polizei- und Ordnungsrccht.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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sten mit Abfalleigenschaft sein. 343 Das ergibt sich aus dem abfallrechtlichen Besitzbegriff des Bundesverwaltungsgerichts344. Gemäß § 10 li AbfG können an den Inhaber einer stillgelegten Abfallentsorgungsanlage Rekultivierungs- und Sicherungsanordnungen ergehen. 345 Erfaßt werden die Flächen von nach lnkrafttreten des AbfG stillgelegten Anlagen346.347 Anordnungenaufgrund des § 10 li AbfG können auch nur gegen zugelassene Anlagen ergehen348, gegen illegale Anlagen kann bereits aufgrund des § 4 I AbfG vorgegangen werden. Adressat der Anordnungen ist der Inhaber der Anlage. Er hat nach § 10 li AbfG auch die Kosten der angeordneten Maßnahmen zu tragen. Hier ist eine Debatte darüber entbrannt, ob es sich bei dem "Inhaber" nur um den ehemaligen Betreiber der Anlage handeln kann349 oder ob Adressat nur der Eigentümer bzw. Inhaber der tatsächlichen Sachgewalt sein kann (also der polizeirechtlich Zustandsverantwortliche)350 oder ob beide als Inhaber in Anspruch genommen werden können351. Richtig dürfte die erstgenannte Ansicht sein, die nur den ehemaligen Betreiber als Inhaber ansieht, gegen den Anordnungen nach § 10 li AbfG ergehen können. Diese Eingrenzung des Inhaberbegriffs auf den ehemaligen Betreiber ergibt sich aus der Zusammenschau des § 10 li mit § 10 I AbfG. In Abs. li muß vom gleichen Inhaberbegriff wie in Abs. I ausgegangen werden, da§ 10 AbfG generell nur die Stillegung von Anlagen regelt und nicht weitergehende ordnungsrechtliche Verpflichtungen.352 Eine Einbeziehung des Zustandsverantwortlichen, der nicht mit dem ehemaligen Betreiber identisch ist, läßt sich auch nicht damit begründen, daß in § 10 li der Begriff des "Inhabers" verwendet wird, während in §§ 8 I 3, 9 I 1, 2 (a.F.) vom "Betreiber" ausgegangen werde.353 Der Begriff des "Betreibers" wird an den 343 Paetow, NVwZ 1990, 510 (515). 344 BVerwGE 67, 8 (12); BVerwG, Urt. vom 2. 9.1983, N1W 1984, 817, (819); Urt. vom 19. 1.1989, N1W 1989, 1295 (1296). 345 Siehe dazu oben 4.2.1.1.7.2. 346 Zum Begriff der Abfallentsorgungsanlage oben 4.2.1.1.6. 347 Herrmann, Flächensanienmg, S. 34 ff.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 98; Papier, Altlasten, S. 3; Henkel, Altlasten, S. 84; Mosler, Probleme, S. 37, 43 f.; Hösel/ v.Lersner, § 10 AbfG, Rdn. 10. 348 Siehe BVerwGE 66, 298; Schink, DVBI. 1985, 1149 (1155) zu § 9 Abtu; a.A.: Herrmann, S. 39 f. 349 So insbesondere Herrmann, S. 52 ff. 350 So Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 91. 351 So insbesondere Schink, DVBI. 1985, 1149 (1156). 352 Hösel/v.Lersner, § 10 Abtu, Rdn. 9. 353 So jedoch Schink, DVBI. 1985, 1149 (1156).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodene vor Schadstoffen

von Schink354 genannten Stellen überhaupt nicht benutzt, vielmehr ist dort die Rede vom "Betrieb" der Anlage. Diese Einwände sind auch Ziebm355 entgegenzuhalten, der nur den Zustandsverantwortlichen, also den Eigentümer oder sonst die tatsächliche Sachherrschaft Innehabenden als "Inhaber" i.S.d. § 10 II AbfG ansehen will und den ehemaligen Belreiber ausschließt, soweit er nicht selbst noch Zustandsverantwortlicher ist. Er fügt hinzu, daß die Einbeziehung des ehemaligen Belreibers auch wenig praktikabel sei, da der ehemalige Besitzer i.d.R. zur Störungsbeseitigung nicht in der Lage sein werde, weil ihm die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache fehle. 356 Hiergegen ist einzuwenden, daß die Behörde die Duldung der Sanierung im Einzelfall durch eine Outdungsverfügung erzwingen kann. 357 Anordnungen358 sind folglich gegen den ehemaligen Belreiber möglich. Sie können auch erst lange nach dem Zeitpunkt der Anlagenstillegung ergehen, wenn die Deponie grob ordnungswidrig betrieben worden war. 359

§ 10 II AbfG wird als nicht abschließend angesehen, dementsprechend enthalten die Landesabfallgesetze z. T. weitere Regelungen. 360 Nach § 11 AbfG sind die Behörden zu weitgehenden Überwachungsmaßnahmen berechtigt.361 Soweit es zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist, kann die Überwachung gemäß § 11 I 2 AbfG auch auf stillgelegte Abfallentsorgungsanlagen und auf Grundstücke erstreckt werden, auf denen vor dem 11. 6.1972 Abfälle angefallen sind, behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind. 362

4.2.6.4. Wasserrechtliche Regelung der Sanierung Aufgrund des eingegrenzten sachlichen Geltungsbereichs kommt die Anwendung des Abfallgesetzes insbesondere bei den Altlasten nicht in Betracht, die keine Abfallablagerungen sind. Es ist daher auf Bodenverunreinigungen

354 Ebenda.

355 Störervenntwortlichkeit, S. 97. 356 Ziehm, ebenda. 357 Siehe auch Höaellv.Lenner, § 10 Abtu, Rdn. 18 -dort inabeaondere die aufgeführten Ermächtigungsgrundlagen fiir Duldungavertügungen in einigen Landeaabfallgeaetzen.

358 Zu ihrem Inhalt s.o. 4.2.1.1.7.2. 359 BVerwG, Beachl. vom 14. 4.1986, NVwZ 1986, 640; Henkel, Altlasten, S. 85; Schink, DVBI. 1985, 1149 (1157); Hernnann, Flächenaanierung, S. 36 f.; Höael/v.Lenner, § 10 Abtu, Rdn. 11. 360 S.o. 4.2.1.1.7.2. 361 Dazu oben 4.2.1.1.7.3.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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als Folge industrieller Produktion nicht anwendbar.363 Hinzu tritt die Komponente des zeitlichen Geltungsbereichs. Auch die Anwendbarkeit des Wasserhaushaltsgesetzes beschränkt sich grundsätzlich auf Sachverhalte, die nach dem lokrafttreten des Gesetzes am 1. 3.1960 entstanden sind. Die Ablagerung boden-und grundwassergefährdender Stoffe, d.h. also die Lagerung zum Zweck endgültiger Entledigung, kann deshalb nicht nach dem WHG beurteilt werden, wenn die Niederlegung der Stoffe bereits vor dem lokrafttreten des Gesetzes beendet war, auch wenn Schäden erst später eintreten.364 Anders ist die Rechtslage bei der Lagerung. Sie ist eine Dauerhandlung, da sie zum Zweck einer späteren Weiterverwendung erfolgt, so daß der Lagemde für die gesamte Zeit der Lagerung verantwortlich ist. 365 Er kann daher nach den wasserrechtlichen Vorschriften auch dann zur Gefahrenbeseitigung herangezogen werden, wenn der Lagerungsvorgang am 1. 3.1960 zumindest noch nicht beendet war. Als Grundlage für wasserrechtliche Verfügungen zur Sanierung von Bodenverunreinigungen kommen zum einen die Regelungen über "echte" (§ 3 I Nr. 5 WHG) und "unechte" Gewässerbenutzungen (§ 3 II Nr. 2 WHG) in Betracht. Fehlt die für sie erforderliche Erlaubnis, kann aufgrund der jeweiligen landeswassergesetzlichen Ermächtigung366 eingeschritten werden. Zum anderen kommen Sanierungsverfügungen aufgrund der Iandesrechtlichen Ermächtigung wegen eines Verstoßes gegen die (Ab-)Lagerungsvorschriften in §§ 34 II, 26 II WHG bzw. bei der Lagerung in Anlagen gegen die§§ 19g ff. WHG in Betracht. Greifen die genannten Regelungen nicht, kommt noch ein Verstoß gegen die Jedermannpflicht des § la II WHG in Frage. Inwieweit diese Vorschriften bei Bodenverunreinigungen verschiedener Ursache im einzelnen anwendbar sind, wurde bereits oben erörtert367, darauf kann verwiesen werden. Grundsätzlich ist speziell zur Altlastenproblematik folgendes anzumerken: Die Anwendung der Vorschriften über "echte" Gewässerbenutzungen wird i.d.R. auf kontaminierte Altstandorte und Altablagerungen nicht möglich sein, da es an einem auf eine Gewässerbenutzung zweckgerichteten Verhalten 362 Zur Frage der Zulassung der Altlastensanierung nach Abfallrecht siehe Buch, UPR 1990, 92 ff. 363 Striewe, ZfW 1986, 273 (274). 364 Striewe, ebenda; Schink, DV81. 1986, 161 (162); Henkel, Altlasten, S. 89; Mosler, Probleme, S. 53; Staupe, DV81. 1988, 606 (608); Knopp, 88 1990, 515 (579). 365 Schink, ebenda, m.w.N.; Mosler, ebenda; Henkel, ebenda. 366 In Nds. verweist § 169 NWG auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht. Eine Zusammenstellung der sonstigen landesgesetzlichen Ennächtigungen findet sich bei 8reuer, Wasscrrecht, S. 350 f. 367 S.o. 4.2.1.3.3.- 4.2.1.3.6.

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4 . Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

fehlen wird - für die Annahme einer echten Gewässerbenutzung genügt nicht die bloße Verursachung einer Gewässerverunreinigung.368 Für eine "unechte" Gewässerbenutzung ist nur ein überhaupt zweckgerichtetes Verhalten erforderlich. 369 Hier kommen also unbeabsichtigte Bodenkontaminationen, etwa bei industriellen Produktionsvorgängen, nicht in Betracht. Für zweckgerichtete (Ab-)Lagerungsvorgänge gelten die Spezialregelungen der §§ 26 li, 34 II und 19g ff. WHG mit dem strengen Besorgnismaßstab.370 Sie kommen sowohl bei kontaminierten Altstandorten als auch bei Altablagerungen zur Anwendung. Für letztere geht allerdings mit Ink:rafttreten des AbfG dieses als lex specialis nach der h.M. vor37I. Festzuhalten ist abschließend, daß soweit die wasserrechtlichen Vorschriften bei Altlastenfällen eingreifen, keine komplette Sanierung mit Rekultivierung verlangt werden kann. Möglich sind nur Anordnungen zur Gefahrenabwehr. 372

4.2.6.5. Mliglichkeiten der Sanierung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz Als Grundlage für Sanierungsanordnungen bei Altlasten (hier kontaminierte Altstandorte) ist, soweit es sich um Anlagen im sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes handelt, auch das am 1. 4.1974 in Kraft getretene BimSchG heranziehbar. § 17 I BimSchG erlaubt nachträgliche Anordnungen zur Erfüllung der sich aus dem Gesetz und den Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten auch nach Erteilung der Anlagengenehmigung. Wesentliche Pflichten in bezug auf die Bodenproblematik sind die Pflichten aus § S I Nr. 3 zur Vermeidung bzw. schadlosen Verwertung und Beseitigung von Reststoffen3 73 sowie aus § S I Nr. 1 zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen und sonstiger Gefahren374. Diese Pflichten galten bisher allerdings nur für die Errichtung und

368 369 370 371

S.o. 4.2.1.3.4.1.; siehe auch Schink, DVBI. 1986, 161 (163); Henkel, Altlasten, S. 90 f. S.o. 4.2.1.3.4.2. S.o. 4.2.1.3.5. - dort auch zu dem Problem des Ablagerna durch Unterlassen; 4.2.1.3.6.

Siehe zum Verhältnis Wasserrecht - Abfallrecht oben 4.2.1.3.8.; zum zeitlichen Geltungsbereich des AbfG siehe 4.2.6.3. 372 Siehe dazu oben 4.2.1.3.3.; 4.2.1.3.5.; unten 4.2.6.7.6. und Schink, DVBI. 1986, 161 (165); siehe dort auch zu den Gefahrerforsc:hungseingriffen. 373 Siehe dazu oben im einzelnen 4.2.1.2.2. 374 Siehe dazu oben 4.2.1.2.3.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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den Betrieb der Anlage, also nicht auch nach deren Stillegung.375 Bereits während des Betriebes scheiden allerdings auf § 17 I i.V.m. § 5 I Nr. 1 BlmSchG gestützte Anordnungen zur Beseitigung von Bodenverunreinigungen aus, da § 5 I Nr. 1 anlagenbezogen ist und den Betreiber nur verpflichtet, dafür zu sorgen, daß durch Errichtung und Betrieb der Anlage Bodenverunreinigungen erst gar nicht entstehen können316. Dagegen sind nachträgliche Anordnungen nach § 17 I zur Beseitigung von Bodenverunreinigungen aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot zur Vermeidung oder schadlosen Verwertung von Reststoffen bzw. ihrer ordnungsgemäßen Beseitigung als Abfälle gemäß § 5 I Nr. 3 BlmSchG wahrend des Betriebes der Anlage möglich. 377 Seit Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des BlmSchG am 1. 9.199()378 hat der Betreiber aufgrund des neu eingefügten § 5 lll BlmSchG die in § 5 I Nr. 1 und Nr. 3 genannten Pflichten auch noch nach einer Betriebseinstellung zu erfüllen. 379 Die Erfüllung dieser Pflichten kann die zuständige Behörde nach § 17 I, IVa BlmSchG während eines Zeitraums von zehn Jahren nach Einstellung des gesamten Betriebes durch nachträgliche Anordnungen sicherstellen. In bezug auf Verletzungen der Reststoffverwertungs- bzw. -beseitgungspflicht des§ 5 TII Nr.2, die mit dem Gebot des§ 5 I Nr. 3 korrespondiert, besteht also auch noch nach der Betriebseinstellung die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung z.B. der Beseitigung von Bodenverunreinigungen. Es dürfen keine gefährlichen Reststoffe auf dem Betriebsgelände verbleiben. § 5 lll Nr. 1 BlmSchG geht über die entsprechende, rein anlagenbezogene Vorschrift des§ 5 I Nr. 1 hinaus, da vom Belreiber verlangt wird, auch noch nach der Einstellung des Betriebes sicherzustellen, daß von der Anlage oder vom Anlagengrundstack keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können. Es kann also innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren nach § 17 I, IVa BimSchG z.B. die Beseitigung von Bodenverunreinigungen auf dem Anlagengrundstück verlangt werden, um weitere Gefahren abzuwehren, auch wenn diese nicht auf Reststoffe, sondern etwa auf Einsatzstoffe zurückzuführen sind.

375 So auch Kutacheidt, NVwZ 1986, 622 (624); andere: Fluck, NuR 1989, 409 (412), der § 5 I Nr. 3 bereite vor Einfügung des § 5 m BlmSchG als fortgeltende Pflicht auch nach Stillegung ansieht.

376 S.o. 4.2.1.2.2. 377 S.o. ausführlich 4.2.1.2.2. m.N. 378 BGBI. I, S. 870.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodena vor Schadstoffen

Das BlmSchG bietet somit seit seiner Novellierung 1990 eine Grundlage für die Sanierung von Altstandorten, die vor der Betriebseinstellung den Vorschriften über immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen unterlagen. Möglich sind aber nur Anordnungen zur Gefahrenbeseitigung, nicht solche zur umfassenden Sanierung mit entsprechender Rekultivierung. Weitergehende Pflichten aufgrund anderer - z.B. wasserrechtlicher oder abfallrechtlicher- Vorschriften bleiben von der Regelung unberührt.380 Für bereits vor dem 1. 9.1990 eingestellte Betriebe kann wegen des Verbots der echten Rückwirkung von Gesetzen in den Altlastensanierungsfällen nicht auf § 5 III, § 17 I, IVa BlmSchG zurückgegriffen werden. Richtiger Adressat einer Verfügung nach§ 17 I, IVa BlmSchG ist der frühere Belreiber der Anlage. Existierten im Laufe des Betriebs einer Anlage mehrere Betreiber und ist der veranlassende Belreiber (Verhaltensstörer) nicht mehr zu ermitteln oder kann aus anderen Gründen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, muß sich die Behörde an den letzten Betreiber vor Stillegong wenden.381 Kann auch dieser nicht ermittelt werden, bleibt nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstöret nach allgemeinem Polizeirecht. § 5 III, § 17 I, IVa BlmSchG kommen als Grundlage nicht in Betracht, da es sich um nachwirkende Belreiberpflichten handelt. 382 Den Pflichten aus § 5 III entsprechende Pflichten nach Betriebseinstellung existieren für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen i.S.d. Gesetzes nicht. Soll eine genehmigungsbedürftige Anlage nach dem BlmSchG erst errichtet werden, kann i.R.d. Genehmigung gefordert werden, daß bereits bestehende Altlasten saniert werden. Denn die Anlagen sind nach § 5 I Nr. 1 insbesondere auch so zu errichten, daß "sonstige Gefahren", zu denen auch Bodenverunreinigungen zählen, nicht hervorgerufen werden können. 383 4. 2. 6. 6. Sanierungsmöglichkeiten nach dem BergrechrJ84

Nach §51 I BBergG unterliegt auch die Einstellung eines Bergbaubetriebes der Betriebsplanpflicht (Abschlußbetriebsplan, § 53 BBergG). Für den Abschlußbetriebsplan gelten gemäß §55 II BBergG die Nm. 2- 13 des §55 I 1 mit der Maßgabe entsprechend, daß nach der Betriebseinstellung der 379 Siehe dazu oben 4.2.1.2.2.; allgemein zu dem neuen Regelungstatbestand der Betriebaeinstellung siehe Vallendar, UPR 1991, 91 tT. 380 Regierungsentwurf 3. Änderungsgeaetz, BT-Drucksache 111 4909, S. 15; siehe auch Fluck, BB 1991, 1797 (1800 f.) . 381 Sellner, NVwZ 1991, 305 (309); Fluck, 1799 f. 382 Vgl. auch Sellner, ebenda. 383 Vgl. auch Herrmann, Flächensanierung, S. 127. 384 Zum BBergG s.o. 4.2.1.7.

