Homiletik: Theologie und Technik der Predigt [Reprint 2020 ed.] 9783112331507, 9783112331491

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Homiletik: Theologie und Technik der Predigt [Reprint 2020 ed.]
 9783112331507, 9783112331491

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LEONHARD FENDT • HOMILETIK

Die

wissenschaftliche

Leitung liegt

ord.

Prof.

der Theol.

der Sammlung

in den Händen D. Dr. Heinrich

Töpelmann

des Frick,

Marburg

Die Sammlung Töpelmann erscheint in zwei Reihen. Reihe I enthält Abrisse zu den hauptsächlichen Disziplinen evangelischer Theologie. Sie richten sich an Studierende der Theologie, an Pfarrer.und Religionslehrer, sowie an gebildete Laien und dienen dem Zweck, in wissenschaftlicher Grundhaltung Vertrautheit mit dem Stoff, Einführung in die Probleme undübersicht über die Literatur des betreffenden Fachgebietes zu vermitteln. Für eine theologisch klärende Erörterung zeitgemäßer Probleme der christlichen Kirche •und1 des evangelischenGlaubens bieten die an die Sammlung angeschlossenen Hilfsbücher (Reihe I I ) ausreichende Gelegenheit. Ihr Bestreben ist es, durch Leitfäden zu Teilgebieten die „Theologie im Abrißt zu ergänzen. DER

VERLAG

SAMMLUNG Zweite

Reihe:

TOPELMANN

Theologische

Hilfsbücher.

Band

4

HOMILETIK Theologie und T e c h n i k der P r e d i g t VON

D. DR. L E O N H A R D F E N D T PE.OFESSOB DEE THEOLOGIE

m as*t

V E R L A G A L F R E D T Ö P E L M A N N BERLIN W35

1949

Printed Satz

und Druck

in

von Bodo

Germany Graefe

in Berlin

SW 68

Vorwort. Je stärker die Homiletik sich jeweils von der Regierung der Rhetorik freimachte, um so deutlicher wurde jedesmal die Glaubenstheologie als die rechte Heimat der Homiletik sichtbar. Denn um so stärker war man in der Predigt auf den Inhalt, in der Predigtlehre auf -die Behandlung des Inhaltes für Predigtzwecke angewiesen. Da war die Predigt sofort Verkündigung des Glaubens und seiner Inhalte, die Homiletik mit Vorzug die Lehre von der Bereitstellung dieser Inhalte (und erst in zweiter Linie von der Art des Vorbringens dieser Inhalte). Nun schenkte uns das 20. Jahrhundert eine neue Welle der eigentlichen Glaubenstheologie, hervorgegangen aus der Ueberwindung der Herrschaft der wissenschaftlichen Kritik über den Glauben, der Ideen- und Dogmengeschichte über die Bibel, aus der tieferen Einsicht in Luthers und Calvins und Zwingiis Schriften, ja sogar in die der Kirchenväter, und aus dem Willen, die Verkündigung der Kirche als den Ausgangspunkt zu setzen (und doch weder Kritik noch Ideenund Dogmengeschichte zu vernachlässigen; aber sie müssen an der rechten Stelle angesetzt werden). So wurden die neueren Dogmatiken substantiell Handbücher des Predigtinhaltes, also in der Tat eine Homiletik der ersten Stufe. Doch dauerte es etwas länger, bis die zünftige Homiletik sich in die neue Richtung der Theologie einstellte. Endlich erschienen die Hauptwerke der „neuen" Homiletik: H e l m u t h S c h r e i n e r , Die Verkündigung des Wortes, 2. Auflage 1936; die „Predigtlehre" von W o l f g a n g Trillhaas, 2. Auflage 1936, und „Die Predigt" von O t t o H a e n d l e r , 1941. Inzwischen machten sich aber viele kleinere Schriften um die homiletische Sache in der neuen Richtung verdient, die wert wären, bekannt zu bleiben und ihr Verdienst behalten. Man kann den Grundzug aller dieser Arbeiten dahin zusammenfassen: Der Prediger l e r n e hören, auf Gottes Wort hören, und er l e h r e auf Gott höreni Da in dieser Forderung tatsächlich die Summe des ersten Aktes alles Christenlebens beschlossen liegt (der zweite Akt heißt: Seid nicht bloß Hörer, sondern Täter des Wortes — aber beide Akte sind Gottes Gnade), so sind die genannten großen Werke eigentliche Lebensbücher geworden. Vielleicht darf man ihnen nun ein Buch an die Seite stellen, welches zunächst Lernbuch sein will; dieses hier vorgelegte Lernbuch will aber den Studenten und Prediger gerade zu den großen Lebenswerken der Homiletik führen — und ihn

VI

auch Respekt lehren vor den großen Werken der Homiletik in der Vergangenheit, von Augustinus bis zu Palmer, Kleinert und vielen anderen, erst recht zu Luthers homiletischen Bemerkungen. Aber nicht bloß diese Homiletiker sollen von dem Studenten und Prediger gewürdigt werden, auch die Predigten aller Zeiten müssen ihn tragen. Darum braucht der Student der Homjletik und der Prediger eine „Geschichte der Predigt", die er sich durch Lektüre der Hauptpredigten aller Zeiten selbst anschafft — die Skizze am Schluß des vorliegenden Buches „Zur Form- und Ideengeschichte der Predigt" will zur Zusammenstellung einer solchen „Geschichte der Predigt" Anleitung geben. Nach der Fertigstellung des Manuskriptes kamen noch zwei Werke in den Gesichtskreis des Verfassers, die gerade zu diesem Zwecke besonders dienlich sind: des Schweden Albert Wifstrand Buch „Andlig talekonst" („Geistliche Redekunst"), Stockholm 1943 (siehe meine Besprechung ThLZ 1948) und Gerhard Kunze, „Die gottesdienstliche Schriftlesung I, Göttingen 1947 (besonders S. 147—159). Eine Ergänzung zu der vorliegenden Homiletik findet der Leser in der 2. Auflage meines „Grundrisses der Praktischen Theologie Heft I" (anfangs 1949 bei Mohr, Tübingen, erscheinend). Die h i e r vorgelegte Homiletik geht von der Tatsache des Reiches Gottes aus und führt immer wieder darauf zurück (Mc 1, 14—15). Die Tatsache des Reiches Gottes heißt aber Jesus Christus; und in der Tatsache des Reiches Gottes hat die Rechtfertigung aus Glauben ihren hervorragenden Platz, ebenso die Kirche (aber auch „die Welt"), die Bibel, die Verkündigung und darum auch die Predigt, die Frucht der Rechtfertigung, das Gericht, die „letzten Dinge". Im Advent 1948. Leonhard

Fendt.

Inhaltsverzeichnis. Vorwort A. Prolegomena 1. Reich Gottes ufi'd Kirche 2. Kirche und Welt 3. Die Kiroheivgliedsdhaft 4. 'Die Verkündigung' als Grundlage . . 5. Der Hintergrund des Primates dies Wortes 6. Der Vordergrund für den Primat des Wortes 7. Wort Goitltes auf Erden heute 8. Bibel, Predigt, Katechese als Wort Gottes 9. Die Textgemäßheit der Verkündigung in der Kirche 10. Die Verkündigung' als Liturgie l'l'. Entfaltung der Liturgie 12. Schwierigkeiten der Verkündigung heute 13. Die Verkündigung' und' die Tat 114. Die Verkündigung' und die Theologie :1'5... Die Verkündigung als Predigt 16. Die Lehre von der Predigt, „Homiletik"

. . • .

. . . .

1 1 3

4 6 7 8 9 10 12 13 14 16 17 19 2ll 212

B. Systematik der Predigt 1. Das gemis „Predigt" 2. Der Inhalt der kirchlichen Verkündigung des Reiches Gottes . 3. Die Forderung der Rhetorik an die Predigt 4. Der Reichgottesinhalt und die Rhetorik der Erweckunglspredigt . , 5. GesetzeSprediigf — Bvaingeliumspredligt . . . . 6. Der konfessionelle Einschlag

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C. Einführung in die homiletische Praxis 1 1. Die Vorarbeit am Text • 2. Die homiletische Verarbeitung des exegetisch und meditativ Gewonnenen 3. Ein Beispiel! von ThemaiPredigt unserer Art über Mc 10, 13—16 4. Ein Beispiel für eine (niedere)1 Homilie über denseliben Text (Mc 10, 13—16) . ; . . . . : 5. Ein Beispiel von Thema-Predigt der älteren Art über Mc 10, 13—16 (Skizze) . : 6. Beispiel einer allegorischen Predigt über denselben Text Mc 10, 13—16 (Adivents-Predigt, Skizze) 7. Die theologische Problematik der „Anwendung" 8. Die Frage nach einem Hauptskopus der Bibel 9. Der Hauptskopus der kirchlichen Feste 10. Der Hauptskopus der Gleicihnisse Jesu 11. Der Hauptskopus der Wundertaten Jesu . . 1>2. Die Besonderheiten der Kasualpredigt 13. Die Sprache der Predigt 14. Die Predigt auf der Kanzel 15. Para'Mpomena 16. Zun Form- und Ideengieschichte der Predigt

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A. Prolegomena 1. Reich Gottes und Kirche Grundlegend für den Gang der christlichen Ereignisse nach dem Tode Jesu ist die Tatsache: nach dem Tode und der Verherrlichung Jesu Christi waren die Apostel Εκκλησία, Gemeinde, und bauten Gemeinde. So sehen es die Briefe des Paulus und die Apostelgeschichte an. Es waren sich die Apostel dabei bewußt, die Absichten Jesu Christi selbst auszuführen, wie (um es vorsichtig auszudrücken!) schon die Anführung der Worte Jesu Mt 16,18 und Mt 28, 18—20 durch das Mt-Evangelium beweist. Hatte demnach die Jüngerschaft Jesu die Gewißheit, die Εκκλησία als das Werk Jesu aufzubauen, so hat die Annahme wenig Aussicht, in der Tat hätte J e s u s s e l b s t ganz anders gedacht und ganz anderes gewollt. Alle vier Evangelien enthalten vielmehr Hinweise genug auf Jesu Absicht, eine Gemeinschaft der Seinigen zu haben und zu hinterlassen. Das, was in Jesu Absichten anders gewesen sein mag, liegt dann z w i s c h e n der von Jesus gewollten Gemeinschaft und dem alsbaldigen derberen Kirchenwesen, wobei das Derbere von dem „in der Welt sein" kam und kommen mußte. Damit war aber Jesus der großen Idee des A l t e n B u n d e s getreu: Gott erwählte ein Volk als s e i n Volk, an diesem seinem Volke handelte Er schaffend, erhaltend, verheißend, gebietend, richtend, strafend, vergebend. J e s u s nun setzte an die Stelle des auserwählten Volkes Israel s e i n e auserwählte Gemeinschaft (ob er dafür nun den Ausdruck 'Εκκλησία in aramäischer Entsprechung, also etwa edta, gebraucht hat oder nicht). Und Paulus und die Apostelgeschichte nennen diese Gemeinschaft der Jünger Jesu Εκκλησία. An dieser erwählten Εκκλησία handelt nun (so die Darstellung des N.T.) der Gott und' Vater Jesu Christi und unser Vater zwiefach: a) im Sinn des Α. T., b) im Sinn des Ν. T. Anders ausgedrückt: Gottes Vaterwerk, Schöpferwerk, Helferwerk, Gnadenwerk, Richterund Strafwerk geschieht, w i e im Α. T. an der i s r a e l i t i s c h e n Gemeinde, so a u c h an der auserwählten 'Εκκλησία des Neuen Bundes — aber d a z u k o m m t nun das n e u e g r o ß e W e r k G o t t e s , n ä m l i c h d i e T a t e n G o t t e s i n J e s u s C h r i s t u s , und d i e s e s neue große Werk Gottes geschieht n u r an der Gemeinde Jesu Christif Gerade das also, wozu Jesus vom Vater in die Welt getan wurdel Gerade das also, weshalb man C h r i s t istl f e n d t , Homiletik 1

2

Proleg-omena

Freilich halten die neutestamentlichen . Schriften daran fest, daß auch im A.T. schon e i n z e l n e L i c h t e r a u f s c h i m m e r n , w e l c h e auf d e n z u k ü n f t i g e n W e g G o t t e s mit J e s u s C h r i s t u s h i n w e i s e n . Es kann ja gar nicht anders sein, da für das N.T. d e r s e l b e G o t t im A.T. und im N.T. verherrlicht wird. Man muß sich einmal ganz diesem wahrhaft majestätischen Gedanken hingeben, den wir allzu gewohnt sind, und der doch Berge versetzt. Also im A.T. schon ein Schirumer von dem großen neuen Werk Gottes in Jesus Christus! Aber wie in der Kirche Jesu der Deus invictus Sol der Gestalt unseres Heilandes einfach zum Mantel gegeben wurde, so wurden auch alle jene a l t t e s t a m e n t l i c h e n Lichter in das Licht vom ewigen Licht, Jesus Christus, eingesammelt, als das N e u e völlig gekommen war. Wenn die Sonne aufgeht, erbleichen die Sterne. Das neue große Werk Gottes in Jesus Christus schaut aber das N.T. als den siegreichen Kampf Gottes gegen das Reich Satans, und zwar Gottes in Jesu Gestalt, Wundern, Lehren, Leiden und im Triumphieren Jesu — der „Kommende" ist gekommen, Gott hat ihn gebracht; nun beginnt der Entscheidungskampf. Jesus aber nannte das N e u e , das Wirken Gottes in Jesus Christus an den Jesusjüngern: d a s R e i c h G o t t e s . Davon, vom Reiche Gottes, hatten auch die Leute des A.T. schon ein Wesen gemacht, aber sie hatten es zu stark mit einem Triumph des auserwählten israelitischen Volkes auf Erden über seine Gegner und alle Völker auf Erden gleichgesetzt. Eine solche Erwartung enttäuscht aber immer. Nun, d u r c h J e s u s , war die völlige Klarheit gekommen: das Reich Gottes war und ist eindeutig d a s n e u e W i r k e n G o t t e s i n J e s u s C h r i s t u s a n d e r G e m e i n s c h a f t d e r J ü n g e r J e s u . Ein n e u e s W i r k e n gegenüber dem Wirken Gottes im Alten Bund, ohne daß doch dieses „ a l t e " W i r k e n Gottes im Neuen Bund aufgehört hätte. Und zwar ging der Blick Jesu v o r z ü g l i c h auf jene Etappe des neuen Gotteswirkens, die an ihm selbst ,und durch ihn selbst in seinen Erdentagen und in seiner ersten Verherrlichung geschah — und auf jene Etappe, die einst geschehen wird am Tage seiner Parusie. D a n e b e n aber ging der Blick Jesu doch auf j e n e E t a p p e des neuen Gotteswirkens, welche die Zwischenzeit zwischen den Erdentagen Jesu' und der Parusie ausfüllt — aber freilich viel weniger nachdrücklich als auf die beiden andern Etappen. Das kam davon, daß Jesus mit den beiden genannten Entscheidungsetappen persönlich eins ist, während er für die Zwischenzeit-Etappe im Hl. Geiste wirkt. Der Blick auf die Zwischenzeit-Etappe wurde erst nachher nachdrücklich, ja oft ausschließlich, als nach dem Gotteswillen die Zwischenzeit zwischen den Erdentagen Jesu und der Parusie mächtig in die Länge schoß.