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

239

Schutz von Leben und Gesundheit Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren sowie die Wiedemutzbarmachung der Oberfläche sichergestellt sind. So ist entsprechend § 55 I Nr. 6J8S insbesondere sicherzustellen, daß angefallene Abialle ordnungsgemäß beseitigt werden. Bis zur Beendigung der Durchfiihrung des Abschlußbetriebsplans bzw. bis zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, daß durch den Betrieb Gefahren oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden, besteht gemäß § 69 II BBergG die Bergaufsicht. Die Bergaufsichtsbehörden können bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 71 I bzw. III die entsprechenden Maßnahmen anordnen, um die in § 55 II bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen. Das Bergrecht bietet insofern eine schmale Grundlage für die Sanierung von Bergbaualtlasten. Diese Grundlage wird aber entscheidend dadurch begrenzt, daß die Bergaufsicht nach ihrer Beendigung gemäß § 69 li BBergG nicht wieder aufleben kann. Das gilt auch für Fälle, in denen die Bergaufsicht nach altem Recht bei Inkrafttreten des BBergG bereits beendet gewesen war.386 Damit fallen wohl die meisten Bergbaualtlasten aus dem Regelungsbereich des BBergG heraus.387

4. 2. 6. 7. Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht

Die Darstellung der in Frage kommenden spezialgesetzlichen Sanierungsgrundlagen hat gezeigt, daß sie häufig nicht eingreifen, weil sie nur besondere Konstellationen erfassen. Damit scheidet eine Inanspruchnahme Dritter zur Sanierung von Altlasten jedoch nicht grundsätzlich aus, da insoweit ein Rückgriff auf das subsidiäre allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht möglich sein kann. Auch dort existieren zwar keine altlastenspezifischen Vorschriften, entsprechende Anordnungen können aber zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden.

4. 2. 6. 7.1. Vorliegen einer Gefahr far die iJffentliche Sicherheit

Voraussetzung für das Einschreiten aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel ist das Vorliegen einer Gefahr ftlr die iJffentliche Sicherheit (oder-

385 Dazu oben ausführlich 4.2.1.7.2.1. 386 Boldt/Weller, § 69 BBergG, Rdn. 19. 387 Brandt/Lange, UPR 1987, 11 (13).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

hier nicht relevant- für die öffentliche Ordnung) bzw. einer Störung388 derselben. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen - also u.a. Leben, Gesundheit, Eigentum - sowie die Einrichtungen des Staates und der sonstigen Träger der Hoheitsgewalt. 389 Geschützt wird als kollektives Rechtsgut auch die öffentliche Wasserversorgung, da ihr Schutz mit Rücksicht auf die Allgemeinheit, also vornehmlich auf das Leben in der staatlichen organisierten Gemeinschaft, geboten ist. 390 Dabei ergibt sich aus den Regelungen des WHG nach dem Bundesverwaltungsgeeicht eine Grundentscheidung für den Schutz der Gewässer vor jeder schädlichen Verunreinigung oder sonstigen nachteiligen Veränderung.391 Eine Gefahr ist nach dieser Grundentscheidung also auch dann gegeben, wenn kein Benutzungstatbestand nach § 3 WHG und auch kein Ablagern i.S.d. §§ 26 II, 34 II WHG vorliegt.392 Man wird auch den Boden als in diesem Sinne zu schützendes kollektives Rechtsgut ansehen müssen393 , da sein Schutz vor Verunreinigungangesichts der wichtigen ökologischen Funktionen394 ebenfalls im Interesse des Lebens in der Gemeinschaft dringend erforderlich ist.395 Wegen der schwachen Selbstreinigungsfähigkeit des Bodens und der grundsätzlichen Geeignetheil von Bodenverunreinigungen, die Lebensgrundlage der Menschen zu gefährden, ist die Reinhaltung des Bodens ebenso geboten wie die des Wassers.396 Nach der Definition kollektiver Rechtsgüter werden diese im Interesse des Lebens in der Gemeinschaft geschützt, der Schutz findet also nur aus rein anthropozentrischen Erwägungen statt. Dementsprechend kann es sich bei dem Schutz des Bodens nur um einen Schutz der Bodenfunktionen für den Menschen handeln, nicht schon um einen Schutz des Bodens "an sich". Liegt die Gefahr einer Erschöpfung bestimmter Bodenfunktionen (speziell der Regelungsfunktion) vor, wird i.d.R. auch die Gefahr einer (Grund-)Was388 Götz, POR, Rdn. 123. 389 § 2 Nr. 2 BremPolG; Drews/WackeNogel/Mar1eßl, Gefahrenabwehr, S. 232; Götz, Rdn. 75 f. 390 BVerwG, Urt. vom 16.11.1973, DÖV 1974, 407 (409); siehe auch Friauf, POR, S. 217. 391 BVerwG, ebenda. 392 BVerwG, ebenda. 393 So auch Peine, in: UTR 3, S. 219; Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (364). 394 S.o. 1.2.1. Exkurs. 395 Siehe zum Stellenwert des Gemeingutes Boden auch BVerfUE 21, 73 (82 f.). 396 Siehe dazu auch Rid/Hammann, UPR 1990, 281 (284 f.).

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

241

serverunreinigung bestehen, so daß dann die Frage nach dem gefiihrdeten Schutzgut der öffentlichen Sicherheit unproblematisch ist. Für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit muß eine Gefahr bestehen oder es muß bereits eine Störung, d.h. ein Schaden, eingetreten sein. Eine Störung ist dann gegeben, wenn ein Schutzgut des Polizeirechts im Einzelfall nicht unerheblich verletzt ist. 397

Gefahr ist eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird. 398 Für die hinreichende Wahrscheinlichkeit müssen objektive Anhaltspunkte sprechen, d.h. es reicht einerseits nicht die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts, auf der anderen Seite ist aber auch nicht die Gewißheit des Schadenseintritts erforderlich. 399 Es muß die nach der Lebenserfahrung begründete Befürchtung der Gefahrverwirklichung bestehen. 400 Hierbei kommt es auf eine Betrachtung ex ante an, d.h. der entscheidende Zeitpunkt für die Prognose ist der der Anordnung der Maßnahme. 401 Ob bei dieser Prognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß, ist in Abhängigkeit zur rechtlichen Bedeutung des Schutzgutes und damit zur Tragweite des möglichen Schadens zu beurteilen: Je größer und folgenschwerer der potentielle Schaden im konkreten Fall sein wird, desto geringer sind die Anforderungen, die an das Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen sind. 402 Da das Grundwasser zu den Rechtsgütern mit höchster Schutzwürdigkeit gehört403 , ist ein Eingreifen auf der Grundlage des Polizeirechts schon bei geringer Wahrscheinlichkeit einer Grundwasserverunreinigung möglich. 404 Diese ist jedenfalls anzunehmen, wenn eine Überlastung der Regelungsfunktion405 des Bodens zu befürchten ist. Dementsprechend ist auch die Schadensschwelle in bezug auf das kollektive Rechtsgut Boden im Polizei397 Siehe nur Drews/WackeNogei/Martena, Gefahrenabwehr, S. 223. 398 § 2 Nr. 1 a) NdaSOG; Friauf, POR, S. 223 m.w.N.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 22; Knopp, BB 1990, 575 (576). 399 Ziehm, S. 23 m.w.N. 400 Ziehm, ebenda.

401 Friauf, POR, S. 224. 402 Siehe nur BVerwG, Urt. vom 26. 6.1970, NJW 1970, 1890 (1892); Götz, POR, Rdn. 117; Brandt!Dieckmann!Wagner, Altlasten, S. 28; Rid/Hammann, UPR 1990, 281 (282). 403 BVerfUE 58, 300 (344). 404 Knopp, BB 1990, 575 (577). 405 S.o. 1.2.1. Exkurs. 16 Heiermann

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

recht zu konkretisieren. 406 Jede nicht völlig unerhebliche Störung der natürlichen Funktionen des Bodens muß als Schaden angesehen werden. Hierauf muß sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit beziehen. Die zu befürchtende Überlastung von Bodenfunk:tionen, d.h. eine Gefahr für das Rechtsgut Boden triffi damit regelmäßig mit einer Gefahr für das Grundwasser zusammen. Auch wenn an das Maß der Wahrscheinlichkeit wegen der großen Bedeutung des Rechtsgutes Boden im Einzelfall geringe Anforderungen zu stellen sind, bleiben große tatsächliche Schwierigkeiten im konkreten Fall zu bestimmen, ob und wann die abstrakt definierte Schadenschwelle erreicht sein wird. 407 Zur Präzisierung der Grenzen der Gefahrenabwehr müssen deshalb die Eingriffsvoraussetzungen bei Bodenverunreinigungen gesetzlich noch hinreichend bestimmt werden, um handhabbare Maßstäbe zu erreichen. 408 Liegen die Merkmale einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinn nicht vor, besteht jedoch der hinreichende Verdacht einer Gefahr (Gefahrenverdacht), kann auch dann aufgrund der Generalermächtigung behördlich eingegriffen werden. Gerechtfertigt sind allerdings nur Gefahreiforschungsmaßnahmen (z.B. Probebohrungen, Beobachtungsbrunnen, Bodenuntersuchungen sowie Maßnahmen zur Unterbrechung eines gefahrenverdächtigen Geschehens) zur Feststellung, ob tatsächlich eine Gefahrenlage gegeben ist. 409 Nicht erlaubt sind in diesem Fall Sanierungsverfügungen als Anordnungen zur Gefahrenabwehr. Die Kosten einer derartigen Amtsermittlung sind nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen(§ 24 VwVfG) von der Behörde zu tragen410, jedenfalls wenn sich der Gefahrenverdacht nicht bestätigt411.

4.2.6. 7.2. Adressaten (StiJrereigenschaft) Adressaten einer Anordnung zur Gefahrenabwehr nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht sind grundsätzlich der VerhaltensstiJrer bzw. der

406 Siehe dazu oben 4.2.1.2.4. 407 Siehe dazu oben 1.2.2.1.; siehe dazu insb. auch Bachmann, ZfU 1988, 119 tT. 408 Siehe dazu unten 5.3. und auch Schrader, NuR 1989, 288 tT. 409 Siehe Papier, Altlasten, S. 15 f.; Breuer, NVwZ 1987, 751 (154); Schlabach, VBlBW 1989, 281 (286); Knopp, BB 1990, 515 (5111518); siehe auch VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 30. 8.1990, DÖV 1991, 167. 410 Schink, DVBl. 1986, 161 (165 f.); Breuer, ebenda; Staupe, DVBI. 1988, 606 (609); eingehend Knopp, BB 1988, 923 ff.; a.A.: Henkel, Altlasten, S. 82. 411 So auch Kloepfer, in: UTR 1, S. 49; den., NuR 1987, 7 (19); siehe auch VGH Bad.Württ., Urt. vom 10. 5.1990, DÖV 1991, 165, daa dem Anacheinsstörer bei einer auf dessen Kosten angeordneten Gefahrerforschungamaßnahme in diesem Fall einen Entschädigungaanspruch gleich einem rechtmäßig herangezogenen Nichtatörer zubilligt.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

243

Zustandsstörer412. Nur sie haben auch die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahmen zu tragen. Ein in Anspruch genommener Nichtstörer hingegen hat einen Entschädigungsanspruch gegen die öffentliche Hand, wenn er infolge der Inanspruchnahme einen Schaden erlitten hat. 413 Als Verhaltensstöret kann deljenige zur Gefahrenabwehr herangezogen werden, der durch Tun oder Unterlassen eine Gefahr verursacht. Die Zustandshaftung knüpft dagegen an die rechtliche Verantwortlichkeit für den Zustand einer Sache. Maßnahmen können gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt (z.B. den Pächter eines Grundstücks), den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. 414 Ist die Sache, von der die Gefahr ausgeht, herrenlos, können die Verfügungen an denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an ihr aufgegeben hat. 415

4. 2. 6. 7. 2.1. Verhaltensstörer Problematisch ist, wann jemandem eine Altlast als von ihm verursacht zuzurechnen ist und damit die Verhaltensstöreteigenschaft feststeht. Immer noch herrschend ist die Lehre von der "unmittelbaren Verursachung".416 Eine äquivalente Bedingung des Erfolgs wird danach nur dann als Ursache i.S.d. Polizeirechts angesehen, wenn sie die Gefahr bzw. die Störung unmittelbar herbeigeführt hat, also die Gefahrengrenze überschreitet. Die mittelbare Verursachung (Veranlassung) begründet grundsätzlich keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit. Die Unmittelbarkeit ergibt sich nicht aus einer ontologischen Erkenntnis, sondern allein aus einer wertenden Beurteilung des betreffenden Vorgangs.417 Dementsprechend sollen rechtmäßige oder gemeinwohlverträgliche

412 In Nds.: §§ 6, 7 Nd&SOG. 413 In Nds.: §58 NdsSOG. 414 Vgl. § 7 I, II NdsSOG. 4 15 Vgl. § 7 m NdsSOG; dies ist umstritten, soweit keine landesgesetzlichen Bestimmungen existieren, siehe Götz, POR, Rdn. 213. 416 Siehe nur Friauf, POR, S. 232 mit Rspr.-Nachweisen; Götz, Rdn. 192; Drews/WackeNogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 310 ff.; eingehend hierzu Herrmann, DÖV 1987, 666 (667 ff.) ·zu den Gegenauffassungen (im wesentlichen die Theorie der "rechtswidrigen Verursachung"): Kloepfer, in: UTR 1, S. 24 f.; siehe auch Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (369 ff.). 417 Friauf, ebenda; Schlabach, VBIBW 1989, 281 (287); Staupe, DVBI. 1988, 606 (609); siehe auch Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 24 f.

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4. Rechdiebe Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

Verhaltensweisen, d.h. polizeirechtlich neutrale Ursachen regelmäßig außer Betracht bleiben. 418 In engem Zusammenhang hiermit steht auch die Frage nach der Legalisierungswirkung iiffentlich-rechtlicher Genehmigungen, also die Frage, ob und wann z.B. der ehemaligeBetreibereiner inzwischen stillgelegten Anlage, die behördlich genehmigt war, Verhaltensstörer sein kann.419 Im wesentlichen lassen sich hier zwei verschiedene Auffassungen unterscheiden. So vertritt Papier420 die Auffassung, daß deljenige unmittelbare Verursacher nicht als Verhaltensstörer angesehen werden kann, der die Gefahr im Rahmen bzw. auf der Grundlage einer gewerberechtlichen Genehmigung verursacht habe. Speziell für das Verhältnis von Gewerberecht und allgemeinem Polizeirecht gelte, daß ein Verhalten, das explizit oder konkludent durch eine öffentlich-rechtliche Genehmigung gestattet worden sei, nicht als die polizeirechtliche Gefahrengrenze überschreitend und damit "störend" angesehen werden könne.421 Die Genehmigung nehme dem Verhalten die polizeirechtliche Pflichtwidrigkeit. 422 Diese Wirkung erstrecke sich auch auf die Zustandshaftung, außerdem entfalle eine einmal eingetretene Legalisierungswirkung nicht mit Wirkung ex tune, wenn sich die Genehmigung etwa durch zwischenzeitliche Betriebseinstellung erledigt habe. 423 Ihre Legalisierungswirkung ende erst dort, wo nach anderen Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts schon nach damaliger Rechtslage eine formelle und materielle Illegalität bestanden habe. 424 Gegen diese Ansicht ist mit der Gegenauffassung einzuwenden, daß gegen eine umfassende Legalisierungswirkung schon spricht, daß eine solche Wirkung der Genehmigung von ihrem Regelungsgehalt abhängig ist. 425 Es ist 418 Schlabach, ebenda; Friauf, S. 232 m.w.N. -Hier nähern sich die Theorie von der 419

"unmittelbaren Verursachung" und die von der "rechtswidrigen Verursachung" einander an. An dieser Stelle kann auf dieae Problematik nicht tiefergehend eingegangen werden. Zur dogmatischen Aufarbeitung dieses Themas siehe insbesondere Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Peine, JZ 1990, 201 ff.

420 In: UTR 1, S. 65 ff.; Altlasten, S. 24 ff.; DVBI. 1985, 873 (875 ff.); Jura 1989, 505 (507 f.). 42 1 Papier, ebenda.

422 Papier, ebenda. 423 Papier, Jura 1989, 505 (507 f.). 424 Papier, 507. 425 BVerwGE 55, 118 (123) unter Verweis auf PrOVGE 82, 351 (357); VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.1989, UPR 1990, 310 (312); OVG Rheini.-Pfalz, Urt. vom 7. 5.1991, DVBI. 1991, 1376 (1377); Herrmann, Flächensanierung, S. 105; Striewe, Ztw 1986, 273 (285); Kloepfer, NuR 1987, 7 (14); dera., in: UTR 1, S. 36; Schink, DVBI. 1986, 161 (167); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Staupe, DVBI. 1988, 606 (610); Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 31; Brandt/Dieckmann!Wagner, Altlasten, S. 43;

4.2. Schutz dea Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

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also jeweils die Prüfung vorzunehmen, ob die Gefabrverursachung vom Umfang der Genehmigung gedeckt ist oder nicht. 426 Der genehmigungskonform handelnde Anlagenbelreiber trägt lediglich das Risiko spezialgesetzlicher Eingriffe (z.B. nach§ 17 BlmSchG, § 10 II AbfG).427 Hier ist insbesondere auch eine Differenzierung nach den unterschiedlichen Rechtsgebieten erforderlich. 428 So legalisiert eine gewerberechtliche Genehmigung nicht sämtliche mittelbaren und unmittelbaren Folgen des genehmigten Verhaltens, denn z.B. die Genehmigung nach·§§ 16 ff. GewO a.F. betrifft den normalen Anlagenbetrieb, nicht aber das Ablagern von Produktionsrückständen oder Störfälle, die zu Bodenverunreinigungen führen. 429 Aus der behördlichen Duldung eines genehmigungsbedürftigen bzw. öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechenden Verhaltens kann keine Legalisierungswirkung erwachsen.430 Der Verantwortliche kann sich hier weder auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen431 noch führt die Duldung zur Rechtmäßigkeit des geduldeten Zustands oder Verhaltens, so daß EiDgriffsbefugnisse dauerhaft entfallen würden432. 433 Die Duldung kann allenfalls über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Einfluß auf behördliche Maßnahmen haben. 434 Problematisch und mit dem Vorstehenden eng verknüpft ist auch die Frage, wie entschieden werden muß, wenn sich erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach der Genehmigungserteilung) Gefahren herausstellen bzw. herausstellen konnten (Hauptfall: Änderungen des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes). Hier wird teilweise vorgebracht, daß schon aus rechtsstaatliehen Erwägungen ein Eingriff der Behörden unzulässig sei. Von polizeirechtlichen Ein-

Brandt/Schwa~Zer, Bodensanierung, S. 83; Wolf, VBlBW 1988, 208 (209); Niemuth, DÖV 1988, 291 (295); Mosler, Probleme, S. 95; Schlabach, VBlBW 1989, 281 (287). 426 Das OVG Münster, Urt. vom 29. 3.1984, UPR 1984, 279, lehnt eine Legalisierungswirlrung - hier eines bergrechtliehen Betriebsplans - überhaupt ab. 427 Breuer, NVwZ 1987, 751 (755).

428 Kloepfer, NuR 1987, 7 (14); ders., in: UTR 1, S. 36. 429 So auch Schink, DVBI. 1986, 161 (167); Staupe, DVBI. 1988, 606 (610); vgl. auch Koch, Bodensanierung, S. 96 f. und Wolf, VBlBW 1988, 208 (209) und Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (383). 430 VGH Bad.-Württ., Beseht. vom 14.12.1989, UPR 1990, 310 (312). 431 Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 36 f. 432 Herrmann, Flächensanierung, S. 112 f. 433 A.A. ist Papier, DVBI. 1985, 873 (877); ders., Jura 1989, 505 (508). 434 Herrmann, Flächensanierung, S. 112; Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); den., in: UTR 1, S. 32.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

griffsgesetzen dürfe keine belastende Rückwirkung ausgehen. 43S Eine solche Rückwirkung liegt zum einen jedoch in den Altlastenfällen überhaupt nicht vor, da die Gefahrenlage bzw. Störung immer noch andauert und daher auch nach den neuesten Erkenntnissen zu beurteilen ist. 436 Zum anderen kann gar keine Änderung der Rechtslage angenommen werden, die nach den Rückwirkungsgrundsätzen zu beurteilen wäre. Das Polizeirecht mit der Generalermächtigung galt schon im Zeitpunkt des gefahrenverursachenden Verhaltens nur dessen Gefährlichkeit und damit Tatbestandsmäßigkeit wird erst später erkannt. 437 Es ändert sich auch nichts an der Kausalitätsbeziehung zwischen Verhalten und Erfolg dadurch, daß der Erfolg nach Veränderung des Erkenntnisstandes neu zu qualifizieren ist. Schließlich kennt das Polizeirecht kein Tatbestandsmerkmal des positiven Wissens um die Verursachung der Gefahr. 438 Die Nichterkennbarkeit der Gefahr im Zeitpunkt des gefahrverursachenden Verhaltens hat demnach prinzipiell keine Auswirkung auf die Verhaltensverantwortlichkeit des Anlagen- oder Deponiebetreibers. Eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Abfallproduzenten und -beförderer kommt nur dann in Betracht, wenn ihr Verhalten bereits die Gefahrenschwelle überschreitet. Davon kann man ausgehen, wenn nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die hinreichende, gefahrenvermeidende Entsorgung gesichert ist. 439 4. 2. 6. 7. 2. 2. Zustandsstörer

Besonders im Fall von Altablagerungen wird oft der Verhaltensstörer nicht mehr ermittelt werden können. Die Behörde kann dann nur den Eigentümer des betreffenden Grundstücks bzw. den Inhaber der tatsächlichen Gewalt als Zustandsstörer in Anspruch nehemen. Für diesen kann die Inanspruchnahme im Einzelfall eine große Härte bedeuten, so etwa dann, wenn er selbst nichts von den Bodenverunreinigungen wußte und sich damit eigentlich selbst in der Rolle des Opfers befindet. Nach einer im Vordringen befmdlichen Auffas-

43S Papier, DVBI. 198S, 873 (877); ders. , Jura 1989, SOS (SOS); im Ergebnis ebenso:

Striewe, Ztw 1986, 273 (284); Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 36. 436 Brandt!Dieckmann/Wagner, Altlasten, S. 4S; Brandt/Schwarzer, Bodensanierung, S. 84; siehe auch Schink, VerwArch 82 (1991), 3S1 (377). 437 So auch Wolf, VBIBW 1988, 208 (209); Klocpfer, NuR 1987, 7 (8 f.); ders., in: UTR I, s. 22 ff. 438 Brandt/Schwarzcr, Bodensanierung, S. 84; Klocpfer, ebenda. 439 Klocpfer, NuR 1987, 7 (16); dera., in: UTR 1, S. 41.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

247

sung soll daher die Zustandsverantwortlichkeit Einschränkungen erfahren, deren dogmatische Konstruktion und Umfang allerdings noch unklar sind. 440 Richtig dürfte es sein, den rechtlichen Anknüpfungspunkt hierbei in der Eigentumsgarantie des Art. 14 I 1 GG zu sehen. Die Regelungen des Polizeirechts über die Zustandshaftung sind als inhaltsbestimmende Nonnen i.S.d. Art. 14 I 2 GG selbst wieder im Licht der Eigentumsgarantie zu interpretieren, d.h. die Zustandshaftung ist verfassungskonform zu begrenzen. 441 Die Begrenzung erfolgt in diesem Rahmen nach der RisikosphiJre. 442 Es ist im Einzelfall festzustellen, ob die Gefahr in der Risikosphäre des Eigentümers liegt oder nicht. So hat der Eigentümer eine Inanspruchnahme zur Gefahrenbeseitigung dann hinzunehmen, wenn er etwa Ablagerungen auf seinem Grundstück geduldet hat oder durch die Verpachtung als Deponiegelände sogar wirtschaftliche Vorteile gezogen hat443 oder das Grundstück im Hinblick auf Bodenverunreinigungen günstiger etworben wurde444. Nach dem Regelungsgehalt einer behördlichen Betriebsgenehmigung abgegrenzt, kommt auch eine Berufung des Eigentümers auf die Legalisierungswirkung in Betracht. 445 Handelt es sich um Altlasten, die außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers liegen, z.B. Kriegsaltlasten, kann sich die Zustandsverantwortlichkeit auf Duldungspflichten reduzieren. 446 Die mögliche Störereigenschaft der Gemeinde als Planungsträgerio bleibt davon unberührt. 447 4. 2. 6. 7. 3. Störerauswahl

Die Auswahl unter mehreren Verantwortlichen findet i.R.d. Ermessensausübung nach den allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen statt. Maß440 Siehe z.B. Papier, Altlasten, S. 48 ff.; ders., DVBI. 1985, 873 (878); ders., Jura 1989, SOS (S08 f.); Kloepfer, NuR 1987, 7 (16); ders., in: UTR I, S. 42 ff. m.w.N.; Breuer, NVwZ 1987, 751 (7S6); Schink, DVBI. 1986, 161 (169 f.); Herrmann, DÖV 1987, 666 (674); ders., Flächensanierung, S. 90 ff. m.w.N.; vgl. auch BayVGH, Beschl. vom 13. S.1986, DVBI. 1986, 1283 (1285); VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.1989, UPR 1990, 310 (312); gegen eine Begrenzung: VGH Bad.-WürU., Urt. vom 10.10.1984, NVwZ 1986, 32S (326); dasa., Urt. vom 8. 9.1989, NVwZ 1990, 784 (786). 441 Herrmann, Flächensanierung, S. 91 f.; offengelassen von: BVerwG, Beschl. vorn 14.12.1990, DÖV 1991, 428. 442 Siehe nur Schink, DVBI. 1986, 161 (170); ders., VerwArch 82 (1991), 3S7 (379 f.). 443 Schink, DVBI. 1986, 161 (170).

444 BVerwG, Beschl. vorn 14.12.1990, DÖV 1991, 428; Niernuth, DÖV 1988, 291

44S Kloepfer, in: UTR 1, S. 44; ders., NuR 1987, 7 (16). 446 Kloepfer, ebenda. 447 Schlabach, VBIBW 1989, 281 (287/288).

(29S).

248

4. Rechtliche Regelungen zum SchuiZ dea Bodens vor Schadstoffen

gehliebes Kriterium ist die EffeklivitiJt der Gefahrenbeseitigung. 448 Bereits durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorbestimmt ist, daß in erster Linie derjenige in Anspruch zu nehmen ist, der bei gleicher Aussicht auf effektive Leistung die Gefährdung mit dem geringsten Aufwand ("Schaden") beseitigen kann (Grundsatz des geringsten Eingriffs). 449 Es kann nicht von einem generellen Vorrang der Verhaltensverantwortlichkeit gesprochen werden, da sich aus dem im Auswahlermessen neben der Zweckmäßigkeit zu berücksichtigenden Billigkeitserwägungen auch eine vorrangige Inanspruchnahme des Zustandsstörers und des sog. Doppelstörers (Verhaltens- und Zustandsstörer) ergeben kann. Hierfür sprechen z.B. die unzureichende Sicherung des Grundstücks gegen Ablagerungen durch Dritte, lang zurückliegende Ablagerungen, deren Umstände vielleicht auch ungeklärt sind, die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen mehreren Störern nach bürgerlichem Recht. 450 4. 2. 6. 7. 4. Interner StiJrerausgleich

Einen zivilrechtliehen Ausgleich zwischen mehreren Störem, also der Rückgriff des Inanspruchgenommenen auf die übrigen Störer nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag(§§ 677, 683, 670 BGB) oder über die analoge Anwendung der für den Gesamtschuldnerausgleich geltenden §§ 426, 254 BGB wurde von der Rechtsprechung problematischerweise bisher abgelehnt. 451 Zwischen den (auch) wasserrechtlich Verantwortlichen ermöglicht § 22 II

1, 2. Hs. i. V.m. Abs. I 2 WHG einen internen Ausgleich. Sie haften als Ge-

samtschuldner.

448 GöiZ, POR, Rdn. 236 "Zweckmäßigkeit"; vgl. z.B. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. vom 7. 5.1991, DVBI. 1991, 1376 (1377 f .). 449 Göcz, Rdn. 234 450 BayVGH, Beschl. vom 13. 5.1986, DVBI. 1986, 1283 (1286); vgl. auch z.B. Schink, DVBI. 1986, 161 (168). 451 BGH, Urt. vom II. 6.1981, NJW 1981, 2457 (2457 f .); dass., Urt. vom 8. 3.1990, UPR 1990, 432 (434); zum Binnenausgleich siehe auch Rank, BayVBI. 1988, 390 (393 ff.); Schwachheim, NVwZ 1988, 225 ff.; Herrmann, Flichensanierung, S. 170 ff.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 73 ff.

4.2. Schutz des Bodens vor direktem Schadstoffeintrag

249

4.2.6. 7.5. Rechtsnachfolge Keine Probleme hinsichtlich der Rechtsnachfolge treten bei der Zustandsverantwortlichkeit auf, da sie sich bereits aus der tatsächlichen Sachherrschaft bzw. dem Eigentum ergibt. Bereits durch VA konkretisierte Pflichten aus der Zustandsverantwortlichkeit gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und, soweit eine entsprechende gesetzliche Anordnung existiert, auch im Wege der Einzelrechtsnachfolge über. 452 Problematisch ist hingegen die Rechtsnachfolge in die Verhaltensverantwortlichkeit. Eine Einzelrechtsnachfolge in bezug auf die abstrakte, d.h. noch nicht durch VA konkretisierte Polizeipflichtigkeit kann nicht angenommen werden, da sich die Polizeipflicht als öffentlich-rechtliche Pflicht der Verfügungsbefugnis des Verantwortlichen entzieht. 453 Für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge ist dies strittig. 454 Für den Übergang spricht die hinreichende Konkretisierbarkeit des Gegenstands der Polizeipflicht sowie die Tatsache, daß sich andernfalls Kapitalgesellschaften durch "gelegentliche" Gesamtrechtsnachfolge von ihrer bisherigen Verhaltensverantwortlichkeit befreien und so der Allgemeinheit die Kosten aufbürden würden. 455 Für konkretisierte Polizeipflichten aus der Verhaltensstörereigenschaft wird die Nachfolge im Wege der Universalsukzession allgemein bejaht, soweit die Pflichten vertretbare Handlungen betreffen, also nicht höchstpersönlich sind - was bei Altlasten die Regel sein dürfte. 456 452 Kloepfer, in: UTR 1, S. 47; den., NuR 1987, 7 (18); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Schlabach, VBIBW 1989, 281 (287 f.); so auch im Ergebnis: Peine, DVBI. 1980, 941 (948 f.); Stadie, DVBI. 1990, 501 (505, 506 f.)- beide insgesamt zur Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht. Ablehnend fiir die Einzelrechtanachfolge Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (384 f.). 453 Siehe nur Drews/WackeNogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 298; Kloepfer, in: UTR 1, S. 45; den., NuR 1987, 7 (17); Papier, Altlasten, S. 59 ff.; den., DVBI. 1985, 873 (878); den., Jura 1989, 505 (510); Breuer, ebenda; Schlabach, ebenda; Knopp, BB 1990, 515 (578). 454 Dafiir z.B. OVG Münster, Urt. vom 29. 3.1984, UPR 1984, 279 (280); Kloepfer, in: UTR 1, S. 46; den., NuR 1987, 7 (17); Striewe, ZfW 1986, 273 (285 ff.) m.w.N.; Stadie, DVBI. 1990, 501 (505). Dagegen z.B. Papier, jeweils ebenda; Schlabach, ebenda; Götz, POR, Rdn. 227. 455 Kloepfer, jeweils cbenda; mit anderer Begründung Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (386 f.).

456 Papier, Altlasten, S. 59 ff.; den., DVBI. 1985, 873 (879); den., Jura 1989, 505 (510

f.); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756) m.w.N.; Kloepfer, ebenda; Schlabach, VBIBW 1989, 281 (287); Knopp, BB 1990, 515 (578); ähnlich Peine, DVBI. 1980, 941 (945), der das Kriterium der Abtrennbarkeil der Verpflichtung vom Verpflichteten zugrundelegt und auch im Fall der Gesamtrechtsnachfolge einen ausdrücklichen Nachfolgetatbestand fiir erforderlich hält (947).

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Eine Einzelrechtsnachfolge ist in diesem Fall (durch VA konkretisierte Polizeipflicht bei Verhaltensverantwortlichkeit) nur dort möglich, wo sie ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist. 451 4. 2. 6. 7. 6. Umfang der Anordnungen Bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts, d.h. wenn noch nicht feststeht, ob tatsächlich Bodenverunreinigungen vorliegen, sind aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel nur Gefahreiforschungsmaßnahmen möglich, deren Kosten von der Behörde selbst zu tragen sind, falls sich der Gefahrenverdacht nicht bestätigt. 458 Liegt eine Gefahrenlage vor, kann der polizeirechtlich Verantwortliche zur Beseitigung der Gefahr, d.h. zur Sanierung in Anspruch genommen werden. Die Verfügung muß bestimmt genug gefaßt sein (§ 37 I VwVfG). Dem Verantwortlichen kann etwa die Auskofferung des kontaminierten Erdreichs, dessen Reinigung, die Entsorgung oder auch die Abkapselung des verseuchten Bodens auf seine Kosten aufgegeben werden. 459 Nicht verlangt werden kann die umfassende Rekultivierung, da sie keine Gefahrenabwehr mehr darstellt. 460 Hier kommen allerdings auf das Naturschutzrecht gestützte Anordnungen in Betracht. 461 4. 2. 6. 7. 7. Resibnee Aus der vorstehenden, kursorischen Darstellung läßt sich ersehen, daß als rechtliche Grundlage für die Altlastensanierung prinzipiell eine Vielzahl von Normen in Betracht kommt. Gerade aber die Anwendbarkeit der speziellen Umweltgesetze, die den Behörden die am weitesten gehenden Befugnisse einräumen, ist für viele Altlastenfälle durch das Verbot der echten Rückwirkung belastender Gesetze ausgeschlossen. Trotz der nicht zu unterschätzenden Möglichkeiten des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts, bei solchen 457 Kloepfer, ebenda; Götz, POR, Rdn. 228 f.; Breuer, ebenda; Knopp, ebenda; vgl. auch Schink, VerwArch 82 (1991), 351 (386). 458 S.o. 4.2.6.7.1. a.E. 459 Zu den verachiedenen Sanierungsverfahren siehe Stegmann, in: UTR 1, S. 5 f. und Mähring, Keine Altlast ist wie die aßdere, FAZ vom 9. 1. 1991, S. NI. Zur Frage der abfallbzw. immissioß88Chutzrechtlichen Zulassunasbedürftigkeit der Altlastensanierung im sog. "On-site-treatment• siehe Buch, UPR 1990, 92 ff. 460 So auch Schink, VerwArch 82 (1991), 351 (361). 461 Über die Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG) - a.o. 4.2.1. 9.2. und Schlabach, VBlBW 1989, 281 (285). Liegt keine Verpflichtung nach § 8 BNatSchG vor, kann die Duldung von Rekultivierungsmaßnahmen angeordnet werden (in Nds.: § 16 I NdsNatSchG).