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Kirche und Welt

Um nun den Gesichtspunkten Jesu möglichst getreu zu bleiben, haben wir uns daran gewöhnt, expresse „Reich Gottes" die neuen Taten Gottes an Christus und durch Christus in den Erdentagen Jesu und in der Parusie zu nennen, hingegen das Wirken Gottes in Christo und durch Christus im Hl. Geist in der Zwischenzeit-Etappe: 'Eie Verkündigung des Evangeliums und die Spendung der Sakramente, nämlich Empfang des Evangeliums und der Sakramente, und das hieraus hervorgehende, „lebendige, heilige und Gott wohlgefällige Opfer" von Rom 12,1, und der Gotteskampf I Cor 1,18—25. Und zwar wird das Evangelium gehört und das Sakrament empfangen' schlechthin in der Gemeinschaft der Kirche; es handelt sich keineswegs um ein individuelles Lesen des Evangeliums (das an seinem Orte ausgezeichnet ist) oder um eine Selbstspendung der Sakramente. Auf die 'EKKXricria wirkt Gott in seinem Reichgotteswirken (I Cor 12). Als 'EKKXricria empfangen wir dieses .Reichgotteswirken Gottes jetzt schon, in den Zwischenzeiten zwischen den Erdentagen Jesu und der Parusie. Verkündigung und Hören, Spendung und Empfang, und Gehorsam der Tat — das macht das „Drinnen-Sein in der Kirche" aus. Das widerspricht nun der landläufigen Ansicht und dem landläufigen Betragen in der durchschnittlichem Christenheit völlig. Hier herrscht die Vorliebe für „die passive Mitgliedschaft" mit etlichen Unterbrechungen der Passivität. Gewiß kann man nicht ununterbrochen hören und empfangen, wie man nicht ununterbrochen verkündigen und spenden kann, und ein Gesetz für die Häufigkeit des Hörens und Empfangens besteht in der Reformationskirche nicht. Jedoch soviel ist, klar: O h n e Hören und Empfangen' gibt es keine Zugehörigkeit zur Kirche, kein „Drinnen-Sein in der Kirche". Daraus ziehe ein jeder die Lebens-Konsequenzen. Zuerst muß das a k t u e l l e „Kirche-Sein" durch Wort und Sakrament bestehen, erst dann darf man sich des p o t e n t i e l l e n „KircheSeins" auch a u ß e r h a l b der Versammlung freuen. Die R e f o r m a t i o n mit ihrer Sicherung des „Kirche-Seins" nun gerade durch Wort und Sakrament v e r l a n g t schlechthin das H ö r e n des W o r t e s u n d d e n E m p f a n g d e s S a k r a m e n t e s für die Kirchengliedschaft — Kirche sind die Hörer und Empfänger — Christen sind Leute des Hörens und Empfangens. Aber schon im N. T. sind Christen Männer und Frauen der „ V e r s a m m l u n g im Namen Jesu" (Mt 18, 20; Apg. 2, 46). Und die Versammlung der Christen ist d a d u r c h eine „Versammlung im Namen Jesu", daß in der Versammlung das Evangelium' verkündigt, gehört, das Sakrament gespendet und empfangen, daß gebetet, gesungen, gelesen,

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Proleg'omena

bekannt wird — Wort und Sakrament und die Antwort darauf (cf. I Cor 14; ev ¿KKXriaia 14,19; ericv cruveXöq r) ¿KK\r|ffia öXn erri tö auxö 14,23; eav cruvepxriö'öe 14,26; cruvepxoijevujv ouv uuujv I Cor 11,20 ff.). Alle diese Akte kreisen um das von Jesus Christus verkündigte, in ihm und durch ihn von Gott gewirkte Reich Gottes; entweder verkündigen sie das Reich Gottes, oder sie spenden es in Wort und Sakrament Jesu Christi, oder sie beten um das Reich, danken dafür, bekennen sich zum Herrn des Reiches und zum Reich Gottes und dessen Forderungen, oder sie wahren die Pforten des Reiches, oder sie dienen der Sehnsucht nach der Parusie. S o ist die Versammlung der Christen dadurch „im Namen Jesu", daß sie sich dem Reichgotteswirken Gottes darbietet, das uns Jesus verkündigt und gebracht hat. Die „Versammlung im Namen Jesu" entspricht also ganz dem Königswort Jesu Mc 1,15: „Die Zeit ist erfüllt, herangekommen ist das Reich Gottes, ändert den Sinn und glaubet an die frohe Botschaft" (nämlich: daß das Reich herangekommen ist!). 4. Die Verkündigung als Grundlage G r u n d l e g e n d aber in der Kirche war und ist und wird sein die y e r k ü n d i g u n g , nämlich die Verkündigung des in Jesus herangekommenen Reiches Gottes, des in Jesus von Gott begonnenen und immer fortgesetzten Reichgotteswirkens Gottes. Daß die V e r k ü n d i g u n g grundlegend ist, und n i c h t u n s e r e Tat, das kommt davon: das Reich Gottes wird von G o t t getan, ist G o t t e s Tat in Christo; u n s e r e Tat aber beginnt erst, wenn das vor sich gehende Reichgotteswirken Gottes u n s k u n d g e t a n ist, und wenn a u s dem Reichgotteswirken Gottes a n der Kirche h e r a u s wir selbst v o n G o t t erfaßt und aktiviert wurden. D i e s e s Erfaßtwerden von Gott und Aktiviertwerden durch Gott kommt uns aber wiederum d u r c h d i e V e r k ü n d i g u n g der tatsächlichen Aktivität Gottes in Christo und im Hl. Geist. Und die Spendung durch das Wort der Verkündigung wird nochmals (zum zweitenmal) konkretisiert durch die Spendung in den S a k r a m e n t e n , weshalb die lutherische Kirche das Sakrament im W o r t e G o t t e s e i n g e o r d n e t hat. Himmel und Hölle scheiden sich also daran, ob man statuiert: „Im Anfang war das Wort" (nämlich: Gottes!) — oder: „Im Apfang war die Tat" (nämlich: des Menschen!). Daraus folgt keine Rangordnung von Wort und Tat in der Kirche, sondern eine Kausalordnung — und wer sollte die causa sein als Gottes Wirken? Also verkündigt das doch! Das Weitere folgt dann. Ein Blick auf Jesus dürfte diese Sachlage verdeutlichen. W e n n man sagt: „Jesus b e l e h r t e die Leute über das Reich Gottes" — so ist das gewiß richtig. Aber es ist nicht alles. Man muß nämlich beachten: Jesus belehrte die Leute nicht über Mögliches, das noch

Der Hintergrund des Primates des Wortes

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nicht Wirklichkeit ist — oder gar bloß über Denkbares, das überhaupt nicht Wirklichkeit wird —, sondern Jesus belehrte die Leute über T a t s ä c h l i c h - V o r s i c h g e h e n d e s , nämlich über das von Gott speziell in Jesus Begonnene und in unablässigen Gang Gesetzte, über das aktive Reichgotteswirken Gottes! Jesu Lehre war also im vollen Umfang Botschaft im Sinn von Lc 4, 18. Die Botschaft Jesu ging auf W i r k l i c h e s , welches d a m a l s , n a c h h e r u n d h e u t e Wirkliches ist, aber nicht gekannt wurde und darum erst verkündigt werden mußte, heute nicht gekannt wird, und darum erst verkündigt werden muß! Also: der Durchbruch der Reichgottestätigkeit Gottes in der Verkündigung Jesu! Darum war aber Jesu Verkündigung, Jesu „Wort" nichts anderes als T a t G o t t e s i m r e i n s t e n S i n n , und das z w i e f a c h : nicht bloß g o 11 wirkendes g e w i r k t e s Wort, sondern zugleich G o t t e s W o r t , Gottes reichgotteswirkendes Wort! Und das gilt nun im entsprechenden Sinn auch v o n d e r h e u t i g e n V e r k ü n d i g u n g , w e l c h e d i e K i r c h e t u t . Die Kirche besteht in Kraft der reichgotteswirkenden Taten Gottes in Christo und im Hl. Geist — und die V e r k ü n d i g u n g der Kirche als der Kirche Gottes und Jesu Christi ist w e s e n t l i c h e Botschaft von der immerfort vor sich gehenden Reichgotteswirksamkeit Gottes. Also ist auch sie: 'Durchbruch der Reichgottestätigkeit Gottes in Form der Verkündigung davon! Und wer dieses „Wort" h ö r t , der hört von dieser tatsächlich vorhandenen und vor sich gehenden Wirksamkeit Gottes und gibt sich ihr hin, weil Gott ihn durch die Verkündigung der Kirche „zieht". Darin ist der Primat des W o r t e s in der Kirche, der Primat der Verkündigung, begründet. Wenn H e l m u t h S c h r e i n e r , Die Verkündigung des Wortes Gottes, 2. Auflage 1936, g e g e n den Primat der Worüverkündigiung in der Kirche auftritt, so geht das nicht gegen das von uns Statuierte. Denin Schreiner wendet sich gegen die Leute, welche die Wortverkündiguing, das Ktipuwa, von der Tat (biaKovia) t r e n n e n . U n s e r e „Folge-Ordnung" will zur Tat führen! »durch Verkündigung der Gottestat aktivieren!

5. Der H i n t e r g r u n d des Primates des Wortes Im Hintergrund steht groß und zwingend die Tatsache, daß das Johannes-Evangelium, da es Jesu Bedeutung und Wirksamkeit in eines zusammenfassen wollte, und zwar Jesu Bedeutung und Wirksamkeit von Gott her, Jesus als den Fleisch gewordenen Logos Gottes bezeichnete. Ueber die religionsgeschichtlichen Spuren dieser Bezeichnung herrscht immerhin Streit — aber über den theologischen Gehalt dieser Bezeichnung ist alles einig: des ewigen Gottes göttliches Leben ist kraft seiner ewigen Aktivität von Ewigkeit her Licht, Wahrheit, innerliches Wort, und durch dies ewige Wort ist Gott wiederum aktiv nach außen, weshalb A.T. (I Mos 1) und N.T. (Hebr

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Prolegiomena

1,2 und 3; Jo 1,3; Kol 1,15 ff.) die Weltschöpfung auf den Logos Gottes zurückführen, und das N.T. bei Johannes (cf. Jo 1,14) anbetend lobsingt: „Der Logos Gottes wurde Mensch, und Jesus war dieser Gottmensch". Und weil Jesus dieser Logos Gottes war, darum wirkte er in den Menschen Licht und Wahrheit und das Leben der Gottessohnschaft — und wirkte es als „Wort". Gott wirkt durch den ewigen Logos, und der ewige Logos Gottes wirkt in Jesus, und Jesus, der Fleisch gewordene Logos Gottes, wirkt Gottes Taten durch das Wort — die heilige Kirche aber wirkt Jesu Werk weiter durch Jesu Wort vom Reichgotteswirken Gottes, und dieses Gotteswirken ist seit Jesus Tatsache, wirklich Leben, Licht, Wahrheit, Gottessohnschaft der Menschen. Indem aber nach dem N.T. der Hl. Geist es ist, welcher die wirksame »Gegenwart des Vaters und des Logos in der heiligen Kirche darstellt, steht im ewigen Hintergrund der k i r c h l i c h e n V e r k ü n d i g u n g die Trinität selbst — so wie es Mittelalterliche, z. B. Bonaventura, sahen. Damit erst wird der Primat des Wortes in der Kirche Jesu Christi voll umschrieben. 6. Der V o r d e r g r u n d für den Primat des Wortes Das ist der ewige Hintergrund. Aber im V o r d e r g r u n d bleibt bestimmend der Wandel Jesu auf Erden: Jesus verkündigte das herangekommene Reich Gottes — und er wußte, durch diese Verkündigung wirkt der ewige Vater seine Reichgottestätigkeit, den Sieg über Satans Reich — durch Jesu Verkündigung „zieht" der ewige Vater die Hörer der Verkündigung (oder auch: er „richtet" sie). Auch Paulus, ebenso a l l e Verkündiger des Reiches Gottes, welche uns im N.T. entgegentreten, sind der lieberzeugung: durch Jesu Wort wirkte, der ewige Vater seine Reichgottestätigkeit — so wirkt der ewige Vater dieselbe Reichgottestätigkeit auch durch die Verkündigung der Apostel und Apostelschüler, wenn nur diese Verkündigung die unbeschädigte Verkündigung Jesu ist, und wenn diese Verkündigung in der heiligen Kirche oder zum Zwecke des Aufbaus von Gemeinden geschieht. Da die heilige Kirche bis auf den heutigen Tag besteht, so ist der Schluß bündig: Auch durch die heutige Verkündigung der heiligen Kirche wirkt der ewige Vater seine Reichgottestätigkeit — wenn die kirchliche Verkündigung die unbeschädigte Verkündigung Jesu ist und in der heiligen Kirche oder zum Zwecke des Aufbaues von Gemeinden geschieht. Zu Jesu Wandel auf Erden gehörte auch das Wunder, gehörten auch die Wunder. Jesu. Sie begleiteten jene Verkündigung Jesu als Anzeichen dafür, daß das Reich Gottes wirklich herangekommen war und daß es in Jesus herangekommen war, für die Menschen. Die Wunder Jesu waren Taten der Reichgottes-büva|iii; Jesu im Kampf gegen Satans Reich. In Parallele hiezu begleiteten und begleiten die Verkündigung der heiligen Kirche die Sakramente, auch sie sind

Gottos Wort auf Erden heute

9-

Anzeichen, daß die Reichgottestätigkeit Gottes nun Wirklichkeit geworden ist gerade in Jesus bis heute und auf immer. Gewiß ist ein Unterschied zwischen dem Wunder Jesu und dem Sakrament der heiligen Kirche. Aber "wie die Wunder Jesu hervorgingen aus der herangekommenen Reichgotteswirksamkeit Gottes, so gehen die Sakramente der heiligen Kirche aus derselben Reichgotteswirksamkeit Gottes hervor, welche immerdar in Christo und im Hl. Geist in der heiligen Kirche geschieht. Wie das Wunder, so ist auch das Sakrament der heiligen Kirche ein Vorstoß der Reichgottestätigkeit Gottes in Christo und im Hl. Geist gegen Satans Reich. Daß im Sakrament neben dem Worte und der Reichgottestätigkeit Gottes auch ein Symbol dieser Reichgottestätigkeit Gottes vorhanden ist, das darf nicht den Blick verwirren — dieses Symbol verkündigt und ist Zeichen. Was verkündigt das Symbol? Wessen Zeichen ist es? Antwort: die reale Reichgottestätigkeit Gottes, geschehend im Sakrament, ist es, was verkündigt und angezeigt wird durch das Symbol. (Also durch den Wassergebrauch bei der Taufe, durch die Brot- und Wein-Handlung beim heiligen Abendmahl.) Beim Wunder Jesu war ein solches Symbol in der Regel nicht dabei. Aber das ist beider», dem Wunder wie dem Sakrament, gleich: Sakramente sind nicht bloß Zeichen, sondern Anzeichen, nämlich Anzeichen der wirklich geschehenden, hic et nunc, und zwar per verbum et elementum geschehenden Reichgottes ätigkeit Gottes — die Wunder Jesu sind schlechtweg Anzeichen der herangekommenen Reichgotteswirksamkeit Gottes, und zwar der in J e s u s herangekommenen Reichgotteswirksamkeit Gottes. lieber das Symbol im Sakrament vgl. G . S ö h n g - e n , Symbol1 und' Wirklichkeit im Kultmysterdum, 2. Aufl. 1940. — lieber die Wunder Jesu liest man mit größtem Nutzen R u d o l p h O t t o , Reich Gattes und Mensch ensohm, 2. Auflage 1940, und G e r h a r d 1 D e l l i n g , Jesu Wunder in ¡dler Predigt zumal der altem Evangelien, Dresden, o.. J. (lAuch H e I m u ' t h S c h r e i n e r s übergemannte Homiletik bringt wichtige ¡Beiträge zur Wundierfrage.) '

7. Gottes Wort auf Erden heute Es gibt also tatsächlich auf Erden bis auf den heutigen Tag — W o r t G o t t e s im nachdrücklichen Sinn, e i g e n t l i c h e s Wort Gottes (und die Sakramente gehören auch dazu). Und das insofern,, als die Reichgotteswirksamkeit Gottes, welche einst in Jesus begann und dereinst in der Parusie triumphal vollendet werden wird, auch» jetzt, „in des Glaubens Zwischenzeiten", im eigentlichen Sinn fortgesetzt wird von Gott selbst. Und Gott setzt diese Reichgotteswirksamkeit in Christo und im Hl. Geiste nun gerade an der heiligen Kirchefort, nämlich durch die Wesenstätigkeiten der Kirche: da sie die Verkündigung Jesu vom Gekommensein des Reiches Gottes fortsetzt

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Prolegomena

und die Sakramente Jesu spendet. In Wort und Sakrament der Kirche b r i c h t die Reichgottestätigkeit Gottes durch. Damit ist diese Verkündigung (mit den Sakramenten zusammen) wirklich und wahrhaftig Wort Gottes. Wort v o n d e r wirklichen Aktivität Gottes und Wort i n d e r wirklichen Aktivität Gottes. Aber wohlverstanden: I. Diese Verkündigung der Kirche (und diese Spendung der Sakramente) muß ohne Mehrung und Minderung und Veränderung die echte Verkündigung Jesu vom gekommenen Reiche Gottes sein; II. diese Verkündigung muß in der heiligen Kirche geschehen, und sie muß für die bestehende heilige Kirche oder deren Aufbau ( = Missionsverkündigung) vor sich gehen. Das unter I. Gesagte bedeutet die K i r c h l i c h k e i t der Verkündigung (also: Sendung der Verkündiger durch die heilige Kirche, Erleuchtung der Verkündiger durch das Bekenntnis der heiligen Kirche, anderseits die Gemeindemäßigkeit (anderseits: den Missionscharakter der Verkündigung). Wir können I. die linea biblica, II. die linea ecclesiastica nennen; mit diesen beiden lineae sind dann nur die Bedingungen angegeben, unter welchen die Verkündigung der heiligen Kirche nicht bloß Wort der Kirche, sondern Wort G o t t e s ist — wenn es Gott so gefällt. Aber es h a t ja Gott so gefallen, es g i b t Wort Gottes auf Erden im eigentlichen Sinn. Auch für d i e s e Tatsache: „Es g i b t Wort Gottes auf Erden im eigentlichen Sinn" •— bildet den großen H i n t e r g r u n d das, was Jo 1,14 anbetet: w e i l Gott den Fleisch gewordenen Logos gab, gibt es auch ein echtes Wort Gottes auf Erden, in der heiligen Kirche. Nämlich: der Logos Gottes wurde Fleisch und wurde das echte Wort Gottes auf Erden, weil G o t t seine Reichgottestätigkeit göttlich und menschlich zugleich tat und tut — für uns. Zu d e n zwei lineae vgl. die vier „relativen Sicherungen," bei T r i '11 ~ h a a s W o l f g a n g Evangelische Predigtlehne 2. erweiterte A u f l a g e 1036 'S. 42: (Bibel — kirchliches Bekeninitnis — Amtspflicht — theologische Bildung^

8. Bibel; Predigt, Katechese als Wort Gottes Wenn die Bibel Wort Gottes genannt wird, oder auch die Predigt und Katechese (Christenlehre), so ist das gewiß richtig, aber man muß auch hier die Reichgotteswirksamkeit Gottes sehen können. Wie das N e u e T e s t a m e n t geworden ist, wissen wir ziemlich genau: dadurch, daß bestimmte Schriften in der „Versammlung im Namen Jesu" vorgelesen zu werden pflegten, wurden sie N.T., also Bibel. Diese Schriften aber wurden in der „Versammlung der Christen im Namen Jesu" deshalb vorgelesen, weil in ihnen die Verkündigung Jesu vom Gekommensein des Reiches Gottes oder die Verkündigung der Apostel und Apostelschüler vom Gekommensein des Reiches Gottes in Jesus so nachdrücklich getan wurde, daß so Vorleser als

Bibel, Predigt, Katechese als Wort Gottes

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Hörer den Heiligen Geist des Vaters und .des Sohnes darin spürten. Wie das A l t e T e s t a m e n t geworden ist, darüber sind wir in der Hauptsache ebenso klar: es waren die Gründungs- und Führungsschriften des Volkes Gottes im Alten Bund — es entstand um 200 der Kanon dieser Schriften —, sie wurden die Vorlesungsschriften in der Synagoge (hauptsächlich Gesetze und Propheten) — und so Vorleser als Hörer des A.T. spürten im Synagogengottesdienst aus diesen Schriften die Leitung durch Gott selbst." Im Neuen Bund hatte das A.T. nochmals eine besondere Rolle: was im A.T. an Verheißungen, Vorbildern und Ereignissen auf den großen „Kommenden" hin bereitlag, das wurde von den Christen wirklichkeits-energisch auf den „Gekommenen" des Vaters, auf Jesus Christus, bezogen — und also wurde das A.T. für die Christen im neuen Sinn Wort Gottes, Verkündigung des zukünftigen, nun gekommenen, Reichgotteswirkens Gottes in Christo. Daß dabei die im A.T. großartig waltende Natur- und Geschichtsfrömmigkeit auch den Christen, nun gerade auf Grund der in Jesus erfüllten Reichs-Verheißungen, maßgebend blieb, versteht sich gut; wie im lutherischen Katechismus der 1. Artikel, so galt den frühen Christen jene Natur- und Geschichtsfrömmigkeit des A-T. als der Untergrund zum Reichgotteswirken Gottes, also, um in der Art des lutherischen Katechismus zu bleiben, als Untergrund zum 2. und 3. Artikel. Gottes Walten in Natur und Geschichte, besonders im Volk Israel — Gottes Führung auf das künftige Reich hin — das Herangekommensein des Reiches in Jesus Christus — Gottes Reichgotteswirken an der EKK\r|cria — das ist die Bibel, und Vorleser wie Hörer spürten bei der Vorlesung der Bibel: Gott läßt sein tatsächliches Wirken uns kundtun, damit wir hören, glauben, hineingezogen werden' in dieses Wirken Gottes. Er zieht uns s o hinein. So war und ist die Bibel Wort Gottes im echtesten Sinn. Und d a r u m kam man (schon in Israel) auch auf die sogenannte Inspirationslehre, welche eine Theorie ist (über deren Wert man streiten kann) für eine unbestreitbare und eindeutige Wirklichkeit: Vorleser und Hörer der Bibel spürten und spüren den Hl. Geist des Vaters und des Sohnes am Werke, wenn die Bibel die Reichgotteswirksamkeit Gottes von ehemals und heute und dereinst verkündigt — und auch wenn sie die göttliche Herrschaft in Natur und Geschichte nach dem Beispiel der Führung Israels verkündigt. Wer aber den Hl. Geist dabei nicht spürt, der soll nicht leugnen, sondern so 'lange hören und lesen — b i s er ihn spürt. Man hat in diesem Zusammenhang die Bibel primär mit Luther als vorgelesen und gehört, biblia in actu, zu nehmen. Hingegen die Bibel als geschriebenes oder gedrucktes Buch, das bibliothekarisch vorhanden ist, also biblia passiva, bedarf keiner besonderen Betrachtung; schließlich ist ein geschriebenes oder gedrucktes Buch zum Lesen und Hören bestimmt, es gilt so viel, als sein I n h a l t beim Lesen und Hören w i r k t . (Man

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Prolegomena

muß aber befürchten, daß viele Mißverständnisse und Lästerungen der Bibel in der Welt sind, weil man plump an die b i b l i o t h e k a r i s c h vorhandene Bibel als ein Buch unter Büchern anstieß. Mit dieser „Plumpheit" ist aber die Lehre der Orthodoxie von der efficacia n i c h t gemeint, da diese Lehre nicht aus Massivität, sondern aus Akribie entstand; vgl. S c h r e i n e r , H., Die Verkündigung des Wortes Gottes, S. 102—104.) Die P r e d i g t und K a t e c h e s e (Christenlehre) pflegt in der Christenheit gern direkt und ohne Bedingung als Wort Gottes an-' gesprochen zu werden; es bedarf aber der in Nr. 7 genannten linea biblica und. linea ecclesiastic'a, damit die Predigt und die Katechese (Christenlehre) auch tatsächlich Wort Gottes sein kann. Die Predigt und Katechese als Ausübung der kirchlichen Verkündigung der Botschaft Jesu ist bei Einhaltung der in Nr. 7 genannten Voraussetzungen in vordergründiger Weise Wort Gottes. In Predigt und Katechese ist das Wort Gottes allem Volk am nächsten. Predigt und Katechese sind der Strom, die Bibel ist die Quelle des Stromes, und alles, Quelle wie Strom, begibt sich in der heiligen Kirche als fortgesetzte Reichgotteswirksamkeit Gottes in Christo und im Hl. Geist. -Vgl die -katholische Formulierung bei O. C a s e J , Jaihnbuch für Liturgiiewis&en schaff VII (1927) S. 111: Heilig-es „Sakrament" in diesem Sinn ist auch das W o r t der Lehre und Schrift. Der göttliche Logfos nimmt auch hier eine Gestalt an, die zunächst der1 Natur entstammt, aber in die göttliche Offenbarung „aufgenommen" ist, so daß das Lehr- und Schriftwort objektive Kunde von Gott gibt.

9. Die Textgemäßheit der Verkündigung in der Kirche Unter diesen Umständen darf man es nicht rnehr als eine Schwäche, Zurückgebliebenheit, Wirklichkeitsferne, Philologiesucht und dergleichen schelten, sondern muß es als eine ungeheure Stärke, Eröffnung der Ewigkeit, Fülle neuer Wirklichkeit ansehen, wenn die christliche Verkündigung in der Hauptsache und im Wesen die in der Bibel liegenden Indikative und Imperative dartut, also Darlegung, Auslegung und Anwendung des in der Bibel vorhandenen Rufes Gottes ist. Die „ T e x t g e m ä ß h e i t " der christlichen Verkündigung entspricht der Tatsache, daß auf Seiten Gottes der A n r u f jst und auf unserer Seite das H ö r e n u n d d e r G e h o r s a m , und daß so und nur so die Reichgotteswirksamkeit Gottes den Primat behält. Natürlich könnte man sich vorstellen, daß die Reichgotteswirksamkeit von seiten Gottes und so auch der Anruf Gottes an uns alle Morgen und in jedem Falle so neu wäre, daß es keiner Bibel bedürfte. „Gott und die Seele" in direktem Einzelverkehrl Und die Bibel n u r ein B e i s p i e l , w i e Gott d a m a l s auf die einzelnen wirkte, aber heute wirkt er ohne Bibel wieder in jedem Falle ursprünglich und

Die Verkündigung' als Liturgie

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eigens. Jedem Christen seine eigene Spezialoffenbarungi D e n k e n könnte man sich so etwas schon — wenn man nicht auf die tatsächlichen Wege-Gottes achteti Wer aber auf die tatsächlichen Wege Gottes achtet, der erblickt Jesum Christum — und ihn n i c h t als einen bloß damals, für uns aber nur als Beispiel noch, wertvollen Gottesweg, sondern als den E i n z i g e n (Jo 14,6), in welchem Gott sein Reich heranbrachte für damals und für alle Zeiten, wie die Parusie Jesu es unwidersprechlich besiegelt. Ist Jesus Christus aber S i n g u l a r von seinen Erdentagen an bis zur Parusie, so ist die Gemeinschaft mit ihm der einzige Weg in die Reichgotteswirksamkeit Gottes hinein — diese Gemeinschaft mit ihm aber hat heute dieselben Indikative und Imperative, wie sie damals ans Licht kamen und im N.T. clas „ewige Licht" der ganzen Weltzeit sind. Das N.T. aber zieht das A.T. zu sich heran in dem oben beschriebenen Sinn. Die heilige Kirche ist aber die Gemeinschaft mit Jesus im Hl. Geist — und die heilige Kirche wird nicht müde, den „Weg, die Wahrheit und das Leben" dort zu suchen, wo es wahrhaft zu finden ist — beim wirklichen Jesus Christus, dem „Gekommenen" des Vaters. D e n k e n ließe sich alles vielfach anders, aber Gott und Gottes Wege sind nun einmal s o. Und es geht für unsere Existenz in Zeit und Ewigkeit darum, in Gottes Wirksamkeit zu stehen, in des wirklichen Gottes wirklicher Wirksamkeit. Darum die „Textgemäfiheit" der Verkündigung der heiligen Kirche, darum das „Es steht geschrieben". 10. Die Verkündigung als Liturgie Ist so die Verkündigung der heiligen Kirche durchwirkt vom Reichgotteswirken Gottes, dann trägt jede echte Verkündigungsstunde der heiligen Kirche den Charakter des L i t u r g i s c h e n — die Verkündigung der Kirche ist immer liturgisch. Unter „Liturgie" und „liturgisch" befaßt man verschiedene Schichten; aber die tiefste ist doch diese: in der Versammlung der Christen im Namen Jesu handelt G o t t an der t Versammlung — und die Versammlung a n t w o r t e t auf dieses Gotteshandeln mit Wort und Tat — und wegen dieses Gotteshandelns an der Versammlung und dieser Ante wort der Gemeinde nennen wir die Versammlung liturgisch, ihre Einzelakte liturgisch, die Gesamtheit der Akte dieser Versammlung Liturgie. (Ueber den Sprachgebrauch als solchen und die Berechtigung dieses Sprachgebrauches in der Christenheit siehe die Liturgiewissenschaft!) Sagen wir also: Die echte Verkündigung der Kirche ist jedesmal liturgisch, so bedeutet das: Gott handelt durch die Verkündigung an der Gemeinde, und die Gemeinde antwortet auf dieses Gotteshandeln, und wäre diese Antwort auch nur schweigendes Hören, also auch nur ein innerlicher Akt des Gehorsams für das Leben. Ja, man darf

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Prolegomena

noch weitergehen: schon die Verkündigung der Kirche ist ein Antwortakt auf die Tatsache, die uns Jesus Christus kundgetan hat, da& Gott mit seinem Reichgotteswirken am Werke ist. Ist die Verkündigung der Kirche Antwort-Akt auf die Verkündigung Jesu, bzw. auf das von Jesus verkündigte Reichgotteswirken Gottes, so müssen wir die Verkündigung der Kirche einen Antwort-Akt erster Ordnung nennen; denn es kommt ja im Verlauf der Liturgie zum Antwort-Akt der Gemeinde auf die Verkündigung der Kirche, und dieser AntwortAkt der Gemeinde muß dann Antwort-Akt zweiter Ordnung heißen. Dabei soll „erster Ordnung" und „zweiter Ordnung" keinen Rang begründen, sondern nur die Verkündigung der Kirche und die Antwort der Gemeinde unterscheiden und beides wiederum auf die Tat Gottes beziehen. (Es empfiehlt sich aber, die Verkündigung der Kirche schlechthin mit Gottes Reichgottestätigkeit zusammenzunehmen — und „Antwort-Akt" dann Hören und Tun der G e m e i n d e zu nennen.) Schließlich kommt alles darauf hinaus: eine Verkündigung der Kirche, welche nicht liturgisch wäre und sein wollte, müßte absinken und als „Betrieb", „Leistung", „Fach", „Kunde" (Religionskunde) erscheinen oder auch als eine mehr oder minder „erhebende Feier". Damit begönne dann der Einschlupf der Verkündigung in die Höhle der menschlichen Taten, vielleicht Großtaten — und am Ende der „Entwickelung" stünde dann die Frage: „Welchen Nutzen bringt die kirchliche Verkündigung — für „die Ertüchtigung" zur „Kultur"? (Jesus abef hat gefragt: „Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber Schaden litte an seinem Leben"!). Gegen die Kultur und gegen die „Ertüchtigung" zur Kultur ist damit gar nichts gesagt, aber die Verkündigung der Kirche steht anderswo; die Verkündigung dei Kirche ist entweder liturgisch oder sie ist nicht. W O 1 f g. T r i 1"I h a a ® u n t e r s c h e i d e t in seiner Predigtliehre die „ L e h r p r e d i g t " von d e r P r e d i g t , w e l c h e ein R u f e n von G o t t h e r , M a h n e n , W i r k e n , z u m G l a u b e n R u f e n im Sinn h a t ; d a s k a n n m a n w e g e n d e r Technik; a b e r a u c h die „ L e h r p r e d i g t " m u ß liturgisch im oben b e z e i c h n e t e n Sinn sein. Einst h a t v . M o s h e i m , „ A n w e i s u n g erbaulich zu p r e d i g e n ' ed. v. W i n d h e i m 1763, g e s a g t : M a n p r e d i g t bloß, weil die L e u t e nicht i n d e n Religion»•unterricht'zu b r i n g e n sind^ — die P r e d i g t ist kein S t ü c k d e s G o t t e s d i e n s t e s . (Hier ist d a s „ L i t u r g i s c h e " v e r f e h l t )

11. Entfaltung der Liturgie Wo also die echte Verkündigung der Kirche geschieht, da ist jedesmal Liturgie. Nehmen wir z.B. an, es wäre bloß eine halbe Stunde lang nichts als echte Verkündigung; dann hätten wir zu konstatieren: Gott handelt durch sein Wort an uns, aber w i r antworten ihm hier i n n e r l i c h durch Dankgebete, Bittgebete, Bekenntnisse, Gehorsamsakte im Herzen, kurz: wir „hören" die Verkündigung als

Entfaltung- der Liturgie

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im Namen Jesu versammelte Gemeinde. Daraus folgt aber anderseits: die Verkündigung der Kirche, immer liturgisch, immer Liturgie,, verlangt geradezu darnach (man könnte sagen natürlicherweise), daß v o r d e r Verkündigung gebetet und gefleht wird um die Reich gotteswirksamkeit Gottes an uns, daß n a c h der Verkündigung gedankt, gelobt, Bekenntnis abgelegt wird; kurz, die Verkündigung der Kirche, liturgisch in sich, eine Liturgie jedesmal, wo sie auftritt, verlangt nach dem „sichtbaren" Auftreten der Reihe jener Akte, welche „unsichtbar", innerlich, im Herzen, beim echten „Hören" auftreten. Ist Verkündigung der Kirche eine Liturgie, wo immer sie auftritt, d&nn ist ihr „edelgeborenes Gefolge" die Reihe der in der Christenheit herkömmlichen „liturgischen Akte", wobei ein Mehr oder Weniger nichts ausmacht. Aber ist nun dieses „edelgeborene Gefolge" auch eine Liturgie, wenn es allein, ohne die formelle Verkündigung, auftritt? Zweifellos; denn dieses „edelgeborene Gefolge" setzt ja die Reichgotteswirksamkeit Gottes in Christo und im Hl. Geiste voraus, und ebenso die Tatsache, daß uns davon in der heiligen Kirche verkündet wurde und nächstens wieder verkündigt wird! Also diese Akte des Bittens, Lobens, Dankens, Bekennens sind alle auch dann Antwort-Alcte auf Gottes Taten, wenn sie ein oder das andere Mal ohne aktuelle und formelle Verkündigung auftreten. (Aber sie a l l e i n „Liturgie" zu nennen, und die formelle Verkündigung davon abzuspalten, ist ein crimen laesae maiestatis an der formellen Verkündigung.) (Man sage doch: der Predigtteil und der Gebetsteil der Liturgie! Und zwar „Gebetsteil" vom hauptsächlichen Inhalt d i e s e s Teiles her.) Immerhin wird man verstehen, wieso Luther für seine Metten und Vespern doch immer eine, wenn auch noch so kurze, formelle Verkündigung wollte: es sollte die Verkündigung als der eigentliche Grund des Bittens, Dankens, Lobens, Bekerinens fortwährend und zweifelsfrei zu erkennen sein! Daran soll man festhalten. Auch dann, wenn man gar wohl berücksichtigt, daß ja im Bitten, Loben, Danken, Anbeten, Bekennen wiederum eine Menge „Verkündigung" der Reichgotteswirksamkeit Gottes liegt. So wird man schließen dürfen: die fälschlich so genannten „liturgischen" Gottesdienste, also Gottesdienste ohne formelle Verkündigung, sind möglich, weil überragend und alles tragend die formelle Verkündigung in jeder Gemeinde wie in der 'EKK\r|cria überhaupt dauernd vor sich geht. Indem diese „Gottesdienste ohne formelle Verkündigung" aber leise auf die Bahn einmünden, wo die formelle Verkündigung verschwindet, sind sie eine Gefahr — doch diese Gefahr kann vermieden werden durch um so eifrigere Pflege der formellen Verkündigung zu anderer Stunde, und besonders durch Einfügung einer kleinen Kurz-Verkündigung auch in die Metten und Vespern.