4.3. Schutz vor Immiuionen

251

von Kloepfer als "echte" Altlasten bezeichneten- Altlasten Sanierungsverfügungen zu erlassen, drängt sich hier auch eine politische Lösung i.S.d. Gemeinlastprinzips auf. Dies gilt vor allem angesichts der Vielzahl von Altlasten, die auf dem Gebiet der neuen Bundesländer dringend der Sanierung bedürfen. 462 Hier kann eine Sanierung durch den Zustandsstörer in vielen Fällen wegen der Freistellungsklausel jar Altlasten in An. 1 § 4 III Umweltrahmengesetz463 ausgeschlossen sein, die als partikulares Bundesrecht im Beitrittsgebiet nach dem Einigungsvertrag gemäß Anlage II Kap. XII Abschnitt III 1. b) des Einigungsvertrages fortgilt Danach ist es möglich, Eigentümer und Besitzer von Grundstücken von der Verantwortlichkeit für Schäden freizustellen, die vom Grundstück ausgehen und bis zum 1. 7.1990 verursacht worden sind. Diese Altlastenfreistellungsklausel gilt nach Anlage II Kap. XII Abschnitt III 1. t) des Einigungsvertrages im Bereich der Abfallwirtschaft entsprechend. 464

4.3. Schutz des Bodens vor Immissionen aufgrund von Luftverunreinigungen Luftverunreinigungen können nicht nur Schäden der Gesundheit bei Menschen und Tieren, Klimaveränderungen, Belastungen der Gewässer und Vegetationsschäden, sondern auch Belastungen des Bodens hervorrufen. Der mittelbare Schadstoffeintrag über die Luft in den Boden erfolgt über Niederschläge in Form von Staub und Regen. In ländlichen Gebieten überwiegt der Eintrag mit dem Niederschlag, in städtischen Gebieten dagegen die trockene Deposition (Stäube). 465 Die Wirkungen der Schadstoffeinträge, nämlich die Beeinträchtigung des Filter-, Speicher-, Puffer- und Transformationsvermögens des Bodens, treten deutlich z.B. bei den neuartigen Waldschäden hervor. Der Zusammenhang zwischen den sauren Niederschlägen466 und der zunehmenden Versauerung vor allem der Waldböden ist als gesichert anzusehen. 467 Ebenso ist der Beitrag der Bodenversauerung zu den Waldschäden nicht mehr umstritten. 468 462 S.o. 4.2.6.1. 463 GBI. d. DDR 1990 I, Nr. 42, S. 649; geänd. durch Art. 12 d. Gesetzes vom 22. 3.1991, BGBI. I, S. 766, 788; zur Auslegung siehe BMU, Umwelt 1991, 430 ff. 464 Zum Umweltrecht im vereinten Deutschland siehe Feldbaus/ Eisenbarth, UPR 1990, 401 ff.; zur Verantwortlichkeit für Altlasten beim Erwero von Altanlagen in den neuen Bundesländern siehe eingehend MichaelfThull, RIW 1990, Beilage 15, 1 ff.; Kloepfer/Kröger, DÖV 1991, 989 ff.; siehe auch Tettinger, DtZ 1991, 40 ff.; Rehbinder, DVBI. 1991, 421 ff. 465 Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 16. 466 S.o. 2.2.1.1. 467 Umweltbericht 1990, S. 105.

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4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

Z.T. katastrophal ist die Luftbelastung im Gebiet der fünf neuen Bundesländer. So liegt die Schwefeldioxidbelastung in den Hauptbelastungsgebieten Zeitz/Weissenfels/Merseburg sowie Leipzig und Erfurt teilweise zehnmal so hoch wie in den westdeutschen Zentren. 469 Die Hauptverursacher von Luftverunreinigungen sind im wesentlichen Gewerbe, Industrie, Haushalte, Energie-, und Entsorgungswirtschaft (Müllverbrennungsanlagen) einerseits sowie der Verkehr andererseits. 470 Bei der erstgenannten Gruppe rühren die Emissionen vorrangig aus Verbrennungsvorgängen in (ortsfesten) Anlagen sowie Produktionsprozessen her, bei der zweiten Gruppe aus dem Betrieb von Verbrennungsmotoren. Emittiert werden im wesentlichen Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, Kohlenmonoxid, Staub, organische Verbindungen und Schwermetalle.471 Hinzukommen kommen Ammoniakemissionen durch Stallmist und Gülle aus der Tierproduktion (Mastanlagen). Der Beitrag von Ammoniak an der Bodenversauerung in Wäldern ist wegen der Filterwirkung der Bäume beträchtlich. 472 Problematisch ist an diesen Stoffemissionen besonders, daß viele der Stoffe im Boden weitgehend persistent sind. 473 Luftreinhaltung ist daher eine entscheidende Voraussetzung für einen Bodenschutz mit Vorsorgecharakter.474 Immissionsminderungsmaßnahmen müssen bei den genannten Hauptemittenten ansetzen.

4.3.1. Anlagen im Bereich von Gewerbe, Industrie, Haushalten, Landwirtschaft, Energie- und Entsorgungswirtschaft Emissionen aus Anlagen dieses Problembereichs führen je nach Höhe der Schornsteine zu Schadstoffimmissionen entweder im Nah- oder im Fernbereich der Anlage. 475 Schwefeldioxidemissionen etwa verteilen sich in erster Linie weiträumig, nur soweit sie aus den Haushalten stammen (Heizungsbetrieb in den Wintermonaten) sowie aus Industriefeuerungen, kommt es zu Immissionen im Nah468 469

470

471 472 473 474 475

1990, S. 213. 16.11.1990, S. 2. Umweltbericht 1990, S. 94 ff.; Bodenachutzprogramm Bad.-Württ., S. 12; Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache 10/2977, S. 18. Bodenachutzkonzeption, S. 16 ff.; Umweltbericht 1990, S. 94 ff. Umweltbericht 1990, S. 213. S .o . 2.2. Bodenachutzprogramm Bad.-Württ., S. 12. Umweltbericht 1990, S. 98. Umweltbericht HAZ vom

4.3. Schutz vor Irnmiuionen

253

hereich in Ballungsgebieten. 476 Großflächige Grundbelastungen des Bodens mit Schwermetallen werden vor allem durch Kohle- und in geringem Umfang durch Ölkraftwerke sowie Müllverbrennungsanlagen bewirkt. 477 Im Nahbereich sind es überwiegend industrielle Emittenten, vor allem Erzaufbereitungs-, Verhüttungs- und Wiederverarbeitungsanlagen für Nichteisenmetalle. 478 Auch organische Schadstoffe wirken vorrangig im Nahbereich industrieller Anlagen. 479 Ammoniakemissionen stammen in erster Linie aus landwirtschaftlichen Tiermastanlagen. 480 Während die großflächige Grundbelastung nach dem Umweltbericht 199()481 bisher im allgemeinen unter der Gefahrenschwelle liegt, wurden im Umkreis von Produktions- und Verarbeitungsstätten teilweise bedenkliche Konzentrationen festgestellt, die im Rhein-Ruhr-Immissionsgebiet zu Empfehlungen zur Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung geführt haben. 4. 3.1.1. Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die dazu ergangenen Durchftihrungsvorschriften Die für die Immissions- und Emissionsbegrenzung bei Anlagen wesentlichen Bestimmungen nach dem zum unmittelbaren Bodenschutzrecht gehörenden Bundesimmissionsschutzgesetz:482 finden sich im zweiten Teil (Errichtung und Betrieb von Anlagen, §§ 4 - 3la BimSchG) und im dritten Teil des Gesetzes (Beschaffenheit von Anlagen, Stoffen, Erzeugnissen, Brennstoffen, Treibstoffen und Schmierstoffen, §§ 32 - 37 BimSchG) sowie in den Durchführungsverordnungen und der TA-Luft. Nachfolgend ist festzustellen, inwieweit dort Gesichtspunkte des Bodenschutzes einfließen.

476 477 478 479 480 481 482

Umweltbericht

1990, S. 99.

Bodenschutzkonzeption, BT-Drucksache Bodenschutzkonzeption, ebenda. Bodenschutzkonzeption, ebenda. S.o. 4.3. s. 211 f. S.o. 4.2.1.2.1.

10/2977, S. 18.

254

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodena vor Schadstoffen

4. 3.1.1.1. Betreibergrundpflichten bei genehmigungsbedarftigen Anlagen nach § 5 I Nr. 1 und 2 BlmSchG

Genehmigungsbedürftige Anlagen sind nach § 5 I BimSchG u.a. so zu errichten und zu betreiben, daß 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können, 2. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die den Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung. Die Sicherstellung der Erfüllung der Pflicht des § 5 Abs. I Nr. 1 BimSchG obliegt dem Belreiber gemäß § 5 III Nr. 1 BimSchG auch noch nach der Betriebseinstellung.

Welche Anlagen (der Begriff der Anlage ist in § 3 V BimSchG483 definiert) genehmigungsbedürftig sind, bestimmt § 4 BlmSchG i.V.m. der Verordnung aber genehmigungsbedarjtige Anlagen4 84 , in deren Anhang die entsprechenden Anlagentypen aufgeführt sind. Die hier interessierenden Anlagen sind überwiegend genehmigungsbedürftig, z.B. auch große Tiermastanlagen485. Nicht genehmigungsbedürftig sind danach bspw. Heizungsanlagen und chemische Reinigungen. Die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage nach § 4 BimSchG ist gemäß § 6 BlmSchG nur dann zu erteilen (dies gilt nach § 15 BimSchG auch für die wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen), wenn die sich aus § 5 BimSchG oder einer Verordnung nach § 7

BimSchG ergebenden Belreiberpflichten erfüllt werden und andere öffentlichrechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes nicht entgegenstehen.

Der Schutz des Bodens ist demnach dann genehmigungsrelevant, soweit durch den Betrieb der genehmigungsbedürftigen Anlage mit Auswirkungen auf den Boden zu rechnen ist, die als "schadliehe Umwelteinwirkungen" nach § 5 I Nr. 1 BimSchG anzusehen sind bzw. sich dem Charakter einer schädlichen Umwelteinwirkung so nähern, daß nach§ 5 I Nr. 2 BimSchG Vorsorge dagegen getroffen werden muß, daß die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung überschritten wird (Emissionsbegrenzung, Vorsorgeprinzip). 483 Zum Anlagenbegriff siehe z .B. Sellner, lmmiuioßBBChutzrccht, S. 9 ff. 484 Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmiuionsschutzgesctzcs- 4. BlmSchV vom 24. 7.1985, BGBI. I, S. 1586, zuletzt gcänd. durch Art. 2 d. Verordnung vom 28. 8. 1991, BGBI. I, S. 1856; ber. S. 2044. 485 Siehe Nr. 7.1 Spalte 1 des Anhangs der 4. BlmSchV.

255

4.3. Schutz vor Immiaaionen

Schildliehe Umwelteinwirkungen sind nach der Legaldefinition des § 3 I BlmSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen sind in § 3 ll BlmSchG legaldefiniert als auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

Eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft i.S.d. § 3 I BimSchG ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens, d.h. der erheblichen Beeinträchtigung eines Rechtsgutes. 486 Anstelle der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Polizeirecht, tritt hier im technischen Sicherheitsrecht die Forderung, daß die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts proportional zum Schadensumfang zu reduzieren ist: "Je-desto-Formel".487 In die Bewertung muß der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis einfließen.488 Der Boden ist nach der Legaldefinition des Immissionsbegriffs ein mögliches Einwirkungsobjekt von Immissionen, so daß eine durch Immissionen hervorgerufene erhebliche Beeinträchtigung des zu schützenden Rechtsgutes Boden einen Schaden darstellt und die Wahrscheinlichkeit eines Schadeoseintritts demzufolge eine Gefahr i.S.d. § 3 I BimSchG ist. 489 Gefahren i.S.d. § 3 I BimSchG müssen der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft drohen. Unter der Allgemeinheit wird eine unbestimmte Mehrheit von Personen verstanden. 490 Der Schutz der Allgemeinheit ist nicht auf das körperliche Wohlbefinden und den Schutz der Sachgüter beschränkt, sondern erfaßt auch rechtlich geschützte Allgemeininteressen. 491 Der Boden als Rechtsgut der Allgemeinheit ist ausdrückliches Schutzgut des Gesetzes (§ 1 BimSchG}, so daß Schadstoffbelastungen des Bodens, die auch auf Luftverunreinigungen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen zurückgehen, Gefahren für die Allge-

486 487 488 489 490 491

Siehe nur Jarass, § 3 BlmSchG, Rdn. 15; Sellner, Immissionsschutzrecht, S. Sellner, S. 22. BVeiWGE 55, 250 (254).

21.

Zur Konkretisierung der Gefahrenschwelle s.o. 4.2.1.2.4.; siehe auch Lübbc-WoltT, NVwZ 1986, 178 (181). Pütz/Buchholz, Gcnchmigungavcrfahren, S. 19. Jaraas, § 3 BlmSchG, Rdn. 18; Kutscheidt, Öffentliches Immissionsschutzrecht, S. 248; Piitz/Buchholz, ebenda.

256

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

meinheit i.S.d. § 3 I BimSchG sind, und damit schon deshalb für die Erteilung einer Genehmigung i.R.d. § 5 I Nr. 1 und 2 Bedeutung besitzen. 492 Würde eine genehmigungsbedürftige Anlage schädliche Umwelteinwirkungen, also auch die Wahscheinlichkeit erheblicher Beeinträchtigungen des Bodens, hervorrufen, dürfte sie nach § 6 BimSchG nicht genehmigt werden, selbst wenn die entsprechenden Emissionen gemäߧ 5 I Nr. 2 BimSchG nach dem Stand der Technik nicht verhindert werden könnten. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Bodens und damit ein Schaden ist nach dem oben493 dargelegten Grundsatz dann gegeben, wenn die natUrliehen Funktionen des Bodens gestört werden. Zu beachten ist, daß die weitgehende Irreversibilität der Verunreinigungen und die Anreicherung von Schadstoffen im Boden tendenziell auf die Erheblichkeit der Beeinträchtigung hindeutet. 494 § 7 I BimSchG enthält die Ermächtigung für die Bundesregierung in Rechtsverordnungen Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen festzulegen, die die Betreibergrundpflichten des § 5 I BimSchG konkretisieren. U.a. kann vorgeschrieben werden, daß die Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen und die von den Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. So enthält etwa die Störfallverordnung (12. BimSchV)495 vorrangig technische Anforderungen an die Anlagen, die verhindem sollen, daß gefährliche Stoffe nach Anhang II, III oder IV der Verordnung freigesetzt werden. Die ebenfalls auf § 7 I BimSchG beruhenden Verordnungen über Großfeuerungsanlagen (13. BimSch VJ496 und über Verbrennungsanlagen jar Abfälle und lthnliche brennbare Stoffe (17. BimSch VJ497 enthalten dagegen auch Grenzwerte für bestimmte Emissionen. Damit werden Anforderungen gestellt, die zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nach§ 5 I Nr. 2 BimSchG zu erfüllen sind. Die Großfeuerungsanlagenverordnung bestimmt Grenzwerte für Emissionen von Staub, Kohlenmonoxid, Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden und Halogenverbindungen jeweils in bezug auf Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe 492 Siehe auch Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (181). 493 4.2.1.2.4. 494 Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 (182); Feldbaus, § 3 BlmSchG, 495 496 497

Speicherung von Schadstoffen in Nutzpflanzen und -tiercn. Siehe dazu bereits oben 4.2.2.1. Vom 22. 6.1983, BGBI. I, S. 719. Vom 23.11.1990, BGBI. I, S.

2545, ber. S. 2832.

Anm.