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Proleg'omena

Die formelle Verkündigung als solche ist Liturgie — davon erst ist auch ihr „edelgeborenes G e f o l g e " zur Ehre der Liturgie gekommen.

12. Schwierigkeiten der Verkündigung heute E s hat sich die F r a g e erhoben, ob nicht ein Zurücktreten der formellen Verkündigung und ein Ueberhandnehmen der Gefolgsakte dadurch notwendig geworden sei, daß die formelle Verkündigung n a c h fast 2000 J a h r e n sich festgelaufen habe, allzu bekannt und' allzu stereotyp geworden sei. M a n verweist (nun nach 400 J a h r e n des Kampfes gegen die M e s s e ! ) auf die katholische M e s s e , die mehr Teilnehmer um sich versammle als die durchschnittliche Teilnehmerzahl der evangelischen Verkündigung betrage — und dieses Vorwiegen der M e s s e behindere im Katholizismus doch nicht ein rührig e s Verkündigen an allen E c k e n und Enden. Setzen wir einmal voraus, diese Behauptungen hielten einer ernsthaften Kritik stand, so ist zu sagen: die heilige Kirche ist zweifellos in der Lage, das Verhältnis der Anzahl der formellen VerkündigungsGottesdienste zur Anzahl der Gottesdienste ohne formelle Verkündigung oder mit geringer formeller Verkündigung nach ihrer W e i s h e i t (Kaxct tö evaüxr)-rrveuna) neu festzusetzen, und den „ m o d e r n e n " Wüns c h e n so Rechnung zu tragen — und aus dieser Weisheit (nveufia) wird auch die Einzelgemeinde lernen. A b e r die heilige K i r c h e (und die Einzelgemeinde als heilige Kirche) wird auch daran denken, daß bei aller Bekanntheit der Botschaft J e s u doch auch ein 2000jähriges Mißverständnis der Botschaft mit groß geworden ist, daß Verzerrung e n und Verfälschungen der Botschaft aufgetreten sind, daß die ganze „Kultur" mit aller ihrer „Christlichkeit" eigentlich, ja recht eigentlich ein „ N e i n " zur echten Botschaft J e s u geworden ist — und daß darum gerade heutzutage Verkündigung im großen und die Gottesdienste mit formeller Verkündigung im großen eine Notwendigkeit erster Ordnung sein dürften — freilich auch schwieriger und gefährlicher als j e und keine S a c h e für bloße Nachbeter und Dormisecure-Aspiranten. Aber das Schwierige, gerade das Schwierige, lockt Verkündiger und Hörer auf den Plan der Verkündigung von h e u t e : hier ist wirklich etwas zu tun! E s muß ja eine wundervolle S a c h e sein, nun gerade in dieser Zeit, die noch verworrener ist als die L a g e , welche einst J a s p e r s im 1000. Göschenbändchen umschrieb; die Botschaft vom heimlichen Reichgotteswirken Gottes in Christo und im Hl. Geist zu verkündigen und die Einladung ergehen zu lassen: Laßt euch hineinziehen in dieses heimliche Gotteswirkenl W a l t e r : K ü n n e t h schrieb in der „Zeitwende" 1947, Heft 9 dies 18. Jahng'ang's einen Aufsatz: „Flucht vor Gott?", worin er den Säkuliarieituis als die moderne ,Wel't!krainikhert schildert!: „Der heutig'« Mensch ist ein Mensch des • Säkularismus. Diese moderne W-eltkr-anJcheit ist auch heute ¡nach den Katastrophen noch nicht überwunden, sondern da und dort sogar

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Die Verkündigung u n d die Tat

noch gesteigert." „Die Zeit d e s Natiorvalsofeiali-smius ist a u c h in dieser Hinsicht nicht a h n e Wirkung vorübergegangen. W i r müssen d i e biologische Weltdeutung des Nationalsozialismus als eine Spielart des altein Säkulaxismus begreifen, letztlich als einen uniter idealistischen Phrasen getarnten Materialismus. W i r stehen also auch heute noch vor d e r A u f g a b e einer Ueberwkidung dies modernen säkularistischen Denkens. Möglich wäre sie nur durch Rückkehr zum Realiismus des biblischen Menschen." „Die Scheu des heutigen, des sogenannten gebildeten Menschen, es mit der Bibel zu tun zu haben, muß endlich überwunden werden." „ D e r Mensch bekommt von 'Gott die entscheidende F r a g e gestellt). Der Mensch wird von Gott her selbst in F r a g e gestellt." „ U n d d a r u m wird1 alles Fliehen vor Gott zu einer grundsätzlichen Täuschung- über d a s Mensch sein überhaupt.," (Künneth exemplifiziert die Flucht vor Gott an Wiecherts „Die Jeramin-tKinder".) W a l t h e r v o n H o l l a n d e r antwortet auf die Kritik in seinem Auf~ satlz „Theologie u n d Philosophie a m Scheidewege" in d e n „Nordlwestdeutschen H e f t e n " 1947, Heft 1 und 2, S. 35: „ I h r Zweifel a n d e r Kraft von Theologie u n d Philosophie ist auch mein Zweifel. Gerade d a ß weder das Theologische noch das Philosophische eine ä n d e r n d e Macht haben werden, wenn nicht ganz andere Gottesstreiter, ganz andlere Gedankenk ä m p f e r erstehen . . g e r a d e d a s ist meine Meinung . . S i e meinen, diafi die Bereitschaft einer Erkenntnis oder einem Gottesg Lauben zu folgen, in dien heutigen Menschen gering- ist. Ich habe ergreifende Beweise dieser Bereite Schaft gesehen. Die Seelen sind genügend durchgepflügt, die Aecker der Herzen sind geeggt. Bs fehlt nur der Same, den wir streuen können. U n d das zu sagen, ist mein Anliegen. S i e werden nun fragen, ob dieser Same da ist? Aber diese F r a g e kann ich Ihnen nicht beantworten, und kein Mensch kann sie beantworten. W a s also sollen wir tun? Wenigstens sollen die Theologen nicht mehr den längst vertrockneten, mit U n k r a u t versetzten S a m e n ausstreuen. Wenigstens 1 sollen die Philosophen nicht m e h r mit müßigen Spekulationen ihre Zeit verbringen. W e n i g s t e n s sollen säe wissen, d a ß ihre bisherigen Bemühungen höchst ungenügend sind und sie sollen Sich nicht wundern, wenn d'ie Menschen in U n m u t sich von ihnen 'abwenden, die ihnen Steine statt Brot geben, altbackene Gedanken u n d eingefrorene, von keiner Herzenswärme aufgetaute Bibelworte o d e r a n d e r e Zitate, in denen kein Leben mehr steckt." — Ist d a s n u n eine a n d e r e F o r m der „ F l u c h t vor Gott"? Oder ist es echte Bereitschaft, a b e r mit allen Widerhaken der bisherigen Flucht vor Gott? Jedenfalls: die „Schwierigkeit der Verkündigung heute" ist ein Signal dafür, daß Gottes Kampf in Chrisito und im H'l. Geiste gegen dias Satansreich heute in die P h a s e neuer Sammlung der Christusjünger, neuer V e r tiefung, Verschärfung, Erleuchtung und Heiligung getreten ist. Anderseits: das Satansreich kleidet sich in die Religionsmüdiigkeit der Welt, in d a s Suchen nach einer neuen Welttiefe, in die neue W e n d u n g zum ,,Sachlichen", zum „Aussichtsvollen", zum „allein Wertvollen", zum Säkularen u n d Materiellen. (Aber was die Messe ohne formelle V e r k ü n d i g u n g anlangt: Im Schwabenland und darüber hinaus g a b und g i b t es katholische W ü r d e n t r ä g e r , die keine Messe ohne, wenn auch noch so kurze, Predigt vorübergehen ließen und lassen! U n d die Liturgiewissenschaft h a t g e r a d e auf katholischer Seite den Finger darauf gelegt, daß zur Lesung in d e r M e s s e auch d i e Predigt gehört!)

13. Die Verkündigung und die Tat Es geht durch die in Deutschland (und nicht bloß in Deutschland) lebende Christenheit heute der Ruf: „Helft einander — aber lasset Fendt, Homiletik

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Proleg'omena

die Spekulationen!" „Uebet Liebe, keine Mystik!" Diese Einstellung ist schon alt, jetzt aber schwillt sie zu einer Flut an, welche nicht 4>loß jede theologische Arbeit, sondern auch das Werk des Verkündigens als antiquiert hinwegspülen möchte. Man will also bloß den praktischen Nutzen des Christentums (den „Kassen- und Produk'tionswert" des Christentums!), aber nicht mehr das Wesen der EKK\r)cric(, wie das N.T. dieses Wesen sieht, wie es die Theologie herausarbeitet — also nicht das, was man ebenso populär als schief mit „Mystik" zu bezeichnen pflegt. Ein Buch über die Trinität, eine Predigt über die Ließe Gottes zu uns — d i e s e Christen interessiert das kaum noch. Der große Hinweis auf das Reichgotteswirken Gottes auch in der Jetztzeit — sie schütteln den Kopf darüber. Man will also, mit dem Evangelium und mit Luther zu reden, die Früchte des Baumes, aber man will den Baum nicht. Man hackt vielmehr und bohrt an dem Baum herum, bis er zusammenbricht. Nun ist ja die heilige Kirche fest überzeugt, daß auch Gott, daß auch Jesus Christus beim Reichgotteswirken Gottes an der ' EtocXricri« es auf die Früchte absah und absieht, also auf die gegenseitige Liebe und Hilfe, nicht bloß in den Dingen des „täglichen Brotes", sondern ebenso in den Dingen der Lösung, Heilung, "der Heimholung. Die Früchte der EKKXricria müssen in aller Weltnot reifen und nähren. Aber diese Früchte kommen nach Ansicht der heiligen Kirche (und nach der Ansicht Jesu und der Apostel und Apostelschüler) nicht aus der Luft zu uns, sondern eben aus dem Reichgotteswirken Gottes, wie es verkündigt wird und wie es uns aktiviert und „produktiv" macht! Und je mehr einer von dem „Baum" weggeht und nur die Frucht will, desto weniger Frucht empfängt er und desto fürchterlicher droht die Unfruchtbarkeit aller heiligen Oelbäume der Christenheit. Auch wir sind der Meinung, daß heutzutage in der Welt nichts nötiger ist als die Liebe, die helfende Tat, die rettende Gewalt — aber wenn man sie von Christen will, weil sie Christen sind, dann muß die Erlöserliebe Jesu Christi als Vorbild, als Maßstab u n d als überwältigende Urkraft mitten unter alles Volk treten — und das kann nur sein durch Verkündigung und wieder durch Verkündigung, also in Gestalt der 'EKKXricria . Gerade die überwältigende Urkraft der Liebe Christi (die Gnade!) kommt nicht wie von selbst aus u n s e r e r memoria Jesu Christi (z. B. aus Programm-Reden), sondern nur dadurch, daß G o t t eingreift und an uns handelt, was aber in Wort und Sakrament, in der heiligen Kirche, geschieht. Durch Wort und Sakrament wird auch u n s e r e memoria Jesu Christi in das Reichgotteswirken Gottes hineingezogen und auf diese Weise göttlich kräftig gemacht. Anders nicht. Die Dinge Gottes haben i h r e Weise. Darum bleibt es beim Primat der V e r k ü n d i g u n g in der heiligen Kirche — gerade wenn und weil man die „Früchte" will. Und darum bleibt es bei den W e s e n s momenten der 'EKKAricria — gerade

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Die Verkündigung und die Theologie

wenn und weil man die „Früchte" will. (Und darum bleibt es auch bei der Theologie, welche die Kunde von der heiligen Kirche und die Kunde von Jesus Christus und die Kunde vom Vater und dem Heiligen Geiste erarbeitet — aus der Offenbarung, und nicht aus der Vernunft als Quelle.) Wer die „Früchte" will, muß begreifen: der kürzeste Weg ist hier der längste, aber der längste Weg ist hier der kürzeste. Die großen Reformationen der Liebestat, welche Rom 3, 21 ff., welche die Namen Franz von Assisi, Luther, Innere Mission, Caritas bezeichnen: sie alle hegen den „Baum", den heiligen Oelbaum, damit dann die „Frucht" überreich komme; sie können auf die „Frucht" warten, weil sie des heiligen Baumes sicher sind. Darum gilt: die rettende, helfende, dienende Liebestat sei gelobt, aber sie wird erst dann wieder im Großen erwartet werden dürfen, wenn die heilige Kirche, der Baum, gehegt und gestärkt wurde und wird, wie es das N.T. weiß. Das Wesen der heiligen Kirche aber ist Wort und Sakrament, also Verkündigung der großen Taten, welche Gott in Christo einst tat und dereinst tun wird und jetzt in Christo und im Hl. Geiste an der 'Exidriaia tut — Verkündigung des Reiches Gottes. 14. Die Verkündigung und die Theologie Seit K a r l B a r t h hat die Theologie den Weg genommen: nicht hinter die Verkündigung der Kirche zurückzugehen, sondern von der Verkündigung der Kirche auszugehen und diese Verkündigung als Objekt der theologischen Arbeit zu behandeln. Unter „Verkündigung der Kirche" wird aber hier nicht eine beliebige, da und dort in der Kirche nun einmal geschehende Verkündigung verstanden, sondern schlechthin die von Gott der Kirche auferlegte Verkündigung, welche in Jesus Christus und den Aposteln ihren Ursprung, in der Bibel ihre Bezeugung, in der dauernden Jesus-Christus-Botschaft der Kirche ihren Niederschlag hat (und in diese dauernde Botschaftertätigkeit der Kirche gehören die Bekenntnisse der Kirche hinein). Diese Verkündigung der Kirche wird von der Theologie bibel-exegetisch, dogmatisch, historisch und als Inhalt der Praxis behandelt, und zwar mit den Methoden der Geisteswissenschaften, aber unter Ausschluß einer richterlichen Funktion der wissenschaftlichen Arbeit über Inhalte der Verkündigung. Damit ist, auf einer neuen Ebene, nämlich der reformatorischen Ebene, der Standpunkt der Kirchenväter und der Scholastik wieder gewonnen, zwar nicht das Credo, ut intelligam, aber ein Credo biblice, Credo theologice, das heißt: unsere Verkündigung steht nicht auf der Tradition, sondern auf der Bibel; unsere Verkündigung macht sich theologisch ihre biblischen Berechtigungen klar. Die Kirche treibt Theologie (durch die Theologen), damit sie ihre Verkündigung im Lichte der Bibelwirklichkeit tun kann. 2*

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Prolegiomiena

Das scheint nun, von der theologischen Wissenschaft der Vergangenheit aus gesehen, als eine Minderung der wissenschaftlichen Qualitäten der Theologie. Die vergangene Theologie wollte zwar in der Kirche und für die Kirche arbeiten, aber ganz im Auftrage der wissenschaftlichen Provinz. So beanspruchte die vfergangene Theologie (welche man die „kritische" nennt), über die Inhalte der Verkündigung das letzte Wort zu haben. Ein amerikanischer Schriftsteller ( S t a n l e y D e l l , „Wahrheit der Geschichte — Geschichte der Wahrheit"; Die amerikanische Rundschau Mai 1947 [3. Jahrgang] Heft 13 S. 48) hat die Sache auf die (allerdings angreifbare) Formel gebracht: „Diese immense Literatur s t e l l t . . . eine gewaltsame Anstrengung wahrheitliebender Geister (dar), ihrerseits im Lichte der Wissenschaft genau so redlich dahinzuschreiten, wie Luther einst im Lichte des Glaubens gewandelt haben soll." „Nicht Unglaube trieb zu dieser Suche, sondern der Wunsch, den orthodoxen Glauben an Christus abzulösen durch die mehr persönlichen und innerlichen Bande des Verstehens und der Sympathie." „Die meisten dieser Gelehrten waren deutsche Theologen." Aber Dell sieht in ihrer Arbeit „eine lange Agonie im protestantischen Leben". In der Tat ist nichts dabei herausgekommen, als was Dell (unberechtigterweise) eine Entdeckung S a n t a y a n a s (dessen Buch „Die Idee Christi in den Evangelien", 1946, er bespricht) nennt: daß die Evangelien nicht historische Werke, sondern Produkte der Inspiration sind — aber das ist vieU Die ganze kritische Theologie der neuesten Zeit ist auf dieser Erkenntnis aufgebaut — die Leben-Jesu-Welle war bloß ein A b s c h n i t t der kritischen Theologie. Und weil die letzten Phasen der kritischen Theologie auf der Erkenntnis „Glaubensdokumente sind die Evangelien" aufgebaut waren, so kann ihre ganze Arbeit in die heutige Glaubenstheologie eingehen, für die Glaubenstheologie und innerhalb der Glaubenstheologie weiter betrieben werden. Es ist also nicht an dem, daß unsere heutige Glaubenstheologie „unwissenschaftlich" oder „minder wissenschaftlich" zu sein hätte. Um der Bibelwirklichkeit willen, auf welcher die Verkündigung der Kirche ruht, muß jene Arbeit der kritischen Theologie weiter getan werden, nun freilich nicht mehr mit dem Akzent: Entscheidung — sondern mit dem Akzent: Dienst. Aber ist nicht auch auf dem Gebiete des irdischen Lebens Wissenschaft Dienerin dieses Lebens, keineswegs Entscheiderin über das Leben? (Man genehmige diese Analogie.) Die Verkündigung der Kirche .ist Reichgotteswirksamkeit Gottes, ist ewiges Leben aus Gott in Christo und im Hl. Geiste — wie die Verkündigung Jesu, dann die Verkündigung der Apostel, Leben aus Gott in Christo und im Hl. Geiste war, und wie dereinst in der Parusie der Triumph dieses Lebens, dieser Reichgotteswirksamkeit Gottes erscheinen wird. Diese beiden „wie" aber bedeuten die Bibel — und

Die Verkündigung - als Predigt

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die Bibelwirklichkeit erforscht die theologische Wissenschaft. So geschieht die theologische Forschung im Dienste der Verkündigung der Kirche. Und nicht umsonst übergibt die Kirche ihre zukünftigen Verkunder der theologischen Wissenschaft. 15. Die Verkündigung als Predigt Die Verkündigung der in Jesus Christus auf die Erde gekommenen Reichgotteswirksamkeit Gottes hat zwar in der Sprache und in der Rede ihr natürliches Mittel, aber das heißt keineswegs sofort, daß nun gerade unsere heutige Art, die Verkündigung in der Form der Predigt, der Katechese, der Bibelstunde, des seelsorgerlichen Gespräches zu tun für die Verkündigung der Kirche wesensnotwendig ist. Auch jede andere zweckdienliche Form ist für die Verkündigung der Kirche erlaubt und natürlich. Aber eben deswegen auch die Form der Predigt, der Katechese, der Bibelstunde, des seelsorgerlichen Gespräches. Und wenn nun schon die Form der Verkündigung, welche P r e d i g t genannt wird, in der Kirche aufkam und in der Kirche eine große Geschichte hat, so ist nichts dagegen einzuwenden, daß wir Heutigen d i e s e Form, die Predigt, ebenso wichtig nehmen, wie es die kirchliche Vergangenheit tat. (Vorausgesetzt, daß wir d i e s e Form der Verkündigung, die Predigt, nicht isolieren, sondern daneben die Katechese, die Bibelstunde, das seelsorgerliche Gespräch und alle andern etwa vorhandenen und aufkommenden Formen schätzen und üben). Aber schon durch diese Ueberlegung wird klar: auch die Predigt wird soviel wert sein, als ihre Kraft wiegt, die Botschaft vom gekommenen Reichgotteswirken Gottes zu verkündigen. Und die t e c h n i s c h e Vollendung gerade der Form „Predigt" wird die Bahnen gehen müssen, welche die Kraft zu verkündigen so stark als möglich machen. Aber gerade die Aufnahme der Form „Predigt" durch die heilige Kirche und die Ausbildung d i e s e r Form nach allen Richtungen innerhalb der heiligen Kirche weist darauf hin, daß offenbar gerade in dieser Form „Predigt" die heilige Kirche eine besondere Kraft zur Verkündigung der Botschaft Jesu spürte, .und daß die heilige Kirche im Laufe der Zeit dieses Gefühl reichlich bestätigt fand. Die Eigentümlichkeit der Form „Predigt" besteht nun gerade darin, daß hier die Verkündigung der Botschaft Jesu i n d e r A r t der öffentlichen Rede, also i n d e r A r t Her großen Redner der Welt, geschieht. Es muß.demnach für die Verkündigung der Botschaft Jesu eine besondere Kraft doch gerade in der r e d n e r i s c h e n Ausbildung, im Rhetorischen, liegen. Wiederum kann die Verkündigung der Botschaft Jesu nicht einfach und schlechthin öffentliche Rede, rhetorische Leistung sein, sonst hätte die heilige Kirche nicht gerade d i e P r e d i g t - F o r m ausgebildet, sondern es gleich bei

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Proleg'omena

der ö f f e n t l i c h e n R e d e in Angelegenheiten der Botschaft Jesu belassen. Jedenfalls setzt aber die Form „Predigt" eine große Zuhörerschaft voraus. Sind der Zuhörer wenige, so wird die Form „Predigt" unpassend, und man hat statt dessen die Form „Katechese" oder „Bibelstunde" oder „Seelsorgerliches Gespräch" zu wählen. Da aber die Gemeinde sich in der „Versammlung im Namen Jesu" darstellt, die aktuelle Versammlung also für die 'ExxXricria grundlegend ist, unsere Gemeinden aber zahlreiche Mitglieder haben, so rechnet die Kirche mit e i n e r g r o ß e n Z u h ö r e r s c h a f t . Und so ist die „Predigt" die eigentliche Form der Verkündigung der Botschaft Jesu in der Gemeinde. Und wo in einer Gemeinde die Form „Predigt" wegen mangelnder Zuhörerschaft nicht mehr recht möglich ist, da ist auch die Gemeinde als solche nicht mehr in Ordnung, sondern in Unordnung und Auflösung begriffen. So wird die Predigt, ohne daß ihre Form einfach als der Botschaft Jesu w e s e n t l i c h zu gelten hätte, doch zum Panier der'ExKXriaial 16. Die Lehre von der Predigt, „Homiletik" Die Theorie der Predigt, nämlich die t h e o l o g i s c h e Theorie der Predigt, also die Theologie der Predigt, heißt seit dem 17. Jahrhundert „Homiletik". (Vgl. G o e b e 1, Methodologia homiletica, Leipzig, 1672, und B a i e r , Theologia homiletica, Jena, 1677.) Mit der Unterscheidung zwischen „Homilie" und „Themapredigt" hat das nichts zu tun, sondern nur mit ö|ui\elv im Sinn von Predigen. Im Mittelalter sprach man von der Sache als der Ars praedicandi oder concionandi, Ars praedicatoria. M e l a n c h t h o n hat sein Buch De officiis concionatoris betitelt, 1535. A n d r e a s H y p e r i u s das seine: De formandis concionibus sacris, 1553. A e g i d i u s H u n n i u s gab dem seinen den Titel Methodus concionandi 1596. Aber auch nach dem Aufkommen des Namens „Homiletik" nannte v. M o s h e i m seine „Homiletik" „Anweisung, erbaulich zu predigen", 1763 (ed. v . W i n d h e i m ) . Und im 19. Jahrhundert spielte man mit der Möglichkeit, statt Homiletik zu sagen: Keryktik, ja sogar Halieutik. Es blieb und bleibt aber bei „Homiletik", wenn auch die neuesten „Homiletiker" ihre Bücher z u n ä c h s t mit einem deutschen Namen einführen, wie H e l m u t h S c h r e i n e r : „Die Verkündigung des Wortes. Homiletik"; und W o l f g a n g T r i l l h a a s überhaupt sagt: Evangelische Predigtlehre"; O t t o H a e n d l e r aber den Titel wählt „Die Predigt". Das Hauptfaktum der „Homiletik" ist die Befreiung der Predigtlehre von der H e r r s c h a f t der Rhetorik ( n i c h t : von der Rhe-

Die Lehre von der Predigt „Homiletik"

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torik überhaupt). Seit A u g u s t i n s Buch De doctrina christiana war die Homiletik ein Teil der abendländischen „Rhetorik", die über C i c e f O und Q u i n t i 1 i a n in der Kirchenväterzeit eingezogen war. Der erste Versuch, diese Herrschaft der Rhetorik zu brechen, wurde aber erst von A n d r e a s H y p e r i u s (1553) unternommen, der an die Stelle der rhetorischen Kategorien der Antike nun evangelischbiblische Kategorien setzen wollte, und zwar aus II Tim 3,16 und Rm 15,4. Andere Versuche zur Brechung der rhetorischen Herrschaft gingen aus von L o r e n z v. M o s h e i m (1763 gedruckt) und F r i e d r i c h S c h l e i e r m a c h e r . Aber erst die Theologie der sogenannten Luther-Renaissance und die sogenannte dialektische Theologie hatten eine saubere Trennung von Homiletik und Rhetorik zur Folge. Je mehr nämlich die Predigt auf den biblischen Inhalt hingezwungen wurde und je mehr die rhetorischen Elemente einer Predigt an den Rand gedrängt wurden, desto selbstverständlicher wurde es, daß die Homiletik als Lehre von der Predigt nicht eine Unterabteilung der Rhetorik sei (etwa Rhetorica sacra oder ecclesiastica!), sondern selbständige Theorie der Predigt. Die neuen Werke ( S c h r e i n e r , T r i l l h a a s , H a e n d l e r ) sind alle in diesem Sinn geschrieben. Seitdem beschäftigt sich die Homiletik primo loco mit dem Inhalt der Predigt als einer biblischen Verkündigung und erst nachher mit dem Formalen; und zu diesem Formalen gehört nach wie vorher immer auch Rhetorisches. Ii eiber die antike Rhetorik siehe den, nächsten Abschnitt. Ueber die mittelalterliche Homiletik bis zur Reformation findet man eine gute Einführung' in C. K r i e g , Homiletik, 1915. Hier seien hauptsächlich die Namen der betreffenden Werke genannt nebst den Namen ihrer Verfaissier. R h a b a n u s M a u r u s (f 856) legte seine Homiletik nieder in der Schrift De institutione clericoruin (Migne P.L. 107); er rühmt sich, ganz in den Spurein der Väter zu gehen (Cyprian, Hilarius, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus, Gnegoniius, Gassiodor u. a. hat er .ausgeschrieben). — G u i b e r t v. N o g e n , t s (f 1124): Quo ordine sermo fieri debeat (M'ign.e P.L. 156)i. Er will die alten Stoffe, aber in immer neuer Gestalt! — A l a n u s a b I n s u 1' i s (12. Jahrhundert): Summa de arte praedicatoria (Migne, P.L. 210), Wichtige Beispielsammlaing. — H u m b e r t d e R o m a n i s ("f 1277): De eruditione praedicatorum. — P s e u d o - B o n a V e n t u r a {aber die Sache ist von Bonaventura, 13. Jahrhdt): De arte concionandi. — J o h a n n e s ' B r o m y a r d '(14. Jahrhdt.):: Summa praedicatorum. — P s e u d o - T h o m a i s (14. Jahrhdt.): De arte praedicatoria. — P s e u d o - H e i n r i c h v o n L a n g e n s t e i n (14/Jahrhdt.): De arte praedicandi. — J o h. R e u c h Ii i n, (1503): Liber congestOTum de arte praedicandi. — H i e r o n y m u s v o n D l l i n g e r s h e i m (1514): Tractatus de modo discenid'i et docendi. — U l r i c h S u r g a n t (1503): Manuale curatorum. — E r a s m u s v o n R o t t e T d a mi (1535): Ecclesiastes seu de ratione concionandi. — Ueber die evangelischen Homiletiker des 16. bis 19. Jahrhunderts siehe RGG 2 Art. Homiletik.

B. Systematik der Predigt 1. Das genus „Predigt" Als die kirchliche Verkündigung des Reiches Gottes- anfing, für ihren Zweck die A r t d e r ö f f e n t l i c h e n R e d n e r zu benützen, da wurde allmählich aus der kirchlichen Verkündigung die k i r c h l i c h e P r e d i g t. So schließt die Größe „Predigt" zweierlei in sich: a) die Wirksamkeit d e s k i r c h l i c h e n V e r k ü n d i g e r s d e s R e i c h e s G o t t e s ; b ) d i e Wirksamkeit d e s ö f f e n t l i c h e n Redners. Die Wirksamkeit des k i r c h l i c h e n V e r k ü n d i g e r s des R e i c h e s G o t t e s hatte aber a u c h vorher bestimmte r e d n e r i s c h e Q u a l i t ä t e n , allerdings nicht solche aus der Philosophen-Rhetorik, sondern aus der Bibel- und Volks-Rhetorik. Aus der biblischen Rhetorik nahm die Verkündigung des Reiches Gottes, bevor sie „Predigt" wurde, die Art des Biblisch-Prophetischen einerseits, anderseits die Art des Biblisch-Paränetischen (letzteres können wir das biblisch-katechetische Verfahren nennen, wenn wir nur unter „katechetisch" nicht die spätere Kunstkatechese verstehen!). Aus der Volksrhetorik hatte die Verkündigung des Reiches Gottes in der Kirche die Art der stoisch-kynischen Wanderprediger übernommen, man nennt das die Art der stoisch-kynischen Diatribe. Die biblisch-prophetische Art, wie besonders die biblisch-katechetische Art arbeiteten nicht mit streng-logischer Gedankenfolge, sondern fügten Stück an Stück, wie es ihnen einfiel, oder wie es das Stichwort nahelegte. Man kann für die biblisch-katechetische Art auf den Jakobusbrief, für die biblisch-prophetische Art auf den Hebräerbrief exemplifizieren; für die stoisch-kynische Diatribe im N.T. gibt das Handbuch von Lietzmann überall genaue Hinweise. (Von den antiken Schriftstellern gibt am besten diese Art der Diatribe: S e n e c a in seinen Dialogi). (E. Bickel, Lehrbuch der Geschichte der römischen Literatur, 1937, S. 186 f.). A n d r e a s H y p e r i u s hat in seinem Bueh De formandis concionibus sacris (1. Auflage 1553, 2. Auflage 1562) aus II Tim 3,16 und Rm 15,4 fünf biblische „genera dicendi" (die darum auch der Reichgottesverkündigung in der Kirche angepaßt sind) erschlossen; er fügte diesen 5 genera dicendi noch ein 6. genus bei, das genus mixtum. Die fünf biblischen genera dicendi (also 5 genera b i b l i s c h e r RhetorikI) sind: TÖ YEVOG Ö I Ö A ( T K A \ I K 6 V (genus didacticum) — eX £TXTlK öv

Das genus „Prediget"