7 a.E.

für die

4.3. Schutz vor Immissionen

257

(in erster Linie Kohlekraftwerke), für flüssige Brennstoffe (in erster Linie Ölkraftwerke), für gasförmige Brennstoffe sowie für Altanlagen (§§ 3 - 20 13.BimSchV). Die §§ 21 -28 enthalten Bestimmungen über Messung und Überwachung der Emissionen. Vom Anwendungsbereich der Verordnung werden nach § 1 I grundsätzlich nur solche genehmigungsbedürftigen Feuerungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt und mehr erfaßt. Für Feuerungsanlagen mit keiner größeren Leistung als 1 - 49 Megawatt werden die Grundpflichten nach § 5 I BimSchG daher nur durch die Werte der TA-Luft 1986 konkretisiert. Nicht erfaßt werden auch Abfallverbrennungsanlagen (§ 1 III). Emissionsgrenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen bestimmt die 17. BlmSchV in § 5 für Staub, organische Stoffe, anorganische Chlorverbindungen, anorganische Fluorverbindungen, Schwefeldioxid/Stickstoffoxid, verschiedene Schwermetalle und für im Anhang der Verordnung aufgeführte Dioxine und Furane. Grenzwerte für anorganische Verbindungen, Schwermetalle sowie Dioxine und Furane wurden wegen der besonderen Bedeutung von Abfallverbrennungsanlagen für diese Emissionen aufgenommen. 498 Die Emissionsgrenzwerte sind gegenüber der TA-Luft von 1986 noch weiter herabgesetzt, bei den Tagesmittelwerten z.T. um mehr als 50 %. Nach§ 4 I 17.BimSchV sind die Anlagen allgemein so zu errichten und zu betreiben, daß ein weitgehender Ausbrand der Einsatzstoffe erreicht wird. Die §§ 9 - 16 der Verordnung regeln die Messung und Überwachung der Emissionen. Die Verordnung findet nach§ 1 I auf die Anlagen nach § 4 BimSchG Anwendung, in denen feste oder flüssige Abfälle bzw. ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe verbrannt werden. Sie gilt auch dann, wenn die Anlage überwiegend einem anderen Zweck als der Verbrennung solcher Stoffe dient oder wenn die Anlage lediglich als Teil oder Nebeneinrichtung einer anderen Anlage betrieben wird(§ 1 I 2 17.BimSchV). Diese Erweiterung des Geltungsbereichs der Verordnung wurde wegen der Änderung des § 4 I AbfG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des BimSchG499 erforderlich. Abfälle dürfen danach in immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen verbrannt werden, wenn dadurch der Charakter dieser Analgen nicht verändert wird. Auch für eine derartige Abfallverbrennung sollen die Bestimmungen der 17. BimSchV gelten, um zu

498 Begründung zur 17. BlrnSchV, SR-Drucksache 303/90 vom 27. 4.1990, S. 37. 499 Vom 11 . 5.1990, BGBI. I, S. 870. 17 Heiermann

258

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

verhindern, daß die materiellen Anforderungen an die Abfallverbrennung abgeschwächt werden. 500 Die in den genannten Verordnungen normierten Emissionsgrenzwerte dienen als Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zwar unmittelbar auch der Vorsorge gegen Schadstoffverunreinigungen des Bodens und ihrer Festsetzung liegen auch Bodenschutzgesichtspunkte zugrundeSOl, sie berücksichtigen jedoch als anlagenbezogene Werte, die ständig gleich bleiben, nicht die wechselnden Immissionsverhältnisse und auch nicht etwaige Vorbelastungen des Bodens. Immissionsgrenzwerte enthalten die genannten Verordnungen nicht. Mit Ausnahme des § 43 BimSchG für Geräuschimmissionen erlauben die Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Rechtsverordnungen (§§ 7. 23, 32 37, 43 BimSchG) wegen der fehlenden Anlagenbezogenheil des Immissionsbegriffs auch nicht den Erlaß von Immissionsgrenzwerten. 502 Regelungen in bezug auf Immissionen enthält allerdings die TA-Lujt503, die als Verwaltungsvorschrift gemäߧ 48 BimSchG von der Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des BimSchG und seiner Rechtsverordnungen erlassen worden ist. Sie dient ebenfalls der Konkretisierung der Belreiberpflichten in § 5 I Nr. 1, 2 BimSchG (Nr. 1 TA-Luft). Nach § 48 Nr. 1 BimSchG ist die Bundesregierung sogar verpflichtet, Immissionswerte, die zu dem in § 1 BimSchG genannten Zweck - u.a. Schutz des Bodens vor und Vorbeugung gegen das Entstehen von schädlichen Umwelteinwirkungen - nicht überschritten werden dürfen, festzusetzen. Dieser Pflicht und der oben festgestellten unmittelbaren Genehmigungsbedeutung der Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Bodens trägt die TA-Luft 1986 allerdings kaum Rechnung. Bodenbelastungswerte werden nicht festgesetzt. Zwar enthält Nr. 2.5.2 der TA-Luft Niederschlagswerte für bestimmte Schadstoffe zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästi-

500 Beachluß des Bundesrates zur 17. BlmSchV, SR-Drucksache 303/90 vom 21. 9.1990, S. 2. SOl Vgl. Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer m, Vom. zur 13. BlmSchV, Rdn. 3. 502 Kutscheidt, Öffentliches Immisaionsachutzrecht, S. 256; den., in: Landmann!Rohmer m, § 7 BlmSchG, Rdn. 13; a.A.: Breuer, DVBI. 1978, 28 (37 mit Fn. 103). 503 Techniache Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 27. 2. 1986, GMBI. S. 95, her. S. 202. Zur Systematik der TA-Luft kurz und prägnant Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdn. 263 ff.

4.3. Schutz vor Immiuionen

2S9

gungen- nicht zum Schutz vor GefahrenS04 -, allerdings nur als Menge pro Zeit- und Flächeneinheit. Die Akkumulation der Stoffe im Boden bleibt unberücksichtigt. SOS Für Schadstoffe, für die Immissionswerte in Nr. 2.5 nicht festgelegt sind, und in Fällen, in denen auf Nr. 2.2.1.3 verwiesen wird, sieht Nr. 2.2.1.3 TA-Luft eine Sondeifallprafung vor, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. Für die Erforderlichkeil der Prüfung müssen hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Diese sind gegeben, wenn sich aufgrund der Antragsunterlagen, der Einwendungen oder anderer Feststellungen bei einer pauschalen Prüfung ergibt, daß das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen nicht ausgeschlossen werden kann. S06 Anhaltspunkte für schädliche Bodenvorbelastungen gehören nach dieser Regelung nicht zu den Gründen, die eine Sonderfallprüfung nach Nr. 2.2.1.3 TA-Luft auslösen. Jedoch bestimmt Nr. 2.2.1.3 Abs. V TA-Luft für den Fall der Verweisung gemäß Nr. 2.2.1.2 lit. c, daß i.R.d. dann erforderlichen Sonderfallprüfung im Hinblick auf Lebens- und Futtermittel bei Blei, Cadmium oder Thallium und deren organischen Verbindungen als Bestandteilen des Staubniederschlages auch eine überhöhte Bodenbelastung zu berücksichtigen ist. Erfaßt werden damit nur wenige Schadstoffe und nur ein minimaler Ausschnitt der Gefahren, die von Verunreinigungen des Bodens ausgehender Boden selbst ist nur mittelbar genehmigungsrelevant Daneben müssen wegen der Anlagenbezogenheit der Belreiberpflichten in jedem Fall die Immissionen der zu beurteilenden Anlage noch als kausaler Beitrag zu den unzulässigen Schadstoffgehalten in auf den Beurteilungsflächen produzierten Lebens- und Futtermitteln anzusehen sein, wenn die Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen bejaht werden soll. S07 Daraus, daß die TA-Luft als Verwaltungsvorschrift Bodenvorbelastungen nicht unmittelbar berücksichtigt und mittelbar nur i.R.d. Sonderfallprüfung, kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die TA-Luft sie als eigenständiges Genehmigungshindernis ausschließt. Das würde der Gesetzeslage, nach der der Boden genehmigungsrelevantes Schutzgut des BimSchG ist, eindeutig widersprechen. Die interne behördliche Bindung an Verwaltungsvorschriften ist insofern auch nicht unbeschränkt. Fehlen Regelungen oder können sie im Einzelfall nicht herangezogen werden, müssen die Behörden die anzuwen-

S04 Die Werte zum Schutz vor Gefahren in Nr. 2.S.1 beziehen sich nur auf Gesundheitsgefahren.

505 Siehe dazu auch OVG Münster, Urt. vom 10.11.1988, NVwZ-RR 1989, 638 (640) und Lübbe-Wo1ff, NVwZ 1986, 178 (181). S06 Hansmann, in: Landmann/Rohmer m, Nr. 2.2.1.3 TA-Luft, Rdn. 8. S07 Hansmann, Rdn. 29; vgl. auch OVG Münster, Urt. vom 10.11.1988, NVwZ-RR 1989, 638 (640).

260

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

denden Rechtsnormen selbständig auslegen. S08 Das gilt dann auch in Hinsicht auf das Schutzgut Boden, solange eine einschlägige und den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Ergänzung der TA-Luft bzw. der Erlaß einheitlicher Ausführungsbestimmungen nicht erfolgt. Die Ergänzung der TA-Luft oder der Erlaß einer TA-Boden ist daher nicht nur aus Gründen des Bodenschutzes, sondern auch im Interesse der Rechtssicherheit dringlich. S09 Erst dann wird das Bundesimmissionsschutzgesetz auch im Hinblick auf den Bodenschutz praktikabel. Für die entsprechenden Bestimmungen stellt sich nach ihrem Erlaß jedoch die Frage, inwiefern ihnen als Verwaltungsvorschriften Außenwirkung zuzumessen ist. Wegen ihres Stellenwertes für die Durchführung des Gesetzes und der bei Verwaltungsvorschriften ungewöhnlichen Beteiligung des Bundesrates sowie der Anhörung der beteiligten Kreise(§ 48 BimSchG) wurde ihnen durch die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. 2.1978510 eine weitgehende Bedeutung auch für die kontrollierenden Gerichte, und zwar als "antizipierte Sachverstiindigengutachten •, zugesprochenS 11. Wegen der auch in solche technischen Regelwerke einfließenden wertenden Beurteilungen, die die technischen Anleitungen gerade nicht als Sachverständigengutachten erscheinen lassenS12, ist diese Qualifizierung zunehmend aufgegeben worden. In seinem Urteil über die Teilerrichtungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Wyhl hat das BundesverwaltungsgerichtS13 entschieden, die Richtlinie zu § 45 StrlSchV sei eine "normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift" mit AußenverbindlichkeitS14. Die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen könne nicht durch eine eigene Bewertung im Wege der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle ersetzt werden. S1S Diese Einordnung kann auch auf die Verwaltungsvorschriften nach dem BimSchG über-

S08 HanamaM, Nr. 1 TA-Luft, Rdn. 10; Jarass, § 48 BhnSchG, Rdn. 10. Mißverständlich insoweit Lübbe-Wotff, NVwZ 1986, 178 (181), die aber aufHansmaM und Jarass verweist.

S09 Lübbe-Wolff, ebenda.

510 BVerwGE 55, 250. S11 BVerwG, 2S6; so auch Breuer, DVBI. 1978, 28 (33 ff.). S12 Siehe nur Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdn. 269; Hoppe!BeckmaM, Umweltrecht, § 3 Rdn. 18. 513 BVerwGE 72, 300 ff. 514 BVerwG, 320. 515 BVerwG, 316.

4.3. Schutz vor Immissionen

261

tragen werden.516 Auch hier ergibt sich aus der Ermächtigungsnorm des§ 48 BimSchG, daß der Gesetzgeber unter Verzicht auf eine Regelung die Konkretisierung der offengelassenen Frage der Exekutive überlassen wollte.517 Die Gerichte sind danach grundsätzlich an die Festsetzungen der Verwaltungsvorschriften gebunden. Ein Abweichen von den Werten der TA-Luft durch die Gerichte ist nur dann möglich, wenn sie durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind518 oder ein atypischer Sachverhalt gegeben ist519.520 Die Gerichte sollen die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nur darautbin überprüfen dürfen, ob sie auf willkürfreien Ermittlungen beruhen. 521 Dieses Ergebnis wird z. T. allerdings vor dem Hintergrund der allgemeinen Rechtsquellenlehre als unbefriedigend angesehen. 522 Die Unterscheidung zwischen außenwirksamen Rechtsvorschriften und innenwirksamen Verwaltungsvorschriften verwische zunehmend. 523 Im Hinblick auf den Bodenschutz bliebe auch bei der Aufnahme von Regelungen zur Berücksichtigung von Bodenbelastungen in der TA-Luft oder in einer TA-Boden, die in dem genannten Sinn verbindlich sein würden, die Abwehr von Gefahren für das Schutzgut Boden schwierig. Bodenbelastungswerte müßten jeweils nach den unterschiedlichen Bodentypen differenziert festgelegt werden. So könnte jedenfalls die Gefahrenschwelle praktikabel definiert werden. Dadurch würde jedoch noch nicht das Problem gelöst, überhaupt zu prognostizieren, welche Immissionswerte zur Verhinderung von Bodenschädigungen festgelegt werden müßten. Generelle Festsetzungen erscheinen hier extrem schwierig.

516 So für die TA-Luft: OVG Münster, Urt. vom 9. 7.1987, DVBl. 1988, 152 (153); Sellner, NVwZ 1991, 305 (309). 517 Vgl. Beckmann, DVBI. 1987, 611 (617). 518 BVerwG, Beschl. vom 15. 2.1988, DVBl. 1988, 539. 519 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 28. 2.1985, UPR 1985, 253 (254); Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rdn. 36; Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdn. 269; vgl. auch BVerwGE 72, 300 (321). 520 Breuer, in: UTR 4, S. 113 f. 521 BVerwGE 72, 300 (321). Zur Entwicklung der Rechtsprechung und der Literatur siehe ausführlich Precht, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 93 ff. und auch Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 3 Rdn. 20. 522 Siehe Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rdn. 36 m.w.N. 523 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 3 Rdn. 20; zur dogmatischen Konstruktion normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften siehe insb. Hili, NVwZ 1989, 401 ff.; zu Grenzwertfestsetzungen in Verwaltungsvorschriften siehe insb. Wiegand, VR 1991, 110 ff.

262

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

Nach Erteilung der Genehmigung kann die zuständige Behörde gemäß § 17 BlmSchG nachtri1gliche Anordnungen zur Sicherung der Erfüllung der Belreiberpflichten nach§ 5 I BlmSchG und den Verordnungen treffen.524

4. 3.1.1. 2. Betreibergrundpjlichten bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 I Nr. 1 und 2 BlmSchG Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind nach § 22 I BimSchG u.a. so zu errichten und zu betreiben, daß

1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, 2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind alle diejenigen Anlagen i.S.d. § 3 V BlmSchG, die nicht in der 4. BimSchV aufgeführt sind, da dort gemäß § 4 I 3 BimSchG die genehmigungsbedürftigen Anlagen abschließend genannt werden. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind z.B. Heizungsanlagen oder auch chemische Reinigungen. 525 Dazu gehören z.B. auch 1iermastanlagen, die unterhalb der genehmigungsbedürftigen Größe nach Nr. 7.1 Spalte 1 des Anhangs der 4. BimSchV liegen. Problematisch ist die Einordnung von Wiesen, Feldern, Wäldern und Äckern, die gedüngt bzw. mit Pflanzenbehandlungsmitteln besprüht werden. Sie könnten möglicherweise als Anlagen nach § 3 V BimSchG zu qualifizieren sein. Von Flächen, die mit Wirtschaftsdüngern gedüngt werden, gehen Ammoniakemissionen aus, die die Luft verunreinigen und über Niederschläge (auch) anderenorts zu Bodenschädigungen durch Versauerung führen können. 526 Bei Pflanzenschutzmitteln besteht innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Anwendung eine Verdunstungsrate von der Pflanzenoberfläche von bis zu über 90 %, vom Boden können innerhalb dieses Zeitraums noch 24 bis 28 % der Mittel verdunsten. 527 Über den Luftpfad können diese Stoffe, so524 Siehe dazu bereits oben 4.2.1.2.2., dort auch zu der Frage inwieweit Bodensanierungsverfiigungen auf § 17 BlmSchG gestützt werden können. Allgemein zu § 17 BlmSchG in bezugauf § 5 BlmSchG z.B. Stich/Porger, § 17 BlmSchG, Anm. 12; Schmatz/Nöthlichs, § 17 BlmSchG, Anm. 6 . 525 Klocpfer, Umweltrccht, § 7 Rdn. 107; weitere Beispiele bei Ule, § 22 BlmSchG, Rdn. 3. 526 Umweltbericht 1990, S. 213. 527 Bodenschutz I, BT-Drucksache 11/8410 (neu), S. 26; BT-Drucksache 1116001, S. 2.

4.3. Schutz vor Immiaaionen

263

weit sie in der Atmosphäre nicht auf photochemischem Weg abgebaut werden, an anderen Orten in den Boden gelangen. 528 Anlagen i.S.d. Gesetzes sind nach § 3 V Nr. 3 auch Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen sind öffentliche Verkehrswege. Dementsprechend kommen hier auch landwirtschaftlich, gärtnerisch und forstwirtschaftlich genutzte Flächen in Betracht. Voraussetzung für die Charakterisierung als Anlage ist allerdings, daß das Grundstück bestimmungsgemliß - nicht nur gelegentlich - dem Lagern oder dem Arbeiten dient, das Emissionen beiVorrufen kann. 529 Ansonsten fehlt es am Merkmal des "Betreibens", das dem Anlagenbegriff des Gesetzes zugrundeliegt.530 Äcker, Felder, Weiden etc., auf denen nur beiläufig, gelegentlich emissionsträchtige Tätigkeiten vorgenommen werden, z.B. die ordnungsgemäße Düngung und der ordnungsgemäße Einsatz von Pflanzenschutzmitteln53 1, sind demzufolge keine Anlagen i.S.d. § 3 V BimSchG.532 Etwas anderes gilt, wenn eine Fläche dauernd zur Lagerung von Dung genutzt (Misthaufen) bzw. zweckentfremdet wird, sie ist eine Anlage i.S.d. Gesetzes.533 Dort ist die Lagerung eigentliche Zweckbestimmung des Grundstücks. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen besteht die Pflicht des Betreibers, vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen534 nach dem Stand der Technik zu verhindem bzw. danach unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Pflichteninhalt wird also durch den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen bestimmt, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen gesichert erscheinen läßt (§ 3 VI 1 BimSchG). Nach § 3 VI 2 BimSchG sind bei der Bestimmung des Standes der Technik insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind. Entsprechende Anhaltspunkte können z.B. die VDI-Richtlinien geben.535 Soweit danach schädliche Umwelteinwirkungen technisch unvermeidbar sind, müssen sie auf ein Mindestmaß reduziert wer528 BT-Drucksache 11/6001, S. 4. 529 Kutscheidt, in: l.andmann/Robmer W, § 3 BlmSchG, Rdn. 28; Stich/Porger, § 3 BlmSchG, Anm. 20; Jarass, § 3 BlmSchG, Rdn. 32; Feldbaus,§ 3 BlmSchG, Anm. 14. 530 Jarass, Rdn. 49. 53 1 S.o. 4.2.4. und 4.2.5. 532 Siehe auch Stich/Porger, § 3 BlmSchG, Anm. 20; Jaraaa, § 3 BlmSchG, Rdn. 52; Kutscheidt, in: l.andmann/Rohmer m, § 3 BlmSchG, Rdn. 28; Feldbaus, § 3 BlmSchG, Anm. 14 ("übliche Düngung"); BT-Drucbache 711513, S. 2. 533 Kutscheidt, ebenda; Feldbaus, ebenda. 534 Zu diesem Begriff und zum Boden als Einwirkungsobjekt von Immissionen s.o. 4.3.1.1.1. 535 Ule, § 22 BlmSchG, Rdn. 4 a.E.