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(elenchticum) — eTravopOuuTiKÖv (epanorthoticum) — TraibeirriKÖv (paedeuticum) — TrapaxXriTiKÖv (Rm 1 5 , 4 , paracleticum). Im Deuts c h e n wird man die fünf genera nennen: das b e l e h r e n d e genus — das b e s t r a f e n d e genus — das b e k e h r e n d e genus — das e r z i e h e n d e genus — das T r o s t - genus. Weil aber diese fünf genera Stichworte biblischer Schriftsteller sind und nicht Resultate der Bibelforschung — so bleiben wir besser bei u n s e r e r Einteilung: biblisch-prophetisch und biblisch-katechetisch. Dabei dürfte des Hyperius belehrendes und erziehendes genus zur biblisch-katechetischen • W e i s e gezogen werden, während das bestrafende, bekehrende, tröstende genus mehr zum Prophetisch-Biblischen gehören dürften. In das Luthertum wurden diese genera eingeführt durch A e g i d i u s H u n n i u s im 16. Jahrhdt. und R e b h a n im 17. Jahrhdt. Aber es war nicht dieses Biblisch-Prophetische und Biblisch-Katechetische, was die F o r m „Predigt" schuf, sondern die antike Rhethorik wurde von den Verkündigern des R e i c h e s Gottes zu Hilfe genommen. Diese hatte als genera dicendi den X Ö T O C ( X I T U R O U X E U T I K O G (genus deliberativum, im Rat), den X Ö T O C BIKCTVIKOG (g. iudiciale, vor Gericht) und den Xöyoc; eniheiKTiKÖ? (g. demonstrativum, Lob- und Tafelreden) herausgestellt. Der X. crunßouXeuTiKo«; hat als Zweck das äTaööv, der X. ÖIKOVIKÖC; das biKcnov, und der X. ETTTBFIKTIKÖC das KaXöv Diese drei Arten der R e d e (im Rat, vor Gericht, bei Lob- und Tafelreden) mit ihren drei Zwecken (das Gute — das G e r e c h t e — das S c h ö n e ) beabsichtigten Erregung der Affekte und dadurch Lenkung der S e e l e zu dem vom Redner gewünschten Ziel HyuYaYWYiö, Einwirkung auf die rraGri UJuxrjc )• Davon unterschied man die darlegende Rede, das briXoiiv, die briXiucrn; TUIV ÖVTLUV S o konnte E . H o f f m a n n (1935) die Einteilung schaffen: „kämpfender L o g o s " und „mäeutischer L o g o s " . (Vgl. F r . S o 1 m s e n , Die Entwicklung der aristotelischen Logik und Rhetorik, neue philologische Untersuchungen, herausgegeben von W e r n e r J ä g e r , 4. Heft, 1929.) An sich war die Predigt sowohl Darlegung als Seelenlenkung. Aber es waren der Predigt nicht alle Arten der Seelenlenkung erlaubt. S o übernahm die Kirchenväterpredigt hauptsächlich das fivoq OuiaßouXeuTtKÖv (E. B i c k e 1, Lehrbuch der Geschichte der römischen Literatur 1937, S . 3 5 8 f . ) , also das genus deliberativum, die Art der „ R e d e vor dem R a t " . C i c e r o befaßte unter dieses genus deliberativum die Güterlehre, die Tugendlehre und die Lehre von der Gerechtigkeit — also das, was die Kirchenväterpredigt b e s o n ders interessierte (De inventione II 154; vgl. Pauly-Wissowa usw. Artikel Cicero, Sp. 1092). Zudem sagte Cicero (De inventione II 156) von diesem genus, Aristoteles h a b e darin das Nützliche als Zweck statuiert, er, Cicero aber statuiere das Geziemende u n d das Nützliche (in deliberativo [genere] autem placet Aristotelji utilitatem [finem esse], nobis autem et honestatem et utilitatem). Die E p i -

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Systematik der Predigt

deiktik der Lob- und Tafelrede schloß Cicero von der Aufgabe des Redners aus (De oratore, vgl. Pauly-Wissowa Sp. 1100), wenn er vom Redner das Beweisen (probare), Erfreuen (delectare) und das Beugen (flectere) verlangt. In der Tat wurde aus der Epideiktik das Verderben der Rednerkunst in Griechenland und später in Rom (Panegyriker, Prunkredner), so daß Bickel (S. 377) sagen kann: „Das Erbe Ciceros wie des Demosthenes hat nicht die Prunk- und Preisrede der spätantiken Zivilisation, sondern die christliche Predigt angetreten." Man unterschied in der antiken Rhetorik auch drei Stilarten, welche wiederum gienera hießen: das genus grande, den erhabenen Stil1 (aber das genus tumiidum, der geschwollene Stil, ist zu verwerfen) — das genus medium — und das genus tenuie, den zierlichen Stil Den Stoff behandelte man uniter den Kategorien: 1. iiweintio ( = Auffindung1 des Stoffes, Feststellung' des Standes dier Frag»e, statu®, und Lehre von der 'Beweisführung); 2. dispositio oder ordo '(hier werden Schablonen gegeben, z. B. die Chrie); 3. elocutio (der sprachliche Ausdruck: Wahl und Stellung der Wörter, der dadurch bedingte Typus, diie Redefiguren); 4. memoria (Lehre vom GediächtnisweTk); 5. pronuntiato (Lehre vom Vortrag)., — Das bedeutendste Lehrbuch war die Irnstitutio ora+oria Q uii n t i 1 i a n s (1. Jahrhundert nach Chr.), von großem Emfhjß im Mittelalter und in späterer 'Zeit. (Vgl. Bickel, a.a.O. 3(58 f., 375 f.),

Dadurch also wurde die kirchliche Verkündigung des Reiches Gottes „ P r e d i g t " , daß sie nun in der Art der öffentlichen Redner, besonders derer im Rat, geschah! Die Verkündigung des Reiches Gottes in der Kirche geschah jetzt nach der Art der „großen Welt". Und natürlich lag darin wie ein förderndes Moment so eine Gefahr. Weil aber der Inhalt der kirchlichen Verkündigung des Reiches Gottes festlag, anderseits die biblisch-prophetische und biblisch-katechetische Rhetorik sich mit der antiken Rhetorik mischte, so war die Gefahr nicht tödlich; außer in dem Falle, daß man des echten Inhaltes -der kirchlichen Verkündigung vergaß. 2. Der Inhalt der kirchlichen Verkündigung des Reiches Gottes Die Predigt ist die rednerische Verkündigung des Reiches Gottes in der'EKKXricria. Das Thema „Reich Gottes" liegt nun in der Bibel nach allen Seiten entfaltet vor; in Hunderten von Variationen redet die Bibel vom Reiche Gottes. Hier liegt der Inhalt der Predigt beschlossen. Und natürlich ist es vor allem das N.T., welches die Verkündigung des Reiches Gottes in der Predigt speist — doch hat auch das A.T. seine Schätze. Im N.T. müssen wir drei große Massive unterscheiden, wenn wir dort die Variationen über das Reich Gottes ordnen wollen. I. Wohl die meisten Aussagen betreffen die Botschaft: In Jesus ist damals «das Reich Gottes herangekommen. II. Der Menge nach kommen

Der Inihalt der kirchlichen Verkündigung- des Reiches Gottes

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dann die Aussagen: In Jesus Christus wird Gott einst den triumphalen Abschluß seines Reichswirkens bringen, die Parusie. III. Weniger an Zahl, aber bedeutsam in ihrem Gewicht sind die Aussagen: In der Zeit zwischen den Erdentagen Jesu und der Parusie setzt Gott sein Reichswirken auf der Linie Jesus Christus ständig fort. Zu I. gehören die Angaben der ntl. Schriftsteller über das Leben, Wirken, Leiden, Sterben, Auferstehen Jesu; von da aus auch die Aussagen über Jesu Geburt und Jugendzeit. Die Grundlinie hat R . O t t o in seinem Buch „Reich Gottes und Menschensohn", 2. Auflage 1940, dahin herausgearbeitet: Es handelt sich in Jesu Gestalt, Wirken (Lehre, Tun, Leiden, Siegen) um den Kampf Gottes gegen das Reich Satans. Nicht Jesus bringt das Reich, sondern er wird vom Reich gebracht; Gott bringt das Reich, d. h. Gott fängt jetzt die große Rettungsaktion an, und in diese Rettungsaktion Gottes gehört Jesus hinein als der „Urcharismatiker", als charismatischer Evangelist und Exorzist, als Wundertäter und Prophet, als der leidende Gottesknecht und schließlich als der Menschensohn aus den Wolken des Himmels. Nun ruht das Reich Gottes nicht mehr im fernen Himmel, sondern übt seine „Gewalt" aus in Jesus und schafft neue Menschen, die nicht mehr harren und warten, sondern das herangekommene Reich stürmen (Mt 11,12 f., illustriert durch Stellen wie Mt5,29; 8,22; Lc 9,62; 13,24; 14,26). Aber „Propheten konnten die Zukunft schauen, Elia Wunder tun, Jesaja konnte seinem König ein Wunder vom Himmel bieten, aber keiner hätte gewagt, die Vollmacht der Sündenvergebung für sich in Anspruch zu nehmenl (Mc 2,7 = Lc5,21). Aufschlußreich und weiterführend sind die von Otto gebrauchten Bezeichnungen des in Jesus herangekommenen Gottesreiches als des „Schon-Anbruchs des Reiches"; „Jesus fühlte sich als Prätendent auf den Menschensohn", Gott v e r m a c h t ihm das Reich, er w i r d es antreten usw.: aber eben deshalb ist sein Wirken und besonders auch sein Leiden schon messianisches Wirken und Leiden — bloß daß die neutestamentlichen Schriftsteller,, auch die Synoptiker, schon von Ostern und Pfingsten aus Jesum und sein Wirken und seine Worte ansehen und darum alles wie vom Anfang an fertig zu beschreiben geneigt sind, während die Wirklichkeit eine schrittweise Offenbarung Gottes war. (Diese Formulierungen sind geeignet, die christliche Dogmatik zu illustrieren und zu rechtfertigen.) Zu II. gehören jedenfalls alle Aussagen über die Parusie des Menschensohnes in der Herrlichkeit Gottes; über die VorzeichenAngelegenheit und über die Begleitumstände der Parusie; über das Gericht und die neue Wirklichkeit nach der Parusie. Aber auch aus L fließen in die Ausführungen von II. alle Angaben noch einmal ein, welche das in Jesus herangekommene Reich Gottes als den Beginn der Parusie nehmen. (Eine Besonderheit bilden die Aussagen über das Verzögern der Parusie: „Der Herr zögert zu kommen.")

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Systematik der Predigt

Zu III. gehören die Aussagen des N.T. über die E t h i k der Reichgottesbürger, sowohl der dazu bestimmten als der schon hinzugekommenen als der im Gericht stehenden. Ferner die Aussagen über die Wirksamkeit Gottes durch den H e i l i g e n G e i s t an den Reichgottesbürgern — und diese Aussagen betreffen nicht bloß die „Ethik", sondern auch die „Liturgik" (das Beten, Bitten, Danken, Loben, Singen, Fürbitten, das Verkündigen und Hören, die Verkündiger und Hörer," clie Taufe und das Abendmahl in der Christenheit). Endlich die Aussagen über die 'Eiodricria, sei es als die Gesamtgemeinde, sei es als die in Einzelgemeinden konkrete. Dabei liegt auf Sündenvergebung und Buße, auf Geduld und Hoffnung ein besonderer Nachdruck. (Was im N.T. stark zurücktritt, ist der Blick auf das individuelle Sterben der Christen und ihr individuelles Schicksal im Tode. Doch muß damit Ernst gemacht werden, daß das Reichgotteswirken Gottes auch das individuelle Sterben der Christen miteinbezieht, so daß es Reichgottesangelegenheit ist im Sinn von I.—III.) Im A.T. sind direkte Reichgottesthemen: die prophetische Schau auf den „Kommenden" (ob nun Gott selbst der „Kommende" ist, oder der Menschensohn, oder eine menschliche Figur wie der zweite David; im letzteren Falle war eine zu frühe Identifizierung des „Kommenden" mit einer geschichtlichen Figur ein Mißverständnis, und ein solches Mißverständnis muß in der Predigt aufgeklärt werden); das Volk Gottes Israel, denn dieses Volk war in der Absicht Gottes das Volk der auf Christus Hingeführten (auch hier gab es wiederum zu frühe Identifikationen der letzten Absichten Gottes mit Zeitverhältnissen, Zeiterwartungen und politischen Linien; sie müssen in (Ter Predigt aufgeklärt werden); die vom N.T. festgelegten Typen, Vorbilder, Vergleiche aus dem A.T. für den Neuen Bund (das N.T. hat diese Typen zu direkten " Reichgottesthemen gemacht); schließlich das A.T. als ein Ganzes, sofern es eben A.T. ist i m H i n b l i c k auf das N.T., Alter Bund im Hinblick auf den Neuen Bund (Gott v o r der neuen großen Wirksamkeit in Christus, doch derselbe Gott, welcher auch damals kein anderer war, wenn er auch die Offenbarung des großen Neuen den Tagen Jesu vorbehalten hatte). Nicht ohne Bezug auf das Reich Gottes ist auch das andere große Doppelthema des A.T.: Gott waltet in der Natur — Gott waltet in der Menschengeschichte. Also das, was den Inhalt des I. Artikels und des I. Gebotes ausmacht. Denn nur wenn Gott es ist, der Welt und Menschen erschafft und erhält und auf ein Ziel hin leitet, nur dann kann das große neue Christusgeschehen in Welt und Menschheit Platz erhalten. (Darüber lese man W i l h e l m L ü t g e r t , F r i e d r i c h B r u n s t ä d , H e l m u t h S c h r e i n e r — während B a r t h , H e i m , K a h l e r , R i t s e h l ihr Veto einlegen.) (Lütgert: Weil Gott die Welt erschaffen hat, tritt er mit ihr in Gemeinschaft. Brun-

Der Inhalt der kirchlichen Verkündigung- dies Reiches Gottes

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städ: Schöpfung ist Offenbarung, weil sie auf Glauben hin ist. Schreiner: Es gereicht nicht zur Ehre Christi, wenn man, wie fein Teil der heutigen Theologen es tut, das Wirken Gottes in der Schöpfung und in den Taten Gottes in der Geschichte aus dem Begriff der Offenbarung ausschließt. Sie sind Offenbarung, aber Offenbarung ist umfassender als Heilsoffenbarung. Das Wort Gottes in der Natur und der Geschichte trifft nicht nur auf Heiden, es ergeht auch an Christen.) Die literarischen und die religionsgeschictotlichen Probleme des A.T. können den Prediger, der die Exegeten befragt, wirklich verwirren,, und diese Verwirrung pflanzt sich dann bis auf die Exegese des N.T. fort. Wenn z. 'B. der Henochsche „Menschensohn"-Gedanike aus dem Iran stammt; wenn die These vom Satansreich und Gottesreich, die Idee eines Teufels, die Annahme von Enigeln, Engelscharen, Schutzengeln ebemdorthim weist; wenn der Messiasglaube sich vom politischen aus zum religiösen Pur religionsgeschichtlich entwickelte; wenn der jüdische Kanon und die Heilige Schrift als solche Spätschätzungen des Judentums sind, samt der Jnspirationslehre; wenn der Logos, das Wort Gottes, die Weisheit Gottes, die Herrlichkeit Gottes und ähnliche Hypostasierunigen nur religionsgeschichtlich zu erklären sind; wenn überhaupt die Reliigiionsgeschichte und die Ideengesdhichte im späteren Israel mehr Passivität, nämlich" lauter Uebernahme von anderswoher, als Aktivität, nämlich Auftreten großer Frommer mit originalen Offenbarungen, konstatiert — dann scheinen alle großen Glaubens-Bastionen hinfällig zu werdein, und der Prediger, dler etwa den 21. Band des Lietzmannschen Handbuches zum N.T. („Di© Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter" vorn W i l h e l m , B o u s s e t , 3. Auflage von G r e ß m a n n , 1926) studiert, weiß nicht mehr wo aus und wo ein, Hier muß dem Prediger geholfen werden. Und das kann nur die Kirche Jesu Christi. Die Kirche Jesu Christi hilft dem Prediger in der Tat. Sie bietet dem Prediger aus dem Geiste Jesu Christi heraus söwohl das A.T. als auch das N.T. als die jesusimäfiige Verkündigung des Reiches Gottes dar! Was d'ie Wissenschaft vom A.T. und N.T. sagt, das charakterisiert den Inhalt dieser Verkündigung- im Jesusbereich, entscheidet aber nicht über ihre Jesusmäfiigkeit. Ist der Inhalt aber (mag er wissenschaftlich, nlämlich literarisch und relügiionsgeschichtl'ich zu beurteilen sein wie immer) jesusmäßig, so entscheidet die Person und das Wirken Jesu Christi endg'ül'tig — und nicht die Wissenschaft; die Wissenschaft klärt die Sachlage im Innern des Gesamtinhaltes, entscheidet aber nicht. Dabei ist die Wissenschaft seihst sich stets ihrer Relativität bewußt: was heute „allgemein" verfochten windi, kann morgen „allgemein" angegriffen sein, und jeder Wissenschaftler hat s e i n e Weige. Fest stieht nur: dies und das ist der Inhalt des A.T. und des N.T. — aber wie und woher er zu erklären sei, darüber forecht d'ie Wissenschaft mit den üblichen Methoden unablässig und in wechselnder Finderstation. Die 'Kirche Jesu Christi aber sagt: Blicket, ihr Prediger, auf dliesen Inhlalt — diesen Inhalt vierkündigt! Jesus sei euer Leiter und1 Garant dabei! Z. B. verkündiget den „Menschensohn", niicht weil er iranisch sein könnte, sondern weil die Apostel Jesuim mit dem „M'enschemßohn" gleichsetzten, ja weil Jesus selbst sich mit dem „Menschensohn" feierlich identifizierte! Verkündigt die Besiegung des Satansreiches durch das Gottesreich, nicht weil es persisch so g-edacht wurde, sondern weil1 Jesus es so verkündigte und wirkte! Verkündiget die Engel, den Logos, die Weisheit, nicht aus relig-ionsg-eschichtl'icher Gelehrsamkeit, sondern weil die ~'Ge-