264

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea BodenB vor Schadstoffen

den. In Betracht kommen z.B. Betriebszeiteinschränkungen.S36 Hier ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. S37 Es kann demnach ein Restbestand an zulässigen schädlichen Umwelteinwirkungen verbleiben, so daß der Pflichtenkatalog des § 22 I BimSchG insoweit weniger weit geht als der des § 5 I BimSchG. S38 Zu beachten ist, daß das Bundesimmissionsschutzgesetz hier keine geringeren Anforderungen stellt als das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht: § 22 I ist nicht so zu verstehen, daß ein Mindestmaß unvermeidbarer schädlicher Umwelteinwirkungen zulässig ist. Vielmehr ist dieses Mindestmaß immer dann überschritten, wenn konkrete Gefahren, insbesondere auch für den BodenS39 drohen.S40 Durch § 23 I BlmSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, daß die Errichtung, die Beschaffenheit und der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen bestimmten Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen genügen müssen. Dazu können insbesondere bestimmte technische Anforderungen, Emissionsgrenzwerte und Emissionsmessungen nach bestimmten Verfahren festgelegt werden. Soweit die Bundesregierung von dieser Ermächtigung nicht Gebrauch macht, sind auch die Landesregierungen zum Verordnungserlaß ermächtigt(§ 23 II BimSchG). Die Verordnungen nach § 23 BimSchG dienen damit nicht nur der Konkretisierung der Belreiberpflichten nach § 22 BimSchG, sondern können darüber hinausgehen und speziell aus Gründen der Vorsorge Anforderungen stellen.S41 Dies ist mit der Gesetzesänderung durch das Dritte Änderungsgesetz vom 11. 5.1990S42 nun eindeutig klargestellt. Die Anforderungen können soweit gehen, daß bestimmte Typen von Anlagen gar nicht mehr errichtet und betrieben werden dürfen, allerdings ist der Verhältnismäßigkeilsgrundsatz zu beachten. S43 S36 S37 S38 S39 S40

Kutscheidt, NVwZ

1983, 6S (68). 1980, 221 (233); Kutscheidt, 67 f.

Sellner!Löwer, WiVerw Kutscheidt, ebenda.

Zur Konkretisierung der Gefahrenschwelle s.o. 4.2.1 .2.4.

Vgl. auch Jarass, § 22 BlmSchG, Rdn. 7; Kutscheidt, NVwZ gebnis auch Sellner/Löwer, WiVerw 1980, 221 (233).

1983, 6S (67); so im Er-

S41 OVG Lüneburg, Beseht. vom 23.10.1986, UPR 1987, 76; Jarass, § 23 BlmSchG, Rdn. 1; Feldbaus,§ 23 BlmSchG, Anm. 3; Kutscheidt, 68. S42 BGBI. I, S. 870. S43 Hansmann, in: Landmann/Rohmer m, § 23 BlmSchG, Rdn. 16; Jarass, § 23 BlmSchG, Rdn. S; a .A. wohl: Kutscheidt, NVwZ 1983, 6S (69).

4.3. Schutz vor Immisaionen

265

Soweit die Verordnungen unmittelbar einzuhaltende Pflichten aufstellen, bedarf es keiner Konkretisierung durch Einzelanordnungen nach § 24 BimSchG. Für den hier zu behandelnden Problembereich sind in erster Linie zwei der bisher erlassenen Verordnungen interessant: Die Verordnung aber Kleinfeuerungsanlagen (1. BlmSch \.-?544 und die Verordnung zur Emissionsbegrenzung von leichtjlachtigen Kohlenwasserstoffen (2. BlmSchV.f45. Nach der Zahl der Betroffenen hat die 1. BimSchV über Kleinfeuerungsanlagen die größte Bedeutung. Sie gilt nach § 1 I l.BimSchV für alle Feuerungsanlagen, die keiner Genehmigung nach § 4 BimSchG bedürfen. Von diesen häuslichen, gewerblichen und industriellen Kleinfeuerungsanlagen gehen zwar bei den relevanten luftverunreinigenden Stoffen jeweils weniger als 10 % der Gesamtemissionen in der Bundesrepublik (alte Bundesländer) aus, doch ist der Immissionsanteil wegen der geringen Höhe, in der die Abgase aus diesen Anlagen abgeleitet werden, wesentlich höher.5 46 An einzelnen Einwirkungsorten kann er mehr als 40 % der Gesamtbelastung durch einen Schadstoff betragen. 547 Bei den allgemeinen Vorschriften enthält die Verordnung insbesondere Bestimmungen über die Brennstoffe, die in Kleinfeuerungsanlagen ausschließlich verwendet werden dürfen(§ 3 l.BimSchV). Andere als die dort genannten Stoffe, etwa Holzreste, die mit Holzschutzmitteln verunreinigt sind oder halogenhaltige Beschichtungen aufweisen, dürfen nicht verfeuert werden. Die Verordnung trennt dann zwischen Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe (§§ 4 -6 l.BimSchV) und Öl- und Gasfeuerungsanlagen (§§ 7 - 11 1.BimSchV). In § 4 bzw. § 7 werden jeweils allgemeine Anforderungen an die jeweiligen Anlagen gestellt. § 6 normiert für Anlagen zur Verfeuerung fester Brennstoffe, die eine Nennwärmeleistung über 15 Kilowatt haben, Emissionsgrenzwerte für Staub und Kohlenmonoxid. Die §§ 8 und 9 enthalten Anforderungen an die Begrenzung von Rußemissionen. Die Abgase müssen frei von Ölderivaten sein (§§ 8 Nr. 2, 9 Nr. 2). § 11 enthält Grenzwerte für Abgasverluste bei Öl- und Gasfeuerungsanlagen. Dabei wird nach Größe der Anlage und ihrem Errichtungszeitpunkt differenziert. Der bereits erwähnte § 7 bestimmt, daß Stickstoffoxidemissionen bei diesen Anlagen durch feuerungstechnische Maßnahmen (z.B. Art und Anordnung der Brenner) nach dem Stand der Technik begrenzt werden müssen. 544 Vom 15. 7.1988, BGBI. I, S. 1059. 545 Vom 10.12.1990, BGBI. I, S. 2694. 546 Hansmann, NVwZ 1988, 1000 (1001).

541 Hansmann, cbcnda.

266

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

§ 23 l.BimSchV enthält eine Übergangsregelung für die Altanlagensanierung. Die Überwachung und Emissionsmessung regeln die §§ 12 - 17 der Verordnung. 548

Die Verordnung zur Emissionsbegrenzung von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen (2. BimSchV)549 gilt gemäß § 1 I für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Anlagen, in denen Lösemittel verwendet werden, die Halogenkohlenwasserstoffe enthalten, die bei 1013 mbar einen Siedepunkt von bis zu 423 Kelvin [150 oq haben (leichtflüssige Kohlenwasserstoffe), soweit sie nicht nach § 4 BimSchG genehmigungsbedürftig sind. Das sind nach Nr. 1 - 3 des § 1 I Oberflächenbehandlungsanlagen, Chemischreinigungs- und Textilausrüstungsanlagen sowie Extraktionsanlagen. Ausnahmen regelt § 1 II für Anwendungen, die nur geringe Emissionen verursachen. Ziel der Verordnung ist es, insbesondere nachbarliche Immissionsbelastungen durch leichtflüssige Halogenkohlenwasserstoffe aus den genannten Anlagen weiter abzubauen und im Hinblick auf den Schutz der stratosphärischen Ozonschicht, die Emissionen von Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW) aus diesen Anlagen zu vermeiden. 550 Der Schutz des Bodens spielte demnach bei der Zielsetzung keine Rolle. Die Verordnung ist jedoch deshalb für den Bodenschutz bedeutsam, weil von den vier gemäß § 2 2.BimSchV grundsätzlich zugelassenen Chlorkohlenwasserstoffen, insbesondere Tetrachlorethen (Perchlorethylen - Per) und Trichlorethen (Tri) auch für Bodenverunreinigungen eine Rolle spielen.551 Beide Stoffe sind im Boden persistent und können sich im Grundwasser anreichem.552 Es besteht der begründete Verdacht auf krebserregendes Potential dieser Stoffe. 553 Die bisherige Zulassung bestimmter FCKW läuft nach § 2 II der Verordnung am 31.12.1992 aus. Abweichend von § 2 I 1 2.BimSchV gilt nach Satz 2 Nr. 1, daß Tri nicht beim Betrieb von Chemischreinigungs-, Textilausrüstungsanlagen sowie Extraktionsanlagen eingesetzt werden darf. Die für Tri nach der 2. BimSchV 548 Siehe dazu die Anlagen ß -V l.BimSchV; aiehe allgemein auch die VwV zur l.BimSchV vom 19.10.1981, GMBI. S. 482.

549

550 551 552 553

Vom 10.12.1990, BGBl. I, S. 2694, geänd. durch Art. 2a d. Verordnung vom 5. BGBI. I, S. 1219. BR-Drucbache 362/90 vom 22. 5.1990, S. 1. Bodenachutzkonzeption, BT-Drucbache Bodenachutzkonzeption,ebenda. BR-Drucbache 362/90 vom 22.

10/2977, S. 84.

5.1990, S. 30.

6.1991,

4.3. Schutz vor Immiuionen

267

von 1986 bestehende Einsatzbeschränkung auch bei Oberflächenbehandlungsanlagen besteht nach der neuen Verordnung nicht mehr. Die §§ 3 - 6 2.BimSchV enthalten Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb der Anlagen. Dort werden auch Grenzwerte für Emissionen von Chlorkohlenwasserstoffen festgelegt. Der dritte Abschnitt der Verordnung (§§ 6 - 9) enthält Übergangsvorschriften für Anlagen, die vor Inkrafttreten der Verordnung errichtet worden sind (Altanlagen). Im vierten Abschnitt (§§ 10 - 12) befinden sich Vorschriften über Eigenkontrolle und Überwachung der Anlagen. Nach § 13 I müssen in allen Anlagen Emissionen von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen bei der Befüllung mit Lösemitteln nach dem Stand der Technik vermindert werden. Nach § 13 III dürfen Halogenkohlenwasserstoffe oder solche Stoffe enthaltende Rückstände nur in geschlossenen Behältnissen gelagert, transportiert und gehandhabt werden. Gemäß § 16 2.BimSchV bleibt die Befugnis der zuständigen Behörde, aufgrund des BimSchG andere oder weitergehende Anforderungen zu treffen, unberührt. Hier wird auf § 24 BimSchG bezug genommen. Nach § 24 BlmSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 BimSchG und der Rechtsverordnungen erforderlichen Anordnungen treffen. Grenze ist die Verhältnismäßigkeit Kommt der Belreiber einer gemäß § 24 S. 1 BimSchG ergangenen vollziehbaren Anordnung nicht nach, kann die zuständige Behörde gemäß § 25 I BlmSchG den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit untersagen. Das Ermessen der Behörde wird durch § 25 II BimSchG eingeengt. Bei Gefahren für die menschliche Gesundheit und das Leben sowie für bedeutende Sachwerte, wozu auch Grundstücke mit dem Boden als jeweiligem Grundstücksbestandteil gehören können, soll die zuständige Behörde die Errichtung oder den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise untersagen, soweit die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann. Zur Durchführung der Anordnungen des § 22 BimSchG kann jedoch nicht nur auf die §§ 24, 25 BimSchG zurückgegriffen werden. Bestehen für nach dem BimSchG nicht genehmigungsbedürftige Anlagen in anderen Gesetzen Genehmigungs-, Erlaubnis- oder Zulassungsverfahren, die für die Anforderungen des § 22 BimSchG offen sind (z.B. Baugenehmigungsverfahren, Betriebsplanzulassungsverfahren nach § 48 II BBergG), dann sind diese Anforderungen bereits bei der fachgesetzlichen Genehmigung zu beachten: Die Genehmigung ist, wenn die Anlage nicht die Anforderungen des § 22 BimSchG

268

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

erfüllt, zu versagen oder nur mit Einschränkungen, z.B. Auflagen, die den Standard des § 22 BlmSchG sichern, zu erteilen. 554 4.3.1.1.3. Oberwachung der Anlagen

Die zur Durchführung des Gesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen vorgesehene Übetwachung gliedert sich in die eigentliche behördliche Oberwachung (§§ 52, 52a BimSchG), die Eigenaberwachung der Belreiber (§§ 53 - 58d BlmSchG)555 und die Ermittlung von Emissionen und Immissionen sowie sicherheitstechnische Prajungen (§§ 26-31 BimSchG). Die Ermittlung der Emissionen und Immissionen erfolgt durch Messungen staatlich beauftragter Stellen(§ 26, § 28 BlmSchG), die Abgabe von Emissionserklärungen durch den Betreiber (§ 27 BimSchG)556 und kontinuierliche Messungen der Belreiber unter Vetwendung fortlaufend aufzeichnender Meßgeräte (§ 29 BimSchG). Die Ermittlungsmethoden sind nebeneinander anwendbar. Dies ergibt sich aus § 29 I BlmSchG. 4. 3.1.1. 4. Immissionsschutz durch produktbezogene Normen

Die bisher dargestellten Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich auf Errichtung und Betrieb von Anlagen. Über diese anlagenbezogenen Vorschriften hinaus regeln die §§ 32 ff. BlmSchG produktbezogen bereits das Herstellen, loverkehrbringen oder Einführen von Anlagen, Anlagenteilen, Stoffen und Erzeugnissen. Die Vorverlagerung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen in die Konstruktions- bzw. Produktionsphase entspricht in besonderer Weise dem Vorsorgeprinzip.551 Allerdings werden in den §§ 32 ff. BimSchG keine materiellen Regelungen getroffen, sie enthalten vielmehr Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Rechtsverordnungen. Pflichten für den einzelnen entstehen erst durch die Bestimmungen der entsprechenden Verordnungen. Nach § 32 I BimSchG kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, daß nur noch solche Anlagen zuzulassen sind, die bestimmten Anforderungen 554 BVetwGE 74, 315 (322). 555 Siehe dazu die Verordnung über Immissionsschutzbeauftragte (5. BlmSchV) vom 14.

2.1975, BGBI. I, S. 504, ber. S. 727, zuletzt geänd. durch Art. 3 der Verordnung vom 19. 5.1988, BGBI. I, S.608. 556 Siehe auch die Emissionserklärungsverordnung (11. BlmSchV) vom 20.12.1978, BGBI. I, S. 2027, geind. durch Art.4 der Verordnung vom 24. 7.1985, BGBI. I, S. 1586. 551 Feldbaus, in: HdUR 1, Sp. 772.

4.3. Schutz vor Immissionen

269

genügen. Insbesondere können Emissionsgrenzwerte und technische Anforderungen zur Emissionsbegrenzung normiert werden. Betroffen sind serienmäßig hergestellte Teile von Betriebsstätten, sonstige ortsfeste Einrichtungen, Anlagen nach § 3 V Nr. 2 BimSchG und hierfür serienmäßig hergestellte Teile.

Instrumente sind ein Einfuhr- und Vertriebsverbot bei Nichterfüllung der Anforderungen, wodurch mittelbar auch auf die Herstellung eingewirkt wird. Nach § 32 Abs. II BimSchG kann auch eine Kennzeichnungspflicht für Emissionswerte eingeführt werden. Gemäß § 33 BimSchG kann für diese Anlagen im Verordnungswege auch eine Bauartzulassung vorgeschrieben werden. In bezug auf Luftverunreinigungen wurde von diesen Verordnungsermächtigungen noch kein Gebrauch gemacht. § 34 11 BlmSchG enthält die Ermächtigung durch Rechtsverordnung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen558 durch Luftverunreinigungen, Anforderungen an Brennstoffe, Treibstoffe, Schmierstoffe oder Zuslitze festzulegen. Insbesondere kann bestimmt werden, daß diese Stoffe bestimmte Bestandteile gar nicht oder nur in bestimmten Höchstmengen enthalten dürfen. Instrumente sind ein Produlaions-, Vetriebs- und Einfuhrverbot für Stoffe, die diesen Anforderungen nicht genügen.

Auf der Ermächtigung des § 34 I 1 BlmSchG beruht die Verordnung über Schwefelgehalt von leichtem HeiziJl und Dieselkraftsto.f?59. Sie begrenzt den Schwefelgehalt dieser Stoffe. U.a. auf§ 34 I ist auch die Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitlilen von Ottokraftstoffen560 gestützt. Dort werden an Ottokraftstoffe bestimmte Anforderungen nach DIN gestellt, z.B. hinsichtlich des Gehalts an sauerstofthaltigen organischen Verbindungen und des Benzolgehalts. Nach der Verordnung über Chlor- und Bromverbindungen als Kraftstoffiusatz5 61 dürfen Kraftstoffe nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie keine Chlor- und Bromverbindungen als Zusatz enthalten.

§ 35 I 1, 111 BlmSchG ermächtigt durch Rechtsverordnungen vorzuschreiben, daß bestimmte Stoffe oder Erzeugnisse aus Stoffen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen nur hergestellt, eingeführt und in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn siebe558 Siehe in bezug auf den Boden oben 4.3 .1.1.1. 559 3. BlmSchV vom 15. 1.1975, BGBI. I, S. 264, zuletzt geänd. durch Art. 1 der Verordnung vom 14.12.1987, BGBI. I, S. 2671. 560 Benzinqualitätsverordnung vom 27. 6.1988, BGBI. I, S. 969. 561 19. BlmSchV vom 17. 1.1992, BGBI. I, S. 75.

270

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des BodeDB vor Schadstoffen

stimmte Anforderungen an ihre Zusammensetzung, ihr Herstellungsverfahren und ihre Kennzeichnung erfüllen. Auf die Ermächtigung u.a. des § 35 I (aber auch auf §§ 7 I, 23 I, 34 I, 37 BlmSchG und Bestimmungen des AbfG) gestützt ist die Altölverordnung562. In den sachlichen Bereich der Ermächtigung gehörte auch die auf § 37 BlmSchG gestützte 10. BlmSchV zur Beschränkung des Verkehrs mit PCB-, PCT- und VC-haltigen Erzeugnissen. Sie ist durch die auf das Chemikaliengesetz und § 37 BlmSchG gestützte PCB-, PCT-, VC-Verbotsordnung563 ersetzt worden.

4. 3.1. 2. Regelung durch das Abfallgesetz564 4. 3.1. 2.1. Abfallverbrennung als Entsorgungshandlung Zur Entsorgung von Abfällen565, die durch das Abfallgesetz geregelt wird, zählt auch ihre Verwertung, etwa durch die Gewinnung von Energie (§ 1 II AbfG) im Wege der Verbrennung.566 Die Müllverbrennung kann aber im Einzelfall als "Behandlung" i.S.d. § 1 II AbfG auch in erster Linie der Volumenreduzierung des zu deponierenden Abfalls dienen und die hiermit verbundene Energiegewinnung nur Nebenzweck sein.567 Problematisch in der Einordnung sind die Fälle, in denen Stoffe durch Behandeln vernichtet werden, ohne daß eine Verwertung erfolgt und eine Ablagerung notwendig wird. Trotz der sprachlichen Ungereimtheit wird man sie aufgrund des Sachbezugs begrifflich dem Bereich des Ablageros zuzuordnen haben. 568 Die Müllverbrennung darf, wenn sie im beschriebenen Sinne eine Behandlung bzw. Ablagerung darstellt, gemäß § 4 I AbfG nur in den dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlagen569 erfolgen. Ist die Müllverbrennung Abfallverwertung im obigen Sinne, ist sie, wie auch die Behandlung, daneben nach § 4 I 2 AbfG in Anlagen zulässig, die überwiegend einem anderen Zweck als der Abfallentsorgung dienen und die

562 563 564 565 566 567 568 569

AltölV vom 27.10.1987, BGBI. I, S. Vom 18. 7.1989, BGBI. I, S. 1482.

2335.

Siehe dazu bereits oben 4.2.1.1.; speziell zum Schutzgut Boden: Zum Abfallbegriff s.o. 4.2.1.1.4. Bartels, Abfallrecht, S. 40.

Tettinger, GewArch 1988, Kunig, Rdn. 42 m.w.N. Zum Begriff s.o.

4.2.1.1.2.

41 (44); Kunig, in: KJSN, § 1 Abtu, Rdn. 43.

4.2.1.1.6.

4.3. Schutz vor Immiuionen

271

einer Genehmigung nach§ 4 BimSchG bedürfen.570 Auf sie finden die§§ 6, 11 III und 13 AbfG entsprechende Anwendung(§ 4 I 2, 2. Halbsatz AbfG). Aus dieser Regelung folgt allerdings nicht, daß Abfallverwertungsanlagen insgesamt, also auch solche, die ausschließlich oder überwiegend der Abfallverwertung dienen, keine Abfallentsorgungsanlagen i.S.d. § 4 I 1 AbfG sind, der die Verwertung ja nicht nennt. Die Verwertung wird regelmäßig durch Behandlung in Anlagen erfolgen, die damit als Abfallentsorgungsanlagen an~ zusehen sind. 571

4. 3.1. 2. 2. Zulassung von Abfallverbrennungsanlagen Bei den Abfallentsorgungsanlagen nach § 4 I 1 AbfG muß es sich um zugelassene Anlagen handeln. Das sind die nach § 7 I AbfG festgestellten, die nach § 7 II AbfG genehmigten Anlagen und die Altanlagen nach § 9 AbfG5 72 , deren Betrieb nicht untersagt wurde. 573 Diese Normen betreffen nur ortsfeste Anlagen, so daß mobile Abfallentorgungsanlagen danach nicht nach § 7 I, II AbfG zulassungsbedürftig und -fähig sind. Daraus könnte geschlossen werden, daß in ihnen wegen § 4 I AbfG auch keine Abfälle entsorgt werden dürfen. Dieses Ergebnis wäre jedoch widersinnig (man denke nur an mobile Reinigungsanlagen für verseuchtes Erdreich i.R.d. Altlastensanierung574). Unter "zugelassenen" Anlagen wird man daher alle ausdrücklich gebilligten oder nicht verbotenen Anlagen zu verstehen haben, so daß bewegliche Anlagen auch dann zur Behandlung von Abfällen zugelassen sind, wenn sie einer Genehmigung nach anderen Rechtsvorschriften, etwa nach § 4 BimSchG575, oder gar keiner Genehmigung bedürfen. 576 Ortsfeste Abfallentsorgungsanlagen, und damit auch ortsfeste Abfallverbrennungsanlagen, bedürfen nach § 7 I AbfG für ihre Errichtung, ihren Be-

S?O

571 572 573

514 515 516

Dazu und zu den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen - auch nach der 17. BlmSchV- s.o. 4.3.1.1.1. Barte1s, Abfallrecht, S. 51. Auch Nr. 8 TA-Abfall sieht Verbrennungsanlagen als BehandlungBBnlagen an (Nr. 8.4). S.o. 4.2.1.1.8. Hösel/v.Lersner, § 4 AbfG, Rdn. 12. Dazu Stegmann, in: UTR I, S. 5. Siehe dazu den Anhang der 4. BlmSchV, z.B. Nr. 8. Hösel/v.Lersner, § 4 AbfG, Rdn. 12; a.A.: Buch, UPR 1990, 92 (93 f.).

272

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea BodeRB vor Schadstoffen

trieb und auch ihre wesentliche Änderung der Planfeststellung durch die zuständige Behörde, bei der auch ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen ist. Bei unbedeutenden Anlagen, bei Versuchsanlagen, der wesentlichen Änderung von Anlagen bzw. des Betriebs oder wenn mit Einwendungen nicht zu rechnen ist, kann gemäß § 7 II AbfG auf Antrag oder von Amts wegen ein Genehmigungsveifahren durchgeführt werden. Das Zulassungsverfahren577 dient dazu, sicherzustellen, daß das Wohl der Allgemeinheit durch die Abfallentsorgungsanlage nicht beeinträchtigt wird,578 insbesondere z.B. nicht aufgrundschädlicher Umwelteinwirkungen (u.a. Schadstoffkontaminationen des Bodens) durch Luftverunreinigungen (§ 2 I 2 Nr. 4 AbfG). Dementsprechend kann die Zulassung mit Nebenbestimmungen versehen werden, soweit dies zur Wahrung des Allgemeinwohls i.S.d. § 2 I AbfG erforderlich ist (§ 8 I AbfG). Sie ist nach § 8 III 2 Nr. 1 AbfG zu versagen, wenn von dem Vorhaben Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sind, die durch Nebenbestimmungen nicht verhütet oder ausgeglichen werden können. Als Konkretisierung der Anforderungen des Allgemeinwohls und des Standes der Technik enthält die TAAbfalJ519 u.a. in Nr. 8.4 detaillierte Zulassungsbestimmungen für Abfallverbrennungsanlagen, in denen besonders überwachungsbedürftige Abfälle nach Anhang C der TA-Abfall verbrannt werden sollen.580 Nr. 8.4 regelt z.B. die technischen Anforderungen an solche Anlagen (Nr. 8.4.1- danach sind die in den Abfällen enthaltenen organischen Schadstoffe möglichst vollkommen zu zerstören) und die betrieblichen Anforderungen (Nr. 8.4.2). Nr. 8.5 TA-Abfall verweist für die sonstigen Anforderungen an Abfallverbrennungsanlagen auf die 17. BimSchV (Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen)581. Das Verfahren der Planfeststellung gemäß § 7 I AbfG richtet sich nach den §§ 72 -78 VwVfG, soweit die Landesabfallgesetze keine Sonderregelungen enthalten. 577 Dazu bereits oben 4.2.1.1.7.1.

578 Bartcls, Abfallrecht, S. 90. 579 2. VwV zum Abtu vom 10. 4.1990, GMBI. S. 170, geänd. durch VwV vom 17.12.1990, GMBI. S. 866, ber. GMBI. 1991, S. 136 und S. 469. 580 In der Praxis der Anwendung der TA-Abfall dürften hinsichtlich der Frage ihrer Außen-

581

wirksamkeit ihnliehe Probleme wie bei der T A-lAlft entstehen - siehe dazu oben 4.3.1.1.1. Auch für die TA-Abfall liegt eine QualifiZierung als "normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift" nahe: Die TA-Abfall ist nach § 4 V Abtu in einem besonderen Verfahren zustandegekommen (Anhörung beteiligter Kreise, Zustimmung des Bundesrates), das dem des § 48 BlrnSchG für TA-Luft und TA-Lärm entspricht. Ebenso wie diese Verwaltungsvorschriften enthält sie auf dem Sachrichtigk:eit verbürgenden Verfahren beruhende administrative Umweltstandards zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die Gerichte sind daher prinzipiell an ihre Feststellungen gebunden. S.o. 4.3.1.1.1.

4.3. Schutz vor Immissionen

273

Wesentliche Folge des Planfeststellungsbeschlusses ist die Ersetzung sämtlicher behördlicher Entscheidungen (Konzentrationswirkung), § 75 I VwVfG. Diese Konzentrationswirkung wirkt allerdings lediglich verfahrensrechtlich (formell). Die materiellen Anforderungen bleiben von ihr unberührt.582 Gerade Müllverbrennungsanlagen, wegen der Schadstoffemissionen, und auch sonst Abfallentsorgungsanlagen sind i.d.R. zugleich genehmigungsbedürftige Anlgen nach§ 4 BlmSchG i.V.m. der 4. BimSchV, Anhang Nr. 8.1 (Müllverbrennungsanlagen). Hier hat die Planfeststellungsbehörde also auch sicherzustellen, daß die Betreiberpflichten aus § 5 BimSchG und der aufgeund des § 7 BimSchG erlassenen Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen (17. BlmSchV)583 erfüllt werden. Dies gilt auch dann, wenn die immissionsschutzrechtlichen Pflichten weiter gehen als die des § 2 I AbfG, was insbesondere im Bereich des Pflanzen-, Sachgüter- und Bodenschutzes deshalb denkbar ist, weil das BlmSchG im Unterschied zu § 2 I AbfG eine der Interessenahwägung dienende Klausel ("Wohl der Allgemeinheit") nicht enthäJt.584 Für solche Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich nach § 4 BlmSchG genehmigungsbedürftig sind, bestimmt§ 7 III AbfG, daß Planfeststellungs- und Anhörungsbehörde die Behörde ist, deren Genehmigung nach § 4 BlmSchG durch den Planfeststellungsbeschluß ersetzt wird. Eine derartige Konzentrationswirkung besteht für die Genehmigung einer Abfallentsorgungsanlage nach § 7 II AbfG nicht. Ist hier auch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BlmSchG erforderlich, hat umgekehrt sie gemäß § 13 BlmSchG Konzentrationswirkung.585 Das Genehmigungsverfahren nach§ 7 II 1 Nr. 1 und 2 AbfG kommt gemäß § 7 II 3 AbfG allerdings nicht für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Verbrennung, zur chemischen Behandlung oder zur Ablagerung von Abfällen i.S.d. § 2 li AbfG ("Sonderabfälle") in Betracht, wenn hiervon erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen können. Erfaßt werden also von§ 7 II 3 AbfG die Sonderabfallentsorgungsanlagen, die schon wegen der möglicherweise von ihnen ausgehenden erheblichen Beeinträchtigungen der Umwelt keine unbedeutenden Anlagen586 i.S.d. § 7 I Nr. 1 AbfG sind. 582 BVerwGE 70, 242 (249); 71, 163 (164); Hösellv.Lersner, § 7 Abtu, Rdn. 110; Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rdn. 122; Schwermer, in: KJSN, § 7 Abtu, Rdn. 49. 583 Dazu oben im einzelnen 4.3.1.1.1. 584 Vgl. VG Berlin, Urt. vom 18. 9.1981, UPR 1982, 101 (103); Hösel/v.Lersner, § 7 Abtu, Rdn. 94; Schwermer, in: KJSN, § 8 Abtu, Rdn. 65. 585 Siehe auch Sellner, ImmissioßiiChutzrecht, S. 145. 586 Zu diesem Begriff s.o. 4.2.1.1.7.1. a). 18 Heiennann

274

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodena vor Schadstoffen

Über den Sonderabfallbereich hinaus, wird man auch Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich nach Spalte 1 des Anhangs zur 4. BimSchV im förmlichen immissionsschutzrecL.tlichen Genehmigungsverfahren genehmigungsbedürftig sind, nicht als unbedeutend ansehen können. 587 Für sie ist ein Planfeststellungsbeschluß nach § 1 I AbfG erforderlich. Weder eine abfallrechtliche Zulassung noch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist nach dem bisher Gesagten für mobile Abfallverbrennungsanlagen erforderlich, die auch nicht von der 4. BimSchV erfaßt werden. Das sind im wesentlichen die mobilen Anlagen i.S.d. Nr. 8 des Anhangs der 4. BimSchV, soweit nach den Umständen zu erwarten ist, daß sie weniger als während der sechs Monate, die auf die Inbetriebnahme folgen, an demselben Ort betrieben werden (§ 1 Abs. I 1 4.BimSchV). Ein solcher zu erwartender "Sechs-Monats-Mindestbetrieb an einem Ort" ist für solche Verbrennungsanlagen gemäß Nr. 8 des Anhangs der 4. BimSchV nicht erforderlich, in denen Stoffe beseitigt werden sollen, die halogenierte Kohlenwasserstoffe enthalten. Sie sind immer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Ein zu erwartender "Sechs-Monats-Mindestbetrieb an einem Ort" ist ebenfalls nicht für die unter Nr. 8.7 in den Anhang zur 4. BimSchV aufgenommenen Bodenbehandlungsanlagen erforderlich.588 Für die ausgenommenen Verbrennungsanlagen gelten zumindest die Vorschriften über nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (§§ 22 ff. BimSchG)589. 4. 3.1. 2. 3. Weitere Instrumente des Abfallgesetzes Hier kann auf das bereits oben590 Gesagte verwiesen werden.

4.3.1.3. Regelung durch das Atomgesetz591 4.3.1.3.1. Anlagengenehmigungspflicht gemliß § 7 AtG Nach § 1 I AtG bedarf derjenige einer Genehmigung, der eine ortsfeste Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen(§ 2 I Nr. 1 AtG) oder zur Aufarbeitung be587

Schwermer, in: K/SN, § 7 Abtu, Rdn. 55; HöseUv.Lersner, § 7 Abtu, Rdn. 16; s.o. 4.2.1.1.7.1. a). 588 Nr. 8.7 wurde eingefügt durch Art. 2 der Verordnung vom 23. 8.1991, BGBI. I, S. 1858. 589 Siehe dazu oben 4.3.1.1.2. 590 4.2.1.1.7. 591 Siehe dazu bereits oben 4.2.1.8.; zum Boden als Schutzgut des Gesetzes s.o. 4.2.1.8.1.

4.3. Schutz vor Irnmiuionen

275

strahlter Kernbrennstoffe errichtet, betreibt oder sonst innehat oder die Anlage oder ihren Betrieb wesentlich verändert. Erfaßt werden von dieser Genehmigungspflicht folglich alle Kernkraftwerke unabhängig vom Reaktortyp, Brennelementefabriken, Anreicherungsund Wiederaufarbeitungsanlagen.592 Von ihnen können Emissionen radioaktiver Stoffe ausgehen, die auch auf den Boden schädlich einwirken. Wichtig u.a. in bezugauf das Verhältnis eventuell erforderlicher weiterer Genehmigungen (z.B. nach BlmSchG siehe hierzu § 2 II BlmSchG, § 8 I, II AtG) ist der Inhalt des atomrechtlichen Anlagenbegriffs.

4.3.1.3.1.1. Anlagenbegriff Das Bundesverwaltungsgericht593 vertritt unter Hinweis auf den vom Genehmigungserfordemis verfolgten Zweck des nuklearspezifischen Gefahrenschutzes die Ansicht, daß zur Anlage nach § 7 I AtG der Reaktor als Anlagenkern gehört und alle mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen, die einen gefahrlosen Betrieb i.S.d. § 1 Nr. 2 erst ermöglichen, indem sie eine unzulässige radioaktive Strahlung ausschließen. 594 Ein Kühlturm etwa gehört nicht zur Anlage i.S.d. § 7 I AtG. 595 Soweit für immissionsschutzrechtlich relevante Einrichtungen danach keine atomrechtliche Anlagengenehmigung erforderlich ist und sie deshalb von ihr auch nicht umfaßt werden, kann eine eigene immissionsschutzrechtliche Genehmigung notwendig sein. Im übrigen erfaßt die atomrechtliche Anlagengenehmigung wegen der Konzentrationswirkung nach § 8 II 1 AtG auch eine gegebenenfalls erforderliche Genehmigung nach § 4 BlmSchG. 596

4.3.1.3.1.2. Voraussetzungen der Genehmigung nach§ 7ll AtG Die atomrechtliche Genehmigung darf nach § 7 II AtG nur erteilt werden, wenn die in den Ziffern 1 -6 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. § 7 II

592 Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rdn. 21. 593 BVerwGE 72, 300 (328 f.). 594 Weiter BVerwGE 80, 21 (26), dort werden die im vorgenannten Urteil entwickelten Kriterien großzügiger angewendet. 595 BVerwGE 72, 300 (329). 596 Sellner, lmmissionsschutzrecht, S. 144.