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Systematik der Predigt

meinde Jesu Christi, ja wedl Jesais selbst so sprach! Alles gwht auf Jesus zurück und auf seinen Geist, dien er seiner Kirche ließ: hier, .hei Jesus und seinem HL Geiste, 'entscheidet sich alles. Wem freilich Jesus nur einer •unter vielen wäre, der könnte nicht verkündigen — der müßte forschen mit dein Forschern und Forschungsergebnisse lehren. Wem aiber Jesus der „Gekommeine" der Ewigkeiten ist, für den verliert die Literatur- und Religionsgeschichte die 'Kraft letzter Entscheidung (und es bleibt ihr freilich die Erleuchtungskraft, die Hilfskraft, die der Prediger gar wohl zu schätzen weiiß, diie er aber auch richtig einschätzen muß). Immer noch tönt allzu Laut der Nachhall1 des Rufes: „Wir leben nach der Wissen chaft". Aber es ist eine große Frage, ob man überhaupt nach der Wissenschaft „leben" kann. Jedenfalls sind heute auch die iim Glauben stehenden Forscher selbst der Ueberzeugung: Wir „leben" im Glauben — und aus Glauiben arbeiten wir f ü r die Wissenschaft und deren Fortschritte. (Während' in einer vergangenen Epoche auch die im Glauben stehenden Wissenschaftler da und dort nicht die Techte Ordnung von Glauben und Wissenschaft finden konnten.) Anders steht es freilich, wo es sich auf Seiten der Kirche nichit um die Verkündigung Jesu Christi handelt, sondern um bloße Rechthabereien kirchlicher Kreise 'oder gar tum ungeordnete Uebergriffe kirchlicher Kreise in die wissenschaftliche Arbeit als solche. Hier hat der Wissenschaftler Recht und Pflicht, sich zu verteidigen und die Respektierung der Wissenschaft zu verlangen. Und da es auf diesem Gebiet zahllose Gremzfragen gibt, so wird immer ein Streit hinüber und herüber sein — aber ächtet man auf die großen Normen, so wird -man miteinander „leiben" können. Der Prediger jedenfalls, der ebenso Kirchen- und Gemeindeiglied wie Schätzer der Wissenschaft ist, wind seinen Weg z>u finden wissen. Die Wissenschaft aller Art gehört zum Leben, aber Leben ist mehr als Wissenschaft. Und auch Jesus und seine Sache darf der Wissenschaft nicht entzogen werden, aber Jesus und seine Sache ist mehr, als was dlie Wissenschaft daran erforschen kann. „In ihm war das Leiben und dlas Leben war das Licht der Menschen", so hat einer geurteilt, der in Jesus und seiner Sache „lebte".

3. Die Forderung der Rhetorik an die Predigt Die Predigt ist jene öffentliche Rede, mit welcher man kirchliche Verkündigung des Reiches Gottes tun will und tun soll. Oder; die Predigt ist die rednerische Verkündigung des Reiches Gottes in der Kirche. Ist die Predigt in diesem Sinn R e d e , so wird der Redner im Prediger bestimmten Forderungen der Rhetorik gegenüberstehen, welche die kirchliche Verkündigung des Reiches Gottes nicht beeinträchtigen, sondern den menschlichen Flfeiß darin unterstützen. Etliche Wege der Rhetorik aber sind dem Prediger, trotzdem er Redner ist, gerade deshalb, weil er Verkündiger des Reiches Gottes in der Kirche ist, einfach verboten. Solche Wege verbotener Art müssen hier genannt werden. Es kann sich bei der Predigt, trotzdem sie Rede ist, nicht darum handeln, Schönfärberei zu treiben, schwache Momente stark zu machen, etwa gar Unwahres und bloß ad hoc Erfundenes vorzubringen und breitzuschlagen, die Leute auf jeden Fall in Begeisterung zu versetzen oder in Bann zu schlagen, als großer Redner und mächtige Treiber-Persönlichkeit zu erscheinen, Anhänger zu gewinnen und eine Macht zu werden. Das alles übten

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die Redner aller Welt reichlich und rühmten sich ihrer mächtigen HJUxaTUJT'C- Aber jenem Redner, welcher mit seiner Rede das Reich' Gottes in der heiligen Kirche verkündigen will, ist das alles eine Region des- Verderbens. Nur was wahr ist vom Reiche Gottes, das darf d i e s e r Redner vorbringen. Nur was stark ist im Reiche Gottes, das darf er stark machen. Nur für Jesu Sache, für Gottes Sache darf er die Hörer begeistern und in Bann schlagen. Ein großer Prediger ist man nicht von der Rednerqualität her, sondern von der JesusSeite her (im andern Fall mag man ein großer Redner sein, niemals, aber ein großer Prediger!). Anhang darf der Prediger nicht für sich gewinnen (sonst ist es ein bloßer Redner-Anhang), sondern für Jesus und für die Gemeinde Jesu. Eine Macht darf nicht der Prediger werden, sonst siegt Satan mittels der Predigt, aber Jesus darf eine Macht werden durch die Predigt. Kurz: die Predigt nimmt rednerische Qualitäten in Anspruch, aber sie bedient sich ihrer bloß zu ihrem Reichgottesauftrag. Welches sind nun die „hilfreichen" Forderungen der Rhetorik an die Predigt und an einen Prediger? Was muß der Prediger, w e i l er Redner ist, um der Verkündigung des Reiches Gottes willen an r e d n e r i s c h e n Forderungen erfüllen? Die öffentliche Rede, an und für sich genommen, entspricht dann ihrem Zwecke, wenn siea) interessant ist; b) den Verstand und Willen des Hörers ergreift; c) seine Phantasie beflügelt; d) sein Gemüt anregt; e) wenn die Rede geeignet ist, Widerstrebende allmählich zu packen und zu gewinnen; f) wenn die Sprache des Redners und seine ganze Haltung der in diesen Dingen möglichen Zucht die Ehre gibt; g) wenn die Rede nicht zu kurz und nicht zu lang ist. Diese Forderungen der Rhetorik an die Rede und die Redner zeigen, daß Rhetorik eine ganze Lebensschule ist. (Wie denn der alte C a t o zusammenfassend seinem Sohne schrieb: Orator est, Marce fili, vir bonus, dicendi peritus [ad* fil. fragm. 14 Jordan, bei Bickel a.a.O. 140] und T h e r e m i n seine „Homiletik" überschrieb: „Die Beredsamkeit eine Tugend".) Das gilt nun ebenso wie für die öffentliche Rede an und für sich a u c h für jene öffentliche Rede, welche • die Verkündigung des Reiches Gottes ist, also für die Predigt, von der Seite her gesehen, wo die Predigt eben öffentliche Rede ist. a) Auch die Predigt muß interessant sein. Interessant aber wird die Predigt nicht schon durch die Tatsache, daß sie im Vordergrund das noch heute vor sich gehende Wirken Gottes in Christo und im Hl. Geist verkündigt — obwohl das die Predigt aktuell macht; auch nicht schon dadurch, daß die Predigt die vielerlei Variationen der Bibel benützt. Beides ist für die Predigt wesentlich — aber interessant wird die Predigt durch andere Momente. Fragen wir uns zuerst: Wodurch wird eine R e d e interessant? Es halte jemand einen Vortrag über Rußland, vor Arbeitern und Studen-

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ten etwa. Wann ist diese Rede für Arbeiter und Studenten interessant? 1. Der Redner muß ein T h e m a haben, das den ZuKörern auf der Seele brennt, ein Thema, welches Fragen anschneidet, die die Zuhörer wirklich haben, Fragen etwa, die sie quälen. Also hier: „Rußlands Arbeiter und Studenten in ihrem gegenwärtigen Leben und Streben." 2. Der Redner muß ein Mann sein, der mit eigenen Augen gesehen hat, also hier ein Mann, der in Rußland gewesen ist. 3. Der Redner muß ein Mann sein, welcher fähig ist zu beobachten und zu beschreiben. 4. Der Redner muß seinen Stoff von allem entkleiden, was nur Langeweile erregt — er muß wissen, w a s vor seinen Zuhörern Langeweile erregt. 5. Der Redner muß logisch klar, leicht verständlich und so kurz als möglich, aber nicht zu kurz sein in seinem Vortrag. Wenden wir das nun auf die Predigt über die Themen des Reiches Gottes an, so verlangt die Rednerqualität vom Prediger: 1. Er muß ein Thema des Reiches Gpttes nehmen, welches die Hörergemeinde quält, wozu sie Fragen haben, welches „existenziell" für sie ist. 2. Der Prediger muß in dem behandelten Thema ein Stück seines Lebens behandeln können, also in dem vom Thema Bezeichneten leben, daran in der Tiefe seines Wesens beteiligt sein, ein aÚTÓTrrriq sein. 3. Der Prediger muß gelernt haben, das Packende, Aufreizende, unruhig Machende an dem vom Thema Bezeichneten zu beobachten und zu beschreiben. 4. Er muß seinen Stoff von allem Langweiligen entkleiden, koste es ihn auch Ueberwindung. 5. Er muß logisch klar, leicht verständlich, so kurz als möglich, und doch nicht zu kurz in seiner Predigt sein. Hilfsmittel, aber nicht Hauptmittel, sondern H i 1 f s mittel in diesem Streben nach Interessantheit sind: Hinweise auf große Männer und Frauen der Kirche, welche die Sache des Themas erlebten, neu durchdachten und formulierten. — Hinweise auf die in der Dichtung vorkommenden Gestalten, welche als von der Sache des Themas gespeist dargestellt werden. — Hinweise auf Kunstwerke, in welchen der Künstler den Gehalt jenes Themas zum Bilde oder zur Musik werden ließ. — Alle andere Dichtung, Kunst, Musik, Philosophie ist der Predigt nicht versperrt, aber der Prediger kann dies alles nur erwähnen in der Weise, daß er das geheime Sehnen, das darin lebt, als in der Reichgottessache erfüllt aufzeigt. — Alle anderen Mittel erregen ein Pseudointeresse, welches ohne nachhaltige Wirkung in der Reichgottessache bleibt. b) Die Predigt muß als öffentliche Rede den Verstand und Willen der Hörergemeinde ergreifen. Wodurch ergreift eine R e d e den Verstand und Willen der Hörer? Antwort: Die Redé darf nicht nur, oder auch nur in der Hauptsache, Aufforderung, Klage, Polemik sein, sondern sie muß Sachen besprechen, Mitteilungen bringen, Daten geben, den Hörer belehren. Das ergreift den Verstand! Und die

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Seelenlenkung (tyuxafuJYia) hat aus dieser Darlegung der Sachen hervorzugehen, muß sich natürlicherweise aus der Darlegung der Wahrheiten ergeben, so daß der Hörer angesichts der Daten selbst urteilt: „Da muß etwas geschehen! Das kann so nicht weitergehen — und ich muß dabei sein!" — Auf die Predigt, welche ja auch zum Teil Rede ist, angewandt, bringt das folgende Ueberlegungen in Gang: Da die kirchliche Predigt öffentliche Rede über einen Schrifttext ist, so versteht es sich von selbst (oder es sollte sich doch von selbst verstehen!), daß der Predigthörer eine wirkliche Auslegung des Textes bekommt. Durch diese Auslegung des Textes wird der Verstand des Hörers beschäftigt. Der Verstand wird auf jeden Fall durch die Auslegung des Textes b e s c h ä f t i g t — aber der Verstand soll e r g r i f f e n werden. Das wird die Auslegung des Textes nur dann leisten, wenn: 1. der Text selbst ergiebig ist; 2. der Ausleger hart am Texte bleibt und i h n Recht haben läßt; 3. der Ausleger fähig ist, den ewig alten Gehalt des Textes so vor die Leute zu bringen, daß sie den ewig alten Gehalt des Textes wie eine neue Offenbarung empfinden, die ihre Aufmerksamkeit fesselt und ihr Denken in Bewegung setzt — und das Letztere ereignet sich am nachdrücklichsten, wenn der Ausleger dem Texte eine n e u e Seite abgewinnen kann, von welcher aus alle anderen Inhalte des Textes in neuem Glänze erstrahlen; 4. wenn der Ausleger Schritt für Schritt, ohne Abschweifung und Langwierigkeit, vorgeht und es verschmäht, Selbstverständlichkeiten und Alltäglichkeiten einzumischen, es sei denn, sie wären für den Fortschritt des G e d a n k e n s wirklich n ö t i g ; 5. wenn der Ausleger sich nicht auf das versteift, was i h n , den Ausleger, besonders interessiert, was aber s i c h e r l i c h über die KVaft seiner Zuhörer oder über ihre Atmosphäre hinausgeht. Den Willen ergreift die Predigt als öffentliche Rede, indem sie den Inhalt des Textes als J e s u Forderung herausstellt, als die Forderung dessen also, der allein maßgebend sein kann für die Art, wie Menschen in den Bereich des Reiches Gottes kommen und darin bleiben; indem sie überdies das Gottesreich in Jesus und im Hl. Geist als die große Möglichkeit für Menschen vor die Augen führt, welche nach dem Letzten und Höchsten streben; indem sie kurz und schlagend Exempel von solchen zu n e n n e n weiß, welche durch Hingabe an die Textforderung die Erfüllung ihres Lebens fanden; indem sie konkret den W e g zeigt, auf welchem die „Nachfolge J e s u " im Sinn des Textes getan werden kann; indem sie auch auf die Gefahren verweist, welche Jesus für die Nichttäter seines W e g e s zeichnete (doch dürfen nicht die Gefahren der G r u n d sein für die Nachfolge Jesu). c) Auch die Predigt muß als öffentliche Rede die Phantasie der Hörergemeinde beflügeln. Das bedeutet: der Hörer soll sich nicht in den Umkreis der Predigt (oder gar in die Gedanken des Predigers) eingesperrt finden, sondern er soll durch die Predigt alle Tiefen und Fendt, Homiletik

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Höhen des eigenen Lebens neu erleuchtet sehen, neu aufgetan, zur neuen Ufern fähig werden. Der Prediger kann das als Redner a n t r e g e n , indem er scheinbar auf dem Gegenteil der Phantasie als auf seinem Instrumente spielt, nämlich: indem er seine Zuhörer in ihrem wirklichen Alltagsleben nimmt und anredet, und auf dieses wirkliche Alltagsleben, das in der Tat ganz irdisch ist und mit allem Kleinen und Kleinlichen erfüllt ist, nun die große Tatsache aufpflanzt: G o t t wirkt im Hl. Geiste a n e u c h ! Natürlich widmet der Prediger der Anregung der Phantasie nicht einen eigenen Abschnitt, sondern seine Predigt hat als ein G a n z e s die genannte Art. Z. B. in dem Text Mt 5,3 „Selig sind die geistlich Armen" wird alles darauf ankommen, nun wirklich den in ihrer Alltäglichkeit Dasitzenden und in die Alltäglichkeit Zurückkehrenden klarzumachen: „ T r o t z d e m seid i h r es, die Jesus begrüßt, denen Jesus das Reich Gottes in Aussicht stellt — i h r seid es, mit allen euren Sorgen, Freuden, Fehlern, Sünden, Qualen, mit all eurem armen (oder reichen) Getue!" Auf die konkrete Werktagsituation wird das Reich Gottes als Kröne aufgesetzt — so kommt die Phantasie der Hörer in Gang, so bekommt ihre Seele „Flügel". d) Auch die Predigt muß als öffentliche Rede das Gemüt anfassen. Bloß sind die gewöhnlichen Methoden öffentlicher Redner, das Gemüt zu treffen, hier erst zu reinigen. Gewiß sind Tränen der Zuhörer ein Zeichen dafür, daß der Redner das Gemüt der Zuhörer traf; gewiß ist das Gemüt gepackt, wenn bei den Zuhörern laute Rufe, Bewegungen der Zustimmung, Wallungen des Blutes, Stöße des Atems zutage treten. Ein öffentlicher Redner wird sich kaum weigern, direkt „auf die Tränendrüse zu drücken", oder die Zuhörer zu' fanatisieren — aber ein öffentlicher Redner, welcher eine P r e d i g t hält, darf das nicht ebenso. Es gab Prediger, welche selber weinten und so die Zuhörer zum Weinen brachten; aber sie sind alle miteinander etwas lächerlich geworden. Und wenn Prediger sich in ein Feuer hineinsteigern, welches nicht recht zu ihnen passen will, dann staunt man sie zwar an wie ein Meerungeheuer, aber für die Sache der Predigt ist dadurch nichts gewonnen. Nein. Der Prediger kann auf das Gemüt nur wirken wollen, indem er kein Hehl daraus macht, daß er die Zuhörer l i e b t , daß er alles Predigen nur dazu benützen möchte, sie als ein Gehilfe des guten Hirten zum guten Hirten zu bringen, daß der Ström der dTccrrri, welcher durch die Gemeinde Christi fließt, auch durch sein Herz geht — und daß er wahrhaftiges größtes Bedauern, ja Unglück fühlen müßte, wenn auch nur e i n Glied der Gemeinde dem guten Hirten feind wäre oder ihm gleichgültig gegenüberstünde. Auch das wird der Prediger nicht eigens„predigen", sondern das wird seine Predigt vom Anfang bis zum Ende, seine ganze Predigttätigkeit erwärmen und erleuchten.

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Der Prediger wird also etwa bei Mt 5, 3 so reden, daß sowohl die Armen als die Reichen es werden durchfühlen können: der Prediger ist ihnen allen herzlich gut, er wünscht ihnen das Beste, er legt seinen Text nur so aus und drückt ihnen denselben ins Herz, damit sie Frieden und Seligkeit finden, damit sie ihr Ziel erreichen. Und es wird kein Funke .von Schadenfreude oder Haß gegen die Andersdenkenden und Anderstuenden in der Predigt sein, sondern auch wenn der Prediger die Drohungen Jesu vorbringen muß, so bringt er sie vor in herzlichem Bedauern und größtem Mitgefühl für die Bedrohtheit der Neinsager. — Es ist einfach ergreifend, wenn der alte F r a n z X a v e r G e i g e r , Pfarrer in Endriching, in seiner „Pastorall ehre" vom Jahre 1789 die Eigenschaften der Predigt in die drei zusammenfaßt: kurz, faßlich, und — n i c h t b e l e i d i g e n d . e) Auch die Predigt muß als Rede dazu geeignet sein, Widerstrebende allmählich zu packen und zu gewinnen. Dies geschieht keinesfalls durch eine abstoßende Manier. (Wenn in Mt 5,3 der Prediger die Armen gegen die Reichen aufhetzt oder die Reichen beschimpft und niederstößt, so wird er für die Sache des Textes nicht werben können.) Freilich fühlt sich der Prediger durch die ihm und seiner Predigt Widerstrebenden beengt, ja beleidigt, doch er muß von diesem Gefühl frei werden. Nichts erwarte er von einer Art „sich etwas von der Leber herunter zu sprechen"; noch weniger von dem unmöglichen Einfall, deutlich auf bestimmte Personen hin zu argumentieren: sowohl die heimlich also Angeredeten als die übrigen Zuhörer werden nur peinlich berührt sein (mit Ausnahme der „Boshaften", die aber selbst eine Peinlichkeit für die Zuhörergemeinde sind). Vielmehr kennt er die ihm widerstrebenden Gedanken und Gefühle mancher seiner Zuhörer, oft werden sie ihm während der Predigt drastisch zum Bewußtsein gebracht — er aber hat schon die S a l b e bereit für diese Leidenden, und als ein guter 'und geduldiger Arzt redet er seinen Kranken solange zu, bis sie die Salbe angewandt wissen wollen — oder es wenigstens einmal damit probieren wollen. Das ist sinnbildlich gesprochen, aber die nüchterne Weise, Widerstrebende zu gewinnen, ist damit umschrieben; Gesinnung eines Arztes, und nicht eines Richters oder Henkers; das Wort des Textes das Heilmittel; das Widerstreben eine heilbare Krankheit; der Patient ein mürrischer und widerstrebender Bruder aus der Schar der Jesuleute, der vielleicht oftmals schon Aehnliches versuchte und nie damit zum Ziele kam, nun ist er nicht bloß hoffnungslos, sondern höhnisch und innerlich frech. Natürlich wird keine Predigt so erfolgreich sein, daß sie a l l e Widerstrebenden packt und gewinnt, man wird allzuoft nachher durch viele Mißerfolge betrübt sein müssen. Da tröstet man sich derer, die mitgingen und ihre Garben tragen ( n a c h Mt 13,3ff.). 3*

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f) Es gibt eine Zucht der Sprache und der Haltung des Redners, auf welche die Rhetorik viele Zeit und Mühe verwendet. Ohne diese Zucht darf auch der Prediger, der ja in der Art des öffentlichen Redners das Reich Gottes verkündigt, nicht bleiben. Es ist heute an jeder Universität Gelegenheit geboten, Sprachtechnik und Sprachreinheit zu erlernen — der Prediger wird es als Sünde ansehen müssen, wenn er das leichthin versäumt. Wer es versäumt h a t , mache Anstrengungen, es nachzuholen, um der rednerischen Verkündigung des Reiches Gottes willen. Die gesamte Haltung des Predigers auf der Kanzel kann ihm nicht die Rhetorik beibringen, aber das homiletische Seminar oder das Predigerseminar; auch hier gilt es nachzuholen, was man etwa versäumte. Ist man für Belehrung offen, so wird man immer wieder für die rechte Haltung lernen können; auch das wäre eine nicht unwichtige Angelegenheit für pastorale Kurse und Zeitschriften. Da es aber immer verschiedene Meinungen darüber geben kann, so wird die Anleitung der betreffenden Akademie grundlegende Bedeutung haben. Dem Redner, welcher das Reich Gottes verkündigt, also dem Prediger, ist die Zucht der Sprache und Haltung deshalb nötig, weil seine Predigt ja liturgisch ist. 4. Der Reichgottesinhalt und die Rhetorik der Erweckungspredigt S c h r e i n e r , T r i l l h a a s , H a e n d l e r schrieben ihre „Homiletik" für die Gemeindepredigt; für die Erweckungspredigt (und für die ganze evangelistische Arbeit) schrieb O t t o R i e c k e r sein aufregendes Buch „Das evangelistische Wort. Pneumatologie und Psychologie der evangelistischen Bewegung, Träger, Rede und Versammlung", 1035. Riecker selbst scheidet die Gemeindepredigt von der Erweckungspredigt; aber er kennt einen erwecklichen Auftrag auch der Gemeindepredigt (freilich ist dieser erweckliche Auftrag nicht der einzige). Im übrigen stiftet die Erweckungspredigt Gemeinde: „Gemeinde ist ausgelebtes Wort"; „das Primäre an der Tatsache »Gemeinde« ist das Wort und nicht die psychologische Gemeinsamkeit". Die Erweckungspredigt will deutlich die Fortsetzung des Angriffs Gottes in Jesus Christus auf das Reich Satans sein. Der Inhalt dieser Predigt ist Christus als die siegreiche Macht des Gottesreiches. Durch diese Predigt geschieht eine Aenderung der Situation, es geschieht jedesmal etwas, für den Prediger und für den Hörer, positiv oder negativ (Entscheidungscharakter der Predigt). „Die Macht des Geschehens in der Predigt ist an die Predigt von Christus gebunden und eine Auswirkung dieses Christus selbst". „In der christlichen Rede spiegelt sich die Energetik des Gottesreiches."

Der Reichsg-ottesin'halt und die Rhetorik d e r Erweckungspredigt

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Das Retterhandeln Gottes ist die letzte Wurzel dieser Predigt und das Retterhandeln geschieht in Christus. „Die biblische Botschaft war Rettung der Verlorenen, nicht verhüllte Weihe der Mustergültigen." So kommt alles auf die „zentrale Botschaft von Jesus" an. Aber mit einer besonderen Wendung zum A n g r i f f auf die Verlorenen („aggressives Prinzip"). Diese Predigt ist in stärkstem Maße Büßpredigt, Gerichtspredigt, Bekehrungspredigt, Gesetzespredigt. In Schottland hörte Wesley 1774 Predigten „voll Wahrheit", die aber an den Hörern vorbeizogen „wie eine italienische Oper". Hier begann Wesley zu donnern von Tod, Gericht und Ewigkeit. Die Büßpredigt, ans Gewissen gerichtet, schafft es; und zwar Bußpredigt, welche die Leute am „Worte" mißt, also die Gesetzespredigt biblischer Art, nicht die Moralpredigt der bürgerlichen Sitte (welche er „Rühren im Sündentopf" nannte). Ohne diese Gesetzespredigt wird die Predigt von der Liebe und dem Leiden Christi, auf die doch alles ankommt, zum „einschläfernden Wortschwall". Den großen Erweckungspredigern handelte es sich dabei nicht um den Vortrag von Sätzen, mögen es nun reine Theorien sein oder Hoffnungen, sondern um das „Stehen in der Realität der ewigen Dinge". Diese Prediger „schauten, was sie glaubten, und glaubten, was sie sagten". Für sie waren die Glaubensdinge „brennende Realitäten". So konnten sie sich auf der Kanzel mit Gott identifizieren, oder mit den biblischen Gestalten, oder mit den biblischen Worten. Sie sprachen „in Autorität", sie hatten die „Autorität des Evangeliums" (gospel-authority), die Kanzel war ihr Herrscherthron (gospelthrone). Aber selbstverständlich: es war nicht i h r e Autorität, sondern ganz die Gottes, des Evangeliums, Christi. Whitefield machte einer gleichgültigen und zum Teil schläfrigen Versammlung klar, daß er im Namen des Herrn der Heerscharen komme; er weckte die Schläfer auf mit einem Faustschlag auf das Pult und mit Aufstampfen auf den Boden und rief: „Und ich muß gehört werden und ich will gehört werden!" Die Verkündigung der Erweckungsprediger geschah und geschieht im Hl. Geist — und das ist so rücksichtslos gemeint, geglaubt und praktiziert, daß man theologisch zusammenzuckt, wenn man es liest. Der evangelische Prediger hat den „pneumatischen Stand", er untersteht dem Wirken des Pneumas und muß in seinem Leben und Tun bestimmend vom Pneuma getragen sein. Dieser „pneumatische Stand" ist darum unabtrennbar, von persönlicher Heiligung und schließt in sich die Haltung der Demut und Beugung, die im Gebet ihren Ausdruck findet. „Der Geist im Redner ist der Geist im Wort und der Geist in den Hörern." Alle Eloquenz vermag den Geist nicht zu ersetzen, sie vermag die „toten Gebeine" nicht zum Leben zu bringen. „Das prägnanteste Thema, die interessanteste Redekunst, die größte »Begeisterung« ersetzt in keiner Weise den Geist Gottes, sondern ist

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ohne ihn lauter Dunst" (Schrenk). Der Inhalt der Predigt ergreift auch den Prediger, und während des Predigens kommt ihm Kraftzufluß von oben. Aus welchem Grund predigt der evangelistische Prediger? Aus Liebe zu Gott und den Menschen — er will durch seine Predigt die Menschen für Gott retten; er weiß, daß Gott durch seine Predigt die Menschen rettet — und richtet. Darum verschmäht der evangelistische Prediger das Pathos nicht; aber es ist ein „hohes Pathos", kein „hohles Pathos". „Die große Leidenschaft hat noch imixier Menschen erworben." „Ohne tiefe Gefühle wird nichts Gewaltiges geschehen." „Ein Redner, der kalt läßt, wird nichts Großes wirken." So sprengt die Erweckungspredigt die Regeln der Homiletik. Tränen, Mimik, Gebärden, Donnern, Pathos — in den großen Versammlungen, in den Massenversammlungen, wirkte das und wirkt. Whitefield konnte am Ende einer Predigt, mit Augen voller Tränen, einem Herzen zum Sprechen fast zu voll, eine Pause machen — die ganze Versammlung wartete lautlos auf das Kommende — dann setzte er das Barett auf und sprach: „Ich muß jetzt das Barett des Richters aufsetzen. Sünder, ich muß es tun. Ich muß das Urteil über euch fällen." Und dann rief er in einem erschütternden Schwung von Beredsamkeit die Worte hinaus: „Weichet von mir, ihr Verfluchten!" Es versteht sich von selbst, daß man die evangelistischen Prediger nicht nachmachen kann und nicht nachmachen darf. Sie selbst ahmten auch keinen nach, sie waren Originale. Getragen wurden sie von Massenbewegungen, die dennoch ihre Predigt entfesselt hatte — waren die Massenbewegungen dahin, verschwanden auch die Erweckungsprediger großen Stils. Und wo immer wieder Erweckungen auftreten, gehen sie nach diesem Prinzip, sind aber Original. Die großen Erweckungprediger waren Charismatiker, das yüpicruu der Erweckung war ihnen von Gott gespendet. Da ka^n von Nachmachen keine Rede sein. Dennoch kann man homiletisch etwas von den großen Erweckungspredigern lernen. Außer denen, welche nach Apg 20, 28 die Kirche zu „weiden" haben, muß es immer wieder die „Zwinger", die ßiuaxcti von Mt 11,13 geben, welche die Aggression Gottes in Christo auf das Reich Satans mit Macht tun. Gott sorgt dafür, selber kann man das nicht unternehmen. Wenn es aber in der Kirche geschieht, ja wenn vielleicht ein pastor oder ¿TricFKOTroc; oder TrpeffßÜTepoc von Gott das xapicr|Lia der Aggression erhält, da muß er vor die Leute und durch die Mauern hindurch! Aber wehe, wenn er nur ein Imitator oder hauptsächlich ein Imitator wäre! Die Sache ist gefährlich —•' weil sie nur im Reichgotteswirken Gottes verlaufen kann. Etwas anderes dürfte es sein, daß jede Gemeindepredigt a u c h Erweck liches haben muß, daß jeder Gemeindeprediger a u c h evangelistische Fähigkeiten haben muß, ja daß Gemeindeprediger es wohl unternehmen dürfen und müssen, miteinander eine Evangelisation zu

Gesetztespred'igft — Evangeliumspredigt

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"halten. Und hier erhebt sich die Frage: Wie weit werden die Gemeindeprediger in diesen Dingen den großen Erweckungspredigern ähnlich sein? I. Im Inhalt: Jesus Christus als der von Gott zum Sieg über Satans Reich gebrachte Heiland wird verkündet. So Tettet Gott. Aber so richtet er auch — darum messet euch heute schon an seinem Willen: Früchte will er sehen. Die Predigt aber ist nicht einfach eine Unterredung von Mann zu Mann, sondern indem Christus als Retter und Richter verkündigt wird, rettet und richtet Gott durch die Predigt. II. In der Haltung vor Gott bei der Predigt, vorher und nachher: Vertrauen auf Christus und den Hl. Geist, in welchem Gott seine Reichgottestätigkeit durch die Predigt tut. Stehen im Gebet und in der Heiligung. Motiv der Predigt und Evangelisation: Liebe zu Gott und den Menschen — Retterliebe. III. In der Form wird der erweckliche Gemeindeprediger etwas freier sein dürfen als die normale homiletische Verfahrensweise es vorsieht — aber er soll doch immer wieder in die normalen Gemeinde-Formen zurückkehren. Dort allein soll er seine „Ruhestatt" haben. Er soll nicht das kümmerliche Beispiel eines Charismatikers geben, sondern ein gediegenes Beispiel eines Gemeindepredigers, welcher erwecklich sein m u ß um des Reiches Gottes willen. Rhetorisch gesehen dürfte die Erweckungspredigt dies prophetisch-biblischen Stils, iim Gegensatz zum Stil, gleiten. Die Gemeindepredig't aber hat ebensoviel biblischen als mit diem prophetisch-biblischen Stile Ueberdiachung mit der antiken Rhetorik mehr mit als mit dem „prophetischen" Stile der Bibel.

als gro&e Fortsetzung' katechetisch-biblischen mit dem katechetischzu tun, ja dlurch die dem „katochetischen"

Gesetzespredigt — Evangeliumspredigt Für Paulus war das ganze A. T. zugleich Schrift (ypacpri) und zugleich Gesetz (vö|ao^), rpacpr] der Form nach, v6|ao