276

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz des Bodens vor Schadstoffen

AtG stellt damit eine Mischung aus repressivem Genehmigungsvorbehalt und präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar.597 Nach Nr. 3 muß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen sein. Nach Nr. 6 dürfen überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Umwelteinwirkungen, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen. Die Verweisung in Nr. 3 auf die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden und die damit verbundene Offenheit der Norm ermöglicht eine ständige Anpassung der Genehmigungsvoraussetzungen an den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt und damit eine bestmögliche Verwirklichung des Schutzzwecks des § 1 Nr. 2 AtG598, also u.a. des Schutzes der Sachgüter (d.h. auch des Bodens599) vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen. Es muß diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. 600 Ist die Umsetzung dieser Erkenntnisse technisch noch nicht möglich, darf die Anlagengenehmigung nach § 7 AtG nicht erteilt werden. 601 Schäden i.S.d. § 7 II Nr. 3 AtG sind der Verlust des Lebens und nicht nur ganz unerhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit und der Sachgüter. 602 Die Schadensvorsorge unterscheidet sich hierbei von der klassischen polizeirechtlichen Gefahrenabwehr dadurch, daß auch solche Schadensmöglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, die sich nur deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können und daher insoweit noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein "Besorgnispotential" besteht. 603 Schutzmaßnahmen sind auch anband bloß theoretischer Überlegungen und Berechnungen in Betracht zu ziehen, um Risiken aufgrundnoch bestehender Unsicherheiten oder Wissenslücken hinrei-

591 S.o. 3.2.4.1.2.; siehe dazu auch BVerfGE 49, 89 (146 f.).

598 BVerfGE 49, 89 (137). 599 S.o. 4.2.1.8.1. 600 BVerfGE 49, 89 (136). 601

BVerfG, ebenda.

602 Siehe nur Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdn. 525; Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 34. Zur Bestimmung der Schadensachwelle beim Boden s.o. 4.2.1.2.4. 603 BVerwGE 72, 300 (315); siehe insgesamt hierzu Haedrich, § 7 AtG, Rdn. 63 ff.

4.3. Schutz vor Immissionen

277

chend zuverlässig auszuschließen. 604 Diese Anforderungen werden durch die Strahlenschutzgrundsätze des § 28 StrlSch V und die Bestimmungen der §§ 44, 45, 46 StrlSch V (Dosisgrenzwerte etc.) ergänzt. 60S Nach§ 7 II Nr. 6 AtG dürfen der Wahl des Standorts der Anlage überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Auswirkungen auf die Umwelt. Erfaßt ist damit auch die Reinhaltung von Luft und Boden, wie es§ 7 II Nr. 6 AtG in der Fassung vor der Änderung durch das Gesetz vom 12. 2.1990606 auch ausdrücklich formulierte. 607 Die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind in der Atomrechtlichen Veifahrensverordnung608 geregelt. Nach§ 3 I Nr. 8 AtVfV sind dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung nach § 7 AtG Unterlagen beizufügen, die eine Aufstellung der vorgesehenen Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens enthalten. 609 4.3.1.3.2. Genehmigung atomarer Zwischen- und Endlager

Errichtung und Betrieb sowie die wesentliche Änderung von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle nach § 9a III AtG bedürfen gemäß § 9b I AtG eines Planfeststellungsverfahrens. Nach § 9b II AtG ist i.R.d. Planfeststellung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Der Planfeststellungsbeschluß kann zur Erreichung der in § 1 AtG genannten Zwecke inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden (§ 9b III 1 AtG). Nachträgliche Auflagen sind zulässig, soweit es zur Erreichung der in§ 1 Nr. 2-4 AtG bezeichneten Zwecke erforderlich ist. Der Planfeststellungsbeschluß darf nach § 9b IV 1 AtG nur erteilt werden, wenn auch die in § 7 II Nr. 3 AtG genannten Voraussetzungen610 erfüllt sind. Erfolgt der Planfeststellungsbeschluß, hat er gemäß § 9b V AtG i. V .m. § 75 I VwVfG weitgehende Konzentrationswirkung. 604 60S 606 607

BVerwGE 72, 300 (31S f.). Siehe dazu bereits oben 4.2.1.8.3. Art. 3 des UVPG, BGBl. I, S. 20S.

Zu dem Streit, ob bei § 7 II Nr. 6 nur nuklearspezifische oder auch nicht nuklearspezifische Belange zu prüfen sind: Hoppe/Bcckmann, Umweltrccht, § 29 Rdn. 38 ff.; Hacdrich, § 7 AtG, Rdn. 119 m.w.N. 608 (AtVfV) i.d.F. der Bck. vom 31. 3.1982, BGBl. I, S. 411. 609 Zur Anlagenüberwachung s.o. 4.2.1.8.3. und 4.2.1.8.4. jeweils am Ende.

278

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodens vor Schadstoffen

Die Errichtung und der Betrieb der in § 9a III AtG genannten Landessammelstellen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes bedürfen der Genehmigung nach § 9 AtG oder nach § 3 StrlSchV (§ 9c AtG). § 9 II Nr. 3 AtG normiert ein§ 7 II Nr. 3 AtG entsprechendes Genehmigungserfordemis: Es ist die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Verwendung von Kernbrennstoffen zu treffen. Ähnliches bestimmt§ 6 I Nr. S StrlSchV für die Genehmigung nach § 3 StrlSchV. Für die End- und Zwischenlager sind insbesondere auch die Strahlenschutzgrundsätze (§ 28 StrlSchV) und die § 44 ff. StrlSchV (Dosisgrenzwerte etc.) zu beachten. 611 4.3.1.3.3. Genehmigung von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen

Nach§ 15 StrlSchVbedarf bereits die Errichtung der dort in den Nm. 1 S genannten Beschleuniger- und Plasmaanlagen, Elektronen- und Ionenbeschleuniger einer Genehmigung. Nach § 16 StrlSch V ist grundsätzlich auch für den Betrieb einer Anlage zur Erzeugung ionisierender Strahlen eine Genehmigung erforderlich (Ausnahmen bestimmt § 17). Dies gilt auch für die wesentliche Änderung der Anlage oder des Betriebes, die den Strahlenschutz beeinflussen kann. Nicht erfaßt werden von diesen Bestimmungen Anlagen nach § 7 I AtG. Dies ergibt sich aus der Verordnungsermächtigung in§ 11 I Nr. 2 AtG. Erfaßt werden damit Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen zur Anwendung in der Medizin und Tiermedizin sowie solche Anlagen im technischnaturwissenschaftlichen Bereich. 612 Die Genehmigung ftJr die Errichtung einer solchen Anlage ist nach § 18 Nr. 4 StrlSch V nur zu erteilen, wenn die Vorschriften über den Schutz von Luft, Wasser und Boden bei dem beabsichtigten Betrieb sowie bei Störrallen eingehalten werden können. Nach Nr. S dürfen auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen, insbesondere z.B. im Hinblick auf die Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens, der Wahl des Ortes der Anlage entgegenstehen.

610 Dazu oben 4.3.1.3.1.2. 611 Siehe dazu oben 4.2.1.8.3. 612 Veith, StrlSchV 1989, S. 146.

4.3. Schutz vor Immiasionen

279

Die Betriebsgenehmigung ist nach § 19 I Nr. 5 StrlSchV nur zu erteilen, wenn gewährleistet ist, daß bei dem Betrieb die Einrichtungen vorhanden sind, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Schutzvorschriften eingehalten werden. Nach Nr. 8 dürfen dem Anlagenbetrieb überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung der Luft, des Wassers oder des Bodens, nicht entgegenstehen. Die Anforderungen in den § 18 und 19 StrlSchV werden durch § 28 StrlSchV (Strablenschutzgrundsätze) und die §§ 44 ff. StriSchV (Dosisgrenzwerte etc.) ergänzt und konkretisiert.613 Läßt sich erst während eines Probebetriebs beurteilen, ob die Voraussetzungen des§ 19 I Nr. 5 StrlSchV vorliegen, kann die zuständige Behörde die Betriebsgenehmigung nach § 16 befristet erteilen (§ 19 N 1 StrlSchV). Auch während des Probebetriebes ist zu gewährleisten, daß die Vorschriften über die Dosisgrenzwerte, Sperr- und Kontrollbereiche sowie über den Schutz von Luft, Wasser und Boden eingehalten werden(§ 19 IV 2 StrlSchV). Die §§ 22 ff. StrlSchV enthalten Bestimmungen über Bauartzulassungen von Anlagen, Geräten oder sonstigen Vorrichtungen, die radioaktive Stoffe enthalten oder ionisierende Strahlen erzeugen. 4.3.1.3.4. Weitere Instrumente des Atomgesetzes

Hier kann auf das bereits oben614 Gesagte verwiesen werden. 4.3.1.4. Regelung durch das Bundesberggesetz61S

Nach seinem sachlichen Anwendungsbereich gilt das Bundesberggesetz gemäß § 2 I Nr. 1 auch für das Aufbereiten von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Aufbereiten ist nach der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 111 1 Nr. 2 BBergG auch das Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Veifliissigen und Verlösen von Bodenschli.tzen, wenn der Unternehmer Bodenschätze der aufzubereitenden Art im unmittelbaren betrieblichen Zusammenbang selbst gewinnt oder wenn die Bodenschätze im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Ort ihrer Gewinnung aufbereitet werden. 613 Siehe dazu schon oben 4.2.1.8.3. 614 4.2.1.8.3. a.E. 615 Siehe dazu bereits oben 4.2.1.7.; zum Boden als Schutzgut des Gesetzes siehe 4.2.1.7.1.

280

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bodena vor Schadstoffen

Die genannten Aufbereitungsvorgänge in entsprechenden Anlagen sind regelmäßig mit starken Schadstoffemissionen verbunden. 616 Aufbereitungsbetriebe dürfen gemäß §51 I 1 BBergG nur aufgrundvon Betriebspliinen errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Bergbehörde zugelassen worden sind. Zum Betrieb gehören auch die in § 2 I BBergG bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen(§ 51I2 BBergG). Der für die Errichtung und die Führung eines Betriebes wichtige Hauptbetriebsplan (§ 52 I BBergG) ist gemäß § 55 I BBergG nur zu erteilen, wenn die dort in den Nm. 1 - 13 normierten Anforderungen erfüllt werden. Unter Immissionsschutzgesichtspunkten erscheint für Aufbereitungsanlagen nur die Nr. 3 relevant. Danach ist die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütem Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, zu treffen sowie dafür, daß die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsvorschriften eingehalten werden. Nr. 3 bezieht sich jedoch, wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, auf die innerbetriebliche Vorsorge bzw. den innerbetrieblichen Schutz, die Auswirkungen des Betriebes auf die Umwelt werden nicht angesprochen. 611 Die Belange des Immissionsschutzes sollen grundsätzlich in den im Bundesimmissionsschutzgesetz vorgesehenen Verfahren zur Geltung gebracht werden.618 Dementsprechend bedürfen die Anlagen des Bergwesens (§ 2 BBergG) oder Teile dieser Anlagen nach § 4 II BlmSchG der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, sofern sie über Tage errichtet und betrieben werden und im Katalog der genehmigungsbedürftigen Anlagen der 4. BlmSchV aufgeführt sind. 619 Dies gilt z.B. für Anlagen zum Brikettieren sowie Kokereien und Schwelereien nach Nr. 1.10 und 1.11 des Anhangs zur 4. BlmSchV. Sie bedürfen zuslitzlich der Betriebsplanzulassung nach §§50 ff. BBergG, da sich nach § 13 BlmSchG die Konzentrationswirkung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen nicht auf bergrechtliche Betriebspläne erstreckt. Sind übertägige Anlagen oder Anlagenteile des Bergwesens nicht nach § 4 BlmSchG i.V.m. der 4. BlmSchV genehmigungsbedürftig, sind auf sie die 616 617 618 619

Siehe Umweltbericht 1990, S. 96 ff. Tabelle I - S. Boldt!Weller, § SS BBergG, Rdn. 14; PISN, § SS BBergG, Rdn. 34. Boldt!Weller, ebenda; P/SN, ebenda. Ausgenommen sind nach § 4 D BlmSchG von der Genehmigungspflicht Tagebaue und die zu ihrem Betrieb erforderlichen sowie zur Weiterführung unerläßlichen Anlagen.

4.3. Schutz vor Immiuionen

281

§§ 22 ff. BlmSchG mit den Bestimmungen über nicht genehmigungsbedürftige Anlagen anwendbar. 620 Die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen müssen hier nicht erneut behandelt werden, es kann auf das bereits oben621 Gesagte verwiesen werden.

4. 3.1. 5. Regelung durch das nerkörperbeseitigungsgesetz622

Beseitigungshandlungen i.S.d. Tierkörperbeseitigungsgesetzes sind nach § 1 II TierKBG auch das Verbrennen, Behandeln und Verwerten von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen, also Handlungen, mit denen schädliche Emissionen verbunden sein können. Diese Handlungen müssen allerdings, um unter den Beseitigungsbegriff subsumiert werden zu können, der Beseitigung - d.h. primär der Vernichtung und Unschädlichmachungdienen. 623 Die Beseitigung hat nach § 3 I Nr. 3 TierKBG so zu erfolgen, daß schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 3 I, II BlmSchG) nicht herbeigeführt werden. 624 D.h. bei der Beseitigung dürfen u.a. keine auf den Boden einwirkenden Luftverunreinigungen hervorgerufen werden, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Die§§ 5 - 7 TierKBG regeln, welche Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse in den Tierkörperbeseitigungsanstalten i.S.d. § 1 I Nr. 4 TierKBG zu beseitigen sind. Einrichtung und Führung von Tierkörperbeseitigungsanstalten bestimmen sich nach der aufgrund des § 14 TierKBG zur Wahrung des Grundsatzes der unschädlichen Beseitigung in § 3 TierKBG erlassenen Tierkörperbeseitigungsanstalten-Verordnung625. Diese enthält jedoch keine Regelungen des Immissionsschutzes. Sie läßt vielmehr die Recbtsvorschriften, die aufgrunddes BlmScbG erlassen worden sind, unberührt(§ 19 lit. a) der Verordnung). Dementsprechend bestimmt§ 2 II Nr. 1 TierKBG, daß das BlmSchG insgesamt unberührt bleibt.

620 621 622 623 624 625

BVe!WGE 74,

4.3.1.1.

315; Sellner, Irnmissionsschutzrecht, S. 145.

Siehe dazu bereits oben 4.2.1.4.; zum Boden als Schutzgut des Gesetzes siehe 4.2.1.4.1. Fertig, DÖV 1987, 533 (534); siehe dazu auch oben 4.2.1.4.2. Siehe dazu oben 4.3.1.1.1. Vom 1. 9.1976, BGBI. I, S. 2587, geänd. durch Art. 1 der Verordnung vom 6. 6.1980, BGBI. I, S. 667.

282

4. Rechtliche Regelungen zum Schutz dea Bode01 vor Schadstoffen

Aus§ 4 I BlmSchG i.V.m. Nr. 7.12 des Anhangs der 4. BlmSchVergibt sich die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit von Tierkörperbeseitigungsanlagen. Sie unterliegen daher den Anforderungen des § 5 BimSchG und der aufgrund des § 7 BlmSchG erlassenen Rechtsverordnungen. Auf diese immissionsschutzrechtlichen Regelungen, die noch über § 3 I Nr. 3 TierKBG hinausgehen, muß hier nicht mehr eingegangen werden, es kann auf das bereits oben626 Gesagte verwiesen werden. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist nach § 6 BlmSchG zu erteilen, wenn die genannten Anforderungen erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften -also auch speziell die des TierKBG- und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

4.3.2. Verkehr Für einen wesentlichen Teil der Luftverunreinigungen und der darauf beruhenden Bodenverunreinigungen ist auch der Straßen- und sonstige Verkehr ursächlich. So hat allein der PKW-Bestand in der Bundesrepublik (Altländer) von ca. 16,8 Mio. im Jahr 1970 auf 34,5 Mio. in 1989 zugenommen. 627 Trotz voranschreitender Anstrengungen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen (schadstoffarme PKW, Maßnahmen zur Emissionsminderung bei LKW)628 ist wegen der steigenden Fahrzeugdichte der verkehrsbedingte Schadstoffausstoß unvermindert hoch629. Allerdings soll durch die bisher getroffenen und die vorbereiteten Maßnahmen auch bei dem zu erwartenden weiteren Verkehrsanstieg in den nächsten Jahren eine Minderung der KFZEmissionen erreicht werden. 630

626 4.3.1.1.1. 627 Umweltbericht 1990, S. 96; BMU, Umwelt 1990, 584, 1989. 628 Siehe BMU, 584 ff. 629 Vgl. Umweltbericht 1990, S. 96 ff. Tabelle 1 -5. 630 Dazu BMU, Umwelt 1990, 584.

spricht von 30,15 Mio. PKW in

4.3. Schutz vor Immiuionen

283

4. 3. 2.1. Regelung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz631 4.3.2.1.1. Anforderungen zur Emissionsbegrenzung bei Fahrzeugen

nach § 38 BlmSchG

§ 38 I 1 BlmSchG bestimmt, daß Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen so beschaffen sein müssen, daß ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht Uberschreiten.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine unmittelbar zu befolgende Grundpflicht, die sich an Hersteller, Importeure und Fahrzeughalter, nicht aber an F ahrzeugfü.hrer richtet. 632 Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist, daß die Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen. Fahrzeuge, die im unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit einer ortsfesten Anlage und nicht auf öffentlichen Verkehrswegen benutzt werden (z.B. Werksbahnen, nur auf dem Werksgelände eingesetzte LKW), sind dieser Anlage zuzuordnen und unterliegen deshalb ausschließlich dem anlagenbezogenen Immissionsschutz.633

Emissionsgrenzwerte, die von den erfaßten Fahrzeugen nicht überschritten werden dürfen, enthalten beispielsweise die Anlagen zu § 47 St\-Z